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Full text of "Kleine schriften von Alfred von Gutschmid"

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SS 


KLEINE  SCHRIFTEN 


VON 


ALFRED    VON    GUTSCHMID. 


HERAUSGEGEBEN 


VON 


FRANZ    RÜHL. 


ZWEITER  BAND. 

SCHRIFTEN  ZUR  GESCHICHTE  UND  LITERATUR 

DER  SEMITISCHEN  VÖLKER 

UND  ZUR  ÄLTEREN  KIRCHENGE  SCHICHTE. 


LEIPZIG, 

DRUCK  UND  VERLAG  VON  B.  G.  TEÜBNER. 

1890. 


Vorwort. 


Der  vorliegende  Band  wird  bei  Historikern  und  Theo- 
logen auf  gleichen  Antheil  rechnen  können^  und  es  steht  zu 
hoffen,  dass  die  hier  gesammelten  Aufsätze  jetzt;  nachdem 
sie  vereinigt  worden  sind,  einem  grösseren  Theile  des  be- 
theiligten gelehrten  Publikums  vertraut  werden,  als,  wie  die 
Erfahrung  gelehrt  hat,  bisher  der  Fall  gewesen  ist.  Denn 
wegen  des  Orts,  wo  sie  zuerst  erschienen  sind,  scheinen 
einige  für  die  Theologen  wichtige  Abhandlungen  diesen  und 
z.  B.  eine  historisch  so  interessante  Untersuchung  wie  die 
über  die  Apokalypse  des  Esra  den  Historikern  vielfach  un- 
bekannt geblieben  zu  sein.  Völlig  neu  sind  zwei  Abschnitte, 
der  dritte,  über  Phönicien,  und  der  dreizehnte,  über  die 
Patriarchen  von  Alexandrien.  Der  Erstere  ist  zwar  bereits 
englisch  in  der  Encyclopaedia  Britannica  veröffentlicht  wor- 
den, hat  aber  dort  mancherlei  Kürzungen  erleiden  müssen, 
der  Letztere  fand  sich  als  Manuscript  im  Nachlass.  Herr 
Geh.  Eirchenrath  D.  Lipsius,  welcher  die  Bearbeitung  und 
Herausgabe  desselben  zu  übernehmen  die  Güte  hatte,  hat 
auf  S.  395  über  sein  Verfahren  berichtet;  hinsichtlich  des 
Antheils  Nöldekes  wolle  man  dessen  Bemerkungen  auf  8.  525 
nicht  übersehen. 

Meine  eigene  Thätigkeit  hat  sich  in  denselben  Schranken 
gehalten,  wie  bei  dem  ersten  Bande.  Energischer,  als  bei 
jenem  drängte  sich  diesmal  die  Frage  auf,  ob  die  Umschrift 
der  orientalischen  Namen  nicht  zu  vereinheitlichen  sei; 
schliesslich  musste  sie  auch  diesmal  verneint  werden.  Gut- 
schmid  hat  —  offenbar  ohne  allen  äusseren  Zwang  — 
wiederholt  mit  seinen  Principien  bei  der  Umschrift  ge- 
wechselt.    Wenn  er  in  den  fast  unmittelbar  hintereinander 


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IV  VORWORT. 

entstandenen  Aufsätzen  über  die  Nabatäische  Landwirth- 
Bchaft  und  über  Ibn  Wahshijjah  verschieden  transcribirt  und 
nachher  wieder  anders:  welche  Art  der  Umschrift  sollte  da 
der  Herausgeber  wählen,  wenn  er  sich  nicht  an  die  ursprüng- 
liche halten  wollte,  und  welchen  Nutzen  hätte  eine  solche 
Arbeit  gebracht,  der  auch  nur  entfernt  im  Yerhältniss  zu 
der  ausserordentlichen  Mühe  gestanden  hätte,  welche  sie 
erfordert  haben  würde?  Auch  sonst  haben  die  bei  dem 
ersten  Bande  befolgten  Grundsätze  hier  ebenfalls  zur  Richt- 
schnur gedient ;  handschriftliche  Bemerkungen  Gutschmids 
sind  berücksichtigt,  erkannte  Fehler  verbessert  worden.  Wo 
der  Fehler  klar  war,  die  Verbesserung  aber  unmöglich  schien, 
ist  der  ursprüngliche  Text  ohne  weitere  Note  wieder  ab- 
gedruckt worden.  Der  auffallendste  unter  diesen  unver- 
besserten  Fehlem  ist  „Pospinh"  S.  294  Zeile  8  von  unten; 
ich  habe  drei  mit  dem  Gegenstande  besonders  vertraute 
Gelehrte  zu  Rathe  gezogen,  keiner  war  in  der  Lage,  mir 
dieses  Wortungethüm  zu  enträthseln. 

Auch  bei  diesem  Bande  bin  ich  Theodor  Nöldeke  für 
seine  liebenswürdige  Unterstützung  und  manchen  nützlichen 
Rath  zu  herzlichstem  Danke  verpflichtet. 

Königsberg,  22.  September  1890. 

Franz  Rtthl. 


Inhaltsverzeichniss. 

Seite 

I.   Ueber  den  letzten  Band  von  Movers'  Phöniziern 1 

(Neue  Jahrbücher  für  Philologie  und  Pädagogik  1867.) 
II.   üeber  des  Grrafen  Baudissin  Stndien  zur  semitischen  Bell- 

gionsgeschichte 20 

1.  Anzeige  des  ersten  Hefts 20 

(Jahrbücher  fflr  classische  Philologie  1876.) 

2.  Anzeige  des  zweiten  Hefts 29 

(Jahrbücher  für  classische  Philologie  1880.) 

ni.    Die  Phönicier 86 

(Deutscher  Text  des  Artikels  „Phoenicia^*  in  der  „Ency- 
clopaedia  Britannica^S) 

1.  Religion 36 

2.  Ursprünge  des  Volks 41 

3.  Industrie  und  Erfindungen 46 

4.  Seefahrt,  Handel  und  Colonien 47 

6.  Bruchstücke  der  phönicischen  Geschichte 61 

6.  Verfassung 72 

7.  Phönicien  unter  den  Persern 73 

8.  Qaellen  und  Hülfsmittel 79 

IV.   Üeber  Meltzers  Geschichte  der  Karthager 81 

(Jahrbücher  für  klassische  Philologie  1880.) 

V.    Zu  den  Fragmenten  des  Berosos  und  Etesias 97 

(Eheinisches  Museum  1863.) 

1.  Zu  den  Fragmenten  des  Berosos 97 

2.  Zu  den  Fragmenten  des  Etesias 103 

VI.    Becensionen  und  Anzeigen  zur  Geschichte  und  Alterthums- 

kunde  Assyriens  und  Babyloniens 116 

1.  Brandis,  Ueber  den  historischen  Gewinn  aus  der  Ent- 
zifferung der  assyrischen  Inschriften 116 

(Neue  Jahrbücher  fClr  Philologie  und  Pädagogik  1866.) 

2.  Niebuhr,  Geschichte  Assurs  und  Babels 139 

(Neue  Jahrbücher  für  Philologie  und  Pädagogik  1860.) 

8.  Lepsius,  Ueber  den  chronologischen  Werth der  assyri- 
schen Eponymen ,    .    .    .     166 

(Literarisches  Centralblatt  1870.) 


VI  INHALTSVERZBICHNISS. 

Seite 

4.  Lepsius,  Die  babyloniBch-assyrischen  Längenmasse   .     171 
(Literarisches  Centralblatt  1880.) 

VII.   Der  zehnte  Griechenkönig  im  Bnche  Daniel 175 

(Rheinisches  Museum  1860.) 
VIII.    Aus  Veranlassung  von  Freudenthals  Hellenistischen  Studien     180 

1.  Anzeige  von  Freudenthals  Hellenistischen  Studien    .   .     180 
(Literarisches  Centralblatt  1876.) 

2.  Zeit  und  Zeitrechnung  der  jüdischen  Historiker  Deme- 

trios  und  Eupolemos 186 

(Jahrbücher  für  protestantische  Theologie  1875.) 

IX.    Ein  Beitrag  zu  den  Fragmenten  der  griechischen  Historiker.     196 

(Neue  Jahrbücher  für  Philologie  und  Pädagogik  1860.) 
X.   Zur  Apokalypse  des  Esra 204 

1.  Anzeige  von  Volkmar,  Das  vierte  Buch  Esra    ....     204 

2.  Entgegnung 209 

(Literarisches  Centralblatt  1859.) 

3.  Die  Apokalypse  des  Esra  und  ihre  späteren  Bearbeitungen.    211 
(Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Theologie  1860.) 

1.  Der  Anhang  Cap.  15.  16 212 

2.  Der  Anfang  Cap.  1.  2 232 

3.  Das  Adlergesicht 240 

4.  Die  ursprüngliche  Apokalypse 258 

4.  Anzeige  von  Hilgenfeld,  Die  Propheten  Esra  und  Daniel 

und  ihre  neuesten  Bearbeitungen 283 

(Literarisches  Centralblatt  1863.) 
XL   Recensionen  und  Anzeigen  zur  jüdischen  Geschichte  und 

Literatur 288 

1.  Jatho,  Die  Grundzüge  der  alttestamentlichen  Chronologie.    288 
(Literarisches  Centralblatt  1856.) 

2.  PreuBB,  Die  Zeitrechnung  der  Septuaginta 291 

(Literarisches  Centralblatt  1861.) 

3.  Röckerath,  Biblische  Chronologie 294 

(Literarisches  Centralblatt  1866.) 

4.  Bunsen,  Biblische  Gleichzeitigkeiten 299 

(Literarisches  Centralblatt  1876.) 

5.  Mendelssohn,   De   senati   consnltis  Romanorum   ab 

Josepho  relatis 303 

(Literarisches  Centralblatt  1874.) 

rBrann,  De  Herodis,  qui  dicitur,  Magni  filiisj 
^iBrann,  Die  Söhne  des  Herodes  j  .    .    .    . 

(Literariflches  Centralblatt  1874.) 
7.  Ewald,  Abhandlung  über  Entstehung,  Inhalt  und  Werth 

der  Sibylliflchen  Bücher 322 

(Literarisches  Centralblatt  1861.) 


INHALT8VERZEICHNISS.  Vü 

Seite 

8.  Badt,  ürspmng,  Inhalt  und  Text  des  vierten  Buchs  der 

sibyllinischen  Orakel 329 

(Literarisches  Centralblatt  1880.) 

XU.    Die  Königsnamen  in  den  apokryphen  Apostelgeschichten  .  332 
(Bheinisches  Museum  1864.) 

Xm.   Yerzeichniss  der  Patriarchen  von  Alexandrien 396 

(üngedruckt.) 

Quellen 396 

Halfwnittel 407 

Methode  der  Herstellung ^7 

üeber  die  Zählungsweise 417 

Yerzeichniss  der  Patriarchen  von  Alexandrien  ....  421 

Patriarchen  der  Melchiten 468 

Patriarchen  der  Melchiten  nach  Bekehrung  Alexandriens 

vom  Monotheletismus 482 

Bruchstücke   gajanitischer    und   paulitischer   Bischofs- 
verzeichnisse   494 

Jakobitische  Patriarchen 498 

Die  Titularpatriarchen  der  Lateiner 520 

XIV.   Becensionen  und  Anzeigen  zur  älteren  Eirchengeschichte .  626 

1.  Zumpt,  Das  Geburtsjahr  Christi 626 

(Literarisches  Centralblatt  1869.) 

2.  LipsiuSy  Die  edessenische  Abgar-Sage 634 

(Literarisches  Centralblatt  1881). 

3.  Harnack,  Die  Zeit  des  Ignatius 538 

(Theologische  Literaturzeitung  1880.) 

XV.   üeber  die  Chronik  des  Josua  Stylites 559 

(Literarisches  Centralblatt  1876.) 

XVI.    Die  Nabaiäische  Landwirthschaft  und  ihre  Geschwister.    .  568 
(Zeitschrift    der    deutschen    morgenländischen    Gesell- 
schaft 1860.) 

I.  Yorbemerkungen 570- 

II.  Das  Yerhältniss  der  nabatäischen  Yerfasser  zu  ihren 

Gewährsmännern 571 

III.  Die  Yerwandtschaft  der  nabatäischen  Schriften  unter- 
einander    572 

lY.  Üeber  die  kanaanäischen  Könige  von  Babylon  und  die 

Zeit  des  Qüths&ml 573 

Y.  Die  nabatäische  Sprache 580 

YI.  Die  Doppelreime  des  Dzaghrits 587 

YII.  Die  nabatäische  Schrift 588 

YIII.  Geographische  Anachronismen 595 

IX.  Persönlichkeiten  der  hebräischen  Tradition 607 

X.  Persönlichkeiten  der  hellenistischen  Mythologie  ...  631 


VIII  INHALTSVERZEICHNISS. 

Seite 

XI.  Persönlichkeiten  der  persischen  Sage  nnd  Geschichte  640 

XII.  Der  nabatäische  Kalender 645 

Xni.  Anspielungen  auf  das  Christenthum 661 

XIV.  Neuplatonische  Reminiscenzen 655 

XV.  Modemer  Charakter  des  nabatäischen  Schriftthums    .  656 

XVI.  Der  kosmopolitische  Grelehrtenverkehr 658 

XVII.  Ein  Ged&chtnissfehler  Qüths&mis 660 

XVni.  Der  Werth  der  historischen  Beticenzen 661 

XIX.  Der  Widersprach  des  Berossos 665 

XX.  Das  Fehlen  aller  Berührungspunkte  mit  echten  Quellen.  668 

XXI.  Pharao  Sephuris  als  Entlastungszeuge 669 

XXn.  Das  genethlialogische  Buch  des  Thenkelöshä  ....  673 

XXIII.  Die  nabatäischen  Schriften  sind  ein  gelehrter  Betrug 

aus  muhammedanischer  Zeit^ 688 

XXIV.  Die  politischen  und  religiösen  Voraussetzungen  der 
nabatäischen  Schriften  passen  auf  die  Zeit  des  Ihn 
Wahshijjah 689 

XXV.  Das  zur  Schmied ung  des  Betrugs  erforderliche  Mass 
von   Kenntnissen    übersteigt    nicht   Ihn   Wahshijjahs 

Kräfte 692 

XXVI.  Die     Beminiscenzen     aus     indischen     medicinischen 

Schriften  werden  für  Ihn  Wahshijjah  verrätherisch  .  694 
XXVII.  Der  yermeintliche  Entlastungsbeweis;  die  Intentionen 

des  Betrügers 696 

XXVIII.  Ibn  Wahshijjah  ist  ein  längst  entlarvter  Betrüger  .    .  703 
XXIX.  üeber  die  von  Chwolson  für  die  Vertheidigung  bean- 
spruchte Stellung.   .  ^ 704 

XXX.  Was   ist  von  einer  Herausgabe   der   Geistesproducte 

Ibn  Wahsh^ahs  zu  erwarten? 705 

Excurs.    Ueber  Teukros  den  Babylonier 708 

Nachschrift 711 

Anhang  von  Fleischer 713 

XVn.   War  Ibn  Wahshijjah  ein  nabatäischer  Herodot?    ....  717 
(Berichte  der  königlich   sächsischen  Gesellschaft   der 
Wissenschaften  1862.) 

XVIII.   Recensionen  und  Anzeigen  zur  Geschichte  des  Islam    .    .  754 

1.  Wüstenfeld,  (beschichte  der  Fatimiden - Chalifen .   .  754 
(Literarisches  Centralblatt  1882.) 

2.  Müller,  Der  Islam  im  Morgen-  und  Abendland.    .    .  758 
(Theologische  Literaturzeitung  1886.) 

Register 763 

Verzeichniss  der  kritisch  and  exegetisch  behandelten  nnd  emen- 

dirten  Stellen 791 


I. 

lieber  den  letzten  Band  von  Movers'  Phöniziern,  *) 

Die  Phönizier.   Von  Franz  Carl  Movers.    Zweiten  Bandes607 
dritter  Theil.    (Auch  unter  dem  Titel:  Das  phonizische 
Alterthum.     Dritter  Theil.)     Erste  Hälfte:  Handel  und 
SehifEfahrt.    Berlin ,  Ferd.  Dümmlers  Verlagsbuchhand- 
lung.   1856.    Vm  und  336  S.  gr.  8^ 

Es  ist  wohl  nur  eine  Stimme  in  der  deutschen  Gelehrten- 
welt über  den  unersetzlichen  Verlust,  den  dieselbe  durch 
Movers'  plötzlichen  Tod  erlitten  hat,  und  dieser  Verlust  wird 
um  so  fühlbarer,  wenn  wir  einen  prüfenden  Blick  auf  die 
ganz  kurz  vor  seinem  Tode  erschienene  Fortsetzung  seiner 
„Phönizier*'  werfen.  Wir  haben  jetzt  den  Theil  des  Werkes 
in  den  Händen,  welcher  Handel  und  Schiflffahrt  der  Phönicier 
bespricht,  also  gerade  die  Cardinalpunkte  der  Geschichte 
dieses  Volkes.  Dieser  neue  Theil  hat  nicht  nur  alle  die 
glänzenden  Vorzüge  der  früheren,  sondern  zeigt  auch  durch 
wichtige  nationalokonomische  und  statistische  Untersuchungen, 
die  hier  niedergelegt  sind,  die  vielseitige  und  fruchtbringende 
Gelehrsamkeit  des  Verfassers  von  einer  neuen  Seite;  dagegen 
treten  die  Mängel,  die  wohl  Manche  in  den  gewagten  mytho- 
logischen Combinationen  des  ersten  Bandes,  in  dem  zu  starken 
Betonen  des  semitischen  Elementes  gegenüber  dem  helleni- 
schen in  dem  Bande  über  die  Golonien  der  Phönicier  erblickt 


*)  [Nene  Jahrbflcher  für  Philologie  and  Pädagogik.  Band  LXXV 
(1857)  S.  607—619.  Eine  kürzere  Anzeige  dieses  Werkes  hatte  Gat- 
Bchmid  bereits  im  Literarischen  Centralblatt  1866  S.  728  f.  veröffentlicht. 
Da  der  Inhalt  derselben  vollst&ndig  in  die  vorliegende  Abhandlang 
anfgenommen  worden  ist,  so  ist  sie  in  dieser  Sammlung  nicht  wieder 
abgedruckt  worden.    F.  R.] 

V.  OoTSOHMio,  Kleine  Schriften.    IE.  1 


2  ÜEBER  DEN  LETZTEN  BAND 

haben  werden*),  hier  Yollig  zurück,  und  auch  in  der  grosseren 
Genauigkeit  der  Citate,  in  der  geringeren  Willkür  der  Ety- 
mologien ist  ein  bedeutender  Fortschritt  bemerklich.  Eine 
Analyse  dieses  BucheS;  welches  für  die  Geschichte  des  alten 
Orients  epochemachend  ist  und  auch  dem  Philologen  wichtig 
sein  muss,  wird  wohl  Jedermann   für  gerechtfertigt  halten. 

In  der  Einleitung  (S.  2)  macht  der  Verfasser  auf  die 
merkwürdige  Erscheinung  aufmerksam,  dass  der  phönicisch- 
eospalästinensische  Handel  dem  Judenthum  und  nach  ihm  dem 
Christenthum  in  heidnischen  Landen  die  Wege  gebahnt  hat. 
Derselben  Erscheinung  begegnen  wir  schon  in  früheren  Zeiten: 
mit  dem  hellenischen  Handel  drangen  hellenische  Goi^terculte 
in  Aegypten  ein;  umgekehrt  verbreiteten  sich  mit  dem  ale- 
xandrinischen  Handel  die  ägyptischen  Culte  der  Isis,  des  Horos, 
des  Serapis  und  de»  Anubis  an  alle  Küsten  des  mittelländischen 
Meeres.^)  Diese  Analogien  berechtigen  zu  dem  Schlüsse,  dass 
auch  vor  Alters  der  phonicische  Handel  ähnliche  Consequenzen 
nach  sich  gezogen  hat.  Gultur  und  Religion  sind  demselben 
gefolgt,  obgleich  nichts  dem  Kaufmann  ferner  lag,  als  für 
jene  geistigen  Güter  Propaganda  zu  machen.  Nach  diesen 
Bemerkungen  über  die  weltgeschichtliche  Bedeutung  der  phö- 
nicischen  Handelsgeschichte  geht  der  Verfasser  zu  einer  Be- 
sprechung der  Quellen  derselben  über,  die  spärlich  uüd  ver- 
einzelt, fliessen:  Hauptquelle  ist  und  bleibt  das  alte  Testament, 
namentlich  die  Bücher  der  Propheten. 

In  Cap.  2  entwirft  der  Verfasser  in  wenigen,  scharfen 
Strichen  die  allgemeine  Geschichte  des  phönicischen  Handels, 


*)  [Näher  bat  sich  Gutschmid  darüber  in  den  beiden  folgenden 
Abschnitten  dieses  Bandes,  sowie  in  der  Becension  von  Müllenhoffs 
Deutscher  Alterthumsknnde  im  Literarischen  Centralblatt  1871  S.  622  f. 
ausgesprochen.  Vgl.  auch  „Beiträge  zur  Geschichte  des  alten  Orients** 
S.  38.    F.  R.] 

1)  Wenn  der  Verfasser  S.  8  aus  dem  Vorkommen  des  Stadtnamens 
'AvovßCyyaQcc  (nicht  Anubigarra)  auf  Ceylon  bei  Ptol.  VII,  4,  4.  7  auf 
eine  Verbreitung  des  Anubiscultus  in  indische  Gegenden  schliesst,  so 
dürfte  dies  sich  schwerlich  beweisen  lassen:  der  zweite  Theil  des  Com- 
positum s  ist  wohl  das  indische  nagara^  oppidum,  in  anubi  muss  irgend 
ein  Päliwort  stecken. 


VON  MOVEBSV  PHOENIZIEBN.  3 

zeigt,  wie  er  ursprünglich  ein  blosses  Hausiren  war,  wie  sich 
hieraus  ein  Handel  zu  Lande  nach  Assyrien  und  Aegypten 
entwickelte,  wie  dieser  sich  dann  nach  Arabien  und  von  da 
bis  zum  indischen  Ocean  ausdehnte  und  wie  er,  durch  Aus- 
wanderungen vermittelt,  in  den  Westländern  die  grossartig- 
sten Dimensionen  annahm.  Der  Verfasser  unterscheidet  vier 
Perioden  des  phonicischen  Handels:  1)  die  Urzeit  bis  1600 
V.  Gh.,  in  welcher  der  Handel  auf  die  nächsten  Umgebungen 
Phoniciens  beschränkt  war  und  hauptsächlich  von  den  alten 
Städten  des  Landes,  Arados,  Byblos  und  Berytos  ausging; 
2)  die  Zeit  der  Sidonischen  Hegemonie,  1600  —  1100,  mit 
welcher  der  Handel  Phoniciens  einen  grossartigen  Aufschwung 
zu  nehmen  begann;  3)  die  Zeit  der  Tyrischen  Herrschaft, 
1100—750,  Blüthezeit;  4)  die  Zeit  der  Fremdherrschaften, 
750—330,  Verfallszeit. 

Li  hohem  Grade  interessant  sind  die  Capitel  über  die 
Handelsgegenstände.  Gap.  3  handelt  von  den  Metallen.  Hier 
weist  der  Verfasser  nach,  dass  Silber  als  Geld  in  der  ältesten 
Zeit  auf  die  semitische  Welt,  und  zwar  auf  Phonicien  und 
die  Nachbarländer  beschränkt  war  (S.  28):  „je  naher  Phoni- 
zien^,  sagt  er  S.  34,  „desto  älter,  allgemeiner  und  unum- 
schränkter der  Geldverkehr;  je  weiter  im  Osten  oder  Westen 
von  diesem  Gentralpunkte  des  alten  Handels  entfernt,  desto 
später  erscheint  Silber  als  Tauschmittel.'^  An  den  Nachweis 
des  bedeutenden  nationalökonomischen  Verdienstes  der  Phö- 
nicier,  die  Silberwährung  eingeführt  zu  haben,  reihen  sich 
Untersuchungen  über  den  Werth  des  Geldes  und  seine 
Schwankungen  in  Phonicien  und  Palästina.  Silber  in  grosser 
Menge  fand  man  nur  in  Tartessos;  von  da  brachten  aber  die 
Phönicier  solche  Massen  in  den  Verkehr,  dass  sich  das  Silber609 
eine  Zeit  lang  zum  Gold  wie  1  :  20  verhielt,  während  im 
Alterthum  das  normale  Verhältniss  das  von  1 :  10  war. 
Später  kam  durch  die  Phönicier  auch  das  Ophirgold  in  den 
Verkehr.  In  Assyrien  und  Babylonien,  sowie  noch  bis  in 
die  spätesten  Zeiten  in  Syrien^),  herrschte  ein  grosser  Reich- 


1}  Die  Nachricht  von  den  Soldaten  des  Antiochos,  deren  Halb- 


4  UEBER  DEN  LETZTEN  BAND 

thum  an  edlen  Metallen,  der  zum  grossen  Theil  von  der 
Beute  Yorderasiens  herrührte.  Ehe  die  Israeliten  mit  den 
Phöniciern  in  nähere  Berührung  kamen,  war  das  Geld  in 
Palästina  sehr  theuer:  58  Thlr.  10  Sgr.  machten  es  dem  Abi- 
melech  möglich,  die  Verfassung  in  Sichem  umzustürzen  und 
sich  zum  Eonig  zu  machen,  was  seltsam  gegen  neuere  Zeiten 
absticht,  wo  Staatsstreiche  in  der  Regel  kostspieliger  sind 
(8.  48).  Während  für  die  Israeliten  bei  ihrer  Abgeschlossen- 
heit das  Geld  hoch  im  Preise  stand,  war  es  bei  den  Phi- 
listern in  Folge  ihrer  Berührung  mit  Phönicien  sehr  wohlfeil: 
während  Davids  Feldherr  auf  den  Kopf  des  hochvefrätherischen 
Eönigssohns  die  fast  wie  Ironie  aussehende  Belohnung  von 
8  Thlr.  10  Sgr.  nebst  einem  Gürtel  setzt,  bieten  die  Philister 
für  die  Auslieferung  Simsons  die  ganz  anständige  Summe 
von  4208  Thlr.  10  Sgr.  Später  ändert  sich  dies.  In  der 
Blüthezeit  des  phöuicischen  Handels  war  das  Geld  in  Phöni- 
cien und  in  Palästina  sehr  wohlfeil,  und  es  ist  charakteri- 
stisch, dass  (wie  S.  46  bemerkt  wird)  die  Preise  sanken, 
sobald  in  unglücklichen  Zeitläufen  das  Handelsgebiet  des 
hebräischen  Staates  geschmälert  und  verengert  wurde,  und 
unmittelbar  nachdem  durch  die  Siege  der  Könige  Jerobeam  II. 
und  Uzzia  das  Handelsgebiet  der  Reiche  Israel  und  Juda  von 
Neuem  den  Euphrat  und  den  arabischen  Meerbusen  erreicht 
hatte,  trat  wieder  Geldfülle  ein  und  die  Preise  stiegen.  Dieser 
Wechsel  wird  an  zahlreichen  Beispielen  im  Einzelnen  nach- 
gewiesen und  sichergestellt  Genaue  Untersuchungen  werden 
S.  51  über  den  Preis,  welchen  zu  verschiedenen  Zeiten  die 
Weinberge  in  Palästina  hatten,  angestellt:  zur  Zeit  des  Jesaja 
kostete  ein  Weinberg  so  viel  Shekel,  als  er  Weinstöcke  ent- 
hielt; heutzutage  hat  in  Syrien  der  Weinstock  den  Werth 
eines  Piasters,  also  einen  15  —  20 fach  geringeren.  Gold 
brachten  die  Phönicier  aus  Ophir  und  Chavila  in  den  Ver- 
kehr, Länder,  die  der  Verfasser  in  Ostafrika  sucht.    Er  ver- 

Btiefel  mit  goldenen  Nägeln  beschlagen  nnd  deren  Eüchengeräthe  von 
Silber  waren,  bei  Just.  XXXVIII  10,  3  — 4  bezieht  sich  nicht,  wie  der 
Verfasser  S.  46  durch  einen  Gedächtnissfehler  angiebt,  auf  Antiochos 
den  Grossen,  sondern  auf  Antiochos  VU.  Sidetes. 


VON  MOVEES'  PHOENIZIERN.  5 

spricht  (S.  58)  ausführlich  zu  zeigen,  dass  Ophir  Name  eines 
an  der  Ostküste  Afrikas  gelegenen  Emporiums  gewesen  sei, 
ist  aber  durch  den  Tod  daran  verhindert  worden.  Es  ist 
daher  schwer,  über  den  Werth  dieser  Ansicht  ein  Urtheil  zu 
föllen;  doch  muss  Referent  offen  gestehen,  dass  sie  ihm  nicht 
recht  wahrscheinlich  vorkommt:  denn  Lassen  hat  auf  die 
evidenteste  Weise  in  den  Namen  sämmtlicher  Ophirproducte 
reine  Sanskritworter  nachgewiesen,  und  seine  Identificirung 
von  Ophir  mit  einem  indischen  Lande  (Abhira  am  unteren 
Indus)  scheint  demnach  völlig  gerechtfertigt.  An  diesem6l0 
Resultate  wird  nichts  Wesentliches  geändert,  weno  der  Ver- 
fasser nach  dem  Vorgange  von  A.  Weber  die  von  Lassen 
vorgeschlagene  Herleitung  des  griechischen  xa66ixeQog  vom 
sanskritischen  kastira,  stannum,  verwirft  und  behauptet,  dass 
umgekehrt  das  indische  Wort  durch  Vermittelung  des  Ara- 
mäischen (kasiir)  aus  dem  Griechischen  entlehnt  sei  und  erst 
durch  den  syrischen  Landhandel  in  das  zinnarme  Indien  ge- 
kommen zu  sein  scheine.  Zinn  kam  in  älterer  Zeit  erweislich 
nur  aus  dem  Westen,  ebenso  Kupfer,  und  die  Phönicier  waren 
es,  welche  diese  Metalle  in  den  Orient  einführten.*) 

Ein  sehr  wichtiger  Theil  des  phonicischen  Handels  war 
der  Sklavenhandel,  mit  welchem  sich  Gap.  4  beschäftigt. 
Nächst  Syrien  und  Judäa  war  Griechenland  der  Hauptmarkt- 
platz für  Sklaven,  wie  schon  daraus  hervorgeht,  dass  das 
griechische  nccXlaxig^  pellex,  in  der  Form  pilegesh  in  die 
hebräische  Sprache  eingedrungen  ist:  der  gewöhnliche  Fall, 
dass  mit  der  aus  der  Fremde  kommenden  Waare  auch  die 
Bezeichnung  derselben  aufgenommen  wird.  Dies  scheint  mir 
der  Verfasser  S.  81  in  überzeugender  Weise  nachgewiesen 
zu  haben;  ich  hebe  es  absichtlich  hervor,  damit  nicht  eine 
luftige  Sprachphilosophie,  die  uns  Vergleichungen  semitischer 
und  koptischer  Wörter  mit  griechischen  octroyiren  möchte, 
das  vereinzelte  Wort  zu  ihren  Gunsten  anführe.  S.  84  wird 
ein  Tarif  für  Sklaven  zur  Zeit  des  phonicischen  Handels  auf- 


*)  [Daza   vergleiche    Gutschmids   Ausführungen  in   dem   dritten 
Abschnitt  dieses  Bandes  S.  807  B  der  englischen  Ausgabe.    F.  K.] 


6  üEßER  DEN  LETZTEN  BAND 

gestellt  und  mit  den  griechischen  Preisen  und  den  afrikani- 
schen der  neueren  Zeit  verglichen. 

Cap.  5  handelt  von  den  übrigen  Handelsgegenständen 
der  Phonicier.  Es  sind  namentlich  Wein,  Getreide,  Vieh, 
seltene  Thiere,  z.  B.  Pfauen,  deren  Heilighaltung  in  Samos 
der  Verfasser  wohl  nicht  mit  unrecht  aus  phönicisch- syri- 
schem Culte  herleitet*)  Ferner  fertige  Kleider.  Wem  dies 
auffallig  erscheint,  den  erinnern  wir  daran,  dass  noch  heut- 
zutage in  das  neugriechische  Königreich  die  Kleidungsstücke 
fertig  aus  Frankreich  eingeführt  werden,  weil  im  Lande  selbst 
keine  Industrie  ist.  Das  Wort  %it(av,  ionisch  xid-dv,  welches 
sich  nicht  befriedigend  aus  einer  griechischen  Wurzel  erklären 
lässt,  wird  vom  Verfasser  S.  97  vom  hebräischen  keUmet 
(eigentlich  Leinwand)  abgeleitet:  in  der  That  war  der  älteste 
Chiton  bei  den  loniern  aus  Leinwand.  7,Der  kurze  dorische 
Xirciv  kommt  nach  seinem  Schnitt  mit  dem  hebräischen 
und  phönizischen  ketonel,  der  punischen  iunica,  überein  .  .  ., 
während  dagegen  der  herabwallende,  mit  Aermeln  versehene 
leinene  Leibrock  der  lonier  dem  keionet  der  Aramäer  ent- 
spricht-, wie  denn  überhaupt  ionische  Sitten,  Bräuche,  Culte 
und  Verfassung  sich  denen  der  aramäischen  Stämme  an- 
schliessen,  während  die  Dorier  in  diesen  Beziehungen  mehr 
mit  den  Phöniziern  zusammentreffen/^  Andere  Handelsartikel 
waren  Arome  und  Gewürze,  deren  griechische  Namen  zum 
eiigrossen  Theil  semitischen  Ursprunges  sind;  z.  B.  wird  kCßavoQ 
von  Movers  S.  100  von  lebanah  (einer  Nebenform  von  lebonah\ 
kißavmxog  vom  Plural  desselben  Wortes  (Jehanot,  d.  i.  Weih- 
rauchkörner) abgeleitet.  Wenn  S.  102  auch  die  Namen  für 
Zimmet,  Cassia,  Narde  und  Myrrhe  für  phönicisch  erklärt 
werden,  so  muss  Referent  wenigstens  bei  der  Narde  Ein- 
spruch thun;  Lassens  Ableitung  vom  sanskritischen  naladä, 
odorifera,  was  im  Altpersischen  den  Lautgesetzen  dieser 
Sprache  gemäss  in  naradä   übergehen  musste,   scheint   mir 


1)  Irrthümlich  lässt  der  Verfasser  S.  95  den  Samier  Meoodotos 
über  die  der  Hera  heiligen  Pfauen  in  Samos  eine  besondere  Schrift 
abfassen:  sein  Buch  führte  vielmehr  den  Titel  nsgl  tmv  naza  to  ifqov 
r^S  i:cctiUas  '"Hqag  (Fr.  2  bei  Müller  UI  S.  105). 


VON  MOVERS'  PHOENIZIERN.  7 

wohlbegründet  und  müsste  wenigstens  zuvor  widerlegt  werden, 
ehe  man  das  hebräische  nerd  als  das  Ursprüngliche  ausgiebt. 
Die  Arome  kamen  nicht  bloss  einfach,  sondern  auch  zu  Par- 
ffimerien  und  Salben  verarbeitet  in  den  Handel;  über  die 
Preise  der  Salben  werden  S.  103  sehr  anziehende  Notizen 
gegeben.  Die  Herkunft  der  kostbaren  Gewürze  wurde  mit 
mancherlei  Fabeln  umgeben,  in  denen  der  Verfasser  wohl 
mit  Recht  Handelslügen  erkennt^  die  absichtlich  ausgesprengt 
wurden^  um  etwaige  Concurrenteii  abzuschrecken. 

Cap.  6  bespricht  den  Kaufmannsstand.  Der  Verfasser 
unterscheidet  drei  verschiedene  Classen  von  Kaufleuten:  1) 
solche,  die  nur  auf  die  Dauer  einer  Saison  reisten,  2)  solche 
die  ein,  oft  viele  Jahre  lang  auf  Reisen  gingen,  3)  Nieder- 
lassungen von  Kaufleuten  in  der  Fremde.  Diese  gehen  in 
ein  hohes  Alterthum  zurück:  „wenn  nämlich^^,  schliesst  der 
Verfasser  S.  113,  „der  phönizische  Verkehr  mit  den  Nachbar- 
ländern Palästina,  Syrien,  den  Euphratgegenden,  Aegypten 
gewiss  älter  ist,  als  die  Handelsniederlassungen  an  fernen 
Küsten  unter  fremden  Völkern  (denn  sie  setzen  bereits  einen 
grossen  Verkehr  der  Phönizier  daheim  voraus),  so  müssen 
auch  die  Handelsstationen  in  den  letzteren  Gegenden,  auf 
denen  der  Verkehr  in  der  Fremde  hauptsächlich  beruhte,  dem 
Alter  nach  vorangegangen  sein.'^  Die  Kaufleute,  die  in 
fremden  Handelsstädten  wohnten,  trieben  theils  Geld-  und 
Wechslergeschäfte,  theils  waren  es  Rheder  oder  SchiflFseigen- 
thümer  (yavxkriQoC) ,  theils  Grosshändler  (IfinoQoi),  theils 
Detailhändler  (xajtijXoL).  Diese  letzteren  sind  in  jeder  Be- 
ziehung die  Ahnen  unserer  Schacherjuden,  wie  wir  denn 
überhaupt  der  merkwürdigen  Erscheinung  begegnen^  dass  die 
Juden,  ein  in  seiner  Blüthezeit  dem  Handel  entschieden  ab- 
holdes Volk^  seit  ihrer  Diaspora  vollständig  als  die  Erben 
des  weiland  phönicischen  Handels  auftreten.  Unter  den  in 
der  Fremde  ansässigen  phönicischen  Kaufleuten  waren  die 
vavxXfiQoi  und  die  IfixoQoi  die  geachtetsten,  sie  allein  bil- 
deten eigene  Gilden. 

Gap.  7  hat  den  Landhandel  im  Orient  zum  Inhalt:  aHe 
die  Dinge^  welche  hier  in  Frage  kommen,  der  Waarentransport, 


8  UEBER  DEN  LETZTEN  BAND 

die  WasserstationeHy  die  Landstrassen  und  Earawanserais,  die 
Zölle,  finden  nacheinander  hier  ihre  Besprechung;  namentlich 
aber  wird  auf  die  bedeutende  Unterstützung  Gewicht  gelegt, 
die  dem  Landhandel  durch  die  Festmärkte  und  Wallfahrten 
gewährt  wurde:  auf  die  Analogie  der  mittelalterlichen  Messen 
hat  der  Verfasser  selbst  aufmerksam  gemacht.  Als  die  wich- 
tigsten Plätze  für  diesen  an  Heiligthümer  geknüpften  Handel 
werden  Mabug  für  die  Phönicier,  Haran  für  die  joktanidischen 
Stämme  hervorgehoben;  der  Verfasser  verbreitet  sich  bei 
6i2dieser  Gelegenheit  S.  142  ff.  über  Haran  und  die  Ssabier  (in 
denen  er  sehr  mit  Unrecht  Sabäer  sieht)  und  entwickelt  seine 
Absicht  über  dieses  durch  Chwolsohns  Untersuchungen  inter- 
essant gewordene  Thema. 

Cap.  8  ist  überschrieben  „Der  Seehandri,  das  Seewesen 
und  die  Schifffahrt  der  Phönizier  überhaupt".  Hier  werden 
nun  alle  arten  Schiffe,  die  bei  diesem  Volke  vorkommen, 
einzeln  durchgegangen^  und  zwar  zunächst  die  Kauffahrtei- 
schiffe, deren  Hauptrepräsentant  der  becherrunde  yavkog  ist. 
Aus  dieser  Gestalt  des  Gaulos  erklärt  der  Verfasser  S.  167 
scharfsinnig,  vielleicht  zu  scharfsinnig,  die  dunkle  Sage  bei 
Stesichoros  u.  A.  (bei  Ath.  XI,  38  p.  469  D),  dass  Herakles 
in  einem  goldenen  Becher  gen  Erytheia  gesegelt  sei,  indem 
er  hier  wohl  mit  Recht  den  phönicischen  Sonnengott  Mel- 
karth  erkennt.  Das  grosse  Waarenschiff,  der  Gaulos  xar' 
i^oxT^v,  ist  es,  der  in  der  Bibel  Tarsisschiff  genannt  wird. 
Von  den  Handelsschiffen  geht  der  Verfasser  zu  den  Kuder- 
schiffen,  die  als  Begleitschiffe  dienten  (ßccQTcag^  Xdfißog,  dQO- 
li(ov,  xsQxovQog),  und  von  diesen  zu  den  Kriegsschiffen  über. 
Das  eigentliche  Kriegsschiff  war  in  der  ältesten  Zeit  bei  den 
Phöniciern  die  Pentekontere,  die  aber  seit  dem  achten  Jahr- 
hundert nur  noch  als  Transportschiff  gebraucht  worden  zu 
sein  scheint.  Ihre  Stelle  scheint  kurze  Zeit  hindurch  die 
Diere  eingenommen  zu  haben;  bald  aber  wurde  die  Triere 
allgemein,  bis  auch  diese  in  der  Diadochenzeit  durch  die 
Tetrere  verdrängt  wurde.  Diese  blieb  das  eigentliche  Kriegs- 
sahiff  bis  auf  die  Schlacht  bei  Aktion;  dann  trat  eine  Reaction 
ein  und  man  kehrte  zur  Diere  und  zur  Triere  zurück  (S.  173  ff.). 


VON  MO  VERS'  PHOENIZIERN.  9 

üeber  die  Segelfertigkeit  der  Schiffe  im  Alterthum  stellt  der 
Verfasser  höchst  merkwürdige  Untersuchungen  an  und  kommt 
zu  dem  Kesultate,  dass  diese  weit  grösser  war,  als  in  der 
Regel  angenommen  wird.  Er  weist  nach,  dass  1000  Stadien 
bei  den  Hellenen  als  die  durchschnittlich  von  einem  Schiffe 
in  einer  Tag-  und  Nachtfahrt  zurückgelegte  Strecke  galt: 
erst  in  späterer  Zeit  wurde  mit  dem  Verfall  der  Schifffahrt 
dieses  Mass  herabgesetzt  (z.  B.  bei  Markianos  dem  Hera- 
kleoten);  für  die  Phönicier  nimmt  Movers  sogar  1300  Sta- 
dien als  Normalmass  einer  Tag-  und  Nachtfahrt  an.  Die 
Schiffe  der  Alten  fuhren  also  schneller,  als  die  venetianischen 
Galeeren  im  Mittelalter,  wie  dies  eine  S.  199  gegebene  Ueber- 
sicht  von  Fahrten  solcher  Schiffe  zwischen  Venedig  und  Jaffa 
ausweist.  Hiermit  ist  ein  weitverbreiteter  Aberglaube  be- 
seitigt, aus  dem  noch  kürzlich  in  der  Schrift  von  Kedslob 
über  Thyle  die  seltsamsten  Consequenzen  gezogen  worden 
sind.*) 

So  weit  geht  der  allgemeine  Theil  des  Buches;  von  S.200 
an  werden  nun  die  verschiedenen  Richtungen  des  phönicischen 
Handels  nach  den  Handelsgebieten  einzeln  durchgegangen. 
Gap.  9  beginnt  mit  dem  phönicisch-palästinensischen  Handel. 
Der  wichtigste  Ausfuhrartikel  aus  Palästina  war  Getreide. 
Den  Hauptbedarf  davon  erhielten  die  Phönicier  aus  Galiläa 
und  aus  der  Ebene  Saron;  in  dieser  fruchtreichen  Gegend 
lagen  auch  von  Alters  her  die  Krongüter  der  phönicischen 
Könige^  welche  schon  in  der  Grabschrift  des  Sidonischen 
Königs  Esmun'ezer  IL  erwähnt  werden  sollend)     Ueber  dieeis 


*)  [Vgl.  Gutschmids  Recension  von  MüUcDhoffs  Deutscher  Alter- 
thumskunde  im  Literarischen  Centralblatt  1871  S.  523  und  den  dritten 
AbBchnitt  dieses  Bandes  S.  805  A  der  englischen  Ausgabe.    F.  11.] 

1)  Zeile  19  dieser  Inschrift  (s.  Zeitschr.  d.  deutschen  morgenlünd. 
Ges.  1856  8.  407)  übersetzt  nämlich  Movers  S.  211  mit  dem  Herzog  von 
Layneei,  abweichend  von  Schlottmann  und  anderen  Erklärern,  „dass  er 
fürder  uns  gebe  Der  und  Jope,  Dagons  herrliche  Länder,  in  der  Ebene 
Saron**.  Ans  dem  Optativ  schliesst  er  —  nach  meinem  Dafürhalten 
etwas  kühn  — ,  dass  beide  Städte  ein  persönliches  Lehen  der  Könige 
von  Sidon,  also  vom  Perserkönig  waren.  In  dem  Vater  Esmun'ezers  IL, 
dessen  Namen  er  Tebennit  statt  Thabhniih  liest,  erkennt  er  den  bekannten 


10  ÜEBER  DEN  LETZTEN  BAND 

Kompreise  werden  S.  212  statistische  Nachweise  gegeben; 
daran  knüpfen  sich  Untersuchungen  über  den  Werth  des 
Ackerlandes  in  Palästina  (S.  214).  Andere  Producte  dieses 
Landes,  die  in  den  Handel  kamen,  waren  Olivenöl,  Wein 
und  Honig,  ferner  die  namentlich  in  der  Kaiserzeit  berühmte 
Leinwand  von  Skythopolis  (S.  218),  der  Balsam  von  Gilead. 
Die  herrschende  Ansicht,  dass  dies  der  heutige  Mekkabalsam 
sei,  widerlegt  der  Verfasser  S.  220  und  weist  nach,  dass  es 
die  QVfcivri^  resina  der  Alten  ist,  d.  i.  das  durch  Einschnitt 
aus  dem  Baume,  hauptsächlich  der  Terebinthe  und  dem 
Mastixbaum,  fliessende  Harz:  Plinius  rühmt  ausdrücklich  die 

Sidonierkönig  Tivvrig  (reg.  358  —  361)  wieder  und  sieht  in  den  Neu- 
bauten aller  Haupttempel  in  Sidon,  welche  die  Inschrift  erwähnt,  den 
allerdeutlichBten  Hinweis  auf  die  Katastrophe,  die  Sidon  unter  dem 
Tiwrjg  betroffen  hatte.  Der  letztere  Grund  ist  snbjectiv;  ebenso  gut 
könnte  man  aus  den  grossen  Bauten  (dass  es  Neubauten  waren,  ist  bloss 
Vermuthung)  auf  eine  Zeit  Bchliessen,  in  der  Sidon  in  grösster  Blüthe 
stand  und  von  äusseren  Feinden  nichts  zu  fürchten  hatte.  Die  Iden- 
tificirung  der  Namen  Tehennii  und  Tivvriq  ist  sehr  schön,  die  Iden- 
tificirung  der  Personen  aber  ist  gewiss  unrichtig;  denn  Tebennit  erscheint 
auf  der  Inschrift  als  Schwiegersohn  und  Nachfolger  des  Königs  Es- 
mnn'ezer  L,  als  Vater  und  Vorgänger  des  Königs  Esmun^ezer  IL;  als 
Nachfolger  des  Tivvrjg  ist  dagegen  Straton  bekannt  (Diod.  XVII,  46. 
Curt.  IV,  3),  und  ich  habe  im  zweiten  Suppl.  -  Band  dieser  Jahrbücher 
S.  220*)  aus  Hieronjmus  c.  lovinian.  I,  45  nachgewiesen,  dass  ein  an- 
derer Straton  sein  Vorgänger  war.  Selbst  wenn  die  durch  die  Wieder^ 
kehr  des  Namens  wahrscheinliche  genealogische  Folge  von  Straton  I.  — 
Tennes  —  Straton  II.  bestritten  werden  könnte,  ist  doch  für  die  beiden 
Esmun*ezer  schlechterdings  kein  Platz:  und  daran,  dass  ^tqcczcov  (das 
phönicische  Astart)  eine  griechische  üebersetzung  des  Namens  Esmur- 
fCeztr  sei,  wird  wohl  Niemand  denken.  Aus  diesem  Grunde  halte  ich 
es  für  unmöglich,  die  Inschrift  in  diese  ganz  späte  Zeit  hinabzurücken ; 
sie  kann  mindestens  nicht  nach  374  (dem  ungeftlhren  Datum  der  Thron- 
besteigung Stratons  I.)  abgefasst  sein.  Hitzig  setzt  sie  in  das  siebente 
Jahrhundert,  Ewald  in  eine  noch  ältere  Zeit.**) 

*)  [„lieber  die  Fragmente  des  Pompejas  Trogus  und  die  Glaub- 
würdigkeit ihrer  Gewährsmänner  *^  Da  diese  Abhandlung  auch  als 
selbständiges  Werk  erschienen  ist,  wird  sie  in  die  vorliegende  Samm- 
lung nicht  wieder  aufgenommen  werden.    F.  B.] 

*♦)  [Vgl.  Band  I  S.  31 1  f.  und  den  dritten  Abschnitt  dieses  Bandes 
S.  802  B  der  englischen  Ausgabe.    F.  R.] 


VON  MO  VERS'  PHOENIZIERN.  11 

resina  ludaea.  Sodann  bezogen  die  Phonicier  aus  Palästina 
Styrax,  kriSavov  (arabisch  Iddan,  hebräisch  lot,  ein  Name, 
welcher  personificirt  zum  Ahnherrn  der  ledanonreichen  Moa- 
biter und  Ammoniter  geworden  ist),  Asphalt,  endlich  auch 
echten  Balsam,  Datteln  u.  a. 

In  Cap.  10  wird  der  phonicisch- assyrische  Handel  vor- 
genommen.*) In  dreifacher  Beziehung  waren  die  Euphrat- 
länder  für  den  Handel  von  Bedeutung:  1)  als  Lieferanten 
wichtiger  Handelsartikel,  2)  als  Stapelplatz  für  den  Transito- 
handel,  3)  als  Abnehmer  phönicischer  Waaren.  Die  Ver- 
bindung zwischen  ihnen  und  dem  Mittelmeer  wurde  durch 
drei  Handelsstrassen  unterhalten:  1)  die  Königsstrasse,  welche 
Damaskos,  Hamath,  Ribla,  Thapsakos  berührte,  2)  die  Stras8e,6l4 
welche  durch  die  Wüste  über  Tadmor  führte,  3)  die  Strasse, 
auf  welcher  man  vom  unteren  Euphrat  durch  die  syrische 
W^üste  nach  Aegypten  gelangte.  Auf  allen  diesen  Strassen 
waren  Handelsstationen,  die  zum  Theil  wirklich  phönicische 
Ansiedlungen  sind  oder  in  denen  sich  doch  phönicischer 
Einfluss  bedeutend  geltend  macht.  Die  dritte  Strasse  hatte 
zum  Ausgangspunkt  die  Station  Kasion.  Die  zweite  ging 
über  Tadmor  (woraus  nach  einer  Vermuthung  des  Verfassers 
durch  Entstellung  ndk(ivQa  entstanden  sein  soll),  welches 
eine  Anlage  Salomos  war;  Movers  nimmt  nämlich  die  Lesart 
der  Chronik  Tadmor  für  Thamar  in  Schutz  und  will  sie  auch 
I  [=  ni]  Kön.  9, 18  hergestellt  wissen.  An  derselben  Strasse 
lagen  die  von  Ezechiel  27,  23  erwähnten  Städte  Kilmad  (bei 
Xenophon  Xag^iccvöri)  und  Assur  (worin  der  Verfasser  sehr 
glücklich  2JovQa,  das  heutige  Essurijeh,  wiedererkannt  hat). 
Die  bedeutendsten  Spuren  phönicischer  Thätigkeit  finden  sich 
aber  längs  der  ersten  Strasse.  Hier  lagen:  die  Station  Laish, 
eine  nur  allgemein  als  am  Euphrat  liegend  bezeichnete  (wie 
ich  glaube,  mit  dem  Fcddav  bei  Isidor.  Gharac.  1  p.  248 
identische)  phönicische  Colonie  "ESSava^  erwähnt  bei  Steph. 
Byz.  p.  260, 16  [s.  v.  "ESSava]^  die  wichtigen  Städte  Edessa, 

*)  [üeber  den  Landhandel  der  Phonicier  Tgl.  den  dritten  Abschnitt 
dieses  Bandes  S.  806  A  der  englischen  Ausgabe  und  den  vierten  Ab- 
schnitt S.  292  f.  des  Originaldrucks.    F.  E.] 


12  ÜEBEtt  DEN  LETZTEN  BAND 

Nisib  und  die  in  der  angeführten  Stelle  des  Ezechiel  genannten 
Orte  Haran^  Eanneli  und  Eden.  Der  Verfasser  identificirt 
dies  mit  dem  Emporium  Tsgriöciv  am  persischen  Meerbusen 
uud  glaubt^  dass  dies  persische  Aussprache  von  Tel-Edon 
sei  (S.  251);  hierin  kann  ich  ihm  nicht  beistimmen,  denn 
TeQ-qdciv  ist  sicher  identisch  mit  ^sgidcnig*)  bei  Arrian 
Ind.  41,  6,  die  einheimische  Form  war  also  Tertdö  {Diridd), 
mit  der  semitischen  Femininendung  Teriddth  (Biriddth),  gleich 
wie  'Mla  und  Elath,  Tigrd  und  Tiglath  miteinander  wechseln,, 
und  so  schwindet  der  Anklang  an  Eden  vollständig;  sollte 
Eden  nicht  vielmehr  jenes  "EäSava  sein?**)  Auch  Eanneh 
ist  wohl  mehr  in  der  Nähe  zu  suchen,  und  nicht  mit  dem 
Verfasser  (der  ejA  mit  Kalneh  identificirt)  der  herkömmlichen, 
aber  grundlosen  Annahme  zufolge  in  dem  späteren  Etesiphon: 
ich  erkenne  darin  mit  Eiepert  (Bemerkungen  zum  Atlas  der 
alten  Welt  §  41***))  die  grosse  und  reiche  Stadt  KaivaC  am 
Tigris  bei  Xen.  Anab.  II,  4,  28;  noch  näher  kommt  die  Form 
üCai/at****)  bei  Steph.  Byz.  p.  353,2  [s.  v.  Kavai].  Ein  bedeu- 
tender Theil  der  Gegenstände  des  phönicischen  Handels  wird 
von  den  Griechen  kurzweg  als  assyrische  Waaren  bezeichnet, 
nach  dem  gewohnlichen  Sprachgebrauch,  eine  Waare  nach  dem 
Stapelplatze,  nicht  nach  der  Heimath  zu  benennen  (S.  256). 
Aus  den  Euphratländern  bezogen  die  Phönicier  die  babyloni- 
schen Zeuge  (S.  260),  ferner  die  Seide  und  das  von  ihr  ver- 
schiedene Gespinnst  Bombyx;  Seidenhandel  und  Seidenindustrie 
war  in  Phönicien  uralt:  hat  doch  die  „Seide"  den  Namen  von 
der  Stadt  Sidon,  eine  Etymologie,  die  durch  den  mittelgrie- 
chischen Sprachgebrauch  sicher  gestellt  wird,  welcher  seidene 
Gewänder  Tvgaa^  d.  i.  Tyrische,  nennt.    Endlich  kamen  noch 

*)  [Ji^idoiziq  haben  nach  Karl  Muller  die  Codices  Parisini  1753 
und  456,  sowie  der  Laurentianns;  di^vBcarig  der  Codes  Parisin us  1407; 
*l0{d(OTig  der  Codex  Parisinus  1438.     F.  R.] 

**)  [Vgl.  den  dritten  Abschnitt  dieses  Bandes  S.  805  A  der  engli- 
schen Ausgabe.    F.  B.] 

***)  [§  40  der  11.  Auflage.     Vgl.  Kieperts  Lehrbuch  der  alten  Geo- 
graphie §  134  und  §  139.    F.  R.] 

****)  [So    im    Originaldruck;   die   Ausgaben    des   Stephanos   haben 
Kdvat.    F.  R.] 


VON  MOVERS'  PHOENIZIERN.  13 

aus  Adsyrien  Edelsteine  und  Korallen,  aus  Syrien- Wein  und 
Wolle.  Die  EinAihr  bestand  in  Metallen,  Purpur,  Bauholz, 
Oel  und  Wein. 

Durch  einen  grossartigen  Transitohandel  war  in  der 
ältesten  Zeit  Arabien  berühmt;  über  diesen  ist  Cap.  11  zu6i5 
vergleichen.  Uralt  sind  die  Verbindungen  der  mit  Weih- 
rauch handelnden  Stamme  Südarabiens  mit  Palästina  und 
Aegypten,  sowie  mit  den  Euphratländern.  Dies  spricht  sich 
schon  darin  aus,  dass  Namen  wie  Ketura,  d.  i.  Rauch  werk, 
und  Basmath,  d.  i.  Wohlgeruch,  in  die  Stammsagen  der  Hebräer 
verwebt  sind.  Der  Verfasser  theilt  die  sehr  wahrscheinliche 
Ansicht  Ewalds,  dass  die  Hyksos  Stämme  der  alten  Hebräer 
sind*)  (zu  denen  sowohl  die  Israeliten  als  die  Joktaniden 
gehören),  und  meint,  dass  durch  sie  die  Verbindung  mit 
Aegypten  eingeleitet  wurde.  Auch  Servius  weiss  davon,  dass 
die  Sabäer  einst  aus  Aegypten  verjagt  worden  seien.  Ent- 
scheidender als  solche  vereinzelte  Spuren  ist  aber  für  den 
engen  Zusammenhang  der  joktanidischen  Stämme  mit  Palä- 
stina der  Umstand,  dass  Südarabien  dem  Verfasser  der  Völker- 
tafel in  der  Genesis  in  einem  Grade  bekannt  ist  wie  sonst 
nur  noch  Kanaan  (S.  277).**)  Die  Betheiligung  der  Phöni- 
cier  am  arabischen  Karawanenhandel  war,  wenigstens  mittel* 
bar,  von  alter  Zeit  her  eine  sehr  lebhafte.  In  der  ältesten 
Zeit  ging  der  Verkehr  vom  Mittelmeer  über  die  Landenge 
von  Suez,  in  der  mittleren  über  den  östlichen  Arm  des  ara- 
bischen Meerbusens,  in  der  späteren  über  den  persischen 
Meerbusen.  Das  Streben  aller  asiatischen  Eroberer  ging 
dahin,  sich  des  arabischen  Handels  zu  bemächtigen;  der  phö- 
nicische  Verkehr  musste  sich  daher  öfters  neue  Bahnen 
suchen.  Von  der  ersten  Strasse  müssen  die  Phönicier  ein- 
mal irgendwie  durch  Araber  oder  Aegypter  verdrängt  worden 
sein;  denn  es  ist  der  natürlichste  und  leichteste  Verbindungs- 
weg, den  sie  von  freien  Stücken  gewiss  nicht  aufgegeben 
haben  würden:  die  Orte  Migdol,  Baalzephon  und  Kasion  be- 

*)  [Vgl.  Bd.  I  S.  332  f.  340.  384.     F.  R.] 
**)  [Vgl.  den  dritten  Abschnitt  dieses  Bandes  S.  805  A  der  engli- 
schen Ausgabe.    F.  R.] 


14  UEBER  DEN  LETZTEN  BAND 

zeugen  hier  die  ehemalige  Anwesenheit  der  Phönicier.  Auch 
hellenische  Sagen  deuten  darauf  hin.  Homer  kennt  die 
^EQBi/kßoC^  hebräisch  Ereb,  d.  i.  Mischlinge:  so  hiessen  die 
gemischten  Volker  im  Süden  Palästinas  bis  nach  Aegypten. 
Etwas  später  kam  der  Name  Arab,  d.  i.  Wüstenbewohner 
auf;  es  ist  also  derselbe  Unterschied,  welcher  später  zwischen 
Aribah  (reinen  Arabern)  und  Mustaribah  (Mischarabern)  ge- 
macht wurde.  Durch  die  Phönicier  kam  der  Name  Ereb  zu 
den  Hellenen:  wenn  Menelaos  die  Helene  bei  den  Erembern 
sucht,  so  sieht  der  Verfasser  in  dieser  und  in  ähnlichen 
hellenischen  Sagen  blosse  Umdeutungen  orientalischer,  die 
sich  auf  den  alten  Handelsverkehr  der  Phönicier  in  jenen 
Gegenden  beziehen.^)  An  der  zweiten  Strasse  wohnten  die 
Idumäer,  nach  dem  Verfasser  ein  Mischvolk  von  Hebräern 
und  Kananäern  (Chittiern) ;  ihnen  gehörte  der  wichtige  Handels- 
platz Elath;  von  welchem  eine  Strasse  durch  die  Wüste  nach 
Gaza,  eine  zweite  ebendahin  über  Petra,  eine  dritte  das  todte 
Meer  entlang  durch  Peräa  nach  Damaskos  führte.  Diese 
letztere  nahm  die  von  den  Euphratländern  her  führenden 
Strassen  in  sich  auf  und  verlängerte  sich  in  südlicher  Rich- 
tung von  Elath  bis  zu  den  Emporien  d«r  Sabäer;  in  ihrer 
ganzen  Länge  zeigen  sich  Spuren  assyrischen  Einflusses.  Der 
sprichwörtliche  Beichthum  der  Sabäer  war  lediglich  eine 
Folge  des  Handels;  durch  diesen  wurden  sie  auch  fremden 
Einflüssen  zugänglich:  der  phönicische  beurkundet  sich  in 
eieder  Verehrung  der  auf  den  himjaritischen  Inschriften  er- 
wähnten Göttin  Astor,  welche  denselben  Namen  auf  phöni- 
cischen  Inschriften  trägt,  der  assyrische  in  der  Annahme 
babylonischer  Kleidung  und  üeppigkeit,  in  der  Entlehnung 
des  Hofceremoniels  und  in  der  Gleichheit  des  Münzwesens, 
dem  das  babylonische  Talent  zur  Grundlage  diente.  Eine 
weitere  Bestätigung  findet  der  Verfasser  8.  293  in  der  Nach- 
richt des  Sophronios  (auf  die  schon  C.  Müller  im  vierten 
Bande  der  Fragm.  bist.  Gr.  Vorn  S.  II  aufmerksam  gemacht 
hat),  dass  Ninos  und  Semiramis  von  Damaskos  aus  in  das 


*)  [Vgl.  Bd.  I  S.  316.    F.  R.] 


VON  MOVERS'  PHOENIZIERN.  15 

glückliche  Arabien  Colonien  ausgeführt  hätten:  und  in  der 
mythischen  Sabäerkönigin  Belkis  bint  Hadhad  ibn  Surahil 
erkennt  er  S.  294  scharfsinnig  die  babylonische  Himmels- 
konigin Beltis,  deren  Ahnen  Hadad  und  Israhel  in  die  Sagen 
von  Damaskos  verwebt  sind.  An  der  dritten  Strasse  sassen 
die  handeltreibenden  Stämme  Rhegma  und  Dedan  (womit 
der  Verfasser  S.  304  sehr  gewagt  die  Namen  Atiana,  Atiene 
und  Mayivädvata  oder  MaxLvxava  combinirt);  in  ihren  Sitzen 
erscheinen  nach  Alexander  die  Gerrhäer.  Ausserdem  gab  es 
noch  einen  wenig  bekannten  Weg,  der  in  gerader  Richtung 
durch  die  Wüste  von  Susa  nach  Aegypten  führte;  er  wurde 
z.  B.  von  Nabukodrossor  und  nach  Polyän  VII,  11,  7  von 
Dareios  I.  (nicht,  wie  S.  306  angegeben  wird,  von  Eambyses) 
benutzt.  Der  Handel  in  der  Richtung  vom  persischen  Meer- 
busen zum  Mittelmeer  blühte  nur  während  der  Herrschaft 
der  grossen  mittelasiatischen  Reiche,  welche  im  Interesse 
ihrer  Binnenländer  den  Landhandel  auf  Kosten  des  See- 
handels begünstigten:  zur  Zeit  der  Ptolemäer  kehrte  der 
Verkehr  in  seine  natürlichen  Bahnen  zurück.  Die  ersten 
Spuren  von  einer  versuchten  Beeinträchtigung  des  Handels 
auf  dem  arabischen  Meerbusen  knüpfen  sich  an  das  Auftreten 
der  Assyrier;  in  einer  freilich  im  höchsten  Grade  apokryphen 
Nachricht^)  heisst  es  sogar,  dass  König  Assarhaddon  Arabien 

1)  Sie  findet  sich  in  den  Enthüllungen  des  h.  Methodios  und  ist 
Ton  Movers  S.  307  zuerst  nachgewiesen  worden;  er  meint,  sie  enthalte 
ausser  vielem  Unsinn  Auszüge  aus  einem  Chronographeu,  der  noch  den 
Alexander  Polyhistor  benutzt  habe.  Leider  kann  ich  diese  günstige 
AnffassuDg  nicht  theilen,  sondern  sehe  darin  nicht  nur  Unsinn,  sondern 
ein  freches  Lügengewebe,  welches  die  biblischen  Angaben  in  derselben 
Weise  ergänzen  soll,  wie  die  Bücher  des  Diktys  und  Dares  die  Homeri- 
schen. Die  Namensiformen  entsprechen  genau  denen  der  LXX,  und 
wenn  wir  erfahren,  dass  Senacherims  Mutter  Gecnac  hiess  und  eine 
Tochter  des  Theglatphalasar  war,  so  ist  das  eine  Erfindung,  den  Ent- 
hüllungen in  der  kleinen  Genesis  (und  daraus  bei  den  Byzantinern)  über 
die  Namen  der  Frauen  aller  Patriarchen  vollkommen  analog.  Derselbe 
Methodios  weiss  sogar  p.  93  (der  Baseler  Folioausgabe  der  Ortbodoxo- 
grapha),  dass  Kain  eine  Zwillingsschwester  hatte,  Namens  KccXrjitiga, 
d.  i.  ,,guten  Tag",  der  gewöhnliche  neugriechische  Gruss  (wofür  freilich 
der  lateinische  Text  p.  101  Chalmana  hat),  und  kennt  einen  lonithus  als 


16  ÜEBER  DEN  LETZTEN  BAND 

6i7erobert    habe.     Besser   sind   wir    über   die   Einwirkung   der 
Chaldäer  auf  jenen  Handel  unterrichtet;  mit  ihrer  Handels- 

vierten  Sohn  Noahs  (p.  102).  Dass  als  Nebakadnezars  Vater  ein  gewiaser 
Lacedämoniua  -und  als  seine  Mutter  die  Königin  von  Saba  angegeben 
und  er  selbst  zum  Mitregenten  des  Assaradon  gemacht  wird,  dass  femer 
EyroR  mit  dem  Thraker  Spartacus  identificirt  wird,  zeigt  wenigstens 
617SO  viel,  dass  der  Heilige  eine  unverwüstliche  Energie  im  Lügen  ent- 
wickeln konnte.  Die  Stelle  (welche  in  dem  lückenhaften  und  noch 
•  dazu  interpolirten  griechischen  Urtexte  fehlt)  ist  sehr  verderbt;  der 
eine  Passus,  den  Movers  so  giebt:  et  unus  eorum  regnavit  iUic  (hier 
offenbar  eine  Lücke),  cui  notnen  Assadaron,  etiam  filius  eiusdem  (regnavit) 
Babylone  pro  patre  suo  Senachertm,  ist  wohl  so  zu  emendiren:  et  vice 
eorum  regnavit  ille,  cui  nomen  Assaradon,  etiam  filius  eiusdemy  Babylone 
pro  patre  suo  Senacherim,  wodurch  freilich  die  Worte  das  Pikante,  was 
sie  in  ihrem  bisherigen  Zustande  hatten,  einbüssen,  aber  besser  mit  der 
Bibel  stimmen.  Die  Apokalypse,  deren  Verfasser  sich  für  den  h.  Metho- 
dios  ausgiebt,  ist  ein  in  mehrfacher  Hinsicht  interessantes  und  in  einer 
gewissen  Beziehung  auch  historisch  wichtiges  Document.  Der  ganze 
erste  Theil  ist  lediglich  eine  captatio  benevolentiae  für  den  Leser,  dem 
die  Proben,  wie  trefflich  der  Heilige  über  das  kleinste  Detail  uralter 
Zeiten  unterrichtet  ist,  imponiren  und  den  Glauben  beibringen  sollen, 
dass  er  über  zukünftige  Dinge  ebenso  gut  inspirirt  sei.  Zweck  des 
Baches  sind  Enthüllungen  über  die  Eroberungen  der  Araber  auf  Kosten 
des  Romiierreichs,  in  denen  der  Prophet  den  Vorläufer  des  jüngsten 
Tages  sieht.  Es  muss  nach  den  ersten  Einfällen  der  Araber  in  Gallien, 
aber  vor  dem  Untergange  der  Ommajaden,  also  in  der  ersten  Hälfte 
des  achten  Jahrhunderts  abgefasst  sein :  diese  Bestimmung  hat  sich  mir 
aus  der  Leetüre  der  Revelationen  ergeben;  sie  weicht  allerdings  von 
der  herkömmlichen,  welche  den  Patriarchen  Methodios  von  Constan- 
tinopel  (t  842)  zum  Verfasser  macht,  bedeutend  ab.  Ein  grosser  Theil 
des  Buches  ist  vaticinatio  post  eventum  von  Ereignissen,  denen  der 
Verfasser  gleichzeitig  war,  und  darum  geschichtlich  wichtig.  An  einer 
Stelle,  wo  er  aus  dem  zweiten  Briefe  an  die  Thessalonicher  die  Ewig- 
keit des  Bomäerreichs  beweisen  will,  Hlllt  der  Prophet  in  seinem  theo- 
logischen Eifer  vollständig  aus  der  Bolle  und  sagt  bei  dieser  Gelegen- 
heit, das  Beich  der  Hebräer  habe  1000  Jahre  gedauert  (nämlich  von 
,  Josua  bis  auf  Jojachim),  das  der  Aegypter  3000  (im  griechischen  Texte 
steht  fölschlich  60,  durch  Verwechselung  von  ,y  und  v),  das  der  Ba- 
by lonier  4000 :  Angaben  (p.  96.  107),  die  sich  durch  den  Zusammenhang 
als  unverfänglich  ausweisen  und  aus  guter  Quelle  geflossen  sind.  Im 
Mittelalter  war  die  lateinische  Uebersetzung  eines  der  gelesensten 
Bücher,  wie  schon  die  zahlreichen  alten  Ausgaben  derselben  lehren; 
Matthäus  von   Westminster   citirt  den   Methodios   sehr  häufig.     Eine 


VON  MO  VERS'  PHOENIZIERN.  17 

politik  hängt  die  Translocation  mehrerer.  Nomadenstämme, 
namentlich  der  Gerrhäer  und  anderer  Araber  bei  Ehino- 
korura,  durch  Nabukodrossor  zusammen.  Von  den  Wechsel- 
fallen des  arabisch-phonicischen  Handels  geht  der  Verfasser 
zu  den  Gegenständen  desselben  über.  Ausfuhrartikel  waren 
theils  Transitowaaren,  theils  Rohproducte  (Kamele,  Schafe, 
Ziegen,  alles  was  von  diesen  Thieren  kommt,  auch  Datteln), 
Einfuhrartikel  Kleidungsstücke  und  Zeugstoflfe,  Wein,  Weizen, 
Oel,  Styrax,  Saffiran,  edle  Metalle,  Sklaven,  Pferde  und  Maul- 
thiere. 

Cap.  12  bespricht  den  ph5nicisch  -  ägyptischen  Handel. 
Dieser  war  sehr  lebhaft,  wie  schon  daraus  hervorgeht,  dass 
griechische  Schriftsteller  die  Waaren,  welche  die  Phonicier 
vor  Alters  nach  Hellas  brachten,  kurzweg  als  ägyptische 
bezeichnen.  Es  waren  dies  Kramwaaren  aller  Art  (j^(D7tog)MB 
Die  wichtigsten  Ausfuhrartikel  waren:  1)  shesh:  dies  ist  nicht, 
wie  man  sonst  annahm,  Baumwolle,  sondern  feine  Leinwand 
(ägyptisch  shens),  besonders  Pelusiotische,  während  bad  der 
allgemeinere  Name  für  Leinwand  ist  und  vorzugsweise  palä- 
stinensisches Fabrikat  bezeichnet;  die  griechischen  Namen  für 
feine  Leinwandarten,  o^ovta  und  öLvdovsg^  sind  nach  dem 
Verfasser  (S.  318)  von  den  PhSniciem  überkommen,  die  sie 
an  die  Hellenen  verhandelten.  2)  Byblische  Stoffe,  d.  i.  alles 
von  der  Byblos-  oder  Papyrusstaude  Bereitete:  der  Name  ist 
einer  der  vielen  Beweise  dafür,  dass  Byblos  in  der  Urzeit  in 
engerem  Verkehr  mit  Aegypten  gestanden  hat,  als  andere 
Städte  Phöniciens.  3)  Glaswaaren.  4)  Salben  und  allerlei 
Medicamente.  5)  Korn.  6)  Fische.  Die  Einfuhr  bildeten: 
1)  Einbalsamirungsstoffe,  2)  Wein  und  Oel,  3)  Sklaven;  ver- 
muthlich  auch  Bernstein,  Zinn,  Bau-  und  Brennholz.  Es 
erhellt  hieraus  zur  Genüge,  dass  die  Ansicht,  als  sei  Aegy- 
pten allen  fremden  Kaufleuten  vor  Psammetich  verschlossen 
gewesen,  unhaltbar  ist.  Wie  der  Verfasser  bemerkt,  verräth 
erst  der  Hesiodische  xatdXoyog  durch  Einfuhrung  der  Sage 

neue  Aasgabe  der  fflr  die  Sittengeschichte  der  byzantinischen  Zeit  und 
des  Mittelalters  überhaupt  sehr  wichtigen,  auch  sprachlich  interessanten 
Schrift  wäre  eine  dankbare  Arbeit:  der  Text  ist  furchtbar  verderbt. 

V.  OüTscBioD,  Kleine  Sohziften.   II.  2 


18  üEßER  DEN  LETZTEN  BAND 

vom  Busiris  (desseu  Name  S.  330,  wie  mir  scheint  sehr  un- 
glQcklich;  von  einem  kanaanäisch- ägyptischen  Baal-Osir  ab- 
geleitet wird),  dass  Aegjpten  als  ein  den  Fremden  oder  doch 
den  Griechen  feindliches  Land  galt.  Allein  dieses  Zeugniss 
ist  aus  der  Zeit  nicht  lange  vor  Psammetich;  von  der  Homeri- 
schen Zeit  gilt  eine  solche  Absperrung  Aegyptens  vom  Ver- 
kehr ganz  und  gar  nicht;  der  Verfasser  adoptirt  daher  mit 
Recht  die  schöne  Vermuthung  Niebuhrs,  der  in  jener  Handels- 
sperre ein  zum  Vortheile  der  Phönicier  eingerichtetes  Pri- 
vilegium erkannte,  welches  Psammetich  wieder  aufgehoben 
habe.*)  Eine  sorgfaltige  üeberwachung  des  Fremdenver- 
kehrs von  Seiten  der  ägyptischen  Regierung  wird  darum 
nicht  in  Abrede  gestellt:  die  Fremden  durften  das  Land  von 
der  Seeseite  nur  bei  Kanopos,  von  der  Landseite  nur  bei 
Pelusion  betreten,  und  dort  wurden  Eingangszolle  erhoben. 
Für  die  Phönicier  hatte  Aegypten  nicht  bloss  als  Markt  an 
sich  eine  ungemeine  Wichtigkeit,  sondern  auch  als  Ausgangs- 
punkt ihres  Handels  mit  entfernteren  Ländern:  von  hier  aus 
handelten  sie  einerseits  nach  Meroe,  Ostafrika,  Südarabien, 
Lidien,  anderseits  nach  den  Westländern;  letzteres  geht  auch 
aus  dem  Charakter  der  hellenischen  Sagen  über  Aegypten 
hervor,  die  meistens  phönicische  Vermittelung  verrathen. 

Diese  kurzen  Andeutungen  mögen  genügen,  um  einen 
Begriff  von  dem  gehaltreichen  und  in  mehr  als  einer  Be- 
ziehung hochbedeutenden  Buche  zu  geben.  Die  musterhaften 
Eigenschaften,  welche  Movers'  schriftstellerische  Thätigkeit 
kennzeichnen,  sind  zu  bekannt,  um  hier  noch  besonders  her- 
vorgehoben zu  werden:  sein  rastloser  Fleiss,  seine  wahrhaft 
enorme  Belesenheit,  sein  Talent,  das  ihm  zu  Gebote  stehende 
überreiche  Material  zu  sichten,  zu  ordnen,  für  die  Geschichte 
nutzbar  zu  machen,  sein  echt  historischer  Tact,  sein  prak- 
tischer Sinn,  der  durch  Aufsuchung  von  Analogien  neuerer 
Zeiten  und  anderer  Länder  die  trümmerhafte  üeberlieferung 
aufzuhellen  und  richtig  einzuordnen  weiss,  die  von  Willkür 
6l9freie  Methode    seiner   Forschung,   die   Klarheit   seiner   Dar- 

*)  [Vgl.  den  dritten  Abschnitt  dieses  Bandes  S.  805  A  der  engli- 
schen Aasgabe.    F.  R.] 


VON  MOVERS'  PHOENIZIEEN.  19 

Stellung^  endlich  seine  vollkommene  Unbefangenheit  in  Wür- 
digung und  Benutzung  der  Bibel  als  Geschichtsquelle  ^  alles 
dies  trägt  dazu  bei,  sein  Werk  über  die  Phonicier  und  ins- 
besondere die  geschichtlichen  Theile  desselben,  unter  denen 
dieses  letzte  Buch  noch  vornehmlich  ausgezeichnet  zu  werden 
verdient,  den  bedeutendsten  Schriften,  die  es  überhaupt  über 
die  Geschichte  des  Alterthums  giebt,  anzureihen  und  dem 
Verfasser  auch  über  die  Grenzen  Deutschlands  hinaus  einen 
für  alle  Zeiten  dauernden  Ruhm  zu  sichern.  Leider  ist  nun 
das  Werk  unvollendet  geblieben;  es  fehlt  noch  der  Schluss 
der  Handelsgeschichte,  welcher  die  Seereisen  und  Entdeckungen 
der  Phonicier  behandeln  sollte,  es  fehlen  noch  die  wichtigen 
Partien  über  Kunst  und  Schriftthüm  der  Phonicier;  zum  Glück 
ist,  wie  ich  höre,  wenigstens  die  Herausgabe  der  zweiten 
Hälfte  des.  dritten  Theiles  in  den  Papieren  des  Verstorbenen 
vorbereitet*);  schwerlich  aber  dürfen  wir  die  Hofihung  hegen, 
dass  sich  ein  Gelehrter  finden  wird,  ein  solches  Werk  in 
solcher  Weise  fortzusetzen. 


*)  [Diese  Hoffnung  ist  bekanntlich  nicht  in  ErfQllnng  gegangen. 
P.  R.] 


o% 


IL 

lieber  des  Grafen  Baudissin  Studien  zur  semitisclien 

Religionsgescbiclite. 

1.*) 

öisStudien  zur  semitisclien  BeligionsgeschiclLte  von  Wolf  Wil- 
helm Graf  Baudissin.  Heft  I.  Leipzig,  Verlag  von 
F.  W.  Grunow.     1876.    VII  u.  336  S.  gr.  8^. 

Die  Mythologie  der  semitischen  Völker  ist  ein  selten 
und  im  Ganzen  mit  geringem  Erfolge  bebautes  Gebiet;  die 
Ueberlieferung  ist  wenig  einladend,  fast  nur  die  Namen  der 
Gotter  und  die  nothdürftigsten  äusseren  Umrisse  sind  auf 
uns  gekommen,  und  was  noch  schlimmer  ist,  neuere  Forscher 
haben  auf  wenigen  Gebieten  so  sehr  wie  auf  diesem  die 
Lücken  durch  mehr  oder  weniger  gewagte  Hypothesen  aus- 
zufüllen gesucht  und  so  unserer  Kunde  semitischer  Mytho- 
logie den  trügerischen  Schein  eines  grosseren  Umfangs  ge- 
liehen; namentlich  hat  die  synkretistische  Art,  wie  Movers 
im  ersten  Bande  seiner  „Phönizier'^  diese  Fragen  behandelt 
hat,  mehr  verwirrt  als  aufgeklärt.  Es  gilt  das  ganze  Feld 
erst  wieder  von  dem  Hypothesengestrüpp  zu  säubern,  ehe  an 
einen  Neubau  gegangen  werden  kann.  Nach  Beiden  Seiten 
hin,  der  negativen  wie  der  positiven,  verdienen  die  Leistungen 
des  Verfassers  die  vollste  Anerkennung:  dieser  in  jeder  Hin- 
sicht gründlich  vorbereitete,  philosophisch  geschulte,  scharf 
denkende  und  besonnen  untersuchende  Gelehrte  hat  die  Er- 
wartungen, die  man  nach  seiner  Inauguraldissertation  „lahve 
et  Moloch  sive  de  ratione  inter  deum  Israelitarum  et  Molo- 


*)  [Jahrbücher  für  classische  Philologie  1876  S.  618—619.] 


ÜEBEB  BAÜDISSINS  STUDIEN  ETC.  21 

chum  iniercedente^'  (Leipzig  1874)  von  ihm  hegen  durfte,  in 
der  vorliegenden  Schrift,  einer  Sammlung  von  fünf  Abhand- 
lungen fiber  semitische  Beligionsgeschichte,  durchweg  erfüllt. 
In  der  ersten  Abhandlung  ,,üeber  den  religionsgeschicht- 
lichen Werth   der  phönicischen  Geschichte  Sanchuniathons'^ 
zeigt    der    Verfasser,    dass    die    Arbeit    Philons    nur    dann 
wirkliche  Uebersetzung  eines  einheimischen  Geschichtswerkes 
gewesen  sein  konnte,  wofür  sie  sich  ausgiebt,  wenn  dieses 
ein   Pseudepigraphon   aus   der   hellenistischen   Zeit   gewesen 
wäre;  er  erweist  gegen  Ewald,  dass  die  Schrift  von  wirk- 
lichem griechischem  Euhemerismus  getränkt  ist  und  ein  von 
Hesiods  Theogonie  abhängiges  synkretistisches  System  giebt,5i4 
auf  jeden  Fall  die  einheimischen  Materialien  hier  gänzlich 
umgeschmolzen  vorliegen.     Da  also  so  wie  so  entweder  der 
jetzige  griechische  Text  oder  die  einheimische  Vorlage   ein 
Pseudepigraphon  gewesen  sein  muss^  so  verwirft  er  mit  Recht 
Resans  Hypothese,  dass  Philon  ein  solches  aus  der  Seleu- 
kidenzeit  übersetzt  habe,  als  künstlichen  Umweg  und  kehrt 
zu  der  richtigen  Moversschen  Ansicht  zurück,  dass  Philon 
die  Arbeit  der  Zusammenstellung  aus  verschiedenen  Berichten, 
die  er  seinen  Sanchuniathon  vornehmen  lässt,  selbst  gemacht 
habe,  doch  sei  die  „Phonicische  Geschichte''  nicht  als  reine 
Erfindung  des  Philon,  sondern  als  eine  freie  Composition  aus 
einheimischen  Materialien   anzusehen;   ein   Kennzeichen   ab- 
sichtlicher Fälschung  sieht  er  mit  Recht  in  der  Behauptung 
Philons,  die  Priester  hätten  das  Werk  Sanchuniathon s  wegen 
seiner   ihnen   unbequemen   Enthüllungen   der  Oe£Fentlichkeit 
entzogen,  erst  er  habe  es  wieder  aus  der  Verborgenheit  her- 
vorgezogen: dies  ist  ein  bei  der  Einführung  von  Apokryphen 
sehr  beliebtes  Verfahren.*)    Es  kommt  dabei  wesentlich  auf 
die  Persönlichkeit  und  Schriftstellerei  des  Philon  von  Byblos 
an,  auf  die  denn  auch  der  Verfasser  näher  eingegangen  ist. 
Hier  finde  ich  nur  das  Eine  zu  erinnern,  dass  derselbe  wesent- 

*)  [Vgl.  über  die  wechselnden  Ansichten  Gutechmids  über  diese 
Frage  Bd.  I  S.  292.  810.  881  nnd  den  dritten  Abschnitt  dieses  Bandes 
S.  802  B,  sowie  die  „Beiträge  zur  Geschichte  des  alten  Orients*'  S.  38  f. 
F.  R.] 


22  ÜEBER  BAÜDISSINS  STUDIEN 

lieh  jünger  ist,  als  der  Verfasser  nach  dem  Vorgang  Anderer 
ihn  gemacht  hat:  sein  Patron  Herennius  Seyerus  ist  nicht 
der  Consul  des  Jahres  119^  sondern  der  des  Jahres  141,  also 
war  Philon  64  n.  Ch.  geboren;  den  Nachweis  findet  man  bei 
B.  Niese,  De  Stephan!  Byzantii  auctoribus  S.  27  f.  Auch 
glaube  ich  den  Titel  einer  anderen  Schrift  des  Philon  ta 
iicvyQa^>6iuva  ^E^cod^iav  vjtoiivi^iiata,  worin  der  Verfasser 
(S.  18.  270)  nach  Movers'  Vorgang  wenig  wahrscheinlich  ein 
corrumpirtes  phonicisches  Wort  für  örotxsta  „Zeichen"  er- 
kennt, mit  Umstellung  eines  Buchstabens  sicher  in  Smd'sifov 
imoiivi^fLata  verbessern  zu  können:  es  war  ein  Commentar 
zu  den  Schriften  oder  Lehren  des  Thotb.  Dass  eine  ten- 
denzielle Erdichtung  einem  Fanatiker  des  Euhemerismus,  wie 
Philon  es  war,  trotz  seines  sonstigen  guten  Rufes  als  Ge- 
lehrter wohl  zugetraut  werden  könne,  erklärt  der  Verfasser 
im  Hinblick  auf  die  damals  über  die  Erlaubtheit  pseudepi- 
graphischer  Schriftstellerei  herrschenden  Ansichten  mit  Recht 
für  eine  ganz  unbedenkliche  Annahme.  Wenn  Philon  den 
angeblichen  Sanchuniathon  seine  Weisheit  aus  Tempelsäulen 
schöpfen  lässt,  so  darf  dies  nicht  mit  Moyers  ernstlich  ge- 
nommen werden,  giebt  vielmehr  ein  weiteres  Verdachtsmoment 
ab  als  Entlehnung  einer  Fiction  des  Euhemeros,  mit  dem 
sich  Philon  auch  sonst  in  Bezug  auf  religionsgeschichtliche 
Anschauungen  fast  wörtlich  berührt.  Philons  Nachrichten 
lassen  sich  für  phönicische  Mythologie  erst  dann  verwerthen, 
wenn  man  sie  der  euhemeristischen  Travestie  entkleidet,  die 
fremdartigen  Zuthaten  ausgeschieden  und  die  oft  sehr  ver- 
schiedenartigen Quellen,  namentlich  die  von  Philon  mit  ein- 
ander verschmolzenen  Kosmogonien  in  ihre  ursprünglichen 
Bestandtheile  zerlegt  hat.  Auf  diesem  Wege  kommt  der 
Verfasser  zu  dem  Resultat,  dass  die  Philonischen  Fragmente 
trotz  der  entstellten  Ueberlieferung  den  sicheren  Schluss 
6l5gestatten,  dass  die  phönicische  Religion  eine  pantheistische 
Naturreligion  gewesen  ist.  Ich  freue  mich,  dass  durch  die 
gründliche  und  umsichtige  Untersuchung  des  Verfassers  die- 
jenige  Anschauung,  auf  die  ich  selbst  seit  einer  Reihe  von 
Jahren  wieder  zurückgekommen  bin   und  f£Lr  die  ich   mich 


ZUR  SEMITISCHEN  RELIGIONSGESCHICHTE  23 

kürzlich  in  diesen  Jahrbüchern  1875  8.  578*)  ausgesprochen 
habe^  völlig  bestätigt  worden  ist. 

Die  zweite  Abhandlung  ,,Die  Anschauung  des  alten  Testa- 
ments von  den  Göttern  des  Heidenthums'^,  die  umfänglichste 
von  allen^  beantwortet  eine  wichtige  Frage  der  alttestament- 
lichen  Theologie,  über  die  sich  zwar  schon  oft  die  namhaf- 
testen Theologen  mit  Bezug  auf  einzelne  Bibelstellen  geäussert 
haben,  die  aber  noch  nie  im  Zusammenhange  auf  Grund  einer 
so  umfassenden  Stellensammlung  untersucht  worden  ist;  wie 
dies  der  Verfasser  gethan  hat  um  in  keiner  Weise  vor- 
zugreifen, hat  derselbe  die  verschiedenen  Aussagen  des  alten 
Testaments  vom  Heidenthum  nach  sachlichen  Gesichtspunkten 
geordnet  dargestellt ,  nur  innerhalb  der  Unterabtheiluugen 
die  Zeitfolge  beobachtend;  erst  in  dem  zusammenfassenden 
Schlussabschnitt  versucht  er  auf  Grund  des  Eirgebnisses  der 
Untersuchung  der  verschiedenen  Anschauungsweisen  diese  Auf- 
fassungen geschichtlich  zu  entwickeln.  Er  kommt  zu  fol- 
genden Ergebnissen:  die  älteste  volksthümliche  Anschauung 
sah  die  Gotter  der  Heiden  als  mit  Jahwe  in  einer  Reihe 
stehend  an,  sah  in  Jahwe,  dem  Gotte  des  Volkes  Israel,  eine 
Localgottheit.  Noch  in  den  vier  ersten  Büchern  Mose  finden 
sich  mit  Ausnahme  einiger  (wahrscheinlich  späterer)  Stellen 
im  Leviticus  keinerlei  Aussagen,  welche  eine  Kritik  des 
heidnischen  Gottesdienstes  oder  eine  Andeutung  enthielten, 
als  seien  die  Heidengötter  keine  Gotter.  Dann  aber  tritt 
uns  im  alttestamentlichen  Schriftthum  eine  wesentlich  ge- 
läuterte Anschauung  entgegen:  für  die  Schriftsteller,  also 
wohl  für  alle  Gebildeten  des  Volkes  stand  es  seit  Hosea 
fest,  dass  andere  Gotter  ausser  Jahwe  für*Israel  keine 
Götter,  blosse  Bilder  sind;  indess  erklären  sich  die  älteren 
Propheten  nicht  darüber,  in  welchem  Verhältniss  die  Götter 
ausser  Jahwe  zu  den  Heiden  stehen:  Jeremia  und  der  Deu- 
teronomiker  sind  die  ersten,  welche  es  verkünden,  dass  die 
Götter  der  Heiden  überhaupt  kein  Dasein  haben  ausserhalb 
der  Bilder.    Parallel  laufend  mit  der  Entwicklung  der  Vor- 


*)  [Bd.  I  S.  310  dieser  Sammlung.    F.  R.] 


L-A^ 


24  ÜEBEE  BAUDISSINS  STUDIEN 

Stellung  von  den  Heiden  göttern  lässt  sich  eine  Ausbildung 
der  Anschauung  von  der  Einzigkeit  Jahwes  nachweisen:  aus 
der  ältesten  Auffassung  als  eines  Nationalgottes  entwickelt 
sich  die  eines  einzigen  Gottes ,  der  aber  zunächst  nur  nach 
seiner  Bedeutung  ftir  Israel  in  das  Bewusstsein  tritt;  erst 
auf  einer  dritten  Stufe  wird  die  auf  der  zweiten  schon  latente 
Folgerung  wirklich  gezogen,  dass  es  neben  diesem  Gott  auch 
fQr  andere  Völker  andere  Götter  nicht  gebe.  Und  erst  mit 
dem  vollen  Durchbruch  der  monotheistischen  Anschauung 
war  die  Ansicht  möglich,  dass  die  heidnischen  Götter  als 
dämonische^  dem  einen  Gott  untergebene  Mächte  zu  denken 
seien.  Im  alten  Testament  findet  sich  die  erste  sichere  Spur 
dieser  Vorstellungs weise  beim  Verfasser  der  Chronik;  im  ale- 
xandrinischen  Judenthum  ist  sie  die  herrschende  geworden. 
6i6Es  gehen  mir  die  erforderlichen  Specialkenntnisse  ab,  um 
diese  Abhandlung  des  Verfassers  nach  ihrem  ganzen  Ver- 
dienste zu  würdigen;  das  aber  darf  wohl  auch  der  Nicht- 
theologe  aussprechen ,  dass  sie  durchgängig  den  Eindruck 
der  grössten  Sorgfalt  und  Zuverlässigkeit,  anderseits  der 
vollsten  Unbefangenheit  in  dogmajbischer  Beziehung  macht. 
Die  dritte  Abhandlung  ;;Der  Ursprung  des  Gottesnamens 
'laci"  ist  der  sehr  vermehrte  Abdruck  einer  in  der  Zeitschrift 
für  die  historische  Theologie  1875  unter  dem  gleichen  Titel 
veröfiPentlichten  Arbeit.  Auf  Grund  einer  sorgfaltigen  Sich- 
tung des  weitschichtigen  Quellenmaterials,  wozu  auch  eine 
Prüfung  der  Aufschriften  der  Abraxasgemmen  und  der  Namen 
der  ophitischen  Planetengeister  gehört,  und  einer  ungemein 
ileissigen  und  vollständigen  Aufzählung  und  Widerlegung  der 
von  Neueren  uufgestellten  Hypothesen,  die  uns  freilich  zu  der 
Mühe,  welche  sie  dem  Zusammensteller  gekostet  haben  muss, 
in  keinem  richtigen  Verhältniss  zu  stehen  scheint  und  in 
kaum  geringerem  Grade  als  die  Gewissenhaftigkeit  des  Ver- 
fassers auch  das  geringe  Mass  von  Weisheit  illustrirt,  mit 
dem  oft  theologische  und  archäologische  Bücher  geschrieben 
werden,  gelangt  Graf  Baudissin  zu  dem  Resultate,  dass  ein 
heiduischer  Gott  lao  nicht  existirt  hat,  vielmehr  alle  Er- 
wähnungen dieses  Namens  in  letzter  Instanz  auf  das  israeli- 


ZUR  SEMITISCHEN  RELIGIÜNSGESCHICHTB.  25 

tische  Tetragrammaton  zurückfuhreD.  Hinsichtlich  dieses 
entscheidet  er  sich  für  die  Richtigkeit  der  für  die  Samari- 
taner  bezeugten  Aussprache  Jahveh  und  hält  die  in  ausser- 
jüdischen  Kreisen  besonders  verbreitete  Form  lao  für  beein- 
fiusst  von  Buchstabensymbolik.  Wenn  der  Verfasser  es  aber 
S.  252  für  wenigstens  möglich  hält,  dass  auf  diese  auch  das 
^laci  bei  Diodor  I^  94  zurückgehe,  so  kann  ich  ihm  nicht 
beistimmen  y  da  der  betreffende  Abschnitt  zu  denen  gehört, 
die  sich  mit  Sicherheit  auf  die  ägyptische  Geschichte  des 
Hekatäos  von  Abdera  zurückführen  lassen;  sein  anderer  Vor- 
schlag, dieses  'lad  aus  einer  verkürzten  Form  in^  abzuleiten, 
verdient  entschieden  den  Vorzug;  auch  ist  zu  erwägen,  dass, 
mochte  auch  der  Name  als  Indeclinabile  behandelt  werden, 
doch  eine  Gräcisirung  des  Auslautes  sich  ganz  von  selbst 
einstellen  musste. 

Die  vierte  Abhandlung  hat  der  Verfasser  betitelt  „Die 
Symbolik  der  Schlange  im  Semitismus''  und  meint  damit 
ihre  Bedeutung  im  Mythus  und  Cultus:  denn  vor  der  Hand, 
bemerkt  er  vorsichtig  S.  V,  könne  noch  nicht  geradezu  von 
semitischen  Schlangengottheiten  und  Schlangenmytben  ge- 
redet werden.  Wie  überall  auf  dem  Gebiete  der  semitischen 
Mythologie  waren  hier  erst  Geschöpfe  der  Einbildungskraft 
neuerer  Gelehrter  zu  beseitigen,  in  diesem  Falle  die  von 
Movers  erfundenen  phönicischen  Schlangengotter.  Dieselbe 
Besonnenheit,  die  der  Verfasser  fremden  Hypothesen  gegen- 
über wahrt,  hält  er  auch  hier,  wie  überhaupt  in  seinem 
ganzen  Buche,  im  Vorbringen  seiner  eigenen  ein;  und  doch 
sind  es  immer  gute,  wohl  erwogene,  mit  denen  vielleicht 
wenig  andere  Gelehrte  so  zurückhaltend  gewesen  sein  wür- 
den; er  zeigt  damit,  dass  er  vollkommene  Einsicht  in  das 
hat,  worauf  es  hier  ankommt,  und  das  oberste  Gebot,  das  es 
für  den  Forscher  auf  dem  Gebiete  semitischer  Religions-517 
geschichte  geben  kann,  gewissenhafte  Vorsicht,  kennt  und 
übt.  Vielleicht  gar  zu  behutsam  dürfte  die  Wendung  S.  287 
sein:  „übrigens  sollen  schon  die  alten  Aethiopen  die  Schlange 
gottlich  verehrt  haben";  da  Arwe,  die  Schlange,  mit  einer 
400jährigen  Regierungsdauer  die  Reihe  der  Könige  von  Axum 


26  ÜEBER  BAÜDISSINS  STUDIEN 

eröffnet  (Dillmann  in  der  Zeitschrift  der  deutschen  morgen- 
ländischen Gesellschaft  VII  S.  341)^  so  kann  an  der  Richtig- 
keit jener  Nachricht  nicht  füglich  gezweifelt  werden,  um 
so  gewisser  ist  diese  Vorsicht  auf  assyrischem  Gebiete  am 
Platze;  weiss  man,  dass  G.  Smith  „The  Chaldean  account  of 
Genesis"  (London  1876)  eine  Bestie,  welche  die  Abbildung 
zu  8.  62  als  einen  geflügelten  Löwen  und  mit  einer  Deut- 
lichkeit, wie  man  sie  grösser  nicht  verlangen  kann,  als 
männlichen  Geschlechts  erkennen  lässt,  hartnäckig  für  die 
Paradiesschlange  und  für  weiblich  erklärt*),  so  kann  man 
sich  eine  lebhafte  Vorstellung  von  den  exegetischen  Künsten 
machen,  welche  in  der  Deutung  der  Inschriften  selbst  zur 
Anwendung  kommen,  wo  die  Assyriologen  sich  von  keinem 
profanen  Auge  belauscht  wissen.  Wenn  also  der  Verfasser 
die  Beziehung  der  Schlange  bei  den  Assyrern  auf  die  dunkeln 
Naturmächte  S.  291  mit  einem  „wie  man  neuerdings  in  den 
Keilschriften  gelesen  haben  will"  begleitet,  so  verdient  diese 
Enthaltsamkeit  alle  Anerkennung,  und  das  um  so  mehr,  als 
sie  mit  dem  Respecte,  den  anderwärts  Lenormant,  Schrader 
und  das  Akkadische  ihm  einzuflössen  scheinen,  in  Conflict 
geräth. 

Selbst  da,  wo  diese  Rücksichtnahme  auf  die  Assyriologen 
sich  am  meisten  bemerkbar  macht,  in  der  letzten  Abhand- 
lung „Die  Klage  über  Hadad  -  Rimmon",  hat  sich  doch  der 
richtige  Tact  des  Verfassers,  soweit  es  von  ihm  und  nicht 
von  seinen  Autoritäten  abhing,  nicht  verleugnet.  Mehr  als 
einmal  giebt  der  Verfasser  ein  Beweismaterial,  dessen  Reich- 
thum  mehr  als  genügen  würde,  um  einzelne  leichtsinnige 
Aufstellungen  der  Assyriologen  zu  widerlegen,  aber  im  Be- 
griffe, die  Gonsequenz  zu  ziehen,  macht  er  vor  dem  avtbg 
Itpa  irgend  eines  Hellsehers  Halt.  So  kommt  er  auf  Grund 
einer  überaus  sorgfältigen  Prüfung  der  Lesart  sämmtlicher 
biblischer  Stellen,  an  denen  der  Name  Hadad  oder  Hadar 
vorkommt,  zu  dem  Resultate,  dass  am  besten  überall  Hadad 
bezeugt  ist,  in  Bezug  auf  Hadacfezer  oder  Hadar  ezer,  dass, 

*)  U^'  ^6^6  Beiträge  zur  Geschichte  des  alten  Orients  S.  147. 
F.  R.] 


ZUR  SEMITISCHEN  RELIGIONSGESCflICHTE.  27 

was  hier  das  ursprüngliche  sei^  sich  aus  der  Abwägung  der 
Lesarten  kaum  entscheiden  lasse,  für  den  Namen  Benhadad 
oder  Benhadar,  dass  nur  die  Lesart  Benhadad  gut  bezeugt 
sei  (S.  309  f.).  „Trotzdem",  fahrt  er  fort,  „wird  dies  nicht 
die  richtige  sein*',  und  beugt  sich  vor  dem  Oppert-Schrader- 
schen  Binidri,  der  einzig  und  allein  darauf  beruht,  dass  auf 
einer  assyrischen  Inschrift  nicht  lange  vor  Hazael  ein  mit 
einem  unbekannten  Gottesideogramm  und  -idri  zusammen- 
gesetzter damaskenischer  Königsname  vorkommt,  den  sie 
aus  dem  alten  Testament  zu  Bin -idri  ergänzen.*)  Ferner 
weist  er  eine  lange  Reihe  von  Zeugnissen  nach,  welche  die 
Existenz  eines  syrischen  Hauptgottes  Hadad  über  jeden 
Zweifel  erheben,  schliesst  aber  das  Zeugenverhor  wider  Er- 
warten S.  375  mit  den  Worten:  „ob  es  ausser  dem  Gott5i8 
Hadar  wirklich  einen  anderen  mit  Namen  Hadad  gab,  müssen 
wir  dahingestellt  sein  lassen/'  Aber  um  von  den  anderen 
Zeugnissen  ganz  abzusehen,  verliert  das  des  Macrobius  {Sat, 
I  23, 17  ff.),  so  sollten  wir  meinen,  dadurch,  dass  sein  Gewährs- 
mann den  Namen  thörichterweise  vom  aramäischen  had  had 
„unus  unns^'  abgeleitet  hat,  nichts  von  seinem  Werthe;  im 
Gegentheil  schützt  diese  Etymologie  das  d  gegen  den  mög- 
lichen Verdacht  einer  Verschreibung  aus  r;  und  die  Lesart 
Adadu  bei  Plinius  XXXVII  §  186  ist  keineswegs  so  unsicher, 
wie  der  Verfasser  meint:  wir  haben  hier  den  vortrefflichen 
Codex  Bambergensis,  und  zwar  ein  doppeltes  Zeugniss  aus 
ihm,  für  den  Text  und  für  die  Inhaltsangabe  im  ersten  Buche, 
dort  Adadu  renis,  eiusdem  ocultis,  digitus,  hier  Adadu  nephros, 
Adadu  ophthalmos,  Adadu  dactylos;  und  an  der  ersten  Stelle 
führt  Detlefsen  nur  aus  dem  Leidensis  F  die  Variante  Adau, 
an  der  zweiten  gar  keine  Varianten  an.  Vielmehr  ist  es 
lediglich  der  Schrader  in  historischen  Dingen  eigenen  Vor- 
aussetzungslosigkeit  zuzuschreiben,  dass  er  diesen  Gott  Ha- 
dad, von  dem  er  (Assyrisch-babylonische  Keilschriften  S.  144) 
zu  glauben  scheint,  dass  er  bloss  auf  dem  Namen  Hadaä  ezer 
beruhe,  gar  so  leicbt  genommen  hat;   für  eine  unbefangene 

*)  [Vgl.  Neue  Beiträge  zur  Geschichte  des  alten  Orients  S.  47  ff. 
F.  E.] 


28  ÜEBER  BAÜDISSINS  STUDIEN 

Betrachtungsweise  ergiebt  sich  umgekehrt  aus  der  Existenz 
dieses  Gottes  Haäad  mit  Nothwendigkeit  die  Folgerung,  dass 
Benhadad  nicht  in  Benhadar  geändert  werden  darf.  Wenn 
Scbrader  weiter  den  Namen  Bin-idri  als  ,fim  ist  erhaben^ 
deutet  und  den  Justinischen  Adores,  die  Hauptstütze  seiner 
Hypothese,  aus  Ben- adores  verkürzt  sein  lässt;  so  hat  Graf 
Baudissin  diesen  unüberlegten  Einfall ,  der  mit  logischer 
Nothwendigkeit  zur  Folge  haben  würde ,  dass  wir  allen 
Ernstes  einen  syrischen  Gott  mit  losephos  für  den  yer- 
gotterten  Benhadad  H.  halten  müssten,  stillschweigend  be- 
richtigt, indem^  er  in  Hadar  einen  Gottesnamen  und  einen 
Beinamen  des  assyrischen  Luftgottes  Bin  erkennt.  Ich  kann 
aber  nur  zugeben,  dass  es  dem  Verfasser  (S.  312)  gelungen 
ist,  die  Existenz  eines  Gottes  Adar  wirklich  zu  erweisen, 
während  die  eines  Gottes  Hadar  lediglich  aus  der  Gottheit 
Hadran  in  Mabug  gefolgert  wird.  Das  Assyrische  scheidet 
allerdings  nicht  zwischen  Aleph  und  He;  beweist  aber  diese 
orthographische  Eigenthümlichkeit  wirklich  für  die  Gleich- 
heit von  Adar  und  Hadar  bei  anderen  semitischen  Völkern? 
Weil  nun  in  Bin-idri  Hadar  als  Epitheton  des  Bin  vorkomme 
und  dieser  mit  Ramman  identisch  sei,  so  erklärt  der  Ver* 
fasser  S.  316  auch  Hadad-  Rimmön  bei  Sacharja  12,11  für 
verschrieben  aus  Hadar  -  Rammön  und  meint  sogar  unwahr- 
scheinlich genug  S.  319,  Hieronymus,  der  Adadremmon  noch 
als  Namen  von  Maximianopolis  kennt,  habe  die  richtige  Form 
der  ihm  vorliegenden  Texteslesart  entsprechend  umgestaltet. 
Und  ebendaselbst  deutet  Graf  Baudissin  aus  grammatischen 
Gründen  Hadar -Rammön  als  „herrlich  ist  Bammon^',  negirt 
also  damit  die  Prämisse,  die  ihn  zu  der  Textesänderung  ver- 
anlasst hatte.  Mich  dünkt,  er  hat  sich  hier  in  dem  Be- 
streben, Schrader  in  seinen  Nöthen  beizuspringen,  selbst  in 
nicht  minder  grosse  Schwierigkeiten  verwickelt.  Alle  diese 
6i9Combinationen  stehen  und  fallen  mit  dem  luftigen  Bin-idri 
der  Assyriologen,  aus  den\  erst  wieder  ein  Bin  als  Synonym 
des  Luftgottes  Ramman  gefolgert  worden  ist:  und  in  diesem 
Sinne  räumen  wir  willig  ein,  dass  Bin  ein  Luftgott  ist. 
Von  den  Untersuchungen  des  Verfassers  bleibt  hier  unseres 


ZUR  SEMITISCHEN  RELIGIONSQESCHICHTE.  29 

Erachtens  nur  das  negative  Ergebniss  stehen,  dass  die  Identität 
des  Hadad  mit  Adonis  und  die  Beziehung  des  Beiwortes  Bim- 
mon  auf  den  diesem  heiligen  Granatapfel  nicht  als  streng 
bewiesen  angesehen  werden  kann.  Was  endlich  die  ,,Klage 
fiber  Hadad -Rimmon''  bei  Sacharja  betrifft,  so  leugnet  der 
Verfasser  eine  Anspielung  auf  heidnischen  Gultusbrauch,  er- 
kennt dort  vielmehr  den  Namen  des  (dem  Bammon  heiligen) 
Ortes,  an  dem  Josia  fiel,  und  eine  Beziehung  auf  die  um 
diesen  Eonig  gehaltene  Todtenklage. 

Möge  es  dem  Verfasser  recht  bald  vergönnt  werden,  sein 
8.  VI  gegebenes  Versprechen,  diesem  ersten  Hefte  ein  zweites 
folgen  zu  lassen,  einzulösen:  so  tüchtige  Arbeiter  wie  ihn 
entbehrt  man  auf  dem  Gebiete  der  semitischen  Religions- 
geschichte nur  ungern. 


2.*) 

Stadien  zur  semitischen  Religionsgeschichte  von  Wolf  Wil-i86 
heim  Graf  Baudissin.    Heft  IL    Leipzig,  Verlag  von 
P.  W.  Grunow.    1878.   VIII  u.  285  S.    gr.  8^ 

Das  vorliegende  zweite  Heft  zeichnet  sich  durch  dieselben 
Vorzüge  aus,  die  dem  ersten  (von  uns  in  diesen  Jahrbüchern 
1876  S.  513 ff.  [oben  S.  20ff.]  besprochenen)  nachgerühmt  wer- 
den konnten:  eine  seltene  Belesenheit  in  der  älteren  und 
neueren  Literatur,  völlige  Beherrschung  des  philologischen 
und  historischen  Beweismaterials,  streng  methodische  Kritik, 
die  Gabe,  in  dem  Gewirr  des  aus  den  verschiedenartigsten 
Quellen  zusammengetragenen  Details  nicht  den  Faden  zu 
verlieren  und  die  allgemeinen  Gesichtspunkte  fest  im  Auge 
zu  behalten,  präcise  Formulirung  der  Aufgaben  und  der  Er< 
gebnisse,  eine  klare  Sauberkeit  in  Begriffsentwickelung  und 
Beweisführung,  die  auseinander  zu  halten,  Verwirrtes  zu  ent- 
wirren versteht,  äusserste  Vorsicht  und  eine  stets  aus  den 
Dingen  heraus,  nie  in  die  Dinge  hinein  lesende  ünbefangen- 

*)  [Jahxbücher  fflr  classische  Phüologie  1880  S.  186—188.] 


30  ÜEBER  BAÜDISSINS  STUDIEN 

heit,  lauter  Eigenschaften,  welche  die  frühere  Forschung  auf 
dem  Gebiete  der  semitischen  Religionsgeschichte  nur  zu  oft 
hatte  vermissen  lassen. 

Die  erste  Abhandlung  ,,Der  Begriff  der  Heiligkeit  im 
alten  Testament''  (S.  1  — 142)  ist  mehr  theologischer  und 
philologischer  Natur;  sie  fuhrt  erst  mit  gewohnter  Gewissen- 
haftigkeit die  neuere  Literatur  über  diese  Frage  auf  und 
setzt  sich  mit  den  Ansichten  der  Vorgänger  auseinander, 
unter  denen  namentlich  L.  Diestel  G^Die  Heiligkeit  Gottes'' 
in  den  Jahrbüchern  für  deutsche  Theologie  1859  S.  3  —  63) 
verdiente  Berücksichtigung  gefunden  hat,  und  geht  sodann  auf 
Grund  einer  möglichst  vollständigen  Sammlung  der  Stellen 
des  alten  Testaments  zu  einer  selbständigen  Untersuchung 
des  Begriffs  über,  welcher  der  Verfasser  dadurch,  dass  er 
sie  nicht  auf  die  Heiligkeit  Gottes  beschränkt,  sondern  auf  * 
die  von  Personen  und  Sachen  ausgedehnt  hat,  eine  breitere 
Basis  und  grössere  Sicherheit  verleiht.  Er  kommt  zu  dem 
Ergebniss,  dass  qddesh  eigentlich  „abgesondert,  hehr",  dann 
erst  „rein"  bedeutet,  und  „Heiligkeit"  bei  Sachen,  bei  Per- 
sonen und  bei  Gott  das  Abgesondertsein  aus  dem  Profanen 
ist.  Da  der  Begriff  im  alten  Testament  keine  eigentliche 
Weiterbildung  erfahren  hat,  so  hat  der  Verfasser  bei  der 
Feststellung  desselben  von  einer  Scheidung  der  Belegstellen 
nach  der  Zeitfolge  abgesehen  und  sich  begnügt,  am  Schluss 
eine  geschichtliche  üebersicht  über  die  Anwendung  des  Be- 
griffs bei  den  einzelnen  alttestamentlichen  Schriftstellern  zu 
geben.  Von  besonderem  Interesse  ist  es,  den  Verfasser 
(S.  142.  228  f.)  zu  der  Frage  nach  dem  Alter  des  ersten 
Elohisten  (der  priesterlichen  Gesetzesschrift,  wie  er  sie  nennt) 
Stellung  nehmen  zu  sehen,  welche  durch  Wellhausens  erst 

*  nach  der  vorliegenden  Schrift  erschienene  „Geschichte  Israels" 
in  ein  neues  Stadium  getreten  ist;  Graf  Baudissin  drückt  sich 
äusserst  behutsam  aus,  scheint  aber  ebenfalls  der  Annahme 
einer  späteren  Entstehungszeit  des  Buches  zuzuneigen:  „die 
Entscheidung",  sagt  er  S.  229,  „kann  wohl  nur  in  seiner 

iseSchilderung  des  Priesterthums,  zusammengehalten  mit  der 
des  Deuteronomiums  und  des  Ezechiel,  gesucht  werden." 


ZUR  SEMITISCHEN  RELIGIONSGESCHICHTE.  31 

Die  zweite  Abhandlung  ,, Heilige  Gewässer,  Bäume  und 
Hohen  bei  den  Semiten,  insbesondere  bei  den  Hebräern^' 
(S.  143 — 269),  bespricht  die  einzigen  irdischen  Naturgegen- 
stande, welchen  die  Semiten  überhaupt  religiöse  Verehrung 
beigelegt  haben;  die  Meteorsteine,  mit  denen  es  als  vom 
Himmel  gesandten  Zeichen  der  Gottheit  eine  andere  Be- 
wandtniss  hat,  sind  von  der  Betrachtung  ausgeschlossen 
worden.  Der  Verfasser  führt  hier  die  Untersuchungen  über 
semitische  Mythologie  weiter,  mit  denen  er  im  ersten  Hefte 
seiner  Studien  und  in  einer  Reihe  vortrefflicher  Artikel  über 
einzelne  semitische  Gottheiten  in  der  Herzog-Plittschen  Real- 
encyclopädie  den  Anfang  gemacht  hatte. 

Die  Grundlage  seiner  Untersuchungen  ist  ein  Mosaik, 
gebildet  aus  einem  von  allen  Seiten  und  aus  den  entlegen- 
sten Winkeln  der  abendländischen  und  morgenländischen 
Literatur  herbeigeschafften  Materiale,  und  hier  durfte  bei  der 
grossen  Lückenhaftigkeit  der  Ueberlieferung  auch  das  gering- 
fügigste Detail  nicht  vernachlässigt  werden;  diese  mit  Erfolg 
angestrebte  möglichste  Vollständigkeit  würde  der  Arbeit  des 
Verfassers  auch  ohne  deren  sonstige  Vorzüge  einen  hohen 
und  bleibenden  Werth  verleihen.  Ausser  der  Bibel  gehören 
sämmtliche  Zeugnisse,  auf  die  hier  gefusst  werden  muss,  der 
hellenistischen  Zeit  an;  Lenormants  assyriologische  Enthül- 
lungen sind  der  Vollständigkeit  halber  zwar  angeführt,  aber 
regelmässig  mit  einer  Warnungstafel  versehen  worden,  ein 
Verfahren,  das  von  der  Kritiklosigkeit  anderer  Theologen 
diesen  „Entdeckungen^'  gegenüber  erfreulich  absticht.  Ein 
entsprechendes  Misstrauen  war  auch  in  Bezug  auf  manchen 
Gewährsmann  aus  dem  Alterthum  selbst  geboten,  und  der 
Verfasser  hat  gewiss  gut  daran  gethan,  es  namentlich  dem 
unzuverlässigen  Notizenreichthum  des  Nonnos  gegenüber  in 
Anwendung  zu  bringen;  in  einem  der  seltenen  Fälle,  wo  er 
von  der  sonst  geübten  Vorsicht  abgewichen  ist,  S.  158,  ist 
es  nicht  zum  Frommen  der  Untersuchung  ausgeschlagen: 
seine  Nrits  'Aßa^ßagiri  hat  Nonnos  einfach  aus  Ilias  Z  22. 
Kaum  lässt  sich  ein  grosserer  Abstand  denken,  als  der, 
welcher  zwischen  dem  Verfasser  und  seinem  Hauptvorgänger 


32  ÜEBER  BAÜDISSINS  STUDIEN 

auf  dem  von  ihm  bearbeiteten  Gebiete,  Movers,  besteht,  bei 
dem  im  ersten  Bande  der  „Phönizier'^  (freilich  dem  schwäch- 
sten Theile  seines  Werkes)  Sammelfleiss  und  Kritik  im  um- 
gekehrten Yerhältniss  zu  einander  stehen  und  bei  dem  unter 
drei  Oitaten  immer  eines  schief  aufgefasst  zu  sein  und  alles 
andere  zu  beweisen  pflegt  als  das,  wofür  es  verwerthet  wird. 
Auf  die  AnfQhrungen  des  Verfassers  und  den  Gebrauch,  der 
von  ihnen  gemacht  wird,  ist  dagegen  unbedingt  Yerlass;  ich 
wusste  nicht,  was  sich  hier  ausstellen  liesse,  ausser  etwa  die 
Art  der  Benutzung  des  sogenannten  Skylax.  Dieser  wird 
nicht  nach  Müllers  Geographi  Graeci  minores,  sondern  nach 
Fabricius  citirt,  der  den  von  verkehrten  Correcturen  wim- 
melnden und  bis  zur  Unbrauchbarkeit  verfälschten  Text  der 
älteren  Ausgaben  wiederholt  hat;  die  ihm  entlehnten  Notizen 
bedürfen  durchweg  erneuter  Prüfung,  so  steht  z.  B.  von  der 
angeblichen  BijXog  ^okcg  (S.  234)  kein  Wort  in  der  Hand- 
schrift. 
187  Während  Movers  mit  einer  synkretistischen  Grund- 
anschauung von  der  semitischen  Mythologie  an  die  Unter- 
suchung der  Einzelfragen  herantrat  und  daher  von  vornherein 
ausser  Stande  war,  Nichtzusammengehoriges  richtig  ausein- 
anderzuhalten, beobachtet  der  Verfasser  eine  streng  analyti- 
sche Methode,  die  es  Jedem  ermöglicht,  sich  ein  eigenes 
Urtheil  zu  bilden.  Vom  Einzelnen  zum  Allgemeinen  auf- 
steigend stellt  der  Verfasser /est,  dass  die  Semiten  in  den 
irdischen  Gewässern  nur  ein  Bild  der  lebenspendenden  Kraft 
der  himmlischen  Götter  sehen,  nicht  aber,  wie  die  Arier, 
sich  die  Gottheit  in  diesen  Gewässern  wohnend  denken;  mit 
Recht  legt  er  (S.  153)  auf  die  Erzählung  des  Sozomenos  von 
dem  feurigen  Stern  der  Urania,  welcher  sich  in  den  Adgnis- 
fluss  bei  Aphaka  auf  dem  Libanon  senkte,  gerade  der  späten 
Bezeugung  wegen  besonderes  Gewicht,  als  für  die  Zähigkeit 
der  religiösen  Anschauungen  bei  den  Semiten  beweisend. 
Auch  den  Cultus  des  „Poseidon"  bei  den  Phöniciern  erkennt 
er  (S.  172  fiP.)  nicht  als  Ausnahme  an  und  betont  mit  Fug 
das  Zeugniss  des  Hesychios  von  einem  in  Sidon  verehrten 
Zevg  @alä66iog,  eine  Ausdrucks  weise,  die  unerklärlich  sein 


ZUR  SEMITISCHEN  BELIQI0N8QESCHICHTE.  33 

würde,  wenn  es  sich  wirklich  um  eine  das  Meer  als  ihr 
Element  bewohnende  Gottheit  gehandelt  hätte ,  wie  den 
griechischen  Poseidon.*)  Auch  in  Melikertes^  was  ja  sicher 
Melqart  isi^  sieht  er  nicht  einen  eigentlichen  Meergott,  son- 
dern den  meerbeherrschenden  Sonnengott  Ebensowenig  will 
er  es  trotz  seiner  halben  Fischgestalt  von  dem  chaldäischen 
Oannes  gelten  lassen;  vielmehr  ist  es  nach  ihm  die  Sonne, 
die  am  Morgen  aus  dem  die  Erde  umgrenzenden  Ocean  sich 
erhebt  und  mit  dem  Abend  dahin  zurücksinkt  (S.  183). 
Dieselbe  Deutung  dürfte,  meine  ich,  der  Mythos  von  Meli- 
kertes  auch  für  diesen  nahe  legen.  Mit  Oannes  berührt  sich 
die  auf  den  Münzen  der  kretischen  Stadt  Itanos,  einer  phö- 
nicischen  Gründung,  dargestellte  Gottheit  mit  menschlichem 
Oberkörper  und  Fischschwanz  (vgl.  S.  180)  und  der  doch 
wohl  von  ddg  „Fisch''  abzuleitende  und  wahrscheinlich  schon 
nach  den  Büchern  Samuelis  mit  einem  Fischschwanz  dar- 
gestellte philistaische  Dagon;  der  Verfasser  hält  auch  hier  die 
Umwandlung  eines  ursprünglichen  Himmelsgottes  in  einen 
Meergott  für  möglich,  giebt  aber  zu,  dass  diese  Umwandlung 
eine  sehr  alte  gewesen  sein  müsse.  Sollte  es  sich  nicht  in 
den  letztgenannten  drei  Fällen  um  im  Meere  wohnende  wirk- 
liche Meergötter  handeln  und  ihre  Verehrung  sich  darauf 
zurückführen  lassen,  dass  der  erdumgürtende  Ocean  als  eine 
Fortsetzung  des  Himmelsgewölbes  angesehen  wurde?  Auf 
die  Analogie  des  arischen  Varuna  hat  bei  dieser  Gelegenheit 
der  Verfasser  selbst  hingewiesen  (S.  177).  Aehnlich  wie  die 
Heiligkeit  der  Gewässer  ist  die  der  Bäume  zu  beurtheilen; 
der  einzelne  Baum,  nicht  der  Hain,  ist  den  Semiten  Gegen- 
stand der  Verehrung",  und  er  ist  es  als  0£fenbärung  der  in 
die  Erde  gelegten  Lebenskraft,  welche  ausgeht  von  der  über 
der  Erde  wohnenden  Gottheit.  Am  directesten  weist  auf 
die  himmlische  Natur  der  semitischen  Götter  die  Heiligung 
der  Berge  und  Höhen,  die  im  alten  Testament  eine  so  grosse 
Rolle  spielt 

Es  stellt  sich  heraus,  dass  bei  der  Heiligung  irdischer 


•)  [Vgl.  unten  8.  87.    F.  B.] 

T.  GuTSCHKis,  Kleine  Schriften.   II.  3 


34  UEBER  BAÜDISSINS  STUDIEN 

iSSNaturgegenstände  von  den  semitiscilen  Völkern  nach  dem 
Geschlechte  der  Gottheiten  unterschieden  worden  ist:  der 
männliche  Gott  wird  meistens  auf  Bergen  verehrt,  Bäume 
sind  fast  nur  weiblichen  Gottheiten  heilig;  auch  die  Gewässer 
sind  nach  der  Ansicht  des  Verfassers  ursprünglich  nur  Got- 
tinnen geweiht  gewesen.  Was  den  letzteren  Punkt  betriffb, 
so  kann  ich  nicht  finden^  dass  das  Behauptete  mit  den  That- 
Sachen  recht  in  Einklang  steht;  der  Verfasser  hat  selbst 
darauf  hingewiesen ,  dass  den  phonicischen  Flüssen  aus- 
schliesslich männliche  Gottesnamen  beigelegt  werden  ^  dies 
aber  griechischem  Einflüsse  zugeschrieben.  Er  stützt  sich 
für  seine  Annahme  S.  167  darauf,  dass  in  den  Herakles- 
mythen, die  sich  auf  Quellen  beziehen,  diese  immer  in  eine 
nähere  Verbindung  mit  einer  weiblichen  Gestalt  des  Mythos 
gesetzt  werden;  sieht  man  sich  aber  die  S.  156  f.  aufgeführten 
Beispiele  näher  an,  so  beziehen  sie  sich  auf  Syrakus,  Himera, 
Marathon,  lauter  Orte,  deren  Heraklescultus  erst  durch  die 
Moversschen  Reunionskammern  zu  einem  phonicischen  ge- 
stempelt worden  ist.  Der  Verfasser  hat,  wie  Andere  vor  ihm, 
in  der  bekannten  Abhandlung  Olshausens  „lieber  phönicische 
Ortsnamen  ausserhalb  des  phonicischen  Sprachgebiets'^  eine 
hinlängliche  Sicherheit  für  die  Haltbarkeit  der  betreffenden 
EinföUe  von  Movers  gesehen,  aber,  wie  mir  scheint,  nicht 
hinlänglich  erwogen,  dass  mit  der  von  Olshausen  dargethanen 
philologischen  Zulässigkeit  noch  lange  nicht  die  historische 
Realität  jener  Gombinationen  erwiesen  ist.*)  Nur  die  Autorität 
des  berühmten  Orientalisten  dürfte  den  Verfasser  bestimmt 
haben,  hier  ausnahmsweise  Beweismittel  aus  Gebieten  heran- 
zuziehen, auf  die  phönicische  Einwirkung  schwerlich  jemals 
stattgefimden  hat;  wo  er  auf  eigenen  Füssen  steht,  hat  er 
alle  weiteren  Excursionen  auf  die  Grenzgebiete  der  griechi- 
schen Mythologie  sorgß>ltig  vermieden,  selbst  da,  wo  ihm 
solche  sehr  nahe  gelegt  waren,  wie  bei  dem  Aphroditecultas, 
dessen  vielfache  semitische  Beeinflussung  nicht  geleugnet 
werden  kann.   Diese  Selbstbeschränkung  kann  Graf  Baudissin 

*)  [Vgl.  Gutschmids  Anzeige  von  Müllenboffs  Dentecher  Alter- 
thumskande  im  Literarischen  Centralblatt  1871  S.  622  f.    F.  B.] 


ZUR  SEMITISCHEN  RELIGIONSGESCHICHTE.  35 

nur  zum  Lobe  angerechnet  werden;  sicher  ist,  dass  sie  seiner 
Forschung  nicht  zum  Nachtheile  gereicht  hat. 

Das  Endergebnisse  zu  dem  der  Verfasser  durch  seine 
Untersuchung  gekommen  ist,  hat  er  selbst  S.  146  f.  so  for- 
mulirt:  ,,In  dem  Höhencultus  einerseits,  dem  Gultus  an 
Gewässern  und  unter  Bäumen  anderseits  haben  wir  den 
Gesammtausdruck  des  sehr  einfachen  allgemein -semitischen 
Gottesglaubens  zu  finden,  dessen  Besonderheit  nur  in  der 
Ausschliesslichkeit  der  beiden  Vorstellungen  von  der  Gottheit 
als  himmlischer  (erhabener)  und  lebengebender  liegt . . .  Die 
eultische  Bedeutsamkeit  von  Bäumen  und  Gewässern  steht 
nicht  in  Widerspruch  mit  dem  für  die  meisten  Fälle  all- 
gemein anerkannten  astralen  Charakter  der  semitischen 
Gotter,  repräsentirt  nicht  ein  zweites  (tellurisches)  Element 
der  semitischen  Gotterwelt,  welches  —  so  weit  unsere 
Eenntniss  bis  jetzt  reicht  —  sich  überhaupt  nicht  nach- 
weisen lässt'^*) 


*)  [Vgl.  unten  S.  37  f.    F.  R.] 


m. 

Die  PhSnicler.*) 

1.    Religion. 

802B  Es  giebt  wenig  Völker  in  der  Geschichte,  deren  Wichtig- 
keit für  die  menschliche  Gultur  unzweifelhafter  und  über  die 
doch  unsere  üeberlieferung  gerade  nach  den  wesentlichsten 
Seiten  hin  trümmerhafter  wäre^  als  die  Phonicier.  Auch  was 
wir  über  ihre  Religion  hören,  macht  nur  eine  scheinbare 
Ausnahme.  Denn  das  von  Philon  von  Byblos  griechisch 
übersetzte  Werk  des  angeblich  um  1221  v.  Gh.  schreibenden 


*)  [Dieser  Aufsatz  ist  das  deutsche  Original  von  Gutschmids  An- 
theil  an  dem  Artikel  „Phoenicia*'  in  der  Encyclopaedia  Britannica, 
ninth  edition,  Tolume  XYIII  p.  801—810  und  bildet  ein  in  sich  ab- 
geschlossenes Ganze.  Die  übrigen  Theile  jenes  Artikels  sind  von  Pro- 
fessor Socin  yerfasst.  Sie  behandeln  die  Geographie  des  Landes,  Basse 
und  Sprache  des  Volkes,  sowie  die  phönicische  Kunst.  Gutschmids 
Arbeit  ist  bei  der  englischen  Bearbeitung  vielfach  und  zum  Theil  stark 
gekürzt  worden  und  erscheint  daher  hier  zuerst  vollständig.  Eine 
Anzahl  von  Namensformen  und  einige  ungewöhnliche  Wendungen, 
welche  Gutschmid  mit  Bücksicht  auf  die  vorzunehmende  Uebersetzung 
gewählt  hatte,  habe  ich  durch  die  sonst  von  ihm  gebrauchten  ersetzt; 
zu  tiefer  greifenden  formellen  Aenderungen,  wie  sie  der  Verfasser,  wäre 
er  selbst  zur  Herausgabe  des  deutschen  Textes  gelangt,  ohne  Zweifel 
vorgenommen  haben  würde,  habe  ich  mich  nicht  für  berechtigt  gehalten. 
Zugesetzt  habe  ich  (immer  in  eckigen  Klammem)  einige  Verweisungen 
auf  andere  Schriften  Gutschmids  und  einige  thatsächliche  Angaben, 
namentlich  mit  Bücksicht  auf  Nieses  Ausgabe  des  Josephos.  Bei  den 
paar  vorkommenden  Längenmassen  habe  ich  statt  der  englischen  die 
deutschen  Bezeichnungen  gesetzt.  Die  Zahlen  am  Bande  geben  die 
Seitenzahlen  der  Encyclopaedia  Britannica  an;  es  schien  der  Citate 
wegen  zweckmässig,  sie  auch  bei  dem  deutschen  Texte  zu  be- 
zeichnen.   F.  B.] 


1.   RELIGION.  37 

Berytiers  Sanchuniathoii;  aus  dem  Eusebios  in  der  Praeparatio 
evangelica^)  die  Eosmogonie  und  Theogonie  jenes  Volkes 
mitiheilt,  ist;  wie  die  apokryphen  Autoritäten,  auf  die  es 
sich  beruft,  und  die  f&r  eine  so  frühe  Zeit  unmögliche  Ver- 
wandtschaft mit  dem  Systeme  des  Euhemeros  beweisen, 
untergeschoben,  und  zwar  von  Philon  selbst;  denn  die  starken 
Entlehnungen  aus  Hesiod  verrathen  einen  Griechen,  das  Vor- 
drängen von  Byblos  in  einem  angeblich  Berytischen  Geschichts- 
werke einen  Byblier,  und  Philon  war  ein  Fanatiker,  der  ffir 
den  Euhemerismus  eingeständlich  durch  dieses  Werk  Propa- 
ganda machen  wollte.  Das  yon  ihm  yerarbeitete  Material 
ist  trotzdem  wahrscheinlich  in  der  Hauptsache  echt,  aber 
durchweg  nach  seinem  Systeme  zugeschnitten  und  daher  nur 
mit  Vorsicht  in  der  Weise  zu  benutzen,  dass  man  es  an  den 
kümmerlichen  Resten  aus  authentischen  Quellen  misst.*)  Die 
beiden  Triaden  der  Schwurformel  in  dem  von  Polybios  VU,9,*2 
bewahrten  Vertrage  zwischen  Hannibal  und  Philipp  von  Make- 
donien, Sonne,  Mond,  Erde  —  Flüsse,  Auen,  Gewässer,  ent- 
halten die  Gegenstände,  von  denen  alle  Gottesyerehrung  bei 
den  Phoniciem  ausgegangen  ist  Die  Flüsse  waren  meistens 
männlichen,  Bäume  weiblichen  Gottheiten  heilig;  femer  waren 
Berge  wegen  der  grosseren  Nähe  zum  Himmel  Gegenstand 
der  Verehrung;  in  den  Bätylen,  yom  Himmel  gefallenen 
Meteorsteinen,  sah  man  Sendboten  der  Gottheit  und  heiligte 
sie.  Das  zweite  Menschengeschlecht,  das  Philon  Genos  und 
Genea  nennt,  betete  zuerst  die  Gewächse  der  Erde  an,  als 
aber  Dürre  eintrat,  streckten  sie  die  Hände  empor  zur  Sonne 
als  dem  Herrn  des  Himmels  oder  Beelsamen,  worin  liegt, 
dass  die  Verehrung  der  Himmelskörper  als  eine  jüngere 
Entwickelungsstufe  angesehen  wurde.  Der  neueste,  yorzugs- 
weise  competente  Forscher  auf  diesem  Gebiete  *)  ist  hingegen 
der  Ansicht,  dass  alle  phönicischen  Gottheiten  astrale  sind, 
die  sich  in  der  irdischen  Welt  nur  manifestiren;  was  ihnen 

•)  [Vgl  oben  8.  21.    P.  R.] 

1)  I,  9  p.  SO  D. 

2)  Graf  Baadissin,   Stadien  zar  BemiÜschen  BeligionegeBchichte 
U  8.  143  ff. 


38  DIE  PHOENICIER. 

hier  heilig  ist^  sei  nur  Symbol,  nicht  Wohnsits  derselben. 
In  der  That  lässt  die  Legende  von  dem  feurigen  Stern  der 
Himmelskönigin,  der  sich  in  den  heiligen  Fluss  bei  Aphaka 
senkt  ^),  das  Zusammenfallen  der  Namen  der  heiligen  Flüsse 
mit  denen  der  Himmelsgotter,  die  Bezeichnung  des  Sidoni- 
sehen  Meergotts  als  Zsvg  d'aXaMiog^)  nicht  wohl  einen 
Zweifel;  dass  die  phönicische  Theologie  sich  den  Wider- 
spruch in  dieser  Weise  zurechtgelegt  hat.  Sollte  aber  nicht 
vielmehr  das  unvermittelte  Nebeneinanderbestehen  beider 
Gultusformen  das  Ursprüngliche  sein?  Logische  Folgerichtig- 
keit ist  nicht  etwas,  was  man  bei  einer  Yolksreligion  ohne 
Weiteres  voraussetzen  kann.  In  der  uns  geschichtlich  be- 
kannten Zeit  überwiegt  die  astrale  Seite:  die  Verehrung  der 
Sonne,  der  bald  der  Mond,  bald,  insofern  der  Sonnengott 
zugleich  Himmelsgott  ist,  die  Erde  als  Weib  beigegeben 
Wird,  ist  Mittelpunkt  der  Religion;  hier  setzt  alle  Mytho- 
logie bei  den  Phoniciern  an.  In  Byblos,  dessen  Cultus  uns 
allein  etwas  näher  bekannt  ist,  galt  £1  als  Erbauer  der 
SOSAStadt  und  specieller  Landesherr,  was  zur  Folge  hatte,  dass 
die  übrigen  Götter  im  Vergleiche,  zu  ihm  herabgedrückt 
wurden:  £l  ist  bei  Philon  der  höchste  Gott,  die  anderen 
Gotter  (tiltn  oder  Elöhün)  sind  ihm  untergeordnet.  Auch 
in  den  anderen  Städten  war  Eine  Form  des  Sonnengotts 
oder  seines  Weibes  das  numen  patrium,  das  einer  ziemlich 
exclusiven  Verehrung  genoss.  Es  ist  das  eine  Entwickelung 
der  Religion  in  der  Richtung  nach  dem  Monotheismus  hin, 
wie  sie  sich  ähnlich  auch  bei  dem  moabitischen  ESmosh  nach- 
weisen lässt.  ^)  £l  soll  zuerst  die  Beschneidung  vollzogen, 
zuerst  dem  höchsten  Gotte  seinen  einzigen  Sohn  oder  seine 
jungfräuliche  Tochter  als  Opfer  dargebracht  haben.  Er 
wandelt  durch  die  Welt  und  zieht  nach  Westen,  wo  die 
Sonne  untergeht.  Seiner  Gattin  Baaltis  übergiebt  er  By- 
blos; es  soll  dies  erklären,  warum  sie  im  Cultus  dieser  Stadt 
in  den  Vordergrund  tritt:   der  ihr  beigesellte  Gott,  Eliun, 


1)  Sozom.  II,  5,  6.  2)  Hesych.  v  SaXdcCiog, 

8)  Vgl.  The  Moabite  Stone  in  Records  of  the  Fast  XI,  165  ff. 


1.   RELIGION.  39 

Shadid  oder  Miyi^toq  Baog^  wird  aufgefasst  als  ihr  jugend- 
licher Geliebter/ £l  nimmt  den  Charakter  eines  feindlichen 
Gottes  an.  Von  ihm  wird  jener  mit  dem  Schwerte  durch- 
bohrt oder  kommt  aurder  Jagd  durch  einen  Eber  um;  die 
Trauer  um  den  yerstorbenen  Gotterjüngling  und  sein  Wieder- 
finden bildet  einen  Hauptbestandtheil  des  Cultus,  jn  den 
frühzeitig  ägyptische  Elemente  eingedrungen  sind.  Ander- 
wärts ist  dem  höchsten  Gotte  Astarte  beigesellt  als  Mond- 
göttin und  trägt  darum  Euhhörner;  in  Tyros  wurde  sie  als 
Sternenkönigin  unter  dem  Symbole  eines  Sternes  verehrt 
Wie  mit  dem  Cultus  der  Baaltis,  so  waren  auch  mit  dem 
ihrigen  ausschweifende  Orgien  verbunden^  von  denen  es  auch 
in  Karthago  an  Spuren  nicht  ganz  fehlt  ^),  obschon  die  dor- 
tige Theologie  das  Wesen  der  Göttin  ernster  und  strenger 
gefasst  hat.  Astarte  galt  als  Mutter  des  Tyrischen  Sonnen* 
gottes  Melqarth^)  oder,  wie  die  eigentliche  Benennung  lautet, 
^yunseres  Herrn  Melqarth  des  Ba'al  von  9or''.')  Wegen  der 
Regelmässigkeit,  mit  der  die  Sonne  ihren  täglichen  Lauf 
vollbringt,  gilt  er  als  der  in  der  Welt  wirkende  und  sich 
offenbarende  Gott,  Sohn  des  Gottes,  der  über  der  Welt  ist, 
Schirmherr  der  bürgerlichen  Ordnung;  wegen  des  Einflusses 
der  Sonne  auf  die  Fruchtbarkeit  der  Erde  knüpfte  sich  aber 
auch  an  ihn  ein  sinnlicher  Naturdienst,  bei  dem  Eleider- 
vertanschnng  von  Männern  und  Frauen  eine  Bolle  spielte. 
Ein  Hauptfest  von  ihm  war  in  Tyros  die  „Erweckung  des 
Herakles'^  im  Monat  Peritios  (Februar/März)^),  eine  Feier 
der  wiedererwachenden  Kraft  der  Sonne  im  Frühjahr,  auf 
die  sich  wohl  der  Spott  des  Elia  I.  [-»  lU.]  Könige  18^  27 
bezieht.  Eigenthümlich  ist  Berytos  der  Cultus  des  Poseidon 
und  anderer  Meergottheiten,  die  in  eine  genealogische  Ver- 
bindung mit  Zeus  Belos,  einem  jenseit  des  Euphrat  erzeugten 
Sohne  des  £l,  gebracht  werden;  vielleicht  findet  also  ein 
Zusammenhang   mit   den   babylonischen   Fischgöttern    statt 

1)  Ang.  de  dv.  Dei  U,  4. 

2)  Endoxos  bei  Ath.  IX  p.  892  D. 

8)  lüBchrift  von  Malta  im  C.  I.  Sem.  I  No.  122. 
4)  Menander  von  Ephesos  bei  Job.  A.  J.  VIII,  6,  3. 


40  DIE  PHOENICIEB. 

Berytos  war  auch  eine  Hauptstätte  des  Cultus  der  Eabiren, 
der  sieben  namenlosen  Sohne  Sydeks  und  ihres  Bruders,  des 
achten  und  grossten  Eabiren  Eshmün.  Der  Stammbaum, 
den  ihnen  Philon  giebt,  ist  ein  Versuch,  den  Fortschritt  der 
Menschheit  von  den  rohesten  Anfangen  zu  höherer  Cultur 
darzustellen;  die  Berührungen  mit  der  Stammtafel  der  Eai- 
niden  in  der  Genesis  sind  längst  aufgefallen.  Nicht  bloss 
die  halbgottlichen  Ahnen  der  Kabiren,  'sondern  auch  diese 
selbst  gehören. einer  verhältnissmässig  jungen  Stufe  der  reli- 
giösen Entwickelung  an:  sie  sind  die  Schutzgötter  der  Hand- 
werke, der  Künste,  kurz  aller  bürgerlichen  Thätigkeit.  In 
Folge  davon  sind  sie  die  grossen  Landesgötter  Phöniciens, 
die  namentlich  in  der  Bundesstadt  Tripolis  verehrt  wurden. 
Auf  Münzen  dieser  Stadt  ^)  werden  sie  die  syrischen  (d.  i. 
yielleicht  assyrischen)  Götter  genannt,  was  darauf  hinweist, 
dass  das  viele  Aegyptische,  das  frühzeitig  in  Bezug  auf  die 
Eabiren  und  namentlich  Eshmün  in  die  Bel^on  der  Phö- 
nicier  eingedrungen  ist,  von  diesen  selbst  nicht  als  etwas 
Ursprüngliches  angesehen  wurde.  Dagegen  ist  die  dem  Esh- 
mün verwandte  Figur  des  Taaut,  des  Erfinders  der  Buch- 
stabenschrift, sicher  eine  Entlehnung  aus  Aegypten,  wo  der 
Cultus  des  Tehuti  uralt  ist.  Dasselbe  gilt  von  der  Onka^) 
(wohl  der  Anuke  von  Sais)  und  vielleicht  von  dem  ganzen 
sosBEreise  der  Götter,  die  die  heiligen  Schriften  offenbaren  und 
commentiren,  von  denen  einzelne  in  Schlangengestalt  er- 
scheiuen.  Die  Phönicier  stellten  ihre  Götter  nicht  anthropo- 
morphisch,  sondern  symbolisch  dar,  besonders  durch  Säulen 
von  Stein  oder  (wie  bei  der  Himmelskönigin)  von  Holz 
(ash^räh).  Selbst  bei  eigentlichen  Bildern  ging  mau  der 
Menschenähnlichkeit  in  irgend  einer  Weise  aus  dem  Wege, 
indem  man  den  Gott  doppelköpfig,  geflügelt,  mit  Thier- 
emblemen,  zwergförmig,  hermaphroditisch  darstellte  u.  s.  w. 
Zum  Opfer  wurden  Stiere  und  andere  männliche  Hausthiere 
genommen,   zu  Sühnopfem  auch  Hirsche®);   die   geringeren 

1)  Bei  Eckhel,  D.  N.  V.  III  S.  374.  2)  Sieph.  v.  'Oyxaiai. 

3)  üeber  das   der  Göttin  Tanit  dargebrachte  HirBchopfer  vgl. 
Clennont-Ganneau  im  Jonm.  Asiat  YUiäme  Sär.  XI  p.  238  ff.  444ff. 


2.   ÜRSPEUENGE  DES  VOLKES.  41 

Opfer  bestanden  in  Vogelo.  Ausnahmsweise  wurden  zur 
Abwendung  gössen  Unglücks  yom  Gemeinwesen  Menschen 
geopfert;  das  Opfer  wurde  aus  dem  Kreise  der  Bürger 
gewählt  und  musste  schuldlos  sein,  daher  wurden  dazu 
Kinder  genommen,  am  liebsten  erstgeborene  oder  einzige 
Söhne.  Ans  derselben  Vorstellung^  dass  das  Heiligste  und 
Theuerste  der  Oottheit  geopfert  werden  soll^  ging  die  Ein- 
richtung hervor,  dass  die  Jungfrauen  sich  an  bestimmten 
Festtagen  in  den  .heiligen  Hainen  der  Himmelskönigin  den 
Fremden  preisgeben  mussten,  und  die  verwandte,  dass  Jung- 
frauen oder  Frauen  sich  der  Göttin  auf  eine  bestimmte  Zeit 
als  QSd^shöth  (Hierodulen)  weihten.  Wie  die  Menschenopfer 
überall,  so  wurde  diese  Sitte  wenigstens  an  vielen  Orten 
spater  durch  ein  stellvertretendes  Opfer  ersetzt;  in  Bjblos 
galt  die  Haarabschneidung  der  Frauen  am  Adonisfest  als 
ein  Aequivalent ') 

2.    Ursprünge  des  Volkes. 

Die  Götter  selbst  sollten  die  ältesten  Städte  des  Landes 
gegründet  und  wohl  die  Phönicier  in  dasselbe  geführt  haben. 
Nach  ägyptischem  Vorgange  legte  sich  dieses  Volk  ein  Alter 
Yon  30000  Jahren  bei^),  hatte  aber  die  Erinnerung  an  eine 
Einwanderung  von  einem  im  Osten  gelegenen  Meere  noch 
wohl  bewahrt  Herodot  (VII,  89)  verstand  dies  vom  erythräi- 
schen  Meere  (dem  persischen  Meerbusen),  und  die  Begleiter 
Alezanders  glaubten  hier  die  Ursitze  der  Phönicier  wieder- 
gefunden zu  haben  und  putzten  seine  Ansicht  durch  gelehrte 
Etymologien  auf.  Es  liegt  aber  ein  blosses  Missverständniss 
vor  und  das  Richtige  ist  in  einer  Nachricht  des  Pompejus 
Trogus')  bewahrt,  wonach  die  Phönicier  ihre  ältesten  Sitze 
an  dem  (den  Griechen  vor  der  Diadochenzeit  völlig  unbe- 
kannten) Todten  Meere  hatten  und,  von  da  durch  ein  Erd- 
beben vertrieben,  an  die  Küste  wanderten  und  Sidon  grün- 
deten.   In  dem  Erdbeben  hat  Bunsen^)  scharfsinnig  dasjenige 

1)  Luc.  de  dea  Syria  c.  6. 

^)  AfricanuB  bei  Synk.  p.  81, 10  (Dind.). 

3)  Joaün.  XVni,  3,  3.  4)  Aegypten  lY  S.  291. 


42  DIE  PHOENICIER. 

erkannt^  durch  welches  Sodom  und  Gomorra  untergegangen 
und  das  Todte  Meer  entstanden  sein  soll;  es  wird  auch  in 
der  Genesis  ^)  mit  der  Auswanderung  des  Lot  in  Verbindung 
gebracht  und  mag  als  mythischer  Anlass  zu  den  Wanderungen 
der  dortigen  Stamme  in  deren  Sagen  eine  ähnliche  Rolle 
gespielt  haben,  wie  der  Deichbruch  von  Märib  in  denen  der 
Araber.*)  Das  Land,  welches  die  Phonicier  in  historischer 
Zeit  bewohnten  y  nannten  sie  ESna^an  oder  ESnä^  (bei  He- 
kataeos')  Xvä),  sich  selbst  Eanaanäer,  Benennungen,  die  sich 
gleichmässig  auf  das  Küstenland,  wie  auf  das  in  der  Folge 
von  den  Israeliten  in  Besitz  genommene  Hochland  beziehen; 
ist  also  die  Etymologie,  nach  welcher  der  Name  Niederung 
bedeutet,  richtig,  so  ist  er  an  der  Küste  entstanden  und  auf 
das  Ganze  übertragen  worden.  Die  Griechen  nennen  Volk 
und  Land  9oivtx€S9  9oiv{xri]  das  erstere  wurde  ihnen  früher 
bekannt,  als  das  letztere,  und  schon  darum  kann  der  Name 
nicht  Land  der  Dattelpalme  bedeuten,  eines  Baumes,  der  von 
den  Griechen  q>otvii  (der  phonicische)  genannt  worden  ist, 
ursprünglich  aber  dort  gar  nicht  heimisch  war^):  vielmehr 
ist  0oivLxeg  mit  Hülfe  einer  alterthümlichen  für  Volks- 
namen^)  verwendeten  Bildungssilbe  -Msg  von  ipoi,v6g,  blut- 
roth,  abzuleiten  und  bezeichnete  das  Volk  vielleicht  so  wegen 
seiner  dunkleren  Gesichtsfarbe.  Seitdem  der  südlichste  Theil 
der  Küste  von  den  Philistäern  besetzt  worden  war,  bildete 
das  Gebiet  der  nördlichsten  ihrer  Städte  Ekron  die  Süd- 
grenze Phoniciens.^)  Die  Nordgrenze  war  in  der  Perserzeit 
die  Stadt  Posidion  und  die  Orontesmündung.^  Unter  den 
Seleukiden  wich  die  Grenze  im  Süden  bis  an  den  Fluss 
Ghorseus^,  der  nordlich  vom  Stratonsthurm  in's  Meer  fallt^ 

*)  [Anden  hatte  Gutschmid  darflber  gehandelt  in  den  „Beiträgen 
zur  Geschichte  des  alten  Orients**  S.  27f.;  er  berichtigte  seine  Aos- 
fühmngen  in  der  Anzeige  von  Meltzers  Geschichte  der  Karthager  (Ab- 
schnitt IV  dieses  Bandes)  S.  293  des  Originaldrucks.    F.  E.] 

1)  19,  80.       2)  Bei  Herodian.  n,  {laviiQ,  Xi£.  I  p.  8.  [Fr.  264  Mull.] 

3)  Hehn,  Knitarpflanzen  und  Hansthiere  S.  233  (3.  Aufl.). 

4)  Vgl.  Al^iKBSy  GQii'C%eg.  5)  Josna  18,  8.  6)  Her.  EI,  91. 
Psendo-Skylax  §  104.  7)  Ptol.  [V,  16,  6.  16,  2]  Cod.  B.  E.  Pal.  1 
[Zusatz  des  englischen  Drucks.    F.  B.]. 


2.   URSPRÜENGE  DES  VOLKES.  43 

im  Norden  bis  an  den  FIuss  Eleutheros  zurück;  so  dass  bier804A 
Orthosia  die  ente  phonicische  Stadt  war,  Arados  und  sein 
ganzes  Gebiet  ausgeschlossen  wurde.  ^)  In  der  römischen 
Kaiserzeit  blieb  die  Grenze  im  Süden  dieselbe;  im  Norden 
näherte  sie  sich  wieder  ein  wenig  der  früheren  und  lief 
etwas  südlich  von  der  Stadt  Balaneia.^)  Enger  als  in  allen 
diesen  späteren  Grenzbestimmungen  ist  der  Begriff  von  Ka- 
naan Genesis  10^  19.  Josua  13^  2—6  gefasst,  wo  Sidon  oder 
sein  Gebiet  die  Nordgrenze  bildet,  offenbar  nur  mit  specieller 
Beziehung  auf  das  von  den  Israeliten  in  Besitz  zu  nehmende 
Land«  Dies  sieht  man  daraus,  dass  die  jüngere  Fassung  der 
ersten  Stelle^  zu  dem  in  der  älteren  als  alleinigen  Vertreter 
der  Eüstenstämme  genannten  Zidon,  Kanaans  Erstgeborenen, 
noch  eine  Beihe  anderer  mit  dem  Gentile  gebildeter  Namen 
von  Söhnen  Kanaans  hinzufügt,  die  im  Norden  bis  Hamath 
führen.  Die  auffallende  Erscheinung,  dass  sowohl  im  alten 
Testament  als  in  den  Homerischen  Gedichten  zu  einer  Zeit, 
welche  notorisch  die  der  grossten  Macht  von  Tyros  gewesen 
ist,  immer  nur  Yon  Sidoniern  die  Rede  ist,  pflegt  man  so  zu 
erklären,  dass  dies  ein  Synonym  von  „Phönicier^^  überhaupt 
sei^),  und  beruft  sich  dabei  auf  Stellen  wie  I.  (=  IIL)  Könige 
5,  20  (vgL  Y.  15).  Allein  in  demselben  Gapitel  werden  v.  32 
(vgL  V.  20)  die  Gibliter  oder  Bewohner  von  Byblos  von  den 
Sidoniern  ausdrücklich  unterschieden,  und  die  schon  erwähnte 
Stelle  der  Genesis  führt  ausser  Sidon  die  Eponymen  von 
Arke,  Sinna,  Arados  und  Simyra  (in  der  Folge  von  Süd 
nach  Nord)  auf,  eine  Reihe  grosstentheils  unbedeutender, 
später  von  den  Aradiern  in  ihr  Gebiet  einverleibter  Städte, 
nicht  aber  Tyros.  und  doch  würde  man  selbst  das  von 
Sidon  aus  gegründete  Arados  eher  missen,  als  jene  mächtige 


1)  Einige  bei  Strab.  XYI  p.  75S.  Ptol.  V,  16,  4.  5;  beide  wohl 
ans  ArtemidoroB.  Den  Eleutheros  nennt  Jos.  A.  J.  XY,  4,  1  und  sonst 
als  Grenzflüss. 

2)  Plin.  N.  H.  V  §  69.  79.    Itin.  Hierosol.  p.  682.  686  (Wess.). 
S)  VgL  Wellhansen  in  den  Jahrbüchern  für  deutsche  Theologie 

1876  S.  403. 

4)  Vgl.  Bndde,  Biblische  Urgeschichte  S.  362. 


44  DIE  PHOENICIEB. 

Stadt  Aber  Flüchtlinge  waren  es,  die  Arados  gründeten ^)y 
das  also  von  Anfang  an  ein  von  Sidon  nnabhingiges  Gemein- 
wesen war.  Dies  führt  darauf,  dass  die  Anfzählung  in  der 
Genesis  auf  politischer  Grundlage  beruht^  und  damit  auf  die 
richtige  Lösung  der  ganzen  Schwierigkeit:  während  der 
Blüthezeit  Phoniciens  bildeten  Sidon  und  Tjros  einen  ein- 
zigen Staat;  dessen  Könige  früher  in  Sidon,  später  in  Tyros 
residirten,  dessen  Bevölkerung  aber  nach  der  ursprünglichen 
Metropole  Sidonier  hiess.  Das  erste  unzweideutige  Beispiel 
des  Vorkommens  zweier  Könige  von  Sidon  und  von  Tjros 
nebeneinander  ist  aus  dem  Ende  des  achten  Jahrhunderts  ^)y 
und  es  ist  aller  Grund  anzunehmen,  dass  der  von  Menander') 
erwähnte  Abfall  Sidons  von  Tyros  um  das  Jahr  726  ein 
Abfall  nicht  von  der  Tyrischen  Hegemonie,  sondern  vom 
Tyrischen  Reiche  gewesen  ist.  Die  Königslisten  in  den  ein- 
zelnen phönicischen  Städten  reichten  hoch  hinauf:  in  Berytos 
regierte  Abedbalos^)  in  der  Zeit,  die  Philon  für  den  Richter 
Jerubbaal  ausgerechnet  hatte,  also  etwa  zu  Anfang  des 
13.  Jahrhunderts,  in  Sidon  nannte  man  die  Könige  aus  der 
Zeit,  in  welche  die  Griechen  den  Raub  der  Europa  setzten 
(15.  Jahrhundert).^)  Die  namhaftesten  phönicischen  Städte 
werden  schon  bei  Gelegenheit  der  Eroberungszüge  erwähnt, 
welche  die  Pharaonen  der  18.,  19.  und  20.  Dynastie  vom 
16.  bis  in's  13.  Jahrhundert  nach  Syrien  unternahmen,  so 
unter  Thutmes  III.  Berytos,  Ake,  Joppe,  und  vielfach  das  in 
diesen  Kämpfen  meistens  zusammen  mit  Haleb  und  anderen 
östlichen  Landschaften  genannte  Arados;  weniger  sicher  sind 
die  Erwähnungen  von  Tyros,  weil  die  ägyptischen  Inschriften 
zwei  verschiedene  Städte  kennen,  deren  Namen  sie  durch  T'ar 
wiedergeben.     Festen  Boden  gewähren  dagegen  die  Reisen 


1)  Strab.  XVI  p.  763. 

2)  InBchrifien  Sanheribs  bei  Schrader,  Die  Keilinschriften  und  das 
alte  Testament  S.  286 ff.  (2.  Aafl.). 

3)  Bei  Job.  A  J.  IX,  .14,  2. 

4)  So  verbessert  Köldeke  für  'JßiXßaXog  bei  Porphyrios  bei  Eus. 
Praep.  evang.  X,  9  p.  486  B. 

6)  LaetoB  bei  Tatian.  adv.  Graecos  §  58  [p.  38  Schwartz]. 


2.   ÜBSPBUENGE  DES  VOLKES.  45 

eines  Aegypters  aus  dem  14.  Jahrhundert  ^)y  in  denen  zahl- 
reiche phöniciache  Städte  vorkommen^  darunter  auch  eiue 
Stadt  an  der  See^  T'am  der  Hafen  genannt:  ,;Water  is  carried 
to  it  in  barks^  it  ia  richer  in  fish  than  in  sands'^,  die  gross- 
artigen Wasserleitungen  von  Tyros^  von  denen  Reste  noch 
erhalten  sind,  existirten  also  damals  noch  nicht  Die  später 
Palatyros  genannte'  Stadt  auf  dem  Continent  und  das  auf 
einer  später  von  Hiram  mit  der  Inselstadt  verbundenen 
Felseninsel  gelegene  Heiligthum  des  HerakleS;  das  aber  nach 
den  einheimischen  Historikern  vielmehr  eines  des  olympischen 
Zeus  (d.  i.  Baal-Shamaim)  war^),  galten  für  die  ältesten  Theile 
von  Tyros.  Herodot  setzt  auf  Grund  seiner  an  Ort  und804B 
Stelle  eingezogenen  Erkundigungen  die  Gründung  um  2756 
V.  Ch.  Zu  seiner  grossen  Bedeutung  gelangte  Tyros  aber 
erst  durch  die  Anlage  der  neuen  Stadt  auf  der  Insel.  Viele 
Jahre  nach  der  Erbauung  von  Sidon,  sagt  Pompejus  Trogus'), 
begaben  sich  die  Phönicier^);  die  der  Eonig  der  Askalonier 
unterjocht  hatte,  auf  ihre  Schiffe  und  gründeten  Tyros ,  ein 
Jahr  vor  der  Einnahme  von  Troja.  Dies  stimmt  gut,  so- 
wohl zu  dem  Umsichgreifen  der  Philistäer  in  der  späteren 
Bichterzeit,  als  dazu,  dass  Askalon  unter  Ramessu  II.  (circa 
1385)  noch  als  kanaanäische  Stadt  erscheint,  dagegen  im 
achten  Jahre  des  Bamessu  IH.  (circa  1246)  die  Palosata 
einen  verheerenden  Einfall  in  Aegypten  machen.^)  Ohne  es 
zu  ahnen,  giebt  uns  Philistos^)  die  Epoche  der  in  Tyros  und 
früher  auch  in  Karthago  üblichen  Aera,  indem  er  sagt,  Zoros 
(d.  i.  ^ör)  und  Earchedon  hätten  Karthago  erbaut  im  Jahre 
1213  V.  Ch.  Doch  gehen  die  Codices  hier  sehr  auseinander, 
der    sehr   gute  Reginensis    giebt   das  Jahr   1209,   und   dies 

1)  Records  of  the  Fast  II  S.  107  ff. 

2)  Die  Identität  ergiebt  aich  aus  der  von  Her.  II,  44  und  Men ander 
bei  Jos.  c.  Ap.  I,  18  gleichmäsBig  erwähnten  goldenen  Säule  im  Tempel. 

3)  Just.  XVIII,  3,  6. 

4)  Diese,  nicht  die  Leute  von  Sidon,  sind  Subject;  die  geogra- 
phische Schwierigkeit,  wegen  deren  man  die  Nachricht  verworfen  hat, 
existirt  also  gar  nicht. 

5)  Vgl.  Bragsch,  Geschichte  Ägyptens  S.  516.  698. 

6)  Bei  Euseb.  Can.  zum  Jahre  Abr.  803. 


46  DIE  PHOENICIER. 

stiiumt  gut  dazu,  dass  die  Parische  Marmorchronik  die  Ein- 
nahme von  Troja  in  das  Jahr  darauf  setzt,  sowie  auch  zu 
einer  anderen  ebenfalls  auf  Philistos  zurückgehenden  Nach- 
richt^), welche  die  Gründung  des  Zoros  und  Earchedon 
50  Jahre  vor  Trojas  Fall  setzt;  es  würde  sich  dies  mit  der 
spätesten  uns  bekannten  trojanischen  Epoche,  der  von  Demo- 
kritos  gebrauchten'),  vereinigen  lassen.*)  Josephos  rechnet 
von  der  Erbauung  von  Tyros  bis  auf  Hiram  229  Jahre')  und 
setzt  die  Gründung  von  Karthago  in  das  155.  Jahr  nach  Hi- 
rams  Thronbesteigung.^)  Da  nun  dieses  Ereigniss  nach  der 
besten  Ueberlieferung,  der  des  Timäos,  814  v.  Oh.  erfolgt 
ist,  so  ergiebt  sich  ein  Minus  von  12  Jahren.  Wahrschein- 
lich lässt  sich  noch  zeigen,  wo  der  Fehler  steckt:  die  Summe 
kommt  bei  Josephos  richtig  heraus,  wenn  man  die  best- 
beglaubigten Zahlen  zu  Grunde  legt,  aus  Theophilos  (u^* 
ov  "AöxaQtog  herstellt  und  dessen  12  Jahre  nach  den  vorher- 
gehenden 12  Jahren  des  U&urpators  nicht  mitrechnet;  es  ist 
aber  die  Frage,  ob  Josephos  hier  den  Sinn  seiner  Quelle 
richtig  gefasst  hat  und  diese  nicht  vielmehr  die  gemeinsame 
Regierung  des  Astartos  und  des  Usurpators  besonders  ver- 
rechnet wissen  wollte.  Von  dieser  Voraussetzung  geht  die 
später  zu  gebende  Herstellung  aus,  die  nicht  den  Anspruch 
erhebt,  die  absolut  wahre  Chronologie  wiederherzustellen, 
sich  aber  von  dieser  doch  nicht  zu  sehr  entfernen  dürfte.**) 

3.    Industrie  und  Erfindungen. 

In  den  phönicischen  Eüstenstädten  entwickelte  sich  frühe 
eine  lebhafte  Industrie,  vor  allem  Glasbereitung,  zu  der  der 
Sand  am  Flusse  Belos  ein  treffliches  Material  bot  und  deren 


1)  Bei  App.  Pun.  c.  1. 

2)  1160  V.  Gh.,  wenn  sein  Qebartfljahr  mit  Thrasyllos  in  470 
gesetzt  wird. 

8)  A.  J.  VJir,  8,  1.  4)  C.  Ap.  I,  18. 

*)  \y%^'  ^d.  I  S.  249  f.  und  unten  Gatflcbmids  Anzeige  von  Meltzers 
Geschichte  der  Karthager  S.  296  ff.  des  Originaldracks.    F.  R.] 

**)  [Vgl.  unten  die  Anzeige  von  Meltzers  Geschichte  der  Karthager 
S.  297  f.  des  Originaldrucks.     F.  R.] 


3.  INDUSTRIE.    4.  SEEFAHRT,  HANDEL  UND  COLONIEN.  47 

Hauptsitz  Sidon  war,  Buntwirkerei  und  Purpurfarberei;  für 
welche  die  dazu  taugliche  Purpurschnecke  längs  der  ganzen 
phonicischen  EGste  gefunden  wurde.  Diese  drei  Industrie- 
zweige galten  den  Alten  als  ErÜDdungen  der  Phönicier:  allein 
die  Glasbereitung;  die  in  Aegypten  uralt  ist;  scheint  vielmehr 
hier  entdeckt  worden  zu  seiU;  und  bei  den  anderen  beiden 
weist  Vieles  auf  Babylonien  als  älteste  Heimath  hiu;  nament- 
lich der  nichtphonicische  Charakter  der  Namen  für  die  beiden 
Hauptarten  des  PurpurS;  den  dunkelrothen  (argämän)  und 
den  dunkelblauen  (tSkheleth);  den  Phoniciem  bleibt  das  Yer- 
dienst,  diese  Kunstfertigkeiten  yervollkommnet  und  allgemein 
verbreitet  zu  haben.  Auch  sonst  hielt  man  die  Ph5nicier  fQr 
die  Erfinder  par  excellence:  ihnen  als  Handelsvolk  sollte  man 
die  Rechenkunst;  Mass  und  Gewicht  (das  vielmehr  babyloni- 
schen Ursprunges  ist)  und  die  Schrift  verdanken,  die  von 
den  Aegyptem  erfunden  und  —  vielleicht  aber  nicht  einmal 
von  Phonicieni;  sondern  von  Aramäern  —  durch  Verein- 
fachung des  hieroglyphischen  Alphabets  zur  semitischen  Buch- 
stabenschrift^) umgebildet  worden  ist:  das  kaum  geringere 
Verdienst;  diese  Entdeckungen  dem  ganzen  Kreise  der 
Mittelmeervölker  zugänglich  gemacht  zu  haben,  bleibt  ihnen 
auch  hier. 

4.    Seefahrt;  Handel  und  Colonien. 

Die  ersten  Anfange  der  Schifffahrt  liegen  vor  aller 
Menschen  Gedenken;  wenn  das  Alterthum  auch  hier  den 
Phoniciem  den  ersten  Schritt  zuschrieb;  so  ist  das  begreif- 
lich, insofern  sie  das  classische  Seefahrervolk  waren,  das  in 
der  alten  Welt  weder  vorher  noch  nachher  seinesgleichen 
gehabt  hat.  Die  pünktliche  Ordnung  am  Bord  phonicischer 
SchiffC;  die  geschickte  Benutzung  des  kleinsten  Raumes ;  die 
Sorgfalt  in  der  Vertheilung  der  Ladung;   die  Umsicht  der 


1)  Die  Ableitnog  derselben  ans  der  assyrischen  Keilschrift  ist 
nicht  ernsthaft  discutirhar;  aber  anch  ihre  Abknnft  aus  dem  Hierati- 
schen ist  wenig  wahrscheinlich.  [Vgl.  „Neue  Beiträge  zur  Geschichte 
des  alten  Orients'*  S.  Xin.    F.  B.] 


48  DIE  PHOENfCIEE. 

Steuerleute  und  Untersteuerleute  erregte  noch  in  später  Zeit 
die  Bewunderung  griechischer  Beobachter.^)  Indem  sie  sich 
bei  ihren  Fahrten  nach  dem  Polarstern  richteten  (der  des- 
halb bei  den  Griechen  der  phonicische  Stern  hiess)^)^  er- 
806Ahohten  sie  die  Sicherheit  des  Gurses;  ihre  Schiffe  ^  vom 
gewöhnlichen  Kauffahrteischiffe,  dem  becherrunden  yavkogj 
bis  zu  dem  grossen,  den  Indienfahrern  der  Neuzeit  vergleich- 
baren Tarshishschiffe^  erzielten  eine  Fahrgeschwindigkeit,  die 
von  den  Griechen  nicht  erreicht  worden  ist.  Von  der  Aus- 
breitung des  phonicischen  Handels  entwirft  uns  EzechieP) 
aus  den  letzten  Zeiten  der  Blüthe  von  Tyros  ein  farben- 
reiches Bild.  Man  ersieht  aus  demselben,  dass  die  Bethei- 
ligung der  Phonicier  auch  an  dem  Landhandel  eine  bedeutende 
gewesen  ist;  sie  waren  es,  die  von  Alters  her  ägyptische  und 
babylonische  Waaren  nach  der  übrigen  Welt  vertrieben.*) 
Zwei  Handelsstrassen  fiihrten  nach  dem  Euphrat-  und  Tigris- 
gebiet,  eine  nördliche  quer  durch  Mesopotamien,  an  der  die 
Handelsplätze  Haran  {KdQQai)^  Eanneh  {KaivaC)  und  Eden 
lagen,  und  eine  südliche,  die  von  Saba  aus  den  Euphrat 
stromab  über  Assur  {Lovqo)  und  Eilmad  {Xag^dvötj)  fahrte; 
was  uns  sonst  von  alten  Handelsstrassen  bekannt  ist,  bezieht 
sich  auf  die  persische  und  makedonische  Zeit  und  gehört 
nicht  in  eine  Geschichte  des  phonicischen  Handels.  Eigent- 
liche Niederlassungen  haben  die  Phonicier  im  Innern  wohl 
nur  ausnahmsweise  gehabt;  wir  kennen  von  solchen  am  An- 
fang der  nördlichen  Strasse  das  von  Sidoniern  gegründete, 
in  der  älteren  Richterzeit  an  den  Stamm  Dan  verloren  ge- 
gangene Lais^),  an  der  südlichen  Eddana  am  Euphrat^),  das 
zwar  dem  Namen,  aber  nicht  der  Lage  nach  mit  Eden  zu- 
sammenfallt und  richtiger  mit  dem  von  Isidor  von  Gharax^) 
erwähnten  Giddan  verglichen  werden  dürfte.*)  Am  arabi- 
schen  Karawanenhandel   waren   die   Phonicier,   wenn   auch 

'      1)  Xen.  Oec.  8,  11  ff.  2)  Hygin.  Poet  Astron.  11,  2. 

3)  27,  12—26.  4)  Her.  I,  1. 

6)  Bicht.  c.  18.  6)  Steph.  y.  "Eädava, 

7)  Maus.  Parth.  §  1. 

*)  [Vgl.  oben  S.  11  f.    F.  R.] 


4.   SEEFAHRT,  HANDEL  UND  COLONIEN.  49 

nur  mittelbar;  lebhaft  betbeiligt^);  seine  Bedeutung  beruhte 
wesentlich  inoi  Weihrauch,  in  Specereien,  Wohlgerüchen  und 
Käucherwerk  aller  Art,  dessen  man  zum  Opfer  bedurfte. 
Südarabien  selbst  erzeugte  nur  einen  kleinen  Theil  davon; 
zum  grösseren  Theil  waren  es  Transitowaaren  ostafrikani- 
scher und  indischer  Herkunft,  die  über  Saba  in  den  Handel 
kamen.  Wie  lebhaft  der  Verkehr  mit  diesem  reichen  und 
mächtigen  Handelsstaate  in  den  Zeiten  vor  der  Perserherr- 
schaft gewesen  ist,  lehren  uns  mehr  als  ausdrückliche  Zeug- 
nisse die  genaue  Kunde,  welche  die  Völkertafel  von  der  Geo- 
graphie des  Sabäerlandes  verräth,  die  vielfachen  Beziehungen 
der  assyrischen  Könige  zu  Arabien  und  Saba  und  Thatsachen 
wie  die  Auffindung  einer  von  einem  Manne  mit  ägyptischem 
Namen  in  aramäischer  Sprache  verfassten  Inschrift  aus  dem 
sechsten  Jahrhundert  in  Teima,  im  Herzen  von  Arabien.^) 
In  Aegypten  fasste  der  Handel  und  der  durch  ihn  bedingte 
Cultureinfluss  der  Phönicier  frühe  festen  Fuss;  den  Griechen 
wurde,  wie  viele  Namen  in  ihresji  Sagen  verrathen,  die  älteste 
Kunde  von  Aegypten  durch  die  Phönicier  vermittelt.  Als 
Aegypten  unter  der  23.,  24.  und  25.  Dynastie  (825  —  650) 
in  anarchische  Zustände  wie  unter  den  Mamelukenbeys  ver- 
fiel und  die  fremden  Kaufleute  verscheucht  wurden,  in 'dieser 
Zeit,  als  bei  den  Griechen  die  Sage  vom  ungastlichen  Bu- 
siris ^)  aufkam,  waren  die  Phönicier  die  Einzigen,  die  sich 
behaupteten  und  von  der  Fremdensperre  Vortheil  zu  ziehen 
verstanden.^)  Die  Tyrier  hatten  ein  eigenes  Quartier  in  der 
Altstadt  von  Memphis,  das  TvgCav  ötQatojtsSov^),  aber  wirk- 
liche Colonien  haben  die  Phönicier  in  Aegypten  nie  gehabt. 
Dass  ihre  nächsten  Hinterländer  Palästina  und  Syrien  wirth- 


1)  Vgl  Her.  III,  107. 

2)  Nöldeke  in  den  Sitzungsberichten  der  Berliner  Akademie  1884 
S.  813  ff. 

3)  Der  Name  XdXßrig,  den  bei  Pberekydea  (Schol.  Apoll.  lY,  1396 
[Fr.  33  Müll.])  der  Herold  des  Bnairis  führt,  ist  deutlich  hebräisch 
Eeleb,  Hand. 

4)  Vgl.  Niebuhr,  Vorträge  über  alte  Geschichte  I  S.  219  [vgl.  oben 
S.  18.    F.  R.].  6)  Her.  II,  112. 

Y.  OuTBCHiiiD,  Kleine  Schriften.   IL  4 


50  DIE  PHOENICIER. 

scbaftlich  auf  sie  angewiesen  waren  ^  liegt  auf  der  Hand, 
Ezechiel  führt  sie  aber  auch  ausdrücklich  unter  den  Handels- 
gebieten von  Tyros  auf,  desgleichen  das  ferne  Thogarma,  ein 
armenisches  Land.  Eilikien  war  für  die  Phönicier  von  Wich- 
tigkeit als  der  von  der  Natur  gegebene  Punkt  für  die  Ver- 
schiffung der  von  den  Euphratländern  her  kommenden  Waaren, 
das  gegenüberliegende  Cypern  wegen  seines  Reichthums  an 
Schiffsbauholz  und  Kupfer;  beide  Länder  waren  ursprünglich 
Ton  einer  und  derselben  Bevölkerung,  den  nichtsemitischen 
Eittim,  bewohnt,  deren  Name  sich  dort  in  der  Landschaft 
Kritigj  hier  in  der  Stadt  Kitiov  erhalten  hat,  standen  aber 
unter  einem  tiefgehenden  semitischen  Einflüsse,  der  in  erster 
Linie  den  Phoniciern  zuzuschreiben  ist.  Auf  dem  Festland 
gehörten  ihnen  die  Niederlassungen  Myriandos^)  und  Tarsos, 
eine  Gründung  der  Aradier*);  in  Cypern  ward  Eition,  das 
bis  in  die  spätesten  Zeiten  ein  Hauptsitz  phönicischer  Sprache 
und  phönicischer  Cultur  geblieben  ist,  auf  Belos^),  Karpasia 
auf  Pygmalion*)  zurückgeführt,  und  der  346  v.  Gh.  schrei- 
806Bbende  'Pseudo-Skylax^)  kennt  Karpasia,  Keryneia  und  Lape- 
thos  als  phönicisch.  Die  Vorstellung  jedoch,  als  sei  die 
Herrschaft  der  Phönicier  über  Cypern  uralt  und  als  seien  sie 
hier  schrittweise  vor  den  Griechen  zurückgewichen,  scheint 
sich  nicht  zu  bestätigen;  vielmehr  scheint  das  Machtverhält- 
niss  bedeutenden  Schwankungen  unterworfen  gewesen  zu  sein. 
Auf  den  assyrischen  Tributlisten  der  Jahre  673  und  66-7®) 
finden  sich  zwei  phönicische  Stadtnamen,  Sillü  (Soli)  und 
Qartichadast  (wohl  Neu-Paphos),  aber  weder  erscheint  eines 
der  späteren  phönicischen  Reiche,  die  also  damals  noch  nicht 
existirt  zu  haben  scheinen,  noch  trägt  auch  nur  ein  einziger 
der  zehn  dort  aufgeführten  Könige  einen  phönicischen  Namen. 


1)  Xen.  Anab.  I,  4,  6;  At^,  eine  Stadt  der  Phönicier,  bei  üekatäos 
fr.  259  ist  aber  wohl  nicht  Aegä,  sondern  Gaza. 

2)  Dion  Chrysost.  Or.  XXXIII,  40. 

8)  Alezander  von  Ephesos  bei  Steph.  v.  Aant^^og, 
4)  Hellanikos  bei  Steph.  v.  KaQnaaia,  6)  §  103. 

6)  7  gl.  Schrader,   Die  Keilinechriften   und    das    alte  Testament 
S.  364  ff.  (2.  Aufl.). 


4.   SEEFAHRT,  HANDEL  UND  COLONIEN.  51 

Für  das  Ende  des  achten  Jahrhunderts  ist  die  Herrschaft  der 
Eonige  von  Tyros  über  die  Insel  bezeugt^);  aber  dass  sich 
die  dortigen  Griechen^  statt  die  längst  vorhandene  phönicische 
Schrift  anzunehmen^  um  diese  Zeit  herum  die  Mühe  nahmen, 
eine  eigene  griechische  Keilschrift  der  assyrischen  nachzu- 
bilden, ist  eine  gewichtige  Instanz  gegen  das  Bestehen  einer 
uralten  und  ununterbrochenen  politischen  Verbindung  mit 
Phonicien.  In  den  griechischen  Gewässern  zeigen  uns  die 
Homerischen  Gedichte  die  Phönicier  als  Kleinhandel,  neben- 
bei auch  Sklavenhandel  und  Menschenraub  treibend,  aber 
nicht  als  Ansiedler.  Die  Tradition')  lässt  einstimmig  Karer 
und  Phönicier  vor  den  Wanderungen  der  griechischen  Stämme 
nach  Kleinasien  die  Inseln  des  ägäischen  Meeres  bewohnen 
und  vor  den  Griechen  zurückweichen;  in  Bezug  auf  die  Phö- 
nicier gilt  dies  jedoch  nur  von  den  südlichsten,  in*  der  Folge 
von  den  Doriem  besetzten  Inseln.  Hier  hatten  sie  Stationen 
zur  Ausbeutung  bergmännischer  Producte  und  für  den  Fang 
der  Purpurschnecke  und  die  Purpurfärberei;  da  der  Bedarf 
an  Rohmaterial  bei  dieser  Industrie  ein  ungewöhnlich  grosser 
ist,  so  ist  nicht  mit  Unrecht  vermuthet  worden^),  dass  dies 
die  ältesten  aller  phönicischen  Niederlassungen  gewesen  sind. 
Die  nördlichste  der  Kykladen,  auf  der  sich  Spuren  von  An- 
wesenheit der  Phönicier  nachweisen  lassen,  ist  Oliaros,  colo- 
nisirt  von  Sidoniem*),  vermuthlich  zu  bequemerer  Ausbeutung 
der  Marmorgruben  des  gegenüberliegenden  Paros.  Einen  ver- 
wandten Anlass  hatte  wohl  auch  die  Besiedlung  von  Melos 
durch  Byblier^):  die  Insel  erzeugt  das  Melische  Weiss,  Alaun 
und  Schwefel.  Hauptsitze  der  Purpurfärberei  waren  die  von 
Phöniciem  besetzten  Inseln  Kythera^),  Thera  (init  dem  nahe 
gelegenen  Anaphe)^  und  die  Stadt  Itanos  am  östlichen  Ende 


1)  Darob  Menandor  bei  Jos.  A.  J.  IX,  14,  2. 

2)  Vgl.  besonders  Thnk.  I,  8. 

3)  Dancker,  Geschichte  des  Alterthums  II  S.  55  (5.  Aufl.). 

4)  Herakleides  Pontikos  bei  Steph.  v.  'SlUagog. 
6)  Steph.  V.  AfijXoff. 

6)  Her.  I,  105. 

7)  Her.  IV,  147.     Steph.  v.  MByLßUccQog. 

4* 


52  DIE  PHOBNICIER. 

von  Kreta  ^);  der  aus  den  lakonischen  Gewässern  kommende 
Purpur  war  besonders  berühmt^  das  sind  die  Inseln  Elisa 
bei  Ezechiel  27,  7.  Weiter  östlich  waren  Phönicier  ehedem 
ansässig  auf  Rhodos')  (Rodanim  in  der  Yölkertafel  nach 
dem  Texte  I.  Chron.  1,  7).  Die  griechischen  Localtraditionen, 
die  für  Thera  und  Rhodos  den  Charakter  positiver  historischer 
Erinnerungen  annehmen,  erhalten  eine  Bestätigung  auf  Thera 
und  Melos  durch  die  in  den  oberen  Tuffsteinschichten  ge- 
machten Funde  phönicischer  Thongefässe  und  Schmucksachen, 
anderwärts  durch  Culte,  welche  nach  der  Besitzergreifung 
der  Inseln  durch  die  Dorier  auf  diese  übergingen:  die  auf 
Kythera  verehrte  Aphrodite  Urania  war  identisch  mit  der 
orientalischen  Liebesgöttin  von  Paphos,  ihr  Tempel  sollte  von 
Askalon  aus  gestiftet  sein^);  die  Münzen  von  Itanos^)  stellen 
eine  Gottheit  mit  Fischschwanz  dar;  auf  Rhodos  wurden  dem 
Eronos  noch  in  späterer  Zeit  Menschen  geopfert.^)  Das  von 
den  sonstigen  griechischen  Mythen  abweichende  Gepräge  der 
Sagen  von  Rhodos  und  Kreta  ist  ein  bleibendes  Zeugniss 
davon,  wie  tief  phönicische  Religion,  zum  Theil  in  ihrer 
grausigsten  Form,  an  beiden  Orten  eingedrungen  ist:  es 
genügt,  dort  an  die  Erzählungen  von  den  acht  Helios- 
kindem,  hier  an  die  von  der  Europa,  Minotauros  und  dem 
ehernen  Talos  zu  erinnern.  Die  vorgriechische  Bevölkerung 
der  Inseln,  die  Earer  und  die  mit  ihnen  eng  zusammen- 
hängenden Eteokreten  oder  Mnoi'ten  (wahrscheinlich  ein  und 
dasselbe  Volk  mit  den  aus  Eaphthor  gekommenen  Philistäern) 
hatten  keine  eigene  Cultur  und  standen  deshalb  völlig  unter 
dem  Einflüsse  der  höheren  Cultur  des  fremden  Volkes.  Aber 
auch  auf  di«  Griechen  ist  die  Einwirkung  der  Phönicier 
806Akeine  geringe  gewesen;  das  beweisen  schon  die  mancherlei 
im  Griechischen  aus  dem  Phönicischen  stammenden  Lehn- 
worte, die  zur  Benennung  namentlich  von  Zeugstoffen, 
Geräthschaften,     Schreibmaterialien     und    anderen    in    Zu- 

1)  Steph.  V.  'Itavos.  2)  Ergeiae  (?)  und  Polyzeloa 

bei  Ath.  VIII  p.  360  D.  3)  Her.  I,  106. 

4)  Mionnet  11  S.  284  f.  [Vgl.  Head,  Historia  numorum  S.398.  F.  B.] 

5)  Porph.  de  abst.  II,  54. 


4.    SEEFAHRT,  HANDEL  UND  COLONIEN.  53 

sammenhang  mit  dem  Handel  stehenden  Dingen  dienen.^) 
Durch  die  Phönicier  lernten  die  Griechen  Mass  und  Gewicht 
kennen;  das  Fremdwort  iivä  («=»  hebräisch  manch)  ist  bei 
ihnen  yöllig  eingebürgert.  Sie  verdanken  ihnen  ferner  die 
Kunde  der  Buchstabenschrift^  welche  von  der  Sage  ein- 
stimmig mit  dem  Namen  des  Eadmos,  des  Gründers  von 
Theben  y  in  Verbindung  gebracht  wird.  Man  hat  deshalb 
Theben  als  eine  phonicische  Colonie  angesehen  und  gemeint, 
dies  durch  Herleitung  des  Namens  Kad^og  von  Eedem, 
Osten,  stützen  zu  können,  ohne  zu  bedenken,  dass  die 
Griechen  nicht  phonicisch  redeten,  die  Phönicier  aber  doch 
nicht  sich  selbst  östlich  waren.  Eine  phonicische  Colonie 
mitten  im  Binnenlande  ist  äusserst  unwahrscheinlich,  auch 
weisen  alle  sonstigen  Spuren  in  der  Kadmossage  yielmehr 
auf  Zusammenhänge  mit  dem  Norden  hin.  Von  Eadmos 
stammten  die  Eadmeier,  welche  Thera  colonisirten,  sich  mit 
den  dort  zurückgebliebenen  Phöniciern  vielfach  vermischten 
und  durch  sie  die  Buchstabenschrift  kennen  lernten;  hier, 
wo  sich  die  ältesten  griechischen  Inschriften  gefunden  haben, 
ist  diese  That  auf  den  mythischen  Ahnherrn  übertragen  und 
dieser  zum  Phönicier  gemacht  worden.  Wir  wissen  jetzt 
besser  wie  früher,  in  wie  hohem  Grade  die  Griechen  der 
ältesten  Zeit  vor  den  Wanderungen  von  orientalischer  Gultur 
abhängig  gewesen  sind,  und  es  ist  sehr  glaublich,  dass  den 
Phöniciern  als  Vermittlern  hierbei  eine  wichtige  Bolle  zu- 
gefallen ist.  Darauf  weisen  die  Funde  in  den  Gräbern  von 
Mykenä,  wo  neben  reichem  Goldschmucke,  orientalischer 
Ornamentik,  Bildern  von  Pflanzen  und  Thieren  des  Ostens 
auch  phonicische  Idole,  Bernsteinsachen  und  ein  Straussenei 
zu  Tage  gekommen  sind,  ferner  die  im  Hymettos  ent- 
deckten Felsengräber,  die  mit  denen  in  Fhönicien  selbst 
grosse  Aehnlichkeit  haben,  vor  allem  der  Cultus  des  Tyri- 
schen  Melkarth  als  Mshx^rig  auf  dem  Isthmos  von  Eorinth, 
einer  uralten  Stätte  des  Völkerverkehrs. 

So  sehr  dies   Alles  uns  die  Lebhaftigkeit  des  Handels 

1)  Vgl.  Ang.  Müller  in  den  Beiträgen  zur  Kunde  der  indoger- 
manischen Sprachen  I  S.  273  ff. 


54  I>1E  PHOENICIER. 

veranschaulicht^  welchen  die  Ph'önicier  nach  diesen  Gegenden 
hin  trieben,  so  findet  sich  doch  von  Niederlassungen  derselben 
weder  auf  dem  griechischen  Festlande  noch  in  der  mittleren 
Zone  der  Inseln  des  ägäischen  Meeres  die  geringste  Spur. 
Wohl  aber  ist  im  Norden  die  Insel  Thasos  der  Goldgewinnung 
wegen  von  den  Phöniciern  besetzt  worden^),  wahrscheinlich 
auch  Galepsos  an  der  gegenüberliegenden  Küste  von  Thra- 
kien*); sie  waren  es  auch,  welche  hier  die  Goldbergwerke 
des  Gebirges  Pangäos  eröflheten.*)  Weiter  scheinen  die- 
selben in  dieser  Richtung  nicht  vorgedrungen  zu  sein.  Aller- 
dings erwähnt  Ezechiel  den  Handel  von  Menschenseelen  und 
Gerathen  von  Erz,  den  die  Tyrier  mit  Javan,  Thubal  und 
Mesech  (den  pontischen  Griechen,  Tibarenern  und  Moschern) 
trieben;  allein  die  Spuren  von  wirklichen  Niederlassungen 
der  Phönicier  an  diesen  Küsten^  die  man  zu  finden  gemeint 
hat,  erweisen  sich  bei  näherer  Betrachtung  sammt  und  son- 
ders als  illusorisch,  auch  die  phonicische  Gründung  Pro- 
nektos  an  dem  Meerbusen  von  Astakos^)  steht  so  völlig 
vereinzelt  da,  dass  man  in  ihr  vielleicht  richtiger  eine  Station 
der  phonicischen  Flotte  in  der  Perserzeit  als  eine  alte  Colonie 
erkennt.*)  Das  eigentliche  Centrum  des  phonicischen  Han- 
dels und  der  phonicischen  Colonisation  waren  die  westliche 
Hälfte  des  mittelländischen  Meeres  und  die  Küsten  des 
atlantischen  Oceans  rechts  und  links  von  der  Meerenge  von 
Gades.  Vor  Allem  der  Handel  mit  Tarshish  (Tartessos),  d.  h. 
mit  dem  Gebiete  des  Flusses  Tartessos  (des  Guadalquivir), 
legte  den  Grund  zu  der  Grösse  der  Phönicier  als  Handels- 
volk. Sie  trieben  dort  einen  einträglichen  Fischfang,  beson- 
ders von  Thunfischen  und  Muränen;  vor  Allem  wichtig  aber 
war  der  Gewinn  von  Metallen,  besonders  Silber,  der  durch 
die  Leichtigkeit  des  Verkehrs  begünstigt  wurde:  Guadiana 
und  Guadalquivir  waren  bis  hinauf  zu  den  Bergwerken  hin 
schifiTbar,  die  vielen  Aestuarien  erleichterten  das  Landen  und 

.  1)  Her.  VI,  47.  2)  Marsyas  d.  J.  bei  Harpokr.  v.  rdXf}iJ>og, 

8)  Kalliathenes  bei  Strab.  XIY  p.  680.         4)  Stepb.  v.  U^ovi^vog, 
*)  [Vgl.   die   Becension   von  MüUenbofifs  Deutscber  Altertbame- 
kunde  im  Literarischen  Centralblatt  1871  S.  522f.    F.  B.] 


4.   SEEFAHRT,  HANDEL  UND  COLONIEN.  55 

Verschiffen^  die  Eingeborenen  standen  noch  auf  einer  ziemlich 
niederen  Culturstufe^  auf  der  sie  den  Werth  der  Metalle  nicht 
richtig  zu  schätzen  wussten.  Concnrrenten  fehlten  lange  Zeit 
ToUig.  So  war  denn  der  Gewinn  ein  ungeheurer;  man  er- 
zahlte sich,  dass  die  von  Spanien  heimwärts  segelnden  Phö- 
nicier  die  Anker  ihrer  Schiffe  aus  Silber  ^gemacht  hätten.^) 
Bald  fuhren  sie  weiter  hinaus  in  den  Ocean  und  holten  Zinn 
aus  dem  nordwestlichen  Spanien  und  noch  weiter  her  aus 
den  viel  reicheren  Zinngruben  von  Cornwallis;  dort  lagen 
die  Kassiteridischen  Inseln^  nach  denen  von  Oestrymnis  (der 
Bretagne)  aus  übergefahren  wurde^  nach  der  alten,  wahr- 
scheinlich richtigen,  Annahme^)  die  Scilly- Inseln.  Von  den 
nördlichen  Enden  der  bekannten  Erde  wurde  schon  in  sehr 
früher  Zeit  auch  der  Bernstein  bezogen:  Bernsteinschmuck 
wird  in  den  Homerischen  Gedichten  vielfach  erwähnt  undSOeB 
hat  sich  schon  in  den  ältesten  Gräbern  von  Cumä  und  in 
denen  in  der  Nähe  des  Löwenthors  von  Mykenä  gefunden« 
Doch  ist  es  wenig  wahrscheinlich,  dass  die  Phönicier  ihre 
Fahrten  bis  zur  Nordsee  (wo  Bernstein  schwerlich  je  in  er- 
heblichen Mengen  gefunden  worden  ist),  geschweige  denn 
bis  zu  seiner  eigentlichen  Heimath  an  der  Ostsee  ausgedehnt 
haben;  vielmehr  erhielten  sie  ihn  wohl  auf  den  Handels- 
strassen, deren  eine  von  der  Ostsee  nach  dem  Adriatischen 
Meere,  eine  zweite  den  Rhein  aufwärts  und  den  Rhone  ab- 
wärts führte.^  Ja,  eine  Entdeckung  des  Reisenden  Fraas^), 
der  Bemsteinlager  im  Libanon  in  den  nächsten  Umgebungen 
von  Sidon  auffand,  legt  die  Frage  nahe,  ob  nicht  die  Phö- 
nicier das  kostbare  Product  aus  nächster  Nähe  bezogen  und 

1)  Diod.  V,  35. 

2)  Weil  Zinn  nur  auf  dem  britischen  Festlande  vorkommt,  hat 
Müllenhoff,  Deutsche  Alterthamskonde  I  S.  92  die  Eassiteriden  fflr  Bri- 
tannien selbst  erklärt;  allein  sämmtliche  Quellen  unterscheiden  beide^ 
so  dass  hier  wohl  einer  der  nicht  seltenen  Fälle  vorliegt,  wo  der 
Punkt,  nach  welchem  eine  Waare  gebracht  wird,  um  da  verladen  zu 
werden,  für  den  Ursprungsort  derselben  gehalten  worden  ist.  Näheres 
habe  ich  gegeben  im  Literarischen  Cenitralblatt  1871  S.  528. 

3)  Vgl.  Lohmejer,  Geschichte  von  Ost-  und  Westpreussen  S.  3. 

4)  Drei  Monate  im  Libanon  S.  94;    Aus  dem  Orient  11  S.  60  ff. 


56  DIE  PHOENICIER. 

nur  die  Kunde,  wie  das  ihre  Art  war,  verheimlicht  haben; 
denn  die  Alten  wissen  von  Bernstein  in  Syrien,  und  auch 
davon,  dass  es  gegrabenen  Bernstein  gebeJ)  Der  gewinn- 
bringende Handel  mit  Spanien  gab  den  Anstoss  zur  Coloni- 
sation  des  Westens  durch  die  Phönicier.^)  Die  Ansiedelungen 
jenseit  der  Säulen  des  Hercules  setzt  Strabon^)  bald  nach 
dem  Trojanischen  Krieg,  also  nach  dem  früher  Bemerkten*) 
in  die  Zeit  des  ersten  Aufblühens  von  Tyros;  Lixos  in 
Mauretanien  war  älter  als  Gades^),  Gades  war  einige  Jahre 
vor  ütica  gegründet. '^)  Die  Erbauung  von  Utica  fällt  in 
das  Jahr  1101  v.  Gh.^),  die  der  grossen  Masse  der  afrikani- 
schen Colonien  aber  wohl  erst  später;  wir  kennen  die  Grün- 
dungszeit von  Aoza  (zwischen  887  und  855)^)  und  von  Karthago 
(814).^)  Es  bestätigt  sich  der  geschichtliche  Erfahrungssatz, 
dass  die  Endpunkte  eines  Handelsweges  meist  früher  besetzt 
werden,  als  die  auf  der  Mitte  der  Fahrt  gelegenen  Plätze, 
indem  die  Nothigung,  die  Verbindung  mit  den  ersteren  zu 
sichern,  die  Anlage  von  Zwischenstationen  hervorruft.  Die 
Golonisation  des  Westens  durch  die  Phönicier  war  eine  sehr 
intensive;  unterliegt  auch  die  Nachricht  des  Ophelas^),  dass 
die  Tyrier  allein  an  der  mauretanischen  Küste  jenseit  der 
Säulen  des  Hercules  300  Städte  gegründet  hätten,  dem  Ver- 
dachte der  Uebertreibung,  die  Thatsache  steht  fest,  dass  sie 
und  später  die  Karthager  dem  westlichen  Afrika  durch  ihre 
Ansiedlungen  einen  völlig  phönicischen  Charakter  aufgeprägt 
und  ihre  Sprache,  wenigstens  in  den  Städten,  weit  über  die 
Grenzen  ihrer  Nationalität  hinaus  in  demselben  Grade  zur 
herrschenden  gemacht  haben,  wie  es  später  dort  die  lateinische 
und  arabische  geworden  sind.  Dass  das  Menschenmaterial, 
das  zu  einer  so  grossartigen  Golonisation  erforderlich  war, 

•)  [Siehe  oben  S.  46.    F.  R.] 

1)  Plin.  N.  H.  XXXVn  §  87.  40  (wo  mit  Detlefsen  „ex  humo"  zu 
schreiben  ist).  2)  Diod.  1.  c.  8)  I  p.  48. 

4)  PHn.  N.  H.  XIX  §  63.  6)  Vellejus  I,  2. 

6)  Die  pnnlBchen  Geschichten  bei  Fsendo-Aristot.  mirab.  auscult. 
134;    Bocchus  bei  Plin.  N.  H.  XVI  §  216. 

7)  Menander  bei  Jos.  A.  J.  VIII,  13,  2. 

8)  Timaos  bei  Dionys.  Halic.  I,  74.        9)  Bei  Strab.  XVII  p.  826. 


4.    SEEFAHRT,  HANDEL  UND  COLONIEN.  57 

nicht  Yon  der  schmalen  phönicischen  Küste  allein  gestellt 
worden  ist^  sondern  sehr  wesentlich  auch  in  dem  Nachschübe 
durch  die  yon  Hebräern  und  Philistern  verdrängte  kanaanäische 
Bevölkerung  des  Binnenlandes  bestanden  hat^  wird  zwar  durch 
gewisse  späte  Zeugnisse;  die  sich  als  völlig  apokryph  heraus- 
stellen ^  nicht  bewiesen ;  hat  aber  einen  hohen  Grad  von  in- 
nerer Wahrscheinlichkeit  für  sich. 

Gehen  wir  diesen  wichtigsten  Theil  des  Colonialgebietes 
der  Phönicier  in  der  Richtung  von  Ost  nach  West  einzeln 
durch;  so  finden  wir  sie  zunächst  auf  Sicilien,  und  zwar  in 
einer  Stellung;  die  för  die  Anfänge  aller  ihrer  Niederlassungen 
als  typisch  gelten  kann:  sie  hatten  rings  um  die  Insel  herum 
die  Vorgebirge  und  nahe  gelegenen  Inselchen  besetzt;  um 
von  da  aus  Handel  mit  den  Siculern  zu  treiben.^)  Ihre 
bedßutendste  Niederlassung  scheint  Makara')  (auf  Münzen 
n*^pbtt  tfi)  an  der  Südküste  gewesen  zu  seiU;  das  die  Griechen 
Herakleia  Minoa  umnannten.  Vor  den  Griechen  wichen  sie 
nach  der  Nordwestecke  der  Insel  zurück  und  behaupteten 
hier  die  Städte  Motye,  Panormos  und  SoloeiS;  gestützt  auf 
das  Bündniss  mit  dem  Volke  der  Elymer;  das  ganz  unter 
phönicischem  Einflüsse  stand;  und  die  Nähe  von  Karthago, 
das  hier;  wie  überall;  die  Erbschaft  von  Tyros  antrat  und 
seine  schirmende  Hand  über  die  Reste  der  phönicischen 
Ansiedlungen  hielt  Auch  die  Inseln  zwischen  Sicilien  und 
Afrika;  das  durch  seine  die  Seestrasse  beherrschende  Lage 
und  gute  Häfen  wichtige  MelitC;  Gaulos  und  Kossura;  wurden 
von  den  Phöniciern  besetzt.^)  Nicht  minder  haben  sie  mit 
der  Besiedlung  von  Sardinien  den  Anfang  gemacht^);  Karalis 
galt  als  eine  Tyrische  Gründung^);  eine  wirkliche  Herrschaft 
haben  hier  und  auf  Corsica  aber  erst  die  Karthager  aus- 
geübt; welche  diese  Inseln  besetzten  und  in  der  Phantasie 
der  Griechen  des  sechsten  Jahrhunderts  die  irrthümliche 
Vorstellung  erweckten;  dass  es  ein  besonders  begehrens- 
werther  Besitz  sei;  von  dem  phönicische  Missgunst  sie  aus- 

1)  Thak«  VI,  2.  2)  Herakleides  Polit.  29. 

8)  Diod.  V,  12.  4)  Diod.  V,  36. 

ö)  Claudian.  de  bello  Gild.  v.  520. 


58  1>1K  PHOENICIER. 

geschlossen  habe.^)  Ob  der  Handelsverkehr  und  die  durch 
ihn  bedingte  Cnltureinwirkung  auf  die  Etrusker  älter  ist, 
als  deren  politische  Verbindung  mit  Karthago^  ist  schwer 
zu  sagen;  das  aber  ist  sicher^  dass  in  Italien  selbst  nie  eine 
phönicische  Niederlassung  bestanden  hat.  An  der  Ostküste 
von  Spanien  sind  Barcino^)  und  Alt-Kartliago^)  Gründungen^ 
die  älter  zu  sein  scheinen  als  das  spanische  Golonialreich 
der  Karthager;  darum  brauchen  sie  aber  noch  nicht  phonici- 
sehen  Ursprungs  zu  sein,  zumal  wenigstens  Alt -Karthago 
im  Innern  lag:  vielleicht  sind  es  Anlagen  aus  der  Zeit  der 
Kämpfe  der  Karthager  mit  den  Massalioten.  Wirkliches 
Colonialgebiet  der  Phönicier  war  aber  von  Alters  her  Tar- 
tessos  oder,  wie  man  es  später  nannte,  Turdetanien.  Alle 
namhaften  Küstenstädte  waren  hier  von  ihnen  gegründet^): 
Abdera,  Sex  (das  für  eine  der  ältesten  Golouien  der  Tyrier 
in  diesen  Gegenden  galt),  Malaca,  Garteja,  endlich  Gades, 
die  berühmteste  aller  spanischen  Colonien  der  Tyrier,  mit 
einem  Heraklestempel  von  besonderer  Heiligkeit,  auf  einer 
kleinen,  durch  einen  schmalen  Sund  vom  Festlande  ge- 
trennten Insel,  die  nicht  einmal  Trinkwasser  hatte,  aber  in 
dominirender  Lage;  noch  weiter  hinaus  lag  Onoba,  wo  die 
Tyrier  sich  früher  als  in  Gades  angesiedelt  haben  sollten. 
In  Afrika  war  die  östlichste  Niederlassung  Gross  -  Leptis, 
die  einzige,  als  deren  Gründer  Sidonier  genannt  werden, 
807 Aweiche  bürgerliche  Unruhen  aus  ihrer  Heimath  vertrieben 
hatten^),  daher  wohl  eine  der  ältesten;  nicht  so  sicher 
stehen  die  Angaben,  welche  die  Schwesterstädte  Oea  von 
Phoniciern  aus  Sicilien,  Sabratha  von  Tyros  gegründet  sein 
lassen.^)  Reich  an  phonicischen  Handelsstädten  und  von 
ihnen  benannt  war  die  gesegnete  Landschaft  Emporia  an  der 
kleinen  Syrte,  wo  am  Flusse  Kinyps  das  Getreide  dreihun- 
dertflUtig  trug,  der  Ausgangspunkt  einer  wichtigen  Handels- 

1)  Her.  I,  170.     V,  106.  124. 

2)  AusoD.  Epist.  24,  68  (dem  übrigens  eine  falsche  Etymologie  von 
BarcEB  wohl  zuzutrauen  ist).  8)  Ftol.  II,  6,  6^. 

4)  Strab.  III  p.  151.  156 f.  169f.  5)  Saunst.  Jag.  78. 

6)  Sil.  Ital.  III,  266 ff. 


4.    SEEFAHRT,  HANDEL  UND  COLONIEN.  59 

Strasse  ins  Innere  nach  dem  Garamantenlande.  Durch  In- 
schriften steht  der  phönicische  Charakter  des  Stapelplatzes 
Takape  (Qäbis)  und  der  durch  PurpurHlrbereien  ausgezeich- 
neten Insel  Meninx  (Girba)  fest;  die  Handelsstadt  Eapsa  im 
Innern  von  Numidien  galt  als  eine  Gründung  des  phönici- 
schen  Herakles.')  Im  späteren  karthagischen  Gebiete  grün- 
deten Phönicier  aus  Melite  AchuUa^,  Tyrier  Klein -Leptis') 
und  Hadrumetum^),  sowie  Aoza^),  worunter  die  9  Kilometer 
landeinwärts  von  Leptis  gelegene  Stadt  Uzita^  eher  gemeint 
sein  dürfte^  als  Auzia  im  Innern  von  Mauretanien.  An  der 
Nordküste  sind  Tyrische  Colonien  Karthago  und  Utica;  das- 
selbe gilt  wahrscheinlich  von  Hippo  Zarytos,  obgleich  Sidon 
es  auf  einer  MüDze')  neben  anderen  Tyrischen  Gründungen 
als  Tochterstadt  reclamirt.  Die  ihrer  Lage  nach  nicht 
genauer  bekannte  Stadt  Kanthele^)  und  die  Insel  Eudeipne^) 
werden  nur  im  Allgemeinen  als  Localitäten  der  Libyphönicier 
bezeichnet;  worunter  man  die  Phönicier  in  Afrika  verstand^ 
später  meistens  mit  Ausschluss  und  im  Gegensatz  zu  Kar- 
thago. Die  Golonialbevölkerung  säss  hier  sehr  dicht^  aber 
ohne  bestimmte  Zeugnisse  lässt  es  sich  nicht  entscheiden^ 
ob  eine  Stadt  phonicischen  oder  karthagischen  Ursprungs 
oder  eine  punisch  gewordene  einheimische  ist.  Im  Gebiete 
der  Masaesylier  war  Chalke  (an  der  Küste  ostlich  von  Gran) 
eine  Anlage  der  Phönicier  ^^),  vor  allem  aber  war  die  dem 
atlantischen  Ocean  zugekehrte  Küste  Mauretaniens  ihre  Do- 
mäne. Tingis  und  Zelis  sind,  wenn  auch  ursprünglich  ber- 
berische Anlagen^  im  Laufe  der  Zeit  völlig  phönicische  Städte 
geworden^');  von  den  eigentlichen  Colonien  der  Phönicier  in 
dieser  Gegend  war  die  vornehmste  Lixos^^);  eine  Stadt,  die 
für   grösser   als  Karthago  gehalten  wurde.*)     An  dem  so- 

1)  Oro8.  V,  16,  8  p.  322.  2)  Steph.  v.  'AxoXXa, 

3)  Plin.  N.  H.  V  §  76.  4)  Solin.  27,  9. 

6)  Menander  bei  Jos.  A.  J.  VIII,  13,  2.  6)  Ptol.  IV,  3,  37. 
Strab.  XVn  p.  831;  vgl.  Wilmanns  zum  C.  I.  L.  VIII  No.  68. 

7)  Vgl.  Movers,  Phönizier  II,  2  S.  13i. 

8)  Hekatäos  bei  Steph.  v.  Kccvd^nlri.  9)  Steph.  v.  Evdstnvri, 
.  10)  Steph.  V.  XdX%rj.                 11)  Mela.II,  6,  9.    Strab.  III  p.  140. 

12)  Pseudo-Skylax  §  112.  *)  [Plin.  N,  H.  V  §  4.    F.  ß.] 


60  DIE  PHOENICIER. 

genannten  xoXnog  ^E^xogixog  südlich  von  dieser  Stadt  und 
weiterhin  bis  zur  Mündung  des  Flusses  Dra  drängten  sich 
die  Gründungen  der  Tyrier;  hier  war  der  Ausgangspunkt 
der  Handelsstrasse,  die  in  die  Länder  der  Schwarzen  führte. 
Die  Blüthe  dieses  Golonialgebiets  ging  unter  durch  das  Vor- 
dringen der  Pharusier  und  Nigriten^),  das  von  den  gleichen 
verheerenden  Folgen  begleitet  war^  wie  das  der  aus  denselben 
Gegenden  kommenden  Almoraviden  im  11.  Jahrhundert;  die 
verschont  gebliebenen  Reste  rettete  die  karthagische  Re- 
gierung vor  völligem  Untergang,  indem  sie  durch  Hanno 
eine  neue  Colonie  Thymiaterion  in  der  Gegend  von  Mamora 
gründen  und  die  alten  phönicischen  Ansiedlungen  Earikon 
Teichos,  Gytte,  Akra  (wahrscheinlich  das  heutige  Agader), 
Melitta  und  Arambys  durch  30000  Libyphönicier  verstarken 
liess.*)  Der  westlichste  Punkt,  den  die  Phönicier  erreichten, 
war  die  Glückselige  Insel  (wohl  die  grösste  der  Canarischen 
Inseln);  die  Schilderung,  welche  uns  von  ihr  entworfen  wird'), 
lehrt,  dass,  nachdem  die  Verbindung  mit  diesen  fernen  Gegen- 
den unterbrochen  worden  war.  Alles,  was  sie  betraf,  den 
Späteren  iü  einem  verklärten  Lichte  erschien. 

Die  Handelsverbindungen  der  Phönicier  reichten  über 
den  äussersten  von  ihnen  besetzten  Punkt  weit  hinaus,  und 
es  darf  mit  Sicherheit  angenommen  werden,  dass  diese  Be- 
ziehungen und  ihre  auf  diesem  Wege  gewonnene  Kunde  von 
Afrika  es  waren,  die  den  König  Necho  von  Aegypten  auf 
den  Gedanken  brachten,  sich  ihrer  zur  ümschifiPiing  dieses 
Gontinents  zu  bedienen:  und  zwischen  611  und  605,  zu  einer 
Zeit,  als  ihre  Golonialmacht  nur  noch  ein  Abglanz  ehe- 
maliger Herrlichkeit  war  und  das  Mutterland  seine  Unab- 
hängigkeit bereits  verloren  hatte,  wurde  die  grösste  nautische 
That  des  Alterthums  von  ihnen  wirklich  ausgeführt.  Die 
Macht  von  Tyros  beruhte  wesentlich  auf  seinen  Colonien, 
und  zwar  nicht  blos  indirect,  sondern  diese  standen,  sehr 
zum  Unterschiede  von  den  griechischen  Colonien,  in  einem 
Verhältnisse  wirklicher  Abhängigkeit  von   der  Mutterstadt: 

1)  Ophelas  bei  Strab.  XVII  p.  826.  2)  Hanno  §§  2.  6. 

.  8)  Diod.  V,  20. 


6.   BRUCHSTÜECKE  DER  PHOENICISCHEN  GESCHICHTE.   61 

Erhebungen,  die  mit  Waffengewalt  niedergeschlagen  wurden, 
werden  uns  von  ütica*)  und  Eition  berichtet.  Die  Colonien 
entrichteten  den  Zehnten  von  allen  Einkünften,  gelegentlich 
auch  den  Zehnten  von  der  Kriegsbeute,  an  den  Tyrischen 
Herakles  und  schickten  Festgesandtschaften  zu  dessen  gross- 
tem  Feste  nach  der  Mutterstadt.  Es  liegt  aber  auf  der 
Hand,  dass  Tyros  bei  der  Verzettelung  und  Entfernung  seiner 
Colonien  nicht,  wie  später  Karthago  es  vermöge  seiner 
günstigen  Lage  gekonnt  hat,  die  Zügel  der  Herrschaft  auf 
die  Dauer  straff  anzuziehen  vermochte;  ganz  von  selbst 
musste  das  Abhängigkeitsverhältniss  der  Colonien  sich  all- 
mählich lockern  und  nur  die  mehr  idealen  unter  ihren  Ver- 
pflichtungen übrig  bleiben:  immerhin  hat  Karthago  sicher 
noch  in  der  Mitte  des  sechsten  Jahrhunderts  dem  Herakles 
von  Tyros  den  Zehnten  entrichtet. 

5.   Bruchstücke  der  phonicischen  Geschichte. 

Bei  der  Trümmerhaftigkeit  unserer  üeberlieferung  ist 
es  ein  glücklicher  Zufall,  dass  wenigstens  die  äusseren  Um- 
risse der  Geschichte  von  Tyros  in  seiner  Blüthezeit  uns  durch 
zwei  hellenistische  Historiker,  Dios  und  Menander  von  Ephe- 
SOS,  bekannt  sind,  aus  denen  Josephos^)  Auszüge  erhalten 
hat.  Nach  ihnen  folgte  dem  Konige  Abibai  sein  Sohn 
Hirom  I.  und  regierte  980—946.  Er  vergrösserte  die  Insel- 
stadt gegen  Osten,  indem  er  durch  Aufschütten  des  so- 
genannten £Ji;(>i;;^cDpot;  Platz  gewann,  verband  den  Tempel 
des  olympischen  Zeus^),  der  auf  einer  südwestlich  von  der 
Hauptinsel  gelegenen  Felseninsel  lag,  mit  der  ersteren  durch 
einen  Damm**)  und  stiftete  in  denselben  eine  goldene  Säule, 
und  erneuerte  in  prachtvoller  Weise  die  Tempel  des  Hera- 


1)  A.  J.  Vm,  6,  8;     c.  Ap.  I,  17.  18. 

2)  Von  den  Griechen  (anch  Arr.  II,  16.  24)  als  ein  Tempel  des 
Herakles  angesehen;    vgl.  oben  S.  46. 

*)  (Tgl.  nnten  S.  62.    F,  R.] 

**)  [Im  englischen  Texte  heisst  es:   „united  the  temple  of  Baal 
Shamain  with  the  main  island  hj  a  mole*'.    F.  R.] 


62       '  DIE  PHOENICIER. 

kles^)  und  der  Astarte.  Als  die  Bewohner  Ton  Utica^)  den 
Tribut  nicht  eDtrichteten^  zog  er  gegen  sie  und  brachte  sie 
wieder  zum  Gehorsam;  nach  seiner  siegreichen  Heimkehr 
setzte  er  das  Fest  der  Erweckung  des  Herakles  im  Monat 
Peritios  ein.  Die  Tyrischen  Annalen  gedachten  auch  der 
Verbindung  Hiroms  mit  Salomo,  dem  Beherrscher  von  Jeru- 
salem. Von  Alters  her  hatten  die  Phönicier  der  Küste  mit 
den  Israeliten  Beziehungen  meist  freundlicher  Natur  unter- 
halten: namentlich  von  den  kleineren  Stammen  Asser,  Se- 
bulon  und  Dan  weiss  der  Segen  Jakobs')  und  das  Debora- 
lied^),  dass  sie  gewisse  Leistungen  an  die  Sidonier  entrichteten 
und  dafür  Antheil  an  ihrem  Handel  hatten;  nur  einmal^) 
werden  die  Sidonier  mit  unter  den  Völkern  genannt,  die  in 
der  älteren  Richterzeit  die  Israeliten  bezwungen  hätten  und 
deren  Joch  wieder  abgeschüttelt  worden  sei,  was  nicht  un- 
wahrscheinlich mit  der  Machtperiode  der  Kanaanäer  von 
Hazor  combinirt  worden  ist.®)  Noch  enger  wurde  die  Ver- 
bindung beider  Völker  in  der  Königszeit:  Hirom  schickte 
dem  David  zu  seinem  Palastbau  Cedernholz  und  Werkleute'), 
und  in  gleicher  Weise  unterstützte  er  dessen  Sohn  Salomo 
während  des  Tempel-  und  des  Palastbaues®);  als  Gegen- 
leistung für  das  Cedern-  und  Cy pressenholz  und  die  Stellung 
der  Werkleute  dienten  jährliche  grosse  Lieferuugen  von 
Weizen  und  Oel,  und  als  beide  Bauten  im  24.  Jahre  Salo- 
mos  beendigt  waren,  trat  dieser  dem  Hirom  als  Entschä- 
digung für  das  Gold,  dessen  er  zur  Vergoldung  des  Schmucks 
im  Innern  des  Tempels  bedurft  hatte,  die  galiläische  Land- 
schaft Kabul  ab.  Der  Tempelbau  wurde  ganz  im  Geiste  der 
phönicischen  Kunst  ausgeführt;    charakteristisch  dafUr  sind 

1)  Das  Agenoreion  des  Arrian  II,  24,  auf  der  Nordspitze  der  InseL 
Mit  Ausuahme  dieses  Punktes  folge  ich  in  der  Topographie  Benan, 
Mission  de  Ph^nicie,  p.  646 ff.;  PI.  LXIX. 

2)  '/vxcoig,  'Hv%tiioiq  in  dem  ersten,  Tixvotg  in  dem  zweiten 
Citate  aus  Menander.  Das  Richtige  ist  'itvinxCoig.  [Vgl.  den  vierten 
Abschnitt  dieses  Bandes  S.  294  des  Originaldrucks.    F.  R.] 

3)  Gen.  49,  13.  20.  4)  Rieht.  6,  17.  6)  Rieht.  10,  12. 

6)  Graetz,  Geschichte  der  Juden  I  S.  412. 

7)  II.  Sam.  6,  11.  8)  I.  [=-  III.]  Kön.  6,  15—9,  14. 


6.  BRÜCHSTÜECKE  DER  PHOENICTSCHEN  GESCHICHTE.    C3 

die  beiden  Säulen  Jachin  und  Boas^  die  der.  mit  der  Aus- 
fuhrung der  Erzarbeiten  betraute  Tyrier  Hiram  rechts  und 
links  von  der  Halle  des  Tempels  aufrichtete.  Es  darf  auch 
mit  Sicherheit  angenommen  werden^  dass  die  Tempelbauten 
des  Königs  Hirom  in  Tyros  für  Salomo  den  Anstoss  gaben, 
in  Jerusalem  ein  Gleiches  zu  thun;  wenn  aber  Josephos^) 
den  Salomonischen  Tempel  im  11.  oder  12.  Jahre  Hiroms 
erbaut  werden  lässt,  so  hat  er  dies  sicher  nicht  in  den 
Annalen  Ton  Tyros  gefunden ,  sondern  wohl  ein  in  diesen 
unter  dem  11.  Jahre  verzeichnetes  Fällen  von  Cedemholz  im 
Libanon  zum  Bau  der  Tyrischen  Tempel  statt  auf  diese  mit 
der  ihm  eigenen  schwindelhaften  Apologetik  auf  den  Bau 
des  Jerusalemischen  Tempels  und  die  I.  [=  III.]  Kon.  5,  20flf. 
beschriebenen  Vorbereitungen  dazu  bezogen.  Der  Freund- 
schaftsbund zwischen  Hirom  und  Salomo  führte  auch  zu 
einem  für  den  Welthandel  wichtigen  Unternehmen,  den  von 
Ezeongeber  am  Rothen  Meere  aus  gemeinsam  unternommenen 
Fahrten  nach  dem  fernen  Goldlande  Ophir^),  worunter  mit 
Caldwell^  und  Burnell*)  Malabar  zu  verstehen  ist.®)  Die 
älteste  bekannte  phönicische  Inschrift^)  rührt  von  einem 
Knechte  des  Hirom,  Königs  der  Sidonier,  her;  nach  dem 
früher  Bemerkten  liegt  kein  Grund  vor,  sie  dem  Tyrischen 
Hirom  abzusprechen.  Hiroms  Enkel  Abdastart  I.  (929 — 920) 
wurde  von  den  Söhnen  seiner  Amme  ermordet,  deren  ältester 
Konig  wurde  (920—908);  doch  sah  sich  der  Usurpator,  dessen 
Name  in  der  Konigsliste  unterdrückt  ist,  veranlasst,  in  den 
12  letzten  Jahren  seiner  Regierung  einen  Nachkommen  des 
früheren  Königshauses  Namens   Astart  (d.  i.  Abdastart  II.) 

1)  A.  J.  Vm,  3,  1 ;     c.  Ap.  I,  18. 

2)  I.  [=.  m.]  Kön.  9,  26—28.     10,  11.  22. 

3)  Comparative  gram  mar  of  the  Dravidian  family  of  langnages, 
p.  66.  4)  Im  Indian  Antiqnary  I  (1872)  p.  230. 

5)  Entscheidend  hierfür  ist,  dass  das  hebräische  thnkmim^f^Pfanen'*, 
sich  nur  aus  tamnlisch  tdkei  erklären  lässt.  E.  E.  v.  Baer,  Historische 
Fragen  [»Reden  und  Aufd&tze  III],  S.  112 ff.,  der  die  Frage  zuletzt 
untersucht  hat,  entscheidet  sich  wegen  der  grossen  Menge  des  Goldes 
für  Malakka;  hier  konnte  aber  leicht  Uebertreibung  mit  unterlaufen. 

6)  C.  1.  Sem.  I  Na.  6. 


64  DIE  PHOENICIEB. 

als  Mitkönig  anzunehmen  (908  —  896).  Dessen  Bruder 
Astharym  oder  Abdastbarym  (896  —  887)  wurde  von  einem 
dritten  Bruder  Phelles,  dieser  wieder  nach  nur  achtmonat- 
licher Regierung  (887)  von  Ithobal  I.,  dem  Priester  der 
Astarte,  ermordet,  mit  dessen  Regierung  (887 — 855)  geord- 
netere Zustände  eintraten.  Er  stand  im  Rufe  eines  Yon  den 
Göttern  geliebten  Herrschers:  das  Ende  einer  einjährigen 
Dürre  wurde  seinem  Gebete  zugeschrieben;  schon  Josephos^) 
sah,  dass  es  die  aus  der  Geschichte  des  Elia  bekannte  Dürre 
unter  Ahab  von  Israel  ist.  Die  Eönigsbücher^)  kennen  den 
Ethbaal,  König  der  Sidonier,  als-  Schwiegervater  des  Ahab. 
Die  Tyrier  entwickelten  in  dieser  Zeit  noch  eine  bedeutende 
Expansionskraft:  unter  Ithobal  wurde  Botrys  in  Phönicien 
und  Aoza  in  Afrika  gegründet;  ungleich  berühmter  ist  die 
Gründung,  zu  der  die  nach  dem  Tode  des  Königs  Metten  I. 
(849 — 820)  eingetretenen  inneren  Zwistigkeiten  den  Anlass 
gaben.  Es  folgte  ihm  sein  neunjähriger  Sohn  Phygmalion 
(820—773),  der  herangewachsen  seinen  mit  seiner  Schwester 
Elissa  vermählten  Oheim  Sicharbas,  welcher  Priester  des 
Herakles  und  der  Zweite  nach  dem  Könige  war,  um  sich 
seiner  Schätze  zu  bemächtigen,  getödtet  und  dadurch  die 
Flucht  der  Elissa  und  die  Gründung  von  Karthago  ver- 
ursacht haben  soll.°)  So  lautet  die  Erzählung  der  später 
in  Karthago  recipirten  Gründungssage,  in  der  mythische 
und  historische  Elemente  sich  nicht  mehr  auseinanderhalten 
lassen;  da  Elissa  auch  in  den  Tyrischen  Annalen  vorkam,  so 
ist  sie  wahrscheinlich  eine  geschichtliche  Person  gewesen.^) 
Schon  von  den  Zeiten  des  Königs  Ithobal  an  bedrohte  ein 
auswärtiges  Eroberervolk  die  ruhige  Weiterentwickelung  Phö- 
niciens.  Die  Züge,  die  in  alter  Zeit  von  den  grossen  Reichen 
im  Euphrat-  und  Tigrisgebiet  aus  nach  der  Küste  des  Mittel- 


1)  A.  J.  VIU,  13,  2,  wo  die  Stelle  des  Menander  mitgetheilt  ist. 

2)  I.  [=-  III.]  Kön.  16,  31.  3)  Juatin.  XVIII,  4,  3—6,  9. 

4)  Meltzer,  Geschichte  der  Karthager  I  S.  90 ff.  sieht  hier  nicht  ein- 
mal wirkliche  Sage,  sondern  nichts  als  griechische  Fabelei,  verwechselt 
aber  viel  zu  sehr  Skepsis  und  Kritik.  [Vgl.  den  vierten  Abschnitt 
dieses  Bandes  S.  294 f.  des  Originaldmcks.    F.  E.] 


5.  BRüCflSTüECKE  DER  PHüENIClSCHEN  GESCHICHTE.    65 

meeres  unternommen  worden  waren,  hatten  keine  bleibenden 
Folgen  hinterlassen,  weder  einer  der  Chaldäer  1535  (1538) 
V.  Ch.^)  noch  der  des  assyrischen  Königs  Tiglath  Pil-eser  I. 
circa  1120,  der  über  die  SchiflFe  von  Arados  verfügen  konnte.') 
Wohl  aber  war  dies  der  Fall,  als  die  Assyrer  unter  Ashur-808A 
nä9irpal  um  870  von  Neuem  gegen  das  Mittelmeer  vor- 
drangen; ihr  König  nahm  die  Tribute  der  Fürsten  von  Tyros, 
Sidon,  Byblos,  Mahallat,  Maiz,  Kaiz,  des  Westlandes  und  der 
Insel  Arados  entgegen.  Ein  König  von  Arados  war  mit 
unter  den  mit  Rammän-idri  von  Damaskos  verbündeten 
Fürsten,  die  Shalman-eser  III.  854  bei  Karkar  schlug;  er 
erhielt  dann  Tribut  von  Tyros  und  Sidon  842  und  839,  im 
letzteren  Jahre  auch  von  Byblos.  Noch  einmal  rühmt  sich 
Kammänniräru  UL  803  Tyros  und  Sidon  Tribut  auferlegt 
zu  haben  ^;  dann  aber  trat  eine  Unterbrechung  ein.  Erst 
unter  Tiglath  Pil-eser  IL,  dem  eigentlichen  Begründer  der 
assyrischen  Grossmacht,  hören  wir  wieder  um  741  von  dem 
Tribute  eines  Königs  von  Tyros  und  erfahren,  als  738  Tyros 
und  Byblos  wieder  Tribut  schickten,  dass  Hirom  II.  dort 
König  war.^)  Als  der  assyrische  König  734  nach  Philistäa 
zog,  lieferten  zwar  Byblos  und  Arados  den  Tribut  ab,  gegen 
den  neuen  König  von  Tyros,  Metten  U.,  aber  musste  einer 
seiner  Feldherren  geschickt  werden,  der  ihm  eine  starke 
Contribution  auferlegte.^)  Ein  Bruchstück  der  Tyrischen 
Annalen  ^)  behandelt  die  Geschichte  des  Eluläos,  der  unter  dem 
Namen  Pylas^  36  Jahre  herrschte  (ungeföhr  728  bis  ungefähr 
692).  Er  zog  gegen  die  abgefallenen  Kittäer  auf  Cypern  - 
und  unterwarf  sie  wieder.    Dann  aber  überzog  der  assyrische 

1)  Easeb.  Can.  z.  J.  Abr.  481. 

2)  M^nant,  Annales  des  rois  d'Assyrie  p.  60. 

3)  Schrader,  Die  Keüinschriften  und  das  alte  Testament  S.  157. 
194.  210.  207.  213  (2.  Aufl.).  4)  Sckzader  S.  260.  262. 

5)  Mänant  p.  144;  vgl.  Schrader  S.  169. 

6)  Menander  bei  Jos.  A.  J.  IX,  14,  2. 

7)  So  Codd.  Samb.  Big.  (vielleicht  »  Pil-eser).  [Nach  Niese  lesen 
der  Codex  Marcianus  331  nvlag,  die  Codices  Vindob.  («»  Sambuci)  und 
Paris.  1419  (»»  Bigotianus)  nvlag^  der  Parisinas  1421  und  der  Oxoniensis 
^vag.    F.  R.] 

y.  OuTBOHiOD,  Kleine  Schriften.   II.  5 


66  DIE  PHOENICIER. 

König  Sbalman-eser  IV.  ^)  Phönicien  mit  Ejrieg,  und  Sidon, 
Ake,  Palätyros  und  viele  andere  Städte  fielen  von  den  Ty- 
riem  ab  und  unterwarfen  sich  ihm.  Damit  war  ein  neues 
Reich  constituirt,  dessen  König  (E)luli;  nach  seinem  Namen 
zu  schliessen  wohl  ein  Verwandter  des  Tyrischen,  bald  dar- 
auf als  Besitzer  von  Gross-Sidon^),  Klein-Sidon  (vielleicht  von 
Palätyros  nicht  yerschie'den);  Beth-Zitti,  Sarepta,  Mahallib^ 
Ushü^  Ekdippa  und  Ake  erscheint.  Da  Inseltyros  sich  nicht 
ergab;  so  zog  Shalman-eser  ein  zweites  Mal  gegen  die  stolze 
Stadt,  und  die  Phönicier,  deren  particularistische  Eifersucht 
geweckt  war,  stellten  ihm  60  Kriegsschiffe  und  800  Barken.') 
Die  Tyrier  errangen  mit  nur  12  Schiffen  einen  entscheiden- 
den Seesieg,  und  der  König  zog  ab,  die  Blokade  dauerte  aber 
fort,  und  da  die  Theuerung  in  der  Stadt  gross ^)  und  nur 
Cisternenwasser  zum  Trinken  da  war,  so  entschlossen  sich 
die  Tyrier,  wie  es  scheint,  nach  Ablauf  von  fünf  Jahren  zur 
Capitulation.  Die  Belagerung  mag  etwa  gleichzeitig  mit  der 
von  Samaria  begonnen,  also  724 — 720  gedauert  haben.  Als 
ungefähr  715  Tyros  von  ionischen  Seeräubern  bedroht  wurde, 
rettete  es  König  Sargon  aus  ihrer  Hand.^)  Diese  Verhält- 
nisse bilden  den  geschichtlichen  Hintergrund  von  Sagen,  wie 
der  in  den  cyclischen  ^yprien^)  vorkommenden  von  der  Er- 
stürmung Sidons  durch  Priamos'  Sohn  Alexander.  Der  neue 
König  von  Sidon  erwies  sich  nicht  als  zuverlässig:  Sanherib 
zog  gegen  den  (E)luli  und  nötbigte  ihn  zur  Flucht  nach 
Cypem,  Ithobal  wurde  an  seine  Stelle  gesetzt  und  der  Tribut 
desselben  normirt  (701);  bei  Ushü  nahm  der  Assyrerkönig 

1)  Nach  den  Spuren  der  beiden  besten  Handschriften  Paris.  1421  nnd 
Ozon,  ist,  wie  mir  Prof.  Niese  mittheilt,  inl  xovtov  JSsXdfi'iffas  zn  schreiben. 
[inl  Tovtovg  ^^dfitpag  Paris.,  inl  tovtovg  iXafi'fpag  Ozon.,  inl  tovtovg 
uiiiilfag  die  übrigen  Handschriften;  contra  qnos  denno  Salmanassis  — 
insurgens  die  lateinische  Uebersetzung.  VgL  Josephas  ed.  l^iese  II 
S.  826.    F.  R.]  2)  Dieselbe  Bezeichnung  wie  Josua  19,  28. 

S)  ini%oinovg  oxtanociag  ist  mit  Codd.  Samb.  Big.  za  schreiben. 
[Niese  h&lt  an  der  unsinnigen  Lesart  der  übrigen  Handschriften  oxra- 
xoaiovg  fest.    F.  R.] 

4)  Ich  theile  ab  imta^  S'  rj  [so  auch  Codd.  Samb.  Big.  F.  R.] 
für  L  Sri.      &)  Schrader  S.  169       6)  Proklos  p.  2S4,  22  ed.  Westphal. 


6.  BßüCHSTÜECKE  DER  PflOENlCISCHEN  GESCHICHTE.    67 

die  Hal(tigungen  und  Gaben  der  phonicischen  Könige  ent- 
gegen, unter  denen  die  von  Sidon,  Arados  und  Byblos,  nicht 
aber  der  von  Tyros,  genannt  werden.^)  Die  rohe  ünbehülf- 
lichkeit  der  assyrischen  Herrschaft  geht  aus  diesen  Daten 
zur  Genüge  hervor;  nach  dem  Misserfolge  Sanheribs  wurde 
sie  sogar  eine  Zeit  lang  durch  die  über  Aegypten  gebietende 
äthiopische  Dynastie  ernstlich  in  Frage  gestellt.  Damit  hängt 
vermuthlich  die  misslungene  Erhebung  des  Königs  Abdimilkut 
Ton  Sidon  zusammen,  die  ein  furchtbares  Strafgericht  von 
Seiten  Esarhaddons  zur  Folge  hatte:  Sidon  wurde  ausgemordet 
und  zerstört,  ein  Theil  der  Einwohner  in  die  Gefangenschaft 
gefuhrt,  Abdimilkut  sammt  seinem  Bundesgenossen  Sandu- 
arri,  dem  Fürsten  der  Berglandschaften  Kundun  und  Sizu, 
zu  dem  er  geflohen  war,  gefangen  und  enthauptet,  680.^) 
Eine  Weile  lang  war  es  nun  stille  .im  Lande;  Tribute  des 
Königs  Baal  I.  von  Tyros  und  der  Könige  von  Byblos  und 
Arados  werden  in  den  Jahren  673  und  667  erwähnt.^)  Es 
dauerte  aber  nicht  lange,  so  erwies  sich  auch  Baal  als  un* 
botmässig;  König  Ashurbaj^ipal  zog  gegen  ihn  und  machte 
ihn  durch  Blokirung  von  Tyros  so  mürbe,  dass  er  sich  unter- 
warf und  seine  Töchter  und  Nichten  in  den  Harem  seines 
Oberherren  schickte;  sein  Sohn  Jamilki  erhielt  des  Vaters 
Königreich  (frühestens  662).  Auch  Jakinlu  von  Arados 
unterwarf  sich  damals  und  lieferte  ebenfalls  seine  Tochter 
für  den  Harem  nach  Nineve  aus;  es  half  ihm  aber  doch 
nichts,  bald  darauf  wlirde  er  abgesetzt  und  musste  seinem 
Sohne  Azibaal  Platz  machen.^)  Der  Bruderkrieg  zwischen 
Ashurbänipal  und  Shamashshumukin  machte  es  um  650 
ausser  anderen  Ländern  auch  Phönicien  möglich,  das  assy- 
rische Joch  abzuschütteln^),  ohne  Kampf,  wie  es  scheint. 
Hatten  die  Assyrer  ihre  absolute  Unfähigkeit,  Dauerndes  zu 
schaffen,  an  den  Tag  gelegt,  ihre  Virtuosität  im  Zerstören 
haben  sie  auch  in   Phönicien  nicht  verleugnet;   ihre   Ober- 

1)  Schrader  p.  286.  288.  301. 

2)  Mäaant  p.  241  f.     [Vgl.   daza   Tiele,   Babylonisch  •  assyrische 
Geechichte  II  S.  329.  843.  346  f.     F.  B.]  3)  Schrader  p.  355. 

4)  M^nant  p.  267  f.  278.  5)  Schrader  p.  370. 

6* 


68  DIE  PHOENICIER. 

herrschaft  hat,  wenn  auch  nicht  den  eigentlichen  Grund^ 
aber  doch  den  äusseren  Anstoss  des  Verfalls  von  Tyros 
nach  Innen  und  nach  Aussen  gegeben.  Pompejus  Trogus 
erzählt^):  die  Tyrier  seien  aus  langen  und  wechselvollen 
Kriegen  mit  den  Persern  zwar  als  Sieger  hervorgegangen, 
die  Bürgerzahl  sei  aber  dadurch  so  zusammengeschmolzen, 
dass  sie  von  ihren  an  Zahl  überwiegenden  Sklaven  über- 
wältigt und  sammt  und  sonders  ermordet  worden  seien;  der 
einzige  Straton  sei  mit  seiner  Familie  von  einem  treuen 
Sklaven  gerettet  und  in  Folge  einer  Probe  seltener  Klugheit 
von  den  Sklaven,  die  hieran  die  Ueberlegenheit  des  freien 
Mannes  erkannten,  zum  Konig  gewählt  worden:  dieser 
Straton  (d.  i.  Abdastart  III.)  sei  der  Stammvater  aller  folgen- 
den Konige  geworden.  „Perser"  kann  nur  ein  ungenauer 
808  B Ausdruck  für  „Assyrer"  sein^),  die  Katastrophe  muss  sich 
bald  nach  den  eben  erzählten  Begebenheiten  zugetragen 
haben.  In  dieselbe  Zeit  fallt  auch  das  Sinken  der  äusseren 
Macht  von  Tyros,  dessen  einzelne  Acte  uns  entweder  gar 
nicht  oder  nur  ganz  im  AUgemeipen  bekannt  sind,  das  sich 
aber  an  einer  Reihe  von  Symptomen  sicher  erkennen  lässt. 
Die  nächste  Folge  der  Ausbreitung  der  assyrischen  Macht 
an  das  mittelländische  Meer  war  ihre  Festsetzung  auf  Cypern 
(709);  die  westlicher  gelegenen  griechischen  Inseln  waren 
von  den  Phoniciem  schon  vorher  nach  und  nach  geräumt 
worden,  nach  griechischer  Auffassung  in  Folge  der  dorischen 
Wanderung  nach  dem  Westen  von  Kleinasien,  was  richtig 
ist,  sobald  man  darunter  nicht  einen  einzelnen  im  11.  Jahr- 
hundert V.  Ch.  erfolgten  Act,  sondern  die  Gesammtheit  der 
von  da  an  Generationen  lang  sich  fortsetzenden,  von  Argos 
ausgehenden  Colonialzüge  in  jene  Gegenden  versteht,  eine 
Entwicklung,  von  der  nur  soviel  feststeht,  dass  sie  vor  der 


1)  Justin.  XVIII,  S,  6  ff. 

2)  Von  687—480  sind  uns  die  Könige  bekannt,  unter  denen  kein 
Straton  ist,  anderseits  folgt  aus  dem  über  den  Sohn  and  die  Enkel 
Stratons  Gesagten,  dass  die  Sache  sich  nicht  nach  890  zugetragen 
haben  kann;  in  der  Zwischenzeit  aber  sind  E&mpfe  der  Tyrier  mit 
den  Persem  weder  überliefert  noch  wahrscheinlich. 


6.  BBüCHSTÜECKE  DER  PHOENICISCHEN  GESCHICHTE.     69 

Mitte  des  achten  Jahrhanderts  zu  Ende  war.  Der  nörd- 
lichste von  den  Phöniciem  im  ägäischen  Meere  besetzte 
Punkt,  Thasos^  war  bereits  von  ihnen  verlassen,  als  der  Vater 
des  Dichters  Archilochos  um  das  Jahr  708  eine .  Parische 
Colonie  nach  dieser  Insel  fährte.  In  directem  zeitlichem 
Zusammenhange  mit  dem  Verluste  der  Unabhängigkeit  von 
Tyros  steht  der  seiner  westlichen  Colonien.  Um  701  er- 
wartete Jesaja^)  den  Abfall  von  Tartessos;  als  der  Samier 
Koläos  639  als  erster  unter  allen  Griechen  dahin  gelangte, 
fand  er  von  phönicischer  Concurrenz  keine  Spur  mehr^): 
unter  solchen  Umständen  dQrfte  eine  rationalistische  Deutung 
der  von  einem  zeitgenössischen  Dichter^)  bezeugten  150 jähri- 
gen Herrschaft  des  Arganthonios  über  Tartessos  auf  eine 
150jährige  Dauer  seines  Reiches,  das  also  (da  er  545  starb) 
695  entstanden  sein  würde,  nicht  unberechtigt  sein.  Auf 
Sicilien  nahm  das  Zurückweichen  der  Phönicier  mit  der 
Gründung  von  6ela,  der  ersten  griechischen  Colonie  an  der 
Südküste,  690  seinen  Anfang,  und  erhielt  mit  der  Anlage 
von  Himera  (648)  und  Selinus  (628),  die  beide  hart  an  der 
Grenze  des  dem  phönicischen  Elemente  verbleibenden  Gebiets 
im  Nordwesten  der  Insel  lagen,  seinen  Abschluss.  Mitten 
in  diese  Zeit  hinein  fällt  die  Besetzung  der  Insel  Ebusos 
auf  der  Fahrstrasse  nach  Spanien  durch  die  Karthager  654^), 
ein  Schritt,  der  deutlich  den  Zweck  hatte,  zu  retten,  was 
sich  noch  retten  liess.  Bald  darauf  entrissen  die  Griechen, 
die  wegen  ihrer  geistigen  Ueberlegenheit  ungleich  gefähr- 
lichere Gegner  waren,  als  die  rohen  Assyrer,  den  Phöniciern 
den  einträglichen  Handel  mit  Aegypten,  als  dieses  von 
Psammetich  650  den  Fremden  geöffiiet  wurde;  es  ist  be- 
zeichnend, dass  Ezechiel  in  seiner  sehr  vollständigen  Auf- 
zählung der  Tyrischen  Handelsgebiete  Aegypten  völlig  mit 
Stillschweigen  übergeht. 

Als  die  assyrische  Macht  in  den  letzten  Zügen  lag, 
legten  die  ägyptischen  Könige  die  Hand  auf  Phönicien,  um 
zu  verhüten,   dass  es  nicht  wieder  Beute  eines   asiatischen 

1)  23,  10.  2)  Her.  IV,  162.  3)  Anakreon  fr.  8. 

4)  Diod.  V,  16. 


70  DIE  PflOENICIER. 

Eroberers  würde;  ihre  Herrschaft  war  aber  von  kurzer  Dauer 
und  endete  mit  Nechos  Niederlage  durch  Nebukadnezar  bei 
Earchemish  (605) ,  worauf  die  Cbaldäer  ihre  Stelle  ein- 
nahmen.. Als  Hophra  Eonig  von  Aegypten  geworden  war, 
suchte  er  Phonicien  den  Chaldäern  zu  entreissen:  er  nahm 
Sidon  mit  Sturm  ein,  brachte  die  übrigen  Städte  auf  seine 
Seite  und  besiegte  die  Flotte  der  Phönicier  und  Kyprier, 
die  vom  König  von  Tyros  befehligt  wurde,  in  einer  See- 
schlacht^); überall  wurde  die  den  Ohaldäem  feindliche  Partei 
aus  Ruder  gebracht,  der  auch  der  neue  König  von  Tyros 
Ithobal  II.  angehörte  (589).  Als  aber  dann  die  Chaldäer 
kamen  und  Jerusalem  belagerten,  brachte  er  es  nur  bis  zu 
einer  schwächlichen  Demonstration  und  war  nicht  im  Stande 
zu  verhindern,  dass  Nebukadnezar  nach  dem  Fall  von  Jeru- 
salem zur  Belagerung  von  Tyros  schritt.  Trotz  des  Ver- 
lustes seiner  meerbeherrschenden  Stellung  war  Tyros  noch 
immer  eine  reiche  und  mächtige  Stadt  und  widerstand  den 
Chaldäern  13  Jahre  (587—574).^)  Ezechiel  sagt  uns,  Nebu- 
kadnezar habe  sein  Heer  einen  schweren  Dienst  thun  lassen 
gegen  Tyros,  und  Lohn  sei  nicht  ihm  und  seinem  Heere 
geworden  von  Tyros.  Dieser  unbefriedigende  Ausgang  be- 
stand wahrscheinlich  darin,  dass  die  Tyrier  unter  günstigen 
Bedingungen  capitulirten;  denn  die  Regierung  des  den  Chal- 
däern feindlichen  Ithobal  endigte  mit  der  Belagerung  zu- 
gleich, und  die  Königsfamilie  befand  sich  später  in  Babylon, 
offenbar  um  so  den  jeweiligen  Regenten  im  Schach  zu  halten.') 
Nach  dem  Tode  des  vom  Chaldäerkönige  eingesetzten  Königs 
Baal  IL  (574  —  564)  wurde  von  den  Tyriem  eine  republi- 
kanische Verfassung  eingeführt;  an  der  Spitze  stand  erst 
ein  Suffet,  dem,  als  er  nach  Ablauf  von  zehn  Monaten  starb, 
für  den  Rest  des  Jahres  ein  anderer  sufficirt  wurde,  dann 


1)  Her.  U,  161.    Diod.  I,  68. 

2)  Die  Tyrischen  Annalen  bei  Jos.  c.  Ap.  I,  21.  Die  lange  Dauer 
der  Belagerung  wird  bestätigt  und  die  Zeit  genaner  bestimmt  dnrch 
Ezooh.  26,  1—2.  7;     29,  17-18. 

8)  Vgl.  Winer,  De  Nebncadnezaria  expugnatione  Tyri  ad  Ezechielis 
vaticinia  26—28.    Pfingstprogramm  von  Leipzig  1848.   4^ 


5.  BRÜCHSTÜECKE  DER  PHOENICISCHEN  GESCHICHTE.    71 

folgte  während  dreier  Monate  ein  Interregnum  des  Hoben- 
priesters  Abbar,  dann  wurde  der  Staat  sechs  Jahre  lang 
▼on  zwei  SufFeten  geleitet  (vermuthlich  einem  für  InseltyrosSOSA 
und  einem  für  Palätyros).  Nach  diesen^)  wurde  wieder  ein 
Eonig  gewählt  in  der  Person  des  Balatoros,  der  aber  nur 
ein  Jahr  (557  —  556)  am  Ruder  blieb;  die  beiden  folgenden 
Eonige  y  Merbal  (556  —  552)  und  sein  Bruder  Hirom  IIL 
(552 — 532),  wurden  aus  Babylon  geholt,  unter  dem  letz- 
teren ging  PhSnicien;  ohne  dass  irgend  etwas  von  Wider- 
stand oder  Eämpfen  verlautete,  538  aus  den  Händen  der 
Ghaldäer  in  die  der  Perser  über;  Oypem  wurde  bei  dieser 
Gelegenheit  von  Amasis  von  Aegypten  besetzt.^)  So  rühm- 
lich der  dreizehnjährige  Widerstand  der  Tyrier  gegen  die 
Uebermacht  der  Ghaldäer  gewesen  war,  er.  hatte  ihre  Eräfte 
auf  das  Aeusserste  erschöpft,  und  die  folgenden  inneren  Un- 
ruhen vollendeten  den  Buin  der  meerbeherrschenden  Stadt, 
die  von  nun  an  hinter  Sidon  zurücktritt.  Diese  Lage  ver- 
anlasste die  Earthager,  sich  von  der  Mutterstadt  zu  eman- 
cipiren  und  sich  auf  eigene  Füsse  zu  stellen:  gerade  in  diese 
Zeit,  etwa  in  die  Jahre  538  —  521^,  fällt  die  politische 
Thätigkeit  Hannos  des  Grossen,  des  eigentlichen  Begründers 
des  karthagischen  Staates,  dem  nachgerühmt  wird,  dass  er 
seine  Mitbürger  aus  Tyriern  zu  Afrikanern  gemacht  habe.^) 
Das  Abhängigkeitsverhältniss  machte  einem  Pietätsverhält- 
nisse Platz. 


1)  So  ist  mp  i^sta^v  bei  Menander  zu  Übersetzen. 

2)  Her.  II,  182. 

S)  Jastin,  der  XIX,  1,  1  von  seinem  Mago  dasselbe  berichtet, 
was  Andere  von  Hanno,  ermöglicht  eine  Zeitbestimmung;  denn  die 
XVni,  7,  1  erw&hnte  Niederlage  ist  die  im  Sunde  von  San  Bonifekcio 
638  an  die  Phokäer  verlorene  Seeschlacht  und  der  XIX,  1,  7  erwähnte 
Krieg  mit  einem  spartanischen  Prinzen  auf  Sicilien  ist  äer  610  mit 
Doriens  geführte,  was  nach  Abzog  der  11  Dictatoreigahre  des  Has- 
dmbal  das  obige  Resnltat  erglebt. 

4)  Dion  Chrysost.  Gr.  XXV,  7  p.  328  Emp. 


72  DIE  PHOENICIER. 

6.   Verfassung. 

Es  ist  die  Vermuthung  ausgesprochen  worden^  dass 
Tyros  in  der  ältesten  Zeit  unter  zwei  Suffeten  gestanden 
habe,  weil  diese  in  der  Tochterstadt  Karthago  an  der  Spitze 
stehen;  allein  Rückschlüsse  aus  der  karthagischen  Verfassung 
sind  höchst  unsicher,  weil  diese  von  Alters  her  republikanisch 
war  und  ausserdem  vielfache  Veränderungen  erlitten  hat.^) 
Vielmehr  spricht  die  Analogie  der  anderen  Eanaanäer  dafür, 
dass  das  Eönigthum  in  den  einzelnen  Städten  die  ursprüng- 
liche Regierungsform  gewesen  ist.  Die  Eönigsgeschlechter 
galten  als  von  den  Göttern  abstammend;  nur  aus  ihnen 
konnte  der  Eonig  gewählt  werden.')  Dem  Eönige  gehörte 
das  Land,  grossei:  äusserer  Glanz  umgab  ihn^),  aber  seine 
Macht  war  beschränkter,  als  sonst  im  Orient,  weil  die  ent- 
wickelte Selbstthätigkeit  des  Bürgerthumes  ihm  Schranken 
zog;  es  kommt  vor,  dass  in  Tjros  in  Abwesenheit  des 
Eönigs,  in  Sidon  gegen  seinen  Willen  über  Erieg  und 
Frieden  entschieden  wird.*)  Der  Hohepriester  des  Herakles 
hatte  in  Tyros  den  zweiten  Rang  nach  dem  Eönige^);  «das 
Amt  wurde  daher  gern  mit  Verwandten  des  Eönigs  besetzt. 
Dem  Eönige  stand  ein  Rath  der  Aeltesten  zur  Seite,  der 
wenigstens  in  Sidon  aus  100  bestand");  die  vornehmsten 
derselben  waren  die  zehn  Ersten,  die  in  Marathos^  und 
Karthago^)  vorkommen,  ursprünglich  wohl  die  Häupter  der* 
vornehmsten  Geschlechter.  Der  dritte  Factor  im  Staate  war 
das  Volk;  die  Zahl  der  Freien  wurde  weit  überwogen  von 
den  Sklaven,  so  dass  diese  sich  in  Tyros  sogar  der  Herr- 
schaft bemächtigen  konnten.*)  Unter  den  Persem  bestand 
eine  Bundesverfassung,  als  deren  Urheber  man  den  grossen 
Organisator  Dareios  I.  ansehen  möchte:  Glieder  des  Bundes 


1)  Dnncker,  Geschichte  des  Alterthnms  II  S.  212  (5.  Aufl.). 

2)  Curt.  IV,  1,  17.  3)  Ezech.  28,  13. 
4)  Arrian.  An.  11,  15,  16.     Curt.  IV,  1,  16. 

6)  Just.  XVm,  4,  6.  6)  Diod.  XVI,  46. 

7)  Diod.  II  p.  628  Wess.  [XXXIÜ,  ö,  2  Dind.]. 

8)  Just.  XVIII,  6,  1.  *)  [Siehe  oben  S.  68.     F.  R.] 


6.  VERFASSUNG.    7.  PHOENICIEN  UNTER  DEN  PERSERN.     73 

waren  Sidon^  Tyros  und  AradoB,  von  welchen  Städten  Sidon 
die  Yomehmste  war;  sie  stellten  zusammen  300  Trieren  für 
die  persische  Flotte  ^)y  die  kleineren  Städte  mussten  ihre 
Contingente  denen  der  grösseren  unterordnen  und  waren 
wohl  auch  sonst  von  den  letzteren  abhängig.  Es  gilt  dies 
nicht  bloss  von  Orten  wie  Marathos^  Sigon,  Mariamme,  die 
zu  Arados  gehörten'),  sondern  sogar  yon  Byblos,  obgleich 
dies  unter  eigenen  Königen  stand  und  sich  in  der  Perser- 
zeit, wie  man  aus  seinen  zahlreichen  Münzen  und  Inschriften 
schliessen  darf,  einer  besonderen  Blüthe  erfreute.  Dass 
Könige  von  Berytos  in  historischer  Zeit  nie  erwähnt  wer- 
den, obschon  uns,  von  Tyros  ganz  abgesehen,  die  Namen  von 
16  Sidonischen^  10  Byblischen  und  8  Aradischen  Königen 
bekannt  sind,  ist  zu  auffällig,  um  als  blosser  Zu&ll  gelten 
zn  können:  wahrscheinlich  bildeten  Berytos  und  Byblos  ein 
Reich,  dessen  Sitz  nur  in  der  ältesten  Zeit  in  Berytos,  später 
in  Byblos  war.  Bundesstadt  war  Tripolis^  das  aus  drei 
Städten  bestand,  je  einer  der  Sidonier,  Tyrier  und  Aradier, 
deren  jede  von  der  anderen  durch  einen  Zwischenraum  von 
einem  Stadium  getrennt  war.')  Hier  tagte  das  gemeinsame 
Synedrion  unter  dem  Vorsitze  der  Könige  der  drei  leitenden 
Städte,  welche  von  den  Senatoren  derselben  (zusammen  wohl 
300)  als  Berathern  nach  Tripolis  begleitet  wurden.  Ver- 
handelt wurde  von  dem  Synedrion  über  alle  gemeinsamen 
Landesangelegenheiten,  namentlich  die  Beziehungen  zur  per- 
sischen Begierung,  deren  Vertreter  zu  diesem  Zwecke  nach 
Tripolis  kamen. 

7.   Phönicien  unter  den  Persern. 

PhÖnicien  bildete  unter  Dareios  I.  mit  Palästina  und 
Cypem  die  fünfte  Satrapie,  deren  Steuer  350  Talente  baby- 
lonischer Silberwährung  (=  99296  Pfd.  Steri.)  betrug.*)    Die 


1)  Her.  Vn,  96-99.       2)  Aman.  An.  II,  18.      8)  Diod.  XVI,  41. 

4)  Her.  III,  91.  [Wie  Gntschmid  zn  dieser  ßeduction  gekommen  sei 
war  mir  anklar  geblieben;  Herrn  OberBchulrath  Dr.  HnItsch  in  Dresden 
yerdanke  ich  folgende  Anfkl&rung.  „Kach  Mommsen,  Geschichte  des 
römischen  Mfinzwesens  S.  900  (Traduction  Blacas  III  S.  491)  betr&gt 


74  DIE  PHOENICIER. 

SOSßPhonicier  waren  den  Persem  wegen  ihrer  Flotte  unent- 
behrlich und  wurden  deshalb  von  ihnen  rücksichtsvoller  be- 
handelt;  als  andere  Unterthanen;  da  sie  überdies  mit  den 
Persern  gemeinsame  Interessen  den  Griechen  gegenüber 
hatten,  so  waren  sie  die  loyalsten  unter  allen  Angehörigen 
der  persischen  Monarchie.  Nach  dem  Sinken  der  Macht  von 
Tyros  war  Sidon  wieder  die  leitende  Stadt  und  wurde  als 
solche  von  den  Persern  officiell  anerkannt.  Zum  Zuge  des 
Xerxes  gegen  Griechenland  (480)  stellten  die  Phönicier  300 
Trieren;  es  waren  die  bestsegelnden  Schiffe  der  ganzen  Flotte, 
und  unter  den  phönicischen  wieder  waren  es  die  Sidonischen. 
Gefuhrt  wurden  sie  von  ihren  Konigen,  unter  denen  Tetram- 
nestos  von  Sidon  die  erste  Stelle  einnahm.^)  Von  einem 
seiner  Nachfolger  rührt  die  grösste  uns  bekannte  phönici- 
sche  Inschrift  her.^)  In  ihr  wird  der  im  Monat  Bul  seines 
14.  Jahres  vor  der  Zeit  verstorbene  Eshmun^azar^  König  der 
Sidonier,  redend  eingeführt  Seine  Eltern,  Konig  Tabnit  und 
Königin  Amm'ashtart,  die  Priesterin  der  Astarte,  waren' 
beides  Kinder  des  Eshmun^azar,  Königs  der  Sidonier,  also 
nach  ägyptischer  Weise  in  Geschwisterehe  vereinigt.^)  Esh- 
mun^azar  IL  und  seine  Mutter  bauten  der  Astarte,  dem  Esh- 
mun  und  den  Göttern  von  Sidon  Ba^al-^^^^^i^  ^^^  ^Ashtart- 
shem-Ba'al  Tempel,  und  für  diese  Werke  wurde  ihnen  der 
Lohn  zu  Theil,  indem  ihnen  der  König  der  Könige  Dor  und 
Japho  schenkte.     In   dem  Namen  Tabnit   ist  der  von   den 

der  babylonische  Silberstater  19,3  Groschen  der  früheren  Thalerwähnmg, 
mithin  das  babylonische  Talent  als  das  SOOGÜEMshe  1930  Thaler  »  5790  M. 
Die  Mark,  welche  genau  =»  0,04896«^  zu  setzen  ist  (Hultsch,  Metrologie 
S.  26  der  2.  Aufl.)  hat  der  Verfasser  rund  zu  0,049  £  gerechnet  und 
hiernach  das  babylonische  Talent  zu  283,7  £  angesetzt."    F.  R.] 

1)  Her.  VII,  89.  96.  98.     VIII,  67. 

2)  G.  I.  Sem.  I  No.  3.  [Der  englische  Text  ist  hier  viel  kürzer, 
giebt  dagegen  einen  dem  hier  Folgenden  entsprechenden  Stamm- 
baum.   F.  R.] 

3)  Auch  der  Steinsarg  ihres  Sohnes  ist  in  völlig  ägyptischem 
Style  gehalten.  Doch  erinnert  mich  Robertson  Smith  mit  Recht  an 
Stellen  wie  IL  Sam.  13, 18,  aus  denen  hervorgeht,  dass  Ehen  unter 
Geschwistern  von  verschiedenen  Müttern  auch  ausserhalb  Aegyptens 
erlaubt  waren. 


7.   PHOENICIEN  UNTER  DEN  PERSERN.  75 

Griechen  Tiwtig  ausgesprochene  wiedererkannt  worden;  da 
aber  dessen  Nachfolger  und  Vorgänger  beide  Straton  heissen^ 
so  kajin  es  nur  sein  Grossvater  sein:  wahrscheinlich  ist  da- 
mals im  Sidonischen  Eonigshause  regelmässig  der  Name  des 
Grossvaters  in  dem  des  Enkels  wiederholt 'worden ,  so  dass 
also  Eshmun^azar  II.  als  älterer  Bruder  Stratons  I.  anzusehen 
ist.^)  Auf  den  letzteren  bezieht  sich  yermuthlich  eine  der- 
selben Zeit  angehorige  phonicische  Inschrift^),  eine  Schenkung 
an  Astarte  seitens  des  Bod^ashtart^  Königs  der  Sidonier^  aus 
dem  Anfangsjahre  seiner  Regierung  betreffend.  Da  Straton  II. 
332  eigene  Politik  trieb'),  war  er  damals  wenigstens  ein 
mittlerer  Zwanziger;  die  zwei  vorhergehenden  Generationen 
zu  je  30  Jahren  gerechnet,  kämen  wir  mit  der  Geburt  der 
beiden  Sohne  des  Tabnit  I.  auf  ungefähr  418  und  417.  Nun 
ergiebt  sich  aus  der  Inschrift  Eshmun'azars  IL  mit  voller 
Deutlichkeit,  dass  er  unter  der  Begentschaffc  seiner  Mutter 
stand  und  vor  erlangter  Volljährigkeit  starb:  also  ist  sein 
Tod  und  damit  die  Inschrift  um  400  zu  setzen;  das 
Geschenk  des  Grosskönigs  verdienten  sich  die  Sidonischen 
Herrscher  vielleicht  dadurch,  dass  sie  beim  Zuge  des  jüngeren 
Eyros  treu  geblieben  waren.  Sicher  ist,  dass  Eshmun'azar  IL 
nicht  der  Eonig  der  Sidonier  war,  der  396  die  80  phönici- 
sehen  Schiffe  befehligte,  die  zum  Eonon  stiessen.^)  Vielleicht 
war  dies  der  erste  Anstoss  zu  den  freundschaftlichen  Be- 
ziehungen zwischen  Sidon  und  Athen,  von  denen  uns  ein 
Proxeniedecret  f^  Straton  L^)  Eunde  giebi  Tyros  war  da- 
mals ganz  ohnmächtig;  zwischen  391  —  386  wurde  es  von 
Euagoras  von  Salamis  erstürmt^),  der  schon  vorher  auf 
Cypern  dem  griechischen  Elemente  wieder  das  Uebergewicht 
über  das  phonicische  verschafft  hatte  und,  damals  in  Eriegs- 
zustand  mit  dem  Grosskonig  beündlich,  die  phonicische  Eüste 


1)  Von  mir  nachgewiesen  in  den  Neuen  Jahrbüchern  für  Philo- 
logie nnd  Pädagogik  LXXV  (1867)  S.  613.  [oben  S.  9f.;  vgl.  Band  I 
S.  812.]  2)  C.  I.  Sem.  I  No.  4. 

8)  Curt.  IV,  1,  16.  4)  Diod.  XIV,  79. 

6)  C.  L  Gr.  I  No.  87.  [«  C.  I.  A.  II  No.  86.] 

6)  Isokr.  Paneg.  §  161.  Eaag.  23,  62;  Diod.  XV,  2. 


76  DIE  PHOENICIEB. 

verwüstete.  Mit  seinem  Sohne  Nikokles  unterhielt  der  Sido« 
nisehe  Straten  freundschaftliche  Beziehungen;  beide  wett- 
eiferten in  Schwelgerei  und  beide  nahmen,  in  den  grossen 
Satrapenaufstand  verwickelt;  ein  unglückliches  Ende.^)  Als 
der  ägyptische  König  Tachos  die  Offensive  gegen  Persien 
ergreifend  in  Phonicien  eindrang,  war  Straton  unvorsichtig 
genug,  sich  in  ein  Bündniss  mit  ihm  einzulassen,  in  Folge 
eines  in  Aegypten  im  Rücken  des  Tachos  ausgebrochenen 
Aufstandes  schlug  aber  der  Feldzug  fehl,  und  Straton  war 
nun  allein  der  Rache  der  Perser  ausgesetzt.  Sein  Weib 
todtete  den  Zaudernden,  der  im  Begriff  war,  seinen  Feinden 
in  die  Hände  zu  fallen,  und  dann  sich  selbst  (361).')  Unter 
seinem  Nachfolger  Tennes  IL  erhob  sich  Sidon,  das  uns  da- 
mals als  eine  reiche  Stadt  mit  gewaltigen  Hülfsmitteln  ge- 
schildert wird,  von  Neuem  gegen  die  Perser,  gereizt  durch 
Unbilden,  die  seinen  Bürgern  auf  dem  Bundestage  von  Tri- 
polis von  Seiten  der  persischen  Machthaber  zugefögt  worden 
waren.  Die  Sidonier  verbanden  sich  auch  diesmal  mit  dem 
ägyptischen  Könige  Nektanebos  IL,  rissen  das  übrige  Pho- 
nicien mit  sich  fort  und  begingen  eine  Reihe  demonstrativer 
Gewaltthaten,  durch  die  sie  den  Bruch  mit  ihrem  Oberherrn 
unheilbar  machten.  Anfangs  Hessen  sich  die  Dinge  gut  an, 
die  Satrapen  von  Syrien  und  Kilikien  wurden  von  Tennes, 
dem  von  Aegypten  4000  griechische  Söldner  unter  dem 
Rhodier  Mentor  zu  Hülfe  geschickt  worden  waren,  aus  Pho- 
nicien herausgeschlagen./  Die  Interessen  des  politisch  macht- 
losen phönicischen  Königthums  deckten  sich  aber  nur  in 
geringem  Grade  mit  denen  der  Bürgerschaft,  und  es  trat  ein, 
was  auch  bei  den  in  analoger  Lage  befindlichen  spartanischen 
Königen  wiederholt  vorgekommen  ist:  Tennes  verrieth  sein 
eigenes  Volk.  Längst  hatte  er  sich  mit  Artaxerxes  HI.  ins- 
geheim in  Verbindung  gesetzt,  und  als  dieser  in  Person  in 
der  Nähe  von  Sidon  erschien,  lieferte  Tennes  ihm  zunächst 
100  Senatoren  aus,  die  «r  unter  dem  Verwände,  den  Bundes- 
tag  in   Tripolis   besuchen   zu    wollen,   mitgenommen   hatte, 

1)  Theopompos  und  Anaximeaes  bei  Ath..  XII  p.  531. 

2)  Hieron.  adv.  Jovinian.  I,  46  (II,  1  p.  Sil  G.  ed.  YalL). 


7.   PflOENIClEN  UNTER  DEN  PERSERN.  77 

worauf  die  Perser  diese  zusammenschössen^  uud  dann  spielte 
er  ihm  im  Einverstäudniss  mit  Mentor  die  Stadt  in  die 
Hände.  Als  die  Sidonier  sahen  ^  dass  alles  verloren  war, 
schlössen  sie  sich  in  ihre  Häuser  ein  und  verbrannten  sich 
in  denselben  mit  Weib  und  Kind;  über  40000  sollen  damals 
umgekommen  sein.  Der  Perserkönig  Hess  den  Yerräther 
umbringen,  als  er  ihn  nicht  mehr  brauchte.^)  Diese  Kata- 
strophe trug  sich  345  zu^;  der  Schrecken,  den  sie  verbreitete, 
hatte  die  Unterwerfung  der  übrigen  Städte  zur  Folge.  Aus 
dem  Jahre  vorher  ist  uns  eine  Schilderung  des  damaligen 
Besitzstandes  in  Phönicien  durch  den  den  Namen  des  Skylax 
tragenden  Periplus^)  erhalten.  Sie  zeigt  uns  den  Besitz  der 
Sidonier  und  Tyrier  bunt  durcheinander  gewürfelt:  den 
Ersteren  gehorte  der  Küstenstrich  von  Leontopolis  bis  Orni- 
thopolis,  eine  Stadt  Arados  in  der  Gegend  des  späteren 
Sykaminon,  endlich  Doros,  das  Eshmun'azar  H.  geschenkt 
erhalten  hatte,  den  Tyriern  Sarepta,  Exope  (?)  in  der  Gegend 
des  späteren  Kalamon,  weiter  nach  Süden  eine  Stadt,  wie 
es  scheint  Kirtha,  endlich  Askalon.  Diese  wichtige  Stadt 
in  Tyrischen  Händen  zu  sehen  ist  sehr  aufföUig  und  hängt 
vielleicht  mit  gewissen  Besitzveränderungen  zusammen,  welche 
die  Perser  nach  Niederwerfung  des  grossen  Satrapenaufstandes 
vorj^enommen  hatten.  Tyros  nahm  nach  dem  Untergange  von 
Sidon  wieder  die  erste  Stelle  ein,  sollte  jedoch  die  Schwester- 
stadt nicht  lange  überleben.  Als  Alexander  der  Grosse  nach 
der  Schlacht  bei  Issos  in  Phönicien  einrückte,  waren  die 
Könige  mit  den  Schiffscontingenten  bei  der  persischen  Flotte; 
in  ihrer  Abwesenheit  ergaben  sich  aber  die  Städte  Arados, 
Byblos,  Sidon  den  Makedoniern;  die  Sidonier  legten  sogar 
besonderen  Eifer  an  den  Tag,  sich  gegen  die  Perser  zu  er- 
klären.    Auch  die  Tyrier  liessen  durch  eine  Gesandtschaft, 


1)  Diod.  XVI,  41—46. 

2)  Die  Zeitbestiminang  hängt  von  der  Einnahme  Aegyptens  ab; 
diese  aber  gehört  in  das  Jahr  344. 

3)  §  104.  An  der  betreffenden  Stelle  ist  nichts  zu  ändern,  man 
hat  nur  Ztdovüov  anb  As6vt<ov  nölsoag  ii^ixQt  'Of^vl^av  ndXsmg  zu  ver- 
binden. 


78  DIE  PHOENICIER. 

an  deren  Spitze  der  Sohn  ihres  Königs  Azemilkos  stand, 
ihre  Bereitwilligkeit  erklären,  den  Befehlen  des  Königs  nach- 
zukommen, setzten  aber  seinem  Begehren,  unter  dem  Vor- 
wande  eines  Opfers  im  Heraklestempel  ihre  Stadt  zu  be- 
treten, Widerstand  entgegen:  es  war  wohl  weniger  Hinneigung 
zu  Persien,  als  die  Besorgniss,  die  Makedonier  würden,  einmal 
eingelassen,  nicht  wieder  herausgehen,  die  ihre  Handlungs- 
weise bestimmte.  Da  es  Alexander  darauf  ankam,  gegenüber 
der  ersten  Regung  von  Widerstand,  der  sich  ihm  ausserhalb 
des  officiellen  Persiens  entgegenstellte,  ein  eclatantes  Bei- 
BlOAspiel  zu  statuiren,  so  begann  er  sofort  die  Belagerung.  Mit 
unsäglicher  Mühe  wurde  ein  Damm  vom  Festlande  aus  nach 
Inseltyros  geführt  und  die  Belagerungsmaschinen  auf  diesem 
herangebracht.  Sieben  Monate  lang  währte  die  heldenmüthige 
und  intelligente  Gegenwehr  der  Tyrier,  und  so  lange  sie 
das  Meer  beherrschten,  machten  die  Angreifer,  deren  Werke 
wiederholt  zerstört  wurden,  geringe  Fortschritte.  Erst  als 
die  persischen  Befehlshaber  aus  Thorheit  oder  Ohnmacht 
sich  dazu  bequemten,  die  phönicischen  Flottencontingente  in 
ihre  Heimath  zu  entlassen,  und  so  80  Schiffe  der  Aradier, 
Byblier  und  Sidonier  zu  Alexanders  Verfügung  standen  und 
bald  nachher  das  Hinzukommen  von  120  cy prischen  Schiffen 
ihm  die  Uebermacht  auch  auf  dem  Meere  verschaffte,  nahmen 
die  Dinge  für  die  Belagerten  eine  immer  ungünstigere  Wen- 
dung; endlich  im  Juli  332  wurde  Tyros  von  den  Makedom'em 
erstürmt.  8000  Tyrier  kamen  bei  dem  Sturm  um,  30000 
Bürger  und  Fremde,  die  in  der  Stadt  lebten,  wurden  auf 
Alexanders  Befehl  in  die  Sklaverei  verkauft;  nur  einige 
Notabein,  der  König  Azemilkos  und  die  zufällig  anwesenden 
karthagischen  Festgesandten,  welche  alle  im  Tempel  des 
Herakles  Schutz  gesucht  hatten,  wurden  begnadigt^)  Tyros 
hörte  so  auf,  als  politisches  Gemeinwesen  zu  existir^i.  Bald 
darauf  wurde  durch  die  Gründung  Alexandrias,  die  den  Welt- 
handel in  neue  Bahnen  lenkte,  der  mercantilen  Bedeutung 
der  phönicischen  Städte  ein  Söhlag  zugefügt,  der  in  seinen 


1)  Arr.  An.  II,  18.  15—24. 


8.   QUELLEN  UND  HUELFSMITTEL.  79 

Folgen  yielleicht  noch  Dachhaitiger  wirkte^  als  die  vorher- 
gegangenen Acte  äusserer  Gewalt.  Sidon  und  Tyros  fuhren 
auch  in  der  hellenistischen  Periode  fort,  Sitze  eines  reichen 
Eaufmannsstandes  zu  sein  und  behäbigen  Wohlstandes  sich 
zu  erfreuen,  aber  die  Bolle  der  Phonicier  als  eines  welt- 
historischen Volkes  war  ausgespielt. 

8.    Quellen  und  Hülfsmittel. 

Eine  einigennassen  zusammenhängende  Ueberlieferung 
aas  dem  Alterthum  haben  wir  nur  über  die  phonicische 
Mythologie  in  der  Bearbeitung  des  Sanchuniathon  durch 
Philon  Yon  Byblos,  und  über  die  Annalen  von  Tyros  in 
den  von  Josephos  erhaltenen  Fragmenten  des  Menander  von 
Ephesos  und  dem  auf  Timäos  zurückgehenden  18.  Buche  des 
Jnstinischen  Auszuges  aus  Pompejus  Trogus.  Sonst  muss 
alles  erst  durch  Mosaikarbeit  hergestellt  werden.  —  Unter 
den  Hülfsmitteln  nimmt  die  erste  Stelle  ein:  Movers,  Die 
Phönizier.  I.  II,  1—3.  Bonn  1841—1856,  8\  neben  welchem 
Werke,  da  es  unvollendet  geblieben  ist,  desselben  Movers 
Ajrtikel  Phönizien  in  Ersch  und  Grubers  Allgemeiner  Ency- 
clopädie  Sect.  III.  Th.  24.  (Leipzig  1848,  4P.)  S.  319  —  443 
zu  vergleichen  ist:  gelehrte  und  unentbehrliche,  aber,  wenn 
die  kritische  Durcharbeitung  des  Materials  in  Frage  kommt, 
nur  mit  Vorsicht  zu  benutzende  Arbeiten.  Am  meisten  gilt 
dies  von  der  Behandlung  der  Mythologie,  die  völlig  synkre- 
tistisch  ist,  während  es  hier  vor  allem  darauf  ankommt,  zu 
sondern  und  das  den  einzelnen  semitischen  Völkern  Gehörende 
in  seiner  Eigenart  richtig  zu  erkennen.  Daher  behält  Seiden, 
De  Dis  Syris,  London  1617,  8^.  als  Fundgrube  auch  heute 
noch  seinen  Werth.  Von  Neueren  giebt  das  Beste  Graf 
Baudissin,  Studien  zur  semitischen  Religionsgeschichte. 
L  II.  Leipzig  1§76.  1878,  8®.*)  In  Bezug  auf  die  Colonial- 
geschichte  ist  des  ehrwürdigen  Bochart  Ghanaan  s.  De 
coloniis  et  sermone  Phoenicum,  Gaen  1646,  foi.  ein  monu- 
mentum  aere  perennius,  das  auch  nach  Movers  nicht  veraltet 


♦)  [Vgl.  oben  S.  28flF.    F.  R.] 


80     DIE  PHOENICIER.    8.   QUELLEN  UND  HÜELFSMITTEL. 

zu  nennen  ist.  Der  Letztere  hat  mit  Hülfe  der  Etymologie, 
um  den  Ausdruck  eines  witzigen  Kopfes  zu  gebrauchen, 
förmliche  phonicische  Reunionskammern  errichtet;  Olshausen 
im  N.  Rhein.  Mus.  VIII  (1853),  321-340  hat  diese  ein 
wenig  eingeschränkt,  im  Ganzen  aber  wandern  sowohl  er, 
als  Müllenhoff,  Deutsche  Alterthumskunde  I  (Berlin  1870) 
S.  1  —  210  viel  zu  sehr  in  den  Spuren  von  Movers.  Ein 
gutes  Correctiv  bietet  Meltzer,  Geschichte  der  Karthager  I 
(Berlin  1879)  S.  1 — 89,  der  freilich  wieder  im  Zweifeln  mit- 
unter zu  weit  gehi  Am  besten  ist  bei  Movers  die  Behand- 
lung der  Geschichte  im  engeren  Sinne;  mit  Nutzen  wird  man 
daneben  die  meisterhafte  Schilderung  in  Grotes  History  of 
Greece  III  (London  1850)  S.  354-387.  454-458  (2.  Aufl-) 
zu  Rathe  ziehen.  Zum  Schlüsse  sei  noch  auf  die  Darstel- 
lungen in  Dunckers  Geschichte  des  Alterthums  und 
Masperos  Histoire  ancienne  des  peuples  de  TOrient  hin- 
gewiesen. 


IV. 
üeber  Meltzers  OeseMebte  der  Kartbager.*) 

Gescbicbte  der  Karthager  von  Otto  Meltzer.    Erster  Band.289 
Berlin  y  Weidmaimsche   Buchhandlung.    1879.    XII  und 
530  S.   gr,  8^ 

Zweiundfun&ig  Jahre  sind  yerflossen,  seitdem  die  Ge- 
schichte der  Karthager  durch  W.  Botticher  einer  selbst  für 
den  damaligen  Stand  der  Wissenschaft  kaum  befriedigend 
zu  nennende  Bearbeitung  fand;  seitdem  sind  auf  diesem 
Gebiete  zwar  manche  gute  Einzelforschungen  zu  yerzeichnen, 
unter  denen  namentlich  die  Ton  Arnold  Schaefer  ;;Zur  Ge- 
schichte von  Karthago^'  im  Rheinischen  Museum  XV  S.  391  fif. 
heryorgehoben  zu  werden  verdienen;  aber  eine  zusammen- 
fassende Darstellung  der  Geschichte  des  Volkes^  das  allein 
Bom  die  Weltherrschaft  ernstlich  streitig  gemacht  hat, 
unterblieb,  so  fühlbar  diese  Lücke  auch  sein  mochte.  Diese 
wird  jetzt  durch  das  Werk,  dessen  erster  Band  uns  hier 
Yorliegt,  ausgefüllt.  In  seiner  Anlage  und  schon  in  der 
äusseren  Form  erinnert  es  an  ein  Werk  verwandten  Inhalts, 
an  Holms  Geschichte  von  Sicilien:  wie  in  dieser  ist,  um 
das  Ebenmass  der  Geschichtserzählung  nicht  zu  stören,  der 
gelehrte  Apparat  mit  allen  Belegstellen  in  Anmerkungen 
zusammengefasst,  die  an  das  Ende  des  Bandes  verwiesen  sind. 

Der  Verfasser  der  karthagischen  Geschichte  ist  wohl- 
vorbereitet an  seine  Arbeit  gegangen,  das  sehr  zerstreute 
Material  ist  von  ihm  mit  grosser  Sorgfalt  gesammelt  und 
gesichtet  worden.  Seine  Belesenheit  in  aller  der  Literatur, 
die  direct  oder  indirect  als  Hülfsmittel  dienen  konnte,  stellen 

^  [Jahrbücher  fOr  classische  Philologie  1880  S.  289 --299.] 

Y.  OuTiOHiiiD,  Kleine  Schriften.    IL  6 


82  ÜEBER  MELTZERS 

besonders  die  beiden  ersten  Capitel  in  ein  glänzendes  Licht: 
um  von  bekannten  Werken  wie  Movers'  „Phönizier'*  und 
Müllenho£F8  „Deutsche  Alterthumsknnde^'  abzusehen,  sind  die 
Arbeiten  über  die  Phönicier^  phönicische  Inschriften  und 
phönicische  Sprache,  ältere  und  neuere  Reisewerke,  Slanes 
Ihn  Chaldun  u.  a.  hier  in  umfassendster  Weise  herangezogen 
und  yerwerthet  worden.  Bei  der  immer  zunehmenden  Thei- 
lung  der  philologisch-historischen  Disciplinen  ist  es  einem 
Einzelnen  nicht  mehr  möglich,  überall  im  strengsten  Sinne 
290SachTerständiger  zu  sein.  Der  kundige  Historiker  zeigt  sich 
darin,  dass  er,  wo  dies  der  Fall  ist,  *sich  an  Stellen  Raths 
erholt,  die  wirklich  competent  sind.  Diesen  richtigen  Tact 
lässt  der  Verfasser  nirgends  vermissen;  eine  wesentliche 
Forderung  hat  seine  Arbeit  dadurch  erhalten,  dass  die  Um- 
schrift und  Punctation  der  phönicischen  Namen  nach  den 
Anweisungen  Eutings  erfolgt  ist. 

Wo  der  Verfasser  auf  eigenen  Füssen  steht,  ist  seine 
Leistung  völlig  auf  der  Höhe  der  Anforderungen,  welche  die 
heutige  Wissenschaft  an  ein  Geschichtswerk  wie  das  seinige 
zu  stellen  das  Recht  hat:  er  zeigt  sich  uns  durchweg  als 
einen  kritischen,  behutsam  vorgehenden  Forscher  von  nüch- 
ternem und  gesundem  ürtheiL  Unter  der  Masse  auto- 
schedias tischer  Producte  griechischen  Fabulirens,  die  nur  zu 
leicht  wo  nicht  als  geschichtliche  Thatsachen,  doch  als  echt 
einheimische  Ueberlieferungen  angesehen  worden  sind,  räumt 
er  unbarmherzig  auf  und  leitet  damit  eine  berechtigte  Reaction 
ein,  die  sich  auf  anderen  Gebieten  der  alten  Geschichte  längst 
vollzogen  hatte.  Wie  jede  derartige  Reaction  bei  ihrem  ersten 
Eintreten,  schiesst  sie  auch  wohl  mitunter  über  das  Ziel 
hinaus:  dass  die  Geschichte  von  den  Philänen  die  Erfindung 
eines  griechischen  Rhetors  sein  soll,  wie  S.  188.  491  be- 
hauptet wird,  ist  so  unwahrscheinlich  wie  möglich;  abgesehen 
davon^  dass  der  alte  Logograph  Charon  von  Lampsakos,  von 
dem  eine  Erzählung  das  Vorbild  abgegeben  haben  soll,  sicher 
nicht  zum  gewöhnlichen  Repertoire  der  Rhetorenschulen  ge- 
hört hat,  und  dass  seine  Erzählung  gerade  für  den  wesent- 
lichsten   Zug,   das   Lebendigbegrabenwerden    der  Philänen^ 


GESCHICHTE  DER  KABTHAGER.  83 

keine  ÄDalogie  bietet^  gehört  das^  was  von  diesen  gemeldet 
wird,  zu  den  wandernden ,  an  den  verschiedensten  Orten 
wieder  auftauchenden  Geschichten ,  die  schwerlich  auf  ge- 
lehrtem Wege  in  den  Yolksmund  gekommen  sind^  und  ist 
auf  den  bei  den  verschiedensten  Völkern  bis  nach  Indochina 
hin  nachweisbaren  Aberglauben  zurückzuführen,  dass  Grund- 
steine, Grenzsäulen  und  dergleichen  mit  Menschenblut  ge- 
kittet werden  müssen,  um  Festigkeit  zu  erlangen.  Noch 
weniger  scheint  es  mir  gerechtfertigt,  dass  der  Verfasser 
S.  492  die  Angabe  des  Titianus,  die  Barkäer  hätten  einst 
die  Phönicier  in  einer  Seeschlacht  besiegt,  auf  den  unwahr- 
scheinlichen Verdacht  hin,  dass  sie  mit  der  Philänenfabel 
zusammenhänge,  für  Schwindel  erklärt  Immerhin  schadet 
auf  einem  Gebiete,  wo  für  die  historische  Kritik  noch  so 
viel  zu  thun  übrig  war,  eine  zu  weitgehende  Skepsis  weniger 
als  das  Gegentheil. 

Allen  vereinzelten  Notizen,  deren  Werth  nur  dann  sich 
richtig  abschätzen  lassen  würde,  wenn  wir  den  Zusammen- 
hang wüssten,  in  dem  sie  ursprünglich  gestanden  haben, 
bringt  der  Verfasser  ein  sichtliches  Misstrauen  entgegen,  und 
dies  ist  wohl  auch  der  Grund,  warum  die  erneute  Durch- 
musterung, welcher  derselbe  die  alten  Schriftsteller  nach 
Bötticher  unterzogen  hat,  noch  immer  einer  Nachlese 
fähig  ist. 

Zu  dem  vierten  Gapitel,  für  welches  bei  dem  Fehlen 
jeder  zusammenhängenden  Geschichtsdarstellung  der  Sto£f 
mosaikartig  zusammengetragen  werden  muss,  bin  ich  fol- 
gende sechs  Stellen  nachzutragen  im  Stande  gewesen.  Auf29i 
die  S.  225  nach  Justinus  berichtete  Bekriegung  der  Numider 
durch  die  Karthager  ist  die  Erzählung  des  Frontinus  IV, 
7,  18  von  einem  Hasdrubal  zu  beziehen,  der  durch  das  Vor- 
geben einer  Elephantenjagd  die  Numider  sicher  machte,  dann 
angriff  und  unterjochte;  dass  diese  List  sich  nur  auf  die 
erste  Eroberung  Numidiens  unter  den  Enkeln  des  Mago, 
von  denen  einer  Hasdrubal  hiess,  beziehen  kann,  ergiebt  die 
Erwägung,  dass  sie  später,  nachdem  die  Numider  die  Kar- 
thager und   ihre  Absichten   einmal  kennen   gelernt  hatten, 

6* 


84  UEBEB  MELTZERS 

weder  gelingen  noch  versucht  werden  konnte.  —  Derselbe 
Hasdrubal,  der  mittlere  Sohn  des  auf  Sardinien  umgekom- 
menen Hasdrubaly  ist  es  wohl,  den  ein  Scholion  zu  Maxi- 
mos  Tyrios  Diss.  II,  3  falschlich  statt  des  Hanno  zum 
Träger  der  Geschichte  yon  der  Lowenzähmung  macht,  die 
vom  Verfasser  S.  228.  504  berührt  worden  ist;  Maximos 
selbst  nennt  keinen  Namen,  sondern  redet  ganz  allgemein 
von  einem  Kagxridoviog  vsaviag,  den  die  Karthager  wegen 
der  in  der  Zähmung  eines  Löwen  liegenden  Ueberhebung 
getödtet  hätten.  —  Wichtiger  ist,  dass  Maximos  Tyrios 
Diss.  XXXY,  4  und  ein  Scholion  zu  Dion  Chrysostomos 
I  S.  3^  (Morelli)  die  bei  Aelianos  ebenfalls  von  diesem  Ebnno 
erzählte  Geschichte  von  den  Vögeln,  die  abgerichtet  wurden, 
ihn  für  einen  Gott  zu  erklären^),  unter  Weglassung  des 
albernen  dtci^vXiia,  in  welchem  bei  Aelianos  die  Geschichte 
gipfelt,  und  Hinzufügung  des  gewiss  der  Intention  des  ur- 
sprünglichen Berichts  entsprechenden  Schlusses,  dass  die 
Libyer  ihm  wirklich  als  Gott  geopfert  hätten,  auf  einen 
libyschen  Mann  Namens  Psaphon  (Apsephas,  König  der 
Libyer,  im  Scholion)  beziehen.  Dies  ist  nämlich  gewiss 
kein  anderer  als  Sapho,  der  jüngste  Sohn  des  älteren  Has- 
drubal und  Vetter  des  Hanno,  und  bei  der  Seltenheit  des 
Namens  ist  es  wahrscheinlich,  dass  ihn  die  Nachricht  ur- 
sprünglich im  Auge  gehabt  hat.  Beide  Verwechselungen, 
die  des  Hasdrubal  mit  Hanno  und  entscheidender  noch  die 
des  Hanno  mit  Psaphon,  werden  nur  erklärlich,  wenn  ^ie 
die  zwei  Söhne  des  älteren  Hasdrubal  betreffenden  Er- 
zählungen im  ^Zusammenhange  mit  der  Katastrophe  ihres 
Vetters  und  der  ganzen  Familie  vorkamen,  so  dass  sich  da- 
mit auf  einem  Umwege  die  Identität  des  Löwenzähmers  mit 
dem  Letzteren  beweisen  lässi  —  Frontinus  H,  5,  12  be- 
richtet,  wie  es  einem  karthagischen  Feldherm  Maharbal 
durch  den  aufständischen  Afrem  preisgegebenen,  vorher  mit 

1)  Ich  yermnthe  in  dem  Geschichtchen  eine  ätiologische  Erfindung, 
die  von  dem  Ursprung  des  von  einer  karthagischen  Familie  geführten 
Beinamens  „der  Staar"  Rechenschaft  geben  soll:  einen  *Apvi§eig  6  Wä(f 
nennt  als  Parteigänger  des  Masinissa  Appianos  Lib.  c.  68. 


GESCHICHTE  DER  KARTHAGER.  85 

Alraun  gemischten  Wein  gelang ,  diese  im  Schlafe  zu  über- 
fallen und  ihnen  eine  schwere  Niederlage  zu  bereiten:  es  ist 
dieselbe  List,  die  Polyänos  Y,  10;  1  auf  den  bekannteren 
Himilko  überträgt  und  die  der  Verfasser  S.  280.  511  auf 
einen  sonst  unbekannten  Libyerkrieg  des  Jahres  405  be- 
zogen hat;  da  sich  aus  der  Vereinigung  beider  Stellen  er- 
giebt;  dass  es  sich  um  aufständische  Afrer  handelt,  welche 
sogar  die  Villen  unmittelbar  yor  den  Thoren  Karthag08292 
besetzt  hatten,  so  erweist  dies  eine  Situation,  die  nur  auf 
den  S.  303  nach  Diodor  geschilderten  Aufstand  des  Jahres 
396  passt.  —  lieber  den  Hamilkar,  der  wegen  des  Ver- 
dachtes, er  strebe  nach  der  Tjrannis,  von  den  Karthagern 
getodtet  wurde,  giebt  es  ausser  dem  Zeugniss  des  Polyänos 
V,  11,  nach  welchem  die  Sache  S.  315.  516  Erzählt  worden 
ist,  noch  ein  zweites  bei  Theodoros  Metochites  (S.  200 
Kluge),  bei  welchem  der  Name  *Ia^6Xxris  lautet. 

Mag  man  es  auch  bei  der  trümmerhaften  Ueberlieferang 
der  karthagischen  Geschichte  bedauern,  dass  der  Verfasser 
nach  dieser  Seite  hin  auf  Vollständigkeit  verzichtet  hat,  so 
verdient  es  doch  im  Ganzen  Lob,  dass  er  allem  auf  seine 
Herkunft  hin  schwer  zu  prüfenden  Material  gegenüber  Zurück- 
haltung beobachtet  und  seine  Darstellung  auf  die  einzigen 
etwas  ausführlicher  gehaltenen  Quellen,  für  die  ältere  Zeit 
bis  409  y.  Gh.  Justinus,  für  die  spätere  vom  Wiederbeginn 
der  Kämpfe  auf  Sicilien  an  Diodoros,  basirt  hat.  Auf  Grund 
dieser  den  Gang  der  auswärtigen  Politik  Karthagos  zu  ent- 
wickeln und  diese  einzige  Seite  der  karthagischen  Geschichte, 
für  welche  unsere  Ueberlieferung  eine  relative  Vollständigkeit 
besitzt,  möglichst  bis  ins  Einzelne  aufzuhellen,  ist  die  Haupt- 
aufgabe, die  derselbe  sich  gestellt  hat. 

Besondere  Sorgfalt  hat  der  Verfasser  darauf  verwandt, 
den  Verlauf  der  geschilderten  Begebenheiten  in  einem  mög- 
lichst anschaulichen  und  abgerundeten  Bilde  zusammenzu- 
fassen: seine  Darstellung  liest  sich  gut,  sie  ist  geschmack- 
voll, durchsichtig,  schlicht,  frei  von  allem  Gesuchten  und 
Manierirten.  Die  Erzählung  ist,  was  in  dem  Gesagten  seine  • 
Erklärung  findet,  ausführlich  geworden,  ohne  dass  man  ihr 


86  UEBEB  MELTZERS 

daram  den  Vorwurf  übergrosser  Breite  machen  müsste.  In 
diesem  ersten  Bande  wird  uns  in  fönf  Gapiteln  die  äussere 
Entwickelung  des  karthagischen  Gemeinwesens  bis  zum  Jahre 
306  Y.  Ch.  (dem  des  Friedensschlusses  mit  Agathokles  und 
des  erneuten  Vertrages  mit  Rom)  vorgefQhri 

Die  beiden  ersten  Capitel^  welche  über  diePhonicier 
im  Allgemeinen  und  über  die  phönicische  Colonisation  in 
Nordafrika  handeln,  erlangen  hervorragende  Wichtigkeit  durch 
die  Art,  wie  der  Verfasser  hier  zu  Movers  Stellung  nimmt. 
Es  ist  nicht  bloss^  worauf  man  sich  bisher  beschränkt  hat, 
eine  Revision  des  von  diesem  aufgeführten  Baues  der  pho- 
nicischen  Colonialgeschichte,  die  darauf  ausging,  zwecklose 
Ausbauten  zu  beseitigeu,  einzelne  baufällig  befundene  Theile 
neu  zu  stützen  oder  auch  abzubrechen,  aber  mit  dem  Be- 
streben, möglichst  viel  von  dem  Ganzen  zu  retten,  sondern 
e»  ist  ein  Bruch  mit  den  Moversschen  Grundanschauungen 
selbst  und  ihrer  kritiklosen  Anwendung:  sein  Bau  wird  zu 
einem  grossen  Theil  vom  Verfasser  auf  die  Gefahr  hin  ein- 
gerissen, dass  man  sich  bescheiden  muss,  nicht  in  der  Lage 
zu  sein,  etwas  anderes  Positives  an  die  Stelle  zu  setzen. 
Wenn  der  Verfasser  für  die  Geschichte  des  Landhandels 
mehr  von  den  Moversschen  Aufstellungen  aufrecht  hält,  so 
ist  vielleicht  nicht  ohne  allen  Einfluss  hierauf  der  Umstand 
gewesen,  dass  sich  ihm  bei  dem  seiner  Aufgabe  ferner  liegen- 
den Gegenstande  die  Nöthigung,  die  Grundlagen  selbst  auf 
293ihre  Dauerhaftigkeit  hin  zu  untersuchen,  weniger  aufgedrängt 
hat.  Wirkliche  Zeugnisse  dafür  aus  dem  Alterthum  sind  bei 
Lichte  besehen  so  verschwindend  wenige  vorhanden,  dass 
Referent  mehr  und  mehr  zu  der  Ueberzeugung  gekommen 
ist,  dass  die  directe  Betheiligung  der  Phönicier  an  dem 
asiatischen  Landhandel  auf  ein  sehr  bescheidenes  Mass  re- 
ducirt  werden  muss.*) 

In  einem  Punkte  bin  ich  hier  in  der  eigenthümlichen 
Lage  eine  von  mir  selbst  früher  ausgesprochene**)  und  vom 
Verfasser  S.  418  gebilligte  Ansicht  bestreiten  zu  müssen:  die 

*)  [VgL  oben  S.  48  f    F.  ß.] 
♦♦)  [„Beitr&ge  zur  Geechichte  des  alten  Oriente"  S.  26  f.    P.  R.] 


GESCHICHTE  DER  KARTHAGER.  87 

damals  noch  nicht  vorliegende  echte  handschriftliche  lieber- 
lieferung  von  Justinus  XYIII,  3,  3  nöthigt  jetzt  dazu.  Seine 
Worte  lauten:  Tyriorum  gern  condUa  a  Phoenicibus  fuit,  gut 
terrae  motu  vexati  relicto  patrio  solo  ad  Syriam  (sehr.  Syrium*)) 
staffnum  primo  tnox  mari  proximum  litus  incohierunt,  condita 
ibi  urbe,  quam  a  piscium  ubertate  Sidona  appeUaverunt.  So 
lange  man  noch  Assyrium  stagnum  primo,  mox  las"^*);  liessen 
sich  unter  der  Heimath^  aus  der  die  Phönicier  ein  Erdbeben 
vertrieb;  ihre  von  Herodotos  bezeugten  Ursitze  am  persischen 
Meerbusen,  unter  dem  Assyrium  stagnum  der  See  von  Bam- 
byke  verstehen.  Jetzt  ist  dies  nicht  länger  möglich.  Die 
^ erste  Heimath  am  Syrium  stagnum*^  kann  nur  eine  erste 
Heimath  der  Phönicier  amTodten  Meere  bedeuten,  und 
die  Combination  Bunsens,  dass  das  Erdbeben,  das  sie  von 
dort  vertrieb,  dasselbe  sei,  das  nach  der  biblischen  Sage 
Sodom  und  Gomorra  zerstörte,  erhält  erst  so  eine  wirkliche 
BegrOndung:  es  wird  eine  den  Hebräern  mit  der  übrigen 
Bevölkerung  Kanaans  gemeinsame  Vorstellung  gewesen  sein, 
dass  dasselbe  zu  Yolkerscheidungen  den  Anlass  gegeben  habe. 
Der  Widerspruch  mit  Herodotos  liegt  nunmehr  offen  zu  Tage; 
erwägt  man,  dass  das  weit  im  Innern  in  einem  von  der 
EQste  ans  schwer  zugänglichen  Lande  gelegene  Todte  Meer 
den  Griechen  erst  sehr  spät  bekannt  geworden  ist,  und  selbst 
noch  bei  Strabon  die  Kunde  von  demselben  eine  äusserst 
unvollkommene  ist,  so  wird  es  sich  vielleicht  empfehlen,  mit 
mir  anzunehmen,  dass  dem  Herodotos  in  Tyros  das  „Meer 
von  Edöm  (des  rothen  Landes)^'  als  Urheimath  der  Phönicier 
genannt  und  von  ihm  für  das  „Rothe  Meer'S  d.  h.  den  per- 
sischen Meerbusen  genommen  wurde.***) 

Sehr  fein  ist  der  vom  Verfasser  geführte  Nachweis, 
welche  Producte  es  gewesen  sind,  die  den  Verkehr  nach 
dem  Westen  weckten  und  im  weiteren  Verlauf  von  ent- 
scheidendem Einfluss  auf  den  Gang  der  phönicischen  Golo- 

*)  [So  die  Codices  CVQ.    F.  R.] 

**)  [So  lesen  die  italischen  Codices  und  die  auf  den  Pomposanus 
zurückgehenden.    F.  R.] 

*«)  [Vgl  oben  S.  41f.    F.  R.] 


88  ÜEBER  HELTZEBS 

nisation  in  Nordafnka  waren;  die  Einwirkung  des  treflnichen 
Werkes  Ton  Hehn  macht  sich  hier  an  mehr  als  einer  Stelle 
bemerklich.  Unter  umsichtiger  Erwägung  der  natürlichen 
Bedingungen  und  geschichtlicher  Anhaltspunkte  kommt  der 
Yetf asser  zu  dem  Ergebniss,  dass  Nordafrika  von  den  Pho- 
niciem  erst  nach  den  Colonialanlagen  in  Tarsis  und  in  Folge 
derselben  besiedelt  worden  sei.  Um  die  ältesten  Cultur- 
zustände  des  libysch-berberischen  Stammes  zu  schildern ,  ist 
von  den  bildlichen  Darstellungen  und  den  Inschriften  der 
altl^yptischen  Denkmäler  durch  den  Verfasser  in  sehr  ge- 
schickter Weise  Gebrauch  gemacht  worden-,  das  Moverssche 
294Dogma  von  den  Libyphoniciern  als  einer  älteren  kanaaniti- 
schen  Einwanderung  in  Nordafrika  vor  der  eigentlich  pho- 
nicischen  Colouisation  ist  von  ihm  definitiv  beseitigt  und 
die  Libyphonicier  wieder  als  das  hinbestellt  worden^  was  sie 
wirklich  gewesen  sind^  die  phonidsche  Oolonialbevolkerung 
von  Afrika  (später  im  Gegensatz  zu  den  von  der  Bezeichnung 
ausgeschlossenen  Karthagern). 

Wenn  der  Verfasser  wiederholt  den  gänzlichen  Mangel 
einer  Ueberlieferung  darüber  beklagt,  ob  über  die  Colonien 
des  Westens  von  Tyros  her  anfangs  einmal ,  wie  über  Ey- 
pros,  eine  formliche  Hoheit  ausgeübt  worden  sei,  so  mochte 
ich  daran  erinnern,  dass  es  allerdings  ein  solches  Zeugniss 
giebt,  das  nur  in  Folge  einer  falschen  Correctar  bisher  ver- 
kannt worden  isi  In  dem  von  Josephos  doppelt  erhaltenen 
Fragment  des  Menandros  von  Ephesos  ist  von  Leuten  die 
Rede,  gegen  die  Eonig  Hirom,  als  sie  den  Zins  nicht  ent- 
richteten, gezogen  und  nach  deren  Unterwerfung  er  wieder 
heimgekehrt  sei.  Die  Namensform  dieser  Leute  steht  im 
Dativ:  Ant  Jud.  VIII,  5,  3,  wo  die  editio  princeps  'Hvxeoig 
bietet,  wird  uns  über  die  Handschriften  nur  so  viel  gesagt, 
dass  der  (gute)  Reg.  a  ^Iwcdotg,  Reg.  b  *HvKaiocg  haben  *), 
der  uralte  Ambrosianus  der  lateinischen  Uebersetzung  hat 
nach  einer  Mittheilung  Nieses  Eucheos^  was   auch  die  fünf 

*)  [Nach  Niese  lesen  der  Farisinos  1421  and  der  Oxoniensis 
'^maioia,  der  Codex  Parisinus  1419  und  der  Codex  Sambuci  ivnioie, 
der  Marcianos  ^vxfoiff,  der  Vaticanos  147  ijvxaiff.    F.  B.] 


GESCHICHTE  DER  EABTHAGER.  89 

Drucke  derselben,  die  von  einander  unabhängig  sind,  bieten; 
c.  Ap.  1, 18  liest  der  Florentinus,  die  einzige  Quelle  unserer 
heutigen  griechischen  Ueberlieferungy  Titvotg,  Eusebios  im 
armenischen  Chroniken  und  die  ^ExXoyii  t^xoQimv  fEuiden 
TiTvxaioig  Tor*);  der  Canonicianus  und  zwei  Laurentiani, 
die  drei  besten  Handschriften  der  lateinischen  üebersetzung, 
haben  Titiceos.  Man  bat  unter  diesem  Volke  allgemein  die 
Eitieer  verstanden ,  was  palaographisch  so  unwahrscheinlich 
wie  möglich  ist:  die  Emendation  ^Ixvxatoig  drängt  sich 
von  selbst  auf,  Utica  ist  es,  das  von  Hirom  wieder  zum 
Gehorsam  gebracht  worden  ist. 

Im  dritten  Gapitel,  ,,Die  Gründung'^  überschrieben, 
wird  wiederum  ein  Moverssches  Phantom,  das  von  einer 
doppelten  Gründung  Karthagos,  einer  älteren  Sidonischen 
und  einer  jüngeren  Tyrischen,  beseitigt  und  schlagend  nach- 
gewiesen, dass  aus  dem  Namen  „die  neue  Stadt^'  kein  Beweis 
für  eine  ältere  Anlage  entnommen  werden  kann,  indem  dieser 
ebenso  gut  im  Gegensatz  zur  Mutterstadt  wie  zu  einer  älteren 
Anlage  an  Ort  und  Stelle  gewählt  sein  könne.  Auch  so  weit 
ist  dem  Verfasser  Recht  zu  geben,  dass  die  von  Movers 
gemachte  Scheidung  zwischen  einer  mythischen  Dido  und 
einer  historischen  Elissa  willkürlich  ist.  Allenfalls  auch 
darin  noch,  dass  die  von  demselben  versuchte  Ausgleichung 
zwischen  dem  von  ihm  nach  Menandros  bestimmten  Datum 
826  und  dem  Timäischen  Gründungsjahre  814  einigermassen 
künstlich  ist  und  bei  dem  Unbekanntsein  der  Epoche  von 
Tyros  und  der  Unsicherheit  des  Datums  des  Salomonischen 
Tempelbaues  die  Begründung  der  ganzen  Epochenreihe  bis 
auf  die  Gründung  Karthagos  herab  von  Tyrischer  Seite  in 
der  That  nicht  so  festgefügt  ist,  wie  Movers  annahm.  Aber 
den  weiteren  Deductionen  des  Verfassers  zu  folgen  bin  ich 
ausser  Stande  und  halte  an  meiner  bisherigen,  von  ihm295 
S.  458  bekämpften  Ansicht,  dass  es  sich  um  lauter  authen- 

*)  [In  Schönes  Ausgabe  des  Easebios  I S.  1 17  giebt  Petermann  in  der 
üebersetznng  des  armenischen  Textes  Titios;  S.  118,  wo  er  seine  Conjectnr 
saerafc  vorgebracht  hat,  giebt  Gutschmid  als  Lesart  der  '£xloyi7  tarogimv 
Titvaü}ig  an,  und  das  bietet  auch  Gramer,  An.  Par.  U  S.  186,  9.    F.  R.] 


90  UEBEB  ICELTZEBS 

tische  Data  handelt,  aber  deren  richtige  Fixining  lediglich 
in  Folge  der  Art  ihrer  Ueberlieferung  geschwankt  werden 
kann,  fesi^J  Der  YerÜLSser  sieht  nämlich  die  ganze  Grün- 
dongsgeschichte  von  Karthago,  wie  sie  am  ToUstandigsten 
bei  Trogus  vorliegt,  als  eine  griechische  Erfindung  an,  die 
allerdings  durch  hellenisirte  Panier  in  Karthago  selbst  Ein- 
gmg  gefunden  haben  möge,  aber  erst  durch  Timäos  ein 
scheinbar  historisches  Gewand  erhalten  habe  und  an  eine 
bestimmte  Epoche  geknüpft  worden  sei;  daraas,  dass  diese 
Ton  Appianos  aasdrücklich  als  eine  Annahme  der  Karthager 
bezeichnet  wird,  folge  nur,  dass  auch  die  Timäische  Datirung 
nach  Karth^o  selbst  importirt  worden  sei.  Einfluss  auf  die 
Herabrückung  des  Gründungsdatums  durch  Timäos  möge  die 
Deutung  des  Namens  Utica  als  „die  Alte''  im  Gegensatz  zu 
der  Neustadt  Karthago  gehabt  haben;  entscheidend  aber  sei 
f&r  ihn  gewesen  die  Identificirung  des  Gottes  Pygmalion,  des 
Bruders  der  Dido,  mit  einem  Tyrischen  Konige  Pygmalion, 
dessen  Zeit  er  mit  Hülfe  der  Tyrischen  Annalen  ermittelt 
und  so  das  Jahr  814  als  das  der  Gründung  von  Karthago 
gefunden  habe.  Die  ältere  Zeit  wisse  nur  von  dem  Grdn- 
dungsdatum  des  Philistos,  das  Yon  Eusebios  an  das  Jahr 
803  Abr.  (so  ABP.  798  F.  807  R)  geknüpft  wird**)  und  das 
der  Verfasser  mit  Recht  mit  dem  Appianischen  „50  Jahre 
Yor  der  Einnahme  von  Troia'^  für  identisch  erklärt;  von  Phi- 
listos selbst  werde  es  wohl  allgemeiner  auf  eine  Generation 
Yor  diesem  Ereigniss  gestellt  worden  sein.  Historisch  genau 
sei  aber  auch  dieses  nicht,  sondern  solle  nur  ausdrücken,  dass 
die  Gründung  um  so  Yiel  der  Bekanntschaft  der  Griechen 
mit  dem  Westen  Yorangegangen  sei,  welche  für  diese  mit 
den  Fahrten  des  Odysseus  zusammenfiel.  Die  Namen  Azoros 
und  Karchedon  enthielten  einen  Hinweis  auf  die  Ursprung- 
lichkeit  des  Doppelsuffetenthums. 

Für  den  hellenischen  Ursprung  der  Timäischen  Tradition 
macht  der  Verfasser  geltend  1)  dass  griechische  Etymologien 

*)  V^E^*  „Beiträge  zur  Geschichte  des  alten  Orients*'  S.  16  und 
oben  S.  66.  64.    F.  B] 

♦*)  [Vgl.  Bd.  1  8.  «49  f.    F.  B.] 


GESCHICHTE  DER  KARTHAGER.  91 

eingesprengt  seien;  aber  weder  hat  er  bewiesen,  dass  die 
ErzähluDg  des  Trogns,  gegen  dessen  Art  es  durchaus  nicht 
verstösst,  in  die  Hauptquelle  Zusätze  aus  anderen  Quellen 
mosaikartig  einzusetzen,  durchweg  Timäisch  sei,  noch  ist 
abzusehen,  warum  nicht  schon  Timäos,  dessen  namentliches 
Citat  übrigens  die  mit  der  Etymologie  von  Byrsa  zusammen- 
hängende Geschichte  von  der  zerschnittenen  Rindshaut  nicht 
hat,  die  karthagische  Tradition  durch  einzelne  anderswoher 
genommene  Züge  erweitert  haben  konnte;  2)  dass  in  dieser 
Tradition  eine  anthropomorphisirende  Tendenz  heryortrete; 
als  wenn  sich  diese  Erscheinung  nicht  auf  einer  gewissen 
Entwickelungsstufe  bei  allen  Völkern  zeigte,  nicht  bloss  bei 
den  Griechen;  3)  dass  sie  in  keiner  organischen  Verbindung 
mit  der  wirklichen  Geschichte  Karthagos  stehe;  aber  woher 
können  wir  das  wissen,  da  uns  diese  für  die  ganze  ältere 
Zeit  verloren  ist?  und  war  es  der  Fall,  wie  könnte  uns  das 
in  Verwunderung  setzen,  da  die  mythische  Färbung  des 
Gründungsberichtes  nie  geleugnet  worden  ist?  Wie  äusserst 
unwahrscheinlich  der  Ausweg  ist,  zu  dem  der  Verfasser  sich296 
gedrängt  sieht,  dass  eine  zweimalige  Importirung  erst  der 
griechischen  Fabel,  dann  des  Timäischen  Epochenjahres  in 
Karthago  stattgefunden  habe,  liegt  auf  der  Hand:  die  Kar- 
thager sollten  sich  also  auf  die  Weise  muth willig  jünger  als 
Utica  gemacht  haben?  Sobald  man  zugiebt,  dass  der  Kern 
der  Timäischen  Erzählung  ein  einheimischer  ist,  kann  man 
diese  im  Wesentlichen  oder  auch  ganz  als  mythisch  preis- 
geben, ohne  dass  dies  den  historischen  Charakter  der  zu- 
gleich damit  überlieferten  Gründungsepoche  im  Geringsten 
afficirte.  Des  Verfassers  Hypothese,  dass  diese  in  der  Be- 
ziehung des  mythischen  Pygmalion  auf  den  historischen 
wurzele,  hat  zur  Voraussetzung  die  andere  Hypothese,  dass 
es  einen  Gott  Pygmalion  gegeben  habe,  welche  durchaus 
erst  noch  des  Beweises  bedarf.  Den  Timäos  zu  dem  zu 
machen,  der  mit  Hülfe  dieser  Identificirung  das  Datum  814 
berechnet  habe,  ist  nicht  möglich  ohne  zwei  wiederum 
äusserst  unwahrscheinliche  Hülfshypothesen :  1)  dass  ihm 
die    Specialgeschichte    der    Könige    von    Tyros    zugänglich 


92  UEBER  MELTZEBS 

war  —  aber  auf  welchem  Wege  sollte  dies  zu  seiner  Zeit 
möglich  gewesen  sein?  2)  dass  die  für  jeden  Unbefangenen 
den  denkbar  deutlichsten  Stempel  einheimischen  Ursprungs 
tragenden  Datirungen  der  Gründung  Uticas  287  Jahre  vor, 
der  Pityusen  160  Jahre  nach  der  von  Karthago  erst  durch 
eine  Umrechnung  nach  der  von  ihm  erfundenen  Aera  ihre 
jetzige  Gestalt  erhalten  haben  sollten.  Wenn  je,  so  kann 
man  hier  von  einem  dovlsvsiv  rfi  vno^i^si  reden. 

Sieht  man  näher  zu,  so  liefern  dem  Verfasser  für  seine 
verschlungenen  Kreuz-  und  Querzüge  den  einzigen  stichhal- 
tigen Grund  die  doppelten  Gründungsdaten  von  Kar- 
thagOy  von  denen  nur  eines  das  richtige  sein  kann.  Mir 
scheint  alles  dafür  zu  sprechen,  dass  das  Gründungsjahr  814 
Y.  Gh.  wirklich  das  zu  Timäos'  Zeit  in  Karthago  geltende 
gewesen  ist  Dem  Verfasser  auf  dem  Wege  zu  folgen,  auf 
dem  er  das  Datum  des  Philistos  verflüchtigt,  scheint  mir 
aber  noch  weniger  rathsam,  als  in  seiner  Behandlung  der 
Timäischen  Zeitbestimmung:  wenn  Eusebios  es  auf  1213 
(beziehungsweise  1218  oder  1209)  v.  Gh.  fixirt  hat^  so  folgt 
daraus  nicht,  dass  seine  Quelle  den  Philistos  einen  anderen 
Abstand  zwischen  der  Epoche  von  Karthago  und  der  Ein- 
nahme Troias  annehmen  liess,  als  die  50  Jahre  Appians, 
und  damit  die  Berechtigung,  die  allgemeiner  gehaltene  An- 
gabe einer  Generation  als  das  einzig  Ueberlieferte  anzu- 
nehmen, sondern  nur,  dass  Philistos  (was  sich  eigentlich 
von  selbst  versteht)  einer  anderen  Troischen  Aera  gefolgt 
ist  als  Eusebios.  Um  die  vom  Verfasser  vorgeschlagene 
weitere  Umdeutung  glaublich  zu  machen,  müsste  erst  be- 
wiesen werden,  dass  die  Griechen  die  Irrfahrten-  des  Odysseua 
als  Ausgangspunkt  ihrer  Kunde  vom  Westen  angesehen 
hätten,  und  auch  dann  noch  würde  der  Entstehungsprocess 
des  Datums  unwahrscheinlich  genug  sein.  Azoros  und  Kar- 
chedon  sollten  die  vorbildlichen  ersten  Suffeten  gewesen  sein? 
„Tyros"  und  „Karthago"  als  Mutter  und  Tochter,  allenfalls 
als  Vater  und  Sohn  haben  einen  Sinn,  aber  coordinirt  neben- 
einander als  Gründerpaar  Verstössen  sie  gegen  alle  conven- 
297tionelle  Symbolik,  die  bei  der  Bildung  der  Eponymennamen 


GESCHTCHTB  DER  BTARTHAGER.  93 

¥on  Hebräern  so  gut  wie  Griechen,  sicher  also  auch  von 
den  Pnniem  sireng  gewahrt  worden  ist.  Und  doch  stammt 
die  Nachricht,  wie  der  Verfasser  mit  Recht  aas  dem  Namen 
Azoros  (d.  i.  (^ör)  geschlossen  hat^  aus  karthagischer  Quelle. 
Was  nun?  Mir  scheint  auch  jetzt  noch  die  von  mir  bereits 
im  Literarischen  Centralblatt  vom  27.  November  1858  S.  759*) 
vorgeschlagene  Lösung  den  einzigen  Ausweg  auis  diesen 
Schwierigkeiten  zu  zeigen:  es  liegt  ein  einfaches  Missver* 
standniss  des  Philistos  vor,  dem  die  Karthager  sagten:  ^^die 
Aera  von  Tyros  und  Karthago  beginnt  50  Jahre  vor  Troias 
Fall.''  Mit  einem  Worte,  zur  Zeit  des  Philistos  rechnete 
man  in  Karthago  noch  officiell  nach  den  Jahren  der  Mutter- 
stadt Tyros;  als  diese  von  Alexander  erobert  worden  war, 
lockerte  sich,  wie  man  aus  der  Andeutung  bei  Diodor  XX,  14 
sieht^  das  Yerhältniss  der  mächtigeren  Tochter  zur  Mutter, 
mid  damals  wird  die  eigene  Stadtaera  an  die  Stelle  der 
Tyrischen  getreten  sein,  die  denn  auch  Timäos  bei  den  Kar- 
thagern vorfand.  Ohne  es  zu  ahnen,  hat  also  Philistos  das- 
selbe Datum  bewahrt,  das  uns  in  anderer  Fassung  und  auf 
eine  andere  Troische  Aera  gestellt  für  Tyros  an  der  bekannten 
Stelle  des  Justinus  XVIII,  3,  5  vorliegt,  die  Stadt  sei  ein 
Jahr  vor  der  Zerstörung  von  Troia  erbaut.  Ohne  seine  Scheu, 
zu  positiven  Annahmen  gedrängt  zu  werden,  in  welche  der 
Verfasser  in  diesem  Abschnitte  hineiugerathen  ist,  würde 
ihm  der  Widerspruch  schwerlich  entgangen  sein,  in  den  er 
sich  dadurch  verwickelt,  dass  er  die  Gründung  des  unbedeu- 
tenden Auza  als  in  den  Tyrischen  Annalen  verzeichnet  an- 
nimmt, aber  die  Erwähnung  der  Gründung  von  Karthago  in 
denselben  Annalen  nicht  Wort  haben  will,  und  die  weitere 
Schwierigkeit,  dass  er  die  Datirung  des  Timäos  aus  einer 
Kunde  der  Tyrischen  Konigslisten  herleiten,  in  die  uns  er- 
haltenen Listen  aber  das  Datum  über  Karthagos  Gründung 
erst  aus  Timäos  eingesetzt  werden  lassen  muss.  Eine  un- 
befangene Prüfung  der  von  Menandros  gegebenen  Zahlen 
kann   nur    zu    der   Erkenntniss   führen,    dass    sie    zu    dem 


*)  [Bd.  I  S.  249  f.  dieser  Sammlang.    F.  B.] 


94  UEBEB  MELTZEBS 

anderweitig  Festgestellten  so  gut  passen,  wie  man  es  von 
einer  durch  Addition  von  Eonigsjahren  gewonnenen  Jahr- 
reihe nur  immer  verlangen  kann.  Der  Werth  oder  Unwerth 
der  Vergleichung  des  11.  oder  12.  Jahres  des  Hirom  mit 
dem  Jerusalemischen  Tempelbau,  die  ich  nicht  für  einen  aus- 
gerechneten Synchronismus,  sondern  für  eine  von  Josephos 
vorgenommene  willkürliche  üebertragung  des  Datums  der 
grossen  Tyrischen  Tempelbauten  auf  die  Erbauung  des  Salo- 
monischen Tempels  halte ,  kann  auf  unser  Urtheil  über  die 
Jahrreihe;  welche  von  der  Gründung  von  Tyros  auf  die  von 
Karthago  herableitet,  nicht  den  geringsten  Einfluss  haben: 
sie  beweist  lediglich,  dass  die  Tyrischen  Annalen  von  der 
Gründung  bis  auf  den  Begierungsantritt  des  Hirom  229 
Jahre,  von  da  bis  auf  das  Jahr  der  Gründung  von  Karthago 
155  Jahre  (8  Monate),  zusammen  also  384  Jahre  (8  Monate) 
zählten.  Das  scheint  allerdings  zu  wenig;  man  kann  aber 
noch  jetzt  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  nachweisen ,  wo 
der  Fehler  steckt  Eine  nicht  durch  willkürliche  Auswahl 
beliebiger  Zahlen,  sondern  auf  dem  Wege  methodischer  Kritik 
bewirkte  Herstellung  der  Liste  ergiebt,  dass  die  Zeit  des 
298ungenannten  Usurpators,  mag  sie  nun,  wie  der  griechische 
Text  hat,  auf  12  Jahre  bestimmt  oder,  wie  dies,  wahrschein- 
lich mit  Recht,  in  sämmtlichen  übrigen  Texten  der  Fall  ist, 
gar  nicht  angegeben  gewesen  sein,  in  die  Gesammtsumme 
nicht  eingerechnet  ist:  diese  muss  also  um  12  Jahre,  be- 
ziehungsweise um  eine  unbestimmte  Zahl  von  Jahren  erhöht 
werden.  Wie  die  Liste  der  Tyrischen  Konige  festzulegen  ist, 
braucht  hier  nicht  weiter  verfolgt  zu  werden;  für  meinen 
Zweck  genügt  es  vollkommen,  die  von  Tyrischer  und  Kar- 
thagischer Seite  über  die  Gründung  der  Mutterstadt  sowohl 
wie  der  Tochterstadt  überlieferten  Data  im  Princip  als  glaub- 
würdig nachgewiesen  zu  haben.*) 

Das  vierte  Capitel  „Die  Bedrängniss  der  Westphdnicier 
und  die  Begründung  des  karthagischen  Reichs'^  schildert  uns 
die   einsichtige,    schon   vor   Mago   eingeleitete,    dann   aber 


♦)  [Vgl.  oben  S.  68  f.    F.  B.] 


GESCHICHTE  DER  KARTHAGER.  95 

namentlicli  von  ihm  und  seinem  Hause  mit  grosser  Stetig- 
keit Weitergefährte  Politik  der  Karthager,  die  darin  bestand, 
Hand  anf  die  westlichen  Colonien  der  Phonicier  zu  legen, 
ihre  Beschirmung  den  Griechen  gegenüber  zu  übernahmen 
und  deren  fernerem  Vordringen  gegen  Westen  einen  Damm 
entgegenzustellen,  keinen  Schritt  weiter  vorzugehen,  als  die 
Erreichung  dieses  Zwecks  unumgänglich  erheischte,  inner- 
halb dieser  Demarcationslinie  aber  mit  rücksichtsloser  Con* 
Sequenz  die  Griechen  und  alle  anderen  Mitbewerber  um  die 
Seeherrschaft  auszuschliessen  und  die  eigene  Suprematie  fest 
zu  begründen.  In  diesem  Zusammenhange  betrachtet  der 
Verfasser  die  Handelsverträge  zwischen  Karthago  und  Bom, 
und  erklärt  sich  unbeschadet  des  eingestandenen  Einflusses, 
den  im  Uebrigen  Mommsens  Ansichten  auf  sein  Werk  aus- 
geübt haben,  gegen  diesen  für  die  Datirung  des  Polybios; 
mit  Recht  erkennt  er  (S.  174)  in  der  Schwierigkeit,  welche 
die  im  zweiten  Jahrhundert  v.  Ch.  völlig  veraltete  Sprache 
bei  der  Uebertragung  verursachte,  ein  wichtiges  Zeugniss 
bei  der  Frage  über  das  Alter  der  ältesten  und  damit  auch 
der  auf  dieselbe  folgenden  Urkunden. 

Gegen  die  Allmacht  des  Magonischen  Hauses  trat  eine 
oligarchische  Reaction  ein,  und  schon  von  da  an  datirt  der 
Verfasser  das  Bestehen  zweier  Parteien,  einer  aristokrati- 
schen, nach  Aussen  hin  auf  nichts  als  auf  Wahrung  des 
thatsächlichen  Besitzstandes  bedachten  und  vielfach  über  das 

4 

wahre  Staatsinteresse  hinaus  friedliebenden,  und  einer  mehr 
demokratischen,  militärischen,  dem  Auslande  gegenüber  eine 
thatkräftige  Politik  vertretenden  Partei.  In  diesem  Antago- 
nismus zweier  entgegengesetzter  Richtungen  sieht  der  Ver- 
fasser den  Schlüssel  zu  einem  richtigen  Einblick  in  den 
Gang  der  kriegerischen  Operationen,  zu  denen  namentlich 
auf  Sicilien  die  Verwickelungen  zwischen  der  Grossmacht 
Karthago  und  den  Syrakusischen  Tyrannen  führten.  Es  bildet 
dies  den  Inhalt  des  fünften  Capitels;  obgleich  die  üeber- 
lieferung  hier  vollständiger  als  anderwärts  ist,  so  ist  es  mir 
doch  fraglich,  ob  der  Verfasser  nicht  mitunter  in  seinen 
Gombinationen  weiter  gegangen  ist,  als  jene  verstattet.    Ein 


96       UEBER  MELTZERS  GESCHICHTE  DER  KARTHAGER. 

Versehen  ist  es^  wenn  S.  339.  519  der  tyrrhenische,  in  Wahr- 
heit wohl  romische  Pirat,  welchen  Timoleon  hinrichten  liess, 
A.  Postumins  genannt  wird. 
299  ]^ie  wenig  erheblichen  Ausstellungen ,  die  wir  an  dem 
Yorliegenden  Werke  zu  machen  hatten,  stehen  einem  über- 
wiegend günstigen  Oesammturtheil  über  dasselbe  nicht  im 
Wege:  es  gehört  zu  den  solidesten  Leistungen,  die  in  den 
letzten  Jahren  auf  dem  Gebiete  der  alten  Geschichte  er- 
schienen sind. 


V. 
Zu  den  Fragmenten  des  Berosos  nnd  Ktesias.*)        S52 

I.    Zu  den  Fragmenten  des  Berosos. 

Eines  der  wichtigsten  Denkmäler  für  die  ganze  frühere 
asiatische  Geschichte  und  Chronologie  ist  die  Liste  der  baby- 
lonischen Dynastien,  welche  uns  aus  der  chaldäischen  Ge- 
schichte des  Berosos  in  der  armenischen  Uebersetzung  der 
Chronik  des  Eusebios  (p.  17  ed.  Mai  [I  p.  23f.  ed.  Schöne]) 
aufbewahrt  worden  ist.  Auf  die  grosse  Bedeutung  dieser 
Urkunde  machte  zuerst  Niebuhr  in  seiner  Abhandlung  über 
den  Gewinn  aus  der  neu  entdeckten  Chronik  des  Eusebios 
aufmerksam  und  besprach  sie.  Nach  ihm  haben  Lepsius  in 
der   Einleitung   zur   Geschichte   von   Aegypten    und   zuletzt 


*)  [fiheinisches  Musenm  für  Philologie  N.  F.  Band  Ym  (1853) 
8.  252 — 267.  Dieser  Aufsatz  ist  in  vielen  Stücken  völlig  veraltet  Der 
erste  Abschnitt  geht  von  einer  falschen,  von  Gutschmid  selbst  später 
vernrtheilten  Lesart  bei  Simplikios  aus  (vgl.  Band  I  S.  291.  357  f.  und 
^Beiträge  zur  Geschichte  des  alten  Orients**  S.  18 f.,  sowie  unten  die 
Anzeige  von  J.  Brandis,  Der  historische  Gewinn  aus  der  Entzifferung 
der  assyrischen  Inschriften  S.  408  des  Originaldrucks),  der  zweite  von 
damals  für  richtig  geltenden  Anschauungen  über  die  assyrische  Geschichte 
und  Chronologie,  die  gegenwärtig  so  allgemein  angegeben  sind,  dass 
es  mehr  als  überflüssig  wäre,  anzugeben,  wo  sich  Gutschmid  selbst 
anders  über  diese  Dinge  geäussert  hat.  Es  wird,  um  den  allmälichen 
Fortschritt  der  Erkenntniss  zu  veranschaulichen,  genügen,  auf  die  oben 
erwähnte  Anzeige  der  Schrift  von  Brandis  hinzuweisen.  Gutschmid 
selbst  hat  übrigens  manche  Einzelergebnisse  dieser  ersten  Wissenschaft- 
lieben  Arbeit,  welche  er  der  Oeffentlichkeit  übergeben  hat,  später  aus- 
drücklich aufrecht  erhalten  und  es  fehlt  auch  sonst  hier  nicht  an  mehr 
oder  weniger  wichtigen  und  nicht  veralteten  Bemerkungen,  welche 
allerdings,  wie  z.  B.  die  Ausführungen  über  Diodorll,  21  (S.  106)  nicht 
durchweg  die  Beachtung  gefunden  haben,  welche  sie  verdienten.   F.  B.] 

V.  OuTscsMio,  Kleine  Schriften,  n.  7 


98  Zu  DEN  FRAGMENTEN 

E.  Müller  zu  den  Fragmenten  des  Berosos  (in  den  Fragments 
historicorum  Graecorum  U  p.  504  ed.  Didot)  über  denselben 
Gegenstand  geschrieben. 

Leider  sind  in  dieser  Dynastienaufzählung  die  Jahre  der 
dritten  (medischen)  Dynastie  unsicher  und  die  der  vierten 
(von  unbekannter  Herkunft)  fehlen  im  Texte  ganz  und  die 
an  den  Rand  geschriebene  Zahl  ist  schwerlich  die  richtige. 
Die  historische  Gewissheit  geht  also  bei  dieser  Beschaffenheit 
unserer  Quellen  nur  bis  zum  Jahr  1976  v.  Gh.,  dem  Anfang 
der  fünften  (chaldaischen)  Dynastie,  hinauf;  wir  können  daher 
die  Anfange  der  früheren  Dynastien  nur  durch  Conjectur 
finden.  Zum  Glück  giebt  es  zwei  Hülfsmittel,  mit  denen 
wir  die  Angaben  des  Berosischen  Textes,  wie  er  jetzt  vor 
uns  liegt,  nicht  bloss  controliren,  sondern  auch  ergänzen 
können. 

Auf  das  eine  hat  schon  Niebuhr  hingewiesen;  es  ist  uns 
gegeben  in  der  von  Simplikios  im  Commentar  zur  Schrift 
des  Aristoteles  nsgl  ovQavov  mitgetheilten  Nachricht,  dass 
253Ealli8thenes  beim  Einzüge  Alexanders  des  Grossen  in  Babylon 
(331  y.  Gh.)  dort  astronomische  Aufzeichnungen  gefunden 
habe,  welche  eine  Zeit  von  1903  Jahren  umfassten.  Das 
führt  uns  auf  das  Jahr  2234  v.  Gh.  Gewiss  hat  Niebuhr 
Recht,  wenn  er  behauptet,  dass  dies  nicht  ein  vereinzeltes, 
lediglich  für  die  Geschichte  der  Astronomie  wichtiges  Datum 
sei,  sondern  dass  es  eine  wichtige  historische  Thatsache,  ja 
den  Anfang  der  sicheren  Geschichte  selbst,  bezeichne.  Er 
glaubte  also,  dies  Jahr  sei  das  der  Einnahme  von  Babylon 
durch  die  Meder.  Demnach  fielen  der  dritten  (medischen) 
Dynastie  224,  der  vierten  34  Jahre  zu.  Dabei  ist  freilich 
Mehreres  bedenklich:  1)  die  Aenderung  jd^  für  MH]  2)  für 
die  der  vierten  Dynastie  zugeschriebenen  11  Könige  sind 
34  Regierungsjahre  entschieden  zu  wenig:  dann  kämen  auf 
einen  Jeden  durchschnittlich  nur  drei  Jahre,  und  dies  wäre 
doch  unerhört;  3)  ein  für  die  Culturgeschichte  so  bedeut- 
samer Schritt,  wie  der  erste  Anfang  astronomischer  Auf- 
zeichnungen ist,  setzt,  zumal  in  so  alter  Zeit,  ruhige  und 
gesicherte   Zustände   voraus:   wie    sollten    aber    die    gerade 


DES  BEROSOS  UND  KTESIAS.  99 

durch  die  Herrschaft  der  Meder,  welche  uns  ja  als  fremde 
Eindringlinge  und  Tyrannen  geschildert  werden,  herbeigeführt 
worden  sein?  Solchen  Eroberungen  folgt  im  Orient  in  der 
Regel  die  geistige  Ertodtnng  des  unterworfenen  Volkes  — 
und  Yon  diesem ,  nämlich  den  Chaldäern^  gingeii  cloch  jene 
astronomischen  Aufzeichnungen  gerade  aus.  Diese  Schwierig- 
keiten scheinen  denn  auch  Lepsius  bewogen  zu  haben,  jene 
Angabe  des  KalUsthenes  für  die  Bestimmung  der  chaldäischen 
Chronologie  ganz  fallen  zu  lassen.  Er  nimmt  dagegen  eine 
Notiz  des  Synkellos  zu  Hülfe.  Dieser  giebt  nämlich  der 
medischen  Dynastie  (oder,  wie  er  sich  auszudrücken  beliebt, 
der  des  Zoroastres  und  der  sieben  Ghaldäer)  190  Jahre.  Da 
nun  dies  den  von  Eusebios  für  dieselbe  Dynastie  angegebenen 
Zahlen  224  oder  234  widerspricht,  so  meint  Lepsius,  es  möge 
dies  wohl  die  Zahl  der  Jahre  der  vierten  Dynastie  sein. 
Diese  Yermuthung  hat  indess  wenig  diplomatische  Wahr- 
scheinlichkeit für  sich.  Synkellos  hat  hier,  wie  man  mit 
ziemlicher  Sicherheit  behaupten  kann,  aus  den  Werken  der 
ägyptischen  Mönche  Anianos  und  Panodoros^  geschöpft,  zweier 
Euhemeristen  des  vierten  Jahrhunderts,  welche  alle  mythi- 
schen Zahlen  in  sogenannte  historische  verwandelten,  um 
die  Nachrichten  der  heidnischen  Chronographen  in  Einklang264 
mit  ihrem  eigenen  aus  der  Bibel  abgeleiteten  System  der 
Zeitrechnung  zu  bringen.  Den  Unfug,  welchen  sie  in  der 
ägyptischen  Geschichte  verübt  haben,  hat  Boeckh  in  der 
Schrift  „Manetho  und  die  Hundsstemperiode '^  gebührend 
gewürdigt.  Sie  haben  also  den  Synkellos  verleitet,  die  echten 
Nachrichten  des  Berosos  elend  zu  verstümmeln.  Die  Jahre 
der  beiden  ersten  mythischen  Dynastien  nimmt  er  für  Tage, 
damit  Berosos  nicht  zu  sehr  von  der  Bibel  abweiche;  der 
dritten  Dynastie  giebt  er,  wie  schon  erwähnt  wurde,  190 
Jahre,  die  vierte  und  fünfte  Dynastie  lässt  er  ganz  aus,  die 
sechste  verkürzt  er  um  drei  Könige  und  30  Jahre,  und 
ausserdem  macht  er  in  der  Bezeichnung  der  Herkunft  der 
zweiten  und  dritten  Dynastie  die  ärgste  Confusion.  Die  Zahl 
190  ist  also  schwerlich  echt,  und  dass  Synkellos  sie  von 
einer  anderen  Dynastie  übertragen  haben  sollte,  lässt  sich 


100  zu  DEN  FRAGMENTEN 

durch  nichts  beweisen;  er  wird  vielmehr ,  wie  er  es  bei  der 
sechsten  Dynastie  gethan  hat,  die  Regierungsjahre  willkür- 
lich verkürzt  haben.  ^)  Endlich  E.  Müller  hält  in  der  Frag- 
mentsammlung des  Berosos  (Fragm.  bist.  Graec.  II  p.  504) 
die  am  Rande  der  Eusebischen  Chronik  der  dritten  (medi- 
schen)  Dynastie  beigeschriebenen  234  Jahre  für  echt  und 
sieht  darin  die  Summe  der  Jahre  der  dritten  und  vierten 
Dynastie.  Er  legt  deshalb  den  Medern  189  Jahre  (so  statt 
der  190  Jahre  des  Synkellos,  einer  runden  Zahl)  und  ihren 
Nachfolgern  45  Jahre  (indem  er  ME  für  MH  corrigirt)  bei. 
Auch  dies  ist  höchst  willkürlich.  Ich  bin  überzeugt^  dass  man 
die  Zahl  des  Eallisthenes  festhalten  muss  als  das  Datum  der  ^ 

Thronbesteigung  einer  chaldäischen  Dynastie;  aber  welcher? 
Mein  Bedenken  gegen  die  dritte  (medische)  Dynastie  habe 
ich  bereits  ausgesprochen.  Yon  allen  anderen  Dynastien 
kann  nur  die  vierte  von  unbekannter  Herkunft  hier  in  Be- 
tracht kommen,  da  die  zweite  Dynastie  in  eine  viel  frühere, 
mythische  Zeit  fallt,  von  der  fünften  Dynastie  aber  das 
Jahr  1976  v.  Gh.  als  Datum  ihrer  Thronbesteigung  feststeht. 
266Nimmt  man  nun  als  das  erste  Jahr  der  vierten  Dynastie  das 
Jahr  2234  v.  Gh.,  so  bleiben  für  sie  258  Jahre  übrig;  dies 
stimmt  sehr  gut  zu  der  Angabe,  dass  diese  Dynastie  11 
Herrscher  hatte,  und  es  kommt  dann  auf  einen  Jeden  der- 
selben eine  Regierung  von  etwa  23  Jahren,  was  ein  ganz 
annehmbares  Yerhältniss  ist.  Wie  leicht  konnte  überdies 
aus  der  Zahl  CNH  das  MH  werden,  welches  die  Randglosse 
hat  Auch  sieht  man  sehr  wohl  ein,  wie  CNH  im  Texte 
ausfallen  konnte;  es  folgt  nämlich  als  Zeitangabe  der  nächsten 
Dynastie  TNH,  wegen  welcher  ein  Abschreiber  leicht  über  die 
ähnliche  vorhergehende  hinweggleiten  konnte.  Wir  können 
also  CNH  unbedenklich  in  den  Text  aufnehmen.    Diese  vierte 


1)  Da  SynkelloB  (p.  78  C  ed.  Bonn.)  den  Meder  Zoroastres  anf- 
fiülig  von  seinen  sieben  Nachfolgern,  die  er  Ghaldäer  nennt,  trennt, 
80  liegt  die  Vermuthung  nahe,  dass  ursprünglich  dem  Zoroastres  84, 
seinen  sieben  Nachfolgern  190  Jahre  gegeben  waren.  Doch  Überall 
die  Marotten  eines  byzantinischen  Chronographen  erklären  zn  wollen, 
w&re  verlorene  Mühe. 


DES  BEROSOS  UND  KTESIAS.  101 

Dynastie  wird  wohl  eine  einheimische  gewesen  sein^  da  ihre 
Herkunft  nicht  angegeben  wird.  Es  ist  klar,  dass  ihr  An- 
fang,  also  der  Sturz  der  medischen  Tyrannei,  als  Ausgangs- 
punkt astronomischer  Beobachtungen  angesetzt  werden  konnte, 
wie  später  in  einem  ganz  ähnlichen  Falle  der  Regierung  des 
Nabonassar.*) 

Zur  Evidenz  wird  jene  Emendation  gebracht  durch  das 
zweite  der  oben  erwähnten  Correctivmittel;  auf  dieses  ist, 
sonderbar  genug,  noch  keiner  von  denen,  die  sich  mit  jenen 
Berosischen  Listen  beschäftigt  haben,  aufmerksam  geworden. 
Ich  meine  die  Summe  der  Jahre  aller  Dynastien,  die  in  Ba- 
bylon regiert  haben.  Diese  wird  Berosos  gewiss  in  einen 
Cyclus  eingeschlossen  haben.  Es  ist  dies  der  älteren  orien- 
talischen Geschichtsschreibung  ganz  angemessen;  vom  Werke 
des  Manetho  hat  es  neuerlich  Boeckh  so  schön  nachgewiesen, 
und  es  wäre  geradezu  auffällig,  wenn  sein  Zeitgenosse  Be- 
rosos, der  auch  sonst  so  viel  innere  Aehnlichkeit  mit  ihm 
hat,  nicht  dasselbe  gethan  hätte.  Nun  aber  wissen  wir, 
dass  Berosos  die  zehn  Chaldäerkönige  vor  der  Sintfluth 
432000  Jahre  regieren  Hess.  Dies  ist  eine  cyclische  Zahl, 
die  bekanntlich  auch  bei  den  Indern  vorkommt.  Es  sind 
dies  120  ödgoL  oder  Perioden  von  3600  Jahren.  Im  ganzen 
Zahlensystem  der  Babylonier  spielen  die  Zahlen  6  und  10 
und  ihre  Producte  eine  grosse  Rolle:  sie  theilten  die  Zeit 
ein  nach  dem  ödgog  von  3600,  dem  vrJQos  von  600,  dem 
öciööog  von  60  Jahren.  Es  ist  also  ganz  natürlich,  dass 
die  Chaldäer  auch  die  Regierungsjahre  ihrer  nachsintfluth- 
liehen  Eonige  in  einem  Cyclus  begriffen  haben.  Nun  wollen 
wir  sehen,  was  die  Zusammenrechnung  der  Jahre  aller256 
Dynastien  nach  Aufnahme  unserer  Emendation  für  ein 
Resultat  ergiebt**): 


*)  [Vgl.  unten  die  Anzeige  von  Brandis,  Der  historische  Gewinn 
ans  der  Entzifferung  der  assyrischen  Inschriften  S.  408  des  Original- 
drncks,  sowie  „Beiträge  znr  Geschichte  des  alten  Orients*'  S.  18  und 
„Nene  Beitrage"  S.  116.    F.  R.] 

**)  [Der  Ansatz  des  Jahres  34618  für  die  zweite  Dynastie  beruht 
natürlich  auf  einem  Rechenfehler.    F.  R.] 


102  ZU  DEN  FRAGMENTEN 


zweite     D 

^ynasti 

LC  86  Chaldäer 

reg.  : 

34080  J 

ahre 

seit 

34618. 

dritte 

}} 

8  Meder 

9) 

224 

«0 

7) 

2458. 

vierte 

f7 

11  [Chaldäer] 

y} 

[258] 

w 

77 

2234. 

fünfte 

V 

49  Chaldäer 

V 

458 

» 

J7 

1976. 

sechste 

?» 

9  Araber 

V 

245 

}} 

77 

1518. 

siebeute 

)} 

45  Assyrer 

jf 

526 

9> 

;; 

1273. 

achte 

» 

3  Assyrer 

>; 

122 

7) 

>; 

747. 

neunte 

V 

6  Chaldäer 

V 

87 

>} 

n 

625. 

222  Könige        reg.  36000  Jahre. 

(Ende  des  Reiches  538.) 
Diese  36000  Jahre  sin^i  gleich  10  ödgoi^  offenbar  irgend 
eine  cyclische  Zahl.  Es  sind  wohl  100  grosse  Jahre.*)  Die 
alten  Chaldäer  hatten  nämlich,  wie  es  scheint,  ursprünglich 
ein  Jahr  von  360  Tagen;  dies  wird  zwar,  soviel  ich  weiss, 
nirgends  ausdrücklich  berichtet,  aber  die  aus  Berosos  und 
Ktesias  von  Athenäos  XIV  p.  639  C  mitgetheilten  Sagen  von 
den  fünf  Tagen  im  Jahre,  an  welchen  in  Babylon  nach  Art 
der  romischen  Saturnalien  alle  Verhältnisse  umgekehrt  wur- 
den, hat  schon  Volney  gewiss  richtig  auf  die  Einschaltung 
von  fünf  Tagen  in  das  alte  Jahr  von  360  Jahren  gedeutet. 
Dies  wird  durch  jene  von  den  Babyloniern  mit  den  Zahlen 
6  und  10  getriebene  Symbolik  bestätigt.  Wie  passend  die 
Zeit  nach  der  Sintfluth  in  100  grossen  Jahren  eingeschlossen 
wird,  leuchtet  ein.  Die  Jahreszahlen  des  Berosos  können 
also  nur  als  ganz  gesichert  betrachtet  werden. 

Für  die  Zahl  der  Eonige  haben  wir  fast  gar  keine 
Controle.  Nach  unserem  Texte  regierten  10  Eonige  vor 
und  222  nach  der  Sintfluth  in  Babylon.  In  der  historischen 
Zeit  ist  das  Verhältniss  der  Regierungsjahre  dieses,  dass 
durchschnittlich  auf  jeden  Eönig  1374  Jahre  kommen.  Dies 
257ist  offenbar  zu  wenig.    Ich  weiss  nun  zwar  wohl,  dass  man 

1)  Diese  Zahl  ist  kritisch  beglaubigter  als  834,  welches  eine 
blosse  Bandglosse  ist;  wir  müssen  sie  also  zu  Grunde  legen. 

2)  Von  den  vielen  Arten  des  grossen  Jahres  war  die  herkömm- 
lichste die,  dass  man  das  Jahr  als  einen  Tag  betrachtete  nnd  dann 
ein  Jahr  von  860  (oder,  nach  Befinden,  von  354  oder  865)  Tagen,  d.  i. 
Jahrtagen,  bildete.    Dieser  Cyclus  hiess  das  grosse  Jahr. 


DES  BEROSOS  UND  KTESIAS.  103 

bei  kleinen  Zeiträumen  nicht  viel  auf  den  Kanon,  dass  im 
Durchschnitt  auf  jeden  König  17  'Regierungsjahre  kommen, 
geben  darf,  indem  zuföllige  Umstände  grosse  Verschieden- 
heiten herbeiführen  können^);  im  Ganzen  und  Grossen  gleicht 
sich  dies  aber  wieder  aus,  und  jener  herkömmliche  Kanon 
wird  sich  dann  fast  in  allen  Fällen  bewähren.  Ich  glaube 
zeigen  zu  können,  dass  dies  auch  von  den  Dynastien  des 
Berosos  gilt.  Die  Zahl  der  assyrischen  Könige  der  siebenten 
Dynastie  ist  nämlich  nicht  sicher;  denn  während  Berosos 
deren  45  zählt,  so  nennt  Abydenos  (in  einem  Fragment  bei 
Müller  IV  p.  282)  den  Sanherib  den  25.  assyrischen  König. 
Zählt  man  nun  den  Phul,  Tiglat-Pileser,  Salmanassar  und 
Sanherib  ab,  so  bleiben  für  die  siebente  Dynastie  21  Könige. 
Da  Abydenos  aus  denselben  Quellen  wie  Berosos  schöpfte, 
so  kann  diese  Differenz  nicht  auf  einer  Verschiedenheit  der 
historischen  Tradition  beruhen,  sondern  muss  als  ein  Fehler 
der  Abschreiber  gelten,  welche  die  Siglen  KA  und  ME  ver- 
wechselten. Man  hat  also  die  Wahl  zwischen  beiden  Zahlen, 
von  denen  die  des  Abydenos  zu  gering,  die  des  Berosos  zu 
gross  zu  sein  scheint.  Ich  entscheide  mich  aus  zwei  Gründen 
für  die  Zahl  21,  welche  Abydenos  giebt,  1)  weil  dann  bei 
der  Gesammtberechnung  auf  jeden  König  eine  Regierung 
nicht  von  1374,  sondern  von  etwas  über  16  Jahren  kommt: 
dies  passt  besser  zu  dem  herkömmlichen  Kanon;  2)  wegen 
der  Uebereinstimmung  mit  den  Nachrichten  des  Ktesias. 
Ich  kann  hier  nicht  umhin,  auf  dessen  Chronologie  genauer 
einzugehen. 

II.    Zu  den  Fragmenten   des  Ktesias. 

Es  ist  bekannt,  wie  sehr  die  Nachrichten  des  Ktesias 
über  Assyrien  von  denen  des  Berosos  abweichen.  Dies  ist 
ganz  natürlich;  denn  dieser  schöpfte  aus  chaldäischen,  jener 
aus  persischen  Quellen.  Eine  Vergleichung  der  Nachrichten 
Beider  bedarf  also   erst  einer  Rechtfertigung.     Diese  wird 

1)  Ich  erinnere  an  die  lange  Regierungsdaaer  der  Bonrbonen  in 
Frankreich  und  an  den  farchtbar  schnellen  Regierungswechsel  der 
letzten  Sassaniden. 


104  ZU  DEN  FRAGMENTEN 

258uns  zu  Theil  durch  ein  Fragment  des  Alexandros  Polyhistor 
(bei  Müller  III  p.  210),  wonach  mit  Eonig  Beleous  das 
Geschlecht  der  Semiramis  ausstarb  und  hierauf  ein  Gärtner 
Beletaras  auf  wunderbare  Weise  König  wurde.  Beide  Namen 
finden  sich  in  den  auf  Ktesias  zurückgehenden  Eönigsyer- 
zeichnissen  der  Chronographen,  welche  auf  Belochos  II.  einen 
Balatores  folgen  lassen.  Dies  berechtigt  uns,  die  Konigsliste 
des  Etesias  in  zwei  Hälften  zu  zerlegen.  Die  Regierungs- 
jähre  der  zweiten  assyrischen  Dynastie,  die  wir  der  Kürze 
halber  Beletaraden  nennen  wollen,  belaufen  sich  beim  Eu- 
sebios  auf  588,  bei  anderen  Chronographen  auf  einige  Jahre 
mehr.  Sie  fallen  nach  den  übereinstimmenden  Angaben  der- 
selben in  dieselbe  Zeit,  wie  die  siebente  assyrische  Dynastie 
des  Berosos;  sie  sind  nur  dadurch  zu  hoch  hinaufgeschoben 
worden,  dass  Etesias  den  Sturz  des  assyrischen  Reiches,  da 
er  die  Herrschaft  der  Meder  zu  lange  ausdehnte,  statt  in 
das  Jahr  747  in  das  Jahr  884  setzte.  Ich  wage  nun  zu 
behaupten,  dass  die  Beletaraden  mit  den  Assyrern  der 
siebenten  Dynastie  des  Berosos  identisch  sind.  Ein  Um- 
stand begünstigt  diese  Ansicht  sehr.  Berosos  nennt  nämlich 
als  Gründer  in  dieser  Dynastie  eine  Semiramis;  nun  aber 
wird  in  den  Etesianischen  Eönigsregistern  des  Eusebios  und 
Eastor  zwischen  Belochos  IL  und  Balatores  eine  Semiramis, 
welche  auch  Atossa  heisst,  eingeschoben.  Sie  heisst  eine 
Tochter  des  Belochos  IL  und  vielleicht  erwarb  der  Gärtner 
Beletaras  durch  Heirath  mit  dieser  Eonigstochter  das  as- 
syrische Reich.  Die  Dynastie  der  Beletaraden  glaube  ich 
als  historisch  ansehen  zu  dürfen.  Den  letzten  Eonig  dieser 
Dynastie  nennt  Etesias  Sardanapallos  und  vermischt  seine 
Geschichte  offenbar  mit  der  des»  letzten  Chaldäerkönigs  Sarak 
einerseits  und  mit  dem  Mythos  von  der  Selbstverbrennung 
des  Gottes  Sandes  andererseits.  Glücklicherweise  ist  uns 
aber,  vermuthlich  ebenfalls  aus  Etesias,  der  wahre  Name 
des  letzten  Assyrerkönigs  überliefert  worden;  er  hiess  Thonos 
Eonkoleros.  Wir  brauchen  also  nicht  zu  befürchten,  in  ihm 
lediglich  eine  mythische  Person  vor  uns  zu  haben. 

Wir  wenden  uns  nun  zur  Betrachtung  der  Etesianischen 


DES  BEROSOS  UND  KTESIAS.  105 

Chronologie.  Wir  wissen,  dass  Ktesias  in  den  ersten  drei 
Büchern  seiner  TlsiffSixa^  wo  er  die  Geschichte  der  Assyrer 
im  Zusammenhange  erzählte,  nur  die  fünf  bedeutendsten  as-259 
syrischen  Eonige  erwähnte  und  ihre  Zeit  in  runden  Summen 
angab;  am  Schlüsse  seines  ganzen  Werkes  fügte  er  aber  ein 
Konigsverzeichniss  hinzu  mit  genauer  Angabe  der  Jahte^  die 
jeder  Eonig  regiert  hatte.  Da  alle  späteren  Historiker  mit 
geringen  Ausnahmen  die  Etesianischen  Nachrichten  wieder- 
geben, so  muss  man  sorgfältig  die  scheiden,  welche  un- 
mittelbar den  Etesias  benutzt  haben,  und  solche,  welche 
mittelbar  aus  ihm  schöpfen,  d.  h.  aus  Bearbeitungen  seiner 
Geschichte.  In  die  erste  Classe  gehört  Diodoros,  der  im 
zweiten  Buche  die  'Aöövgiaxa  des  Etesias  excerpirt  und  die 
dort  gegebenen  runden  Zeitbestimmungen  mittheilt.  Genauere 
Zahlen  giebt  uns  Eephalion  (bei  Müller  III  p.  625)  mit  aus- 
drücklicher Anführung  des  Etesias,  also  auf  jeden  Fall  aus 
dessen  Eönigsverzeichniss;  diese  Zahlen  werden  durch  die 
Yergleichung  mit  Diodoros  bestätigt.  Zwar  hat  Eephalion 
einem  barocken  chronologischen  System  zu  Liebe  die  Eönige 
zwischen  Teutamos  und  Sardanapallos  ausgeworfen  und  lässt 
diesen  unmittelbar  auf  jenen  folgen;  er  ist  aber  so  ehrlich, 
diese  Willkürlichkeit  nicht  durch  Fälschungen  zu  bemänteln. 
Aus  diesen  beiden  Schriftstellern  erfahren  wir  aber  noch 
nicht  die  Begierungsjahre  der  einzelnen  Eönige.  Diese  geben 
uns  die  Chronographen;  aber  bei  ihnen  sind  die  Zahlen  des 
Etesias  schon  willkürlich  den  einzelnen  chronologischen  Sy- 
stemen gemäss  auf  verschiedene  Weise  modificirt  worden, 
bald  durch  Verkürzung,  bald  durch  Verlängerung.  Uns  sind 
drei  solcher  assyrischer  Eönigslisten  überliefert  worden;  die 
älteste  ist  die  in  der  Chronik  des  Eusebios,  die  zweite  ist 
in  den  Excerpta  chronologica  Latino-barbara  Scaligeri,  die 
aus  Eastor  schöpfen,  enthalten,  die  dritte,  welche  vielleicht 
auf  Lysimachos  zurückgeht,  giebt  Synkellos.  Von  diesen  ist 
die  Liste  des  Eusebios  die  einfachste;  die  Excerpta  setzen 
den  Belos  voran,  von  dem  Etesias  nichts  weiss,  und  schliessen 
mit  Ninos  11.,  den  Etesias  wenigstens  nicht  als  Nachfolger 
des    Sardanapallos   kennt;    Synkellos   endlich   hat   ebenfalls 


106  ZU  DEN  FRAGMENTEN 

den  Belos   und   schiebt  ausserdem  vier   andere  Könige  ein, 

die  (wie  wir  aus  Abydenos  wissen)  an  einen  ganz  anderen 

Platz  gehören.    Bei  der  Erforschung  der  echten  Nachrichten 

des  Etesias  legen  wir  also  die  Liste  des  Eusebios  zu  Grunde, 

260und  benutzen  als  Massstab  die  Angaben  des  Diodoros  und 

des   Eephalion.      Diese   müssen   wir   hier,    da    die   Notizen 

ziemlich  verstreut  sind,  zusammenstellen: 

Ninos  regierte  52  Jahre  (Keph.  III  p.  626). 

Semiramis  regierte  42  Jahre  (Diod.  II,  20.     Anonym,   de 

mulier.  I). 
Ninyas. 

Als  der  20.  König  vom  Ninyas  an,  Namens  Teutamos, 
regierte,  bestand  das  assyrische  Reich  über  1000  Jahre 
(Diod.  II,  22). 
Als  Teutamos  starb,  wurde  Sardanapallos ,  der  23.  von 
Ninos  an,  König  im  1013.  Jahre  des  Reiches  (Keph. 
III  p.  626,  wo  trotz  der  falschen  Verkürzung  der 
Königsreihe  das  Echte  noch  erkennbar  ist). 
Der  30.  König  vom  Ninos  an  ist  Sardanapallos  (Diod.  II,  23). 

Summa:  (30  Könige    regierten   über    1300  Jahre   (Diod.  II, 

21.  28). 

Dauer  des  Reiches  1306  Jahre  (ein  altes  Glossem 
im  Diod.  II,  21  ^),  erhalten  von  Agathias  II,  25). 
Vergleichen  wir  nun  also  diese  echten  Nachrichten  des 
Ktesias  mit  den  Zeitbestimmungen  der  Chronographen,  als 
deren  besten  Repräsentanten  wir  den  Eusebios  aufgestellt 
haben,  so  ergeben  sich  uns  mehrere  bedeutende  Verschieden- 
heiten. Wir  fangen  von  unten  an  und  gehen  erst  dann  zur 
Untersuchung  der  ältesten  Zeiten  über.  Da  sehen  wir  denn, 
dass  Eusebios  oder  vielmehr  seine  Quellen  die  Zeit  zwischen 
Teutamos  und  Sardanapallos,  die  nach  Ktesias  1306 — 1012, 
also  294  Jahre  dauerte,  willkürlich  verlängert  haben;  Eu- 

1)  In  unseren  Text  ist  ein  anderes  Glossem  in  hi  d'  Ig^xovrtt 
gekommen,  so  dasa  die  Summe  der  Jahre  1360  wäre;  dies  ist  aber 
wohl  bloss  eine  Vcrderbniss,  indem  aus  ^li  d*  t^  geworden  ist  hi  91 
£':  denn  sonst  konnte  1300  kaum  von  Ktesias  als  runde  Summe  an- 
gegeben werden. 


DES  BEROSOS  UND  KTESIAS.  107 

sebios  im  Ghron.  p.  45  (ed.  Mai  [I  p.  65 f.  Schone])  zählt 
uämlich  statt  dessen  356  Jahre.  Ferner  füllten  beim  Ktesias 
nur  acht  Eonige  diesen  Zeitraum  aus^  Eusebios  zählt  deren 
zehn  auf.  Bei  den  anderen  Chronographen  sind  die  Differenzen 
noch  grosser  (in  den  Excerpta  11  Konige  in  350  Jahren^ 
im  Synkellos  - 14  Könige  in  524  Jahren).  Zum  Glück  ist 
die  Art  der  Interpolation  und  der  Grund  derselben  noch 
ganz  erkennbar.  Die  Chronographen  wissen  sämmtlich  von 
dem  richtigen  Datum  des  Sturzes  des  Assyrerreichs  im  Jahre 
747  Y.  Ch.  nichts^  sondern  folgen  dem  Ktesias^  aber  uicht26l 
einmal  diesem  genau.  Sie  setzen  vielmehr^  um  einen  leid- 
lichen Synchronismus  mit  den  biblischen  Nachrichten  her- 
ausbringen zu  können^  das  Ende  des  Reiches  in  das  Jahr 
820  (Andere  843,  noch  Andere  825),  also  über  60  Jahre 
später  als  Ktesias.  Was  nun  das  Einfachste  gewesen  wäre, 
nämlich  die  Könige  des  Ktesias  alle  um  so  viel  Jahre  her- 
unterzurücken,  dies  zu  thun  wagten  sie  nicht,  weil  der  Syn- 
chronismus des  Königs  Teutamos  und  des  Troischen  Krieges 
für  eine  ausgemachte  Sache  galt;  den  Troischen  Krieg  aber 
sammt  dem  Könige  herunterzurücken,  wäre  in  ihren  Augen 
unverantwortlich  gewesen.  Es  musste  also  die  Dauer  des 
Reiches  um  etwas  über  60  Jahre  vermehrt  werden;  diese 
aber  anzuflicken  hält  sehr  schwer,  da  alle  Ktesianischen 
Konige  schon  eine  mehr  als  genügende  Regierungsdauer 
aufzuweisen  hatten.  Was  war  also  einfacher,  als  für  jene 
neugewonnene  Zeit  ein  paar  neue  Könige  zu  fabriciren? 
Die  zwei  eingeschobenen  Könige  (soviel  hat  Eusebios  mehr 
als  Ktesias)  verrathen  sich  durch  ihre  Namen,  welche  blosse 
Alterirungen  derer  ihrer  unmittelbaren  Vorgänger  oder  Nach- 
folger sind.  Auf  König  Tautanos  (Teutamos)  folgt  ein  Teu- 
täos,  der  40  Jahre  regiert;  des  Ophratanos  (Ophratanes) 
Vorfahr  heisst  Ophratäos  und  regiert  21  Jahre;  die  anderen 
Namen  sind  zum  Theil  hellenisirt,  aber  ganz  unverdächtig. 
Wir  wollen  die  Art,  wie  man  neue  Könige  macht,  nämlich 
durch  Veränderung  der  orientalischen  Namensendung  des 
Nachbars  auf  avog  in  eine  etwas  griechischer  klingende 
auf  aioSf  signalisiren;  vielleicht  klopfen  wir  da  dem  Inter- 


108  ZU  DEN  FRAGMENTEN 

polator  später  noch  einmal  auf  die  Pinger.  Rechnet  man 
nun  diese  beiden  Geschöpfe  sammt  ihren  61  Regierungs* 
Jahren  ab,  so  erhält  man  für  den  betreffenden  Zeitraum  achfc 
Könige  mit  295  Jahren,  was  nur  um  ein  einziges  Jahr  von 
der  Angabe  des  Ktesias  abweicht.  Soweit  hätten  wir  also 
die  echten  Nachrichten  des  Ktesias  wieder  aufgespürt 

Wir  wenden  uns  nun  zu  dem  Zeitraum  zwischen  Bele- 
taras  und  Teutamos.  Er  wird  wiederum  durch  acht  Könige 
ausgefüllt;  zählt  man  nun  ihre  Regierungsjahre,  wie  sie  Eu- 
sebios  überliefert  hat,  zusammen,  so  erhält  man  232  Jahre. 
Addirt  man  nun  diese  232  Jahre  zu  den  294,  die  vom  Teu- 
262tamos  bis  zum  Sturze  des  Reiches  verflossen,  so  bekömmt 
man  für  die  Dauer  der  Dynastie  der  Beletaraden  526  Jahre. 
Dies  stimmt  so  trefflich  zu  den  Angaben  des  Berosos,  dass 
wir  annehmen  müssen,  Eusebios  habe  sich  hier  streng  an 
die  alte  üeberlieferung  gehalten,  und  diese  rührt  von  Nie- 
mandem anders,  als  von  Ktesias,  her.  Dessen  Genauigkeit 
ist  also  durch  die  Uebereinstimmung  mit  Berosos  und  mit 
Herodot  I,  95  glänzend  gerechtfertigt. 

Wie  aber,  wird  Jeder  mir  einwerfen,  stimmen  die  16 
Könige,  welche  beim  Ktesias  diesen  Zeitraum  ausfüllen,  zu 
den  21  oder  gar  45  Königen  der  chaldäischen  Historiker? 
liier  ist  denn  erstens  in  Betracht  zu  ziehen,  dass  in  der 
Königsreihe  des  Ktesias  alle  Assyrerfürsten,  wie  seine  eigenen 
Worte  (bei  Diod.  II,  21.  Keph.  III  p.  626)  lauten,  aufeinander 

ix 

folgten  jcatg  nagä  natgog  ScaÖBxoiisvog  riji/  cigxv^*  Nun 
theile  man  die  526  Jahre  unter  16  Könige,  und  man  wird 
finden,  dass  im  Durchschnitt  auf  jeden  derselben  33  Jahre 
kommen,  also  gerade  ein  Menschenalter.  Ktesias  gab  also 
statt  der  Regierungen  die  Generationen  an.  Dass  er  in 
diesem  Verfahren  nicht  allein  steht  und  auch  darin  ver- 
muthlich  nur  seinen  persischen  Quellen  gefolgt  ist,  hoffe  ich 
durch  ein  schlagendes  Beispiel  aus  einer  ganz  historischen 
Zeit  zu  erweisen.  Einer  der  ältesten  orientalischen  Geschichts- 
schreiber, die  wir  besitzen,  der  Armenier  Moses  von  Chorene 
(der  um  480  n.  Ch.  schrieb)  zählt  nur  14  Arsakiden  auf, 


DES  BEROSOS  UND  KTESIAS.  109 

während  doch  ans  griechischen  und  romischen  Schriftstellern 
und  aus  MüDzen  deren  32  bekannt  sind.  Sieht  man  näher 
zu 9  so  findet  man,  dass  immer  das  Todesjahr  eines  [seiner 
Eonige  mit  dem  eines]*)  aus  occidentalischen  Quellen  be- 
kannten Arsakiden  zusammenföUt,  dass  aber  Moses  mehrere 
Arsakiden  unter  einer  einzigen  Regierung  begreift,  und  zwar 
nicht  auf  das  Gerathewohl,  sondern  nach  einer  festen  Regel: 
wo  nämlich  zwei  oder  mehrere  Brüder  oder  Vettern  hinter- 
einander regieren,  da  nennt  Moses  jedesmal  nur  einen  ein- 
zigen Konig  und  zwar  immer  den,  der  am  bedeutendsten 
war  und  am  längsten  regierte;  er  rechnet  die  Generationen, 
nicht  die  Regierungen.  Mit  Hülfe  dieser  Parallele  können 
wir  das  Verbältniss  der  Nachrichten  des  Ktesias  zu  denen 
der  Chaldäer  beurtheilen.  Die  16  Eonige  des  Ktesias  be- 
deuten Generationen;  wo  Brüder  oder  andere  auf  gleicher263 
Linie  stehende  Verwandte  regieri^en,  da  nennt  Ktesias  stets 
nur  Einen  Konig,  als  Repräsentanten  der  ganzen  Generation. 
Die  Chaldäer  dagegen  zählen  alle  Könige  einzeln  auf  und 
'haben  daher  21  Könige;  die  Zahl  45  entfernt  sich  zu  sehr 
Yon  den  anderen  Nachrichten,  als  dass  ich  sie  für  echt 
halten  könnte:  dass  sich  die  Zahl  21  auch  bei  der  Gesammt- 
berechnung  besser  empfiehlt,  wurde  schon  oben  bemerkt. 
Dass  ausser  den  16  Königen  des  Ktesias  noch  andere  über 
Assyrien  zu  gleicher  Zeit  regierten,  davon  giebt  es  selbst 
in  den  aus  Ktesias  abgeleiteten  Nachrichten  noch  manche 
Spuren.  Ich  zähle  die  16  kanonischen  Könige  auf  und  merke 
daneben  an,  was  über  gleichzeitige  Könige  erwähnt  wird. 

Verbesserte 
Chronologie. 

1.  Balatores     reg.  30  Jahre  seit  1410—1380     1273—1243 

2.  Lamprides      „    32      „        „    1380-1348     1243-1211 

1211—1191 

Zu  1.  Semiramis  regn.  annos  XIII  (Euseb.  Chron.  p.  45). 
[I  p.  65  Schöne.  Vgl.  Scaligers  Text  des  Hieronymus  zum 
Jahre  583.     F.  R.] 


Etesianische 
ZahlsD. 


*)  [Die  in  Klammem  eingeschlossenen  Worte  fehlen  im  Original- 
dmck.    F.  R.] 


110 


Zu  DEN  FRAGMENTEN 


Etesianische 
Zahlen. 


4.  Lampraes    reg.  30  Jahre  seit  1328  — 1298 


5.  Panjas 

6.  Sosarmos*) 

7.  Mithräos 

8.  Teutamos*) 

9.  Thinäos») 
26410.  Derkylos 

11.  Eupalmes 

12.  Laosthenes 

13.  Peritiades 

14.  Ophratanes 

15.  Akraganes 

16.  Thonos  Kon- 

koler^s 


n 


7} 


79 


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97 


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42 
20 
27 
31 
29 
40 
38 
45 
30 
50 
42 

20 


77 


77 


77 


77 


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77 


77 


77 


77 


77 


77 


77 


77 


77 


77 


77 


77 


77 


77 


V 


77 


V 


77 


77 


1298-1256 
1256-1236 
1236-1209 
1209-1178 
1178-1149 
1149-1109 
1109-1071 
1071-1026 
1026-  996 
996-  946 
946-  904 

904-  884 


Verbesserte 
Chronologie. 

1191-1161 

1161-1119 

1119-1099 

1099-1072 

1072—1041 

1041-1012 

1012-  972 

972-  934 

934-  889 

889—  859 

859-  809 

809-  767 

767-  747 


Zu    5. 
Scalig.). 
Zu     8. 
Zu  14. 
Zu  16. 


Pannias   et   Zeus    regnu.    annos    XLV   (Excerpt. 


Tejitäus  40  Jahre. 
Ophratäus  21  Jahre. 

Ninus    ann.  XIX  (Kastor  p.  156  ed.  Müller;   cf. 
Athenaos  XII  p.  529  C). 

Ich  hoffe  gezeigt  zu  haben  ^  dass  die  Nachrichten  des 
Etesias  nicht,  wie  oft  geschieht,  unbedingt  verworfen  werden 

1)  Beim  Eusebios  regiert  er  19  Jahre,  der  Nachricht  des  Ktesias 
(bei  Eeph.  III  p.  626)  zawider,  neminemque  eorum  minus  viginti  annis 
sc^trum  tenuissc;  wir  geben  ihm  also  nach  dem  Beispiele  des  Kastor 
20  Jahre  und  dafür  dem  Teutamos  statt  der  32  Jahre,  die  er  im 
Chroniken  des  Euaebios  hat,  31  Jahre;  so  viel  werden  ihm  im  Kanon 
des  Eusebios  beigelegt. 

2)  Wenn,  wie  ich  glaube,  des  Teutamos  Regierung  beim  Berosos 
in  die  Jahre  1072—1041  fiel,  so  sieht  man  ein,  wie  einige  Kirchen- 
väter auf  den  Gedanken  kommen  konnten,  den  König  David  (1056 — 
1015)  zu  einem  Zeitgenossen  und  Theilnchmer  am  Troerkriege  zu 
machen;  sie  bestimmten  dieses  Ereigniss  nach  der  Zeit  des  Teutamos. 

3)  Thinäos  regiert  beim  Eusebios  30  Jahre;  ich  habe  mir  eine 
kleine  Interpolation  erlaubt  und  ihm  aus  dem  Kastor  29  Jahre  gegeben. 

2C4Er6t  so  erhalten  wir  die  294  Jahre,  die  nach  Ktesias  seit  Teutamos 
verflossen;  Eusebios  hat  1  Jahr  zu  viel. 


DES  BEROSOS  UND  KTESIAS.  111 

• 

dürfen  y  sondern  dass  sie  vielmehr ,  freilich  nach  vorher- 
gegangener  kritischer  Sichtung^  gar  wohl  zur  Beleuchtung 
und  Bestätigung  der  Nachrichten  der  chaldäischen  Historiker 
augewandt  werden  können.  Die  difp^igaL  ßaöiliTtaC^  aus 
denen  Etesias  schöpfte  ^  lassen  sich  nicht  ohne  Weiteres 
wegdisputiren;  seine  Uebereinstimmung  mit  Berosos  trägt 
viel  zur  Bestätigung  seiner  Glaubwürdigkeit  bei.*)  Nur 
möge  man  bedenken,  dass  Etesias  sich  in  Bezug  auf  den 
Sturz  des  assyrischen  Reiches  aus  Gründen^  die  in  der 
modischen  Geschichte  ihre  Erklärung  finden,  um  137  Jahre 
verrechnet  hat,  indem  er  jenes  Ereigniss  zu  hoch  hinauf- 
gesetzt. ^)  Ich  glaube  sogar  in  den  Nachrichten  des  Etesias 
vom  Sturze  des  Thonos  Eonkoleros,  wenn  man  die  mythische 
Einkleidung  wegnimmt,  der  Hauptsache  nach  historische 
Treue  zu  finden.  Dass  der  auf  die  siebente  Dynastie  des 
Berosos  oder  die  Beletaraden  des  Etesias  in  Babylon  fol* 
gende  Nabonassar  ein  Usurpator  war,  geht  deutlich  aus  den 
Berichten  des  Berosos  und  Alexandros  Polyhistor  bei  Syn- 
kellos  p.  207  B  hervor;  ich  glaube,  er  ist  der  Belesys  des 
Etesias  und  wird  mit  Hülfe  der  Meder  die  assyrische  Dy- 
nastie gestürzt  und  sich  auf  den  Thron  geschwungen  haben. 

Die  Chronologie  der  ersten  assyrischen  Dynastie  des265 
Etesias  steht  zwar  in  keiner  Beziehung  zu  den  Nachrichten 
des  Berosos;  da  ich  aber  hier  einmal  das  System  der  Ete- 
sianischen  Zeitrechnung  im  Zusammenhang  behandele,  so 
will  ich  auch  darüber  einige  Worte  hinzufügen.  Die  Namen 
Ninos,  Semiramis,  Ninyas,  die  an  der  Spitze  dieser  Dynastie 
steheu,  tragen  ein  ganz  mythisches  Gepräge;  ob  die  Namen 
ihrer  Nachfolger  historisch,  sind,  lässt  sich  jetzt  nicht  mehr 
entscheiden.  Ist  dies  der  Fall,  so  war  es  eine  Dynastie,  die  ' 
im  eigentlichen  Assyrien  regierte  und  von  den  gleichzeitigen 
chaldäischen  Dynastien  des  Berosos  wohl  unterschieden  wer- 
den muss.  In  dieser  Periode  können  wir  die  Zeitrechnung 
des   Etesias   nur   im   Allgemeinen   verfolgen;    die    späteren 

*)  [Vgl.    „Nene    Beiträge    zur    Geschiebte    des    alten    Orients'* 
8.  Ulf.    F.  R.] 

1)  Dies  bat  Hupfeld  (Exercitt.  Herodott.  spec.  I.  II)  nachgewiesen. 


112  ZU  DEN^PRAQMENTEN 

Chronographen  haben  sich  auch  hier  mehrfache  Aenderungen 
erlauhi  Während  sie^  wie  wir  oben  sahen^  die  Zeit  nach 
dem  Troischen  Kriege  um  zwei  Könige  und  61  Jahre  be- 
reicherten, haben  sie  hier  das  Entgegengesetzte  gethan.  Sie 
haben  zwar  auch  hier  mehrere  Konige  eingeschoben,  hin- 
gegen die  Zeitdauer  dieser  älteren  Dynastie,  welche  wir  der 
Kürze  halber  nach  dem  Beispiele  des  Agathias  die  Semira- 
mier  nennen  wollen,  um  sehr  viele  Jahre  (Eusebios  um  129 
Jahre)  vermindert.  Der  eine  Grund  dazu  war  der,  dass  in 
späterer  Zeit  die  Epoche  des  Ninos  und  die  des  Abraham 
stets  zusammengestellt  wurden.  Ausser  diesem  Synchronis- 
mus war  aber  noch  ein  zweiter  Anlass  zu  Verkürzungen  da: 
Ktesias  wird  den  Semiramischen  Königen  ungewöhnlich  lange 
Regierungszeiten  beigelegt  haben;  in  einem  Falle  wissen  wir 
es  gewiss:  er  liess  eine  einzige  Generation  (Ninos  und  seine 
Gemahlin  Semiramis)  94  Jahre  regieren.  Die  Chronographen 
werden  also  hier  um  der  vermeintlichen  historischen  Wahr- 
scheinlichkeit willen  Aenderungen  vorgenommen  haben,  die 
wir  jedoch  in  Bezug  auf  die  Regierungsjahre  der  einzelnen 
Könige  nicht  mehr  zu  controliren  im  Stande  sind.  Nur  so- 
viel wissen  wir,  dass  Ktesias  die  Semiramier  1306 — 526,  also 
780*)  Jahre  regieren  liess;  Eusebios  hat  nur  651  Jahre. 
Beim  Ktesias  waren  14,  beim  Eusebios  18  Könige  aufgezählt. 
Welche  vier  Könige  aus  dem  Eusebischen  Laterculus  aus- 
zuscheiden sind,  ist  schwer  zu  sagen,  da  mehrere  gleich- 
namige Könige  vorkommen,  ohne  dass  jedoch  alle  interpolirt 
266sein  können.  Bloss  bei  Einem  ist  die  Unechtheit  durch 
ein  äusseres  Zeugniss  erwiesen.  Die  letzten  Semiramischen 
Könige  heissen  nämlich  beim  Eusebios  so:  Askatades  — 
Amyntes  —  Belochos  II.  Nun  wissen  wir  aber  aus  Ale- 
xandros  Polyhistor  (bei  Müller  III  p.  210),  dass  der  letzte 
König  der  Semiramier,  welcher  Beleous  (oder  Belochos)  hiess, 
ein  Sohn  des  Derketades  oder  Delketades  war.  Es  ist  be- 
kannt, wie  sehr  die  Namen  bei  diesen  späten  Chronographen 
verstümmelt  sind;  ich  glaube  also,  ohne  dass  man  mir  den 


*)  [Im  Originaldruck  steht  280.    F.  R.] 


DES  BEROSOS  UND  KTESIAS.  113  • 

Vorwurf  zn  grosser  Kühnheit  machen  kann^  behaupten  zu 
dürfen^  dass  Askatades  bloss  eine  Entstellung  des  echten 
Namens  Derketades  ist,  d.  i.  „Sohn  der  Gottin  Derketo" 
ein  ganz  passender  Name  für  einen  Nachkommen  der  Semi- 
ramis.  Bei  der  Aehnlichkeit  der  Anfangsbuchstaben  beider 
Namen  jdE  und  AZ  war  ein  Schreibfehler  leicht  möglich.*) 
Ist  diese  Annahme  richtige  so  ist  der  im  Eusebios  zwischen 
Derketades  und  Belochos  eingeschobene  Konig  Amyntes  hin- 
auszuwerfen; sein  griechischer  Name  „der  Vertheidiger"  war 
yielleicht  eine  üebersetzung  des  assyrischen  Namens  Belo- 
chos. Wir  müssen  uns  nun  nach  den  drei  anderen  inter- 
polirten  Konigen  umsehen.  Zweimal  schon  yerrieth  sich  der 
Interpolator  durch  Verdoppelung  eines  Namens,  und  wir 
fanden,  dass  die*  kürzere,  etwas  griechischer  klingende 
Namensform  beide  Mal  dem  Lügenkönig  angehörte.  Wir 
stossen  hier  auf  ein  neues  Beispiel.  Der  fünfte  König  heisst 
Aranos;  so  nennt  ihn  wenigstens  Kastor  (in  den  Excerpta 
Scaligeri),  ifud  ich  ziehe  diese  Form  der  den  Zügen  der 
Buchstaben  uach  ganz  identischen  APAAIOZ^  die  bei  Eu- 
sebios und  Synkellos  sich  findet,  vor  wegen  der  analogen 
Namen  Tautanos,  Ophratanos,  Akraganes.  Vor  diesem  Ara- 
nos nun  steht  ein  Areios  in  der  Königsreihe,  dessen  Namen 
ganz  nach  der  Analogie  von  Teutäos  und  Ophratäos  gebildet 
ist.  Dadurch  wird  dieser  Areios  höchst  verdächtig,  und  wir 
sind  berechtigt,  ihn  als  einen  fremden  Eindringling  fortzu- 
schaffen. Nicht  so  sicher  lassen  sich  die  zwei  übrigen  inter- 
polirteu  Könige  errathen;  am  einfachsten  wäre  es,  Baläos  IL 
und  Belochos  L,  welche  beide  aufeinander  folgen,  zu  streichen, 
da  die  Namen  derselben  Verdoppelungen  sind.  Diese  14 
Könige  bilden  beira'Ktesias  13  Generationen  (denn  Semira- 
mis  bildet  als  Gemahlin  des  Ninos  keine  besondere)  und 
herrschen  780  Jahre:  also  kommen  auf  jede  Generation267 
gerade  60  Jahre.  Nun  aber  sind  60  Jahre  bekanntlich  bei 
den  Babyloniem  ein  Cyclus,  0m00og  genannt,  und  es  ist 
ganz  angemessen,  dass  Ktesias  die  Zeit  eines  jeden  dieser 

*)  lyg^'    n^cuc    Beiträge    zur    Geschichte    des    alten    Orienta'* 
S.  111.    F.  R] 

w.  OuTscBMio,  Kleine  Sclirifton.   II.  8 


114    ZU  DEN  FRAGMENTEN  DES  BEEOSOS  UND  KTESIAS. 

alteo,  halb  oder  ganz  mythischen  Eonige  in  einen  Cyclus 
einschliessi 


Zum  Schluss  noch  wenige  Worte  über  die  Frage,  wann 
Berosos  und  Ktesias  anfangen,  statt  mythologischer  Zahlen 
geschichtliche  zu  geben.  Mein  Bedenken  gegen  den  histori- 
schen Charakter  der  ersten  Dynastie  des  Ktesias  brauche 
ich  nicht  zu  wiederholen,  ebensowenig  das,  was  ich  über  die 
Chronologie  der  Beletaraden  gesagt  habe.  Was  den  Berosos 
anbelangt,  so  hat  schon  Niebuhr  die  Frage  angeregt,  wann 
derselbe  angefangen  habe,  statt  mit  mythischen  mit  histori- 
schen oder  doch  angeblich  historischen  Zahlen  zu  rechnen; 
es  geschah  dies  bekanntlich  in  der  zweiten  Dynastie,  doch 
war  ein  specielleres  Datum  bis  jetzt  unbekannt.  Ich  glaube 
nun^  hierher  eine  bisher  übersehene  Nachricht  des  Synkellos 
ziehen  zu  müssen.  Dieser  sagt  nämlich  p.  28  C:  „Vom  Jahre 
der  Welt  2405  (d.  i.  3104  v.  Ch.)  fangt  Alexandros  Poly- 
histor die  Eonigsreihe  der  Chaldäer  wieder  an/  Diese  Notiz 
nun  steht  nicht  in  der  geringsten  Beziehung  zu  dem  chrono- 
logischen System  des  Synkellos,  darf  also  als  unverdächtig 
gelten.  Sie  empfiehlt  sich  um  so  mehr,  als  sie  überraschend 
mit  der  Epoche  des  indischen  Eali- Juga,  d.  i.  des  jetzigen 
Weltalters,  stimmt.  Dieses  lassen  die  Inder  im  Jahre  3102 
y.  Ch.  beginnen.  Ich  bin  geneigt,  darin  die  verdunkelte 
Erinnerung  an  irgend  ein  uraltes  historisches  Ereigniss  zu 
erkennen,  welches  für  die  arischen  Völker  —  denn  zu  diesen 
müssen  nach  den  neuesten  Untersuchungen  auch  die  Chaldäer 
im  strengsten  Sinne  des  Wortes,  d.  i.  der  in  Babylon  herr- 
schende Stamm,  gerechnet  werden  —  von  Wichtigkeit  war.*) 
Auf  diese  Art  gewinnen  wir  eine  dreifache  Eintheilung  der 
chaldäischen  Geschichte  in  1)  eine  mythische  Urzeit,  2)  eine 
halbmythische,  halbhistorische  Zeit  von  3104 — 2234,  und 
3)  das  historische  Zeitalter  von  2234 — 538. 

*)  [Vgl.  Band  I  S.  303,  sowie  „Beiträge  zur  Geschichte  des  alten 
Orients*'  S.  67 f.  85 f.  und  „Neue  Beiträge  zur  Geschichte  des  alten 
Orients"  S.  182.    F.  R.] 


VI. 

Reeensionen   nnd  Anzeigen   znr  Geschichte    nnd  Alter- 
thumsknnde  Assyriens  nnd  Babyloniens. 

1*) 

üeber  den  historischen  Gewinn  ans  der  Entziffemng  der  a887ri-405 
sehen  Inschriften.  Nebst  einer  üebersicht  über  die  Gmnd- 
Züge  des  assyrisch -babylonischen  Keilschriftsystems.  Von 
Johannes  Brandis^  Docenten  der  Philologie  und  alten 
Geschichte  an  der  Universität  Bonn.  Mit  einer  Tafel. 
Berlin  1856.  Verlag  von  Wilhelm  Hertz  (Bessersche 
Buchhandlung).    VI  und  126  S.  8^ 

Der  Verfasser  der  vorstehenden  Schrift  räumt  ein,  dass 
gegen  die  angeblichen  Entzifferungen  der  assyrischen  Keil- 
schrift durch  Bawlinson  und  Compagnie  in  der  deutschen 
Gelehrtenwelt  allgemeines  Misstrauen  herrsche^  und  verwahrt 
sich  namentlich  gegen  die  Annahme,  dass  die  Zeichen  jener 
Keilschrift  nicht  je  einen  bestimmten  phonetischen  Werth, 
sondern  jeder  eine  Mannigfaltigkeit  verschiedener  Laute  aus- 
drücke (S.  25).  Trotzdem y  meint  er,  sei  man  bei  uns  im 
Unglauben  zu  weit  gegangen,  und  die  nach  vorhergegangener 
Prüfung  und  Aussonderung  sichergestellten  Resultate  zu  pro* 
tocoUiren  ist  der  Zweck  seines  Buches. 

♦)  [Neue  Jahrbücher  für  Philologie  und  Pädagogik  Band  LXXllI 
(1856)  S.  406—421.  Dieses  Buch  war  von  Gutschmid  schon  vorher  im 
Literarischen  Ceniralblatt  1866  S.  802—803  anonym  angezeigt  worden. 
Die  Einwendungen  gegen  den  damaligen  Stand  der  EntziiferuDg  der 
assyrischen  Keilschrift  sind  in  jener  Voranzeige  etwas  schärfer  aas- 
gedrückt, sonst  enthält  dieselbe  aber  Nichts,  was  nicht  in  der  vor- 
stehenden Anzeige  auch  stände,  und  sie  ist  deshalb  in  dieser  Samm- 
lung nicht  wieder  abgedruckt  worden.    F.  11.] 

8* 


116  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

Wir  gestehen  offen,  dass  nach  Lesung  desselben  unsere 
Bedenken  und  Zweifel  nicht  nur  nicht  verringert,  sondern 
ganz  erheblich  gesteigert  worden  sind,  und  dass  wir  die 
Ueberzeugung  mit  fortgenommen  habeu^  dass  die  Rawlin- 
souianer  —  und  der  von  ihnen  gelieferten  Grundlage  konnte 
sich  auch  der  Verfasser,  so  sehr  er  sich  auch  einer  lobens- 
werthen  Selbstständigkeit  befleissigte,  Dicht  ganz  entschlagen 
—  nur  die  in  der  Keilschrift  durch  Anführungszeichen  her« 
vorgehobenen  Eigennamen,  und  auch  die  nur  zum  kleinsten 
Theil,  nothdürftig  buchstabiren  können,  aber  von  der  Sprache 
und  folglich  auch  von  dem  Inhalt  der  Inschriften  kaum  eine 
Ahnung  haben.  Charakteristisch  ist  in  dieser  Beziehung  die 
vom  Verfasser  S.  36  mitgetheilte  Rawlinsonsche  Uebersetzung 
einer  Inschrift,  in  welcher  das  Unsichere  durch  kleinere 
Schrift  und  Fragezeichen  markirt  worden  ist.  Auf  17  Zeilen 
32  Fragezeichen!  und  das  nennt  man  Entzifferung!  Der 
Verfasser  verwahrt  sich  zwar  dagegen,  als  wolle  er  durch 
406diese  Probe  ßawlinsons  Bestrebungen  in  ein  falsches  Licht 
stellen,  und  erinnert  den  Leser  daran,  dass  es  Rawlinson  bei 
diesen  Uebersetzungen  nicht  darum  zu  thun  war,  das  Gewisse 
von  dem  Ungewissen  zu  scheiden,  sondern  vor  allem  einen 
allgemeinen  Begriff  von  dem  Stil  und  der  Art  und  Weise 
dieser  Urkunden  zu  geben.  Nun  dann  um  so  schlimmer! 
Es  ist  recht  loblich,  dass  in  England  zwischen  der  Gelehrten- 
welt und  dem  gebildeten  Publicum  ein  engerer  Zusammenhang 
herrscht  als  bei  uns:  um  populäre  Darstellungen  wissenschaft- 
licher Entdeckungen  wie  das  Buch  von  Vaux  über  Nineveh 
und  Persepolis  haben  wir  alle  Ursache  unsere  Vettern  jenseit 
des  Meeres  zu  beneiden;  wenn  aber  ein  Gelehrter  Ton  und 
Farbe  einer  Inschrift,  von  welcher  er  kaum  ein  einziges  Wort 
sicher  lesen,  geschweige  denn  verstehen  kann,  dem  Publicum 
mundrecht  machen  will,  so  ist  das  ein  Beginnen  von  sehr 
zweifelhaftem  Werthe.  Seien  wir  offen,  gestehen  wir  es  ein, 
dass  Rawlinson  durch  sein  kritikloses  und  unmethodisches 
Experimentiren  an  den  assyrischen  Inschriften,  namentlich 
durch  das  drei-  oder  viermalige  Umtaufen  seiner  sämmtlichen 
Könige,  seinem  als  Entzifferer  der  persischen  Keilschrift  wohl 


BRANDIS,  BIST.  GEWINN  A.  D.  ENTZIPF.  D.  ASSYß,  INSCIIR.  117 

erworbenen  und  fest  begründeten  Rufe  in  bedenklicher  Weise 
geschadet  hat.  Bei  jedem  unbefangenen  Leser  wird  jene 
Uebersetzungsprobe  und  ähnliche  schwerlich  etwas  anderes 
als  Heiterkeit  hervorrufen.  In  gewisser  Beziehung  müssen 
wir  daher  die  Brandissche  Schrift  für  verfrüht  halten;  bei 
so  mangelhaften  Grundlagen  kann  man  eine  Vergleichuug 
der  inschriftlichen  Nachrichten  mit  denen  der  Historiker 
füglich  nicht  wagen,  noch  weniger  daran  denken ,  die  An- 
gaben der  Letzteren  nach  jenen  zu  berichtigen.  Doch  wird 
eine  solche  Zusammenstellung  und  Sichtung;  wie  sie  der 
Verfasser  giebt.  Manchem  erwünscht  kommen,  und  auf  jeden 
Fall  hat  sie  den  Yortheil,  dass  nun  bei  uns  Jeder  in  den 
Stand  gesetzt  ist,  sich  über  die  assyrische  Frage  ein  eigenes 
Urtheil  zu  bilden.  Giebt  man  die  Berechtigung  eines  solchen 
Unternehmens  zu,  so  wird  man  der  Art,  wie  der  Verfasser 
seine  Aufgabe  gelöst  hat,  volles  Lob  ertheilen  können. 

Der  Verfasser  ist  nach  Kräften  auf  die  Quellen  zurück- 
gegangen; er  hat  den  Papierabdruck  des  babylonischen  Textes 
der  Behistuninschrift  in  London  wenigstens  zum  Theil  selbst 
verglichen  und  ist  dem  Gange  der  Entzifferungsversuche 
Rawlinsons  mit  prüfendem  Auge  gefolgt.  Einer  Frage  frei- 
lich ist,  wie  es  scheint,  der  Verfasser  aus  dem  Wege  ge- 
gangen, der  nämlich,  ob  Rawlinson  auch  nur  diejenigen 
Buchstabenwerthe,  die  sich  aus  der  Vergleichung  des  baby- 
lonischen mit  dem  persischen  Texte  der  Behistuninschrift 
ergeben,  durchweg  richtig  bestimmt  habe;  und  doch  ist 
dabei  manches  Problematische,  wie  sich  denn  Referent  schwer 
zu  dem  Glauben  entschliessen  kann,  dass  die  Assyrer  den 
Kurus  Marus  genannt  haben  sollten.  Oder  richtiger  gesagt, 
der  Verfasser  drückt  wohl  durch  sein  Stillschweigen  seine 
Uebereinstimmung  hierin  aus:  denn  geprüft  hat  er  die  Sache; 
ein  des  Zend  kundiger  Freund,  Herr  M.  Hang,  ist  bei  der 
Vergleichung  der  arischen  Urtexte  von  ihm  zu  Rathe  ge- 
zogen worden.  Zu  bedauern  ist  es,  dass  dem  Verfasser  die 
treflfliche  üebersetzung  und  Erläuterung  der  persischen  Keil- 
inschriften, welche  Oppert  im  Journal  Asiatique  IVi^me 
Serie  tome  17—19  gegeben  hat,  entgangen  ist.     Nicht  nur 


118  BECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

407siiid  dort  die  Rawlinsonschen  und  Benfeyschen  Uebersetzungen 
einer  heilsamen  Epikrisis  unterzogen  und  die  Inschriften 
sprachlich  und  geschichtlich  neu  beleuchtet  worden;  auch 
für  das  Yerhältniss  der  persischen  zur  skjthischen  und  ba- 
bylonischen Keilschrift  ist  dort  mehr  als  ein  bedeutsamer 
Wink  gegeben. 

In  klarer  und  ansprechender  Darstellung  setzt  der  Ver- 
fasser die  von  ihm  gebilligten  Resultate  auseinander ,  und 
zwar  bespricht  er  in  der  ersten  Hälfte  seiner  Schrift  1)  die 
Quellen  und  Ergebnisse  der  assyrischen  Forschung  vor  Aus- 
grabung Ninives  und  2)  die  neuesten  Forschungen  und  deren 
Ergebnisse;  in  der  zweiten  Hälfte  entwickelt  er  die  Grund- 
züge des  assyrisch -babylonischen  Eeilschriftsystems. 

Cap.  I;  1  fusst  im  Wesentlichen  auf  den  von  dem  Ver- 
fasser in  seiner  früheren  Schrift  ,,Rerum  Assyriarum  tempora 
emendata'^  (Bonn  1853.  8®)^)  vorgetragenen  Untersuchungen. 
Wie  billig  geht  er  von  den  streng  historischen  Nachrichten 
des  Herodotos  und  Berosos  aus^  ohne  darum  die  des  Etesias 
unbedingt  zu  verwerfen;  vielmehr  erkennt  er  ihre  Wichtigkeit 
für  die  Sagengeschichte  ^)  an  und  versucht  nicht  unglücklich, 
auch  sein  chronologisches  System  mit  der  Geschichte  in  Ein- 
klang zu  briugen.  Mit  Recht  hebt  er  hervor,  wie  jede  neue 
Entdeckung  im  Orient  Herodots  Glaubwürdigkeit  bestätige, 
und  berührt  beiläufig ,  wie  die  Stelle  des  Vaters  der  Ge- 
schichte über  den  Aufstand  der  Meder  unter  Dareios  erst 
durch  die  Entdeckung  der  Behistuninschrift  ihre  rechte  Er- 
klärung gefunden  habe   und   nunmehr   der  Grund  wegfalle, 

• 

1)  Da  dieses  treffliebe  Bach  in  dieser  Zeitschrift  nicht  besonders 

besprochen  worden  ist,  so  sei  es  mir  erlaubt,  dasselbe  ihren  Lesern 
aus  voller  Ueberzeugung  anzuempfehlen,  zugleich  auch  einige  wich- 
tigere Punkte  daraus,  die  in  die  neue  Schrift  übergegangen  sind,  zu 
besprechen. 

2)  Ein  Irrthum  ist  es  freilich,  wenn  der  Verfasser  (S.  21)  glaubt, 
der  Etesianische  Stabrobates  sei  in  den  indischen  Annalen  wiederge- 
funden worden.  Lassen  (Indische  Alterthumskunde  I  S.  858  [I  S.  1030  f. 
der  2.  Aufl.])  hat  nur  nachgewiesen,  dass  der  Name  das  sanskritische 
sthavirapatis  wiedergiebt,  was  ein  Appellativum  ist  und  „Herr  des 
Festlandes**  bedeutet. 


BRANDIS,  EIST.  GEWINN  A.  D.  ENTZIFF.  D.  ASSYR.  INSCHR.  119 

die  Abfassungszeit  seiner  Historien  unter  das  Jahr  408  her- 
abzurücken.  Die  Bemerkung  ist  richtig^  sie  ist  dem  Ver- 
fasser aber  schon  yon  Rubino  vorweggenommen  worden.  — 
Ohne  Noth  beklagt  übrigens  der  Verfasser  den  Verlust  von 
Herodots  assyrischer  Geschichte.  Eine  solche  hat  niemals 
existirt:  an  der  einzigen  Stelle  bei  Aristoteles  (Anim.  bist. 
Vni,  18),  wo  Herodot  för  ein  Wunderzeichen  bei  der  Be- 
lagerung von  Ninive  angeführt  werden  soll,  haben  alle  guten 
Handschriften  ^Höiodog,  der  einzige  Cod.  Vai  262  ^Hgodotogy 
was  sicher  falsch  ist.  Die  leichteste  Verbesserung  für  das 
überlieferte  *H6lodog^  was  ebensowenig  richtig  sein  kann, 
scheint  mir  ^löiyovog  zu  sein;  beide  Namen  werden  auch  von 
Tzetzes  zu  Lykophron  1021  vertauscht,  und  das  Bedenken, 
ob  d-avyLciöia  schon  zur  Zeit  des  Aristoteles  geschrieben 
werden  konnten,  hebt  sich  durch  das  Zeugniss  des  Gellius 
N.  A.  IX,  4,  3,  der  den  Isigonos  von  Nikäa  neben  anderen 
Schriftstellern,  die  grösstentheils  vor  Alexander  lebten,  unter 
die  scriptores  veieres  non  parvae  auctoritatis  rechnet.  —  408 
An  der  vom  Referenten  im  Bhein.  Mus.  N.  F.  VIII  S.  253 
[oben  S.  98  ff.]  vorgeschlagenen  Verbesserung  der  48  Jahre 
der  nach  den  Medern  in  Babylon  herrschenden  Dynastie  in 
258  hält  der  Verfasser  noch  immer  fest,  bemerkt  aber  mit 
vollem  Recht,  dass  man  die  1903  Jahre  bei  Simplikios  zu 
Arist.  de  caelo  H  p.  123  a  dabei  ganz  ausser  dem  Spiel 
lassen  müsäe,  da  sie  nur  auf  Moerbekas  Autorität  beruhen« 
Da  diese  Stütze  meiner  Conjectur  nunmehr  gefallen  ist,  so 
stehe  ich  nicht  an,  der  von  Herrn  Muys  in  den  „Quaestiones 
Ctesianae  chronologicae^'  (Münster  1853.  8^)  p.  16  gemachten 
Emendation  der  48  in  248  Jahre  als  der  leichteren  den 
Vorzug  einzuräumen;  dann  muss  man  aber  auch  die  im 
Eusebios  von  verbessernder  Hand  an  den  Rand  geschriebenen 
234  Jahre  der  Meder  statt  der  überlieferten  224  in  den  Text 
setzen.*)  Im  Wesentlichen  bleibt  also  die  Restitution  der 
Berosischen  Zeitrechnung  dieselbe.  —   Das  Verhältniss,   in 


*)  [Vgl-    „Beiträge    zur    Geschichte    des    alten   Orients"   S.  16. 
F.  R.] 


120  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

welchem  das  Konigsverzeichniss  des  Ktesias  zu  dem  Berosi- 
schen  steht^  fasst  der  Verfasser  auch  jetzt  noch  mit  Recht 
so  auf^  dass  der  Ktesianische  Sardanapallos  mit  dem  Sarakos 
des  Alexandros  Polyhistor  identisch  und  von  Jenem  nur  irr- 
thümlich  um  279  Jahre  zu  hoch  hinaufgerückt  worden  ist. 
Referent  beimtzt  diese  Gelegenheit,  um  seine  früher*)  ver- 
suchte Ausgleichung  beider  Schriftsteller  als  verfehlt  zurück- 
'Zunehmen  und  dem  Verfasser  seine  vollständige  Beistimmung 
zu  erklären.  Bei  der  Vergleichung  der  beiden  Zeitrechnungen 
hat  der  Verfasser  einen  sehr  geschickten  Gebrauch  von  der 
Nachricht  des  Polyhistor  (bei  Synkellos  p.  676,  17)  gemacht, 
dass  ein  Gärtner  Beletaras  oder  Balatorcs  nach  dem  Erlöschen 
der  Derketadendynastie  den  Thron  bestiegen  habe;  nur  ist  es 
ein  Missverständniss,  wenn  er  diese  Nachricht  auf  Ktesias 
zurückführt.  Dieser  hatte  —  und  die  Stelle  ist  uns  zwei- 
fach überliefert  —  ausdrücklich  gesagt,  vom  Ninyas  bis  auf 
den  Sardanapallos  habe  stets  der  Sohn  vom  Vater  die  Herr- 
schaft überkommen.  Die  Stelle  stammt  vielmehr  aus  einem 
dem  Berosos  näher  stehenden  Schriftsteller,  vermuthlich  aus 
dem  uns  nicht  näher  bekannten  Bion.  Ueberhaupt  hat  sich 
der  Verfasser  durch  C.  Müller  zu  einer  falschen  Ansicht  über 
das  Verhältniss  des  Polyhistor  zum  Ktesias  verleiten  lassen; 
aus  dessen  jüdischer  Geschichte  wissen  wir,  dass  er  Nach- 
richten der  verschiedensten  Art  über  ein  und  dasselbe  Thema 
capitelweise  nebeneinander  stellte:  inwieweit  er  dabei  Kritik 
übte,  ist  schwer  zu  sagen,  vielleicht  gar  keine.  Dass,  wie 
C.  Müller  meint,  der  Polyhistor  in  der  babylonischen  Ge- 
schichte nur  dem  Berosos  gefolgt  sei  und  ausserdem  eine 
besondere  assyrische  Geschichte  mit  Zugrundelegung  des 
Ktesias  geschrieben  habe,  dafür  habe  ich  mich  vergebens 
nach  einer  Beweisstelle  umgesehen.  Dem  Referenten  ist  es 
übrigens  gelungen,  für  die  Richtigkeit  des  Weges,  auf  wel- 
chem der  Verfasser  die  Zeitrechnung  des  Ktesias  rectificirt 
hat,  eine  weitere  glänzende  Bestätigung  aufzufinden.  Vellejus 
I,  6,  1  berechnet  die  Dauer  des  assyrischen  Reiches  auf  1070 


*)  [Oben  S.  104  ff.    F.  R.] 


BRANDIS,  EIST.  GEWINN  A.  D.  ENTZIFF.  D.  ASSYR.  INSCHß.  121 

Jahre^  eine  Zahl,  die  ganz  allein  dasteht;  Afterphilologen 
haben  daher  Tersucht,  eine  der  Ktesianischen  mehr  conforme 
einzuschwärzen.  Nun  aber  setzt  Vellejus  den  Untergang  des 
Reiches  in  das  Jahr  841  v.  Gh.,  folglich  den  Anfang  in  das 
Jahr  1911.  Zwischen  diesem  Datum  und  605  (dieses  Jahr,409 
nicht  606,  ist  das  wahre  des  Unterganges  von  Ninive)  liegen 
aber  1306  Jahre,  d.  h.  gerade  so  viele  wie  das  assyrische 
Reich  nach  Ktesias  dauerte.  Also  schöpfte  Vellejus  mittelbar 
aus  einem  Geschichtsschreiber,  der  zwar  dieselben  Quellen 
wie  Ktesias  benutzt,  dieselben  jedoch  in  einen  richtigeren 
Zeitrahmen  eingespannt  hatte;  nun  aber  war  in  späterer 
Zeit  die  Ktesianische  Angabe,  dass  das  assyrische  Reich  im 
neunten  Jahrhundert  v.  Ch.  endigte,  allgemein  giltig,  und 
Vellejus  oder  richtiger  wohl  sein  Gewährsmann  (ich  denke 
Atticus)  getraute  sich  nicht,  davon  abzuweichen,  schnitt  viel- 
mehr die  letzten  236  Jahre  des  Reiches  einfach  weg.  Wenn 
man  die  Chronologie  des  Ktesias  in  der  obigen  Weise  be- 
richtigt, so  ist  das  Jahr  747,  in  welchem  nach  Berosos  ein 
Dynastiewechsel  eintrat,  das  letzte  des  Laosthenes  und  das 
erste  des  Pyritiades.  Seiner  Annahme  zu  Liebe,  dass  die 
Zeit  des  Phul  bisher  richtig  angesetzt  worden  sei,  hält  er 
jdaoöd^ivrjg  für  eine  Uebersetzung  dieses  Namens  und  stellt 
IIvQitiddrig  d.  i.  Feuermann  (?)  mit  Salmanassar  zusammen. 
Allein  es  liegt  viel  näher,  in  dem  letzteren  Namen  eine 
längere  Form  des  Namens  näQog  (in  dem  von  Mai  heraus- 
gegebenen XQOvoyQa<pstov  övvtofiov  ix  zd5v  EvöeßCov  xov 
naiiq)iXov  icovrifidt(ov  lautet  er  IIvQog)  zu  sehen.  So  hiess 
ein  Konig  von  Babylonien,  der  nach  dem  Kanon  des  Ptole- 
mäos  von  731  —  726  regierte.  Oppert,  dessen  neueste  Ent- 
zifferungen der  assyrischen  Keilinschriften  (Ausland,  April- 
hefk  1856)  dem  Referenten  das  grosste  Vertrauen  einflössen, 
glaubt  den  Namen  dieses  Königs  auf  den  Inschriften  gefun- 
den zu  haben  und  will  aus  ihnen  seine  Identität  mit  Phul 
erweisen.  Letzteres  wäre  selbst  ohne  inschriftlichen  Anhalt 
sehr  wahrscheinlich,  da  die  Ersetzung  von  /  durch  r  so 
überaus  gewöhnlich,  in  der  persischen  Sprache  sogar  Regel 
ist.    In  diesem  Falle  wäre  das,  was  dem  Referenten  ohne- 


122  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

hin   unzweifelhaft   feststeht^   dass   nämlich   Phul   nicht    vor 
747  den  Thron  bestieg^  als  bewiesen  zu  betrachten.*) 

Gap.  I;  2  ist  aus  den  oben  entwickelten  Gründen  der 
schwächste  Theil  des  Buches.  Der  Verfasser  fasst  S.  68  f. 
die  wesentlichen  Ergebnisse ,  welche  er  für  sicher  hält^ 
zusammen;  es  ist  nicht  viel.  Auch  uns  hat  zwar  in  vielen 
Fällen  die  Beweisführung  des  Verfassers,  dass  die  Eigen- 
namen richtig  gelesen  worden  sind,  überzeugt;  jedoch  bleibt 
noch  gar  Manches  problematisch.  —  Der  älteste  König, 
dessen  Namen  man  auf  den  Inschriften  erkannt  hat,  heisst 
Ässardonpal  L  und  soll  als  ein  grosser  Eroberer  erscheinen. 
Mit  vollkommenem  Rechte  vergleicht  der  Verfasser  die  Nach- 
richt des  Hellanikos  (fr.  158)  von  zwei  Sardanapalen,  deren 
einer  ein  gewaltiger  Krieger  gewesen  sein  soll,  und  erhebt 
gegründete  Bedenken  dagegen,  ob  es  nun  noch  gestattet  sei, 
den  Sardanapallos,  Sohn  des  Anakyndaraxes,  der  Tarsos  und 
Anchiale  gegründet  haben  soll,  in  das  Gebiet  des  Mythos  zu 
verweisen  oder  aus  einer  blossen  Verwechselung  mit  San- 
herib  zu  erklären:  In  Betreff  seiner  von  den  Geschichts- 
schreibern Alexanders  des  Grossen  aufbewahrten  Inschrift 
ist  der  Verfasser  der  im  Wesentlichen  nicht  wohl  anzufechten- 
den Ansicht,  dass  nur  der  erste  Theil  der  Inschrift  echt  sei, 
der  zweite  dagegen  der  den  assyrischen  Statuen  eigenthüm- 
4l0lichen  Handbewegung,  in  welcher  die  Griechen  ein  Schnipp- 
chenschlagen erblickten,  seiuen  Ursprung  yerdanke.  Nur, 
glaube  ich,  geht  er  zu  weit,  wenn  er  die  Worte  löd-u,  %Ivb^ 
dtpQodujia^B'  xakXa  yag  ovdsvog  iöuv  a^ia  für  ganz  aus  der 
Luft  gegriffen  hält;  wenn  ich  nicht  irre,  hat  schon  Näke 
zur  Erklärung  derselben  Inschriften  herbeigezogen  wie  die, 
in  welcher  Dareios  sich  gerühmt  haben  soll,  dass  er  ein 
trefflicher  Waidmann  gewesen  sei  und  vielen  Wein  habe 
vertragen  können«  —  Der  Sohn  des  Ässardonpal  regierte 
31  Jahre;  dies  ist  sicher,  aber  der  Name  ist  noch  nicht  ent- 
ziffert. Auch  er  soll  ein  grosser  Eroberer  gewesen  sein; 
wann,  wissen  wir  nicht,  doch  sicher  mehrere  Menschenalter 

*)  [Vgl«    „Neue   Beiträge    zur  Geschichte    des    alten   Orients" 
S.  127  f.    F.  R.] 


BRANDIS,  BIST.  GEWINN  A.  D.  ENTZIFF.  D.  ASSYR.  INSCHR.  123 

vor  747.  UnwillkQrlich  drängte  sich  beim  Lesen  dem  Re- 
ferenten die  Analogie  auf^  welche  die  31-  oder  32jährige 
Regierung  des  Teutamos  (Eus.  Arm.  II  p.  132  [Aucher  «» II 
p.  50  Schöne])  darbietet,  eines  Königs,  der  gerade  beim  Ete- 
sias  eine  wichtige  Rolle  spielt  und  unter  allen  Eonigen 
zwischen  Ninyas  und  Sardanapallos  allein  hervorgehoben 
wird:  sollte  das  etwa  der  ungenannte  Sohn  des  Assardonpal 
sein?  Ich  stelle  diese  Yermuthung  natürlich  nur  unter  der 
äussersten  Reserve  hin,  wie  sie  hier  unbedingt  nothig  ist 
Dann  würde  der  Sohn  des  Assardonpal  nach  der  berichtigten 
Etesianischen  Zeitrechnung  von  937  —  905  regiert  haben. 
Nach  Rawlinson  soll  er  mit  einem  syrischen  Eönige  Cha- 
zajel  Erieg  geführt  haben,  der  mit  dem  biblischen  Hasael 
identificirt  wird;  allein  der  Verfasser  hat  (S.  120)  nach- 
gewiesen, dass  der  Name  von  Rawlinson  falsch  gelesen 
worden  ist  und  vielmehr  Chazajan  gelautet  hat,  worin  er 
scharfsinnig  den  Hesion  des  ersten  [dritten]  Buches  der 
Eönige  (15, 18;  vgl.  11,  23 — 25)  vermuthet.  Dieser  Eönig 
von  Damaskos  war  ein  Zeitgenosse  des  Salomo,  der  nach 
der  berichtigten  hebräischen  Zeitrechnung  von  969  —  929 
regierte.  Hiernach  wären  Salomo,  Hesion  und  der  Sohn  des 
Assardonpal  wirklich  Zeitgenossen  gewesen;  es  begriffe  sich 
nun  auch,  wie  christliche  Eirchenväter  den  David  und  Salomo 
zu  Zeitgenossen  des  Troischen  Erieges  haben  machen  können: 
sehr  einfach,  man  dachte  sich  die  Epoche  desselben  unzer- 
trennlich von  der  des  Teutamos.  —  Derselbe  Sohn  des  Assar- 
donpal soll  auch  mit  einem  Aram,  Eönig  von  Hurassad, 
Erieg  geführt  haben.  Darunter  ist,  wie  die  Behistuninschrift 
lehrt,  Armenien  gemeint;  aber  sehr  zweifelhaft  ist  es,  ob, 
wie  der  Verfasser  S.  63  meint,  der  Name  einheimisch  ge- 
wesen ist,  noch  mehr,  ob  damit  der  Name  des  armenischen 
Eönigs  Yarazdat  zur  Zeit  des  Theodosius  verglichen  werden 
darf.  Der  einheimische  Name  ist,  soviel  wir  wissen,  immer 
Hajastan  gewesen;  die  Namen  der  arsakidischen  Eönige  von 
Armenien  sind  ohne  Unterschied  persisch,  und  der  angeführte 
wird  keine  Ausnahme  von  der  Regel  machen:  dat  ist  alt- 
persisch däia,  gegeben,  der  erste  Bestandtheil  ist  Varah  oder 


124  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

VaraSy  wobei  der  SchlusseonsoDant  wegen  des  folgenden  d 
in  z  übergegangen  ist,  nnd  muss  den  Namen  irgend  einer 
Gottheit  enthalten  (vielleicht  eine  Abkürzung  von  Varahran, 
der  zur  Sassanidenzeit  üblichen  Form  des  zendischen  Vere- 
thraghha).  Für  interessant  hält  es  der  Verfasser  nach  Raw- 
linsons  Vorgang  (S.  36),  dass  der  Konig  den  Namen  Aram 
führt,  der  einem  Herrscher  der  armenischen  Sagengeschichte 
eigen  ist.  Sollte  der  Name  von  Bawlinson  richtig  gelesen 
411  worden  sein,  so  könnte  ich  doch  darin  nichts  anderes  als 
ein  Spiel  des  Zufalls  erblicken.  Der  Aram  des  Moses  von 
Chorene  ist  eine  durch  und  durch  mythische  Persönlichkeit 
und  kein  anderer  als  der  iqQ(x}q  indvvfLog  der  Aramäer;  er 
vertritt  die  semitische  Urbevölkerung,  welche  Armenien  be- 
wohnte, ehe  es  von  den  Ariern  occupirt  wurde.  Mir  scheint 
überhaupt  das  ganze  Verzeichniss  der  Hajkanischen  Könige 
bis  auf  den  Vahe  unhistorisch;  wie  könnte  sonst,  nur  zwei 
Generationen  vor  Alexander,  Vahagn,  der  armenische  Orion, 
darin  paradiren?  und  Namen  wie  Skajordi,  Riesensohn,  tragen 
doch  auch  ein  sehr  sagenhaftes  Gepräge!  Dergleichen  ver- 
meintliche Uebereinstimmungeu  können  meiner  Ansicht  nach 
nur  verwirren.  —  Nun  folgt  eine  Lücke  von  Jahrhunderten, 
die  wohl  nur  dem  Umstände  zuzuschreiben  ist,  dass  Raw- 
linson  hier  weder  in  der  Bibel  noch  sokist  wo  Namen  fand, 
die  der  EntziJSTerung  einen  Anhalt  hätten  geben  können. 
Dann  kommt  das  Zeitalter,  in  welchem  die  biblischen  Nach- 
richten mehr  Licht  über  die  assyrische  Geschichte  zu  ver- 
breiten  anfangen,  und  von  dem  sich  a  priori  annehmen  lasst, 
dass  die  Engländer  viele  Namen  gewaltsam  in  die  Inschriften 
hineingelesen  haben  werden.  Indess  scheint  mir  doch  durch 
die  Auseinandersetzung  des  Verfassers  soviel  festzustehen, 
dass  wenigstens  die  Namen  Samirina  für  Samaria  und  Sar- 
gana für  den  König,  der  bei  Jes.  20, 1  Sargon  heisst,  richtig 
gelesen  worden  sind,  ferner  dass,  da  Sargana  als  Eroberer 
von  Samirina  erscheint,  seine  Identität  mit  Salmanassar  nicht 
abzuweisen  ist.*)    Die  aus  dem  arabischen  Geographen  Jaciit 

*)  [Vgl.    „Neue   Beitr&ge    zur    Geschichte    des    alten   Orients" 
S.  123.    F.  R.] 


BRANDIS,  EIST.  GEWINN  A.  D.  ENTZIFF.  D.  ASSYR.  INSCHR.  125 

(der  aber  nicht  im  sechsten  Jahrhundert  n.  Ch.  lebte  ^  was 
ein  Gedächtnissfehler  des  Verfassers  sein  mnss)  beigebrachte 
Notiz  über  eine  Ruinenstadt  Sargon  bei  Ehorsabad  stellt  die 
Lesung  Sargana  wie  wenige  andere  sicher.  Dagegen  ist  die 
Angabe^  welche  der  Verfasser,  wenn  auch  nicht  ohne  Be- 
denken, von  Rawlinson  auf  Treu  und  Glauben  annimmt,  dass 
Sargana  Gründer  einer  neuen  Dynastie  gewesen  sei,  eine  An- 
gabe, die  durch  das  Stillschweigen  des  Berosos  mindestens 
in  Zweifel  gestellt  wird,  unbedingt  zu  yerwerfen;  nach  der 
eigenen  Bemerkung  des  Verfassers  S.  57  spricht  er  auf  allen 
Inschriften,  die  auf  den  Rückseiten  der  Basreliefplatten  ein- 
gegraben sind,  von  den  „Königen,  meinen  Vätern'^  Noch 
weniger  sind  wir  mit  dem  Verfasser  darin  einverstanden, 
dass  er  (S.  58)  in  der  Nachricht  des  Alexandros  Polyhistor 
(nicht  des  Etesias),  die  den  Gärtner  Balatores  zum  Gründer 
einer  neuen  Dynastie  macht,  eine  verdunkelte  Erinnerung 
an  den  Sargana  erkennt^  dessen  Name  sich  allerdings  durch 
„Herr  des  Gartens'^  ungezwungen  übersetzen  lässt.  So  scharf- 
sinnig auch  der  Einfall  ist,  so  vermag  ich  doch  nicht  ihm 
beizustimmen:  1)  weil  die  Erfahrung  gezeigt  hat,  dass  die 
assyrische  Sprache  zwar,  wie  es  scheint,  einen  semitischen 
Charakter  trägt,  dass  man  aber  bei  ihrer  Erklärung  mit  dem 
sogenannten  Chaldäisch  mit  nichten  auskommt,  2)  weil  der 
König  gewordene  Gärtner  sich  doch  gewiss  nicht  in  seinen 
Urkunden  „Herr  des  Gartens'^  genannt  haben  wird.  Man 
könnte  also  nur  annehmen,  dass  die  Sage  aus  falscher  Ety- 
mologie entstanden  wäre^  und  dann  bleibt  uns  der  Verfasser 
den  Beweis  schuldig,  wie  der  Polyhistor  dazu  gekommen  ist, 
sie  auf  einen  König  zu  übertragen,  der  ein  halbes  Jahrtausend 
früher  lebte.  Gesetzt  die  Etymologie  von  Sargana  wäre4i2 
richtig,  so  könnte  das  Zusammentreffen  doch  wohl  nur  ein 
zufalliges  sein;  Namen,  die  vom  Garten  abgeleitet  sind, 
finden  sich  im  Persischen  gar  nicht  selten:  ich  erinnere  an 
den  jüdischen  Aechmalotarchen  Bostanai  (vom  neupersischen 
bosiän,  hortus)  und  an  Bagdad- Khätüriy  die  Gemahlin  des 
Ähüsaid-Khdn,  deren  Name  dem  altpersischen  hagadäta,  horti 
donum,   entspricht.     Die  Nachricht  vom  Gärtner  Balatores 


126  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

scheint  dem  Referenten  einen  sagenhaften  Charakter  zu  tragen. 
Aelianos  nämlich  hat,  wir  wissen  nicht  aus  was  für  einer 
Quelle ;  in  seiner  Thiergeschichte  Xll^  21  die  Nachricht  auf- 
bewahrt, dass  der  babylonische  König  Seuechoros  wegen  un- 
heilverkündender Prophezeiungen  seinen  neugeborenen  Enkel 
Gilgamos  Yon  einem  Thurme  herabzustürzen  befahl,  dass  aber 
ein  Adler  das  Kind  auffing  und  in  einem  Garten  niederlegte, 
wo  es  heranwuchs.  Man  hat  übersehen,  dass  diese  Notiz, 
statt,  wie  man  meinte,  völlig  in  der  Luft  zu  schweben,  sich 
trefflich  in  die  mythischen  Traditionen  des  Berosos  einreiht. 
Referent  zweifelt  nicht,  dass  statt  ßaöilEvovzog  Usvtixoqov 
zu  lesen  ist  ßa0ikevovtog  Evtjxolov,  Euechoios  heisst  näm- 
lich in  beiden  Handschriften  des  Synkellos  p.  169,  4  der 
erste  König  von  Babylon  nach  der  Fluth,  und  eben  darauf 
führt  die  Form  Euechsios  bei  Eus.  Arm.  I  p.  40  [I  p.  23 
Schöne];  denn  in  der  armenischen  Schrift  verhält  sich  s  zu 
0  gerade  so,  wie  in  der  lateinischen  u  zu  n;  nur  im  Yulgat- 
texte  des  Synkellos  heisst  er  Ew^x^^S'  Wir  sehen  also  zwei 
Dynastiengründer  aus  einem  Garten  hervorgehen:  Grund 
genug,  um  hier  ein  sagenhaftes  Motiv  vorauszusetzen.  Der 
Name  Balatores  trägt,  wie  alle  Ktesianischen  Königsnamen, 
unzweifelhaft  arisches  Gepräge,  es  ist  gleich  sanskritischem 
balatara,  iunior.^)  Liesse  sich  aus  dem  Umstände,  dass  die 
Sage  sich  an  einen  arisch  benannten  König  heftet,  beweisen, 
dass  sie  arischer  Herkunft  sei,  so  würde  eine  ansprechende 
Erklärung  von  Auquetil  du  Perron  ihre  Berechtigung  er- 
halten, die  mitzutheilen  Referent  sich  um  so  weniger  ver- 
sagen kann,  als  sie  zu  den  wenigen  sinnreichen  Gedanken 
gehört,  die  einer  fleissigen,  aber  ihrer  ganzen  Anlage  nach 
verfehlten  Arbeit  einen  bleibenden  Werth  verleihen.^)     Im 


1)  Der  Name  drOckie  wohl  ursprünglich  das  jüngere  assyrische 
Herrscherhans  im  Gegensatz  zu  dem  älteren  der  Derketaden  aus. 

2)  Anqu^til  du  Perron  hat  nämlich  in  der  Histoire  de  Tacad^mie 
des  inscriptions  tome  XL  den  Veräuch  gemacht,  die  Nachrichten  des 
Zendavesta  und  des  Firdüsi  über  die  Pishdadier  und  Eajanier  mit  denen 
der  Alten  über  die  Könige  von  Assyrien,  Medien  und  Persien  auszu- 
gleichen.  Dass  ein  solcher  Versuch  missglücken  und  nur  zu  Ungeheuer- 


BRANDIS,  HIST.  GEWINN  A.  D.  ENTZIPF.  D.  ASSYR.  INSCHR.  127 

Zendayesta  werden  die- drei  mythischen  Eonige  GajomarSthna^ilS 
Jima  Ehshaeta  nnd  Thraetöna  gepriesen  als  Verehrer  der 
heiligen  Pflanze  haöma^  deren  Saft  sie  zu  Ehren  des  Ahurö 
Mazd^o  ansgepresst  und  getranken  hätten.*)  Nun  meint 
Anqnetil,  auch  Balatores  (den  er  freilich  yerkehrterweise 
mit  dem  Thra^tona  identificirt)  heisse  Gärtner^  weil  er  die 
Pflanze  haöma  gepflaazt  nnd  verehrt  habe.  Liesse  sich  die 
Yermuthnug  begründen,  so  hätte  man  dies  als  Zeichen  eines 
frühen  Vordringens  der  vom  Haömacultus  unzertrennlichen 
Zoroastrischen  Religion  nach  Westen  anzusehen  und  dürfte 
damit  den  Umstand,  dass  Zoroastres  an  der  Spitze  der  medi- 
schen  Könige  von  Babylon  steht,  combiniren.  —  Auch  Sar- 
gons  Nachfolger  Sanherib  scheint  auf  den  Inschriften  vor- 
zukommen; es  soll  auf  ihnen  heissen,  er  habe  mit  einem 
Fürsten  Ispabara  von  Albat  Krieg  geführt.  Der  Verfasser 
findet  hierin  (S.  48)  einen  Anklang  an  alte  Ueberlieferung 
und  billigt  die  von  Rawlinson  vorgeschlagene  Vergleichung 
des  Namens  mit  Astibaras,  dem  achten  Könige  der  Meder 
beim  Ktesias^  ohne  jedoch  weitere  Folgerungen  daraus  ziehen 


lichkeiten  fahren  musste,  lag  in  der  Natnr  der  Sache,  nnd  Niemand 
wird  deshalb  mit  dem  ehrwürdigen  Entdecker  der  Zendsprache  rechten 
wollen;  er  hoffte  seine  Entdeckung  nicht  bloss  sprachlich  und  religions- 
geschichtlich,  sondern  auch  für  die  eigentliche  politische  Geschichte  des 
alten  Asiens  nutzbar  machen  za  kOnnen,  und  übereilte  sich  dabei  nm 
so  leichter,  als  ja  seiner  Zeit  überhaupt  der  rechte  historische  Sinn 
bei  dergleichen  Dingen  abging.  Dass  ihm  noch  in  diesem  Jahrhundert 
Malcolm  und  Görres  auf  diesem  Abwege  gefolgt  sind,  ist  schon  weniger 
ZQ  entschuldigen,  da  mittlerweile  die  Wissenschaft  so  weit  vorge8chritten413 
war,  dass  eine  nur  etwas  methodische  Pröfung  der  assyrischen  Geschichte 
and  der  persischen  Sagen  lehren  musste,  dass  beides  zu  combiniren 
Viereckiges  mit  Bondem  zu  vereinigen  hiesse.  Dass  aber  nun  vollends 
heutzutage  ein  paar  obscure  literarische  Vagabunden  die  Stirn  haben, 
solche  Albernheiten  als  „Geschichte  der  Assyrer  und  Iranier*'  und  unter 
anderen  Pranktiteln  wie  ein  neues  Evangelium  dem  Pablicum  vorzu- 
tragen, das  ist  ein  Scandal,  der  dem  Ausland  seltsame  Begriffe  von 
der  Bildung  eines  Leserkreises  beibringen  muss,  dem  man  dergleichen 
zu  bieten  wagt,  ein  Scandal,  der  im  Namen  des  gesunden  Menschen- 
verstandes nicht  oft  genug  gebrandmarkt  werden  kann. 
♦)  [Vgl.  Band  I  S.  289.    P.  E.] 


128  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

zu  wollen.  Daran  hat  er  sehr  wohl  gethan;  die  Yergleichung 
Rawlinsons  ist  ohne  Zweifel  falsch.  Wie  Albat  zu  Medien 
passen  soll,  sieht  man  nicht  ein;  wäre  der  Landesname 
sicher,  so  würde  man  eher  an  die  armenische  Provinz  XoXo- 
ßtixrivir]  (Steph.  Byz.  p.  695,  10  [s.  v.  Xokoßrixrivri]  denken, 
deren  Hauptstadt  Ptolemäos  Xokovaxa  nennt.  Davon  dass 
heidemal  eine  und  dieselbe  Person  gemeint  sei,  kann  natür- 
lich nicht  die  Rede  sein,  da  Ispabara  zur  Zeit  des  Sanherib 
(693—675)  gelebt  haben  soll,  Astibaras  aber  nach  Ktesias 
von  643 — 603  regierte  und  vom  Kyaxares  schwerlich  ver- 
schieden ist  Die  Namen  konnten  nur  dann  gleich  sein, 
wenn  *j46ußäQag  für  ^Aönißigag  verschrieben  wäre;  diese 
Annahme  ist  aber  unzulässig:  1)  weil  der  Name  ausser  bei 
Ktesias  auch  in  der  jüdischen  Geschichte  des  Alexandros 
Polyhistor  (fr.  24)  vorkommt,  der  ihn  nicht  ungeschickt 
mit  dem  zu  Ende  des  Buches  Tobias  (14,  15)  erwähnten 
^AöovriQOQ  (der  nach  Dan.  9, 1  der  Vater,  des  Darius  Medns 
war)  combinirt  hat;  2)  weil  er  durch  den  gleich  anlautenden 
Namen  A6tvdyr}g  gesichert  ist.  Dagegen  ist  der  erste  Be- 
standtheil  von  Ispabara,  wenn  der  Name  überhaupt  richtig 
gelesen  ist,  ohne  Zweifel  das  altpersische  appa,  equus;  den 
Bestandtheil  bara  werden  beide  Namen  gemeinsam  haben. 
Was  aber  durch  jenes  eingebildete  Zusammentreffen  für  die 
Würdigung  des  Ktesias  gewonnen  sein  soll,  kann  Referent 
nicht  begreifen;  denn  dass  Ktesias,  selbst  wenn  er  die  Per- 
sonen erfunden  haben  sollte,  ihnen  gut  arische  Namen 
4Ugegeben  hat,  das  wird  jetzt  auch  sein  erbittertster  Gegner 
wohl  nicht  mehr  zu  bestreiten  wagen. 

Wie  bedenklich  es  ist,  aus  den  bisher  in  den  Inschriften 
gelesenen  Namen  und  Zahlen,  über  deren  syntaktischen 
Zusammenhang  ja  die  seitherigen  Entzifferer  vollkommen 
im  Dunkeln  tappen,  Schlüsse  zu  ziehen,  die  geeignet  wären, 
Ueberlieferungen  unserer  schriftlichen  Quellen  umzustossen, 
davon  giebt  Excurs  2  (zu  S.  46),  den  der  sonst  so  vorsich- 
tige Verfasser  lieber  hätte  ungeschrieben  lassen  sollen,  ein 
warnendes  Beispiel.  Auf  den  Inschriften  soll  die  Besiegung 
eines  babylonischen  Königs,  dessen  Name  2Mi  paldana  endigt, 


BRANDIS,  HIST.  GEWINN  A.  D.  ENTZIFP.  D.  ASSYR.  INSCHR.  12Ö 

und  die  Einsetzung  eines  Königs ;  den  Rawlinson  Beladon, 
der  Verfasser  wahrscheinlich  richtig  Belib  liest,  vorkommen; 
das  Datum  (zweites  Regierungsjahr)  ist  auch  nach  des  Ver- 
fassers Urtheil  unsicher.  Dann  soll  der  Zug  des  Sanherib 
gegen  Judäa  und  Aegypten  im  dritten  Jahre  seiner  Regierung 
erwähnt  werden;  der  Name  Ghazakijahu,  d.  i.  Hiskia,  ist 
nach  des  Verfassers  Urtheil  sichergestellt,  und  wir  werden 
ihm  dies  glauben  können.  Dann  überwindet  nach  Rawlinson 
Sanherib  im  vierten  Jahre  denselben  König,  dessen  Name 
auf  paldana  endigt,  nochmals  und  setzt  seinen  eigenen  Sohn 
Assurnadin  zum  König  ein.  Der  Verfasser  findet  in  diesen 
Angaben  die  Nachricht  des  Berosos  wieder,  wonach  hinter- 
einander Marudach  Baidan  und  sein  Mörder  Elibos  und  nach 
dessen  Gefangennahme  Sanheribs  Sohn  Asordanios  regierten, 
und  vergleicht  *den  Belib  (Elibos)  mit  dem  Belibos  (702 — 
699),  den  Assurnadin  (Asordanios)  mit  dem  Aparanadios 
(699  —  693)  im  Kanon  des  Ptolemäos;  den  Bericht,  nach 
welchem  Marudach  Baidan  vom  Elibos  erschlagen  worden 
sei,  halt  er  für  einen  Irrthum  der  Epitomatoren  des  Berosos. 
Diese  Annahme  hat  aber  viel  Missliches.  1)  ist  die  Gleich- 
stellung des  Bi^lißog  und  Elibos  nicht  so  leicht  wie  der 
Verfasser  sie  sich  denkt;  denn  aus  der  armenischen  Trans- 
scription des  Namens  ergiebt  sich,  dass  er  griechisch  nicht 
"HXißog,  sondern  "Ekcßog  lautete.  2)  spricht  sich  der  Ver- 
fasser, soviel  Referent  sieht,  nirgends  über  das  Verhältniss 
des  angeblichen  Assurnadin  zum  Assarhaddon  aus.  Entweder 
sie  sind  identisch  oder  sie  sind  es  nicht.  In  seiner  früheren 
Schrift  nahm  der  Verfasser  das  erstere  an  und  hielt  den 
^AitagocvaSiog  des  Kanon  nur  für  eine  irrige  Variante  des 
^AßagaSivogi  eine  unhaltbare  Hypothese,  da  der  nach  einem 
consequent  festgehaltenen  Princip  angelegte  astronomische 
Kanon  Zwischenregierungen  grundsätzlich  ignorirt  (wie  er 
denn  z.  B.  die  18jährige  Zwischenregierung  des  Ptolemäos 
Alexandros  I.  ganz  übergangen  und  dem  vorher  und  nachher 
herrschenden  Ptolemäos  Soier  11.  beigelegt  hat),  überdies 
derselbe  König  auf  Inschriften  nicht  zugleich  Assurnadin  und 
Assardonassar  (siehe  S.  26)  hat  heissen  können.    Wir  haben 

Y.  GcTsoHMiD,  Kleine  Schriften.    II.  9 


130  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

Grund  zu  glauben^  dass  der  Verfasser  diese  Yermuthung  preis- 
gegeben hat  und  jetzt  die  beiden  Könige  für  verschiedene 
Sohne  des  Sanherib  hält.  Dann  gerathen  wir  aber  aus  der 
Skylla  in  die  Charybdis  und  müssen  dem  Berosos  einen 
zweiten^  schlimmen  Irrthum,  nämlich  die  Yermengung  des 
Assurnadin  und  Assarhaddon  aufbürden.  Für  dergleichen 
ein  für  allemal  den  unglücklichen  Eusebios  verantwortlich 
4i6zu  machen,  dem  wir  die  Aufbewahrung  der  kostbaren  Bruch- 
stücke verdanken,  ist  ebenso  unbillig  wie  unwahrscheinlich. 
Alle  diese  Schwierigkeiten  lösen  sich,  sobald  man  den  BrjkL' 
ßog  des  Ptolemäos  und  den  "EUßog  des  Berosos  für  zwei 
verschiedene  Personen  hält.*)  Dann  ist  Berosos,  der  den 
Asordanios  schon  vor  seiner  achtjährigen  Begierung  als 
König  von  Ninive  bei  Lebzeiten  seines  Vaters  in  Babylon 
herrschen  lässt,  in  vollkommenem  Einklang  mit  dem  Kanon, 
der  den  Asaradinos  mit  13  Jahren  unter  den  babylonischen 
Königen  aufführt;  die  verschiedenen  seiner  Einsetzung  in 
Babylon  beim  Berosos  vorausgehenden  kurzen  Regierungen 
fallen  dann  in  das  zweite  Interregnum,  durch  welches  der 
Kanon  sicherlich  die  Regierung  von  einem  oder  mehreren 
Usurpatoren  angedeutet  hat.  Man  wird,  da  Elibos  nicht 
volle  drei  Jahre  regierte,  die  beiden  Urkunden  mit  ziem- 
licher Wahrscheinlichkeit  in  folgender  Weise  combiniren 
können : 

Zweites  Interregnum  von  acht  Jahren. 

Ein  Bruder  des  Sanherib  reg.    5  J.  —  M,   seit  11.  Febr.  688. 

Akises „    —  J.    1  M.     „     10.  Febr.  683. 

Marudach  Baidan  .     .     .     „    —  J.    6  M.     „     12.  März  683. 

Elibos „      2  J.    5  M.     „      8.  Sept.   683 

bis  9.  Febr.  680. 

Dass  die  vorgeblichen  Zeugnisse  der  Inschriften  dieser 
sich  aus  den  schriftlichen  Quellen  am  einfachsten  ergebenden 
Ausgleichung  nicht  günstig,  sind,  leugnet  Referent  nicht,  wird 
aber  so  lange   auf  seiner  Annahme  beharren,  bis   man   so 


*)  [Vgl.    „Nene    Beiträge    zur    Gescliichte    des    alten    Orients** 
S.  42  f.     F.  R.] 


BRANDIS,  mST.  GEWINN  A.  D.  ENTZIFF.  D.  ASSYR.  INSCHR.  131 

weit  sein  wird,  die  Texte  der  Eeilinschriften  wenigstens  an- 
nähernd mit  derselben  Sicherheit  wie  die  des  Berosos  und 
Ptolemäos  zu  lesen  und  ihn  daraus  ad  absurdum  zu  führen. 
Vor  der  Hand  sind  mindestens  ebensoviele  Chancen  dafür 
Torhanden^  dass  man  die  richtig  entzifferten  Namen  mit 
richtig  gelesenen  Zahlen  verkehrt  combinirt  oder  alles  falsch 
gelesen  hat,  wie  dafür,  dass  Berosos  zwei  arge  Schnitzer 
begangen  hat.  Wäre  Yerlass  auf  die  Lesung  der  Inschriften, 
so  könnte  ihr  Belib  allerdings  kaum  ein  Anderer  als  der 
Bi^Xißog  des  Kanon  sein  —  den  ^EXtßog  lässt  man  am  besten 
ganz  aasser  dem  Spiele  —  und  danach  müsste  der  Regierungs- 
antritt des  Sanherib  mit  Hincks  703  oder  mit  dem  Verfasser 
702  angesetzt  werden.  Der  Verfasser  neigt  sich  in  Folge 
davon  zu  der  bekannten  Annahme  Niebuhrs,  dass  die  55- 
jährige  Regierung  des  Manasse  um  20  Jahre  zu  verkürzen 
sei.  Er  übersieht  aber  dabei  ganz,  dass  die  angeblichen 
Data  der  Inschriften  auch  dann  noch  nicht  mit  der  Bibel 
stimmen.  Der  Zug  des  Sanherib  gegen  Jndäa  erfolgte  im 
14.  Jahre  des  Hiskia,  d.  i.  nach  der  bisherigen  Rechnung 
712,  nach  Niebuhr  692.  Allein  die  Inschriften,  wie  Raw- 
linson  sie  reden  lehrt,  setzen  jenen  Zug  in  das  dritte  Jahr 
des  Sanherib,  d.  i.  700.  Es  ist  also  eine  schreiende  Dis- 
sonanz vorhanden.  In  Bezug  auf  das  Datum  702  für  den 
Anfang  des  Sanherib  meint  der  Verfasser,  merkwürdig  genug 
bestätige  dies  vielleicht  auch  eine  Berechnung  des  Eusebios, 
die  er  nach  Berosos  anstellt  (S.  46).  Referent  kann  es  nicht 
verhehlen,  dass  er  über  diese  „merkwürdige  Bestätigung^' 
etwas  erstaunt  ist.  Eus.  Arm.  I  p.  44  [I  p.  29  Schöne] 
sagt,  Berosos  habe  von  Sanherib  bis  Nebukadnezar  88  Jahre 
gezählt,  gerade  ebensoviele  aber  rechne  das  alte  Testament4i6 
von  Hiskia,  unter  dem  Sanherib  regierte,  bis  Joakim,  in 
dessen  Regierungsanfang  Nebukadnezar  gegen  Jerusalem  her- 
angerückt sei,  und  stellt  folgende  Gleichung  auf: 


9 


132         RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

Ssvs%iQißoq  itri   itj  Mavaöij  ixri  vi 

*A60Qddviog  .  .  .    ^  ^j4^cig  ,  ,  .  ,  tß 

Zkciioyrig öiä  ^Imöia  .  .  .  .  Aa 

IkcQdaväxakXos.  ^  "~6fio*  irri  mj. 

NaßoxmaXöag.  .    x 

Hierzu  bemerkt  der  Verfasser  iS.  73:  ^^  Sieht  man  aber 
näher  zu^  so  findet  sich,  dass  die  Summe  der  einzelnen  bibli- 
schen Zahlen  98  beträgt  und  dass  mehrere  Zahlen  der  as- 
syrischen Regierungen  etwas  zu  gering  angegeben  sein  müssen. 
Denn  man  darf  die  12  Jahre  des  Arnos  gegen  den  Sinn  des 
Eusebios  nicht  in  2  corrigiren,  da  er  immer  trotz  dem  alten 
Testamente  so  rechnet;  vgl.  Eus.  ed.  Mai  p.  243  [I  App.  p.  12 
Schone].^'  Fürs  erste  thut  der  Verfasser  hier  dem  Eusebios 
grosses  Unrecht,  wenn  er  denkt,  die  12  Jahre  des  Amos 
seien  eine  von  ihm  herrührende  Neuerung:  Ensebios  fand 
sie  in  seiner  Handschrift  der  Septuaginta  vor,  deren  Ueber- 
setzung  bekanntlich  in  der  morgenländischen  Kirche  kanoni- 
sche Geltung  erlangt  hat.  Ferner  scheint  der  Verfasser  sich 
hier  nicht  erinnert  zu  haben,  dass  Eusebios  jedes  Konigs- 
verzeichniss  dreimal  giebt,  in  dem  Texte  der  Chronik,  in  der 
Series  regum  und  im  Kanon,  und  zwar  fast  regelmässig  aus 
eben  so  vielen  verschiedenen  Quellen  geschöpft.  In  der  Series 
regum  (II  p.  20  [I  App.  p.  12  Schöne])  giebt  er  dem  Amos 
allerdings  12  Jahre,  im  Kanon  (ad  a.  1359  Abr.)  rechnet  er 
ebenso,  bemerkt  aber  dabei  die  Abweichung  des  hebräischen 
Textes,  endlich  im  Chronikon  (I  p.  183  [I  p.  121  Schöne]) 
berechnet  er  seine  Regierung  wirklich  auf  nur  zwei  Jahre. 
Ferner  ist  der  Verfasser  so  ehrlich,  einzugestehen,  dass  die 
Zahl  88  theils  wegen  der  Wiederholung,  theils  durch  Moses 
Choren,  p.  60  gesichert  ist,  meint  aber,  Eusebios  habe  sich 
ein  Versehen  zu  Schulden  kommen  lassen.  In  diesem  Fall 
ist  es  aber  denn  doch  wohl  klar,  dass  nur  ein  Schreiber  die 
ihm  geläufigeren  12  Jahre  an  die  Stelle  der  hier  von  Euse- 
bios angegebenen  zwei  gesetzt  hat.  Der  Verfasser  dagegen 
spricht  sich  dahin  aus,  der  Nachlg^ssigkeit  des  Bischofs  von 


BKANDIS,  EIST.  GEWINN  A.  D.  ENTZIFF.  D.  ASSYR.  INSCHR.  133 

Cäsaräa  könne  man  alles  zutrauen,  und  verglast  sich  sogar 
bis  zu  der  Cautel  ^^wenn  nicht  alles,  was  Eusebios  mittheilt, 
Trug  ist'^    Referent  weiss  recht  gut,  dass  es  bei  namhaften 
Orientalisten  Mode  geworden  ist,  den  Eusebios  als  Prügel- 
knaben dafür  zu  behandeln,   dass   er  so   ungefällig  gewesen 
ist,  ihren  halsbrechenden  Conjecturen  nicht  den  erwünschten 
Anhalt  zu  geben;  nachahmungswerth  ist  dieses  Beispiel  aber 
nicht.     Noch  frivoler  scheint  uns  die  Art  und  Weise,  wie 
der   Verfasser   die   einzelnen   Posten    des    Berosos    mit   der 
vermeintlichen   Gesammtsumme  von  98  Jahren   in  Einklang 
bringen  will.     1)  ändert   er   die    20  Jahre    des  Nabupalsar 
nach  dem  Kanon  in  21,  eine  Zahl,  die  allerdings  sogar  bei 
Berosos  selbst  in  einem  anderen  Fragmente  vorkommt;  trotz- 
dem  ist   die   Aenderung  überflüssig,    da   wir   aus    der  Ver- 
gleichung  von  IL  [«  IV.]  Kon.  24, 12.  25,  8  mit  Jerem.  52,417 
28.  29  wissen,  dass  Nebukadnezar  ein  Jahr  mit  seinem  Vater 
gemeinsam   regierte,    also   die   Herrschaft   des   Nabopolassar 
bald   auf  20,  bald  auf  21   Jahre  bestimmt  werden  konnte. 
2)  ändert  er  die  acht  Jahre  des  Asordanios  in  17.     Wenn 
corrigirt  werden  müsste,   so  wäre    es   das  Einfachste,   dem 
Asordanios  18  Jahre  zu  geben.    Hier  ist  der  Verfasser  offen- 
bar auf  den  Abweg  gewisser  Aegyptologen  gerathen,  die  es 
sich  absolut  nicht  vorstellen  können,  dass  ein  Historiker  über 
Dinge,  die  sich  ein  halbes  oder  ganzes  Jahrtausend  vor  seiner 
Zeit  ereigneten,  einmal  einer  von  den  Inschriften  nicht  be- 
günstigten Tradition  gefolgt  ist,  und  denen  es  nicht  darauf 
ankommt,   ihrer  Grille   ein  Dutzend   überlieferte  Zahlen   zu 
opfern.     In   diesem   Fall   käme   man   aber   mit  der   blossen 
Voraussetzung  aus,   dass   —   die   Aenderung   von    8    in    18 
einmal  als  zulässig  angenommen  —  Berosos  die  Regierungs- 
jahre der  einzelnen  Konige  nach  einem  anderen  Princip  als 
der  Kanon  bestimmte,  was  wir  auch  von   anderer  Seite  her 
wissen.    Es  ist  tmbegreiflich,  wie  der  Verfasser  an  die  Mög- 
lichkeit einer  Verderbniss  von  IZ  in  H  auch  nur  hat  denken 
können.     Fürwahr,   stände  der  Name  des  Dr.  Brandis  nicht 
auf  dem  Titel,  wir  würden  hier  nicht  die  Hand  des  Schülers 
von  Ritschi    wiedererkennen,   der  in   seiner   schönen  Mono- 


134  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

graphie  über  die  assyrische  Zeitrechnung  die  strenge  Methode 
der  neueren  Philologie  auf  das  chronologische  Gebiet ,  wo 
wir  derselben  ebensowenig  wie  bei  der  Texteskritik  ent- 
rathen  können^  mit  yielem  Glück  übertragen  hat,  sondern 
eher  die  des  Verfassers  von  ^^Aegyptens  Stelle  in  der  Welt- 
geschichte'^, der  bei  der  Restitution  der  Manethonischen 
Königsliste  im  zweiten  Bande  eine  Menge  von  mitunter 
scharfsinnigen,  aber  durch  und  durch  unmethodischen  und 
aller  Wahrscheinlichkeit  trotzenden  Gonjecturen  gehäuft  hat, 
denen  die  hier  besprochene  so  ähnlich  sieht  wie  ein  Ei  dem 
anderen.  Auch  Referent  hegt  vor  der  umfassenden  Gelehr- 
samkeit des  Ritter  Bunsen  und  vor  seiner  segensreichen 
Wirksamkeit  auf  manchem  anderen  Gebiete  gewiss  keine 
geringere  Hochachtung  als  der  Verfasser,  muss  aber  doch 
den  Letzteren  davor  warnen ,  seinem  berühmten  Vorbilde 
nicht  auch  auf  dessen  unleugbaren  Abwegen  zu  folgen.  Wir 
haben  dem  uns  persönlich  lieben  und  befreundeten  Verfasser 
diese  Kleinigkeit,  auf  die  er  selbst  (wie  er  am  Schluss  des 
zweiten  Excurses  deutlich  zu  verstehen  giebt)  keinen  beson- 
deren Werth  gelegt  wissen  will,  nur  darum  aufgestochen 
und  sind  so  speciell  darauf  eingegangen,  um  ihn  daran  zu 
erinnern,  dass  er  sein  bedeutendes  Talent  nicht  durch  in- 
correctes  Experimentiren  vergeuden  möge. 

Wir  gehen  über  zum  zweiten  Theile  der  Brandisschen 
Schrift;,  worin  die  Grundzüge  des  assyrischen  Keilschrift- 
systems entwickelt  sind.  Im  Eingang  sind  die  einschlägigen 
Stellen  der  Alten  gesammelt  worden;  doch,  glaube  ich,  ist 
der  Verfasser  in  dem  Wunsche,  Andeutungen  zu  finden  mit- 
unter zu  weit  gegangen.  So  möchte  ich  in  der  bei  Diogenes 
Laertios  IX,  7,  13  angeführten  Schrift  des  Demokritos  Ttsgl 
%&v  iv  BaßvXAvv  IbqAv  ygaiAfidtav  nicht  mit  dem  Verfasser 
Untersuchungen  über  die  babylonische  Keilschrift}  vermuthen, 
sondern  übersetze  tegcc  ygaiA^ara  durch  „heilige  Schriften''; 
4l8es  sind  die  Bücher  des  Fischmenschen  Oannes  und  der  übrigen 
Annedoten,  ihr  Inhalt  war  vorwiegend  kosmogonischen  und 
religion^philosophischen  Inhalts.  Ebensowenig  kann  Referent 
das  Bedauern  des  Verfassers  über  den  Verlust  der  Demokri« 


BRANDIS,  BIST.  GEWINN  A.  D.  ENTZIFF.  D.  ASSYR.  INSCHB.  135 

tischen  Uebersetznng  einer  babylonischen  Inschrift  philo- 
sophischen Inhalts,  die  er  einer  seiner  Abhandlungen  an- 
geschlossen haben  soll,  theiien.  Clemens  Alex.  Strom.  I 
p.  131  behauptet  freilich,  Demokritos  habe  seine  Weisheit 
Yon  der'Stele  des  Akikaros,  eines  alten  babylonischen  Weisen^), 
hergenommen;  allein  wenn  wirklich  eine  solche  Demokritische 
Schrift  im  Umlauf  war,  so  ist  sie  ohne  allen  Zweifel  unter- 
geschoben gewesen.  Philosophische  Ergüsse  sind  wohl  schwer- 
lich jemals  in  Stein  gehauen  worden:  wohl  aber  kamen  Ton 
Alexandrien  aus  Erzählungen  über  die  Säulen  des  Hermes 
in  Umlauf,  über  deren  mystischen,  kosmogonischen  Inhalt 
sich  eine  förmliche  Literatur  bildete,  an  welche  in  späterer 
Zeit  die  alchymistischen  Schriften  anknüpfen.  Diese  Ent- 
hfillongsfabrication  fand  Anklang,  und  bald  wussten  auch 
die  Griechenmännlein  yon  den  Säulen  des  Kronos  und  der 
Rhea  auf  der  apokryphen  Insel  Panchaia  zu  erzählen.  Schon 
der  Erzvater  Seth  hatte,  wie  die  alexandrinischen  Juden 
wissen  wollten,  dem  literarischen  Bedürfniss  seiner  Zeit- 
genossen in  ähnlicher  Weise  Rechnung  getragen;  die  von 
ihm  beschriebenen  Säulen  standen  im  Lande  Siris,  und  das 
konnte  man  leider  nicht  wieder  auffinden.  Lassen  wir  also 
die  Säule  des  Akikaros  in  ihrer  Verborgenheit;  freuen  wir 
uns  lieber  des  günstigen  Geschickes,  welches  uns  so  zahl- 
reiche Urkunden  vom  ehrwürdigsten  Alterthum  aufbewahrt 
hat,  von  denen  das  Siegel  zu  losen  hoffentlich  noch  der  jetzt 
lebenden  Generation  vergönnt  sein  wird.  •—  Die  Notizen  der 
Alten  über  die  Sprache  der  alten  Chaldäer  sind  zu  spärlich, 
um  für  die  Entzifferungsversuche  irgend  welchen  Anhalt  zu 

1)  Dieser  'A^^Tiagog  ist  ohne  Zweifel  derselbe  wie  'Axatnagog,  den 
Sirabon  XVI,  2,  38  p.  762  einen  Propheten  naQcc  zotg  Boano(frivoCg  nennt. 
Zwar  möchte  ich  assyrischen  Einflnss  auf  die  Nordgestade  des  Pontos 
Enxeinos  nicht  unbedingt  abweisen',  und  so  Hesse  sich  die  seltsame 
Nachricht  allenfalls  retten.  Allein  die  Yerbessernng  jca^a  toig  Boffoi- 
mivoig  liegt  zu  nahe,  als  dass  ich  sie  von  der  Hand  weisen  könnte. 
Im  Prolog  des  Buches  Tobias,  der  nur  dem  griechischen  Texte  eigen 
ist,  kommt  1,  21  ein  'AxidxccQog  ald  Neffe  des  Tobias  am  Hofe  des  as- 
syrischen Königs  Sacherdonos  Tor.  Es  will  mich  bedanken,  als  wäre 
es  derselbe  chaldäische  Weise  in  jüdischer  Verkleidung. 


136  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

geben.  Selbst  die  einzige  Glosse,  die  der  Verfasser  S.  85 
dabei  nutzbar  zu  machen  gesucht  hat^  beruht  auf  einem 
blossen  Missverständniss.  Syukellos  p.  52,  16  hat  nämlich 
Folgendes:  aQX€LV  dl  tovtcdv  navxiov  ywatxa^  rj  ovofia  '0(i6- 
Qmxa  {MaQTcaca  Eus.).  Bivac  di  tovxo  Xakdal6tl  ^Iv  Sakäzd- 
(Gakaxd-a  Eus.),  'EXktivLötl  dl  fi6^£Q(iriv£veö^ai  d'dkaööa 
(d-aXatta  Eus.),  xata  dl  l66tlni<pov  öBXi^vri.  Den  letzten  Satz 
lässt  Eus.  Arm.  I  p.  23  [I  p.  15  Schone]  weg.  Der  Ver- 
fasser vergleicht  mit  ^Ofiogcoxa  das  hebräische  n^^,  luna, 
und  sagt,  G.  Müller,  Movers  u.  a.  würden  den  Zusatz  nicht 
für  Synkellos'  Fabrikat  erklärt  haben,  wenn  sie  bedacht 
hätten,  dass  der  Chronograph  unmöglich  jene  alte  babjloni- 
4i9sche  Form,  die  in  dem  Worte  noch  deutlich  hervorschimmere, 
kennen  konnte.  Der  Verfasser  verrückt  sich  hier  den  ganzen 
Standpunkt  der  Frage.  Die  gesunde  Kritik  muss  den  Zusatz 
verwerfen:  1)  weil  ihn  der  viel  ältere  Eusebios  nicht  kennt; 
2)  weil  die  mystische  Spielerei  der  iöotl^rjfpay  d.  i.  die  Com- 
bination  verschiedener  Wörter,  deren  Buchstaben,  dem  Zahl- 
werthe  nach  genommen  eine  gleiche  Summe  bilden,  eine 
speciell  byzantinische  Caprice  ist,  die  sich  zwar  seit  Joannes 
Lydos  sehr  häufig  findet,  aber  dem  Berosos,  der  bald  nach 
Alexander  schrieb,  schlechterdings  nicht  aufgebürdet  werden 
darf.  Nur  so  kann  man  das  Wort  löoilfrjfpov  erklären,  und, 
was  die  Hauptsache  ist,  'Ofiogmxa  oder,  wie  es  im  ursprüng- 
lichen Texte  des  Synkellos,  dein  armenischen  MagxaCa  näher, 
gelautet  haben  muss,  ^OfioQxa  ist  wirklich  das  iöoiftiipov  von 

0  =    70  I  =  200 


M—    40 

E=      5 

0—70 

A  =    30 

P  —  100 

H  =      8 

K  —    20 

N  =    50 

A  =      1 

H  =      8 

Summe  301 

Summe  301. 

Die    Worte    des   Berosos    sehen    allerdings    etwas    schwierig 
aus,  können  aber  kaum  anders  erklärt  werden,  als  dass  das 


BRANDTS,  HIST.  GEWINN  A.  D.  ENTZIPF.  D.  ASSYR.  INSCHR.  137 

kosmogonische  Princip  der  Homorka  in  der  chaldäischen 
Theologie  auch  Salard'  genannt  wurde,  d.  i.  Trinitat  (vom 
chaldäischen  lr\bt^,  drei),  und  dass  der  Name  Homorka 
ursprünglich  d'dkatta  bedeutete.  Den  Gleichklang  der  beiden 
Wörter  wird  Berosos  seinen  griechischen  Lesern  zu  Liebe 
hervorgehoben  haben.  Dass  nun  die  Einmischung  des  Mondes 
ganz  vom  Uebel  ist,  leuchtet  ein.  Wenn  wirklich  zwischen 
Homorka  und  jareach  eine  Aehnlichkeit  stattfönde  —  und 
Referent  kann  sie  nicht  eben  gross  finden  — ,  so  müsste 
dies  als  ein  rein  zufälliges  Zusammentreffen  betrachtet  wer- 
den, die  Spielerei  des  Synkellos  wäre  dadurch  nicht  ge- 
rettet. —  Es  wurde  schon  im  Eingange  erwähnt,  dass  der 
Verfasser  den  ganzen  Gang  der  Bawlinsonschen  Entzifferungs- 
versuche einer  selbständigen  Prüfung  unterworfen  hat.  Hier 
ist  er  zu  dem  Resultate  gelangt,  dass  die  Behauptung  von 
Rawlinson  und  Consorten,  dass  öfters  ein  einzelnes  Zeichen 
der  assyrischen  Keilschrift  für  mehrere  unter  sich  ganz  ver- 
schiedene Laute  gebraucht  worden  sei,  unbegründet  ist  (8.  25): 
ein  sehr  wichtiger  Fortschritt,  den  stark  zu  betonen  wir  um 
so  mehr  ftlr  unsere  Schuldigkeit  halten,  als  der  Verfasser 
aus  Bescheidenheit  und  unnöthigem  Respect  vor  Rawlinson 
diesen  capitalen  Unterschied  von  seinem  Vorgänger  gar  nicht 
gebührend  in  den  Vordergrund  gestellt  hat.  Der  Verfasser 
ermässigt  (S.  27)  jene  willkürliche  These  dahin,  dass  die 
assyrisch-babylonischen  Eigennamen  in  einer  allerdings  sehr 
seltsamen  Weise  verkürzt  geschrieben  worden  seien.  Der  Ver- 
fasser ist  offen  genug,  wiederholt  (S.  28.  115)  einzugestehen, 
dass  diese  Methode  mehr  an  Rebus-  und  Räthselspiel  als  an 
irgend  etwas  Anderes  erinnere.  Das  ist  freilich  immer  ein 
Fortschritt  gegen  Rawlinson,  wir  bekennen  aber  offen,  dass 
wir  auch  daran  nicht  glauben.  Wenn  oft  vorkommende 
allgemeine  Begriffe  verkürzt  werden,  so  lässt  man  sich  das420 
gefallen;  aber  gerade  die  Eigennamen  zu  verkürzen  oder 
richtiger  gesagt  zu  verstümmeln  (der  Monat  Tamuz  heisst 
nach  Brandis  S.  100  Tuu),  das  wäre  eine  Verkehrtheit,  die 
wir  einem  so  hochgebildeten  Volke,  wie  die  Assyrier  nach 
den    Denkmälern   ihrer   Kunst    zu    schliessen   gewesen   sein 


138  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

müssen^  nicht  wohl  zutrauen  können.*)  Dass  der  VerfasBer 
ohne  dieses  bedenkliehe  Auskunftsmittel  nicht  alle  Schwierig- 
keiten zu  lösen  vermocht  hat,  liegt  wohl  daran,  dass  er,  der 
unseres  Wissens  Ton  Haus  aus  nicht  Orientalist  ist,  so  sehr 
er  sich  auch  bestrebte,  auf  eigenen  Füssen  zn  stehen,  doch 
von  den  Rawlinsonschen  Prämissen  mehr  als  gut  ist  anzu- 
nehmen genöthigt  war.  Wir  zweifeln  übrigens  nicht,  dass 
es  einer  Forschung,  die  vorurtheilsfrei  ans  Werk  geht  und 
Rawlinsons  Extravaganzen  wie  billig  ignorirt,  gelingen  wird, 
auch  ohne  solche  Nothbehelfe  zu  einer  richtigen  Lesung  der 
Schrift  und  zu  einem  Verständniss  der  ja  bis  jetzt  gänzlich 
unbekannten  Sprache  zu  gelangen.  Eine«  solche  Arbeit  wird 
dornenvoll  sein  und  fürs  erste  auf  so  eclatante  Resultate, 
wie  sie  von  England  aus  in  alle  Welt  ausposaunt  worden 
sind,  verzichten  müssen:  ist  aber  so  erst  eine  solide  Grund- 
lage gewonnen,  so  wird  reichlicher  Lohn  nicht  ausbleiben. 
Von  seinem  Standpunkt  aus  hat  übrigens  der  Verfasser  ge- 
leistet, was  nur  immer  zu  leisten  war.  Wir  verdanken  ihm, 
um  nur  einiges  anzuführen,  die  richtige  Lesung  der  Königs- 
namen  Belib  (S.  44),  Assardonassar  (S.  105),  Chazajan  (S.  120)^ 
verschiedener  Personennamen  auf  Privaturkunden  (S.  72),  eines 
Theiles  der  babylonischen  Monatsnamen  (S.  100).  In  Bezug 
auf  letztere  kann  Referent  sich  freilich  im  Einzelnen  noch 
nicht  aller  Zweifel  erwehren,  doch  scheint  soviel  bereits 
sicher  aus  den  Inschriften  hervorzugehen,  dass  die  wunder- 
liche Hypothese  Benfeys  über  den  arischen  Ursprung  der 
jüdischen  Monatsnamen  nunmehr  definitiv  beseitigt  ist  — 
Den  Schluss,  worin  von  S.  111  an  paläographische  Unter- 
suchubgen  über  das  System  der  assyrischen  Keilschrift  an- 
gestellt werden,  halten  wir  für  die  gelungenste  Partie  des 
ganzen  Buches.  Der  Verfasser  gelangt  nämlich  zn  dem 
Resultate,  dass  das  semitische  Alphabet  sich  mit  der  assyri- 
schen Keilschrift  mehrfach  berührt,  ja  geradezu  aus  ihr  ab- 
geleitet ist;  an  mehreren  Beispielen  wird  dies  in  schlagender 

*)  [Es  ist  kaum  nöthig  zu  bemerken,  dass  Gatschmid  diese  An- 
sicht über  die  assyrische  Schrift  später  aufgegeben  hat;  .vgl.  nament- 
lich „Neue  Beiträge  zur  Oeschichte  des  alten  Orients*'  S.  5 ff.    F.  R.] 


NIEBÜHB,  GESCHICHTE  AS8ÜRS  UND  BABELS  SEIT  PHüL.    139 

Weise  nachgewiesen.*)  Endlich  geht  der  Verfasser  noch 
einen  Schritt  weiter  and  stellt  die  Vermuthung  auf,  dass 
auch  die  Keilschrift  sich  aus  einer  ursprünglichen  Bilder- 
schrift entwickelt  habe.  Die  Prüfung  dieser  Entdeckung 
mochte  der  Verfasser  (S.  V)  den  Einsichtigen  ganz  besonders 
ans  Herz  legen;  es  gereicht  uns  zu  nicht  geringer  Befrie- 
digungy  dem  Verfasser  die  Mittheilung  machen  zu  können^ 
dass  eine  Autorität  ersten  Banges  in  assyrischen  Dingen, 
Herr  Oppert^  etwa  um  dieselbe  Zeit,  wo  Herr  Dr.  Brandis 
auf  seinem  Studierzimmer  am  Bhein  diese  Entdeckung  machte, 
am  Euphrat  zu  verwandten  Besultaten  gelangt  ist  (vgl.  Op* 
perts  Bericht  in  der  Zeitschrift  der  deutschen  morgeuländi- 
schen  Gesellschaft  1856  Heft  1  und  2  S.  289).**) 

Und  hiermit  scheiden  wir  von  dem  Verfasser.  Wir 
glauben  alle  die  Punkte,  in  welchen  wir  von  ihm  abweichen- 
der Ansicht  sind,  erörtert  zu  haben;  das  viele  Treffliche  im 
Einzelnen  hervorzuheben,  gestattet  der  Raum  dieser  Blätter42i 
nicht.  Die,  welche  sich  darüber  unterrichten  wollen,  mögen 
das  Buch  selbst  lesen,  welches  wir  hiermit  dem  Publicum 
bestens  empfehlen. 


2  **♦') 

Geschichte  Assurs  und  Babels  seit  Phul  aus  der  Concordanz44i 
des  alten  Testaments,  des  Berossos,  des  Kanons  der  Könige 
und  der  griechischen  Schriftsteller.  Nebst  Versuchen  über 
die  vorgeschichtliche  Zeit  von  Marcus  v.  Niebuh r.  Mit 
Karten-  und  Planskizzen.  Berlin,  Verlag  von  Wilhelm 
Hertz.     1857.    VI  und  529  S.  gr.  8^ 

Die  auf  dem  Titel  des  Werkes  bereits  ausgesprochene 
Beschränkung  einer  Wiederherstellung  der  assyrisch -baby- 


*)  ITgl-  oben  S.  47.    F.  ß.] 
**)  [Vgl.    „Neue    Beiträge    zur    Geschichte    des    alten   Orients'* 
S.  12  f.    F.  B.] 

*•*)  [Nene  Jahrbücher  für  Philologie  und  Pädagogik  Band  LXXXI 
(1860)  S.  441—468.] 


n 


140  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

Ionischen  Geschichte  auf  die  letzte  Periode  derselben  von 
747  (oder  wie  der  Verfasser  will  770)  bis  538  v.  Ch.  empfiehlt 
sich  in  dreifacher  Beziehung.  Erstens  beginnt  mit  Nabonassar 
die  erste  Grundbedingung  einer  solchen  Herstellung,  ein  zu- 
verlässiger chronologischer  Rahmen;  zweitens  fangt  um  die- 
selbe Zeit  in  den  biblischen  Nachrichten  eine  authentische 
und  im  Verhältniss  zu  den  anderen  auf  uns  gekommenen 
Resten  der  Ueberlieferung  reichliche  Quelle  zu  fliessen  an; 
drittens  —  und  diesen  wichtigen  Punkt  ins  Reine  gebracht 
zu  haben  ist  des  Verfassers  Verdienst  —  nahm  auch  im 
Werke  des  Berossos  die  fortlaufende  Geschichtserzählung  erst 
im  dritten  Buche  mit  Nabonassar  ihren  Anfang,  der  die 
Archive  der  Könige,  die  vor  ihm  waren,  vernichten  liess, 
um  das  Andenken  an  die  Fremdherrschaft  verschwinden  zu 
lassen.  Man  hat  die  Nachricht,  weil  dasselbe  von  Schihoangti 
erzählt  wird,  häufig  verdächtigt;  das  Zeugniss  des  Berossos 
darüber  ist  aber  ganz  positiv  (S.  169.  473).  Für  die  frühere 
Zeit,  wo  die  authentischen  Reichsannalen  fehlten,  gab  Be- 
rossos die  blossen  Listen  mit  kurzen  Notizen,  etwa  wie  die 
Auszüge  aus  Manetho,  die  wir  jetzt  haben;  dies  war  der 
Inhalt  des  zweiten  Buches,  das  erste  enthielt  die  Kosmogonie 
(S.  471).  Dass  das  Material  für  die  letzte  Periode  zwar 
vollständiger  und  mannigfaltiger  ist  als  das  für  die  frohere 
Zeit,  aber  doch  lange  nicht  in  dem  Grade  vollständig  wie 
wir  wohl  wünschten,  weiss  jeder;  es  ist  daher  nicht  zu  ver- 
wundem, dass  in  dem  Niebuhrschen  Werke  die  eigentliche 
Geschichtserzählung  (S.  133 — 234)  nur  den  fünften  Theil  des 
Ganzen  einnimmt,  der  Rest  sich  mit  der  Herstellung  der 
Zeitrechnung,  der  Kritik  der  Quellen  und  verschiedenartigen 
Detailuntersuchungen  beschäftigt  Niemand  wird  deiü  Ver- 
fasser daraus  einen  Vorwurf  machen,  ihm  vielmehr  für  die 
442gediegenen  Forschungen,  welche  in  jenen  anderen  Partien 
des  Werkes  niedergelegt  sind,  sich  zu  Dank  verpflichtet 
fühlen. 

Der  erste  Abschnitt  (S.  1  —  18)  behandelt  die  Grund- 
lagen der  Arbeit,  d.  h.  die  Quellen,  voran  die  Bibel.  Nach 
dem    kläglichen   Schiffbruche,   den   die   orthodoxe   Bibelaus- 


NIEBÜHR,  GESCHICHTE  ASSUßS  UND  BABELS  SEIT  PHüL.    141 

legang  nur  zu  oft  erlitten  hat^  wo  sie  sich  auf  das  Feld 
kritischer  Geschichtsforschung  wagte  ^  erwarteten  wir  von 
einem  Anhänger  der  strengen  Richtung  auf  diesem  Gebiete 
nicht  zu  yiel  und  bekennen  ehrlich  unser  angenehmes  Er- 
staunen über  die  ruhige,  streng  wissenschaftliche  Würdigung 
und  Yerwerthung  der  Bibel  als  Geschichtsbuch,  wie  sie  uns 
in  dem  vorliegenden  Werke  entgegentritt.  Drei  Klippen  sind 
es,  an  denen  die  Orthodoxie  in  der  Regel  scheiterte.  Erstens 
die  Prophetien,  die  gern  so  engherzig  wie  möglich  ausgelegt 
wurden.  Der  Verfasser  sieht  wenigstens  in  dem  Gebrauche 
runder,  typischer  Zahlen  nichts  der  Propheten  Unwürdiges 
und  dringt  nur  darauf,  dass  die  in  ihren  Schriften  vorkom- 
menden positiven  geschichtlichen  Angaben  buchstäblich  zu 
nehmen  seien;  „die  Prophetien^',  sagt  er  S.  9,  „müssen  aus 
der  symbolischen  und  poetischen  Sprache  heraus  verstanden 
werden,  und  man  muss  nicht  aus  ihnen  historische  Beziehungen 
herauslesen  wollen,  wo  keine  sind.''  Das  zweite  Bedenkliche 
ist  der  Glaube  an  die  Authentie  des  Buches  Daniel.  Referent 
hält  wenige  Dinge  in  der  gesammten  Literaturgeschichte  für 
so  ausgemacht  wie  den  von  Porphyrios  gelieferten  Nachweis, 
dass  das  Buch  Daniel  im  Jahre  167  v.  Gh.  geschrieben  ist, 
scheut  sich  aber  trotzdem  nicht,  der  herrschenden  Ansicht 
zuwider  seine  Ueberzeugung  auszusprechen,  dass  der  Verfasser 
desselben  für  den  historischen  Rahmen  seiner  Prophetie  glaub- 
würdige jüdische  Aufzeichnungen  aus  der  chaldäischen 
Periode  benutzt  hat,  während  er  freilich,  wie  alle  späteren 
Juden,  über  die  persische  Zeit  auffallend  schlecht  unter- 
richtet ist:  beides  ist  gar  wohl  miteinander  vereinbar.  Re- 
ferent kann  daher  den  Gebrauch,  der  hier  vom  Buche  Daniel 
gemacht  ist,  im  Wesentlichen  nicht  missbilligen.  Der  arge 
Misscredit,  in  welchen  die  Danielinischen  Angaben  neuerdings 
fast  allgemein  gerathen  sind,  ist  einerseits  dem  natürlichen 
Rückschlage  zuzuschreiben,  der  allemal  eintritt,  wenn  sich 
herausstellt,  dass  eine  Quelle,  die  man  für  gleichzeitig  an- 
zusehen gewohnt  war,  mehrere  Jahrhunderte  jünger  ist; 
anderseits  ist  er  eine  Folge  der  unkritischen  Art  und  Weise, 
wie  man  von  Hieronynius   an  die   Daten  jenes   Buches  mit 


142  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

den  Zeugnissen  der  griechischen  Historiker  in  Einklang  zn 
bringen  pflegte.  Man  sah  nämlich  in  Belshazer  den  letzten 
Konig  von  Babylon ,  also  den  Nabonidos,  in  Darius  dem 
Meder  den  in  Xenophons  Boman  auftretenden  Eyaxares  11. 
Mit  Recht  yerwirft  der  Verfasser  diesen  Weg,  identificirt 
vielmehr  den  Belshazer  mit  Evil  -  Merodach  and  sieht  in 
Darius  dem  Meder  den  Suzerän  des  neuen  babylonischen 
Königs,  den  Astyages.  Es  ist  dies  also  in  der  Hauptsache 
die  alte  von  Conring  vertretene  Ansiebt,  nur  dass  dieser  in 
Darius  nicht  den  Mederkönig  selbst,  sondern  seinen  jüngeren 
Bruder  sieht,  der  mit  seiner  Schwester  Amyite  an  den  Hof 
Nebukadnezars  gekommen  und  dessen  Schwiegersohn  gewor- 
44dden  sei:  als  er  sich  des  Thrones  bemächtigte,  habe  er  den 
Namen  Nergal-Sarezer  angenommen.  Da  Evil-Merodach  im 
Jahre  559  umkam,  dieses  Jahr  aber  auch,  wie  wir  sehen 
werden,  das  letzte  des  Astyages  ist,  und  da  die  Ansicht  des 
Verfassers,  dass  Astyages  kein  Eigenname  gewesen,  nur  auf 
Irrtham  beruht,  so  mochte  ich  der  Conringschen  Ansicht, 
für  die  sogar  Andeutungen  im  Berossos  zu  sprechen  scheinen, 
den  Vorzug  geben.  Sicher  ist,  dass  nur,  wenn  man  die 
Identität  des  Belshazer  und  Evil-Merodach  festhält,  die  An- 
gaben im  Buche  Daniel  ohne  Willkür  mit  den  sonst  bekannten 
ausgeglichen  werden  können.  Endlich  isfc  noch  ein  dritter 
Prüfstein  für  die  orthodoxe  Exegese  da,  das  Buch  Jona.  Zu 
dessen  Beurtheilung  macht  der  Verfasser  auf  zweierlei  auf- 
merksam: 1)  ist  Ninive  nach  Jona  3,  3  drei  Tagereisen  gross; 
dies  ist  aber  nach  den  neuesten  Untersuchungen  ziemlich 
genau  der  Umfang  des  Städtecomplexes,  der  einst  Nipive 
gebildet  hat;  2)  ist  nach  statistischen  Berechnungen  die  auf 
einem  solchen  Terrain  wohnende  Menschenmenge,  unabhängig 
vom  Jonabuche,  auf  600000  Seelen  veranschlagt  worden: 
dieselbe  Zahl  aber  ergiebt  sich  aus  der  Bestimmung  4, 11, 
es  seien  in  Ninive  „mehr  denn  120000  Menschen^  die  nicht 
wissen  Unterschied,  was  rechts  oder  links  ist'',  d.  i«  Kinder 
unter  sieben  Jahren.  Bei  alledem  bedenke  man  aber,  dass 
an  der  ersten  Stelle  auf  die  Worte  „Ninive  aber  war  eine 
grosse  Stadt  Gottes,  drei   Tagereisen  gross"  in  Vers  4  un- 


NIEBÜHR,  GESCHICHTE  ASSÜRS  UND  BABELS.  SEIT  PHÜL.    143 

mittelbar  folgt:  „xxnd  da  Jona  anfing  hineinzugehen  eine 
Tagereise  in  die  Stadt,  predigte  er'';  es  liegt  s^onach  klar 
vor,  dass  der  Autor  die  drei  Tagereisen  als  die  Länge  der 
Stadt  im  Durchschnitt  von  einem  Ende  bis  zum  anderen 
angesehen  hat,  ein  Bedenken,  das  der  Verfasser  durch  seine 
sehr  gekünstelte  Erklärung  S.  277  f.  durchaus  nicht  hinweg- 
zuräumen im  Stande  gewesen  ist.  Die  Sache  sieht  ganz  so 
aus,  als  habe  der  Verfasser  des  Jonabuches  genaue  Angaben 
über  die  Grösse  von  Ninive  gehabt,  dieselben  aber  missver- 
standen  oder  übertrieben.  Immerhin  werden  die  Beobach- 
tungen des  Verfassers  bei  der  noch  streitigen  Frage,  ob  im 
Jonabuche  Niniye  die  alte  assyrische  Hauptstadt  und  nicht 
etwa  ein  verkapptes  Antiochien  ist,  in  Erwägung  gezogen 
werden  müssen.  —  Grundsätzlich  ausgeschlossen  hat  der 
Verfasser  die  Nachrichten  des  Etesias,  und  gewiss  musste, 
da  der  Grad  ihrer  Glaubwürdigkeit  so  sehr  bestritten  ist, 
dieses  behutsame  Verfahren  als  rathsam  erscheinen.  Die 
Beschränkung,  die  der  Verfasser  sich  selbst  auferlegt  hat, 
indem  er  die  Etesianische  Geschichtserzählung  in  einen  An- 
hang verweist,  ist  anerkennenswerth,  da  er  selbst  günstiger, 
aber  unserer  Ueberzeugung  nach  gerechter  über  Etesias 
urtheilt,  als  jetzt  meistentheils  über  ihn  geurtheilt  zu  wer- 
den pflegt.  Er  vergleicht  den  Ejiidischen  Geschichtsschreiber 
sehr  glücklich  mit  dem  Schotten  Bruce,  dessen  Nachrichten 
über  Abyssinien  wegen  mehrfacher  darin  enthaltener  unleug- 
barer Aufschneidereien  lange  Zeit  hindurch  im  äussersten 
Misscredit  standen,  bis  neuere  Entdeckungen  seine  Angaben 
im  Wesentlichen  bestätigten.  Diese  Parallele  trifft  recht 
eigentlich  den  Nagel  auf  den  Eopf.  Es  kommt  noch  etwas 
hinzu:  Etesias  hat  das  Unglück  gehabt,  dass  achtbare 
Gelehrte  der  neueren  Zeit  einen  unbegreiflich  unkritischen 
Gebrauch  von  seinen  Nachrichten  gemacht,  dass  sie  seine444 
Angaben  über  die  Eroberungen  von  Ninos  und  Semiramis 
snbtractis  subtrahendis  buchstäblich  genommen  und  ich  weiss 
nicht,  was  f&r  Gombinationen  darauf  gebaut  haben;  wie  in 
solchen  Fällen  oft,  hat  den  Missbrauch  seiner  Nachrichten 
der  Autor  selbst  entgelten  müssen.     Ich  denke  über  Etesias 


144  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

noch  viel  günstiger  als  der  Verfasser  und  finde  die  Beant- 
wortung der  Frage,  wie  er  für  die  Geschichte  zu  benutzen 
sei,  sehr  einfach,  wenn  man  nur  Folgendes  festhält:  1)  er 
folgt  einer  falschen  Chronologie:  wie  dieselbe  zu  berichtigen 
sei,  hat  im  Wesentlichen  J.  Brandis  gezeigt;  2)  er  hat  seine 
Nachrichten  über  Assyrien  aus  einer  medischen  Quelle; 
3)  diese  medische  Quelle  gab  die  Auffassung  des  Volkes  von 
seiner  eigenen  Geschichte  wieder,  enthielt  also  natürlich  in 
starker  Beimischung  Sage;*)  4)  eine  Folge  jener  volksthüm- 
liehen  Auffassung  war  u.  a.  die,  dass  alle  Eroberungen,  die 
assyrische  Könige  je  gemacht  hatten,  den  beiden  Reichs- 
gründern zugeschrieben,  die  Weichlichkeit  des  Hofes  in  der 
Zeit  des  Sinkens  in  der  Schilderung  des  letzten  Herrschers 
concentrirt  ward;  5)  jeder  assyrische  König  hatte  ausser 
seinem  Eigennamen  einen  bei  der  Thronbesteigung  an- 
genommenen officiellen  Namen,  in  ähnlicher  Weise  wie  die 
Pharaonen  ausser  dem  persönlichen  Namen  noch  den  mit 
suten-het  eingeleiteten,  die  Negus  von  Abyssinien  den  mit 
seghed  componirten,  die  muslimischen  Herrscher  den  Namen 
auf  ed-din  oder  ed-daula  führen:  diese  officiellen  Namen  ent- 
hielt die  Liste  des  Meders,  jedoch  meistentheils  in  iranischer 
üebersetzung;  6)  die  Liste  fasste  Könige,  die  einer  Gene- 
ration angehören  oder  wegen  Kürze  der  Regierung  oder 
Thatenlosigkeit  weniger  wichtig  sind,  gruppenweise  zusam- 
men, ganz  so,  wie  sich  dies  in  der  Arsakidenliste  des  Moses 
von  Chorene  zeigen  lässt,  wie  es  für  Manetho  neuerdings 
Brngsch,  Histoire  d'Egypte  S.  19  durch  die  Vergleichung  des 
Turiner  Königspapyrus  nachgewiesen  hat.  Wir  gedenken 
weiter  unten  an  einem  Beispiele  zu  zeigen,  wie  wichtig  An- 
gaben des  Ktesias  werden  können,  wenn  man  sie  unter  dem 
hier  entwickelten  Gesichtspunkte  auffasst:  Ignorirung  der- 
selben scheint  mir  ganz  ebenso  verwerflich  wie  üeber- 
schätzung.  —  Einen  weiteren  Beweis  seiner  Vorsicht,  dem 
Referent  von  ganzem  Herzen  beistimmt,  legt  der  Verfasser 
durch  das  gänzliche  Beiseitelassen  dessen  an  den  Tag,  was 

*)  [Vgl.    „Nene    Beiträge    zur    Geschichte    des    alten    Orients*' 
S.  112.    P.  R.] 


NIEBÜHE,  GESCHICHTE  ASSÜRS  UND  BABELS  SEIT  PflüL.    145 

man  Entzifferang  der  assyrisclien  Eeilinscbriften  zu  nennen 
beliebt.  Die  HofiGaung^  dass  man  die  ungewöhnlichen 
Schwierigkeiten  aller  Art,  mit  denen  diese  Untersuchung 
behaftet  ist,  so  zu  sagen  im  Sturm  werde  überwinden  und 
sofort  Resultate  von  der  grössten  Tragweite  erzielen  können, 
theilen  jetzt  ausser  in  England  wohl  nur  sehr  Wenige:  jeder 
Einsichtsvolle  muss  sich  sagen,  dass  (um  in  dem  Gleichnisse 
zu  bleiben)  nur  auf  dem  Wege  einer  langwierigen  und  für 
das  grosse  Publicum  langweiligen  Belagerimg  ein  sicherer 
Boden  gewonnen  werden  kann.  Das  Interesse  für  die  Be- 
lagerer ist  ganz  unleugbar  geschwunden;  wir  denken,  zum 
Glück  f&r  die  Sache  selbst,  der  die  Sucht  zu  blenden  mehr 
geschadet  hat  als  irgend  etwas  Anderes.  —  Im  Vorworte 
S.  IV  berührt  der  Verfasser  kurz  die  Bereicherung,  welche 
unsere  Kenntnisse  von  Babylonien  durch  die  Veröffentlichung 
der  nabatäischen  Landwirthschaft  zu  erwarten  haben,  und445 
spricht  sich  sehr  besonnen  darüber  aus,  nüchterner  als 
manche  Andere  (zu  denen  sich  leider  auch  Referent  selbst 
zahlen  muss*)),  durch  die  überschwänglichen  Verheissungen 
des  künftigen  Herausgebers  verleitet,  es  gethan  haben.  Hätte 
der  Verfasser  ahnen  können,  welchen  literarischen  Wechsel- 
balg Chwolsohns  vorläufige  Auszüge  uns  enthüllen  würden, 
so  würde  er  seine  sehr  bescheidenen  Erwartungen  vermuth- 
lich  noch  mehr  herabgestimmt  haben.  ^ 

So  viel  über  die  Benutzung  der  Quellen.  Von  S.  18 
folgen  nun  mehrere  vorbereitende  Untersuchungen,  zunächst 
eine  Betrachtung  der  Unterthänigkeitsverhältnisse  im  Orient, 
in  der  die  Verschiedenheit  orientalischer  und  occidentalischer 
Staatszustände  scharf  betont  wird.  Dieser  Abschnitt  ist  ganz 
vortrefflich  und  zeugt  von  grosser  Sachkenntniss:  die  Er- 
fahrungen des  Grossvaters  kamen  hier  dem  Enkel  zu  Gute. 
Nicht  eben  solches  Lob  können  wir  dem  nächsen  Abschnitte 
„Die  Eönigsnamen'^  ertheilen;  denn  hier  treffen  die  beiden 
Hauptmängel  des  Buches,  die  Lust  zu  schematisiren  und  die 
Liebhaberei  für  Etymologien,  zusammen.     Sehr  müssig  sind 

•)  [Vgl.  „Beiträge  zur  Geschichte  des  alten  Orients"  S.  62.    F.  R.] 
•*).[Vgl.  den  XVI.  Abschnitt  dieses  Bandes.    F.  R.J 

T.  GuTscHMiD,  Kleine  Schriften.    II.  10 


146  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

namentlich  die  Speculationen  über  die  Doppelnamen  der  as- 
syrischen Könige.  Dass  solche  geführt  worden  sind,  darüber 
lässt  weder  der  offenbare  Augenschein  noch  die  Analogie 
aller  anderen  orientalischen  Fürsten  den  geringsten  Zweifel: 
gegen  die  Identität  von  Samuges  und  Saosduchinos^  von 
Sardanapallos  und  Eineladanos  zu  protestiren^  beweist  nicht^ 
dass  der  Zweifler  ein  vorsichtiger  Kritiker,  sondern  nur,  dass 
er  mangelhaft  unterrichtet  ist.  Allein  damit  ist  noch  nicht 
gesagt,  dass  wir  schon  jetzt  den  persönlichen  Namen  und 
den  Thronnamen  sicher  auseinander  halten  könnten:  so  weit 
sind  wir  noch  lange  nicht,  und  der  Verfasser  widerspricht 
durch  diese  Voraussetzung  seiner  eigenen,  ganz  richtigen 
Ansicht  über  den  Stand  der  Keilschriftentzifferung;  auch 
sollten  offenbare  Irrthümer,  wie  der  Herodots  über  den 
älteren  Labynetos,  worunter  er  den  Nebukadnezar  meint, 
auf  diesem  Wege  nicht  wegerklärt  werden,  wie  dies  S.  30 
geschehen  ist. 

Was  von  S.  46  an  über  die  Zeitbestimmungen  gesagt 
wird,  ist  offenbar  das  Resultat  gewissenhaftester  Erwägung 
und  solider  Forschung.  Doch  müssen  wir  mehrere  Einwände 
dagegen  erheben,  vor  Allem  einen  principiellen  von  tief  ein- 
schneidender Natur.  Niebuhr  der  Vater  hat  öfters  die  An- 
sicht ausgesprochen,  aber  soviel  ich  weiss  immer  nur  bei- 
läufig und  ohne  Beweis,  der  Orient  postdatire  in  der  Zählung 
der  Begierungsjahre,  d.  h.  um  die  Erklärung  Niebuhrs  des 
Sohnes  zu  geben:  „als  das  erste  Regierungsjahr  eines  Königs 
wird  dasjenige  Jahr  gerechnet,  bei  dessen  Anfang  dieser 
König  auf  dem  Throne  sass;  als  das  letzte  dasjenige  vor 
dessen  Ende  der  König  starb  oder  entsetzt  wurde.^^  Herr 
V.  Niebuhr  hat  diese  Ansicht  des  Vaters  zu  der  seinigen 
gemacht;  was  er  dafür  S.  53ff.  anführt,  ist  Folgendes:  1)  der 
allgemeine  Gebrauch  bei  den  amtlichen  Datirungen  im  Orient; 
2)  die  ausschliessliche  Zweckmässigkeit  dieses  Gebrauches; 
die  Antedatirung  sei  so  widersinnig,  dass  sie  nur  bei  den 
Aegyptem  begreiflich  sei,  die  alles  anders  gemacht  hätten 
446als  andere  Menschen.  „Man  denke  sich  nur'^,  sagt  der  Ver- 
fasser, „die  Zweifel,  welche  da,  wo  keine  fortlaufende  Aera 


NIEBÜHR,  GESCHICHTE  ASSÜRS  UND  BABELS  SEIT  PHUL.     147 

ZOT  Controle  dient,  bei  jedem  Regierungswechsel  für  die 
Nachwelt  entstehen:  man  hat  Urkunden  aus  einem  und 
demselben  Jahre,  welche  zwei  verschiedene  Data  tragen 
(denn  der  Eonig,  der  in  dem  Jahre  gestorben,  muss  doch 
seine  Urkunden  noch  mit  seinem  —  präsumptiven  —  Re- 
gierungsjahre bezeichnet  haben),  und  nun  gar  die  Verwirrung, 
wenn  in  einem  Jahre  3 — 4  Könige  aufeinander  gefolgt  sind. 
Umdatiren  kann  man  doch  nicht  alle  Urkunden,  von  denen 
viele  ja  aus  dem  Archiv  herausgegangen  waren/'  Also  der 
Verfasser  meint:  wenn  z.  6.  Xerxes  II.  am  Anfang  des  Jahres 
auf  dem  Throne  sass,  Sogdianos  ihn  todtschlägt  und  König 
wird,  dann  hätten  seine  Secretäre  eine  Urkunde,  in  der  etwa 
die  Hinrichtung  der  Anhänger  des  Xerxes  befohlen  ward,  so 
überschrieben:  „Im  ersten  Jahre  des  Xerxes,  Königs  der 
Könige,  befiehlt  Sogdianos,  König  der  Könige^'  u. s.w.  u. s.  w.? 
hätten  dadurch  die  Rechtmässigkeit  der  gestürzten  Regierung 
anerkannt?  hätten  ein  erstes  Jahr  des  todten  Xerxes  gezählt, 
wo  sie  ganz  gewiss  wussten,  dass  kein  zweites  folgen  würde? 
In  der  That,  dazu  gehört  ein  starker  Glaube;  so  etwas  ist 
im  Orient  noch  weniger  als  bei  uns  möglich.  Vernünftiger- 
weise sind  nur  zwei  ofQcielle  Datirungs weisen  denkbar:  ent- 
weder der  König  rechnet  als  sein  erstes  Jahr  das  Jahr  vom 
Tage  seiner  Thronbesteigung  bis  zur  Wiederkehr  dieses  Tages 
im  nächsten  Jahre,  ohne  auf  das  Kalenderjahr  Rücksicht  zu 
nehmen:  diese  an  sich  einfachste  Datirungsweise  ist  wohl 
überall  da  zu  Hause,  wo  seit  lange  eine  feste  Aera  herrscht 
und  es  im  gewöhnlichen  Leben  Niemandem  einfällt,  nach 
Jahren  der  Könige  zu  rechnen.  Die  zweite  Datirungsweise 
ist  die,  deren  bekanntestes  Beispiel  im  Ptolemäischen  Kanon 
vorliegt  und  die  der  Verfasser  ohne  jeden  Grund  die  ägyp- 
tische neibit:  der  neue  König  rechnet  als  sein  erstes  Jahr 
das  Kalenderjahr,  in  welchem  er  den  Thron  besteigt,  als  sein 
zweites  das  nächste  Kalenderjahr,  und  so  fort.  In  Ländern, 
wo  es  keine  Aera  giebt  als  die  des  jedesmaligen  Königs, 
ist  diese  Datirungsweise  die  natürlichste  und  für  die  Mitwelt 
gewiss  die  allein  praktische.  Die  Rücksicht  auf  die  Nach- 
welt konnte  doch   erst   in  zweiter  Linie   massgebend    sein; 

10* 


148  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

und  auch  für  diese  war  diese  Antedatiruug  verständlicher; 
als  irgend  eine  andere  Datirangsweise:  man  brauchte  nur 
das  letzte  unvollendete  Jahr  jedes  Königs  wegzulassen  und^ 
was  die  logische  Consequenz  dieser  Rechnungsweise  ist^  alle 
Regierungen^  die  das  Ende  des  Kalenderjahres  nicht  erreichten, 
zu  ignoriren,  so  hatte  man  eine  Zeitreihe ;  die  an  Exactheit 
nichts  zu  wünschen  übrig  liess.  Und  der  Ptolemäische  Kanon 
lässt  auch  wirklich  nichts  zu  wünschen  übrig.  Der  vom  Ver- 
fasser zu  sehr  betonte  Uebelstand  mit  den  ephemeren  Re- 
gierungen war  doch  nur  secundärer  Natur  und  leicht  zu 
heben y  wenn,  was  ja  selbstverständlich  ist,  im  Archiv  aus- 
führlichere Königslisten  vorlagen,  in  denen  die  Yertheilung 
der  Jahre  anter  die  verschiedenen  Könige  nach  Monaten  und 
Tagen  angegeben  war.  Eine  dritte  Berechnungs weise  ist  die 
von  den  meisten  Chronographen,  auch  von  den  Epitomatoren 
des  Manetho  befolgte,  die  überschüssigen  Monate  und  Tage, 
447je  nachdem  sie  mehr  oder  weniger  als  die  Hälfte  des  Jahres 
betrugen,  einem  Jahre  gleichzusetzen  oder  ganz  wegzulassen. 
Dieses  Verfahren  ist  nur  bei  Königslisten,  welche  die  ab- 
soluten Zahlen  ohne  Rücksicht  auf  das  Kalenderjahr  geben, 
anwendbar  und  erfordert  auch  da  noch  grosse  Vorsicht  und 
Genauigkeit;  von  ungeschickten  Händen  auf  antedatirende, 
der  Ueberschüsse  noch  nicht  entledigte  Listen  übertragen, 
richtet  es  nur  Verwirrung  an.  Es  kann  in  vielen  Fällen 
mit  dem,  was  der  Verfasser  Postdatirung  nennt,  zusammen- 
fallen: eine  wirkliche  Postdatirung  hat  nie  ezistirt. 
Niebuhr  der  Vater  scheint  durch  die  Beschäftigung  mit  den 
Listen  der  Diadochenkönige  bei  Porphyrios  sich  seine  Theorie 
von  der  Postdatirung  gebildet  zu  haben;  allein  die  Zeit- 
angaben des  Porphyrios  sind  von  ihm  und  Anderen  merk- 
würdig überschätzt  worden,  ein  chronologisches  Princip  ist 
unmöglich'  in  ihnen  nachzuweisen,  nur  nachlässige  Anwendung 
der  chronographischen  Datirungsweise :  seine  Daten  nach 
Olympiadenjahren  schlagen  den  nach  der  Seleukidenaera 
datirten  Münzen,  dem  Kanon  des  Ptolemäos,  den  Angaben 
des  Polybios  und  des  ersten  Makkabäerbuches  so  ununter- 
brochen ins  Gesicht,   dass  man  den  auch  jetzt  noch  z.  B. 


NIEßUHE,  GESCHICHTE  ASSÜRS  UND  BABELS  SEIT  PHUL.    149 

Yon  Karl  Müller  wiederholten  Versuch,  die  Chronologie  jener 
Reiche  daxanf  zu  basiren,  nur  aus  dem  Gewicht  der  von 
Scaliger  und  Niebuhr  abgegebenen  günstigen  Voten  erklären 
kann:  die  Fehlerweite  beträgt  nicht  etwa  bloss  ein,  sondern 
zwei,  ja  drei  Jahre,  bald  nach  oben,  bald  nach  unten.  Wir 
sehen  hier  wieder  einmal  recht^  wie  misslich  es  ist,  a  priori 
Theorien  aufzustellen,  die  für  den  einzelnen  Fall  massgebend 
sein  sollen:  der  Verfasser  hat  sich  gewiss  bestrebt,  dabei 
objectiv  zu  verfahren,  und  doch  können  wir  ihm  den  Vor- 
warf einseitiger  Betrachtung  nicht  ersparen.  Was  er  an 
erster  Stelle  über  den  angeblich  allgemeinen  Gebrauch  der 
Postdatirung  im  Orient  sagt,  ist  mir  ganz  unbegreiflich:  ich 
habe  mich  gerade  mit  den  Eönigslisten  des  Orients  (nicht 
bloss  des  vorislamischen)  dauernd  beschäftigt,  aber  nie  die 
leiseste  Spur  davon  entdeckt,  im  Gegentheil  kann  ich  den 
umfassendsten,  vielleicht  sogar  allgemeinen  Gebrauch  der 
Antedatirung  gerade  in  der  classischen  Zeit  im  Orient  nach- 
weisen. Die  alezandrinischen  Eaisermünzen  sind  bekannt 
genug;  man  vergisst  aber,  dass  die  kappadokischen  genau 
ebenso  rechnen,  nur  dass  bei  ihnen  nicht  der  erste  Thoth, 
sondern  der  erste  Artania  bestimmend  ist:  ohne  Zweifel 
rechneten  schon  die  kappadokischen  Eonige  so  und,  da  der 
kappadokische  Ealender  den  Persem  entlehnt  ist,  doch  wohl 
auch  wenigstens  die  späteren  Achämeniden.  Von  den  Sasa- 
niden  hat  es  St.  Martin  in  seinem  letzten  und  reifsten  Werke, 
der  Bearbeitung  von  Lebeaus  Histoire  du  bas-empire,  er- 
wiesen und  gezeigt,  daäs  die  in  den  ältesten  Quellen  ange- 
gebenen überschüssigen  Monate  und  Tage  bei  den  Regierungs- 
zahlen nicht  etwa  die  Differenz  zwischen  Erönungstag  und 
Todeiltag,  sondern  die  Zeit  bezeichnen,  welche  vom  Neujahr 
des  Kalenderjahres,  in  welchem  der  Eönig  starb,  bis  zum 
Todestage  verflossen  ist:  dass  folglich  in  der  Zeitreihe  alle 
überschüssigen  Monate  und  Tage  unberücksichtigt  bleiben 
müssen.  So  lange  man  das  wusste,  war  die  Zeitrechnung 
von  preiswürdiger  Exactheit  und  dem  oben  berührten  Uebel-448 
stände,  die  ephemeren  Regierungen  betreffend,  war  auf  die 
einfachste  Weise  von  der  Welt  abgeholfen.     Gerieth  aber  das 


150         EECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

Verständniss  dieser  so  praktischen  Methode  in  Vergessenheit, 
60  war  freilich  der  ärgsten  Verwirrung  Thür  und  Thor  ge- 
öffnet: die  orientalischen  Bearbeiter  der  Sasanidenzeit  haben 
es  accurat  so  gemacht  wie  Eusebios  und  andere  christliche 
Chronographen.      Dasselbe   antedatirende   Princip   habe   ich 
ferner  in  den  Angaben  des  Josephos  über  die  Regierungs- 
jahre   der   Hasmonäer   und  Herodianer   entdeckt   und   muss 
ihn  wenigstens  für  diese  Periode  von  dem  so  oft  erhobenen 
Vorwurf  chronologischer  Unzuverlässigkeit  völlig  freisprechen : 
als  erstes  Jahr  jedes  Fürsten  ist  das  mit  dem  ersten  Nisan 
beginnende  Kalenderjahr  gerechnet,  im  Laufe  dessen  er  die 
Regierung  antrat;    das   letzte   unvollendete  Jahr  ist  immer 
mitgerechnet,  also  in  der  Zeitreihe  abzuziehen;  wo  er  Monate 
angiebt,  wie  bei  den  Regiemugen  des  Aristobulos  IL  und 
des  Antigonos  in  der  Hohenpriesterliste,  drücken  diese  die 
Zeit  aus,  die  sie  vom  letzten  unvollendeten  Jahre  wirklich 
regiert  haben.    Ebenso  wie  die  Juden  haben  femer  auch  die 
Syrer   antedatirt,   wie   die   antiochenischen   Münzen   lehren. 
Die   Antedatirung   ist    aber   überhaupt    nichts    weniger    als 
etwas  den  orientalischen  Reichen  Eigenthümliches:  die  römi- 
schen Kaiser  rechnen  von  Antoninus  Pius  an  die  Jahre  der 
tribunicia  potestas  antedatirend,  nur  dass  hier  das  Neujahr 
am  ersten  Januar  massgebend  ist;  und  Eckhel,  der  dies  zu- 
erst nachgewiesen  hat,  erinnert  D.  N.  V.  VIII  p.  448  passend 
daran,  dass  die  römischen  Kaiser  deutscher  Nation  in  der 
Zählung  ihrer  Jahre  genau  ebenso  verfahren  sind,  von  Karl 
dem   Grossen   bis   auf  Lothar  IL     Jene   andere   Rechnung, 
welche  die  Regierungsjahre  vom  Tage  der  Thronbesteigung 
an  zählt  und  somit  vom  Kalenderjahre  vollkommen,  losreisst, 
findet  sich  bei  den  Kaisern  vor  Antoninus  Pius  und;  soviel 
mir  bekannt  ist,    bei    sämmtlichen   mohammedanischen  Dy- 
nastien; eine  dritte  darf  bis  auf  Weiteres  geleugnet  werden. 
Wir  können  also  alle  Schlüsse,   die   der  Verfasser  auf  die 
vermeintliche  Postdatirung  gebaut  hat,  bei  Seite  lassen,  vor 
Allem    die  wunderliche  Vermuthung,    dass   uns    durch   Um- 
schreibung der  ursprünglich  postdatirenden  Königsliste  des 
Kanons  nach  antedatirendem  Princip  ein  Jahr  des  Kambyses, 


NIEBUHR,  GESCHICHTE  ASSÜRS  UND  BABELS  SEIT  PflüL.    151 

mit  Aristophanes  zu  sprechen^  ans  der  Weltgeschichte  heraus- 
genagt worden  sei.  —  Ein  anderer  sehr  bedenklicher  Satz 
des  Verfassers  ist  der^  dass  es  bei  den  Zahlen  der  Chrono- 
graphen nicht  auf  die  absoluten  Data,  sondern  nur  auf  die 
Distanzen  ankomme;  er  kommt  öfters  darauf  zurück  (vgl. 
namentlich  S.  361  Anm.),  macht  indess,  ausser  in  einem 
einzigen  Falle ,  keinen  ungemessenen  Gebrauch  yon  dieser 
Theorie:  es  leuchtet  ein,  dass,  wenn  diese  Geltung  erlangte, 
man  aus  allem  alles  machen  konnte;  denn  welches  Inter- 
vall das  massgebende  sein  soll,  bleibt  ja  immer  subjectivem 
Ermessen  anheimgestellt.  Die  Schwierigkeit  der  Berechnung 
der  Mederherrschaffc  bei  Herodot  hat  der  Verfasser  auf  diesem 
Wege  zu  heben  gesucht,  wie  mir  scheint,  sehr  ungläcklicb. 
Er  kehrt  nämlich  zu  der  alten  irrigen  Erklärung  von  xagl^ 
rj  oöov  zurück  und  addirt  die  28  Jahre  der  Skythenherrschaft 
zu  den  128  der  Meder;  die  53  Jahre  des  De'iokes,  den  er449 
wie  sein  Vater  für  eine  mythische  Person  hält,  erklärt  er 
8.  70  f&r  das  Ergebniss  einer  Subtraction  der  97  Jahre  der 
drei  letzten  Mederkönige  von  der  runden  Summe  150  (statt 
der  genaueren  156).  Grammatisch  ist  die  Sache  durch 
J.  Brandis  ins  Reine  gebracht  worden,  sachlich  wenigstens 
insoweit,  als  er  nachgewiesen  hat,  dass  die  128  Jahre  der 
medischen  Hegemonie  von  Phraortes  an  zu  rechnen  sind 
(Rerum  Assyriarum  tempora  emendata  S.  6ff.);  der  Ruhm  der 
richtigen  Einsicht  in  Bezug  auf  den  Sitz  des  Fehlers  gebührt 
C.  G.  Zumpt  (Annales  S.  6):  die  Regierungsjahre  des  Deiokes 
und  Phraortes  sind  vertauscht  worden:  35  Jahre  des  Astyages 
+  40  des  Kyaxares  +  53  des  Deiokes  =  128,  statt  35  -f  40 
+  22  des  Phraortes  =  97.  Diese  Lösung  ist  wohl  nur  des- 
wegen ganz  unbeachtet  geblieben,  weil  Zumpt  aus  ihr  die 
falsche  Oonsequenz  zog,  die  Jahre  des  Deiokes  und  des 
Phraortes  müssten  im  Texte  Herodots  umgestellt  werden; 
es  ist  vielmehr  an  der  Stelle  I,  130  ein  Versehen  des 
Geschichtsschreibers  anzunehmen.*)  —  Von  einzelnen  Zeit- 
bestimmungen,   gegen    die    sich    begründete   Einwendungen 

*)   [Vgl-    «Nene    Beiträge    zur    Geschichte    des    alten    Orients" 
S.  87  f.    F.  R.] 


152  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

erheben  lassen ,  heben  wir  nur  zwei  hervor.  Der  Verfasser 
setzt  nach  alter  Weise  die  Sonnenfinsterniss  des  Thaies 
610  Y.  Ch.  Zech  hatte  bekanntlich  zu  zeigen  gesucht,  dass 
die  des  Jahres  610  am  Orte  des  Schlachtfeldes  gar  nicht 
total  gewesen  sei,  sondern  dass  nur  die  des  Jahres  585 
gemeint  sein  könne,  f&r  die  auch  das  einzige  ein  bestimmtes 
Jahr  nennende  Zeugniss  des  Alterthums,  das  des  Plinius, 
spricht.  Später  wies  indess  Hansen,  auf  eine  Vervollkomm- 
nuDg  der  astronomischen  Kenntnisse  fussend,  nach,  dass  bei 
dem  Mangel  einer  genaueren  Bestimmung  der  Localitat  des 
Schlachtfeldes  die  Sonnenfinsterniss  des  Jahres  610  zuge- 
lassen werden  könne.  Obgleich  die  Frage  hiemach  eine 
noch  offene  ist,  so  hat  man  doch,  wie  es  immer  zu  geschehen 
pflegt,  wo  es  sich  um  eine  in  die  Schulbücher  und  damit 
so  zu  sagen  in  Fleisch  und  Blut  übergegangene  Angabe 
handelt,  mit  beiden  Händen  die  Gelegenheit  ergriffen,  das 
aufgezwungene  Datum  585  damit  als  beseitigt  zu  betrachten 
und  zur  alten  Lieblingsmeinung  zurückzueilen,  ohne  sich  zu 
fragen,  ob  denn  Herodots  Erzählung  auch  wirklich  das 
Datum  610  so  absolut  yerlange.  Diese  ist  in  der  That  mit 
dem  einen  so  unvereinbar  wie  mit  dem  andern,  sondern  ver- 
trägt sich  streng  genommen  nur  mit  der  Finsterniss  des 
Jahres  597,  die  aber  aus  astronomischen  Gründen  unzulässig 
ist:  1)  Herodot  setzt  die  Vertreibung  der  Skythen  durch 
Eyaxares  in  das  Jahr  607;  eine  Horde  derselben  tritt  in 
die  Dienste  des  Siegers,  flieht  aber  wegen  eines  Verbrechens 
auf  lydisches  Gebiet:  der  ihr  gewährte  Schutz  führt  zu  einem 
fünfjährigen  Kriege  mit  Alyattes,  der  im  sechsten  Jahre 
durch  die  Sonnenfinsterniss  beendigt  wird,  also  602  oder 
601  frühestens;  2)  sieht  man  von  der  nicht  unbedenklichen 
Chronologie  der  Skythenherrschaft  ganz  ab,  so  bleibt  doch 
das  Datum  der  Einnahme  von  Ninive  607  stehen:  nach  der 
hierin  ganz  unverdächtigen  Angabe  des  Etesias  und  anderen 
Indicien  beherrschten  die  Assyrer  Eappadokien  bis  zur  Zer- 
störung von  Ninive;  vorher  grenzten  Meder  und  Lyder  gar 
nicht  aneinander,  zu  einem  kriegerischen  Zusammenstosse  war 
450also  kein  Anlass;   3)  den  Frieden  vermittelt  der  Vater  des 


NIEBUHR,  GESCHICHTE  ASSUBS  UND  BABELS  SEIT  PHUL.    153 

Labynetos  und  Gemahl  der  Nitokris;  Herodot  giebt  ihm 
zwar  den  falschen  Nambn  Labynetos  I.;  es  unterliegt  aber 
keinem  Zweifel,  dass  Nebukadnezar,  der  Gemahl  der  Amyite, 
gemeint  ist,  der  erst  605  den  Thron  bestieg.  Auf  ein  viertes 
Argument  will  ich  weniger  Gewicht  legen ,  auf  die  Yerbin- 
dungy  in  welche  Thaies  mit  dem  Ereignisse  gebracht  wird. 
Thaies  gehört  zu  den  wenigen  griechischen  Philosophen,  über 
deren  Lebensalter  keine  nennenswerthen  Abweichungen  vor- 
kommen: es  herrscht  Uebereinstimmung  darin,  dass  er  547 
in  einem  Alter  von  91  Jahren  (daneben  findet  sich  die  An- 
gabe von  78  Jahren)  gestorben  ist.  Er  wäre  also,  auch 
nach  dem  höchsten  Ansätze  des  ApoUodor,  der  ihn  640  v.  Gh. 
geboren  sein  liess,  zur  Zeit  als  er  die  Sonnenfinsteruiss  im 
Voraus  ankündigte,  ein  junger  Mann  von  29  Jahren  gewesen, 
was  unglaublich  ist,  ganz  abgesehen  von  dem  Zeugniss  des 
Themistios,  dass  er  dies  in  seinem  Alter  that.  In  diesem 
Falle  muss  man  also  mit  Grote  die  ganze  Erzählung  für  ein 
Märchen  erklären.  Was  aber  die  drei  anderen  Punkte  be- 
trifft, so  frage  ich  jeden,  was  kritischer  ist:  eine  Ver- 
wechselung des  Eyaxares  und  Astyages  bei  Herodot  anzu- 
nehmen und  an  dem  aus  dem  Alterthum  überlieferten  Datum 
585  festzuhalten,  oder  sich  eine  Kette  von  Widersprüchen 
bei  Herodot  gefallen  zu  lassen  und  diese  durch  eine  Kette 
schlechter  Hypothesen  zu  heben?  Durch  die  Entdeckung 
der  Sculpturen  von  Boghasköi  ist  der  Ort  des  Schlachtfeldes 
ermittelt;  es  wäre  dringend  zu  wünschen,  dass  ein  Astronom 
auf  Grund  unseres  verbesserten  geographischen  und  astro- 
nomischen Wissens  die  Frage  einer  Revision  unterzöge  und 
endlich  zu  einer  definitiven  Erledigung  brächte.*)  —  Der 
zweite  Einwurf  betrifft  die  Beibehaltung  der  55  Jahre  des 
Manasse.  Die  Sache  ist  jetzt  durch  eine  Inschrift  und  die 
stärksten  Beweise  aller  Art  so  gänzlich  abgethan,  dass  es 
nicht  nöthig  ist,  darauf  zurückzukommen;  der  Verfasser  selbst 
hat  sich  dem  Gewicht  der  gegen  die  55  Jahre  entscheidenden 
Gründe  nicht  zu  entziehen  vermocht  und  giebt  S.  458  ff.  die 
Aenderungen  an^  denen,  wenn  die  Gegner  Recht  haben 
*)  [Vgl  Bd.  I  S.  808.    F.  E.] 


154  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

sollten,  seine  Zeittafel  unterliegen  würde.  Doch  betrachtet 
er  dies  als  eine  verzweifelte  Lage  der  Dinge  und  meint 
S.  459:  „aber  die  Coincidenz  der  Nachrichten  des  alten 
Testaments  über  Marudachpaldan  ^  sowie  derjenigen  des 
Berossos  über  Sancheribs  Eroberung  Babels ,  Belib  u.  s.  w. 
mit  dem  Kanon  aufzugeben,  dagegen  sträubt  sich  jede  Fiber/' 
Die  Schwierigkeiten  beruhen  in  der  That  nur  in  der  Ein- 
bildung des  Verfassers,  ich  verweise  deshalb  auf  meine  Bei- 
träge S.  115,  wo  ich  gezeigt  zu  haben  hoffe,  in  wie  treff- 
licher Harmonie  sich  alle  Zeugnisse  mit  der  berichtigten 
Synchronistik  befinden.  Das  einzige,  was  aufgegeben  werden 
muss,  ist  die  Identificirung  des  "Ekißoq  und  Bi^Xißog,  die  an 
sich  schon  misslich  genug  ist*);  sind  aber  die  Aushülfen,  zu 
denen  die  alte  Chronologie  zwang,  die  Verdoppelung  des 
Merodach-Baladan,  die  Identificirung  des  ersten  Eroberers 
Phul  mit  dem  letzten  Könige  der  älteren  assyrischen  Dy- 
nastie, unter  dem  das  Reich  zerbröckelte,  etwa  keine  Schwierig- 
keiten? Wie  schwer  es  doch  sein  muss,  sich  von  eingerosteten 
Vorurtheilen  loszumachen,  wenn  selbst  ein  sonst  so  unbe- 
46ifangener  Forscher  wie  der  Verfasser  die  dringend  gebotene 
Verbesserung  nicht  zu  der  seinigen  zu  machen  gewagt  hat! 
Den  Ruhm  grosser  Vorsicht  hat  er  aber,  wie  man  sieht, 
auch  hier  nicht  verleugnet;  die  Wahrheit  zu  finden,  ist  ihm 
immer  höchster  Zweck,  dem  er  persönliche  Wünsche  auch 
dann  aufopfert,  wenn  es  mehr  als  blosse  Grillen  sind. 

Die  eigentliche  Geschichtserzählung  (S.  133 ff.)  macht  aus 
diesem  Grunde  einen  sehr  vortheilhaften  Eindruck.  Niemand 
ist  entfernter  davon  als  der  Verfasser,  sogenannten  ;,  An- 
schauungen'^ zu  Liebe  gut  bezeugte  Nachrichten  über  Bord 
zu  werfen:  eine  Enthaltsamkeit,  die  um  so  grösseres  Lob 
verdient,  je  seltener  sie  bei  Forschem  gerade  auf  diesem 
Gebiete  anzutreffen  ist.  Mitunter  ist  der  Verfasser  vielleicht 
etwas  zu  ängstlich,  so  z.  B.  wenn  er  aus  den  Worten  Hero* 
dots,  die  Meder  hätten  sich  zuerst  unter  allen  Völkern  gegen 
die  Assyrer  empört,  den  Schluss  zieht,  es  müsse  dies  vor 
Nabonassar   geschehen   sein:   aus   dem   Zusammenhange  der 

*)  [Vgl.  unten  S.  167.    F.  R.] 


NIEBUHE,  GESCHICHTE  ASSÜRS  UND  BABELS  SEIT  PHÜL.    155 

Herodotischen  Chronologie  ergiebt  sich  das  Datum  736^  und 
die  üngenauigkeit  erklärt  sich  daraus,  dass  Babylonien  nach 
kurzer  Unabhängigkeit  Yon  Sargon  wieder  unterworfen  wurde^ 
ferner  aus  dem  Verschwimmen  der  Namen  Assyrien  und  Ba- 
bylonien bei  Herodot;  endlich  daraus,  dass  er  an  jener  Stelle 
hauptsächlich  Lydien  im  Auge  haben  mochte,  das  erst  717 
frei  ward.*)  Ein  weiterer  Vorzug  der  Darstellung  des  Ver- 
fassers ist  der  sichere  Blick,  den  er  überall  an  den  Tag  legt, 
und  das  seltene  Talent,  oft  mit  einem  treffenden  Worte 
verwickelte  Verhältnisse  klar  zu  machen;  ich  berufe  mich 
beispielsweise  auf  die  S.  122  gegebene  Definition  der  28 jäh- 
rigen Skythenherrschaft  als  des  Ruhens  des  medischen  Prin- 
cipats  über  Oberasien.  Störend  ist  die  Beibehaltung  der 
wenig  gegründeten  Hypothese  Niebuhrs  des  Vaters ,  dass 
Deiokes  und  Astyages  Dynastienamen  sein  sollen.  Allein 
^riXoxriQ  ist,  wie  Lassen,  Ind.  Alterth.  I  S.  517  [S.  619  der 
2.  Aufl.]  bemerkt,  ein  altpersisches  Däj'aka**)]  in  Aöxvayifiq 
haben  die  Armenier  den  aus  Persien  in  ihre  einheimischen 
Sagen  übergegangenen  Afdähak  wiedererkannt  und  demgemäas 
übersetzt,  ob  mit  Recht,  ist  sehr  die  Frage:  sie  haben  auch  in 
^j^^a^BQ^fig  {Artakhsathra)  den  einheimischen  Königsnamen 
Artashes  wiedererkannt  und  zwar  sicher  falsch,  da  dieser  von 
den  Griechen  durch  ^Agta^laq  wiedergegeben  wird,  also  früher 
Artakhsaya  gelautet  haben  muss.  Doch  gesetzt  selbst  jene 
Gleichsetzung  mit  Agi  Dahäka  wäre  richtig,  so  ist  doch 
weder  der  unpersönliche  Charakter  des  Namens  noch  seine 
Identität  mit  Däjaka  erwiesen.^)  Was  Niebuhr  den  Vater 
auf  die  Vermuthung  brachte,  war  der  Umstand,  dass  einmal 
in  der  armenischen  Uebersetzung  der  Berossischen  Auszüge 

*}  [^g^-  »»Neue  Beiträge  zur  Geschichte  des  alten  Orients" 
S.  89  f.    F.  R.] 

**)  [Vgl-    »Neue    Beiträge    zur    Geschichte    des    alten    Orients** 
S.  87.  95  £F.    F.  R.] 

1)  Noch  viel  weniger  darf  der  Arphaxad  des  Buches  Judith  in 
einen  etymologischen  Zusammenhang  mit  Äjfdahak  gebracht  und  daraus 
ein  neuer  Beweis  für  den  unpersönlichen  Charakter  des  Namens  her- 
genommen werden  (dies  thut  der  Verfasser  8.  82):  Arphaxad  ist  gewiss 
blosse  Verdrehung  von  Arbakes  mit  Bezugnahme  auf  Gen.  10,  22, 


156 


RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 


des  Easebios  Afdähak  steht^  wo  Ejftxares  gemeint  sein  muss. 
Aber  diese  Schwierigkeit  lässt  sich  durch  Aendemng  eines 
einzigen  Buchstaben  heben:  im  Original  war  *A6tvaYriq  yer- 
4628chrieben  für  ^ActvagriSy  eine  Form^  die  zwischen  der  Ete- 
sianischen  ^A^tißaQuig  und  der  hebräischen  ^AcvtjQog  (im  Buche 
Tobit)  die  Mitte  hält  und  dem  ursprünglichen  Uvakhsatara 
etwa  ebenso  nahe  kommt  wie  Kva^äifrig.  —  Wohl  das  Wich- 
tigste in  der  eigentlichen  Geschichtserzählung  ist  die  An- 
nahme einer  medischen  Oberherrschaft  über  Babylon  und 
die  dadurch  yeränderte  Gesammtanschauung  der  Greschichte 
dieser  Zeiten.  Es  ist  dies  keine  blosse  Hypothese^  sondern 
sie  stützt  sich  auf  positive  Zeugnisse ,  die  man  nur  bisher 
unterschätzt  hat.  Eines  freilich  kann  ich  nicht  anerkennen, 
die  Gleichsetzung  des  Darius  Medus  mit  dem  Astyages,  und 
zwar  wegen  Herodots  Zeitrechnung.  Der  wahre  Schlüssel  zu 
dieser  besteht  in  der  ErkenntnisS;  dass  Herodot  die  Jahre 
Yom  Frühlingsanfang  rechnet  und  dass  Dareios,  des  Hystaspes 
Sohn,  in  dem  Jahre  starb,  welches  mit  dem  Frühjahr  486 
y.  Ch.  beginnt.  Weiss  man  dies,  so  kann  man  durch  eine 
Vergleichung  mit  dem  Kanon  und  einigen  anderen  Zeit- 
bestimmungen die  Zeitrechnung  der  ersten  Perserkönige  in 
einer  Weise  herstellen,  die  an  Präcision  nichts  zu  wünschen 
übrig  lässt  und  jeder  gut  bezeugten  Angabe  Gerechtigkeit 
widerfahren  lässt  Dass  drei  Eonige  hintereinander  im  ersten 
Viertel  des  Jahres  den  Thron  besteigen,  konnte  befremden; 
allein  für  Dareios  I.  ist  es  durch  inschriftliche  Gewähr,  für 
Eambyses  durch  die  Angabe  seiner  Begierung  nach  Jahren 
und  Monaten,  für  Xerxes  durch  die  griechische  Synchronistik 
beglaubigt. 


Kanon: 


Herodot : 

Eyros 

29  Jahre. 

Erstes  Jahr 

26.  M&rs  659— 

26.  März  658. 


andere  Zeugnisse: 

Eyros  80  Jahre  (nach 
Etesiaa  und  Deinon). 
Erstes  Jahr  Ol.  66,  1 
»  21.  Juli  660  —  tO. 
Juli  669  (nach  den 
Chronographen). 


waJirer  Be- 
gierungs- 
anfang: 

Eurns    zwi- 
schen 26.  März 
659Qndl0.Jali 
669. 


NIEBüHR;  GESCHICHTE  ASSURS  UND  BABELS  SEIT  PHÜL.    157 


Kanon: 

EambjseB 

8  Jahre. 

Erstes  Jahr 

8.  Janaar  629 

—  1.  Janaar 

528. 


Dareios  I. 
86  Jahre. 

Erstes  Jahr 

1.  Janaar  521 

— 81.  Decem- 

ber  521. 

Xerxes  I. 

Erstes  Jahr 
23.  December 
486  — 21.De- 

cember  485. 


Herodot: 

Kambyses  and 
der  Magier 

8  Jahre. 

Erstes  Jahr 

26.  M&rz  580— 

25.  M&rz  529. 


Dareios  I. 

86  Jahre. 

Erstes  Jahr 

26.  M&rz  522— 

25.  M&rz  521. 

Xerxes  I. 

Erstes  Jahr 

26.  M&rz  486— 

25.  März  485. 


andere  Zeugnisse: 

Kambyses  7  Jahre 

.  5  Monate 

(nach  Herodot). 

Der  Magier  König 

am  IX.  Garmapada  (d.i. 

Zeit  der  Hitze),  nach 

der  Inschrift  von  Be- 

histan,  regierte 

7  Monate  1  Tag. 

Dareios  I.  König  am 

X.  B&gay&dis  (Inschrift 

YOn  Behistan). 


wahrer  Be- 

gierongs- 

anfang: 

K  a  ib  b  n  j'i  y  a 
im  März  529. 

Bardiya  etwa 

am  7.  Aagast 

522. 


Dftrayayas 

etwa  am 
5.  M&rz  521. 


Khsay&rs& 
zwischen 

28.  December 
486  and 

25.  März  485. 


Wenn  hiernach  Astyages  schon  im  zweiten  Viertel  des  Jahres453 
569  gestürzt  wurde,  so  kann  er  nicht,  wie  der  Verfasser  an- 
nimmt, als  Suzerän  des  Neriglissar  ein  Jahr  regiert  haben, 
da  dieser  nach  dem  Kanon  selbst  erst  in  dem  Jahre 
10.  Januar  559  —  9.  Januar  558  den  Thron  bestieg.  Zum 
Ersatz  glaube  ich  einen  anderen  Grund  für  die  Anerkennung 
der  medischen  Oberherrlichkeit  in  Babylon  geltend  machen 
ZQ  können.  Der  erste  Abschnitt  des  Eonigskanon  tragt  die 
Deberschrift  ^A^CvqCqjv  xal  Miqdmv  ßaöiXstg.  Diese  hat  man 
für  thöricht  erklärt,  der  Verfasser  sieht  in  ihr  die  von  einem 
Juden  dem  Buche  Daniel  zu  Liebe  gemachte  Interpolation; 
allein  dann  müsste  es  nothwendig  nicht  ^ACövQimv,  sondern 
XaXdaiayv  heissen;  auch  findet  sich  sonst  zum  Glück  keine 
Spur  von  Interpolation  der  kostbaren  Urkunde.  Die  Ver- 
gleichnng  mit  Berossos  lehrt,  dass  in  jenem  ersten  Abschnitte 
zwei  Dynastien  zusammengefasst  sind,  die  der  assyrischen 
Könige  und  Vicekönige  und  das  Haus  Nabopalassars.    Nichts 


158  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

ist  also  natürlicher  als  anzunehmen^  dass  ^AiSöVQitDv  ßaöiletg 
die  erste  Kategorie,  Mi^dmv  ßaötkstg  die  yon  den  Medern 
abhängigen  Könige  yon  Nabopalassar  an  bezeichnet.  —  Ein 
anderer  Punkt;  den  der  Verfasser  ins  Reine  gebracht  hat, 
ist  der  Djnastiewechsel  unter  Sargon.  Nur  hätte  er  sich 
dafür  nicht  auf  die  Stelle  des  Aelian  über  die  alten  baby- 
lonischen Könige  Seuechoros  (nicht  Sakchoras)  und  Gilgamos 
(nicht  Tilgamos)  berufen  sollen;  ich  habe  früher  in  diesen 
Jahrbüchern  (1856  S.  412  [oben  S.  126J)  nachgewiesen,  dass 
ersterer  mit  dem  mythischen  Könige  Ev'^xoiog  bei  Berossos 
identisch  ist  und  bemerke  nachträglich,  dass  die  Yaticanische 
Handschrift  Evi^xoQog  hat.  Ebensowenig  darf  die  Erzählung 
des  Alexander  Polyhistor  von  BeXsovg  und  BsXrjraQag  hier 
eingemischt  werden. 

Unter  den  Beilagen  und  Erläuterungen  (S.  235  —  507) 
findet  sich  ein  sehr  ausführlicher  Abschnitt  über  die  Wieder- 
herstellung der  Königsliste  des  Ktesias  und  ihre  Vergleichung 
mit  authentischeren  Nachrichten  über  die  Geschichte  As- 
Syriens.  Allein  man  kann  nicht  sagen,  dass  der  Verfasser 
die  Untersuchung  viel  weiter  gebracht  hat  als  z.  B.  Brandis; 
seine  Gonstruction  der  Liste  ist  viel  zu  künstlich^  auch  ist 
er  in  den  so  häufigen  Fehler  verfallen,  bei  der  Berichtigung 
der  Yon  den  Chronographen  gemachten  Interpolationen  Dinge 
in  das  Verzeichniss  hineinzutragen,  von  denen  man  im  Voraus 
gar  nicht  wissen  kann,  ob  sie  je  darin  gestanden  haben, 
z.  B.  den  Dynastiewechsel  unter  Sargon.  Auf  diesem  Wege 
bleibt  die  Wiederherstellung  natürlich  für  die  Geschichte 
unfruchtbar;  ich  möchte  behaupten,  dass  unser  Material 
völlig  zu  einer  sicheren  Herstellung  der  Ktesianischen  Liste 
ausreicht,  ohne  dass  man  nöthig  hat,  dabei  Quellen  zu  be- 
fragen,  die  nicht  auf  Ktesias  zurückgehen,  sowie  dass  eine 
rein  philologische,  von  allen  Berührungspunkten  mit  Beros- 
sischen  Nachrichten  abstrahirende  Reconstruction  reichlich 
lohnt  und  auch  für  die  echte  Geschichte  Ausbeute  bietet. 
Die  folgenden  Untersuchungen  über  die  Chronographen  zeugen 
von  ausserordentlicher  Belesenheit  nnd  einer  dadurch  ge- 
wonnenen grossen  Sicherheit  in  Handhabung  der  Kritik  auf 


NIEBÜHB,  GESCHICHTE  ASSüRS  UND  BABELS  SEIT  PHUL.    159 

diesem  schwierigen  Gebiete;  Referent  macht  auf  sie  besonders 
aufmerksam^  weil  sie  sich  oft  auf  Nachbargebiete  er8trecken454 
und  von  keinem^  der  sich  mit  Chronologie  beschäftigt,  un- 
beachtet gelassen  werden  dürfen.  Sehr  glücklich  ist  der 
Verfasser  nameutlich  in  seiner  Beurtheilung  der  Zahlen  des 
Josephos;  wo  er  fehl  geht,  wie  z.  B.  in  dem^  was  er  S.  353  ff. 
über  die  Angaben  der  hellenistischen  Judei)  Demetrios  und 
Eupolemos  sagt,  ist  das  meistens  die  Folge  zu  grosser  Spitz- 
findigkeit. Eine  Bemerkung,  die  Anfangs  jeden  bedenklich 
machen  wird,  deren  Richtigkeit  sich  mir  aber  bei  näherem 
Zusehen  bestätigte,  ist  die,  dass  Annius  von  Yiterbo  einen 
uns  jetzt  yerlorenen  Chronographen  nach  der  Art  des  Mai- 
schen xgovoyQatpetov  6vvto(iov  benutzt  hat  (S.  291.  343). 
Sicher  ist,  dass  er  Quellen  benutzte,  die  zu  seiner  Zeit  noch 
ungedruckt  waren,  nämlich  die  Osterchronik  und  höcht  wahr- 
scheinlich das  xQOV(yyQag)Stov  6vvto[AOv  selbst;  da  die  Hand- 
schriften beider  Werke  im  Vatican  sind,  so  wird  es  wohl 
auch  die  dritte  Quelle  sein:  man  konnte  an  den  noch  un- 
gedrackten  Barberinischen  Chronographen  denken.  Einen 
praktischen  Gebrauch  wird  man  freilich  von  der  Entdeckung 
nicht  machen  dürfen. 

Sehr  bedeutend  sind  die  geographischen  und  ethnogra- 
phischen Untersuchungen  (S.  378  —  429).  Eine  besondere 
Aufmerksamkeit  ist  in  denselben  den  Ueberresten  der  Ur- 
bevölkerung in  dem  später  von  den  Iraniern  besetzten 
Gebiete  gewidmet;  der  Verfasser  neigt  zu  der  Annahme 
einer  turauischen  Bevölkerung  in  dem  ganzen  Lande  zwi- 
schen Euphrat  und  Indus  als  Vorgängerin  der  Iranier  und 
bereut  es  fast,  diese  Ueberzeugung  nicht  geradezu  der  ganzen 
Untersuchung  zu  Grunde  gelegt  zu  haben  (S.  IV):  wir  können 
es  aber  nur  billigen,  dass  er  von  seiner  bewährten  Vorsicht 
auch  hier  nicht  abgegangen  ist.  Das  Bedenklichste  sind  hier 
die  Etymologien,  die  bei  Eigennamen,  geographischen  Namen 
u.  s.  w.  wohlfeiler,  aber  auch  unsicherer  sind,  als  auf  irgend 
einem  anderen  Gebiete.  Die  Zusammenbriugung  von  Casdim 
und  Cäka,  von  Varena  und  Mäda  sind  noch  nicht  die  grössten 
Unmöglichkeiten,  die  der  Verfasser  (S.  153.  411)  für  möglich 


160  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

hält.  Bei  der  Bestimmung  des  Umfanges  des  assyrischen 
Reiches  ist  von  den  Nachrichten  des  Etesias  gar  kein  Ge- 
brauch gemacht  worden  ^  wie  mir  scheint,  sehr  zum  Nach- 
theil der  Sache,  indem  jene  Nachrichten  ganz  unverfänglich 
und  innerlich  wahrscheinlich  sind.  Es  ist  der  Mühe  werth, 
hierauf  näher  einzugehen.  Noch  Niemand  hat  bemerkt,  dass 
die  Eroberungen  der  Semiramis  eine  einfache  Verdoppelung 
derer  des  Ninos  sind  und  genau  dieselbe  Folge  einhalten,  nur 
anders  gewendet  sind,  um  neben  jenen  bestehen  zu  können. 
Da  die  Folge  durchaus  nicht  eine  rein  geographische  ist,  so 
kann  die  Uebereinstimmung  nicht  zufällig  sein. 

Ninos  erobert  im  Bunde  mit       Semiramis   erbaut  Babylon 
dem  Araberkonig  Babylonien.  und    viele    andere    Städte    in 

Babylonien. 

Ninos  wird  durch  Vertrag  (nicht  erwähnt) 

Oberherr  von  Armenien. 

Ninos  erobert  Medien.  Semiramis  durchziehtMedien 

und  erbaut  die  Burgen  Mediens. 

Ninos   erobert   ganz   Asien       Semiramis  durchzieht  Persis 

466bis    an   den   Nil   und   Tanais,  und   ganz  Asien,  überall   die 

im   Osten  bis   an   die   Grenze  Semiramiswerke  errichtend. 

von  Baktrien. 

Semiramis    durchzieht    Ae- 

gypten. 
(tenlt;  Semiramis    erobert    Libyen 

und  Aethiopien. 

Ninos  entlässt  den  Araber-     (wahrscheinlich  der  Concor- 
könig  und  erbaut  Ninive.  danz  halber  weggelassen) 

Ninos  zieht  gegen  Baktra,       Semiramis  zieht  nach  Baktra 
wird  zuerst  geschlagen,  kehrt  und    rüstet   daselbst    bis    ins 
aber  wieder  um  und  erobert  dritte  Jahr  zum  Kriege  gegen 
erst   das    flache   Land,    dann  die  Inder, 
nach    langer  Belagerung   mit 
Hülfe   der  Semiramis   Baktra 
selbst. 


NJEBÜHR,  GESCHICHTE  ASSÜRS  UND  BABELS  SEIT  PHÜL.    161 

Semiramis  macht  einen  Ein- 

(Indien   wird   von   den   Er-  fall   in   Indien,    der   mit   der 

oberungen     des     Ninos     aus-  vollständigen  Niederlage  ihres 

drücklieh  ausgenommen)        Heeres  und  der  Flucht  nach 

Baktra  endigt. 
Wir  können  hier  deutlich  drei  Schichten  von  Eroberungen 
unterscheiden:  1)  die  von  Babjlonien,  Armenien  und  Medien; 
2)  die  Herrschaft  über  Asien  bis  an  den  Nil,  den  Tanais  und 
Baktrien;  3)  die  Unterwerfung  von  Baktrien  und  den  un- 
glücklichen Zug  nach  Indien.  Die  dritte  Phase  geht  allein 
unter  dem  Namen  der  Semiramis  (denn  sie  erobert  Baktra 
für  Ninos),  ist  also  schon  dadurch  als  eine  spätere  bezeichnet. 
In  der  ersten  Phase  sind  die  Araber  unabhängige  Bundes- 
genossen auf  dem  Eroberungszuge  der  Assyrer:  die  Sage 
findet  sie  mit  Ehrengeschenken  von  der  Beute  ab;  es  ist 
aber  ganz  deutlich  eine  Erinnerung  an  die  arabische  Herr- 
schaft über  Babylonien  vor  der  assyrischen:  Babylon  haben 
die  Araber  nicht  für  die  Assyrer,  sondern  für  sich  selbst 
erobert.  Wir  gewinnen  dadurch  das  wichtige  Factum  einer 
Verbindung  beider  Völker  und  einer  gleichzeitigen  Erhebung 
derselben  gegen  die  ältere  semitische  Bevölkerung  Baby- 
loniens:  mit  Erlangung  der  Herrschaft  über  Asien  wird  der 
Araberkönig  entlassen,  d.  h.  verdrängt.  Eine  sehr  alte  fried- 
liche Verbindung  Assyriens  mit  Armenien  scheint  ganz  glaub- 
haft: die  Armenier  haben  ihre  Keilschrift  der  assyrischen 
nachgebildet,  wie  man  aus  Inschriften  sieht,  die  gewiss  weit 
älter  als  das  siebente  Jahrhundert  sind;  ebensowenig  möchte 
gegen  eine  schon  zur  Zeit  der  Araberherrschaft  erfolgte  Aus- 
dehnung der  Assyrer  nach  Medien  hin  einzuwenden  sein. 
Was  die  zweite  Phase  anlangt,  so  versteht  es  sich  von 
selbst,  dass  die  Grenzen  der  Eroberungen  des  Ninos,  wie 
sie  Etesias  giebt,  nur  die  weiteste  Ausdehnung  bezeichnen, 
die  das  Assyrerreich  zu  verschiedenen  Zeiten  gehabt  hat:  in 
diesem  Sinne  gefassl^  lässt  aich  aber  noch  jetzt  die  strengste 
Wahrhaftigkeit  des  Berichtes  darthun.  Die  Ostgrenze  ist 
weit  weniger  vorgeschoben  als  zur  Zeit  der  Achämeniden, 
enthält  nicht  einmal  Arachosien,  nur  das  Land  der  Drangen, 

Y.  OuTscHMio,  Kleine  Schriften     IT.  11 


162  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

und  erst  zuletzt  Baktrien^  so  dass  sie  schon  aus  diesem 
4566runde  für  authentiseli  gelten  muss.  Die  bedenklichsten 
Punkte  sind  die  Tanaisgrenze  und  die  Nilgrenze;  aber  gerade 
hier  geben  einerseits  die  bosporanischen  Inschriften,  welche 
eine  Verehrung  der  assyrischen  Gotter  Nergal  und  Astarte, 
noch  in  sehr  später  Zeit  bezeugen,  anderseits  eine  Stelle  des 
Abydenos,  nach  welcher  Assarhaddon  Aegypten  eroberte,  die 
sicherste  Gewähr  für  die  Glaubwürdigkeit  des  Etesias.  Eine 
dauernde  Behauptung  aller  dieser  Eroberungen  liegt  gar 
nicht  in  seinen  Aussagen  implicirt.  Ich  mochte  sogar  noch 
weiter  gehen  und,  diese  mittelste  Phase  mit  Herodots  assy- 
rischer Hegemonie  von  1256 — 736  völlig  identificirend,  eine 
frühere  feindliche  Berührung  der  Assyrer  mit  Aegypten  an- 
nehmen: eine  Anerkennung  der  assyrischen  Oberhoheit  durch 
einen  Pharao  (mehr  wird  auch  die  Eroberung  Assarhaddons 
nicht  gewesen  sein)  scheint  mir  um  die  Ausgänge  der 
zwanzigsten  Dynastie  durchaus  nicht  zu  den  Unmöglich- 
keiten zu  gehören:  ist  doch  die  notorische  Ohnmacht  ihrer 
letzten  Herrscher  von  Bunsen  gewiss  mit  Recht  einer 
Schwächung  durch  die  Eroberungen  der  Assyrer  zuge- 
schrieben worden.  Auch  die  in  dem  zweiten  Berichte  hin- 
zugefügte nähere  Bestimmung,  die  Assyrer  hätten  ihren 
Eroberungslauf  mit  Persis  (wohl  das  alte  Reich  Elam)  be^ 
gönnen,  mit  Aegypten  beendigt,  ist  sachgemäss.  Was  die 
dritte  Periode  betriflFt,  die  Kriege  der  Semiramis,  so  be- 
schränken sich  diese  streng  genommen  auf  die  Eroberung 
von  Baktrien  und  den  misslungenen  Zug  nach  Indien;  beide 
sind  durch  die  Abbildungen  eines  Obelisken  bestätigt,  den 
man  in  das  neunte  Jahrhundert  setzt.  Soviel  sieht  man 
hieraus,  dass  sie  nicht  der  älteren  Zeit  angehören;  die  Yer- 
gleichung  mit  Herodot,  der  die  Semiramis  offenbar  zur 
Repräsentantin  der  Dynastie  Phruls  und  seiner  Nachfolger 
macht,  würde  allerdings  eine  Gleichsetzung  dieser  dritten 
Phase  mit  der  Zeit  von  736  —  656  sehr  empfehlen,  voraus- 
gesetzt, dass  es  erlaubt  wäre,  das  Zeitalter  des  Obelisken  um 
ein  Jahrhundert  herunterzurücken.  Die  Eroberung  Aethio» 
piens  durch  Semiramis  lässt   sich    durch   die  Demüthigung 


NIEBÜHB,  GESCHICHTE  ASSüES  UND  BABELS  SEIT  PHUL.    163 

der  äthiopischen  Beherrscher  Aegyptens  durch  Assarhaddon 
rechtfertigen;  doch  steigen  mir  starke  Bedenken  auf^  ob 
Diodor  nicht  an  dieser  Stelle  Zusätze  aus  einer  späteren 
Quelle  als  Etesias  gemacht  hat.  Zwar  citirt  er  ihn  für 
eine  Gewohnheit  der  makrobischen  Aethiopen^  aber  die 
konnte  ebenso  gut  bei  Gelegenheit  des  Zuges  des  Eambyses 
erwähnt  worden  sein;  innere  Gründe  sprechen  entschieden 
gegen  seine  Autorschaft:  1)  lässt  Diodor  die  Semiramis  eine 
Wnnderquelle  in  Aethiopien  besehen,  die  Etesias  selbst  nach 
Indien  verlegt;  2)  befragt  Semiramis  das  Orakel  des  Ammon 
über  ihr  Ende:  man  begreift  nicht ,  wie  Etesias,  auch  wenn 
er  pessima  fide  handelte,  auf  so  einen  Einfall  kommen 
konnte,  wohl  aber,  was  sich  ein  ägyptischer  Zeitgenosse 
Alexanders,  der  den  Etesias  überarbeitete  —  drei  Prädicate, 
die  auf  den  yielgelesenen  Deinon  passen  —  dabei  denken 
mochte.  Ninyas,  der  Sohn  der  Semiramis,  drückt  deutlich 
genug  das  weichliche  Haremsleben  der  letzten  Eönige  von 
Ninive  aus,  unter  denen  das  Reich  dem  Untergange  zu- 
steuerte; er  darf  um  so  mehr  als  Repräsentant  der  letzten 
Phase  der  Assyrerherrschaft  etwa  von  656—607  gelten,  als 
der  Dichter  Phönix  und  der  Chronograph  Eastor  ihn  oder,457 
was  auf  dasselbe  hinauskommt,  einen  Ninos  IL  geradezu 
statt  des  Sardanapallos  als  letzten  Eonig  von  Assyrien 
nennen.  Lost  man  diese  drei,  wenigstens  so,  wie  sie  bei 
Etesias  stehen,  gewiss  nicht  persönlichen  Namen  von  seiner  * 
Eonigsliste  ganz  ab,  so  erscheint  seine  Darstellung  unter 
einem  so  ganz  neuen,  günstigen  Lichte,  dass  eine  völlige 
Ehrenrettung  des  Etesias  auf  diesem  Gebiete  erreichbar  sein 
dürfte.  —  Für  die  späteste  Periode  des  assyrischen  Reiches, 
welche  den  eigentlichen  Stoflf  des  Niebuhrschen  Werkes 
bildet,  giebt  es  ein  naheliegendes,  soviel  mir  aber  bekannt 
ist,  noch  gar  nicht  benutztes  Hülfsmittel  der  historischen 
Geographie,  nämlich  den  griechischen  Sprachgebrauch.  Dass 
die  Bezeichnung  Uvgia  für  Aram  lediglich  aus  ^A66vQCa  ent- 
standen und  von  den  eigentlichen  Assyrem  auf  ihre  ünter- 
thanen,   die   Aramäer,   übertragen  worden  ist,   ist  bekannt. 

Eeine  andere  Bewandtniss  hat  es  mit  dem  Namen  ^AöövQiot 

11* 


164  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

oder  jievxoevQoi  für  die  Bevölkerung  der  politischen  Länder 
zwischen  Themiskyra  und  Sinope.  Wir  lernen  daraus^  dass 
zu  der  Zeit  als  die  Griechen  mit  diesen  Ländern  bekannt 
wurden^  was  mit  dem  Pontos  spätestens  in  der  Mitte,  mit 
Syrien  spätestens  in  den  achtziger  Jahren  des  siebenten  Jahr- 
hunderts geschah,  die  unmittelbare  Herrschaft  der  Assyrer 
sich  über  Syrien,  Kappadokien  und  einen  Theil  von  Paphla- 
gonien  erstreckte.  Bekannt  ist^  dass  der  Name  Ai^Conag  in 
der  epischen  Poesie  die  vom  Sonnenbrande  geschwärzten 
Bewohner  des  äussersten  Südens  bezeichnet^  die  den  Griechen 
nur  vom  Hörensagen  bekannt  waren  und  die  geographisch 
nicht  näher  fixirt  werden  können.  Unleugbar  aber  ist  die 
auffällige  Thatsache,  dass,  wie  man  anfing  die  Aethiopen  zu 
localisiren,  gerade  die  älteste  Tradition  sie  nach  Joppe  setzt. 
Dass  das  Local  der  Andromedasage  nur  der  Lautähnlichkeit 
von  Al&ionCa  und  '/osri^  wegen  gewählt  sein  sollte,  ist  un- 
denkbar; es  erklärt  sich  aber  vollkommen,  wenn  zu  der 
Zeit,  als  die. Griechen  an  diese  Küsten  kamen,  Philistäa  zum 
Euschitenreiche  des  Schabatok  und  Taharka  gehorte.  Wir 
gewinnen. auf  diese  Art  eine  Südgrenze  für  das  Assyrerreich 
im  Anfange  des  siebenten  Jahrhunderts  v.  Ch. 

Ein  dem  Werke  ziemlich  fremder  Zusatz  ist  der  Ab- 
schnitt über  die  Thalassokratien  S.  429  ff.  Viel  eher  hätte 
man  Näherliegendes  erwartet,  z.  B.  eine  eingehendere  Unter- 
suchung über  die  Rechnung  Herodots.  Der  Verfasser  ist 
hier  an  der  Klippe  übergrossen  Scharfsinnes  gescheitert: 
ohne  Noth  nimmt  er  zwei  verschiedene  Kecensionen  an  und 
hat  seine  Theorie  von  den  Intervallen  mehr  als  räthlich  war 
ausgebeutet.  Doch  sein  gesundes  Urtheil  hat  er  auch  hier 
bewährt,  z.  B.  durch  Beseitigung  der  von  Bunsen  statt  der 
Karer  vorgeschlagenen  Korinther,  durch  den  hübschen  Ge- 
danken, dass  die  Seeherrschaft  der  Aegypter  mit  dem  Könige 
Osorchon  in  Verbindung  zu  setzen  sei,  „den  die  Aegypter 
Herakles  nannten^  und  Anderes. 

S.  458  ist  eine  chronologische  Tabelle  von  1 — 210  nach 
Nabonassar  gegeben.  Der  Verfasser  rechnet  nämlich  nicht 
nach  Jahren  vor  Christus,  sondern  nach  Nabonassar:  warum, 


NIEBÜHR,  GESCHICHTE  ASSURS  UND  BABELS  SEIT  PHüL.    165 

ist  nicht  abzusehen ,  da  sich  gerade  fQr  diesen  ZeitraiMn45S 
Nabonassarische  und  Julianische  Jahre  fast  ganz  decken 
und  da  ausser  dem  Kanon  nicht  ein  einziges  Datum  nach 
Nabonassarischer  Aera  erhalten  ist.  Wir  sollten  doch  froh 
sein,  in  der  Rechnung  nach  Jahren  vor  Christus  einen  all- 
gemein gültigen  Massstab  zu  besitzen,  auf  welchen  man  alle 
nach  verschiedenen  Aeren  datirten  Angaben  reduciren  kann. 
Was  man  gegen  sie  einzuwenden  pflegt,  das  Rückwärtsrechnen 
mache  einen  verwirrenden  Eindruck,  ist  in  Wahrheit  kindisch. 
Es  ist  nicht  zu  leugnen,  dass  die  Philologen  mit  ihrer  Rech- 
nung nach  Jahren  der  Stadt  das  böse  Beispiel  dazu  gegeben 
haben.  Wer  sich  an  einer  meisterhaften  Persiflage  dieser 
heillosen  Angewohnheit  ergötzen  will,  der  nehme  die  Richter- 
sehen  genealogischen  Tabellen  zur  Hand,  in  denen  er  für 
jeden  Staat  des  Alterthums  eine  besondere  Zeitrechnung 
wiederhergestellt  finden  wird.  —  Noch  eine  andere  Eigen- 
heit des  vorliegenden  Werkes  können  wir  unmöglich  gut- 
heissen,  die  Orthographie  der  Eigennamen.  Der  Verfasser 
hat  das  Verkehrte  der  Sitte  gefühlt,  alle  griechischen  und 
orientalischen  Eigennamen  erst  durch  das  Lateinische  hin- 
durchgehen zu  lassen,  aber  sich  gescheut,  im  Deutschen  die 
griechische  Form  wiederzugeben,  und  ist  so  auf  einen  selt- 
samen Mittelweg  verfallen:  er  schreibt  z.  B.  Dareius,  Ejrus. 

Eine  sehr  werthvoUe  Beigabe  sind  die  „Quellenauszüge'' 
(S.  469—507),  nämlich  eine  neue  üebersetzung  der  Frag- 
mente des  Berossos  und  Abydenos  im  armenischen  £u- 
sebios  durch  Herrn  Professor  Petermann,  an  welche 
sich  ausführliche,  sachkundige  Anmerkungen  des  Verfassers 
knüpfen. 

Fassen  wir  diese  Betrachtungen  in  ein  Endurtheil  zu- 
sammen, so  müssen  wir  dem  Verfasser  gründliche  Kenntniss 
und  kritische  Benutzung  der  Quellen,  Sicherheit  des  Blickes 
in  Beurtheilung  der  staatlichen  Verhältnisse,  vor  Allem  aber 
grosse  Vorsicht  und  eine  nüchterne  Gewissenhaftigkeit  bei 
Aufstellung  von  Hypothesen  nachrühmen.  Ein  Mangel  ist 
mitunter  der  übergrosse  Scharfsinn,  der  künstliche  Lösungen 
aufstellt  wo  einfache  viel  näher  liegen,  sowie  ein  gewisser 


166  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

Hang  zum  Schematisiren.  Das  Einzige,  was  den  Dilettanten 
verrathen  konnte,  ist  die  Liebhaberei  für  etymologische  Com- 
binationen;  sonst  macht  das  Werk  durchaus  den  Eindruck, 
als  habe  sein  Urheber  sein  Leben  lang  nichts  als  solche 
Studien  getrieben.  Er  selbst  spricht  von  seinen  Leistungen 
mit  grosser  Bescheidenheit,  indem  er  sie  gewissermassen  nur 
als  eine  Ausführung  der  Brandisschen  Schrift  betrachtet 
wissen  will;  wir  aber  müssen  anerkennen,  dass  das  Buch 
unter  den  Geschichtswerken  über  den  alten  Orient  einen 
ehrenvollen  Rang  einnimmt  und  auch  behaupten  wird,  end- 
lich —  und  bei  dem  Sohne  eines  grossen  Mannes  drängt 
sich  diese  Yergleichung  unwillkürlich  auf  —  dass  es  dem 
Namen  des  Vaters  nicht  zur  Unehre  gereicht 


3.*) 

il56Lep8lu8,  B.,  über  den  chronologischen  Werth  der  as- 
syrischen Eponymen  und  einige  Berührungs- 
punkte mit  der  ägyptischen  Chronologie.  (Aus 
den  Abhandlungen  der  k.  Akad.  d.  Wiss.)  Berlin  1869. 
Dümmlers  Verlagsbuchhandlung  in  Commission.  (44  S. 
kl.  4«.)    15  Sgr. 

Der  Verfasser  prüft  in  der  vorliegenden  Schrift  die 
Grundlage,  welche  für  die  assyrische  Zeitrechnung  in  der 
Eponymenliste  gewonnen  zu  sein  scheint  ^  es  unterliegt  in 
der  That  kaum  einem  Zweifel,  dass  in  ihr  wirklich  ein 
1167 Jahres verzeichniss  vorliegt,  dass  die  Striche  derselben  Be- 
gierungswechsel bedeuten  und  dass  sie  sich  auf  den  Zeit- 
raum bezieht,  in  welchen  sie  die  Assyriologen,  mit  nicht 
gar  zu  erheblichen  Differenzen  unter  einander,  gesetzt  haben. 
Dieser  Gewinn  ist  um  so  grosser,  als  er  wenigstens  zum 
Theil  von  den  gewaltigen  Schwankungen,  welche  die  Ent- 
zifferung noch  durchzumachen  hat,  nicht  afficirt  wird.     Der 


*)  [Literarisches  Centralblatt  1870  S.  1166—1158.] 


LEPSIÜS,  CHRONOLOG.  WERTE  DER  ASSYR.  EPONYMEN.    167 

Verfasser  giebt  S.  36fif.  eine  sehr  zweckmässige  vergleichende 
Uebersicht  der  Liste  nach  den  Deutungen  von  George  Smith 
und  Jules  Oppert  Er  verwirft  mit  vollem  Rechte  des  Letz- 
teren Hypothese  von  einer  Lücke,  die  sich  in  sämmtlichen 
Exemplaren  der  Eponymenliste  vor  Tiglat-Pilesar  vorfinden 
soll,  als  einen  Gewaltstreich,  ersonnen  zu  dem  Zwecke,  die 
Schwierigkeiten,  welche  die  biblische  Synchronistik  bereitet, 
in  Bausch  und  Bogen  zu  heben,  ohne  dass  doch  dieser  Zweck 
auch  nur  annähernd  erreicht  würde.  Des  Verfassers  Her- 
stellung der  assyrischen  Chronologie,  welche  die  Tafel  S.  50 
veranschaulicht,  ist  völlig  überzeugend,  und  Referent  will 
ausdrücklich  bemerken,  dass  er  sich  der  Identität  der  Eonige 
Elibos  und  Asordanios  bei  Berossos  mit  Belibos  und  Apara- 
nadios  im  Ptolemäischen  Kanon  längst  nicht  mehr  ver- 
schliessi*)  Nur  das  scheint  ihm  noch  nicht  so  ausgemacht, 
dass  der  Kanon  in  dieser  Periode  die  Zählung  der  Regierungs- 
jahre von  dem  Jahre  nach  der  Throubesteigung  beginnen 
soll,  wie  der  Verfasser  S.  47  aus  Inschriften  folgern  zu 
müssen  glaubt.  Dass  der  Kanon  in  seinen  späteren  Theilen 
mindestens  von  Artaxerxes  II.  an  die  entgegengesetzte 
Zählungsweise  befolgt,  ist  ebenso  unbestritten,  wie  dass  mit 
Ausnahme  der  Chinesen  bis  jetzt  kein  Volk  bekannt  ist,  das 
die  Jahre  seiner  Herrscher  anders  als  vom  Jahre  der  Thron- 
besteigung selbst  zählte,  und  jene  eine  Ausnahme  hängt  eng 
mit  der  specifisch  chinesischen  Einhaltung  des  Trauerjahres 
zusammen.  Um  also  an  eine  solche  Abnormität  glauben  zu 
können,  bedürfte  es  zuverlässigeren  Materials,  als  es  die  as- 
syriologischen  Entzifferungs versuche  bisher  bieten.**)  Im 
Uebrigen  gereicht  es  den  Resultaten  d^s  Verfassers  zu  nicht 
geringer  Empfehlung,  dass  sich  ihre  Richtigkeit  auch  ohne 
Befragung  des  Inschriftenorakels  erhärten  läset:  Referent 
glaubt  nämlich  den  Schlüssel  zu  einer  sicheren  Vergleichung 
des  Berossos  mit  dem  Kanon  neuerdings  durch  die  Ent- 
deckung gefunden  zu  haben,  dass  die  18  Jahre  des  Sanherib 

♦)  [Vgl.  oben  S.  154.    F.  E] 

^  [Vgl.    „Nene    Beiträge    zur    Geschichte    des    alten    Orients" 
8.  116  f.    F.  E.] 


168  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

bei  Berossos  die  Dauer  seines  Oberkonigthums  in  Babylon 
ausdrücken  und  mit  den  19  Jahren  (699  —  680)  zusammen- 
fallen, die  der  Kanon  von  der  Thronbesteigung  des  Apara- 
nadios  bis  zu  der  des  Assarhaddon  zählt-,  weiter  erledigt 
sich  dann  die  Differenz  zwischen  den  13  Jahren  Assar- 
haddons  im  Kanon  und  seinen  acht  bei  Berossos  durch  Yer* 
gleichung  mit  dem  aus  gleichen  Quellen  schöpfenden  Aby- 
denos,  der  vor  Assarhaddon  eine  Regierung  seines  Bruders 
Nergil-Sarezer  einschiebt:  der  Streit  um  die  Thronfolge  wird 
fünf  Jahre  (680  —  675)  gedauert  haben.*)  Die  Unmöglich- 
keit^ die  SjnchroDistik  der  Königsbücher  für  diesen  Zeitraum 
mit  dem,  was  die  Inschriften  zu  ergeben  scheinen ,  im  Ein- 
zelnen in  Einklang  zu  bringen,  räumt  der  Verfasser,  hierin 
ungleich  kritischer  als  seine  Vorgänger,  S.  54  unumwunden 
ein.  In  der  That  wäre  diese  auch  kein  Grund,  der  sich 
gegen  die  Richtigkeit  der  Lesungen  mit  Fug  einwenden 
Hesse;  viel  bedenklicher  sind  für  den  Referenten  die  vielen 
Berührungen  mit  dem  rein  historischen  Inhalte  der  Königs- 
bücher,  welche  freilich  der  oberflächlichen  Betrachtung  als 
ebensoviele  Bestätigungen  gelten,  in  Wahrheit  aber  in  un- 
sühnbarem  Widerspruch  mit  der  gesammten  Geschichtsdar* 
Stellung  jener  Bücher  stehen.  Schon  dass  überhaupt  auf 
den  assyrischen  Inschriften  so  ungemein  viel  von  Judäa  die 
Rede  ist,  einem  kleinen,  schwer  zugänglichen  Lande,  an  dem 
die  grosse  Heerstrasse  aller  Eroberer  herum,  nicht  hin- 
durch geht,  beweist  uns  wenigstens  mehr  das  Bedürfiniss 
der  Entzifferer,  sich  an  das  spärliche  vorfindbare  historische 
Material  möglichst  anzuschliessen ,  als  eine  seltsame  Be- 
kümmerlichkeit  der  assyrischen  Könige  um  jüdische  An- 
gelegenheiten. Auf  Anklänge  aus  der  Bibel  stösst  man 
Schritt  für  Schritt,  und  wird  gerade  da  durch  den  abson- 
derlichen Inhalt  des  Entzifferten  oft  genug  mit  Nothwendig- 
il5Skeit  auf  die  Frage  geführt ^  kann  so  etwas  wirklich  in  der 
Inschrift  stehen?  z.  B.  dass  die  Bewohner  von  Amgarron 
(soll  wohl  Mageddon  sein)  ihren   assyrisch  gesinnten  König 

*)  [Vgl.    „Nene   Beiträge    zur    Geschichte    des    alten    Orients" 
S.  101.  152     F.  ß.] 


LEPSIUS,  CHRONOLOG.  WERTH  DER  ASSYR.  EPONYMEN.    169 

an  den  Juden  Hiskia  ausliefern;  dass  nun  aber  Yollends  Jehu 
von  Israel  und  die  Damaskener  Benhadad  und  Hasael  als 
Unterthanen  eines  grossen  assyrischen  Eroberers  Salmanas- 
aar  11.  erscheinen,  schlägt  den  Eönigsbüchem  geradezu  ins 
Gesicht!  Auch  Lepsius  nimmt  S.  56  an,  dass  die  Existenz 
eines  Königs  ,Phul  durch  die  Inschriften  ausgeschlossen 
werde,  und  glaubt,  dass  an  den  beiden  Stellen  der  Bibel, 
die  ihn  nennen,  eine  Corruptel  statt  Tiglat-Pilesar  vorliege; 
allein  er  kommt  ausser  diesen,  noch  dazu  von  einander  un- 
abhängigen, Stellen  nicht  bloss  bei  Berossos  vor,  wo  ihn 
die  Form  Phulos  (gegenüber  dem  0ovä  der  LXX)  und  der 
Zusatz  „Konig  der  Chaldäer^'  statt  „ Assyrier ''  gegen  jeden 
Verdacht  christlicher  Interpolation  schützen,  sondern  augen- 
scheinlich in  der  persischen  Aussprache  Poroms  auch  im  Pto- 
lemäischen  Kanon,  und  sein  Todesjahr  726  fallt  mit  einem 
Thronwechsel  in  Assyrien  zusammen.  Die  Entzifferer  sollten 
also  lieber  ihre  Nachforschungen  nach  Phul  fortsetzen,  statt 
ihm  das  Dasein  zu  bestreiten.  Argumenta  a  silentio  sind 
hier  wahrhaftig  noch  nicht  an  der  Zeit.'*')  Viel  bedenk- 
licher, als  dass  der  eine  oder  andere  überlieferte  Name 
nicht  gefunden  ist,  ist  nur  zu  Vieles  von  dem,  was  ge- 
funden ist  Um  bei  den  von  Lepsius  angezogenen  Berichten 
stehen  zu  bleiben,  finden  wir  S.  65,  dass  Sargon  Tribut  auf- 
legte Samsie,  der  Königin  von  Arabien,  und  It-himyar  dem 
Sabäer.  Die  Erstere  als  historische  Person  wiederzufinden, 
hat  sich  wohl  schwerlich  Jemand  träumen  lassen;  vielleicht 
wird  auch  der  Wiedehopf  ihrer  Schwester  Bilkis  noch  nach- 
gewiesen! Und  wie  konnte  ein  Sabäer  im  Jahre  720  v.  Ch. 
einen  mit  Himjar  zusammengesetzten  Namen  fuhren,  da  es 
durch  gleichzeitige  griechische  Quellen  ausser  Zweifel  ist, 
dass  dieser  Stamm  in  Südarabien  erst  600  Jahre  später  die 
Herrschaft  erlangt  hat?  Diese  Sucht  der  Assyriologen,  das 
Gelesene  nicht  einfach  wiederzugeben,  sondern  es  vorher  dem 
Publicum  mundrecht  zu  machen  und  für  die  wildfremden 
Namen  bekannte  Anklänge  zu  suchen,  vergrössert  nur  noch 

*)  [Vgl.    „Neue    Beiträge    zur    Geschichte    des    alten    Orients" 
S.  114  ff.  124  ff.    F.  K.] 


170  RECENSIONEN  IJNP  ANZEIGEN, 

die  Unsicherheit,  die  hier  so  schon  gross  genug  ist;  ist  es 
denn  heispielsweise  so  sicher,  dass  Miluchcha  das  classische 
Meroe  ist?*)  Wer  mit  den  ausnehmenden  Schwierigkeiten 
bekannt  ist,  die  es  hat,  die-  ethnographischen  Namen  der 
hieroglyphischen  Inschriften  zu  yerificiren,  wii*d  nicht  umhin 
können,  die  beneidenswerthe  Sicherheit,  mit  der  die  Assyrio- 
logen  unter  so  viel  ungünstigeren  Prämissen  auftreten,  für 
eitel  Illusion  zu  erklären.  Kein  billig  Denkender  wird  in 
Erwägung  der  ganz  ungewöhnlichen  Hindernisse,  die  sich 
der  Entzifferung  entgegenstellen,  den  Männern,  die  sich  an 
diese  Riesenaufgabe  gewagt  haben,  einen  Vorwurf  daraus 
machen,  dass  sie  nur  tastend  vorschreiten  und  noch  nicht  zu 
so  sicheren  Resultaten  gelangt  sind,  dass  ezacte  Forschung 
schon  jetzt  viel  damit  anfangen  konnte,  wohl  aber  daraus, 
dass  sie  zwischen  Thatsachen,  Combinationen  und  Hypo- 
thesen nicht  gehörig  zu  scheiden  wissen  und  dadurch  unwill- 
kürlich ihre  Resultate  in  eine  falsche  Beleuchtung  rücken. 
Und  wo  soll  nun  vollends  das  Vertrauen  herkommen,  wenn 
z.  B.  ein  französischer  Koryphäe  der  Assyriologie  sich  auf 
eine  Inschrift  beruft,  deren  Existenz  von  den  englischen  Ent- 
zifferern geleugnet  wird  (vgl.  S.  55)?  —  Für  Aegyptisches 
gewähren  die  assyrischen  Inschriften  nur  für  die  Zeit  des 
Taharka  Ausbeute,  die  an  Bekanntes  anknüpft;  ganz  unsicher 
ist  es,  was  es  mit  König  Pirhu  und  Siltan  Sebech  aus  der 
Zeit  des  Sargon  für  eine  Bewandtniss  hat.  Referent  stimmt 
dem  Verfasser  in  seinem  hier  wesentlich  negativen  Ergeb- 
nisse ganz  bei,  und  würde,  nachdem  er  aus  der  neuesten 
Publication  Opperts  ersehen,  dass  zweihöckerige  Kamele  aus 
Aegypten  als  Geschenk  an  den  Grosskönig  nach  Ninive 
geschickt  worden  sind,  nicht  eben  erstaunen,  wenn  es  sich 
einmal  herausstellen  sollte,  dass  die  Gruppe  Muzur  auch 
turanisch  aufgefasst  werden  kann  und  dann  Baktrien  be- 
deutet**) 

*)  V^E}'    »Nene  Beitrilge    zur    Geschichte    des    alten    Orients** 
S.  67  ff.    F.  E.] 

**)  [Vgl.    „Neue  Beitrftge    zur    Geschichte    des    alten    Orients" 

S.  71  ff.    F.  R.]  


LEP8IUS,  BABYLONISCH- ASSYRISCHE  LAENGENMASSE.    171 


4.*) 

Lepsins,  B.,  die  babylonisch-assyrischen  Längenmasse469 
nach   der  Tafel  von  Senkereh.     Aus  den  Abhand- 
lungen der  k.  Akad.  d.  Wiss.  zu  Berlin  1877.    Mit  zwei 
Tafeln.      Berlin    1877.      F.   Dümmler    in    Gommission. 
(S.  105-144.    4<>.)    M.  4. 

In  der  vorliegenden  Abhandlung  wird  uns  eine  in  hohem 
Masse  Anerkennung  verdienende  Untersuchung  der  Tafel  von 
Senkereh  dargeboten,  welche  eine  Vergleichung  der  babylo- 
nischen und  assyrischen  Längenmasse  enthält.  In  die  Publi- 
cation  im  vierten  Bande  der  ^Cuneiform  Inscriptions  of  Wes- 
tern Asia'^  hatte  sich  eine  durchaus  nicht  gleichgültige 
Ungenauigkeit  eingeschlichen^  indem  die  einzelnen  Zeilen 
der  beiden  Columnen  der  Vorderseite  sich  nicht  richtig 
gegenüberstehen;  auch  war  durch  die  daselbst  zur  Erleich- 
terung des  Lesers  vorgenommene  Yergrösserung  der  ganze 
Umriss  der  fragmentirten  Tafel  verschoben  worden,  so  dass 
eine  sichere  Ergänzung  derselben  unmöglich  war.  Eine  zu- 
verlässige Grundlage  für  seine  Untersuchungen  verschafiFten 
dem  Verfasser  ein  durch  Dr.  Birchs  Vermittelung  für  ihn 
angefertigter  Abguss  (mit  Hülfe  dessen  das  Bild  auf  Tafel  1 
auf  photographischem  Wege  hergestellt  werden  konnte)  und 
auf  Grund  einer  sorgfältigen  und  erfahrenen  Inspection  des 
Originals  gemachte  Mittheilungen  des  Professors  Fr.  Delitzsch. 
Da  die  assyrischen  Thontafeln  in  der  Mitte  am  dicksten  zu 
sein  pflegen  und  sich  gleichmässig  nach  den  Winkeln  der 
Tafel  zu  verdünnen ,  so  war  ein  sicherer  Schluss  über  die 
ungeföhre  Zahl  der  abgebrochenen  Zeilen  ermoglichi  Auf 
diesem  Wege  kam  der  Verfasser  unter  Anderem  zu  dem 
wichtigen  Ergebnisse^  dass  die  assyrische  Elle  nicht,  wie 
früher  angenommen  worden  war,  in  60  Theile,  sondern  *in 
30  uban  (Finger),  beziehentlich  in  6  Hände  zu  5  Fingern 


*)  [literarisches  Centralblatt  1880  S.  469—470.] 


172  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

getheilt  war.  Die  yollständige  Herstellung  der  Tafel  von 
Senkereh  und  damit  des  ganzen  babylonisch  -  assyrischen 
LängenmasssystemSy  deren  Resultate  Tafel  2  und  die  Tabelle 
zu  S.  122  geben,  darf  als  ein  Muster  umsichtigen  Scharf- 
sinnes bezeichnet  werden.  Der  Verfasser  bemerkte  ^  dass 
die  Zahlen  der  Columne,  welche  die  babylonischen,  und  der, 
welche  die  assyrischen  Masse  enthält,  nur  bei  der  mit  dem 
Ideogramm  U  bezeichneten,  nach  ihm  ammat  zu  lesenden 
Elle  in  Uebereinstimmung  sind,  und  erschloss  daraus  die 
Identität  der  absoluten  Grösse  der  babylonischen  und  der 
assyrischen  Elle,  die  für  die  erstere  schon  auf  0™,  525  be- 
stimmt war.  Während  für  Vielfaches  und  Theile  der  baby- 
lonischen Elle  das  Sexagesimalsystem  streng  durchgeführt 
ist,  hat  nach  den  Ermittelungen  des  Verfassers  bei  den 
Assyrern  der  kaspu  30  shush,  der  shush  60  X  2  Ruthen 
(qanu),  die  Ruthe  6  Ellen  (ammat),  die  Elle  3x2  Hände 
(qat),  die  Hand  5  Finger  (aban).  Auf  diese  Weise  stellt 
sich  das  wichtige  Ergebniss  heraus,  dass  das  babylonische 
und  das  assyrische  Längenmasssystem  von  einander  und 
beide  wieder  von  dem  persischen  durchaus  verschieden  sind, 
während  man  bisher  alle  drei  für  wesentlich  identisch  ge- 
halten hatte. 

Oppert,  der  diesen  Gegenständen  in  seiner  Schrift  ,,Etalon 
des  mesures  Assyriennes  fixe  par  des  textes  cuneiformes^' 
(Paris  1875,  8^.)  zuerst  eine  eingehendere  Untersuchung 
gewidmet  hatte,  wurde  durch  die  vorliegende  Schrift  zu  einer 
Mittheilung  an  die  Berliner  Akademie  veranlasst  („Die  Masse 
von  Senkereh  und  Chorsabad'^,  in  den  Monatsberichten  vom 
6.  December  1877),  in  welcher  er  die  Lepsiusschen  Ergeb- 
nisse hinsichtlich  der  Unter abtheilun gen  des  assyrischen  U 
angenommen  hat,  hingegen  an  seiner  früheren  Ansicht  fest- 
hält, dass  dieses  Mass  von  der  babylonischen  Elle  ver- 
470sclueden,  nicht  ammat,  sondern  ahu  zu  lesen  und  vielmehr 
eine  Halbelle  sei.  Er  stützt  sich  dabei  vornehmlich  auf  die 
Stelle  einer  Inschrift  des  Königs  Sargon,  nach  welcher  der 
Umfang  der  Ringmauer  von  Ghorsabad,  der  durch  Messungen 
Flandins  auf  6790  Meter  bestimmt  worden  ist,  200  -f  200  + 


LEPSIÜS,  BABYLONISCH-ASSYRISCHE  LAENGENMASSE.    173 

200  +  200  +  400  +  400  +  400  (d.  h.  2000  «  V/^  ner)  + 
1  SOS  4"  IV2  sa  +  2  U,  zusammen  also  24740  U  betragen 
habe^  woraus  sich  für  das  U  das  Mass  von  0™,  2742  ergab. 
In  unmittelbar  sich  anschliessenden  „Weiteren  Erörterungen 
über  das  babylonisch- assyrische  Längenmasssystem '^  macht 
Lepsius  für  seine  eigene  Auffassung  von  U  als  „Elle''  geltend^ 
dass  nach  ihr  nicht  nur  die  Finger  (uban)  wirklich  Finger 
[sind]  (nicht  Fingernägel,  wie  nach  Oppert),  sondern  auch  qanu 
dem  hebräischen  qäneh  entspricht,  welches  eine  Massruthe 
von  6  ganzen,  nicht  halben  Ellen  ist.  Gegen  Oppert  wendet 
er  ein,  dass  nach  ihm  die  Eile,  ja  alle  natürlichen  Körper- 
masse in  dem  assyrischen  System  gänzlich  fehlen  würden, 
und  dass  ein  System  von  Halbmassen,  wie  es  sich  nach 
seinen  Voraussetzungen  ergäbe,  etwas  ganz  Undenkbares  sei. 
Was  die  Inschrift  von  Chorsabad  betrifft,  so  erklärt  er 
Opperts  Deutung  derselben  für  eine  bei  allem  Scharfsinne 
sehr  künstliche  und  zieht  die  folgende  Uebersetzung  vor: 
shar  +  shar  +  shar  +  shar  (d.  h.  4  X  3600)  +  ner  +  ner  + 
ner  (d.  h.  3  X  600)  +  1  shush  +  ly^  sha  +  2  ammat,  zusammen 
also  16280  ammat  oder  8547  Meter;  den  Widerspruch  mit 
den  Messungen  Flandins  sucht  er  durch  die  Annahme  zu 
beseitigen,  dass  die  inschrifbliche  Angabe  die  kleineren  Aus- 
baue der  Umfassungsmauern  und  eine  sehr  bedeutende  jetzt 
zerstörte  Erweiterung  auf  der  Seite  des  Palastes  mit  in- 
begriffen haben  müsse.  In  einer  zweiten  Mittheilung  an  die 
Berliner  Akademie  („Die  babylonisch -assyrischen  Masse^',  in 
den  Monatsberichten  vom  4.  Februar  1878)  hat  Oppert  nicht 
ohne  eine  gewisse  Animosität  die  Lepsiussche  Erklär^mg  der 
Inschrift  von  Chorsabad  als  mit  dreissig  verschiedenen  über- 
einstimmenden Originaldocumenten  im  Widerspruch  und  die 
aus  dieser  Erklärung  gezogenen  metrologischen  Folgerungen 
für  unannehmbar  erklärt;  Lepsius,  was  nicht  überraschen 
konnte,  in  den  an  diese  Mittheilung  geknüpften  Bemerkungen 
erklärt,  seinen  Standpunkt  nicht  aufzugeben,  so  lange  nicht 
neues  Material  zur  endgültigen  Entscheidung  der  Frage  vor- 
gebracht worden  sein  würde. 

Referent  hat  sich  hier  auf  metrologischem  Gebiete,  auf 


174  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

welchem  er  nie  selbständig  gearbeitet  hat^  noch  arbeiten 
wird;  aaf  eine  blosse  Berichterstattung  beschränken  müssen, 
kann  aber  nicht  verhehlen,  dass  ihm  namentlich  die  von 
Lepsius  über  uban  und  qanu  gemachten  Bemerkungen  zu 
Gunsten  seiner  Ansicht  schwer  ins  Gewicht  zu  fallen 
scheinen. 


VII. 
Der  zehnte  ftrieehenkSiiig  im  Buche  Daniel.*)         sie 

Von  dem  vierten  Thiere^  welches  die  makedonische  Welt- 
monarchie bedeutet,  heisst  es  Daniel  7,  7 :  ,,es  war  auch  viel 
anders  denn  die  vorigen  und  hatte  zehn  Hörner.  Da  ich 
aber  die  Hörner  schauete,  siehe  da  brach  hervor  zwischen 
denselbigen  ein  anderes-  kleines  Horn^  vor  welchem  der 
vordersten  Homer  drei  ausgerissen  wurden/'  Die  zehn 
Homer,  die  7,  24  für  zehn  Könige  erklärt  werden,  sind,  wie 
allgemein  anerkannt  wird,  die  Könige  Asiens  von  Alexander 
bis  Antiochos  Epiphanes;  Gegenstand  des  Zweifels  kann  nur 
die  Bestimmung  der  drei  Könige  sein,  die  vor  dem  kleinen 
Hörn,  eben  dem  Epiphanes,  „ausgerissen^'  werden.  Die  ver- 
hältnissmässig  befriedigendste  Erklämng  erkennt  in  den 
dreien  Seleukos  Philopator,  Heliodoros  und  Demetrios  Soter. 
Seleukos  ward  durch  Heliodoros  ermordet;  die  Früchte  der 
That  genoss  Antiochos^  so  dass  ihm  die  That  selbst  imputirt 
werden  konnte.  Der  Usurpator  Heliodoros  ging  wirklich 
durch  Antiochos  unter.  Bedenklich  ist  nur  die  „Ausreissung'^ 
des  Demetrios,  der  damals  als  Geisel  in  Rom  lebte  und  den 
Oheim  um  ganze  17  Jahre  überlebte;  man  muss  also  die 
„Ausreissung''  zu  einer  „Uebergehung''  abschwächen  und  ist 
auch  dann  noch  zu  der  bedenklichen  Hypothese  genöthigt, 
dass  Antiochos'  Thronbesteigung  eine  Usurpation  war, 
während  es  doch  ganz  so  aussieht,  als  habe  Seleukos 
dem  Bruder  mit  Umgehung   der  noch  unmündigen  Kinder 

*)  [Rheinisches  Museom  für  Philologie  N.  F.  Band  XV  (1860) 
S.  816—818.] 


176  DEE  ZEHNTE  GRIECHENKOENIG 

die  TbroDfoIge  bestimmt:  ein  Verfahren^  das  in  einem 
orientalischen  Reiche  das  einzig  zweckmässige  war.  Aus 
diesem  Grunde  haben  andere  Ausleger  bei  dem  dritten 
Könige  an  Ptolemäos  Philometor  gedacht;  was  aber  noch 
weniger  für  sich  hat. 

Die  Frage  lässt  sich  jetzt  positiv  entscheiden  durch  das 
58.  Fragment  des  Joannes  von  Antiochien  (bei  Müller  IV 
S.  558):  „Antiochos  (IV.),  der  Konig  von  Syrien,  brachte  aus 
Argwohn  den  Sohn  seines  Bruders  Seleukos  (IV.)  ums  Leben, 
die  Ermordung  desselben  Anderen  beimessend,  welche  er  aus 
Furcht  (nämlich  vor  Entdeckung  des  wahren  Sachverhalts) 
ebenfalls  aus  dem  Wege  räumte."  Dieser  Neflfe  des  Epi- 
phanes,  ein  sonst  nicht  bekannter  älterer  Bruder  des  Deme- 
trios,  ist  ohne  Zweifel  das  dritte  „ausgerissene"  Hörn  im 
Daniel.  Der  Verlauf  war  höchst  wahrscheinlich  folgender. 
Als  Seleukos  starb,  benutzte  Heliodoros  die  Abwesenheit  des 
3i7Antiocho8 ,  der  auf  der  Heimkehr  von  Rom  begriffen  in 
Athen  verweilte,  zur  Durchführung  seiner  herrschsüchtigen 
Pläne,  schob  aber  fürs  Erste  den  ältesten  Sohn  des  ver- 
storbenen Königs  vor,  um  in  dessen  Namen,  zu  herrschen; 
erst  als  er  seine  Stellung  einigermassen  befestigt  hatte, 
griff  er  selbst  nach  dem  Diadem,  das  er  in  kürzester  Frist 
wieder  verlor.  Antiochos  Epiphanes  eroberte  mit  perga- 
menischer  Hülfe  das  Reich,  das  seinem  Vater  und  Bruder 
gehört  hatte,  und  entledigte  sich  in  der  Person  seines  Neffen 
eines  gefahrlichen  Nebenbuhlers,  der  sein  wohl  begründetes, 
eine  kurze  Zeit  lang  wirklich  ausgeübtes  Erbrecht  jeder  Zeit 
wieder  geltend  machen  konnte. 

Nach  unseren  schriftlichen  Quellen  datirt  die  Regierung 
des  Antiochos  IV.  vom  Jahre  der  Seleukiden  137,  die  damit 
unvereinbare  Münze  aus  dem  Jal^re  138  mit  BadiXicaq  Ze- 
Ievxov  (bei  Mionnet,  Suppl.  VIII,  24)  ist  wahrscheinlich  in 
der  Zeit  nach  dem  Tode  des  Seleukos  von  einer  Stadt 
geprägt,  die  es  mit  keinem  der  drei  Prätendenten  verderben 
wollte  und  daher  im  Namen  des  verstorbenen  Königs  zu 
münzen  fortfuhr. 

Ein    gutes   Stück   weiter    führt    uns    ein  Fragment  aus 


IM  BUCHE  DANIEL.  177 

dem  29.  Buche  des  Diodor,  welches  ebenfalls  erst  durch 
die  Stelle  des  Joannes  von  Antiochien  aufgehellt  wird.  In 
den  Exe.  Vatic.  p.  72  (Mai)  [XXX,  7,  2  Dind.]  heisst  es: 
,,Andronikos,  der  den  Sohn  des  Seleukos  ermordet  hatte, 
wurde  nun  seinerseits  getodtet,  und  so  theilte  der,  der  sich 
zu  der  ruchlosen  und  schrecklichen  That  von  freien  Stücken 
hergegeben  hatte,  gleiches  Schicksal  mit  seinem  Schlacht- 
opfer.'' Dass  hierdurch  die  ,, Anderen'',  denen  Antiochos  den 
Mord  seines  Neffen  in  die  Schuhe  schob,  näher  bestimmt 
werden,  und  dass  wir,  worauf  schon  Mai  aufmerksam  gemacht 
hat,  in  dem  Thäter  einer  schon  bekannten  Persönlichkeit, 
dem  Morder  des  „Bundesfürsten"  Onias  begegnen,  ist  noch 
das  Wenigste.  Die  Hauptsache  ist,  dass  durch  Yergleichung 
dieser  Stelle  mit  11.  Makkabäer  4,  30  —  38  der  ganze  Her- 
gang chronologisch  bestimmt,  in  den  richtigen  Zusammen- 
hang eingereiht  und  seinen  Motiven  nach  in  das  gehörige 
Licht  gesetzt  wird.  Zu  der  Zeit,  als  der  Hohepriester  Mene- 
laos,  um  Rechenschaft  zu  geben,  nach  Antiochien  vorgeladen 
wurde  (im  Jahre  171  v.  Ch.);  empörten  sich  die  Bürger  von 
Tarsos  und  Mallos,  weil  sie  Aiiktiochis,  dem  Eebsweibe  des 
Königs,  zum  Angebinde  geschenkt  worden  waren.  Der  König 
eilte  hin,  die  Ordnung  wiederherzustellen,  und  liess  als  Reichs- 
verweser Andronikos,  einen  der  Würdenträger  des  Reiches, 
zurück.  An  diesen  machte  sich  Menelaos  und  vermochte 
ihn  dazu,  den  früheren  Hohenpriester  Onias  umbringen  zu 
lassen.  Als  der  König  aus  den  kilikischen  Landen  zurück- 
kam, beschwerten  sich  die  in  der  Hauptstadt  befindlichen 
Juden  bei  ihm  wegen  der  ungerechten  Ermordung  des  Onias, 
über  welche  auch  die  Griechen  entrüstet  waren.  „Da  ward 
Antiochos"  —  so  sagt  uns  der  Auszug  des  Jason  von  Ky- 
rene  —  „herzlich  betrübt  und  gerührt  und  vergoss  Thränen 
wegen  der  Rechtschaffenheit  und  besonderen  Ehrbarkeit  des 
Verblichenen^',  und  zornentbrannt  liess  er  auf  der  Stelle  den 
Andronikos  des  Purpurs  entkleiden,  ihm  die  Gewänder  vom3l8 
Leibe  reissen,  ihn  so  in  der  ganzen  Stadt  herumführen,  dann 
aber  an  derselben  Stelle,  wo  er  den  Frevel  an  Onias  begangen, 
den  Mörder  aus  dem  Wege  räumen,  den  der  Herr  auf  diese 

▼.  GüTBGHMiD,  Kleine  Sohriften.   II.  12 


178  DER  ZEHNTE  GRIECHENKOENIG 

Weise  die  verdiente  Strafe  empfangen  Hess.  — -  Kilikien  er- 
hielt für  das  Seleukidenreich  nach  dem  Verluste  von  Asia 
eine  immer  grössere  Bedeutung;  es  ist  wohl  nicht  blosse 
Hypothese,  sondern  naheliegende  Combination,  wenn  wir  den 
in  dieser  wichtigen  Provinz  ausgebrochenen  Aufstand  mit 
dem  Untergange  des  Sohnes  des  Seleukos  in  Verbindung 
setzen:  die  Aufständischen  werden  den  Namen  des  legitimen 
Königs  auf  ihre  Fahnen  geschrieben  haben.  Daher  der  von 
Joannes  betonte  ,,  Argwohn '^  des  Antiochos  gegen  seinen 
Neffen,  der,  wie  aus  dem  Zusammenhange  hervorgeht,  in 
Antiochien  unter  der  Aufsicht  des  Andronikos  zurückgeblieben 
war.  Antiochos  schickt  an  Andronikos  den  geheimen  Befehl, 
den  gefahrlichen  Prätendenten  aus  dem  Wege  zu  räumen; 
Androntkos  gehorcht  und  bewahrt  das  Geheimniss  seines 
Herren.  Zurückgekehrt  findet  Antiochos  die  Hauptstadt  in 
grösster  Aufregung,  wohl  nicht  bloss  wegen  der  Ermordung 
des  Onias,  sondern  auch  wegen  der  Ermordung  des  könig- 
lichen Prinzen  und  wegen  der  despotischen  Art,  wie  An- 
dronikos seine  Stellvertretung  ausgeübt  hatte.  Antiochos 
mochte  mit  gutem  Grunde  eine  neue  Schilderhebung,  und 
zwur  in  Antiochien  selbst,  befürchten,  ergriff  also  die  An- 
klage der  Judenschaft  gegen  Andronikos  als  willkommenen 
Vorwand,  die  allgemeine  Erbitterung  auf  den  mitschuldigen 
Minister  abzuleiten  und  durch  Preisgabe  desselben  zu  ver- 
hindern, dass  er  nicht  später  aus  der  Schule  schwatzte.  Dass 
derselbe  Antiochos,  der  dem  Onias  bei  Lebzeiten  eitel  Herze- 
leid angethan  hatte,  der  den  an  dem  Morde  ganz  ebenso 
schuldigen  Menelaos  völlig  frei  ausgehen  liess,  der  unmittelbar 
darauf  drei  Gesandten  des  jüdischen  Raths,  die  über  die  Ver- 
gewaltigungen jenes  Renegaten  Beschwerde  führten,  ohne 
Weiteres  hinrichten  liess,  dass,  sage  ich,  dieser  Antiochos 
aus  sittlicher  Entrüstung  über  die  ungerechte  Ermordung 
des  Onias  das  Todesurtheil  über  Andronikos  ausgesprochen 
haben  sollte,  wird  dem  Jason  von  Eyrene  nicht  leicht 
Jemand  glauben.  Es  ist  ganz  interessant,  mit  Hülfe  der 
auf  Polybios  zurückgehenden  griechischen  Quellen  einen 
Blick  hinter  die  Scene  zu  werfen. 


IM  BUCHE  DANIEL.  179 

Ich  werde  wohl  schwerlich  auf  Widerspruch  stossen, 
wenn  ich  die  bei  Diodor  unmittelbar  folgende  aus  dem 
Zusammenhange  gerissene  Senteoz  ,,denn  die  Machthaber 
sind  gewohnt,  sich  aus  Gefahren  durch  das  Unglück  ihrer 
Freunde  zu  retten",  auf  die  Aufopferung  des  Andronikos 
durch  den  Antiochos  beziehe. 


12* 


VIII. 
Ans  Veranlassung  von  Frendenthals  Hellenistiscben  Studien. 

1.*) 

iQ42Freudenthal ,  Dr.  J. ,  Alexander  Polyhistor  und  die  von 
ihm  erhaltenen  Reste  judäischer  und  samaritanischer 
Geschichts werke.  Breslau  1876.  Skutsch.  (2  Beilagen, 
238  S.  gr.  8°.)     6  M. 

A.  u.  d.  T.:  Hellenistische  Studien  von  Dr.  J.  Freudenthal. 
1.  und  2.  Heft. 

Es  giebt  wenige  Stücke  der  alten  Literatur,  die  nach 
den  verschiedensten  Seiten  hin,  für  Erkenntniss  des  helleni- 
stischen Geisteslebens,  für  Entstehung  und  Zeitbestimmung 
der  LXX,  ja  für  die  Geschichte  des  Bibeltextes  überhaupt, 
so  wichtig  und  doch  in  dieser  Wichtigkeit  so  wenig  erkannt 
und  so  yernachlässigt  worden  sind,  wie  die  in  Eusebios' 
Praeparatio  evangelica  erhaltenen  Reste  der  jüdischen  Ge- 
schichte des  Alexander  Polyhistor.  Nur  scheinbar  spricht 
gegen  eine  solche  Vernachlässigung  die  Menge  der  entgegen- 
gesetztesten und  ohne  Ausnahme  oberflächlichen  Vermuthungen, 
die  darüber  aufgestellt  worden  sind,  von  denen  gerade  die 
haltloseste  von  allen,  dass  die  Schrift  dem  Polyhistor  unter- 
geschoben sei,  sich  besonderer  Verbreitung  erfreut  (sie  ist 
vom  Verfasser  S.  1748:  bündig  widerlegt  und  damit  hoflent- 
lich  für  alle  Zeiten  beseitigt  worden).  Die  Wissenschaft  kann 
sich  Glück  wünschen,  dass  so  lange  Versäumniss  nunmehr 
nachgeholt  worden   und   dass  diese  Aufgabe  in   so  berufene 


*)  [Literarisches  Centralblatt  1875  S.  1042—1044.] 


ANZEIGE  VON  FREüDENTHALS  HELLENISTISCHEN  STUDIEN.  181 

Hände  wie  die  des  Verfassers  gelegt  ist,  der  seine  eminente 
Befähigung  zu  UntersucliuDgeii  auf  diesem  Gebiete  bereits 
durch  die  classisch  zu  nennende  Monographie  über  das  so- 
genannte IV.  Makkabäerbuch  bekundet  hat.  Die  hohe  Be- 
deutung der  vorliegenden  Arbeit  besteht  vor  Allem  darin^ 
dass  ihr  Verfasser  die  Untersuchung  aus  ihrer  Isolirtheit 
herauszuheben,  sie  in  das  helle  Licht  der  gesammten  jüdisch- 
hellenistischen Entwickelung  zu  stellen  und  durchgängig  mit 
den  wichtigen  Fragen  der  Geschichte  des  Septuagintatextes^ 
der  Entstehung  des  jüdischen  Midrasch,  des  Verhältnisses 
des  Josephos  zu  seinen  Vorgängern  in  enge  Beziehung  zu 
setzen  verstanden  hat. 

Als  tüchtiger  Philolog  hat  er  vor  allen  Dingen  erst  die 
handschriftliche  Grundlage  untersucht  und  ist  zu  dem  Re- 
sultate gekommen  y  dass  das  Verwandtschafts verhältniss  und 
die  dadurch  bedingte  Werthschätzung  der  Handschriften  der 
Praeparatio  nicht  so  einfach  liegen,  wie  dies  noch  Dindorf 
meinte,  dass  z.  B.  weder  E  aus  I  abgeschrieben  ist,  noch  D 
ganz  ignorirt  werden  kann:  Referent  ist  erfreut,  hier  eigene, 
auf  anderem  Wege  (durch  eine  Prüfung  der  üeberlieferung 
in  den  auf  orientalische  Mythologie  und  Geschichte  bezüg- 
lichen Stücken)  gewonnene  Anschauungen  durch  einen  Kenner 
bestätigt  zu  sehen.  Ein  Handschriftenstammbaum  nebst 
kurzer  Begründung  (in  den  Anmerkungen  S.  199  ff.)  recht- 
fertigt die  vom  Verfasser  für  die  Texteskritik  ermittelten 
Principien.  Bei  der  Herstellung  des  Textes  (S.  219  ff.),  die 
in  jeder  Hinsicht  nur  zu  rühmen  ist,  konnte  eine  neue  Ver- 
gleichung  von  I  durch  Dr.  Benedikt  Niese  benutzt  werden, 
welcher  der  Verfasser  verdientes  Lob  spendet. 

Sodann  stellt  er  in  umsichtiger  Weise  die  Methode  fest, 
nach  der  Eusebios  den  Polyhistor,  Polyhistor  die  hellenisti- 
schen Historiker  reproducirt  hat,  indem  er  den  Eusebios  an 
seinen  Excerpten  aus  noch  erhaltenen  Schriftstellern,  den 
Polyhistor  durch  eine  Vergleichung  seiner  Auszüge  aus  Be- 
rossos  und  der  Sibylle  mit  den  entsprechenden  des  Josephos 
controlirt.  Das  Ergebniss  dieser  Prüfung  ist  ein  verhältniss- 
mässig  befriedigendes:  Eusebios  verfährt,  wo  er  seine  Quellen 


182  ANZEIGE  VON  FREUDENTHALS 

wörtlich  wiedergeben  will,  treu  und  ist  von  dem  Vorwurfe 
tendenzieller  Fälschung  durchaus  freizusprechen,  Polyhistor 
war  ein  ebenso  öeissiger  wie  unkritischer  Compilator,  der 
aber  ebensowenig  getischt,  seine  Quellen  vielmehr,  ab- 
gesehen von  einzelnen  bei  der  Ordnung  der  Excerpte  be- 
gangenen Irrthümem,  gewissenhaft  angegeben  hat.  Den 
Ausführungen  über  die  Beschaffenheit  des  Werkes  des  Poly- 
histor pflichtet  Referent  sonst  in  allen  Stücken  bei,  nur 
glaubt  er  nicht,  dass  es  „keinen  viel  grosseren  Umfang 
gehabt  habe,  als  die  Fragmente  des  Eusebios  heute  ein- 
nehmen'' (S.  33).  Dass  Eusebios  anderenfalls  noch  mehr 
Auszüge  aufgenommen  haben  würde,  ist  kein  stichhaltiger 
i04sGrund:  er  beschränkt  sich  auf  Heraushebung  des  auf  die 
wichtigsten  Wendepunkte  der  biblischen  Geschichte  Bezüg- 
lichen, Abraham,  Joseph,  Exodus  und  Tempelbau,  was  das 
meiste  Interesse  bot  und  apologetischen  Zwecken  am  besten 
diente;  weder  lässt  sich  daraus  folgern,  dass  Polyhistor  die 
übrige  biblische  Geschichte  nur  karz  berührte,  noch  mit 
Sicherheit  sagen,  ob  nicht  auch  judenfeindlicbe  Historiker, 
wie  Molon  u.  A.,  in  viel  grösserem  umfange  herangezogen 
waren,  als  es  in  den  Mittheiluogen  des  Eusebios  'zu  Tage 
tritt.  Ebensowenig  ist  es  beweisend,  dass  gerade  in  den 
genannten  Partien  und  nur  in  ihnen  der  Verfasser  Be- 
rührungen zwischen  Josephos  und  Polyhistor  zu  finden 
meint:  Beferent  kann  weder  eine  directe  noch  eine  indirecte 
Benutzung  Polyhistors  in  der  jüdischen  Archäologie  als  er- 
wiesen ansehen  und  muss  sogar  leugnen,  dass  dem  Josephos, 
als  er  sie  schrieb,  Polyhistors  Jüdische  Geschichte  bekannt 
gewesen  ist:  das  Fragment  über  die  Kinder  der  Ketura  wird 
aus  der  Libyschen  Geschichte  sein;  erst  als  er  die  Bücher 
gegen  Apion  schrieb,  sah  er  jenes  andere  Werk  des  Poly- 
histor flüchtig  ein,  ohne  es  jedoch  zu  benutzen. 

Auf  die  hellenistischen  Quellen  des  Polyhistor  eingehend, 
charakterisirt  uns  der  Verfasser  zunächst  den  Demetrios 
treffend  als  einen  schlichten  und  ehrlichen,  den  Text  der 
LXX  treu  wiedergebenden  Chronographen  und  betont  die 
Wichtigkeit,  die  seine  Auszüge  für  die  Textesgeschichte  der 


HELLENISTISCHEN  STUDIEN.  183 

LXX  haben;  nicht  ohne  auf  den  Einfluss,  den  die  Pflege  der 
aTCoQtav  xal  Xvöcig  und  ihre  Uebertragung  von  der  Homeri- 
schen auf  die  biblische  Exegese  auf  seine  Behandlungsweise 
geübt,  und  auf  andere  Zusammenhänge  ähnlicher  Art  in 
feiner,  sachkundiger  Weise  hinzudeuten.  Der  Verfasser 
nimmt  an,  dass  Demetrios  unter  Ptolemäos  III.  geschrieben 
habe,  und  dass  bei  Giern.  Strom.  I  p.  403  F.  tSTccgtov  in 
xqCxov  zu  y erändern  sei;  es  hängt  dies  mit  seiner  Erklärung 
dieser  Stelle  und  dem  darauf  gegründeten  Herstellungs- 
versuche  der  Zeitrechnung  des  Demetrios  zusammen.  Re- 
ferent ist  abweichender  Ansicht,  doch  würde  eine  Erörterung 
dieser  Frage  hier  zu  weit  führen.*)  War  es  bei  Demetrios 
die  Zeitbestimmung,  so  war  es  bei  Eupolemos  die  Her- 
kunft des  Verfassers,  die  unübersteigliche  Schwierigkeiten 
zu  schafPen  schien:  der  proteusartige  Charakter  seiner  Frag- 
mente liess  in  ihm  bald  einen  Juden,  bald  einen  Samaritaner 
vermuthen,  und  da  er  nicht  wohl  Beides  zugleich  gewesen 
sein  kann,  so  glaubte  man  schliesslich  am  Sichersten  zu 
gehen,  wenn  man  ihn  für  einen  Heiden  erklärte.  Der  Ver- 
fasser hat  die  Sache  durch  den  Nachweis  ins  Reine  gebracht, 
dass  das  Stück  eines  ungenannten  samaritanischen  Historikers 
über  Abraham  fälschlich  unter  die  Auszüge  des  Eupolemos 
gerathen  ist;  in  den  übrigen  finde  sich  nichts,  was  nicht 
von  einem  Juden  geschrieben  sein  könne,  und  es  stehe  nichts 
mehr  im  Wege,  ihn  mit  dem  Eupolemos,  welchen  Judas 
Makkabäos  als  Gesandten  nach  Rom  schickte,- für  Eins  zu 
halten.  Für  die  Beurtheilung  des  schriftstellerischen  Charak- 
ters des  Eupolemos  schafiFt  der  Verfasser  durch  Vergleichung 
der  wörtlich  erhaltenen  Briefe  mit  ihrer  Quelle,  den  Büchern 
der  Chronik,  eine  sichere  Grundlage  und  zeigt,  dass  er, 
freilich  unbeholfen  genug,  den  rhetorischen  Stil  griechischer 
Muster  nachzuahmen  gesucht  hat;  von  Wichtigkeit  ist  der 
elegant  geführte  und  unseres  Erachtens  gelungene  Beweis, 
dass  Eupolemos  den  Pseudo  -  Aristeas  gekannt  hat.  Unter 
den   Auszügen   des   Polyhistor   findet    sich    auch    einer   aus 


*)  [Vgl.  unten  S.  186  flf.    F.  R.] 


184  ANZEIGE  VON  FREüDENTHALS 

Aristeas   iv  %ä  %6qI  ^lovSamv^    der   durch  seine  enge  Be- 
rührung mit  der  sich  auf  ein  aramäisches  Targum  berufenden 
Nachschrift  zur  griechischen  Uebersetzung  des  Hiob  bemer- 
kenswerth  ist.     Der  Verfasser  nimmt  an,  dass  dieser  ausser 
allem  Zusammenhange  mit  dem  Pseudo  -  Aristeas  steht,  und 
hält  ihn  für  die  Quelle  jener  Nachschrift  der  LXX;  Ersteres 
dürfte  ebenso  richtig,  wie   das  Letztere    grundlos   sein:   es 
liegt  doch  gewiss  näher,  mit  Kamphausen  anzunehmen,  dass 
Aristeas  die  Nachschrift   bereits  vorgefunden   und    aus   ihr 
geschöpft  hat.    Um  so  einleuchtender  und  geradezu  glänzend 
zu  nennen  ist  die  Lösung  der  Räthsel,  welche  uns  die  Schrift 
des  Artapanos  aufgiebt,  ein  phantastisches,  fabelreiches  Mach- 
werk, das  es  einerseits  in  durchsichtigster,  meist  recht  plumper 
Weise   auf  Verherrlichung   der  Juden   absieht,    andererseits 
I044zahlreiche  Dinge  enthält,  die  ein  Jude  unmöglich  geschrieben 
haben  kann,  z.  B.  die  Einführung  des  Thierdienstes  durch 
Moses.     Der  Verfasser  sieht   in   ihr    ein  von   einem  Juden 
untergeschobenes  und  in  tendenzieller  Absicht  einem  Heiden 
in  den  Mund  gelegtes  Buch  und  erkennt  es  wieder  in  der 
avaygatpri^  r^v  iistsXdßofisv  naga  räv  xatä  triv  koyiGndtrjv 
Atyvntov  Xoyicycaxiov  aQxisgimv  tcbqX  tov  yivovg  täv  'lov- 
SaCmVj  welche  Pseudo- Aristeas  (14,  3)  früher  seinem  Philo- 
krates  überschickt  haben  will,  so  dass  also  Niemand  anders 
als  Pseudo  -  Aristeas  als  der  Urheber  auch  dieses  Betruges 
anzusehen  sein  werde.    Der  wahre  Verfasser,  meint  Freuden- 
thal  S.  153,   möge   die   Fiction   gewählt   haben,   einem   in 
Aegypten    wohnenden    Perser    die    Geschichte    Israels    von 
ägyptischen  Priestern  erzählen  zu  lasaen,  doch  noth wendig 
sei  diese  Annahme  nicht.     Dem   Eleferenten  scheint  sie  die 
nothwendige    Ergänzung    der    ganzen    Hypothese    zu    sein: 
mögen  auch  persische  Namen  bei  den  Aegyptem  in  Gebrauch 
gewesen  sein,  gewiss  waren  es  doch  seltene  Ausnahmen,  und 
dass  ein  Fälscher,  der  seinem  Pseudepigraphon  durch  die  Auf- 
schrift Glauben  verschaffen  wollte,  gerade  eine  solche  seltene 
Ausnahme  gewählt  haben  sollte,   ist  wenig  wahrscheinlich. 
Die  andere  Erklärung  des  Namens  Artapanos  lässt  sich  da- 
gegen   durch    die    ganz    ähnliche    Einkleidung    eines    dem 


HELLENISTISCHEN  STUDIEN.  185 

Sjnkellos  S.  471;  11  bekannten  Apokryphons  stützen:  der 
Philosoph  Demokrit  und  eine  weise  Hebräerin  Maria  sollen 
bei  Istanes  dem  Meder,  den  die  persischen  Könige  nach 
Aegypten  als  Aufseher  über  die  dortigen  Tempel  geschickt 
hatten,  im  Tempel  zu  Memphis  zusammen  mit  anderen 
Priestern  und  Philosophen  ein  Privatissimum  über  Alchymie 
gehört  haben.  Durch  die  geistvolle  Combination  mit  Pseudo- 
Aristeas  ist  in  Bezug  auf  Artapanos  mit  einem  Schlage 
Alles  klar.  Diese  Spur  hat  der  Verfasser  weiter  zu  ver- 
folgen und  den  Nachweis  zu  führen  gesucht,  dass  auch  der 
Pseudo-Hekatäos  und  die  untergeschobenen  Orphischen  Verse, 
die  von  Aristobul  angeführt  werden,  demselben  Fälscher 
ihren  Ursprung  verdankten.  Dieser  Versuch,  alle  Fälschungen 
der  ägyptischen  Juden  auf  ein  schuldiges  Haupt  abzuladen, 
hat  für  den  Referenten  nichts  Ueberzeugendes.  Man  kann 
sich  doch  nicht  verhehlen,  dass  die  Existenzbedingungen 
des  alexandrinischen  Judenthumes  recht  ungesunde  gewesen 
sind:  eine  Diaspora,  die  recht  gläubig  sein  will  und  doch 
zum  Aergerniss  für  alle  rechten  Juden  ihren  Sondercultus 
in  Leontopolis  pflegt,  Geschäftsleute,  die  bei  Hofe  liebes 
Kind  sind  und  die  grossen  Herren  spielen,  dabei  aber  vor 
dem  Hasse  der  einheimischen  Bevölkerung  keinen  Tag  ihrer 
Habe  und  ihres  Lebens  sicher  sind,  Literaten,  die  den  Aus- 
tausch der  geistigen  Güter  von  Griechen  uud  Juden  ver- 
mitteln wollen  und  dabei  weder  ordentlich  Griechisch  noch 
Hebräisch  verstehen,  ein  Schriftthum,  das  gauz  durchdrungen 
ist  von  der  Tendenz,  den  Griechen  die  ungemeine  Wichtig- 
keit des  jüdischen  Volkes  zu  Gemüthe  zu  führen,  und  sich 
dabei  verhehlt,  dass  nicht  die  classische  Vergangenheit,  son- 
dern die  Tüchtigkeit  ihrer  palästinischen  Vettern  der  Rechts- 
titel ist,  der  auch  ihnen  in  den  Augen  der  Griechen  ein 
Ansehen  giebt:  das  sind  innere  Widersprüche,  unter  denen 
hier  ein  apologetisches  Fälscherthum  wie  von  selbst  auf- 
keimen und  ins  Kraut  schiessen  musste. 

Es  wird  keiner  Entschuldigung  bedürfen,  dass  wir  gegen- 

^  über  einem  Manne  von  der  Bedeutung  des  Verfassers  gerade 

bei  den  Punkten,  in  denen  wir  nicht  völlig  übereinstimmten, 


186  ZEIT  UND  ZEITRECHNUNG 

besonders  verweilten;  wir  glauben  auch  auf  diesem  Wege 
den  über  das  Gewöhnliche  emporragenden  Werth  dieser  nach 
der  philologischen,  wie  nach  der  literargeschichtlichen  Seite 
hin  gleich  ergebnissreichen  Leistung  des  Verfassers  hinläng- 
lich hervorgehoben  zu  haben,  der  durch  seltene  Vereinigung 
classischen  und  hebräischen  Wissens  wie  Wenige  für  eine 
derartige  Arbeit  geeignet  war. 


2.*) 

744  Zeit  und  Zeitrechnung  der  jüdischen  Historiker  Demetrios 

und  Eupolemos. 

Bei  der  Bedeutung,  die  eine  richtige  Altersbestimmung 
des  ältesten  jüdisch-alexandrinischen  Historikers  Demetrios 
für  die  Altersbestimmung  der  LXX  hat,  scheint  es  mir  auch 
nach  der  neuesten  Behandlung  der  Frage  in  der  trefiTlichen 
Schrift  von  Freudenthal,  Alexander  Polyhistor  S.  57flf,**) 
nicht  überflüssig,  auf  die  betreffende,  leider  anerkannter- 
massen  verdorbene  Stelle  des  Clemens  (Strom.  I  p.  403  Pott.) 
näher  einzugehen.  „Demetrios  —  heisst  es  —  sagt,  der 
Stamm  Juda,  Benjamin  und  Levi  sei  nicht  von  Senacherim 
in  die  Gefangenschaft  geführt  worden,  sondern  es  seien  von 
dieser  Gefangenschaft  bis  zu  der  letzten,  die  Nabuchodonosor 
aus  Jerusalem  wegführte,  128  Jahre  6  Monate,  seit  der 
Gefangenschaft  der  zehn  Stämme  aus  Samaria  bis  auf  Pto- 
lemäos  IV.  573  Jahre  9  Monate,  seit  der  aus  Jerusalem 
338  Jahre  3  Monate.*'  Weil  es  falsch  ist,  dass  Sanherib 
die  zehn  Stämme  weggeführt  habe,  nimmt  Freudenthal  eine 
durch  Clemens'  Fahrlässigkeit  verschuldete  Lücke  an,  rechnet 
die  128  Jahre  6  Monate  von  Sanherib  bis  zur  dritten  Weg- 
führung im  23.  Jahre  Nebukadnezars  und  bezieht  die  indirect 


*)  [Jahrbücher  für  protestantische  Theologie  Bd.  I  (1875)  S.  744 
—763.] 

•*)  [Vgl.  oben  S.  188.     F.  R.] 


DES  DEMETRIOS  UND  EÜPOLEMOS.  187 

aus  der  Subtraction  sich  ergebenden  135  Jahre  6  Monate 
auf  das  Intervall  von  der  Gefangenschaft  der  zehn  Stämme 
bis  ebendahin,  hebt  den  Widerspruch,  dass  die  Bücher  der 
Konige  für  den  ersten  Zeitraum  130  Jahre  6  Monate,  far745 
den  zweiten  138  Jahre  6  Monate  ergeben,  durch  die  An- 
nahme, dass  Demetrios  zweimal  das  letzte  Begierungsjahr 
als  unvollendet  nicht  mit  in  Rechnung  gebracht  und  aus 
irgend  welchem  Grunde  Samarias  Einnahme  um  ein  Jahr 
später  gesetzt  habe;  sodann  nimmt  er  die  längst  als  noth- 
wendig  erkannte  Aenderung  von  473  Jahren  9  Monaten  statt 
573  Jahre  9  Monate  auf,  ändert  aber,  weil  das  Resultat  der 
Rechnung  zu  sehr  von  der  Wahrheit  abliegt,  den  lY.  Pto* 
lemäos  in  den  III.  Hiergegen  ist  Folgendes  einzuwenden: 
1)  Unter  den  zahllosen  jüdischen  und  christlichen  Chrono- 
graphen, deren  Abrisse  der  biblischen  Zeitrechnung  wir 
kennen,  ist  es  auch  nicht  einem  einzigen  eingefallen,  die 
partielle  und  nur  aus  einem  eingeschalteten  Verse  des  Jeremia 
bekannte  Wegführung  im  23.  Jahre  Nebukadnezars  zum  End- 
punkte seiner  Rechnung  zu  machen:  drei  Gefangenschaften 
kamen  in  Betracht,  die  der  zehn  Stämme,  die  unter  Jojachin 
im  8.  und  die  unter  Zedekia  im  19.  Jahre  Nebukadnezars, 
nur  die  letztere  kann  gemeint  sein.  2)  Es  lässt  sich  sogar 
noch  aus  dem  Wortlaute  selbst  die  Unmöglichkeit  beweisen, 
die  Stelle  auf  die  Wegführung  im  23.  Jahre  Nebukadnezars 
zu  beziehen:  da  für  diese  keine  Jahreszeit  augegeben  ist,  so 
konnte  Demetrios  zwar  die  bis  zum  Anfangsjahre  des  Pto- 
lemäos  lY.  verflossenen  Jahre,  auf  keinen  Fall  aber  noch 
drei  überschüssige  Monate  ausrechnen:  diese  führen  vielmehr 
mit  Sicherheit  auf  den  Jahrestag  der  Gefangenschaft  nach 
der  Zerstörung  Jerusalems  unter  Zedekia  am  siebenten  oder 
zehnten  Tage  des  fünften  Monats;  von  da  war  in  der  Mitte 
des  siebenten  Monats,  in  welche  im  Jahre  222  v.  Gh.  der 
ägyptische  Neujahrstag  gefallen  sein  mnss,  der  dritte  Monat 
laufend.  3)  Wenn  bei  solchen  Rechnungen  nicht  Alles  stimmt, 
stimmt  eben  gar  nichts,  die  Differenz  von  drei  Jahren  in  der 
gedachten  Weise  zu  erklären,  geht  nicht  an,  da  der  treu  an 
den  Bibeltext  sich  haltende  Demetrios  für  ihre  Eliminirung 


188  ZEIT  UND  ZEITRECHNUNG 

doch  irgend  welchen  Grund  gehabt  haben  müssie:  ein  solcher, 
aber  ist  absolut  unerfindlich^  die  Scheidung  ron  vollen  und 
nicht  rollen  Jahren,  wodurch  Neuere  Schwierigkeiten  in  der 
Zeitrechnung  der  Bücher  der  Könige  zu  heben  yersucht 
746haben,  ist  der  antiken  Chronographie  völlig  fremd.  4)  In 
einer  schwerverdorbenen  Stelle  gerade  die  einzige  Zahl  an- 
zutasten, die  sich  nicht  wie  die  anderen  durch  inneren  Wider- 
spruch als  unmöglich  ausweist,  ist  sehr  bedenklich,  und  die 
Nichtübereinstimmung  mit  der  wahren  Zeitbestimmung  recht- 
fertigt die  Aenderung  des  IV.  Ptolemäos  in  den  III.  um  so 
weniger,  als  die  jüdisch  -  christliche  Chronographie  noch  bis 
in  das  siebente  Jahrhundert  n.  Ch.  hinsichtlich  der  Ansetzung 
des  Endjahres  des  Reiches  Juda,  für  welches  die  Bibel  kein 
lediglich  mit  den  Mitteln  biblischer  Exegese  sicher  bestimm- 
bares Datum  bietet,  aus  dem  Zustande  des  Tastens  und 
Schwankens  nicht  herausgetreten  ist  und  die  bunteste  Man- 
nigfaltigkeit darbietet.^) 

Nun  ist  es  aber  nichts  weniger  als  sicher,  dass  bei 
Clemens  zwei  verschiedene  Ausgangspunkte  der  Rechnung 
vorliegen,  er  selbst  ist  offenbar  der  Meinung,  eine  niedere 
Zahl,  eine  höhere  Zahl  und  das  Intervall  beider  zu  geben. 
Ja  nicht  einmal  das  steht  fest,  dass  nicht  Demetrios  in  der 
That  den  Sanherib  für  eine  Person  mit  Salmanassar  erklärt 
hat:  wirklich  thut  dies  Hieronymus  im  Chronikon  zum  Jahre 
Abr.  1270,  ohne  Zweifel  seinen  jüdischen  Lehrern  folgend, 
und  es  wäre  nicht  das  erste  Mal,  dass  eine  solche  exegetische 
Ansicht  sich  als  sehr  alt  auswiese.  Geht  man  davon  aus, 
dass  die  Bücher  der  Könige  von  Sanherib  an  125  Jahre 
6  Monate  ergeben,  so  würde  an  der  ersten  Stelle  nevte  für 
oxtd  herzustellen  sein,  eine  Aenderung,  die  durch  die  Sub- 
traction  der  beiden  anderen  Posten,  die  für  die  Einer  eine 
Fünf  ergiebt,  gesichert  zu  werden  scheint.  Da  eine  Aen- 
derung von  ißdofii^xovta  in  i^i^xovta  sich  von  selbst  ver- 
bietet, so  bleibt  nur  bei  der  dritten  Zalil  die  Verwandlung 

1)  Dies  gilt  io  gleicher  Weise  gegenüber  dem  Vorschlage 
L.  Mendelssohns,  den  IV.  Ptolemäos  in  den  VII.  und  die  338  Jahre 
in  438  zu  verwandeln. 


DES  DEMETRIOS  UND  EÜPOLEMOS.  189 

von  TQtäxovta  in  Tstrctgdxovra  übrig,  was  eine  sebr  bäufige 
Vertauscbung  ist.  Also  würde  Clemens  vom  Einfalle  des 
Sanherib;  mit  welcbem  Polybistor,  aus  dem  ja  das  Frag- 
ment des  Demetrios  stammt^  die  Wegfübrung  der  zebn 
Stamme  vermengt  baben  mag,  bis  auf  Ptolemäos  IV.,  dessen747 
erstes  Jahr  vom  18.  October  222  v.  Ob,  läuft,  473  Jabre 
9  Monate,  von  der  Gefangenscbaft  unter  Zedekia  bis  eben- 
dabin 348  Jahre  3  Monate  gerechnet,  somit  beide  Ereignisse 
in  695  und  570  v.  Ch.  gesetzt  haben.  Fast  genau  dieses 
Jahr,  nämlich  569,  rechnen  die  Excerpta  Latina  barbari  p.  56 
(70)  ed.  Seal.  [p.  204  Schöne]  aus,  welche  fQr  diese  Partie 
aus  alexandrinischen  Quellen  schöpfen.  Die  Uebereinstimmung 
ist  sicher  nicht  zufällig,  ja  sie  erstreckt  sich  sogar  auf  die 
Summe  von  128  Jahren,  welche  die  Excerpta  herausbringen, 
indem  sie  wegen  Daniel  1, 1  dem  Jojachin  drei  Jabre  geben, 
und  es  hat  die  Annahme  etwas  Yerfilhreriscbes,  dass  uns  hier 
die  Excerpta  nicht  bloss  ein  verwandtes,  sondern  geradezu 
das  chronologische  System  des  Demetrios  selbst  erhalten 
haben,  dass  also  nicht  die  128  in  125  Jahre,  sondern  was 
paläographisch  unleugbar  leichter  ist,  die  573  (90/)  in  476 
{vog)  Jahre  zu  verwandeln  seien.  Nun  können  aber  die 
Excerpta  die  Ansätze  des  Demetrios  treu  schon  deshalb 
nicht  wiedergeben ,  weil  ihre  Zeitrechnung  von  der  christ- 
lichen Voraussetzung  ausgeht,  dass  von  Adam  bis  auf  Christi 
Tod  5500  Jahre  verflossen  seien,  und  ein  Eingeben  auf  die 
Entstehung  der  auffälligen  Zeitbestimmung  fQr  die  Zerstörung 
von  Jerusalem  befreit  den  Demetrios  von  dem  Verdachte 
eines  stummen  Hinweises  auf  das  Danielbuch.  Das  späteste 
Datum ^  bis  zu  welchem  sich  in  den  echten  Büchern  des 
alten  Testamentes  eine  fortlaufende  Zeitrechnung  verfolgen 
lässt,  ist  die  Gleichsetzung  des  zweiten  Jahres  des  Dareios 
(520)  mit  dem  70.  Jahre  des  Zornes  über  Jerusalem  und 
Jnda  bei  Sacharja  1,  7.  12.  Wem  die  wahre  Zeit  des  Nebu- 
kadnezar  und  Kores  aus  den  chaldäischen  Annalen  nicht 
bekannt  war,'  dem  lag  nichts  näher,  als  dieses  Datum  mit 
der  Jeremianischen  Berechnung  der  70  Exilsjahre  (25^  1.  11) 
zu  verknüpfen,  als  das  aus  Sacharja  berechnete  Anfangsjahr 


190  ZEIT  UND  ZEITRECHNUNG 

589  dem  vierten  des  Jojakim  und  ersten  des  Nebuk&dnezar 
gleichzusetzen.     Wer  so  rechnete,  dem  fiel  der  Regierungs- 
anfang des  Jojakim  in  592,  des  Jojacbin  in  581;  des  Zedekia 
gleichfalls    in   58 1,    letzte    Gefangenschaft    und    Zerstörung 
748jerusalems  in  570.     So   stimmt  Alles  im   Sinne  des  Deme- 
trios:   der  Einklang  schwindet,   sobald  man  hier  eine  drei- 
jährige Regierung  des  Jojachin  einschiebt;  ausserdem  würde 
auch  die  von  Clemens  angegebene  Monatssumme  nicht  mehr 
zutreffen:  statt  sechs  würden  nur  drei  Monate  herauskommen. 
Die  mit  den  drei  Jahren  Jojachins  zusammenhängenden  128 
Jahre   sind    also   nur   eine    sehr   alte,   sicher   von   Clemens, 
möglicherweise    sogar    schon    von    Polyhistor   vorgefundene 
Interpolation.    In  seiner  lediglich  auf  exegetischem  Wege  er- 
mittelten Bestimmung  des  Endjahres  der  jüdischen  Geschichte 
musste  Demetrios  durch  ägyptische  Synchronismen,  die  ein- 
zigen, deren  Kenntniss  und  Berücksichtigung  ihm  zugetraut 
werden  kann,  bestärkt  werden.    Als  ein  Theil  der  Juden  im 
siebenten  Monate  nach  der  Zerstörung  von  Jerusalem  nach 
Aegypten  auswanderte,  droht  ihnen  Jeremia,  der  sie  vergeb- 
lich davon  abzuhalten  gesucht  hatte,  44,  30:  „so  spricht  der 
Herr   also:    siehe,    ich   will  Pharao    Haphra,   den  König   in 
Aegypten,  übergeben  in  die  Hände  seiner  Feinde  und  derer, 
die  ihm  nach  seinem  Leben  stehen.^'    Ein  bibelfester  Exe'get 
wie  Demetrios  konnte  nicht  anders  als  an  das  unmittelbare 
Eintreffen  dieser  Prophezeihung  glauben:  kam   er  nun  mit 
Hülfe  ägyptischer  Annalen,  von  der  verbreitetsten  Annahme, 
welche  die  persische  Eroberung  in  525  setzt,  ausgehend,  auf 
569  als  Todesjahr  des  Haphra,  so  musste  sich  ihm  wie  von 
selbst  die  Consequenz  ergeben,  dass  Jerusalem  in  dem  Jahre 
vor  Haphras  Untergang  zerstört  worden  sei,  also  570.    Und 
ein  weiterer  Synchronismus  musste  ihn   in  seinem  Irrthum 
bestärken:  die  Bücher   der  Könige  erwähnen  im   14.  Jahre 
des  Hiskia  erst  18,  21  Pharao,  den  König  in  Aegypten,  dann 
im  Verlaufe   derselben  Begebenheiten  19,  9  Thirhaka,   den 
König  der  Mohren,  als  Gegner  des  Sanherib.    iDaraus  schien 
zu  folgen,  dass  Thirhaka  in  eben  diesem  Jahre  zur  Herr- 
schaft gelangt  sei.   Thirhaka  scheint  697  König  von  Aegypten 


DES  DEMETRIOS  UND  EUPOLEMOS.  191 

geworden  zu  sein;  wer  aber  die  persische  Eroberung  um  zwei 
Jahre  zu  spät  setzte^  der  kam  auch  mit  Thirhaka  in  695, 
also  gerade  in  das  von  Demetrios  ftlr  den  Einfall  des  San- 
herib  ausgerechnete  Jahr.  Damit  scheint  mir  die  Zeitrechnung 
des  Demetrios  sichergestellt  und  die  Richtigkeit  der  Angabe^Tis 
dass  er  seine  Rechnungen  auf  Ptolemäos  lY.  herabgeführt; 
also  unter  diesem  geschrieben  hat,  erwiesen  zu  sein. 


In  Bezug  auf  Zeit  und  Zeitrechnung  des  Eupolemos 
hat  Freudenthal;  Alexander  Polyhistor  S.  212  ff.  das  Wesent- 
liche vorweggenommen.  Das  ;; fünfte  Jahr  des  Reiches  des 
Demetrios ;  als  Ptolemäos  das  zwölfte  Jahr  über  Aegypten 
herrschte",  auf  welches  nach  Clemens  (Strom.  I  p;  404  Pott.) 
Eupolemos  seine  Rechnungen  herabführte,  hat  er  richtiger 
als  die  meisten  seiner  Vorgänger  auf  das  Jahr  Herbst  158/ 
Herbst  157  bezogen,  in  welchem  Demetrios  I.  mit  den  Juden 
Frieden  schloss:  was  Clemens  hinzufügt,  es  seien  von  da 
bis  auf  das  Consularjahr  40  v.  Ch.  (in  dem  Herodes  König 
wurde)  120  Jahre  verflossen,  lässt  keinen  Zweifel  übrig. 
Ganz  so  glatt,  wie  es  nach  Freudenthal  scheinen  könnte, 
liegen  die  Sachen  jedoch  nicht.  Er  sagt,  „jenes  Jahr  sei 
das  fünfte  des  Demetrios  Soter  und  das  zwölfte  des  Ptole- 
mäos Physkon,  nach  dessen  Thronbesteigung  im  Jahre  170 
ein  Nichtägypter  wie  Eupolemos  so  gut  zählen  konnte  wie 
nach  der  des  Ptolemäos  Philometor/^  Beides  muss  ich  be- 
streiten. Im  Jahre  158  regierte  Euergetes  H.  gar  nicht  in 
Aegypten,  die  Worte  ßaötksvovrog  AIyvtczov  müssten  also 
von  vornherein  als  irrthümlich  preisgegeben  werden;  die 
einzige  Möglichkeit,  den  eigenthümlich  ausgedrückten  Syn- 
chronismus als  Eigenthum  des  Eupolemos  aufrecht  zu  halten, 
wäre  die  Annahme,  dass  er  in  Eyrene  als  Unterthan  des 
Euergetes  H.  geschrieben  hätte.  Aber  dann  müsste  man 
wenigstens  verlangen,  dass  der  Synchronismus  ein,  genauer 
wäre.  Das  ist  er  aber  nicht:  die  Jahre  des  Euergetes  U. 
laufen  vom  5.  October  170,  in  dem  Jahre,  welches  Herbst 


192  ZEIT  UND  ZEITRECHNUNG 

158  beginnt;  Jbatte  er  zwölf  volle  Jahre  regiert  und  es  lief 
das  dreizehnte.  Der  Synchronismus  ist  also  sicher  erst  nach- 
träglich;  und  frühestens  146,  wo  Euergetes  II.  sich  Aegy- 
ptens   bemächtigte   und  dort   seine   eigene  Aera   zur  mass- 

760gebenden  machte,  ausgerechnet  worden  und  ist  dem  Eupo- 
lemos  abzusprechen,  von  dem  nur  die  Nennung  des  fünften 
Jahres  des  Demetrios  herrühren  kann.  Von  diesem  an  ge- 
rechnet kommen,  wie  Freudenthal  richtig  gesehen  hat,  die 
120  Jahre  bis  40  y.  Gh.  nicht  genau  heraus;  geht  man  aber 
vom  zwölften  Jahre  des  Euergetes  IL  aus,  das  am  2.  October 

159  beginnt,  so  sind  bis  zur  Ernennung  des  Herodes  zum 
Könige,  die  gegen  Ende  40  erfolgt  ist,  wenn  man  nach  der 
Sitte  der  Alten  das  Endjahr  in  die  Rechnung  mit  einschliesst, 
wirklich  120  Jahre  verflossen.  Damit  ist  bewiesen,  dass  von 
demselben  Chronologen,  der  die  Zeitangabe  durch  die  weitere 
Rechnung  bis  auf  das  Jahr  40  erläutert  hat,  auch  die  Yer- 
gleichung  mit  dem  zwölften  Jahre  des  Euergetes  II.  hinzu- 
gefügt worden  ist.  Aus  diesem  Umstände  lässt  sich  weiter 
folgern,  dass  derselbe  in  Aegypten  geschrieben  hat.  Wahr- 
scheinlich hat  ihn  Clemens  sogar  ausdrücklich  genannt:  es 
hat  für  mich  hohe  paläographische  Wahrscheinlichkeit,  dass 
die  Worte  äjco  Sh  xov  XQOVOV  tovtov  olxqi  xäv  iv  ^PdpLf] 
vjtdvcov  Fatov  ^doiutiavov  Kaöiavov  övva^'Qoi^axav  hri  ixa- 
xov  etxo6i  in  folgender  Weise  wiederherzustellen  sind  FvaCov 
jäo^LExlov  [xal  ^Aöivtov  vno]  KMiavov  övvad'Qoi^exaiy  xrA. 
Der  ägyptische  Gnostiker  Julius  Cassianus  nämlich  ist  es, 
dessen  Exegetica  für  solche  werthvoUe  chronologische  An- 
gaben die  Hauptfundgrube  des  Clemens  gewesen  sind  (vgl. 
Strom.  I  p.  378). 

Bis  zum  fünften  Jahre  des  Demetrios  I.  rechnete  Eupo- 
lemos  von  Adam  an  5149  Jahre,  von  der  Ausführung  der 
Juden  aus  Aegypten  durch  Moses  2580  Jahre,  für  welche 
unmögliche  Zahl  längst  richtig  1580  verbessert  worden  ist; 
er  setzte  also,  wenn  der  terminus  ad  quem  mitgezählt  wird, 
Adam  in  das  Jahr  Herbst  5306 /Herbst  5305,  Moses  in 
Herbst  1737 /Herbst  1736,  und  rechnete  als  Intervall  zwi- 
schen Adam  und  Moses  3569  Jahre  aus.    Freudenthal  hat 


DES  DEMETßlOS  UND  EüPOLEMOS.  193 

daraus  mit  Recht  geschlossen^  dass  Eupolemos  sich  im 
Wesentlichen  an  die  Rechnung  der  LXX  hielt,  jedoch  bei 
einzelnen  Posten  auf  Lesarten  des  hebräischen  Textes  zurück- 
griffy  also  ein  Mischsystem  gab,  und  einen  scharfsinnigen, 
sich  an  noch  jetzt  nachweisbare  Varianten  des  Septuaginta- 
textes  anlehnenden  Reconstructionsversuch  gemacht,  wonach76l 
Enoch  und  Heber  65  und  34,  Nachor  29  Jahre  erhalten 
hätten.  Das  System  des  Eupolemos  bestätigt  somit  aufs 
Nene,  mit  welcher  Willkür  in  der  Zeit  vom  dritten  bis  ins 
erste  Jahrhundert  v.  Ch.  in  den  Bibelhandschriften  verfahren 
worden  ist,  eine  Wahrnehmung,  zu  der  die  LXX,  der  sama- 
ritanische  Text  und  das  Buch  der  Jubiläen  namentlich  in  der 
Behandlung  der  biblischen  Zahlen  reichlichen  Änlass  geben. 
Zu  einer  anderen  Bemerkung  veranlasst  mich  das  Datum 
fQr  Moses.  Mit  Hülfe  des  Richterbuches  mit  dem  Exodus 
über  das  Jahr  1600  hinaufzukommen,  ist  ohne  Willkür  rein 
unmöglich:  wenn  trotzdem  sämmtlicbe  christliche  Chrono- 
graphen, den  einzigen  Eusebios  ausgenommen,  den  Exodus 
um  mindestens  einige  60  Jahre,  meistens  noch  um  viel  mehr, 
hoher  setzen,  so  erklärt  sich  das  aus  der  kanonisch  gewordenen 
Voraussetzung,  dass  von  Adam  bis  auf  Christi  Geburt  oder 
Tod  5500  Jahre  verflossen  seien;  bei  Josephos,  der  ebenfalls 
den  Auszug  unter  Moses  in  1678  v.  Ch.  setzt,  Hesse  sich  dies 
zur  Noth  als  Ausfluss  seines  chronologischen  Systems  an- 
sehen, das  von  Adam  bis  auf  die  Tempelzerstorung  unter 
Titus  12  mal  400  Jahre  rechnet:  wir  wissen  aber  nun,  dass 
schon  Eupolemos  dem  Moses  ein  viel  höheres  Alter  gab,  als 
das,  das  sich  für  ihn  aus  den  biblischen  Zahlen  ergeben 
würde.  Zu  Grunde  liegt  ohne  Zweifel  der  bei  Josephos  und 
allen  älteren  Kirchenvätern  wiederkehrende  Satz,  dass  Moses 
älter  als  alle  Weisheit  der  Hellenen  und  als  ihre  Mythologie 
selbst  sei,  daher  nothwendig  mehr  Glauben  verdiene,  als  die 
Hellenen.  Diesem  der  Apologetik  unentbehrlichen  Dogma 
zu  Liebe  wurde  der  Buchstabe  der  Bibel  geopfert  und  die 
Zeit  des  Exodus  auf  anderem  Wege  bestimmt.  Wie,  kann 
ebensowenig  zweifelhaft  sein,  wenn  man  bedenkt,  dass  der 
Irrthum,  die  Israeliten  seien  dieselben  wie  die  Hyksos,  bei 

Y.  OxTTsCHHiD,  Kleine  Schriften.   IL  13 


194  ZEIT  UND  ZEITEECHNÜNG 

Josephos  und  den  älteren  Kirchenvätern  in  Fleisch  und  Blut 
übergegangen  ist  und  sich  mehrfach  in  enger  Verknüpfung 
mit  jenem  anderen  Satze  von  dem  Alter  des  Moses  nach- 
weisen lässt.  Die  bei  ihnen  vorkommenden  Zeitbestimmungen 
752de8  Exodus  sind  also  weiter  nichts  als  verkappte  Zeitbestim- 
muDgen  der  Austreibung  der  Hyksos;  die  Schwankungen  sind 
keine  grösseren,  als  sich  auch  in  den  aus  der  Summiruug  der 
Eönigsjahre  berechneten  ägyptischen  Setzungen  für  das  letztere 
Ereigniss  vorfinden.  Julius  Africanus  setzt  den  Exodus  auf- 
fallend hoch,  in  1796  v.  Ch.  In  die  nächste  Nähe  dieses 
Jahres  führen  (und  haben  ursprünglich  wohl  genau  auf  dieses 
Jahr  geführt)  die  von  Josephos  gegebenen  Auszüge  aus 
Manethos  für  die  Vertreibung  der  Hyksos,  so  dass  man 
Benutzung  einer  verwandten  Quelle  durch  Afiricanus  an- 
nehmen darf.  Nun  ist  aber  in  jenen  Auszügen  in  der 
Summirung  ein  Rechenfehler  begangen,  60  Jahre  sind  zu 
viel  gerechnet  worden.  Bringt  man  diese  in  Abzug,  so 
kommt  man  mit  der  Vertreibung  der  Hyksos  in  das  Jahr 
1736:  das  ist  aber  gerade  das  von  Eupolemos  für  Moses 
angenommene  Datum. 

Eupolemos  kann  es  nur  durch  künstliche  Verlängerung 
der  Richterzeit  erreicht  haben;  wie,  lässt  sich  durch  Ver- 
gleichung  wiederum  mit  Africanus  vielleicht  noch  ermitteln. 
Zwischen  Eupolemos  und  ihm  findet  nämlich  die  sehr  auf- 
föllige  Berührung  statt,  dass  auch  er  den  Beginn  des  Tempel- 
baues in  das  zweite  Jahr  des  Salomo  setzt.  Er  rechnete 
nämlich  nach  Synk.  p.  342, 7  bis  zur  Vollendung  des  Tempel- 
baues im  achten  Jahre  Salomos  4457  Jahre  von  Adam;  und 
dass  hier  nicht  etwa  ein  falsches  Referat  vorliege,  ergiebt 
sich  daraus,  dass  er  3277  Jahre  von  Adam  bis  zur  Ein- 
wanderung Abrahams  in  Kanaan,  folglich  3707  Jahre  bis 
zum  Auszuge  rechnete  und  nach  Euseb.  Chron.  I  p.  156 
(Mech.)  [p.  99  Schöne]  von  da  bis  zum  Tempelbau  744 
Jahre  verlaufen  Hess:  diese  führen  auf  4451,  das  zweite  Jahr 
Salomos.  Diese  gemeinsame  Abweichung  von  der  Bibel  gerade 
in  einer  Hauptepoche  ist  sicher  nicht  zufällig,  beweist  vielmehr, 
dass  Africanus  den  Eupolemos  gekannt  und  berücksichtigt  hat. 


DES  DEMETßlOS  UND  EüPOLEMOS.  195 

Die  Zahl  744  ist  eine  von  Africänus  ganz  willkürlich  so 
bestimmte;  wie  er  sie  für  seine  sonstige  Rechnung  brauchte: 
vermuthlich  wird  Eupolemos  etwas  einfacher  gerechnet  und 
von  dem  biblischen  Intervall  von  480  Jahren  bis  zum  vierten 
Jahre  Salomos  genau  das  Anderthalbfache,  nämlich  720  Jahre758 
angenommen  haben;  dann  fiel  ihm  das  zweite  Jahr  Salomos 
und  der  Anfang  des  Tempelbaues  in  das  Jahr  1018,  das 
vierte  in  1016  v.  Gh.,  dasselbe  Datum,  welches  sich  auch 
Neueren  auf  dem  Wege  einer  Summirung  der  Jahre  der 
Eonige  von  Juda  ergeben  hat.  Africänus  brachte  seine  744 
Jahre  in  folgender  Weise  heraus:  Moses  hatte  40,  Josua  und 
die  Aeltesten  55  Jahre  (von  denen  30  auf  die  Aeltesten 
kommen);  dann  die  Richter  490  Jahre,  indem  nach  Simson 
noch  40  Jahre  der  Anarchie  und  30  Jahre  des  Friedens  an- 
gefügt waren*);  dann  richtende  Priester  90  Jahre,  also  ohne 
Zweifel  Eli  mit  den  40  Jahren  des  hebräischen  Textes,  eine 
20jährige  Herrschaft  der  Philister  (I.  Sam.  7,  2)  und  Samuel 
mit  30  Jahren;  endlich  Saul  27  Jahre*),  David  407^,  Salomo  2. 
Vermuthlich  sind  die  20  Jahre  der  Philister  nach  Eli  und 
die  Erhöhung  der  Jahre  des  Saul  von  den  21,  die  Eupolemos 
ihm  gab,  auf  27  Neuerungen  des  Africänus,  ebenso  die  Ver- 
theilung  der  55  Jahre  Josuas  imd  der  Aeltesten,  die  bei  Eu- 
polemos vielmehr  in  30  +  25  zerlegt  gewesen  sein  werden; 
dagegen  passt  die  künstliche  Chronologie  der  Richter  mit 
ihren  Füllstücken  genau  in  dessen  System  und  mag  aus 
ihm  einfach  herübergenommen  sein.  Für  die  Königszeit 
wird  sich  dann  Eupolemos  streng  an  die  Zahlen  der  Chronik 
gehalten  haben,  der  er  auch  sonst  folgt. 

1}  Die  Bechnong  Btimmt,  wenn  Athniel  mit  Cod.  Alex.  60  Jahre 
erhält,  das  von  A&icanus  dem  Samgar  bewilligte  eine  Jahr  als  im 
80.  des  Ehud  inbegriffen  angenommen  wird  und  die  von  Synk.  p.  311,7 
bezeugten  20  Jahre  des  Abdon  statt  8  als  blosser  Schreibfehler  des  vou 
ihm  benutzten  Exemplars  unberücksichtigt  bleiben. 

2)  Diese  finden  sich  durch  Subtraotion  der  aus  den  biblischen 
Zahlen  sich  ergebenden  463  Jahre  Yon  David  an  von  den  für  Africänus 
bezeugten  490  Jahren  der  Könige  bis  zur  Wegführung  Jojachins. 


13' 


IX. 

703      Ein  Beitrag  zn  den  Fragmenten  der  griechischen 

Historilier.*) 

In  Anbetracht  des  stattlichen  Contingentes ,  welches 
gewisse  Stellen  der  Kirchenväter  (Justinus,  Tatianus,  Cle- 
mens und  Africanus)  zu  den  Fragmenten  der  griechischen 
Historiker  geliefert  haben,  wird  es  nicht  unerspriesslich  sein^ 
wenn  auf  das  Yerhältniss  derselben  zu  einandej  einmal  näher 
eingegangen  wird.     Die  Stellen  lauten  wie  folgt: 

(Siehe  die  Seiten  198  und  199.) 

Tatianus  schickt  Auszüge  aus  chaldäischen  und  phonici- 
sehen  Historikern  voraus ,  die  nur  bei  Clemens  gelegentlich 
wiederkehren ;  aber  offenbar  aus  Tatianus  entlehnt,  so  dass 
sie,  als  für  die  Beurtheilung  des  Verhältnisses  der  vier 
Quellen  zu  einander  minder  wichtig,  hier  unberücksichtigt 
bleiben  können. 

Ganz  werthlos  sind  die  abgeleiteten  Quellen:  Kyrillos 
contra  lulianum  I  S.  15  (Spanh.)  hat  den  Justinus,  Joannes 
Antiochenus  fr.  1,  1  (bei  Müller  IV  p.  538)  den  Africanus 
ausgeschrieben;  aus  letzterem  hat  auch  Synkellos  S.  L16, 17 
(Bonn.)  geschöpft,  mit  einem  Zusätze  aus  Eusebios.  Ein- 
gestanden ist,  dass  Clemens  den  Tatianus  vor  Augen  hatte; 
die  Zusätze  sind  nicht  wesentlich  und  werden  von  ihm  aus 
dem  leider  verlorenen  Werke  des  Gnostikers  Cassianus  ent- 
nommen sein.  Es  sind  dies:  die  Angabe  der  Buchzahl  des 
Ptolemäos,  die  ursprünglich  bei  diesem  so  gut  gestanden 
haben  wird  wie  bei  Apion,  für  den  sie  umgedreht  Tatianus 
allein  aufbewahrt  hat,  ferner  die  Voranstellung  des  Citates 

*)  [Nene  Jahrbücher  für  Philologie  und  Pädagogik  Band  LXXXl 
(1860)  S.  703—708] 


EIN  BEITBAG  ZU  DEN  FRAGMENTEN  ETC.  197 

aus  Apion  vor  das  aus  Ptolemäos,  der  Zusatz  6  nkscötovinrig 
inLTcXrj^sig  und  die  Erwähnuug  der  Schrift  gegen  die  Juden. 
Gerade  diese  drei  Umstände  aber  kehren  bei  Justinus  und 
Africanas  wieder;  ich  zweifle  nämlich  nicht,  dass  6  Hoöev- 
dcnvLov  nur  ein  altes  Missverständniss  oder  ein  alter  Schreib- 
fehler für  6  nXsLötovixov  ist^  und  dass  das  Citat  iv  ry  xaza 
'lovdaioiv  ßißXa  f&r  den  Auszug  der  Juden  unter  Amasis  nur 
eine  Folge  leichtfertigen  Excerpirens  ist,  Clemens  also  hier 
das  Echte  bewahrt  hat:  wir  wissen  aus  Josephos,  dass  Apion 
in  dem  Buche  gegen  die  Juden   eine  ganz   andere  Ansicht 
vertreten  hatte.     Hiermit  ist  erwiesen ,   dass  Cassianus  aus 
einer  Quelle  mit  Justinus  und  Africanus  geschöpft  hat;  die 
Wahl   derselben  Citate   macht   dasselbe   auch   von  Tatianus 
wahrscheinlich,    welcher    der   Zeit   wegen    wohl   kaum   den 
Cassianus  hat  benutzen  können.     Eben  so  klar  ist  es,  dass 
Africanus   der  Cohortatio  ad   Graecos  folgt,  die  zwar  nicht 
von  Justinus  verfasst,  aber  ziemlich  gleichzeitig,  für  uns  also 
immer  die  älteste  Quelle  ist.    Bei  meistens  wörtlicher  Ueber- 
einstimmung  ist  der  weit  jüngere  Africanus  aber  doch  viel 
ausführlicher;  das  unpassende  Citat  aus  Herodot  hat  er  frei- 
lich aus  eigener  Weisheit  hinzugethan,  das  ans  Apion  konnte 
ihm  Tatianus  liefern:  woher  aber  konnte  er  die  Worte  des 
Polemon  kennen?    Dass  er  das  Werk  selbst  eingesehen  habe, 
wird  nicht  leicht  Jemand   glauben.     Führt  uns  nun   schon 
dies  zu  der  Annahme,   dass  er  zwar  den  Justinus  benutzt 
hat,  aber  daneben  auf  die  erste  Quelle,  aus  der  Justinus  so-706 
wohl  als  Cassianus  schöpften,  zurückgegangen  ist,  so  beweist 
dasselbe  in  noch  höherem  Grade  die  Autoritätenreihe,  welche 
mir  den  Anlass  zu  dieser  Erörterung  gegeben  hat.    Was  will 
Africanus  mit  ihr  beweisen?   er  drückt  sich  nicht  klar  aus, 
gewiss  aber  nicht,  wie  J.  Brandis,  De  temporum  Graecorum 
antiquissimorum   rationibus  (Bonn    1857)   S.  15  meint,    die 
Zeitbestimmung  für  Ogyges;  mit  Wegschaffung  des  gramma- 
tisch   ganz   unzulässigen    xavxa    fällt   ohnehin    der    stärkste 
Grund  für  diese   Annahme  weg.     Ta  ngoBigruLsva  sind  für 
uns  verloren,  tä  i^rig  wenigstens  zum  Theil  noch  erhalten; 
es  geht  daraus  doch  so  viel  mit  Sicherheit  hervor,  dass  der 


198  EIN  BEITRAG  ZU  DEN  FRAGMENTEN 

704  JusidnuB  M.  Goh.  ad  Graecos  9     Africanus  bei  Eusebios  Praep.  evaog.  X,  10 
S.  40  ed.  Otto:  S. 490»  und  Synkellos  S.  119, 20 (281, 3) Bonn.: 

.  .  .  navttov  tmv  nag*  vfiiv  ehs  dno  'Slyvyov  xolvvv  knl  Kvgov^  onoaa  anb 
üoq)mv  fCtf  noiri%Av  ehe  tatOQio-  Mmaecog  iiel  xov  avtov  xQOvov,  izri  aoXi' 
ygcLqtmv  ^  q>iXoc6q>aiv  17  vofiod's-  {aaXs*  S.).  xal  'Elli^vouv  8s  tivsg  tatOQOvai 
TÖöv  noXXm  ngscßvTcctog  yiyovsv  xavä  tovg  avzovg  XQOvovg  ysviad'ai  Mmasay 
6  ngöäxog  trjg  d'socsßsiag  8i8cio%a--  IloXifuav  (ihv  iv  tv  ngoirrj  tmv  'EXXrj- 
Xog  rifimv  Mmc^g  ysyovoigj  Ag  vixmv  tetoQimv  Xsytnv  „^srl  "Jnidog  zov 
driXovatv  rifiiv  at  xmv  *EXX'qv(ov  ^ogmvicag  ftoiga  zov  AlyvnzCüav  azgazov 
tazogüti,  iv  yag  zoig  xg6votg  i^inscsv  Alyvnzovy  oV  iv  zij  IJaXaiattvrj 
'Slyvyov  zs  xal  'Jvdxov,  ovg  xal  %aXovfiivrj  Evgla  ov  noggat  Agaßiag  99x17- 
yriysvsig  tivlg  z&v  nag'  vyitv  aav*"^.  avzol  or}Xov6zi  ot  fjLBtä  Mmcscog, 
vnsiXTjtpaci,  ysvsv^od'aiy  McDoitog  'Anlmv  d'  b  Iloasidmviov,  negisgyoza- 
luifivrivztti  mg  rjysfiovog  ze  xal  ag-  zog  ygafifiazmAv ,  iv  zy  xazd  'lovSaConv 
Xovzog  zov  zmv  lOvSaCmv  yivovg.  ßißXcp  xal  iv  zij  zszdgzTj  zmv  tazogimv 
ovzat  ydg  IloXifiaiv  ze  iv  z^  q>riai.  nazd  "ivaxov,  "Agyovg  ßaciXiaj  'Afno- 
ngoizTj  zmv  ^EXXrivmmv  tozo-  oiog  Alyvnzimv  ßaoiXevovzog  dnoazr^vai 
gimv  ykifivrjzai,  xal  'Ann im v  o  'lovdaCovg^  mv  Tiysic&ai  Mmaia.  fiifivnzai 
TloasidmvCov  iv  zfi  nazd'lov-  81  xal  *Hg68otog  r^g  dnoczaciag  xavzrig 
Saimv  ßlßXm  xal  iv  zij  zb-  xal  'Afimatog  iv  zi}  Ssvziga,  zgonm  8i 
zdgxT}  zmv  tüxogimv  Xiymv  aaz'  xivl  xal  *Iov8ctCmv  avxmv,  iv  xoSg  nsgtzefivo- 
"ivaxov  "Agyovg  ßccaiXia  'A[uioi8og  nivoig  avzovg  %azagi9'fimv  xal  'Aeavgiovg 
Alyvnzimv  ßaaiXsvovzog  dnoazrivai  zovg  iv  zij  IlaXatczlvfj  dno%aXmv^  "^dxa  8id 
'lov8alovg,  mv  '^ysiad'ai  Mmaia.  zov  'Aßgadfi.  nzoXsfLaiog  xe  0  Mbv8ti~ 
xal  nxoXefiaiog  8h  6  MBv8iq-  aiog  xd  Alyvnzimv  dvimaQ'Bv  tazogmv  anaai 
aiog  zd  Alyvnzimv  tazogmv  anaai  zovzoig  avvzgixBi'  mazB  ov8'  iniarj(iog  inl 
zovzoig  övvzgirBi,  nXiov  17  zmv  XQ^^^^v  nagaXXayrj. 

xal  ot  xd  A9^valmv  8\  taxo-   Derselbe  bei  Eusebios  Praep.  evang.  X,  10 
govvxsg     ^EXXdvtyiog     xb      xal  S.  488^:  *) 

^tXoxogog  6  xdg  'Ax&lSag,  Tavzaig  {zoiozoig  Godices)  —  nämlich  den 
Kdözmg  zb  xal  GscXXog  xal  Olympiaden  —  ydg  inofifvoi  xal  zag  Xoi- 
'AXiiav8gog  0  IloXvtazmgy  ndg  tözoglag  Tiazd  zov  avzov  Xoyov  dXXi^Xatg 
izi  8h  xal  ot  öoqxozazoi  ^IXmv  itpagiioaofiBv,  zdg  8ri  {8h  Godices)  ngo  zov- 
ZE  xal  'Imarinog  ot  zd  %aza  zmv  —  n&mlicb  die  griechische  und  die 
'lov8alovg  tazogi^aavzBg  mg  jüdische  vor  Eyros  und  dem  Ende  der 
<fq>68ga  dgralov  xal  naXaiov  zmv  Gefangenschaft  — ,  m86  nmg  zijg  'Azzi%r^g 
'lov8almv  agxovzog  Mmasmg  fiifi-  XQ^^^VQ^^^S  dgid'fjkovfiivrjg.  dno  ^Slyvyov 
vr^vzai,  o  yovv  'imarinog^  zo  dg-  zov  nag'  inslvotg  avzox^'ovog  niazBvd'Bvzog, 
XaCov  xal  zo  naXaiov  zijg  tazoglag  itp'  ov  yiyovsv  6  fiiyag  xal  ngmzog  iv  zy 
xal  8id  zfjg  iniygatpijg  zmv  ßt-  'Azzi%y  Maxa%Xvüwog  ^ogmvsmg  'Agyslmv 
ßXlmv  criiiTJvat  ßovX6u,svogj  dgxo-  ßaaiXsvovzog ,  mg  AnovalXaog  tazogsiy  f^iXQ'' 
fiEvog  zijg  tazoolag  ovzm  yiygatps*  ngmzr]g  'OXviinid8ogf  bno^sv  "EXXrjvsg  dngi- 
,^^Xaßlov  'imarmov  'lov8aXiirjg  dg-  ßovv  xovg  xQOvovg  ivofuaavj  ^zri  avvdysxai 
XaioXoyüxg^^  xo  naXaiov  xijg  taxo-  zlXuc  stitoaiv ,  mg  xal  xoig  ngoBigrifuivoig 
glag  dgx^cioXoylav  ovofidimv,  xal  avfitpmvBi  xal  xoig  e£^$  ^£ix^^<^£T«^'  "^d 
6  iv8oi6xaxog  8h  nag'  vfiiv  xmv  (xavxa  Godices)  ydg  'Adijvalmv  taxogovvxsg 
taxogioygdq>mv  jdi68mgog  6  xdg  ^EXXdvtuSg  xb  xal  ^iXoxogog  ot  xdg 
BtßXio^TJuag  inixsfimv  iv  'Ax9'l8ag,  ot  xs  xd  Zvgia  Kdaxmg  xal 
xgidyiovxa  oXoig  ixsaiv  %xX,  GaXXog^  xal  xd  ndvxmv  Ji68mgog  o  xdg 

BißXiod'i^nag,  *AXiiav8g6g  xs  o  IIoXv- 
taxmg  %al  xivsg  xmv  %a9'  rjfi^dg  axpi- 
ßiaxsgov  iii^vrjo^rjaav  %al  xmv  'Axxi%mv 
dndvxmv, 

1)  Die   sinnlose  Interpunktion  selbst   der  neuesten  Ausgabe   habe  ich 
stillschweigend  yerbessert. 


DEB  GRIECHISCHEN  HISTORIKER.  199 

Tatianna    Or.    ad    Graecos    c.  59,   Clemens  Alex.  Strom.  1,21  S.  378  705 
wiederholt    von    Euaebios    Praep.   (Potter),  wiederholt  von  Easebios 

evang.  X,  11  S.  493^:  Praep.  evang.  X,  12  S.  496<>: 

AlyvnxCoiV  a  stelv  dnQißelg  XQovmv  . . .  ns{^l  vmv  maxa  Moavaia  xQOvmv 
ttvayQaq>a£'  xal  tav  xar'  avtovg  ndri  Isxxiov^  di'  <ov  ^Ci^^ijafiTat 
YQafkuatmv  igfnprevg  UxoX 6fi,aiogj  avocfitpriQÜfttog  Tedarjg  aofpCag  otQ%aiQ- 
ov%  0  ßactlsvg,  tegevg  d*  i%Miv-  xdxri  ^  %axd  ^EßQuiovg  mikoeotpCa, 
drixog^)^  ovxog  xdg  xmv  ßaailimv  Etqrjxat  filv  ovv  nsgl  xovxcav  angi- 
ngd^stg  iuxid'ifitvog  %axä  "AfMociv  ßag  Taxtavm  iv  tco  nQog  xovg  '^EX- 
Alytmxov  ßaaiXia  yeyovivai  'lov-  Xrjvag,  stqrjxtict  8h  xal  Kaaantvm  iv 
daioig  q>rial  xrjv  i|  Aiyvnxov  no-  xm  «gmxm  xmv  'E^riytixinmv,  ditat- 
Qilaif  eig  antg  rj^eXov  xcogia  Mm-  xei  d'  ofitog  xo  vnofivrjficc  xal  ijuäg 
üiag  -^yovftivov,  Xiysi  dh  ovxmg'  „6  knidgay^iv  xd  %axd  xov  xonov  Blgu- 
Ss'AfKDaig  iyivsxo  xara  xov  "ivarov  fjbiva  'Anltov  xoCvvv  6  ygafifia- 
xovßaatXia,^^  ftexadlxovxov'Aniav  xtxbg  o  IlXBiaxovl%rig  ini%Xrj- 
6  ygafikf^axuiogf  dvi^g  do%tfMoxa-  ^slg  iv  x^  6'  xmv  Alyvnxianmv 
xog,  iv  x^  xsxdgxrj  xmv  Alyvn-  taxogimv^  %aCxoi  fpiXans%dirjfi6vmg 
xiaxmv  {nivxe  Si  bIoiv  avxm  yga-  ng6g  ^Eßgaiovg  BiamC^Bvog ^  axe 
9a f)  noXXd  {ihv  xal  dXXocy  (prjal  S*  ACyvnxiog  xo  yivog^  mg  xal  xara 
oxt  y,%axiaiiaips  xr^v  Avagiav  {Avugtv  'lovdaCmv  evvxd^aaO'ai  ßißXCov^ 
ExiA^'AiLmöigy  %axd  xov*AgyBiov  yB-  'Afimüiog  xov  AlyvitxCmv  ßaaiXimg 
voiiBvog  'IvaxoVj  mg  iv  xotg  Xgo-  fiBfivTifiivog  xal  xmv  nccx'  avxov 
voig  dviyga'tpBv  o  MBvüiqaiog  IJxoXb-  ngd^Bmv  fidgxvgcc  nagaxCd'Bxai  IIxo- 
fuiUog*^,  Xbiuciov  xov  MBvSriciov'  xal  xd  x^g 

Xi^Bmg  avxov  mdB  iv^i'  ^^iiLaxB6%aipB 
d\  xrjv  'Aovg£av  (Aovagiv  Ena.)  "AfUü- 
cig^  naxd  xov  'Agystov  yBVOftBvog 
"ivaxovj  mg  iv  xoig  Xgovoig  dviyga- 
ipBV  6  MBvdriaiog  üxoXBfMiiog^K  o 
dl  IIxoXBiJkarog  ovxog  tsgBvg  fihv 
^v,  xdg  Sh  xmv  AlyvnxCmv  ßaaiXimv 
ngd^Big  iv  xgialv  oXaig  in^ifiBvog 
ßißXoi^  xara  Afimciv  qfriaiv  Aiyvn- 
xov ßaetXia  Mmvcimg  rjyovitBvov 
yByovivai  'lovdaCoig  xriv  ij  Aiyv- 
nxov nogslav.  i^  mv  avvmnxai.  xora 
'^Ivaxov  Tinuaytivai  xov  Mmvcia. 

1)  So  möchte  wohl  statt  des  überlieferten  9\  Mivdrixog  hersu- 
stellen  sein. 


200  EIN  BEITRAG  ZU  DEN  FRAGMENTEN 

706Beweis  f&r  die  Richtigkeit  der  1020  Jahre  nicht  mit  den 
sechs  Namen  von  Autoren  geliefert  sein  sollte:  schon  das 
wdi  nog  sollte  vor  dieser  Annahme  warnen.  Das  ydg  'geht 
vielmehr  nicht  auf  das  zuletzt  Vorhergehende,  sondern  auf 
den  Hauptgedanken  der  ganzen  Stelle,  dass  die  griechische, 
speciell  die  attische  Chronographie  mit  Ogyges  ihren  Anfang 
nimmt.  Africanus  will  sich  durch  die  mit  einem  nachlässigen 
ydg  eingeleitete  Berufung  wegen  dieses  Ausgangspunktes 
rechtfertigen;  sie  ist  also  ziemlich  allgemeiner  Natur. 

Lehrreich  ist  die  Yergleichung  mit  Justinus,  der  die- 
selben  sechs   Autoritäten   als   Garanten    für   das   Alter   des 
Moses   in   derselben   Reihenfolge   aufführt.     Gemeinsam   ist 
beiden  nur  der  Anlass,  aus  welchem  die  sechs  citirt  werden, 
nämlich  der  Satz,  dass  Moses  und  Ogyges  Zeitgenossen  seien; 
die  Ausführung  geht  dann  ganz  auseinander.    Gegen  die  An- 
nahme, dass  Africanus  hier  bloss  den  Tatianus  gedankenlos 
ausgeschrieben  haben  sollte,  will  ich  nicht  die  nähere  Be- 
stimmung der  Werke  des  Eastor  und  Thallos  geltend  machen, 
wohl  aber  die   sonstige  Zuverlässigkeit  des   Africanus,  und 
insbesondere  den  eigenthümlichen  umstand,  dass   die  sonst 
bekannten  Stellen  der  sechs  Historiker  theilweise  zwar  nicht 
zu  dem  passen  wollen,  wozu  sie  Africanus  anführt,  theilweise 
aber  auch  nicht  zu  dem  Citate  des  Justinus.    Die  Stelle  des 
Diodor  ist  uns  von  Justinus   erhalten;  es  ist  die  bekannte 
von  den  ägyptischen  Gesetzgebern  I,  94,  in  der  allerdings 
gesagt  wird,  dass  Moses  vorgegeben  habe,  das  Gesetz  vom 
Gotte  Jao  erhalten  zu  haben;  dies  genügte  aber  dem  apolo- 
getischen Interesse  nicht,  und  so  ist  der  Name  McDvöijg  auch 
an  die  Stelle  des  ersten  ägyptischen  Gesetzgehers  nach  den 
Göttern   und  Heroen,   des   Mvsvrjg   getreten  — ^  eine  Inter- 
polation, die  des  Josephos  würdig  wäre.    Was  den  Alexander 
Polyhistor  anbetrifit,  so   haben  wir  noch  die  Theile  seines 
Werkes,   worin   er   ausführlich    über   Moses   handelt;    auch 
wissen  wir,  dass  er  mit  Eupolemos  den  Moses  in  das  Jahr 
1739  V.  Gh.  setzte*),  also  allerdings  in  eine  sehr  alte  Zeit. 
Beide   Citate   sind  demnach   im  Sinne  des  Justinus   richtig. 
*)  [Vgl.  oben  S.  192.    F.  B.] 


DER  GRIECHISCHEN  HISTORIKER.  201 

Der  umgekehrte  Fall  tritt  bei  den  vier  ersten  ein.  Eastor 
erwähnt  Fr.  1  S.  156  (Müller)  den  Ogyges  als  Zeitgenossen 
des  assyrischen  Königs  Belos^  der  nach  seiner  Rechnung  im 
Jahre  2123  v.  Ch.  starb;  Thallos  macht  Fr.  2  (bei  Müller 
III  S.  517)  den  Ogyges  zum  Bundesgenossen  des  Titanen 
Eronos  und  des  assyrischen  Eonigs  Belos  gegen  Zeus  und 
die  Götter,  der  in  den  Tartaros,  nämlich  nach  Tartessos, 
geschleudert  worden  sei;  die  Regierung  des  Belos  aber  setzt707 
derselbe  Thallos  in  das  Jahr  1540  v.  Ch.  Der  Zusatz  ol  xa 
^}vQia  (d.  h.  die  Verfasser  assyrischer  Geschichten)  lässt 
keinen  Zweifel,  dass  Africanus  keine  anderen  als  unsere 
Stellen  im  Auge  gehabt  hat;  beiläufig  ein  schon  von 
E.  Müller  hervorgehobener  Grund,  warum  der  ganze  Passus 
nicht  das  Datum  1795  für  Ogyges  beweisen  kaun.  Von 
Philochoros  wissen  wir,  dass  er  den  Ogyges  als  den  einzigen 
echten  Namen  der  Sage  vor  Eekrops  ansah;  von  Hellanikos 
wissen  wir  zwar  keine  Stelle,  die  hier  gemeint  sein  könnte, 
aber  doch  so  yiel,  dass  er  in  der  Atthis  den  Ogyges  erwähnen 
musste,  den  Moses  dagegen  so  wenig  wie  Philochoros,  Eastor 
oder  Thallos  erwähnen  konnte.  Theilen  sich  hier  Jnstious 
und  Africanus  in  die  Schuld,  nachlässig  abgeschrieben  zu 
haben,  so  trifft;  an  einer  anderen  Stelle  dieser  Vorwurf  allein 
den  ersteren:  Justinus  zählt  den  Polemon  zu  denen,  die  den 
Moses  unter  Inachos  gesetzt  hätten,  während  er  doch  den 
Auszug  an  die  Regierung  des  Apis  knüpft.  Wir  haben  also 
die  auffallende  Erscheinung,  dass  die  älteste  Quelle  von  allen 
die  nachlässigste  ist;  was  sich  indess  einfach  daraus  erklärt, 
dass  die  Absicht,  Zeitbestimmungen  zu  geben,  dem  Justinus 
ganz  fem  lag,  dagegen  namentlich  bei  Clemens  und  Africanus 
vorwiegt 

Was  in  der  gemeinsamen  Quelle  Aller  gestanden  haben 
mnss,  lässt  sich  jetzt  fast  mit  Gewissheit  wiederherstellen. 
„Ein,  wie  man  sieht,  vielbenutztes  und  berühmt  gewordenes 
Eapitel  derselben  trug  an  der  Spitze  den  Satz,  dass  Moses 
den  ältesten  Namen  der  griechischen  Sage,  Inachos  und 
Ogyges,  gleichzeitig  sei.  Zum  Beweise  waren  zahlreiche 
Stellen    aus    griechischen   Historikern   wörtlich    mit^etheilt^ 


202  EIN  BEITKAG  ZU  DEN  FRAGMENTEN 

zuerst  die  des  Polemon,  der  deu  Auszug  unter  Apis  setzte, 
dann  die  des  Apion,  der  den  Moses  um  zwei  Generationen 
höher  unter  Inachos  setzte  und  sich  dafür  auf  den  Ptolemäos 
von  Mendes  berief.  Dabei  war  hervorgehoben;  dass  Apion 
erstens  als  ein  berühmter  und  umsichtiger  (Soxtfidratog, 
neguQyotatog)  Forscher,  sodann  als  ein  anerkannter  Juden- 
feind um  so  grösseren  Glauben  verdiene:  einen  Beleg  gebe 
sein  Buch  gegen  die  Juden.  Dann  waren  die  Worte  des 
Ptolemäos  von  Mendes  mitgetheilt,  dass  Amasis  gleichzeitig 
mit  Inachos  regiert  habe.  Inachos  aber  falle  noch  eine 
Generation  vor  Phoroneus;  und  Akusilaos  ward  dafür  an- 
geführt, dass  der  letztere  ein  Zeitgenosse  des  Ogyges  sei, 
mit  welchem  die  attische  Sagengeschichte  beginnt  Zur 
Bestimmung  seiner  Zeit  waren  dann  Stellen  des  Hellanikos, 
Philochoros,  Eastor  und  Thallos  mitgetheilt,  die  zwar  von 
einander  abwichen,  aber  doch  darin  übereinstimmten,  den 
Ogjges  in  die  ältesten  Zeiten  zu  versetzen.  Von  dieser  Ab- 
schweifung zu  Moses  zurückkehrend,  für  dessen  Alter  die 
bisher  aufgeführten  Zeugnisse  ja  indirect  auch  Beweiskraft 
hatten,  führte  der  Autor  die  Stelle  des  Diodor  an,  die 
beweisen  sollte,  dass  er  gleich  nach  den  Göttern  und  Heroen 
gelebt  habe,  und  zuletzt  die  ausführlichen,  den  echten  jüdi- 
schen Quellen  am  nächsten  kommenden  Angaben  des  Ale- 
xander Polyhistor/'  Es  begreift  sich,  wie  die  letzten  sechs 
TOsAutoritäten  ohne  zu  grosse  Ungenauigkeit  bald  als  Belege 
für  die  Zeit  des  Moses,  bald  als  Belege  für  die  des  Ogyges 
angeführt  werden  konnten. 

Die  Quelle  lässt  sich  dadurch,  dass  sie  den  Thallos 
citirt,  der  im  Jahre  91  n.  Gh.*)  schrieb,  und  dass  sie  in  der 
Cohortatio  ad  Graecos  benutzt  ist,  die  nicht  jünger  sein 
kann  als  die  Regierung  des  Antoninus  Pius  (138 — 161),  in 
die  engen  Grenzen  von  70  Jahren**)  einschliessen.  Sie  war 
offenbar  apologetischer  Natur,  wahrscheinlich  (der  Zeit  wegen) 

*)  [So  hat  GntBchmid  in  seinem  Handexemplar  corrigirt;  drucken 
lassen  hat  er  „49  n.  Ch.";  vgl.  Eusebios  ed.  Schöne  I  p.  266.    F.  B.] 
**)  [So   von   Gntschmid   im   Handexemplar  corrigirt;   im  Druck 
steht  ,,eine8  Jahrhnndertt'*.    F.  B.] 


DER  GRIECHISCHEN  HISTORIKER.  203 

nicht  Yon  einem  Christen,  sondern  von  einem  Juden  verfasst. 
Genaueres  liesse  sich  nicht  sagen ,  käme  uns  nicht  der  yiel- 
geschmähte  Eusebios  zu  Hülfe,  der  in  der  Vorrede  zu  seinem 
Kanon  folgende  Worte  sagt,  die  Synkellos  S.  122,  2  uns 
griechisch  erhalten  hat:  Mavöda  yivog  ^Eßgatov^  TCQOtpt^tmv 
anuvtiov  ngärov  a^tpl  xov  öariJQog  fifiäv^  liyco  di  tov  Xqi- 
otov,  d[i(p£  t€  tfjg  xäv  id'vciv  di  avrov  d'eoyvoöiag  xpr^ö- 
[lovg  xal  koyia  ^sta  ygccfpy  xagadsdoxota^  rotg  xQovoig  ax- 
liaöai^  xara  "Ivaxov  elgr^xuöiv  avÖQsg  iv  naidsvöBi  yvdgtfioiy 
Klijlirigj  ^AfpQixavog,  Taticcvog  tov  xad'^  Vlf'^g  ^oyov^  xäv  xs 
ix  nsQLXoii^g  ^Im6r^nnog  xal  'lovöxog,  idlmg  exaöxog  xr^v 
aTCodsL^LV  ix  TtaXaiäg  vno0%c)v  [öxogiag,  Justus  von 
Tiberias  verfasste  eine  Chronik  der  judischen  Könige;  das 
einzige  daraus  erhaltene  Fragment  (bei  MQller  III  S.  523) 
zeigt  uns  ihn  als  einen  in  der  griechischen  Literaturgeschichte 
wohlbewanderten  Mann:  sein  Werk  war  kürzer  als  des  Jose- 
phos  Archäologie,  hat  aber  ohne  Zweifel  dieselbe,  auf  grie- 
chisch-römische Leser  berechnete  Tendenz  gehabi  Da  auf 
ihn  alle  Charakterismen  der  von  uns  nachgewiesenen  Quelle 
zutreffen,  so  stehe  ich  nicht  an,  in  ihr  das  Werk  des  Justus 
wiederzuerkennen. 

Die  praktische  Folgerung,  die  sich  aus  vorstehender 
Untersuchung  ergiebt,  ist  die,  dass  man  nie  auf  die  An- 
führung eines  einzelnen  unter  den  vier  genannten  Kirchen- 
vätern bauen  darf,  sondern  sich  zuvor  vergewissem  muss,  ob 
und  wie  die  betreffende  Stelle  bei  den  drei  anderen  Zeugen 
geschrieben  steht;  denn  auch  Clemens  vertritt  für  uns  die 
Stelle  des  verlorenen  Cassianus.   Zur  Erleichterung  der  üeber- 

sicht  fasse  ich  das  Resultat  in  ein  Stemma  zusammen:   ^ 

[Justus  von  Tiberias] 


Eusebios 


Justinas    Tatianus  [Cassianus] 


Africanus  Kyrillos       Clemens 


Synkellos  Joannes  von 
Anüochien. 


X. 
Zar  Apokalypse  des  Esra. 

1.*) 

iVolkmar,  Gustav,  das  vierte  Buch  Esra  und  apokaly- 
ptische Geheimnisse  überhaupt.  (Abdruck  aus  der 
Züricher  Monatsschrift  des  wissenschaftlichen  Vereins.) 
Zürich  1858.  Meyer  und  Zeller.  (2  Beilagen,  60  S. 
gr.  8^.)     geh.     15  Sgr. 

In  dem  negativen  Theile  seiner  Schrift;  ist  der  Verfasser, 
in  soweit  es  sich  um  die  Widerlegung  der  Hilgenfeldschen 
Auslegung  des  Adlergesichtes  handelt,  nicht  unglücklich  und 
betont  mit  Recht,  dass  der  Adler  nur  das  römische  Reich, 
die  zweite  Feder,  welche  doppelt  so  lange  als  alle  übrigen 
herrscht,  nur  Augustus  sein  kann.  Auch  hat  der  Verfasser 
in  der  Deutung  von  12,  2  wenigstens  sachlich  gegen  Hilgen* 
feld  Recht,  wenn  schon  die  Stelle  noch  einer  Verbesserung 
bedarf;  es  ist  mit  Letzterem  nach  duaeque  ein  quae  ein- 
zuschalten, aber  ausserdem  das  et  vor  erectae  sunt  zu 
streichen-,  denn  der  Uebergang  der  zwei  Federchen  unter 
das  Haupt  ist  nach  11,  24  bereits  vor  sich  gegangen.  Was 
aber  den  fortgesetzten  Hohn  und  die  Ausfalle  gegen  seinen 
Vorgänger  betrifft,  welche  die  eigentliche  Untersuchung  un- 
gebührlich überwuchern,  so  könnte  der  Verfasser  in  die  Lage 
kommen.  Alles  mit  Zinsen  zurück  zu  erhalten;  seine  eigene 
Deutung  ist  wenigstens  ganz  danach  angethan,  den  Spott 
herauszufordern.  Er  legt  gleich  von  vornherein  eine  falsche 
philologische  Basis  zu  Grunde,  indem  er  die  äthiopische  und 


*)  [Literarisches  Centralblatt  1869  S.  1—3.] 


ANZEIGE  VON  VOLKMAß,  DAS  VIERTE  BUCH  ESRA.    205 

arabische  Uebersetzung^  die  zwar  nicht  so  wörtlich  sind,  als 
die  lateinische  y  ihre  Vorzüglichkeit  aber  schon  durch  Aus- 
lassung der  Zusätze  1  —  2.  15  —  16  und  des  interpolirten 
Jesus  ly  28  documentiren,  nicht  berücksichtigt  und  auch  in 
Bezug  auf  den  lateinischen  Text  keine  klaren  kritischen 
Principien  befolgt.  Da  der  Text  der  Vulgate  von  Inter- 
polationen wimmelt,  der  Codex  Sangermanensis  dagegen,  wo 
er  abweicht,  ohne  Ausnahme  den  Paralleltexten  näher  kommt, 
so  liegt  es  auf  der  Hand,  dass  dieser  zu  Grunde  gelegt 
werden  muss.  Der  Verfasser  aber  hält  12,  32  das  spretiones 
des  Sangermanensis  fär  Uebersetzung  von  xatatpQovrinata^ 
das  daraus  verderbte  discerptiones  der  Vulgate  für  Ueber- 
setzung von  7taQaq>0QriiMixa  und  erkennt  in  dem  Texte  des 
Sangermanensis  eine  Berichtigung  der  Vulgate  nach  dem 
Urtexte,  ohne  einen  Schatten  von  Grund.  Für  die  Textes- 
kritik ist  daher  wenig  geleistet  worden,  ausgenommen  etwa 
die  schlagende  Verbesserung  von  11,  23  durch  Interpunktion 
hinter  duo.  Bei  der  Deutung  wird  ausgegangen  von  der  Zeit- 
bestimmung 3,  1  anno  trigesimo  ruinae  civitatis,  die  auf  die 
wirkliche  Abfassungszeit  des  Buches  zwar  gehen  kann,  aber 
nicht  gehen  muss.  Zu  letzterer  Annahme  hält  sich  der  Ver- 
fasser durch  die  Wiederholung  der  30  Jahre  als  Dauer  der 
Unfruchtbarkeit  des  W^eibes  Sion  9,  43  f.  berechtigt,  ohne  zu 
bedenken,  dass  er  auf  diese  Weise  ganz  Disparates  zusammen- 
wirft; diese  Unfruchtbarkeit  endet  ja  mit  der  Geburt  des 
Sohnes,  worunter  nach  10,  46  der  Salomonische  Tempelbau 
zu  verstehen  ist,  und  dann  stirbt  dieser  Sohn,  d.  h.  der 
Tempel  wird  zerstört;  zum  Ueberfiusse  werden  die  30  Jahre 
der  Unfruchtbarkeit  10,  45  f.  nach  den  unzweideutigen  Spuren 
von  Aethiop.  Arab.  und  Sang,  für  die  30  Jahrhunderte  von 
Adam  bis  Salomo  erklärt^  während  welcher  der  Tempel  noch 
nicht  stand.  Diese  Angabe  giebt,  verbunden  mit  der  Be- 
stimmung der  Weltperioden  14,  11  und  mit  der  in  dem 
Buche  vorausgesetzten  Zeit  des  Esra  eine  sichere  Hand- 
habe, die  Abfassungszeit  des  Buches  zu  bestimmen;  diese 
ist  allerdings  bisher  nur  ungenügend  benutzt  worden,  wenn 
aber  der  Verfasser  unter  Ignorirung   des  Salomo   und   der 


206  ANZEIGE  VON  VOLKMAR, 

echten  Lesart  10,  45  f.  alle  y^Hallacinationeu^^  über  die  Welt- 
perioden  S.  19  kurz  abweist,  so  sieht  dieser  Trumpf  in  der 
That  danach  aus,  als  sei  er  nur  zur  Bemäntelung  der  eigenen 
Bequemlichkeit  ausgespielt  worden.  Der  Verfasser  übersetzt 
frisch  weg  „im  30.  Jahre  der  Zerstörung  des  Tempels'^,  und 
dieses  Quid  pro  quo  ist  für  ihn  entscheidend,  um  die  Ent- 
stehung des  Esrabuches  nach  Titus  zu  setzen.  Das  sicherste 
aller  Kriterien,  die  bestimmte  Hinweisung  auf  die  Zeit  der 
Idumäischen  Herrschaft  über  Israel  6,  9,  wird  S.  27  nur 
obenhin  berührt  und  mit  der  Bemerkung  abgefertigt,  dass 
Agrippa  U.  und  Berenike,  die  bis  zum  Ende  des  ersten  Jahr- 
2hunderts  reichen,  eben  so  gut  gemeint  sein  können  als 
Herodes;  als  wenn  nach  der  Verwandlung  Judäas  in  eine 
römische  Provinz  noch  mit  irgend  welchem  Scheine  Ton 
einer  Herrschaft  Edoms,  der  das  messianische  Reich  Jakobs 
auf  dem  Fusse  folgen  werde,  hätte  die  Rede  sein  können! 
Jene  letzten  Herodianer  waren  ja  nur  Schattenkönige,  die 
noch  dazu  vom  judischen  Lande  bloss  einige  Grenzgebiete 
innehatten.  Gegen  die  Hilgenfeldsche  Deutung  von  13,  31 
auf  die  Bürgerkriege  vor  der  Schlacht  bei  Aktion  wird  der 
etwas  kleinliche  Einwand  erhoben,  dass  hier  nicht  eigentlich 
Volk  gegen  Volk  aufgetreten  sei,  und  statt  dessen  eine  An- 
spielung auf  den  zu  erwartenden  dacischen  Krieg  gewittert, 
der  für  einen  Juden  schwerlich  besondere  Wichtigkeit  hatte. 
Der  Verfasser  lobt  es  S.  19  an  Lücke,  dass  er  das  „Vexir- 
räthsel^'  von  dem  Adler  für  die  Deutung  ziemlich  unerheb- 
lich fand,  handelt  aber  nicht  nach  diesem  Grundsatze;  denn 
seine  Hypothese,  dass  das  Esrabuch  unter  Nerva  verfasst 
sei,  erhält  eine  Art  von  Stütze  erst  durch  die  neue  hier 
aufgestellte  Auslegung  des  Adlergesichtes,  ohne  welche  sie 
vollkommen  in  der  Luft  schweben  würde.  In  diesem  sind 
die  zwölf  Federn  und  acht  Federchen,  die  dann  als  zwölf 
Könige  und  acht  Gegen-  oder  Schattenkönige  gedeutet  wer- 
den, von  Alters  her  eben  so  viele  cruces  interpretum  gewesen; 
der  Verfasser  wirft  mit  einem  Schlage  sechs  grosse  und  vier 
kleine  Könige  über  Bord;  wie,  das  kann  man  S.  50  lesen: 
„Hört  man  die  Vision  selbst  und  allein,  so  versteht  es  sich 


DAS  VIERTE  BUCH  ESRA.  207 

ja  fär  jedes  Kind  sofort,  dass  man  nicht  mit  je  einem  Fittig 
fliegen  kann,  dass  zu  jeder  fliegfähigen  Schwinge  ein  Flügel- 
paar gehört,  eine  Zweiheit  von  Flügeln.^)  C'est  tout!  Und 
wenn  es  nicht  der  Eindesverstand  den  tief  Gelehrten  sagen 
konnte,  so  hätten  sie  doch  so  viel  Geschmack  sich  bewahren 
sollen/'  Dass  jedes  Eind  des  Verfassers  Auffassung  billigen 
wird,  ist  eine  voreilige  Behauptung,  ein  halbweg  verständiges 
Eind  würde  so  argumentiren:  „Die  Federn  fangen  von  der 
rechten  Seite  an  sich  zu  erheben  (11, 12),  folglich  nicht  zu- 
gleich auch  die  der  linken  Seite,  also  müssen,  wenn  eine 
Zweiheit  gemeint  ist,  je  zwei  Federn  einer  nnd  derselben 
Seite  gemeint  sein;  nun  aber  kann  mit  zwei  Federn  einer 
Seite  kein  Vogel  fliegen,  also  ist  die  Erklärimg  falsch'^ 
Wendete  dann  der  Verfasser  ein:  „liebes  Eind,  diese  näheren 
Bestimmungen  sind  nur  da,  um  dich  zu  vexirenl^'  so  würde 
der  Eindesverstand  dem  tief  Gelehrten  sagen:  „gut,  aber 
kann  denn  ein  Vogel  mit  einem  Federpaare  fliegen,  wenn 
die  fünf  übrigen  ruhen?''  Der  denkende  Mann  aber  würde 
dem  Verfasser  einfach  erwidern,  dass  es  Alles  eher  als 
Geschmack  verräth,  Naturgesetze  auf  ein  Wappenthier  an- 
wenden zu  wollen;  doch  —  fair  is  foul  and  foul  is  fair! 
Auf  diesem  Wege  ergiebt  sich  nun  dem  Verfasser,  dass  die 
sechs  Federpaare  die  Eaiser  von  Cäsar  bis  Nero,  die  drei 
folgenden  Paare  von  Federchen  Galba,  Otho,  Vitellius,  die 
drei  Häupter  Vespasianus  und  seine  beiden  Söhne,  das  letzte 
Paar  Federchen  Nerva  ist,  und  dass  das  Buch  in  Ende  96 
oder  Anfang  97  gehört.  Die  so  wunderbar  erzielten  Resul- 
tate sind  denn  auch  wunderbar  genug;  Titus  muss  dem  Ver- 
fasser zu  Liebe  durch  das  Schwert  fallen,  die  glückliche  und 
friedliche  Regierung  des  Nerva  wird  zu  einem  regnum  exile 
et  tumuUu  plenum,  der  judenfreundliche  Nerva  ist  ein  Gegen- 
stand der  Geringschätzung  seitens  des  jüdischen  Sehers! 
Doch  dies  Alles  stört  den  Verfasser  nicht,  er  findet  viel- 
mehr S.  54  die  Enthüllung  so  schreiend  leicht,  dass  die 
Noth wendigkeit   da   gewesen   sei,   sie  wieder   möglichst   zu 

1)  Man  beachte,  wie  unter  den  Händen  des  Verfassers  ans  der 
Feder  ein  Fittig,  aus  dem  Fittig  ein  Flügel  wird. 


208  ANZEIGE  VON  VOLKMAB, 

ver hüllen^  nnd  dazu  sei  die  Interpretatio  mit  ihren  falschen 
Zahlen  da,  —  in  der  That  eine  wohlfeile  Manier ,  lästige 
Autoritäten  wegzuschaffen!  Doch  möglicherweise  wäre  die 
Sache  nun  wieder  zu  dunkel  gewesen,  daher  vermuthet  der 
Verfasser,  es  sei  vielleicht  in  der  Originalhandschrift  ,,durch 
ein  Strich  lein  durch  dcidsxa  und  oxrco,  sei  es  quer  oder 
horizontal,  oder  durch  wirkliches  Halbiren  der  Buchstaben'^ 
ein  genügender  Wink  gegeben  worden.  Und  wer  dergleichen 
vorbringt,  wagt  es,  auf  jeder  Seite  dem  Leser  seine  „philo- 
logische Methode '^  ins  Gesicht  zu  werfen!  Erstaunt  fragt 
man  zum  Schlüsse:  „aber  96/97  schrieb  man  ja  nicht  tri- 
gesimo,  sondern  vigesimo  septimo  anno  ruinae  civitatis?^^  Der 
sich  verhüllende  Seher,  lautet  die  Ausrede  des  Verfassers 
3S.  57,  musste  sich  so  ausdrücken:  „denn  sonst  hätte  ja 
Jeder  sofort  gesagt,  also  jetzt,  unter  Nerva''.  Und  wer  der- 
gleichen vorbringt,  thut  sich  noch  auf  seine  „in  der  Chrono- 
logie begründete  Kritik^'  etwas  zu  Gute!  Wir  gestehen  offen, 
dass  wir  die  vom  Verfasser  so  sehr  perhorrescirte  Subjectivi- 
tätskritik  seiner  Vorgänger  dieser  neuen,  beispiellosen  Sub- 
jectivitätsunkritik  bei  Weitem  vorziehen. 

Referent  wird  seine  Untersuchungen  über  das  Esrabuch, 
das  fQr  den  Historiker  kaum  minder  wichtig  ist,  wie  für  den 
Theologen,  geeigneten  Ortes  bekannt  machen^  und  muss  sich 
hier  darauf  beschränken,  seine  Ueberzeugung  auszusprechen, 
dass  eine  vernünftige  Erklärung  des  Adlergesichtes  so  lange 
unmöglich  ist,  als  man  darin  einen  integrirenden  Bestandtheil 
jener  Schrift  sieht;  der  von  Noack,  Ursprung  des  Ghristen- 
thums  S.  357  f. ,  gelieferte ,  vom  Verfasser  unbeachtet  ge- 
bliebene Nachweis,  dass  das  Adlergesicht  eine  Interpolation 
ist,  ist  der  Ariadnefaden,  der  allein  aus  diesem  Labyrinthe 
hinausführt. 


DAS  VIERTE  BUCH  ESRA.  209 


2. 

Entgegnung.*)  175/176 

Die  Anzeige  meiner  Abhandlung  über  IV.  Esra  in  Nr.  1 
dieses  Blattes  belehrt  mich  von  Neuem^  dass  der  zweite  Theil 
dieser  Erörterung  wohl  den  bestimmten  Schranken  einer  aka- 
demischen Monatsschrift  Genüge  geleistet  hat,  für  Viele  aber 
noch  mehr  Demonstration  hätte  zu  Dienst  sein  müssen..  In- 
zwischen ist  doch  ihr  nächster  Zweck  hinreichend  erfüllt,  so 
weit  die  bisher  vernommenen  Urtheile  lauten  (ausser  in  diesem 
Blatte^  in  der  Jenaer  Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Theo- 
logie und  im  Leipziger  Repertorium).  Es  galt,  einen  schroffen 
Angriff  auf  die  ,,Religion  Jesu^  zurückzuweisen^  welcher  von 
der  neuesten  jüdischen  Apokaljptik  gegen  die  dort  gegebene 
kurze  Charakteristik  der  Esra -Apokalypse  erhoben  war;  ein 
grosses  Versehen  sei  es,  dass  ich  dem  Bückgehen  Lückes 
(Einleitung  in  die  Apok.  Joh.  ed.  II)  auf  vorchristliche 
Deutung  des  Esrabuches  mich  nicht  gefügt  hätte ^  auf  Ent- 
*  stehung  desselben  am  Ende  des  ersten  christlichen  Jahr- 
hunderts beharrend  und  am  Wenigsten  ahnend,  man  werde 
noch  die  Fähigkeit  besitzen,  für  die  Flügel  und  Flüglein  an 
dem  Adler  der  fünften  Vision  in  dem  „griechischen  Welt- 
reiche der  Ptolemäer"  eine  Unterkunft  zu  erreichen.  Man 
hat  meiner  antithetischen  Erörterung  zugestanden,  wie  höchst 
unbegründet  jener  Vorwurf  war;  ja,  fast  zu  schlagend  hat 
man  sie  gefunden ^  da  auch  der  Referent  dieses  Blattes  vor 
lauter  Evidenz  oder^  wie  er  sagt,  „Hohn''  (auf  den  Ptolemäer- 
Flügel-Traum)  am  Ende  ganz  vergessen  hat,  dass  ich  ja  nur 
zu  antworten  hatte.  —  Durfte  man  aber  auch  so  Befestigtes 
wohl  einfacher  construiren,  so  hätte  ich  diesen  Neubau  doch 
noch  umständlicher  erörtern  sollen;  das  Repertorium  hat 
Bedenken  behalten  und  diese  haben  sich  bei  dem  Referenten 
dahin  gesteigert^  dass  er  mittelst  einer  (von  meinem  eigenen 


*)  [Literarisches  Centralblatt  1859  S.  175/176.] 

V.  GüTBOHMiD,  Kloine  Schrifton.    IL  14 


210    ANZEIGE  VON  VOLKMAB,  DAS  VIERTE  BUCH  ESRA. 

Textprincipe  gebotenen)  Textberichtignng  in  der  vierten  Vision 
überhaupt  eine  neue  Ansicht  gewinnen  zu  können  gehofft 
hat,  nämlich  eine  neue  Berechnung,  namentlich  auch  der 
zwölf  Weltalter,  mit  deren  Einmünden  inmitten  des  ersten 
christlichen  Jahrhunderts,  nach  der  eigenen,  nur  rectificirten 
Rechnung  des  Gegners,  ich  ganz  genug  hatte,  was  Referent 
auch  übersieht.  Es  leuchtet  leicht  ein,  wie  wächsern  solche 
Bestimmungen  sind,  mit  denen  man  eben  so  gut  auf  18  oder 
8  V.  Ch.  oder  12  und  42  n.  Gh.,  aber  auch  90  und  102  n.  Ch. 
kommen  kani),  oder  auch  beliebig  noch  früher  oder  später. 
Auch  bedarf  es  wohl  nicht  der  Erinnerung,  welch'  hals- 
brechenden Ausweg  der  angehende  Verfasser  „aus  dem 
Labyrinth''  nämlich  für  seine  Wünsche,  die  Messiasgedanken 
dieses  altjüdischen  Buches  vorchristlich  zu  machen,  damit 
sucht,  dass  er  die  chronologisch  detaillirende  Vision  gerade, 
als  ihm  absolut  widersprechend  geworden,  ausmerzen  will. 
Je  offener  aber  seine  gegnerische  Stellung  Referent  durch 
Alles  bezeugt  hat,  um  so  interessanter  ist  es,  dass  er  meine 
Ansicht  im  Grunde  völlig  bestätigt,  nämlich  diese  Apokalypse 
mit  dieser  fünften  von  mir  zunächst  textkritisch  erörterten 
Vision  oder  nach  dem  urkundlichen  Texte  aller  Zeugen  über- 
haupt mindestens  nach  Domitian  entstanden  unumwunden 
anerkennt.  Dass  dies  nun  auch  weder  unter  Domitian  selbst 
der  Fall  ist  (Gfrörer),  noch  unter  Trajan  (Lücke  I.),  sondern 
gerade  unter  dem  regnum  exile  des  Nerva,  dieser  dvag  avti- 
jctSQvyCcDv^  die  nach  dem  Sturze  des  höchsten  und  letzten 
Flavischen  Hauptes  der  Verruchtheit  für  den  Juden  noch 
fortbesteht,  aber  nun  bald  zusammenbrechen  soll,  dies,  denke 
ich,  wird  den  geäusserten  Bedenken  gegenüber  auch  schon 
seine  nähere  Erläuterung  finden,  zugleich  mit  der  Beleuchtung 
von  Lipsius'  gleichzeitigem  und  ähnlichem  Angriffe  auf  ein 
anderes  Moment  der  Ansicht,  welche  ich  über  die  Josephos 
noch  unbekannten  Apokrypha  überhaupt  zu  begründen  be- 
gonnen habe.  Je  schärfer  der  Gegensatz,  um  so  erheblicher 
die  Bewährung  eines  unangreiflichen,  nämlich  philologischen 
Grundes. 

Dr.  Volkmar. 


DIE  APOKALYPSE  DES  ESRA  ETC.  211 

Da  diese  Erwiderung  mich  nur  zum  kleinsten  Theile 
trifft^  mir  namentlich  die  theologischen  Schulstreitigkeiten 
nicht  bloss  gleichgiltig ,  sondern  im  Wesentlichen  unver- 
ständlich sind,  so  könnte  ich  den  Herrn  Verfasser  einfach 
auf  die  versprochene  Begründung  meiner  Ansicht  über 
Esra  IV.  verweisen,  will  aber  doch . einstweilen  Folgendes 
bemerken:  1)  meine  Wünsche  gehen  nicht  dahin,  das  Buch 
vorchristlich  zu  machen,  sondern  die  Wahrheit  zu  finden; 
2)  wenn  der  Herr  Verfasser  meint,  man  könne  mit  den 
Weltperioden  auf  sechs  verschiedene  Zeitpunkte  zwischen 
18  V.  Ch.  —  102  n.  Ch.  kommen,  so  sind  das  sechs  Proben 
experimentirender  Chronologie,  von  denen  ich  nicht  weiss, 
wie  ich  sie  mir  erklären  soll;  wer  alle  chronologischen 
Indicien  des  Buches  berücksichtigt,  dem  ergiebt  sich  nur 
eine  Deutung,  und  das  ist  keine  von  den  sechs,  die  der 
Herr  Verfasser  zur  Auswahl  giebt;  3)  ehe  derselbe  in 
meiner  Verwerfung  des  Adlergesichtes  einen  halsbrechenden 
Ausweg  sieht  und  daraus  für  seinen  eigenen  Einfall  günstige 
Schlüsse  zieht,  hätte  er  sich  wohl  fragen  können:  ob  nicht 
eine  stricte  Auslegung  der  Vision  über  die  Zeit  des  frühesten 
Gitates  aus  den  echten  Theilen  des  Esrabuches  hinausführt? 
ob  nicht  das  Adlergesicht  somit  den  Beweis  der  Unechtheit 
in  sich  selbst  trägt? 

A.  V.  G. 


3. 
Die  Apokalypse  des  Esra  und  ihre  spateren  Bearbeitungen.'^) 

Die  wichtigsten  Vorarbeiten,  die  uns  bei  einer  Unter- 
suchung über  die  Apokalypse  des  Esra  zu  Hülfe  kommen, 
sind  folgende: _  Lücke,  Offenbarung  des  Johannes  S.  144 — 
212  (2.  Ausg.).     Noack,  Der  Ursprung  des  Christenthums 

'     *)  [Zeitschrift  für  wissenschafbliche  Theologie.    Dritter  Jahrgang. 
(1860)  S.  1—81.] 

14* 


212  DIE  APOKALYPSE  DES  ESRA 

I  S.341— 363.  Hilgenfeld,  Die  jödische  Apokalyptik  S.185— 
242.  Punkte,  welche  in  diesen  Werken  meiner  Ueberzeugang 
nach  erledigt  sind^  werde  ich  nicht  nochmals  besprechen, 
sondern  mich  mit  einer  einfachen  Verweisung  auf  meine 
Vorgänger  begnügen.  Von  einer  Polemik  gegen  Ansichten 
derselben  glaube  ich  der  Natur  einer  solchen  Untersuchung 
nach  absehen  zu  können:  ist  die  neue  Deutung  eines  apo- 
kalyptischen Räthsels  evident,  so  muss  sie  sich  von  selbst 
Geltung  verschaffen;  ist  sie  es  nicht,  so  ist  mit  der  blossen 
Negirung  wenig  gewonnen. 

I.    Der  Anhang  Cap.  15.  16. 

Ich  beginne  mit  der  Prüfung  der  anerkannt  spätesten 
Bestandtheile  des  Esrabuches,  der  nur  in  der  lateinischen 
Uebersetzung  erhaltenen  Cap.  1 — 2  und  15 — 16,  um  so  fttr 
2  den  Kern  des  Buches  eine  sichere  Grenze  nach  unten  zu 
gewinnen,  und  zwar  gehe  ich  von  dem  Stücke  15 — 16  aus, 
welches  bestimmtere  chronologische  Merkmale  enthält.  Es 
}st  geschrieben  von  einem  Christen  in  Aegypten  (Lücke 
S.  186.  212).  Die  äusseren  Indicien  der  Abfassungszeit 
helfen  uns  wenig:  die  Apokalypse  wird  darin  nachgeahmt 
(Lücke  S.  186);  wichtiger  ist,  dass  Ambrosius  (374  —  397 
V.  Ch.)  die  lateinische  Uebersetzung  auch  dieses  Stückes 
kennt  (15,  50  vgl.  mit  Ambr.  ep.  29.  IL  col.  909  E). 

Der  Schlüssel  ist  offenbar  in  der  visio  horribilis  15, 
28 — 33  gegeben.  Hier  wird  ein  Kampf  zwischen  Arabern 
und  Carmoniern  in  Assyrien  geschildert,  und  zwar  so  de- 
taillirt,  dass  eine  wirkliche  Prophezeiung  künftiger  Dinge 
nicht  wohl  anzunehmen  ist;  gesetzt  aber  selbst,  es  läge  eine 
solche  hier  vor,  so  mussten  doch  die  politischen  Verhältnisse 
der  Art  sein,  dass  der  Gedanke  an  einen  solchen  Kampf 
nahe  lag.  Nun  aber  sind  die  Araber  vor  den  Zeiten  des 
Islams  nur  ein  einziges  Mal  erobernd  über  die  Grenzen 
Arabiens  vorgedrungen  und  in  die  Nähe  Assyriens  ge- 
kommen, nämlich  zur  Zeit  des  Palmyrenischen  Reiches. 
Odänathos,    der  Gründer  desselben,    bekleidete  zugleich  die 


UND  IHBE  SPAETEREN  BEARBEITUNGEN.  213 

Würde  eines  Decurio  in  Palmyra  und  die  eines  Fürsten  der 
mit  den  Römern  verbündeten  arabischen  Nomadenstämme 
längs  des  Euphrat  (Lenain  de  Tillemont,  Histoire  des  em- 
pereurs  III  S.  958);  er  selbst  war  ein  Araber*)  und  Araber 
bildeten  die  Hauptmacht  seines  Reiches.  Hiermit  haben 
wir  festen  Boden  gewonnen  ^  sind  aber  auch  in  eine  Zeit 
geführt;  die,  von  den  unzuverlässigsten  Gewährsmännern  am 
lückenhaftesten  überliefert,  eine  der  dunkelsten  in  der  Welt- 
geschichte ist;  die  Deutung  im  Einzelnen  hat  daher  sehr 
grosse  Schwierigkeiten. 

Das  Heidenthum  wird  noch  als  bestehend  gedacht;  zur  3 
Zeit,  als  dieses  Stück  geschrieben  ward,  wurde  die  Christen- 
heit vorzüglich  in  Aegypten  blutig  verfolgt  (Lücke  a.  a.  0.). 
Zur  Strafe  wird  dem  ganzen  Erdkreise  von  dem  Propheten 
Schwert,  Hunger,  Tod  und  Verderben  angesagt  (15,  5), 
Aegypten  speciell  aber  mit  einem  neuen  Auszuge  des  Volkes 
Gottes  und  den  davon  unzertrennlichen  Landplagen  bedroht 
(15,  11):  die  Saaten  sollen  den  Landleuten  verderben,  die 
Fruchtbäume  von  übermässiger  Gluth,  Hagel  und  schreck- 
lichen Blitzen^  verwüstet  werden  (15,  13).  Der  Auszug 
aus  Aegypten  Seitens  des  christlichen  Verfassers  kann  nicht 
gut  anders  als  symbolisch  gemeint  sein,  um  die  Errettung 
aus  den  Händen  der  heidnischen  Herrscher  zu  bezeichnen; 
daher  werden  auch  die  damit  verbundenen  Strafgerichte  sich 
in  typischen  prophetischen  Bildern  bewegen,  werden  als  zu- 
künftig gedacht  sein,  nicht  auf  schon  Geschehenes  Bezug 
nehmen.  Allerdings  scheint  aber  Letzteres  der  Fall  zu  sein 
in  dem  an  die  Strafandrohungen  geknüpften  Weherufe  über 
die  Welt  15, 14 — 45.  Dieser  Weheruf  wird  durch  zahlreiche 
Anspielungen  auf  Ereignisse  begründet,  die  sichtlich  geschehen 


1)  OdäDathos  ist  der  Odzeina  des  Hamza  (S.  96  ed.  Gottwaldt); 
ob  Zenobia  eine  HellenisiruDg  von  Zeioab  oder  Zeinab  eine  Arabisirung 
▼on  Zenobia  ist,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden. 

2)  Das  häufig  vorkommende  sidua  lässt  sich  nur  aus  der  Bedeutung 
„schädlicher  Einfluss  der  Witterung"  erklären,  aber  auch  so  noch  ge- 
zwungen; man  erwartet  überall  ein  Wort  wie  Gewitter  oder  Blitz. 
Yermuthlich  hat  der  Uebersetzer  aax^anr^  und  aetgov  verwechselt. 


214  DIE  APOKALYPSE  DES  ESBA 

sind;  nicht  erst  erwartet  werden;  denn  hier  trägt  Alles  eine 
sehr  concrete,  anschauliche  Farbe;  auch  fallt  der  Prophet 
einmal  halb  und  halb  aus  seiner  Rolle,  indem  er  y.  27  sagt: 
„iam  enim  venerunt  super  orbem  terrarum  malaj  et  manebüis 
in  Ulis".  Zu  ermitteln,  wo  innerhalb  dieses  Abschnittes  die 
Vaticinatio  post  eventum  aufhört,  ist  von-  Wichtigkeit  und 
nicht  so  verzweifelt,  wie  Lücke  meinte.  Man  beachte  nur, 
dass  y.  40  ff.  die  schon  vorher  im  Allgemeinen  angedrohten 
Strafen,  Blitze,  Feuer  und  Hagel,  wiederkehren  und  diesmal 
4  nur  mehr  ausgemalt  werden.  Dieses  äussere  Merkmal,  dass 
hier  die  eigentliche  Prophezeiung  anhebt,  wird  durch  den 
Inhalt  der  letzten  Bilder  dieser  Vision  bestätigt  Noch  die 
Wolken  v.  34  ff.,  die  Blutvergiessen  bedeuten,  werden  geo- 
graphisch beschränkt,  von  da  an  aber  wird  Alles  ganz  ver- 
allgemeinert, und  aus  den  Wetterwolken  kann  sich  der 
Prophet  gar  nicht  mehr  herausfinden.  Zuerst  kommen 
Regen  im  Norden  und  Süden  und  ein  neues  Gewölk  im 
Westen,  dessen  verderblichen  Inhalt  die  Winde  des  Ostens 
entladen^);  mit  anderen  Worten,  Wetter  von  allen  vier 
Himmelsgegenden.  Die  neuen  „grossen  und  schweren  Wol- 
ken voll  Zorn  und  Blitze^)''  sollen  Blitz,  Feuer,  Hagel, 
sausende  Schwerter  und  vieles  Wasser  bringen,  Alles  ver- 
wüsten und  endlich  bis  Babylon  andringen  und  es  zerstören. 
Bis  hierher  könnte  man  nur  an  Elementargewalten  denken; 
nachdem  aber  die  Zerstörung  ausgemalt  worden,  heisst  es, 
die  Ueberlebenden  würden  den  Urhebern  des  Schrecknisses 
dienen,  wobei  man  vielmehr  eine  Vernichtung  durch  Men- 
schenhand voraussetzen  möchte.  Der  scheinbare  Wider- 
spruch löst  sieh  durch  die  Annahme,  dass  der  Verfasser  hier 


1)  Die  portio  alia^  welche  die  Ostwinde  aufschliessen  sollen,  ist 
unsinnig:  ich  zweifle  nicht,  dass  im  Urtexte  vitpog  in  i^ii^og  verschrieben 
war.  Im  Folgenden  ist  nach  eam  zu  interpungiren ;  es  stand  non  im 
Griechischen  xal  to  vi(pog  im  Nominativ,  was  der  Uebersetzer  miss- 
verstand  und  durch  et  nubem  wiedergab.  Endlich  ist  viöläbitur  ffir 
violäbtt  verschrieben. 

2)  Sidus  ist  mit  plenae  zu  verbinden,  wie  v.  13  et  a  sidtis  teni- 
bile  (Codex  Sang.). 


UND  fflEE  SPAETEREN  BEARBEITUNGEN.  215 

himmlische  Heerschaaren  im  Auge  hat.  Hier  also  bewegen 
wir  uns  sicher  nicht  mehr  auf  geschichtlichem  Boden;  zum 
Ueberfluss  wurde  Rom  —  denn  das  ist  das  apokalyptische 
Babylon  (Lücke  a.  a.  0.)  —  damals  bekanntlich  nicht  zer- 
stört. Hiernach  ist  es  am  Wahrscheinlichsten;  dass  mit  v.  37 
der  geschichtliche  Boden  verlassen  wird  und  dass  der  Prophet 
zu  einer  Zeit  schrieb,  wo  Rom  von  allen  Seiten  so  bedrängt  5 
ward;  dass  Jedermann  dessen  baldigen  Untergang  erwartete. 
In  einer  solchen  Lage  aber  war  Rom  wenn  je  unter  der 
Regierung  des  Gallienus. 

Um  auf  das  Einzelne  überzugehen,  so  beginnt  die  Pro- 
phezeiung damit;  dass  Volk  gegen  Volk  aufstehen  werde 
zum  Kampfe.  Da  der  Seher  vorzugsweise  den  ihm  näher 
liegenden  Orient  im  Auge  hat,  so  wird  hierbei  an  die  Kriege 
zwischen  Romern  und  Gothen  in  den  Jahren  253,  255;  258; 
259—263;  266,  269—270  und  zwischen  Römern  und  Persern 
256  und  260;  sowie  an  die  von  Odänathos  bis  an  seinen 
Tod  (266)  mit  Persien  geführten  Kriege  zu  denken  sein. 
Ferner*),  heisst  es,  wird  sein  Zwiespalt  {inconstahilitio ,  d.  i. 
aövötaöia)  unter  den  Menschen  und  die  Einen  werden  über 
die  Anderen  die  Obermacht  gewinnen  und  werden  sich  nicht 
um  ihren  Konig  kümmern  noch  um  die  Wegweiser  ihrer 
Handlungen  {principes  viae,  d.  i.  rjysiiovag  rijg  odov),  wegen 
ihrer  Macht.  Der  König  (ßaöLXsvg)  ist  Gallienus,  der  wegen 
seiner  Duldsamkeit  von  den  Christen  begünstigt  wurde  (Dio- 
nysios  bei  Euseb.  Hist.  eccl.  YII,  23),  die  Wegweiser  sind 
die  gesetzlichen  Obrigkeiten,  namentlich  die  Statthalter  in 
den  Provinzen  {praesides,  riyefwvsg)]  unter  denjenigen,  die 
sich  in  potentia  sua  um  den  Herrscher  nicht  kümmern  und 
Macht  erlangen;  sind  deutlich  genug  die  sogenannten  30  Ty- 
rannen bezeichnet.  Hier  sind  vorzüglich  die  in  Aegypten 
auftauchenden  Gegenkaiser  ins  Auge  zu  fassen.  Der  ErstC; 
der  sich  hier  gegen  Gallienus  empörte,  war  Macrianus  mit 
seinen  beiden  Söhnen  Macrianus  dem  Jüngeren  und  Quietus; 

1)  Enim  dient  hier  und  in  den  folgenden  Versen,  wie  öfters  im 
spätesten  Latein,  lediglich  sar  Verknüpf nng  der  Sätze,  entsprechend 
griechischem  9i, 


216  DIE  APOKALYPSE  DES  ESRA 

ihre  Herrschaft  dauerte  ein  Jahr  (261—262);  und  vor  Ostern 
262  kehrte  Aegypten  auf  kurze  Zeit  unter  die  Botmässigkeit 
6  des  Gallienus  zurück  (Dionysios  a.  a.  0.).  In  den  Jahren 
262  und  263  erwähnt  Trebellius  Pollio  (Gallien.  5.  9)  den 
Usurpator  Aemilianus  als  Herrscher  von  Aegypten.  Er  kann 
nicht  ganz  kurze  Zeit  regiert  haben,  denn  er  sicherte  die 
Thebais  gegen  die  Einfalle  der  Barbaren  und  befestigte  sich 
so  sehr,  dass  er  an  einen  Zug  gegen  die  Inder  (wohl  die 
Abyssinier)  denken  konnte.  Die  Münzen  des  Gallienus,  deren 
Alexandrinische  aus  jedem  Jahre  da  sind,  verbieten  uns  aller- 
dings, sie  bis  zu  zwei  Jahren  auszudehnen;  V/^  Jahre  bis 
Ende  263  oder  Anfang  264  wird  man  ihm  getrosfc  geben 
können.  Theodotos,  der  Feldherr  des  Gallienus,  bezwang 
ihn  und  schickte  ihn  gefangen  an  Gallienus,  der  ihn  hin- 
richten liess.  Auf  die  Ausgänge  des  Aemilianus  ist  mit 
Sicherheit  die  langwierige  Belagerung  des  Brucheions  durch 
die  Romer  zu  beziehen,  welche  Euseb.  Hist.  eccl.  YII,  32 
erwähnt.^)  Gallienus  scheint  von  nun  an  Aegypten  bis  an 
seinen  Tod  ungestört  besessen  zu  haben;  im  Sommer  268 
aber  taucht  in  Aegypten  ein  neuer  Usurpator,  Domitianus, 
auf^),  und   diese   abermaligen  Wirren   ermuthigten  die  Pal- 


1)  Dies  ist  darch  Tillemont  III  S.  11S3  erwiesen  worden.  Diese 
Belagerung  ist  verschieden  von  der  unter  Aurelianns,  die  mit  der 
völligen  Zerstörung  dieses  Stadttheiles  endigte  (Amm.  XXII,  16,  15). 
Eusebios  in  der  Chronik  setzt  sie  in  das  Jahr  2287  Abr.*),  welches 
bei  ihm  dem  ersten  des  Claudius  entspricht.  Daraufhin  haben  Neuere, 
die  mit  einer  einzigen  Belagerung  auskommen  zu  können  meinen,  diese 
in  das  Jahr  269  gesetzt  und  auf  den  Krieg  mit  den  Palmyrenem  be- 
zogen; allein  bei  Eusebios  ist  das  Jahr  nach  Abraham  das  massgebende 
und  das  Jahr  2287  ist  =  272  n.  Chr.,  in  welchem  Aurelianus  den  Krieg 
mit  der  Zenobia  eröffnete  und  den  Probus  nach  Aegypten  schickte. 

2)  Die  Münzen  lehren,  dass  Domitianus  in  dieser  Zeit  vor  und 
nach  einem  29.  August  in  Aegypten  geherrscht  hat.  Dass  er  nicht 
unter  Aurelianus  gelebt  haben  kann  und  dass  er  mit  dem  Feldherrn 
des  Aureolus,  den  Treb.  Pollio  Trig.  tyr.  XI,  12  erwähnt,  identisch  ist, 
habe  ich  zu  Sharpes  Geschichte  Egyptens  II  S.  191  bemerkt.    Ihn  unter 

*)  [2286  nach  fiieronymus.  Vgl.  übrigens  zu  dieser  ganzen  Note 
Band  I  S.  476.     F.  R.] 


UND  IHRE  SPAETEREN  BEARBEITUNGEN.  217 

my  rener  zu  einem  Angriffe  auf  Aegypten.  Der  des  Jahres  7 
269  misslang^  und  so  lange  Claudius  herrschte ,  blieb  das 
Land  römisch.  Im  Jahre  270  aber  bemächtigte  sich  Zenobia 
Aegyptens  und  beherrschte  es  für  ihren  Sohn  Uaballathos 
bis  an  ihren  Sturz  273.*)  Dieser  üeberblick  lehrt  zur 
Genüge^  dass  das  alii  aliis  invalescentes  des  Sehers  für  diese 
Zeiten  buchstäblich  wahr  ist.  Dann  heisst  es  weiter:  ;;Der 
Mensch  wird  darnach  trachten  in  die  Stadt  zu  gehen  und 
es  nicht  vermögen".  Diese  dunkeln  Worte  sind  am  Ein- 
fachsten so  zu  erklären^  dass  die  Landleute  vor  der  Kriegs- 
gefahr Schutz  in  der  Stadt  suchen^  sich  aber  in  ihrer  Hofihnng 
auf  personliche  Sicherheit  getäuscht  sehen  werden.  ,,Denn 
—  heisst  es  —  wegen  ihres  (nämlich  der  Machthaber)  Hoch- 
muthes  werden  die  Städte  in  Verwirrung  sein^  die  Häuser  zer- 
stört werden,  die  Einwohner  in  Furcht  schweben".  Worauf 
sich  das  bezieht^  wissen  wir  aus  Briefen  des  Dionysios  (bei 
Euseb.  Hist.  eccl.  YII^  21).  Zu  Ostern  261  war  nämlich 
Alexandrien  (die  nokig  vorzugsweise^  wie  Rom  urbs,  Athen 
atixv)  im  Zustande  des  Aufruhrs,  der  die  ganze  Bevölkerung, 
auch  die  Christen,'  in  zwei  feindliche  Lager  theilte:  der  Ver- 
kehr zwischen  den  einzelnen  Stadtvierteln  war  völlig  ab- 
geschnitteU;  der  Nil  schwamm  ununterbrochen  von  Blut  und 
ermordeten  oder  ersäuften  Menschen.  Diese  Unruhen  gingen, 
wie  die  Zeitrechnung  beweist,  der  Erhebung  des  Macrianus 
unmittelbar  voran  und  leiteten  sie  ein;  ähnliche  Zustände 
mQssen  während  der  langwierigen  Belagerung  des  Brucheions 
(263 — 264)  wiedergekehrt  sein.  In  der  prophetischen  Schil- 
derung heisst  es  weiter:  „Die  Menschen  werden  sich  so  wenig 
ihres  Nächsten  erbarmen,  dass  sie  mit  dem  Schwerte  in  der 
Hand  ihre  Häuser  vertilgen  und  ihre  Habe  plündern  werden, 
wegen  Mangels  an  Brod  und  vieler  Drangsale'^  Hier  haben 
wir  also  Verwilderung  in  Folge  einer  Hungersnoth.  Eine 
solche    aber    begleitete    den    von    Dionysios    beschriebenen 

Gallienns  zn  setzen,  ist  misslich,  weil  er  unter  den  30  Tyrannen  nicht 
genannt  wird;  so  ist  denn  nur  unter  Claudius  Platz  für  ihn.     Wahr- 
scheinlich empörte  er  sich  nach  dem  Tode  des  Aureolus. 
*)  [Vgl.  Band  I  S.  476.    F.  R.] 


218  DIE  APOKALYPSE  DES  ESRA 

Bärgerkrieg,  wie  er  selbst  bei  Euseb.  Hist.  ecci.  VII;  22  er- 

8  zählt.  Die  abermalige  Hungersnoth,  die  während  der  Be- 
lagerung des  Bracheions  eintrat,  beschreibt  Eusebios  Hist. 
eccl.  VII,  32. 

„Siehe,  ich  rufe,  spricht  Gott,  alle  Eonige  der  Erde  auf, 
sich  zu  rQhren,  alle  die  da  sind  im  Osten  und  im  Süden,  im 
Südosten  und  im  Südwesten^),  dass  sie  sich  untereinander 
zusammenthun  und  zurückverlangen'),  was  sie  ihnen  (den 
Römern)  einst  gegeben  haben!  Was  sie  bis  auf  den  heutigen 
Tag  meinen  Auserwählten  zu  Leide  thun,  das  will  ich  ver- 
gelten und  es  ihnen  zu  Haus  und  Hof  kommen  lassen.  So 
spricht  Gott  der  Herr!''  Da  Eurus  bisweilen  den  Ostwind 
bezeichnet,  so  könnte  man  auf  den  Gedanken  kommen,  dass 
Eurus  und  Lihs  nur  tautologisch  zur  anderweitigen  Bezeich- 
nung des  .Ostens  und  Südens  gesetzt  wären:  allein  wo  kiif} 
einen  der  vier  Hauptwinde  vertritt,  kann  nur  der  Westwind 
gemeint  sein.  Also  ist  die  Stelle  buchstäblich  zu  verstehen, 
und  diese  buchstäbliche  Auffassung  lässt  sich  aus  der  Ge- 
schichte jener  Zeiten  durchweg  rechtfertigen.  Die  Könige 
des  Ostens,  die  das  Ihre  zurückverlangen,  sind  die  Sasaniden, 
die  bekanntlich  auf  alle  römischen  Provinzen  bis  an  das 
schwarze  und  ägäische  Meer  als  Erbtheil  der  alten  persischen 
Könige  Anspruch  machten  (Tillemont,  Histoire  des  empereurs 
III  S.  363),  Prätensionen,  an  deren  Realisirung  bei  den  grossen 
Erfolgen,  die  Yalerians  Gefangennahme  (260)  den  Persem 
verschaffte,  in  der  That  nicht  viel  fehlte.  Die  Könige  des 
Südostens  sind  die  Palmyrener,  die  sich  zwar  als  Verfechter 
Roms  geberdeten,  thatsächlich  aber  auf  den  Trümmern  der 
römischen  Herrschaft  im  Orient  ein  neues  syrisch-arabisches 
Reich  gründeten  und  erst  im  Jahre  264  Seiten  Roms  noth- 
gedrungen  anerkannt  wurden.  Ueber  die  Könige  des  Südens 
(bei  der  Orientirung  ist  immer  festzuhalten,  dass  der  Schrei- 
ber im  Osten  des  gleiches  lebt,  nicht  in  Rom),  über  diese 

9  klärt  uns  Treb.  Pollio  Trig.  tyr.  XXI,  22  auf,  nach  welchem 

1)  Statt  a  Lihano  ist  herzustellen  a  Liba^  wörtlich  übersetzt  aus 
nqo^  Aißa. 

2)  Der  ZaBammenbang  verlangt  für  reddere  ein  Wort  wie  dnaitB^v, 


UND  IHBE  SPAETEBEN  BEARBEITUNGEN.  219 

der  Tyrann  Aemilianus  Alexander  die  Thebais  und  ganz 
Aegypten  durchzog  und,  so  gut  er  konnte,  die  Barbaren- 
stamme mit  starker  Hand  zurückdrängte.  Diese  Barbaren 
sind  keine  anderen  als  die  Blemmyer,  deren  Einfalle  in 
Oberägypten  um  diese  Zeit  begannen,  sich  unter  Aurelianus 
und  Probus  in  grosserem  Massstabe  erneuerten  und  endlich 
unter  Diocletianus  die  Abtretung  eines  Theiles  von  Ober- 
ägypten an  die  Nubier  zur  Folge  hatten.  Was  endlich  die 
Eonige  nq/oq  j^ißa^)  betrifft,  so  wissen  wir  aus  dieser  oder 
einer  wenig  späteren  Zeit  von  Kämpfen  der  Romer  mit  den 
Marmariden  in  Libyen  (Vopisc.  Probus  9),  in  denen  sich  der 
spätere  Kaiser  Probus  auszeichnete^).  Dieser  Völkerandrang 
wird  als  Strafe  für  die  Ghristenverfolgung  aufgefasst,  unter 
der  nur  die  Valerianische  gemeint  sein  kann.  Diese  hielt 
SVg  Jahre  an  (257—260);  durch  das  Toleranzedict  des  Gal- 
lienus  wurde  die  allgemeine  Verfolgung  eingestellt,  in  den 
Provinzen  aber,  die  Macrianus,  dem  Urheber  der  Massregeln 
Valerians  gegen  die  Christen,  gehorchten,  dauerte  sie  fort, 
wenn  auch  mit  geringerer  Heftigkeit  (Tillemont  III  S.  789). 

Nach  einer  lebhaften  Ausmalung  des  göttlichen  Zornes  lo 
und  der  Bestrafung  derer,  die  unschuldiges  Blut  vergiessen, 
wird  uns  v.  28  ein  neues  Gesicht  vorgeführt,  eine  schreck- 
liche Vision,  zu  schauen  im  Osten.     „Es  werden  ausziehen 
Volker  arabischer  Drachen  in  vielen  Wagen,  und  so  fährt 

1)  Die  natürlichste  Ableitung  des  Wortes  A^ijj  ist  die  von  yiißvij, 
die  Römer  geben  es  daher  ganz  richtig  durch  Africus  wieder. 

2)  Vopiscas  hat  im  vorhergehenden  Kapitel  den  Aorelianua  er- 
wähnt, weshalb  Sharpe,  Geschichte  Egyptens  II  S.  191  (deutsche  Ueber- 
setzong)  den  Vorfall  in  dessen  Begierungszeit  setzt;  allein  schon  Tille- 
mont III  S.  1129  hat  gesehen,  dass  in  der  Aufzählung  der  Thaten  des 
Probus  vor  seiner  Thronbesteigung  die  Zeitfolge  durchaus  nicht  ein- 
gehalten ist.  YopiscuB  sagt,  Probus  sei  nach  dem  Siege  über  die 
Marmariden  von  Libyen  nach  Karthago  gegangen  und  habe  dies  aus 
den  Händen  der  Rebellion  befreit.  Nun  wissen  wir  aus  dieser  ganzen 
Zeit  nur  von  einem  einzigen  Aufstande  in  der  Provinz  Africa,  dem 
des  Celsus  (denn  der  Anschlag  des  Memor  ward  noch  vor  dem  Aus- 
bruche erstickt).  Er  erfolgte  unter  Gallienns;  genauer  ist  die  Zeit 
nicht  bekannt.  Es  steht  nichts  im  Wege,  ihn  mit  dem  von  Yopiscus 
gemeinten  zu  identificiren. 


220  DIE  APOKALYPSE  DES  ESRA 

> 
der  Hauch  derselben  vom  Tage  ihres  Aufbruchs  an  über  die 

Erde,  dass  bereits  Alle,  die  sie  horen^  sich  fürchten  und 
zittern.  Die  Carmonier,  rasend  vor  Zorn,  werden  auch  ihrer- 
seits hervorbrechen  (et  exieni,  xal  avtol  i^sXevöovtai)^  wie 
Eber  aus  dem  Walde ,  und  werden  mit  grosser  Macht  an- 
kommen und  einen  Kampf  mit  jenen  beginnen  und  einen 
Theil  des  Landes  der  Assyrier  verwüsten,  und  nach  diesem 
werden  die  Drachen  ihrer  Geburt  eingedenk^)  die  Oberhand 
gewinnen  und  sich  einmüthig  mit  grosser  Macht  auf  ihre 
Verfolgung  begeben.  Jene  werden  in  Verwirrung  gerathen 
und  vor  ihrer  Macht  verstummen  und  werden  ihre  Füsse  zur 
Flucht  wenden,  und  vom  Gebiete  der  Assyrier  wird  ein 
Lauerer  ihnen  einen  Hinterhalt  legen  {subsessor  obsiäebit  eos, 
inißovXog  iq)edQ6v6€v  avrotg)  und  Einen  von  ihnen  vernichten, 
und  Furcht  und  Zittern  wird  in  ihrem  Heere  und  eine  Zu- 
sammenrottung (constantia,  6v6ta6ig)  wider  ihre  Eonige 
sein.''  Garmonii  ist  kein  Volksname,  es  ist  dafür  mit  einer 
sehr  leisen  Aenderung  Garmani  herzustellen,  wie  Lücke  S.  185 
richtig  gethan  hat.  Earmanien  war  damals  im  Besitze  der 
ilSasaniden,  deren  erste  Eroberung  dieses  Land  war');  es 
gehörte  ihnen  schon  vor  dem  volligen  Sturze  der  Arsakiden. 
Earmanien  kann  also  nur  eine  Bezeichnung  der  Sasaniden 
nach  einem  der  Ursitze  ihrer  Macht  sein.  Um  zu  ermitteln, 
was  für  ein  Erieg  zwischen  Palmyrenern  und  Persem  hier 
gemeint  ist,  ist  ein  kurzer  Ueberblick  über  die  Verhältnisse 
beider  Mächte  nöthig.  Ein  solcher  ist  durch  den  Mangel 
an  Zeugnissen  überhaupt  und  vor  Allem  an  datirten  Zeug- 

1)  Weil  Dämlich  der  Drache  stärker  ist  als  der  Eber. 

2)  Artaxares  I.  eroberte,  von  Persis  ausgehend,  Earmanien  und 
iddtete  dessen  Herrscher  Paläsch  (S.  de  Saey,  Mämolres  sar  diverses 
antiquit^s  de  la  Perse  p.  276).  Neben  dieser  offenbar  historischen  Dar- 
stellang  hat  sich  bei  Firdnsi  auch  eine  mythische  Version  desselben 
Ereignisses  erhalten,  nach  welcher  Artaxares  dort  den  Heftw&d  und 
seine  Söhne  erschlug,  die  im  Besitze  des  Glückswurms  waren.  Dass 
für  jene  nrir  Mirkhond  Garant  ist,  kann  bei  der  rein  zufälligen  Art, 
wie  die  Schätze  der  orientalischen  Geschichtsschreibung  bisher  publicirt 

11  worden  sind,  nicht  Wunder  nehmen.    Später,  vermuthlich  unter  einem 
der  drei  ersten  Yaranes,  ging  Earmanien  wieder  verloren. 


UND  IHRE  SPAETEREN  BEARBEITUNGEN.      221 

Bissen  sehr  erschwert;  Folgendes  kann  als  gesichert  betrachtet 
werden.  Nach  der  Gefangennahme  Yalerians  überschwemmten 
'  die  Perser  unter  ihrem  Eonige  Sapores  den  ganzen  Orient: 
sie  eroberten  Mesopotamien  und  durchzogen  verheerend  Syrien 
und  Eilikien.  Hier  fiel  Tarsos  in  ihre  Hände;  als  sie  aber 
Pompejopolis  belagerten^  schlug  sie  der  romische  Feldherr 
Ballista  aufs  Haupt  und  rieb  bei  Sebaste  und  Eorykos  andere 
persische  Heeresabtheilungen  auf.  Im  Einverständniss  mit 
Ballista  erhob  sich  jetzt  auch  Odänathos  von  Palmyra,  von 
Sapores  beleidigt,  gegen  die  Perser,  so  dass  diese  den  Rück- 
zug antreten  mussten.  In  der  Euphratensis  (Eommagene) 
überfiel  sie  Odänathos  und  brachte  ihnen  eine  totale  Nieder- 
lage bei,  wodurch  Sapores  in  solche  Bedrängniss  kam,  dass 
er  sich  von  der  romischen  Besatzung  in  Edessa  mit  einer 
Geldsumme  den  ungehinderten  Rückzug  erkaufen  musste; 
sein  Harem  fiel  dem  Ballista  oder  dem  Odänathos  in  die 
Hände.  Die  grossen  Erfolge  der  Perser  gehören  in  den 
Spätherbst  260,  das  Auftreten  des  Odänathos  in  das  folgende 
Jahr.  Die  griechischen  und  römischen  Quellen  erwähnen 
ihn  bei  dieser  Gelegenheit  zum  ersten  Mal;  aus  jüdischen 
(bei  Grätz,  Geschichte  der  Juden  IV  S.  332)  wissen  wir,  dass 
Odänathos  oder,  wie  die  Juden  ihn  nennen,  Eaiser  Papa  ben 
Nazar^)  schon  früher  mit  sarazenischen  Banden  in  Judäal2 
und  den  Nachbarländern  bis  Babylonien  raubend  und  ver- 
heerend umherzog  und  im  Jahre  259  den  uralten  Mittel- 
punkt der  babylonischen  Juden  Nahardea  zerstörte.  Nach 
den  Erfolgen  über  Sapores  überschritt  Odänathos  die  per- 
sische Grenze,  eroberte  Earrä  und  Nisibis,  bemächtigte  sich 
ganz  Mesopotamiens  und  belagerte  sogar  Etesiphon,  kehrte 
aber  wegen  des  Umsichgreifens  des  Macrianus  um.  Als 
Odänathos  wieder  in  Syrien  ankam,  war  Macrianus  bereits 
nach  Europa  abgezogen  (Anfang  262);  Odänathos  tödtete 
seinen  jüngeren  Sohn  Quietus   und  nahm  Emesa  in  Besitz. 

1)  Die  von  Grätz  IV  S.  334  gebilligte  VermuthuDg,  dass  beide 
identisch  sind,  wird  zur  Gewissbeit  durch   die  iDSchrifb  im  C.  I.  Gr. 
Nr.  4607,  welche  uns  den  Nasör^s  (Nazar)  als  Ahnen  des  Odänathos  12 
kennen  lehrt.    Papa  wird  ein  Ehrenname  wie  Sheikh  sein. 


222  DIE  APOKALYPSE  DES  ESBA 

Gallienus  erkannte  ihn  264  als  Kaiser  des  Orients  an,  und 
Odänathos  ergriflf  von  Neuem  die  Offensive  gegen  die  Perser 
und  eroberte  diesmal  sogar  Etesiphon.  Die  Verheerungen 
der  Gothen  riefen  ihn  nach  Eleinasien^  er  eilte  durch  Eappa- 
dokien  nach  Herakleia,  traf  aber  die  Feinde  nicht  mehr  an 
und  wurde  unmittelbar  darauf  in  Emesa  mit  seinem  ältesten 
Sohne  und  Mitregenten  Herodes  ermordet  (um  den  23.  Nov. 
266).')  Seine  Nachfolgerin  Zenobia  stellt  sich  wieder  auf 
guten  Fuss  mit  Persien:  in  ihrem  Eriege  mit  Aurelianus 
13  kämpften  persische  Hülfsvolker  auf  Seite  der  Palmyrener 
(Vopisc.  Aurelian.  28).  Dürfte  man  mit  Lücke  S.  185  das 
eos  auf  die  siegreichen  Araber  beziehen,  so  würde  m^n  nicht 
umhin  können,  in  dem  Laurer  den  Bruderssohn  und  Mörder 
des  Odänathos  Mäonios,  in  dem  unus  ex  Ulis  den  Odänathos 
selbst  zu  erkennen  und  die  ,,  Zusammenrottung  wider  ihre 
Eonige'^  auf  die  Usurpation  des  Mäonios  und  den  Militär- 
aufstand, in  welchem  er  gestürzt  ward,  zu  beziehen.  Diese 
Deutung  ist  grammatisch  zwar  nicht  unmöglich,  auf  jeden 
Fall  aber  fernliegend;  das  Einfachste  ist,  eos  auf  die  im 
Verse  vorher  erwähnten  Perser  zu  beziehen  und  diese  Auf- 
fassung wird  durch  den  Gedankengang  bestätigt,  die  Worte 
a  territorio  Assyriorum  v.  33  nehmen  sichtlich  Bezug  auf  das 
V.  30  Erzählte,  dass  die  Earmanier  einen  Theil  Assyriens 
verwüstet  hatten;   beim  Verlassen   des   assyrischen   Landes 

1)  Die  alexandrinischen  Münzen  lehren,  dass  Zenobia  in  dem 
ägyptischen  Jahre  29.  Ang.  266/28.  Ang.  267  die  Regierung  antrat, 
das  genauere  Datum  entnehme  ich  jüdischen  Qnellen.  In  der  Megillat- 
Taanit  heisst  es  nämlich  nnter  dem  Eislev:  „der  siebente  ein  Fasttag, 
weil  an  ihm  Hörödas,  ein  Feind  der  Weisen,  starb;  denn  es  ist  eine 
Freude  vor  Gott,  wenn  die  Bösen  scheiden."  Diese  Tradition  ist,  an- 
erkannt falsch ,  auf  Herodes  den  Grossen  bezogen  worden  (vgl.  Ideler, 
Handbuch  der  Chronologie  II  S.  898);  ich  zweifle  nicht,  dass  der  Pal- 
myrenische  Herodes  oder  (wie  der  Name  auf  Palmyrenischen  Inschriften 
lautet)  OvoQi69fig  gemeint  ist,  der  durch  seine  Ausschweifungen  sich 
und  seinen  zu  nachsichtigen  Vater  verhasst  gemacht  hatte  (Treb.  Pollio 
Trig.  tyr.  XVI,  17).  Die  Juden  hatten  überdies  noch  —  es  ist  nicht 
reght  klar,  warum  —  eine  specielle  Malice  auf  die  Palmyrenische 
Regierung  (Grätz  lY  S.  886):  „Israel",  sagte  Rabbi  Juda,  „müsse  einen 
neuen  Festtag  einführen,  wenn  Tadmor  zerstört  wird/' 


UND  IHRE  SPAETEREN  BEARBEITUNGEN.  223 

trifft  sie  der  unerwartete  Sehlag.  Endlich  komxnt  dazu  noch 
eine  Erwägung  allgemeinerer  Natur.  Der  Prophet  ist  Aegy- 
pter  und  hat  immer  vorzugsweise  Aegypten  im  Auge:  ein 
grosser  "Sieg  der  Palmyrener  ging  Aegypten  allerdings  nahe 
an,  indem  man  in  Folge  eines  solchen  erwarten  musste,  dass 
die  Palmyrener  einen  Angriff*  auf  dieses  Land  machen  würden: 
geriethen  aber  die  Palmyrener  nach  ihrem  Siege  in  Ver- 
wirrung und  innere  Zwistigkeiten,  so  war  für  den  Augen- 
blick von  ihnen  Nichts  zu  befürchten.  Was  hätte  es  also 
in  aller  Welt  für  einen  Sinn,  dass  der  Verfasser,  dessen  An- 
deutungen sonst  überall  dunkel  und  allgemein  gehalten  sind, 
gerade  nur  bei  dieser  einen  Vision  eine  Ausnahme  machte, 
wenn  diese  für  Aegypten  ganz  gleichgültig  war?  Wir  müssen 
demnach  in  dem  ums  ex  Ulis  einen  persischen  Heerführer, 
in  dem  Laurer  irgend  einen  Feind  des  Sapores  und  in  der 
ganzen  Stelle  eine  Anspielung  auf  eine  uns  nicht  näher 
bekannte  Episode  des  Krieges  zwischen  Sapores  und  Odäna- 
thos  erkennen.')  Was  den  Schauplatz  betrifft,  so  kann  As- 14 
Syrien  im  engeren  Sinne  nicht  gemeint  sein,  weil  dies  per- 
sisch war  und  die  Perser  nicht  ihr  eigenes  Land  verwüstet 
haben  werden;  davon,  dass  Odänathos  in  diese  Gegend  vor- 
gedrungen sei,  findet  sich  keine  Spur.  Im  weiteren  Sinne 
bedeutete  Assyrien  bis  hinein  in  die  Sasanidenzeit  die  Eu- 
phrat-  und  Tigrisländer,  soweit  diese  nicht  zum  römischen 
Reiche  gehorten  (vgl.  Kiepert,  Erläuternde  Bemerkungen 
zum  Atlas  der  alten  Welt  §  38  [§  37  der  11.  Aufl.]);  diese 


1)  Domninos  bei  Jo.  Malala  XII  p.  296  erzählt:  als  Sapores  ver- 
heerend bis  Emesa  vordrang,  sei  ihm  der  dortige  Aphroditepriester  14 
Sampsigeramos  mit  einer  Schaar  Banern  unter  dem  Scheine  einer 
Gesandtschaft  entgegengekommen  und  während  der  YerhaudluDgen 
habe  ein  Bauer  den  Sapores  mit  einem  Schleuderstein  vor  die  Stirn 
getroffen  und  todt  niedergestreckt,  worauf  die  Perser  in  verwirrter 
Flucht  abgezogen  seien.  Malala  setzt  den  Vorfall  in  das  Jahr  256; 
allein  damals  zogen  die  Perser  mit  ihrer  Beute  ungehindert  durch 
Eappadokien  heim.  Ist  etwas  Wahres  daran,  so  könnte  es  nur  260 
geschehen  sein;  allein  da  Sapores  erst  273  starb,  so  müsste  für  ihn 
ein  persischer  Heerfahrer  snbstituirt  werden:  die  Geschichte  ist  zu 
apokryph,  um  viel  darauf  zu  bauen. 


224  DIE  APOKALYPSE  DES  ESRA 

Bedeutung  ist  hier  die  allein  passende^  wir  wissen,  dass 
Odänathos  Mesopotamien^  dessen  südlicher  Theil  zu  Assyrien 
gerechnet  zu  werden  pflegt^  den  Persem  entrissen  hatte. 
Namentlich  wird  hier  an  das  von  Arabern  bewohnte  Hatra 
zu  denken  sein,  welches  frühestens  255  in  die  Hände  der 
Sasaniden  gefallen  war  und  wo  die  persische  Herrschaft 
noch  nicht  Zeit  gehabt  hatte,  sich  zu  befestigen.  Der  in 
der  Vision  geschilderte  gewaltige  Aufbruch  der  Araber  kann 
nur  das  erste  Auftreten  der  Palmyrener  im  Jahre  261  be- 
zeichnen. Dass  die  Perser  in  Folge  der  Verwickelungen  in 
Syrien  und  des  durch  dieselben  veranlassten  Abzugs  des 
Odänathos  (Anfang  262)  Luft  schöpften  und  wieder  einen 
Versuch  machten,  die  Offensive  zu  ergreifen,  ist  natürlich; 
nur  darf  man  sich  dafür  nicht  mit  Clinton  auf  eine  Stelle 
der  Chronik  des  Hieronymus  berufen  und  die  Einnahme  von 
16  Mesopotamien,  von  Syrien  und  sogar  von  Antiochien  in  das 
Jahr  262  setzen:  Hieronymus  hat  die  Notiz  aus  Eutrop. 
IX^  8  entlehnt  (der  dort  die  Ereignisse  des  Jahres  256  im 
Auge  hat)  und  seiner  Gewohnheit  nach  in  ein  beliebiges 
Jahr  gesetzt:  der  zweite  Feldzug  des  Odänathos  gegen  die 
Perser  ist  es,  der  v.  31  angedeutet  wird,  üeber  dier  Zeit 
desselben  lässt  sich  mit  Sicherheit  nur  so  viel  sagen,  dass 
er  frühestens  263  begonnen  haben  kann;  denn  die  Belagerung 
von  Emesa  und  die  Bekämpfung  des  Ballista  wird  ohne 
Zweifel  den  Rest  des  Jahres  262  in  Anspruch  genommen 
haben.  Die  Einnahme  Etesiphons  erfolgte  266  oder  im 
Jahre  vorher.  Wenn  Clinton  den  zweiten  Krieg  in  das 
Jahr  264  setzt,  so  ist  dies  nur  eine  falsche  Folgerung  aus 
der  confusen  Darstellung  des  Treb.  Pollio  Gallien.  10,  da 
doch  aus  dem,  was  dieser  weiter  unten  sagt,  bestimmt  her- 
vorgeht, dass  das  dort  Erzählte  vor  263  geschehen  ist  (es 
gehört  in  das  Jahr  261).  Von  dem  Aufstande  im  persischen 
Heere,  auf  den  der  Seher  anspielt,  wissen  wir  zwar  nichts^ 
müssten  aber  auch  ohnedies  innere  Unruhen  im  persischen 
Reiche  für  diese  Zeit  vermutheu,  da  sonst  die  Schwäche  der 
Sasaniden  in  den  letzten  Jahren  des  Sapores  und  unter  den 
nächsten  Königen  unerklärlich  wäre;  Niebuhr  (Vorträge  über 


UND  IHEE  SPAETEREN  BEARBEITUNGEN.  225 

römische  Geschichte  III  S.  280)  hat  hierauf  gewiss  mit  Becht 
hingewiesen.  Als  der  Prophet  schrieb,  war  das  y.  31 — 33 
Beschriebene  offenbar  das  Neueste ,  was  man  in  Aegypten 
von  den  Palmyrenern  und  Persem  wusste;  die  beiden  letzten 
Capitel  müssen  also  zur  Zeit  des  zweiten  Krieges  des  Odä- 
nathos  mit  den  Persem  geschrieben  sein. 

Nun  heisst  es  weiter  15,  34 — 37:  „Siehe,  Wolken  vom 
Osten  und  Norden  bis  gegen  Mittag,  und  ihr  Anblick  ist 
sehr  schrecklich,  voll  von  Zorn  und  Sturm;  und  sie  werden 
aneinander  stossen  und  reichlichen  Blitz  (sidtis  copiosum)  über 
die  Erde  ausschütten,  und  ihr  Blitz  wird  bedeuten^)  Blut,  das  16 
vom  Schwert  kommt,  Blut  bis  an  den  Bauch  des  Pferdes,  bis 
an  den  Busen  des  Menschen^),  bis  an  die  Hinterbeingelenke 
des  Kamels.  Und  viel  Furcht  und  Zittern  wird  sein  auf  der 
Erde  und  erschrecken  werden  die,  so  jenes  Strafgericht  sehen. 
Zittern  wird  sie  ergreifen.''  Die  von  Ost  und  Nord  her 
drohende  Kriegsgefahr  muss  man  auf  die  Gothen  beziehen. 
Ein  Theil  derselben  plünderte  seit  255  ohne  Unterlass  Thra- 
kien, Makedonien  und  Achaia,  erlitt  zwar  durch  Marcianus, 
den  Feldherm  des  Gallienus,  eine  Niederlage,  konnte  aber 
trotzdem  im  Jahre  262  mit  der  gemachten  Beute  abziehen. 
Das  ist  die  nordliche  Gewitterwolke.  Ein  anderes  Gothen- 
heer  unter  Respa,  Veduco  und  Turvaro  hatte  im  Winter  259 
von  Thrakien  aus  über  den  Bosporos  gesetzt  und  war  in 
Bithynien  gelandet,  wo  Nikomedien  und  Nikäa  von  ihnen 
verbrannt  wurden;  dann  verheerten  sie  die  Provinz  Asien, 
verbrannten  den  Tempel  der  Ephesischen  Artemis,  durchzogen 
plündernd  mehrere  Jahre  hintereinander  Kappadokien,  Galatien 
und  Phrygien  und  kehrten  im  Jahre  263  über  den  Hellespont 
und  Thrakien  in  ihre  Heimath  zurück  *,  unterwegs  verwüsteten 
sie  Troia.  Das  ist  die  ostliche  Gewitterwolke.  Um  dieselbe 
Zeit  verheerten   andere   germanische  Horden  Illyricum  und 

1)  Das  et  vor  erit  ist  zu  streichen,  sonst  schwebt  et  sidus  illorum 
ganz  in  der  Luft 

2)  Et  fimus  hominis  ist  unsinnig;  man  verlangt  einen  Accusativ 
und  ein  Wort,  das  einen  Theil  des  menschlichen  Körpers  bezeichnet. 
Ich  ändere  also  sinus, 

9.  GuTSOHKiD,  SLlelne  Sohrifton.    IL  15 


226  DIE  APOKALYPSE  DES  ESRA 

Italien  und  bedrohten  sogar  Rom;  der  Senat  bot  zum  Schutze 
der  Stadt  Truppen  auf,  was  wenigstens  Rom  rettete^  die 
Küsten  Italiens  blieben  aber  nach  wie  vor  den  Angriffen  der 
Germanen  ausgesetzt  (Zosim.  I^  37).  Dies  geschah  sicher 
nach  260  und  spätestens  263;  denn  in  diesem  Jahre  feierte 
Gallienus  einen  Triumph  über  die  Gothen,  der  wohl  nicht 
17  ganz  so  nichtig  war,  als  ältere  und  neuere  Historiker  ihn 
dargestellt  haben.  Wirklich  ist  für  den  nächsten  Augen- 
blick von  massenhaften  Unternehmungen  der  Gothen  nicht 
die  Rede;  Zosimos  sagt,  alle  Barbarenstämme  hätten  sich 
vereinigt,  um  gegen  Italien  zu  operiren:  der  Triumph  galt 
ohne  Zweifel  der  Errettung  Roms.  Diese  Situation  nun 
passt,  wenn  irgend  eine,  auf  die  Schilderung  unseres  Pro- 
pheten von  dem  Andränge  aller  feindlichen  Mächte  ringsum 
gegen  Rom;  die  beiden  Schlusscapitel  müssen  geschrieben 
sein,  als  die  Gefahr  der  Yemichtung  noch  über  Rom 
schwebte.  Es  ist  dies  die  Stelle,  wo  die  Bilder  zu  ver- 
schwimmen anfangen  und  wo  die  Prophezeiung  geschehener 
Dinge  ein  Ende  nimmt. 

Der  Schluss  des  15.  Capitels  von  v.  46  an  ist  gegen 
Asien,  d.  i.  Kleinasien,  gerichtet,  welches,  in  ähnlicher  Weise 
wie  Babel  und  Tyros  von  den  Propheten  des  alten  Testa- 
ments, als  Buhlerin  dargestellt  wird.  Asia  wird  als  specielle 
Genossin  Babel- Roms ^  als  Ruhm  seines  Antlitzes  (personae 
eiusy  xov  XQoödnov  avr^g)  angeredet,  weniger  wohl,  wie 
Lücke  S.  186  meint,  weil  es  der  romischen  Herrschaft  unter- 
worfen war,  als  weil  es  an  allen  Uebelthaten  Roms  theil- 
genommen  hatte.  Es  wird  v.  53  Asien  zum  Vorwurfe  ge- 
macht, dass  es  jederzeit  die  Auserwählten  des  Herrn  getödtet 
habe,  Schläge  der  Hände  austheilend  und  in  der  Trunkenheit 
ihr  Todesurtheil  aussprechend.^)  Dies  bezieht  sich  zweifels- 
ohne auf  die  Ghristenverfolgung  des  Decius  (249 — 251),  die 
in  Asien  ganz  besonders  heftig  gewesen  war  (vgl.  Tillemont 
III  S.  657 — 686);  über  die  Valerianische  Verfolgung  sind  aus 

1)  Für  dicens  ist  wohl  edicens  sa  scbreibeo.  Im  Grieohischen 
wird  der  Satz  etwa  so  gelautet  haben:  imtsivovea  nlriyas  xeiQmp  nal 


UND  IHRE  SPAETEREN  BEARBEITUNGEN.  227 

Asien  keine  Details  überliefert,  es  ist  aber  nicht  zu  bezweifeln, 
dass^  als  Asien  sich  für  den  Gegenkaiser  Macrianus,  einem  8 
ausgesprochenen  Feind  der  Christen,  erklärt  hatte,  die  Stellung 
der  christlichen  Gemeinden  daselbst  eine  gedrückte  und  arg 
gefährdete  war.  unter  diesem  frischen  Eindrucke  scheint 
der  Prophet  zu  schreiben.  Von  dem  Unheil  aller  Art,  was 
nun  Asien  angedroht  wird,  ist  der  letzte  Theil  offenbar  erst 
zukünftig.  „Im  Vorbeigehen",  heisst  es  v.  60,  „werden  sie 
(die  Rächerschaaren,  die  Babel  ausgerottet  haben)  an  die 
müssige  Stadt  anstossen  und  sie  zerstören  und  werden  einen 
Theil  deines  Landes  vernichten  und  einen  Theil  deines 
Ruhmes  ausrotten,  um  dann  wieder  zum  zerstörten  Babel 
zurückzukehren/^  Also  Asien  soll  entscheidend  erst  nach 
Babel  gestraft  werden;  dessen  Untergang  selbst  aber  gehört 
erst  der  Zukunft  an.  Dass  der  Prophet,  der  sonst  den 
Mund  ziemlich  voll  nimmt,  nur  einen  Theil  Asiens  dem 
Verderben  preisgeben  lässt,  klingt  seltsam,  gewiss  ist  aber 
der  Sinn  der,  dass  ein  Theil  Asiens  schon  zerstört  ist  und 
zukünftig  auch  noch  der  übrige  Theil  untergehen  soll:  hiess 
es  doch  im  vorhergehenden  Verse:  „unglücklich  wirst  du 
zuerst  werden  {infelix  primaria  venies,  atvxijg  XQoirrj  fpavet) 
und  wirst  zum  zweiten  Mal  Unheil  empfangen!^'  Die  vorher 
erwähnten  Plagen  können  der  Vergangenheit  angehören,  erst 
nach  y.  59  beginnt  sicher  die  eigentliche  Prophezeiung  zu- 
künftiger Dinge.  Was  v.  57  —  58  geschildert  ist,  ist  nur 
ausmalende  Wiederholung  von  v.  49,  wo  Asien  Verwaisung, 
Armuth,  Hunger,  Schwert  und  Pestilenz  angekündigt  worden 
sind;  die  Verwaisung  und  der  Krieg  werden  näher  beschrie- 
ben: deine  Söhne,  heisst  es,  sollen  Hungers  sterben,  du 
sollst  durch  das  Schwert  fallen,  deine  Städte  zerstört  werden. 
Die  Pest  ist  ohne  Zweifel  die  allgemeine,  welche  am  Heftig- 
sten im  Jahre  262  wüthete,  unmittelbar  nach  einem  Erd- 
beben, welches  namentlich  Eleinasien  sehr  mitnahm  (Treb. 
Pollio  Gallien.  5).  Die  Eriegsnoth,  in  deren  Gefolge  der 
Hunger  kommt,  ist  die  gothische,  die,  wie  schon  erwähnt,  19 
Eleinasien  ganz  besonders  betraf;  seine  blühendsten  Städte 
wurden  damals  zerstört,  Ghalkedon,  Nikoniedien,  Nikäa,  Kios, 

15* 


228  DIE  APOKALYPSE  DES  ESRA 

Apameia^  Prusa,  Ephesos,  Kaisareia  Mazaka,  Pessinus,  Ale- 
xandreia  Troas,  Ilion.  .  Im  Jahre  263  zogen  die  gothischen 
Banden  heim.  Der  Prophet  verkündigt^  Asien  werde  von  den 
Rächerschaaren^  die  Babel -Rom  zerstören  würden  ^  vollends 
yemiehtet  werden;  dies  traf  nun  allerdings  nicht  wortlich 
ein^  wohl  aber  erscheinen  bald  darauf  neue  nordische  Raub- 
schaaren  in  Eappadokien:  über  den  Zeitpunkt  ihres  Einfalls 
wissen  wir  nur  so  viel,  dass  sie  belio  vario  diu  acto  (Treb. 
PoUio  Gallien.  11)  nach  Bithynien  zogen  und  nach  der  Ein- 
nahme von  Herakleia  im  Jahre  266  mit  reicher  Beute  ab- 
segelten. Schon  viel  früher^  im  Jahre  253,  war  Asien  zuerst 
unter  allen  romischen  Provinzen  von  den  Boranen  ausge- 
plündert worden  (Zosim.  I,  28.  ^EkX,  Cor,  bei  Cramer^  Anecd. 
Paris.  11,  289);  hierauf  könnte  sich  das  infelix  primaria 
beziehen. 

Im  16.  Capitel  war  v.  lOflF.  über  Aegypten,  v.  28flF.  über 
die  Palmyrener,  v.  40  ff.  über  Babel- Rom,  v.  46  ff.  über  Asien 
eingehend  geweissagt  worden;  alle  diese  Weherufe  fasst  nun- 
mehr der  Prophet  in  die  Worte  zusammen  (16,  1):  „Wehe 
dir,  Babel  und  Asien,  wehe  dir,  Aegypten  und  Syrien !''  und 
knüpft  daran  eine  Schilderung  des  allgemeinen  Verderbens, 
welches  über  die  Welt  hereinbrechen  werde  und  zum  Theil 
schon  hereingebrochen  sei.  Er  giebt  hier  die  alttestament- 
liehe  Maske  so  gut  wie  ganz  auf  und  spricht  aus  seiner 
eigenen  Person,  Vergangenes  und  Seiendes  von  dem  erst  Er- 
warteten deutlich  genug  scheidend.  Den  thatsSchlichen  Kern 
enthalten  die  Verse  18 — 22:  „Der  Anfang  der  Schmerzen  und 
vieles  Seufzens  ist  da,  der  Anfang  des  Hungers  und  vieles 
Verderbens;  der  Anfang  der  Kriege  ist  da  und  die  Gewal- 
tigen werden  sich  fürchten,  der  Anfang  der  Uebel  und  Alle 
werden  zittern!  Was  sollen  sie  dann  thun,  wenn  die  eigent- 
20 liehen  Uebel  erst  gekommen  sind?  Siehe,  Hunger,  Pest 
(plaga),  Verfolgung  (tribulatio)  und  Bedrängniss  sind  als 
Geissein  zur  Besserung  gesendet  worden,  und  bei  alledem 
werden  sie  sich  nicht  bekehren  von  ihren  Ungerechtigkeiten 
und  werden  stets  der  Geissein  uneingedenk  sein.  Siehe,  es 
wird  Wohlfeilheit  der  Lebensmittel  auf  Erden  sein,  so  dass 


UND  IHRE  SPAETEREN  BEARBEITUNGEN.      229 

sie  glauben  werden^  es  sei  ihnen  Friede  bescheert;  dann  aber 
werden  die  üebel  auf  Erden  sich  verdoppeln*),  Schwert, 
Hunger  und  grosse  Verwirrung/  Es  liegt  auf  der  Hand, 
dass  der  Verfasser  während  der  guten  Zeit  schrieb,  die  den 
Glauben  erweckte,  es  hätten  die  Uebel  ein  Ende;  die  von 
Neuem  einbrechenden  Uebel,  die  bis  zum  Schluss  geschildert 
sind,  gehören  der  Zukunft  an.  Jene  Stelle  aber,  in  welcher 
der  Seher  die.  bereits  eingetretenen  Zustände  beschreibt  und 
die  sich  vorzugsweise  auf  sein  Vaterland  Aegypten  beziehen 
dürfte,  stimmt  fast  wörtlich  mit  dem  überein,  was  uns  die 
Briefe  des  Bischofs  Dionysios  von  Alexandrieu  über  jene  Zeit 
lehren.  Erst  kam  die  Ghristenverfolgung  unter  Valerianus, 
die  in  Aegypten  viele  Opfer  forderte  (257—260),  dann  Ostern 
261  Aufruhr  und  Bürgerkrieg,  der  zur  Erhebung  des  Macrianus 
führte,  im  Gefolge  des  Aufruhrs  eine  Hungersnoth,  dann  nach 
kurzer  Frist  die  grosse  Pest,  die  namentlich  um  Ostern  262 
furchtbare  Verheerungen  in  Alexandrien  anrichtete.  Und 
gerade  wie  unser  Verfasser,  klagt  Dionysios  im  Briefe  an 
Hierax  (bei  Euseb.  Hist.  ecci.  VU,  21)  darüber,  dass  trotz 
der  durch  die  Landplagen  bewirkten  furchtbaren  Entvölkerung 
die  Menschen  nicht  in  sich  gingen,  während  ihre  vollständige 
Vernichtung  reissende  Fortschritte  machte.  Nach  Macrianus' 
Sturz  kehrte  Aegypten  auf  kurze  Zeit  unter  die  Herrschaft 
des  Gallienus  zurück,  und  die  Christen  hatten  wieder  Ruhe. 
Dann  aber  kam  die  Usurpation  des  Aemilianus,  der  die 
Speicher  mit  Beschlag  belegen  Hess  und  dadurch  über  viele  21 
Städte  Hungersnoth  brachte  (Treb.  Pollio  Gallien.  4);  er  that 
dies  ohne  Zweifel,  um  Alexandrien  bei  einer  zu  erwartenden 
Belagerung  zu  verproviantiren:  diese  erfolgte  auch,  Aemilianus 
hielt  sich  lange  im  Brucheion  gegen  Theodotos,  den  Feld- 
herrn des  Gallienus,  zuletzt  brach  aber  doch  unter  den  Be- 
lagerten eine  Hungersnoth  aus  (Euseb.  Hist.  eccl.  VH,  32). 
Das  Brucheion  ward  endlich  genommen  und  Aegypten  kehrte 
unter  die  Botmässigkeit  Galliens  zurück.  Von  nun  an  (Ende 
263  oder  Anfang  264)  hatten  die  Drangsale  der  Christen  für 


1)  F6r  germindbunt  v.  22  dürfte  geminahuntur  zu  lesen  sein. 


230  DIE  APOKALYPSE  DES  E8RA 

längere  Zeit  ein  Ende,  und  auch  die  Landpl^en  scheinen 
aufgehört  zu  haben.  Die  Situation,  in  der  der  Seher  schreibt, 
entspricht,  wie  man  aus  dieser  Uebersicht  sieht,  am  Besten 
den  Anfängen  des  Aemilianus,  die  Viele  blenden  mochten, 
wo  aber  Einsichtsvollere  einen  nahe  bevorstehenden  Krieg 
mit  Rom  voraussehen  mussten. 

Die  zu  erwartenden  neuen  EriegsnStbe  erweitem  sich 
in  der  Auffassung  des  Sehers  zu  dem  dem  jüngsten  Tage 
vorausgehenden  Weltkriege:  die  v.  47  erwähnten  Feinde 
sind  Gog  und  Magog,  das  Gefolge  des  Antichrist^)  Die 
Gerechten  werden  zum  Ausharren  ermahnt;  „denn^'  —  heisst 
es  V.  53  —  „über  ein  Kleines  wird  die  Ungerechtigkeit  von 
der  Erde  hinweggenommen  werden  und  die  Gerechtigkeit 
wird  über  euch  herrschen^',  d.  h.  das  Reich  Gottes  auf  Erden 
wird  eintreten.  Nach  allgemeiuen  Aufforderungen  zur  Busse 
wendet  sich  der  Seher  zum  Schluss  v.  69  ff.  an  die  Gläubigen 
mit  einer  Ermahnung,  in  einer  zu  erwartenden  Christen  Ver- 
folgung standhaft  zu  bleiben:  bald  werde  Gott  die  Seinen 
aus  aller  Bedrängniss  erlösen.  Diese  Ghristenverfolgung  soll 
eine  allgemeine  sein  (v.  71^)):  das  Vorausgehende  macht  es 
22  wahrscheinlich ,  dass  keine  andere  als  die  vom  Antichrist 
ausgehende  gemeint  ist. 

Hiermit  kehrt  der  Seher  zu  dem  zurück,  was  er  an  die 
Spitze  seiner  ganzen  Weissagung  gestellt  hatte.  Er  hatte 
im  Eingänge  gesagt,  Gott  werde  nicht  länger  dulden,  dass 
seine  Erwählten  zur  Schlachtbank  geführt  würden;  alles  Un- 
heil, das  die  Welt  getroffen  hat  und  noch  treffen  soll,  ist 
Folge  des  dadurch  hervorgerufenen  göttlichen  Zornes;  auf 
die  Zeichen  der  Zeit^)  wird  genau  eingegangen,  damit  der 


1)  Ans  dieser  Zeit  wird  es  herrühren,  dass  man  Gog  und  Magog 
auf  die  Gothen  bezog. 

2)  In  der  Stelle  erit  enim  locis  loctM  war  wohl  schon  im  Griechi- 
schen ein  Schreibfehler:  iczat  yuQ  jj^cD^ai^  (statt  xci^a  mg)  xioQa. 

8)  Ob  16,  12  in  den  Worten  terra  tremuit  et  fundamenta  eiW, 
mare  fluctuat  de  profunde  auf  das  Erdbeben  des  Jahres  262  angespielt 
wird,  bei  welchem  Salzwasser  in  die  Gräben  trat  und  mehrere  Städte 
Tom  Meere  überschwemmt  wurden,  ist  nicht  sicher  genug:  die  Um- 


UND  IHKE  SPÄETEREN  BEARBEITUNGEN.  231 

Hörer  wisse^  wenn  die  Erfüllung  dieser  Visionen  bevorstehe; 
die  Ankündigung  der  jüngsten  Zeiten  und  des  Eintritts  des 
himmlischen  Reiches  auf  Erden  bildet  den  natürlichen  Ab- 
Bchluss  derselben  und  zugleich  den  sichersten  Trost,  der  den 
bedrängten  Christen  geboten  werden  konnte.  Die  Errettung 
der  letzteren  aus  der  Hand  ihrer  Verfolger  ist  sichtlich  der 
Angelpunkt  des  .Ganzen. 

Ueberblicken  wir  die  historischen  Anspielungen  der. 
beiden  Schlusscapitel,  so  führen  uns  diese  ohne  Ausnahme 
in  den  Anfang  der  sechziger  Jahre  des  dritten  Jahrhunderts: 
eine  genauere  Zeitbestimmung  ergiebt  sich  daraus,  dass  die 
Erneuerung  des  Krieges  zwischen  Odänathos  und  den  Persern 
nicht  wohl  vor  263  erfolgt  sein  kann  und  dass  die  Gefährdung 
Roms  und  Asiens  durch  die  Gothen  263  ihr  Ende  erreichte. 
Zu  dem  so  gefundenen  Jahre  263  passt  nun  auch  durchweg 
die  Lage  der  ägyptischen  Christen,  welche  der  Seher  voraus- 
setzt, und  seine  Anschauungsweise.  Er  schreibt  unter  dem 
frischen  Eindrucke  einer  heftigen,  in  ihren  Nachwehen  noch 
fortdauernden  Christenverfolgung  und  in  der  Erwartung  neuer  23 
Drangsale  für  die  Erwählten  Gottes.  Die  Christenverfolgung 
Valerians  verlor  allerdings  mit  dem  Sturze  ihres  Urhebers 
ihren  universellen  Charakter,  dauerte  aber  in  den  Ländern 
Macrianus',  des  geschworenen  Christenfeindes,  der  dem  Vale- 
rianus  den  Gedanken  zu  jener  Massregel  eingegeben  hatte, 
fort  und  forderte  in  Palästina  mehrere  Opfer.  Aegypten 
kehrte  nach  seinem  Untergange  nur  momentan  unter  die 
Herrschaft  des  toleranten  Gallienus  zurück,  ein  neuer  Auf- 
stand brachte  den  Aemilianus  ans  Ruder,  denselben,  der  als 
Statthalter  von  Aegypten  das  Edict  Valerians  gegen  die 
Christen  zur  Ausführung  gebracht  und  „nicht  aufgehört 
hatte,  die  Christen,  welche  ihm  vorgeführt  wurden,  theils 
grausam  zu  todten,  theils  durch  Qualen  aufzureiben,  theils 
durch  Kerker  und  Banden  zu  erschöpfen '^  (Dionysios  «bei 
Euseb.  Hisi  eccl.  VII,  11).     War  schon  aus  diesem  Grunde 


gebangen  der  Stelle  lassen  eher  ein  allgemeines  prophetisches  Bild 
für  die  Wirkongen  des  göttlichen  Zornes  erwarten. 


232  DIE  APOKALYPSE  DES  E8RA 

die  Elrhebiing  des  Aemilianas  von  übler  YorbedeutuDg  für 
die  ChristeDy  so  masste  sich  bei  ihrer  Vorliebe  für  Gallienus 
ihre  Lage  noch  gefahrlicher  gestalten,  als  die  Nachricht  nach 
Aegypten  kam,  dass  der  rechtmässige  Kaiser  unier  seinem 
Feldherm  Theodotos  ein  Heer  abgeschickt  habe,  um  den 
Rebellen  zn  Paaren  za  ireiben.  Dies  ist  nan,  wie  ich 
glaube,  der  Zeitpunkt,  wo  die  beiden  letzten  Gapitel  verfasst 
sind.  Die  Stimmung,  die  sich  in  ihnen  ausspricht,  kennen 
wir  aus  der  Geschichte  des  Bischöfe  Dionysios  als  eine  da- 
mals unter  den  ägyptischen  Christen  herrschende:  die  Yale- 
rianische  Verfolgung  erklärte  Dionysios  für  die  des  Anti- 
christ^ die  Frage  nach  dem  tausendjährigen  Reiche  beschäftigte 
lebhaft  die  Gemüther  und  gab  sogar  zu  einem  Schisma  An- 
lass  (Euseb.  Hist.  eccl.  VII,  10.  24). 

Dieses  Resultat  dürfte  zwar  für  den  Theologen  nicht 
eben  grosse  Bedeutung  haben;  dem  Geschichtsschreiber  aber 
wird  es  nicht  unerwünscht  sein,  wenn  einer  der  dunkelsten 
24  Partien  der  Weltgeschichte  eine  wenn  auch  noch  so  gering- 
fügige neue  Quelle  zugewiesen  wird. 

n.    Der  Anfang  Cap.  1.  2. 

Die  beiden  ersten  Gapitel  theilen  mit  den  beiden  letzten 
das  Geschick,  dass  sie  ein  dem  echten  Esrabuche  fremder 
Zusatz  und  nur  in  der  lateinischen  Uebersetzung  erhalten 
sind.  Innerlich  sind  sie  sich  wenigstens  darin  ähnlich,  dass 
auch  der  Verfasser  von  Cap.  1 — 2  Drangsale  für  die  Christen 
voraussieht  und  ihnen  Trost  zuspricht.  Trotzdem  findet  eine 
merkliche  Verschiedenheit  zwischen  diesen  beiden  Stücken 
statt:  der,  welcher  15  — 16  schrieb,  ist  ein  unklarer  Kopf, 
dessen  Gedankenarmuth  sich  in  den  ermüdendsten  Wieder- 
holungen yerräth ;  dagegen  steht  das  Stück  1  —  2  schrift- 
stellerisch hoher.  Auch  die  Stimmung  ist  hier  und  dort 
eine  wesentlich  andere:  in  der  Zeit,  der  die  Schlusscapitel 
angehören,  lastete  das  heidnische  Joch  schwer  auf  den 
Christen,  der  Seher  ist  daher  von  erbittertem  Ingrimm  gegen 
die  Bedrücker  beseelt;  der  Verfasser  von  1  —  2  redet  zwar 


UND  IHRE  SPAETEEEN  BEARBEITUNGEN.  233 

auch  von  Märtyrern^  welche  himmlische  Kronen  erhalten, 
seine  ganze  Anschauung  ist  aber  doch  eine  weit  ruhigere, 
man  sieht,  die  Lage  der  Christen  kann  damals  keine  sehr 
gedrückte  gewesen  sein. 

Auch  Cap.  1  —  2  sind  in  Aegypten  geschrieben  (Lücke 
S.  212);  denn  Sidon  und  Tyros  liegen  für  ihren  Verfasser 
im  Orient  (1,  11),  die  Christen  bezeichnet  er  als  das  Volk, 
das  aus  dem  Orient  kommt  (1,  38).  Ueber  die  Abfassungs- 
zeit lasst  sich,  da  aus  dem  Alter  der  beiden  letzten  Capitel 
kein  Rückschluss  zulassig  ist,  von  aussen  her  nur  so  viel 
erweisen,  dass  das  Stück  jünger  als  die  darin  nachgeahmte 
Apokalypse  ist  (Lücke  S.  186).  Directe  Anspielungen  auf 
historische  Ereignisse  finden  sich  nicht;  es  ist  zuzusehen,  ob 
sich  andere,  weniger  an  der  Oberfläche  liegende  Beziehungen  25 
Yorfinden,  die  auf  eine  bestimmte  Zeit  hinweisen. 

Der  Inhalt  ist  folgender.  Gott  trägt  dem  Esra  auf, 
er  solle  sein  Volk  (die  Juden)  an  alle  Wohlthaten  erinnern, 
die  er  ihm  erwiesen  habe:  er  habe  viele  Könige  ihretwegen 
gestürzt,  er  habe  den  Pharao  mit  seinen  Knechten  und  all' 
sein  Heer  geschlagen,  er  habe  alle  Heiden  vor  ihrem  An- 
gesichte zu  Grunde  gerichtet,  habe  im  Orient  die  Völker 
zweier  Länder,  von  Tyros  und  von  Sidon,  zerstreut,  habe 
alle  ihre  Feinde  getödtet  und  Anderes  mehr.  Das  Volk 
aber  sei  halsstarrig  und  undankbar  gewesen;  darum  habe 
Gott  es  verworfen  und  werde  seine  Wohnungen  dem  zu- 
künftigen Bundesvolke  geben,  das  auch  ohne  Zeichen  und 
Wunder  an  ihn  glaube.  Die  Mutter  des  undankbaren  Volkes 
(Zion)  werde  er  der  Plünderung  preisgeben,  die  Namen  ihrer 
Kinder  aber  sollten  unter  die  Heiden  zerstreut,  von  der  Erde 
vertilgt  werden.  „Wehe  dir  Assur,  der  du  die  Sünder  bei 
dir  verbirgst!  Du  böses  Volk,  erinnere  dich,  was  ich  mit 
Sodom  und  Gomorra  gemacht  habe,  deren  Land  unter  Pech- 
klumpen und  Aschenhaufen  verschüttet  ist:  so  werde  ich  die 
zurichten,  so  nicht  auf  mich  gehört  haben,  spricht  Gott,  der 
Allmächtige.^'  Esra  solle  dem  erwählten  Volke  verkündigen, 
dass  der  Herr  ihm  das  neue  Jerusalem  anstatt  Israels  geben 
werde.     „Geht   hin   und   empfahet!     Erbittet   euch   wenige 


234  DIE  APOKALYPSE  DES  ESRA 

Tage,  um  euch  zu  demüUligen  {ut  minorentur,  sig  ro  xuicai- 
vov6^tti)\  Schon  ist  das  Reich  euch  bereitet:  wachet!^'  Die 
Mutter  der  Kinder  (die  christliche  Kirche)  solle  getrost  sein, 
der  Herr  werde  ihr  seine  Knechte  Jesaias  und  Jeremias  als 
Stütze  senden:  sie  solle  ihre  Kinder  in  den  Grundsätzen 
christlicher  Tugend  aufziehen,  Gott  werde  sie  schützen. 
,,Aengstige  dich  nicht!  denn  wenn  der  Tag  des  Druckes 
und  der  Angst  gekommen  sein  wird,  werden  Andere  weinen 
und  traurig  sein,  du  aber  wirst  fröhlich  und  reich  sein!  Die 
26  Heiden  werden  sich  ereifern  und  nichts  wider  dich  vermögen, 
spricht  der  Herr!''  .  .  .  „Schirme  deine  Sohne,  bis  dass  ich 
komme  und  ihnen  Barmherzigkeit  erweise!''  Esra  richtet 
den  auf  dem  Berge  Horeb  von  dem  Herrn  empfangenen 
Befehl  dem  Volke  Israel  aus,  wird  aber  von  ihm  verschmäht 
und  wendet  sich  nun  an  das  neue  Bundesvolk:  „Erwartet 
eueren  Hirten,  er  wird  euch  die  ewige  Ruhe  geben;  denn 
nahe  ist  der,  der  da  ankommen  wird  am  Ende  der  Zeit!" 
Esra  fordert  das  Volk  auf,  aufzustehen  und  die  Zahl  derer 
zu  schauen,  die  beim  Mahle  des  Herrn  ausgezeichnet  sind; 
denn  „die,  welche  sich  über  den  Schemen  des  Zeitlichen 
erhoben  haben,  haben  vom  Herrn  leuchtende  Gewänder  er- 
halten." Esra  schliesst  mit  der  Versicherung,  er  habe  auf 
dem  Berge  Zion  eine  unzählige  Schaar  der  Bekenner  Gottes 
geschaut,  die  mit  ihren  Liedern  den  Herrn  lobten  und  von 
dem  Sohne  Gottes,  der  mitten  unter  ihnen  war,  gekrönt 
wurden  und  Palmen  erhielten:  ein  Engel  habe  ihm  geboten, 
dem  Volke  die  Wunder  Gottes  mitzutheilen,  die  er  gesehen 
habe. 

Der  Verfasser  ist  in  der  alttestamentlichen  Geschichte 
nicht  unerfahren:  er  hat  in  dem  Stammbaum  des  Esra  1,  2 
zwischen  Amarja  und  Ahitob  aus  dem  ersten  Buche  Sa- 
muelis  die  hohenpriesterlichen  Namen  Eli,  Pinehas  und 
Achia  eingeschaltet,  in  der  Meinung,  ihn  so  zu  ergänzen. 
Freilich  mit  Unrecht,  man  sieht  aber  doch,  dass  der  Mann 
Studien  gemacht  hat.  Um  so  auffallender  ist  es,  dass  unter 
den  feindlichen  Volkern,  die  vor  den  Israeliten  zerstreut 
worden  seien,  vor  Allen  die  Bewohner  von  Tyros  und  Sidon 


UND  IHRE  SPAETEßEN  BEARBEITUNGEN.  235 

genannt  werden^  von  deren  Besiegung  doch  gerade  die  Bibel 
nichts  weiss.  Franciscus  Junius  hat  das  Auffällige  hierin 
gefühlt  und  so  ändern  wollen,  dass  der  Sinn  wäre:  „ich 
habe  die  Volker  zweier  Provinzen  bis  nach  Tyros  und  Sidon 
hin  zerstreut",  und  versteht  unter  den  Völkern  zweier  Pro- 
vinzen die  Eananiter.  Allein  wer  kann  das  verstehen?  Die  27 
typische  Zahl  der  von  den  Israeliten  im  gelobten  Lande 
vertilgten  Völker  ist  sechs:  Hethiter,  Amoriter,  Eananiter, 
Pheresiter,  Heviter  und  Jebusiter  (so  Josua  12,  8  und  sonst), 
wozu  spätere  Schriftsteller  (z.  B.  Joseph.  Hypomn.  22)  noch 
die  Girgositer  fugen,  um  die  Siebenzahl  herauszubringen. 
Wir  müssen  daher  von  einer  Aenderung  absehen  und  uns 
vielmehr  nach  einer  Erklärung  jenes  aufTälligen  Umstandes 
umsehen.  Die  phönicischen  Küstenstädte,  vorzüglich  aber 
Tyros,  waren  in  der  Eaiserzeit  nächst  den  Aegyptem  die 
^  erbittertsten  Feinde  der  Juden  (Jos.  c«  Ap.  I;  13;  cf.  B.  J. 
II,  18,  5):  ihr  Untergang  war  als  ein  grosses  Glück  für  die 
Letzteren  anzusehen.  Ein  Christ  konnte  unter  der  Maske 
eines  alttestamentlichen  Sehers  an  eine  Eatastrophe,  welche 
diese  Städte  in  neuester  Zeit  betroffen  hatte,  als  an  eine 
letzte  von  Gott  den  Juden  erwiesene  Wohlthat  erinnern, 
welche  diese  hätte  ermahnen  sollen,  Busse  zu  thun  und  sich 
zu  bekehren.  Tyros  wurde  von  Pescennius  Niger  zur  Strafe 
für  seinen  Abfall  ausgemordet,  geplündert  uud  verbrannt, 
194  n.  Ch.  (Tillemont  III  S.  50).  Der  Verfall  Sidons  knüpft 
sich  nicht  an  ein  bestimmtes  Ereigniss  und  fällt  in  eine 
frühere  Zeit:  die  Serie  seiner  autonomen  Münzen  endigt  mit 
dem  Jahre  120  n.  Ch.  (Eckhel,  D.  N.  V.  III  S.  367),  und 
damit  hängt  es  ohne  Zweifel  zusammen,  dass  Tyros  durch 
Hadrianus  den  Titel  einer  Metropolis  von  Phönicien  erhielt 
(Suid.  s.  V.  Ilavkog  TvQCog)'^  zur  Zeit  des  Pescennius  Niger 
war  nicht  mehr  Sidon,  sondern  Berytos  die  Rivalin  von 
Tyros  {Herodian.  III,  3).  Ist  diese  Beziehung  richtig,  so 
muss  dieser  Theil  des  Esrabuches  zu  einer  Zeit  verfasst  sein, 
wo  das  Unglück  von  Tyros  noch  in  Aller  Erinnerung  war. 
Etwas  anderes  Auffälliges  ist  die  Bezeichnung  von  Assur 
als  Hauptzufluchtsort  der  Juden.    Hierbei  könnte  mau  au  das 


236  DIE  APOKALYPSE  DES  ESRA 

lange  Zeit  von  jüdischen  Proselyten  regierte  Adiabene  denken 
28  and  die  Erwähnung  mit  dem  Kriege  in  Verbindung  bringen, 
den  Severus  im  Jahre  195  mit  Adiabene  führte.  Allein  der 
Zusammenhang  erlaubt  diese  buchstäbliche  Deutung  nicht. 
Offenbar  wird  dieses  Assur  nicht  als  Rückhalt,  sondern  als 
Hauptsitz  der  Juden  betrachtet:  die  Juden  dieses  Landes 
sind  es,  gegen  die  der  Seher  sich  vorzugsweise  wendet  und 
denen  er  das  Schicksal  von  Sodom  und  Gomorra  androht. 
Also  kann  Assur  nur  eine  alterthümliche,  der  Zeit  und  Um- 
gebung des  wirklichen  Esra  angemessene  Benennung  von 
Syrien  sein.  Dass  Syrien  der  Juden  wegen  Unheil  prophezeit 
wird,  passt  nun  aber  vortrefflich  in  die  Zeit  des  Kaisers 
Severus,  unter  welchem  die  Juden  einen  Aufstand  machten. 
Da  dieser  von  Grätz,  Geschichte  der  Juden  lY  S.  254  ganz 
geleugnet  worden  ist,  so  muss  auf  die  Stellung  der  Juden 
unter  Severus  etwas  genauer  eingegangen  werden. 

Die  Schicksale  der  Juden  in  dieser  Zeit  von  denen  der 
Christen  zu  trennen,  ist  misslich,  da  die  Heiden  damals  noch 
immer  die  Christen  als  eine  blosse  Secte  der  Juden  ansahen. 
Wenn  es  also  bei  Spartian.  Carac.  1  heisst,  ein  Spielgeföhrte 
des  Caracalla  sei  im  Jahre  195  auf  Befehl  seines  eigenen 
Vaters  und  des  Kaisers  Severus  wegen  seines  jüdischen 
Glaubens  ausgepeitscht  worden,  so  ist  der  Knabe  wahr- 
scheinlich Christ  gewesen,  da  wir  aus  TertuUian  (ad  Scap.  4) 
erfahren,  dass  Caracalla  eine  christliche  Amme  hatte,  ver- 
muthlich  die  Mutter  jenes  Knaben.  Trotz  dieses  einzelnen 
Falles  hatten  weder  Juden  noch  Christen  in  der  ersten  Zeit 
des  Severus  wirkliche  Verfolgung  zu  erdulden,  und  auf  diese 
Periode  bezieht  sich  offenbar  die  Aeusserung  des  Rabbi 
Janai:  „Wir  gemessen  weder  das  Glück  der  Frevler,  noch 
erdulden  wir  die  Leiden  der  Gerechten.'^  Dass  die  harten 
Massregeln,  welche  Severus  nach  dem  Siege  über  Niger  über 
die  palästinensischen  Städte  verhängt,  Heiden,  nicht  Juden 
betrafen,  hat  Grätz  mit  Recht  bemerkt.  Ebensowenig  aber 
lässt  es  sich,  wie  Grätz  will,  beweisen,  dass  Niger  die  Juden 
29 gedrückt  habe:  die  schnöde  Abfertigung,  die  Niger  den 
palästinischen  Provinzialen  ertheHt,  als  sie  um  Herabsetzung 


UND  IHRE  SPAETEREN  BEARBEITUNGEN.  237 

der  Steuern  ansuchten  (Spartian.  Nig.  7)^  kann  sich  gar  nicht 
auf  Juden  beziehen^  da  Judäa  seit  Hadrian  in  ein  heidnisches 
Land  verwandelt  war.  Ganz  unverfänglich  ist  dagegen  die 
Angabe  des  lateinischen  Eusebios  „Judaicum  et  Samariticum 
beüum  motum^*,  die  nach  den  besten  Handschriften  (Fux. 
Peta.  und  Marianus*))  in  das  vierte  Jahr  des  Severus  oder 
2212  Abr.  ==  197  n.  Chr.  gehört  Barhebräus,  der  unter 
dem  ersten  Jahre  des  Severus  einen  Krieg  zwischen  Juden 
und  Samaritanern  anmerkt^);  wird  wie  sonst  aus  dem  syri- 
schen Eusebios  geschöpft  und  die  Notiz  wegen  ihrer  Kürze 
missverstanden  haben  (das  erste  Jahr  des  Severus  würde 
nach  der  Rechnung  des  armenischen  Eusebios ^  in  dem  das 
Lemma  ausgefallen  ist,  dem  Jahre  2210  Abr.  <=  195  n.  Gh. 
entsprechen).  Oros.  YII,  17  bestätigt,  dass  Severus  einen 
Aufstandsversuch  der  Juden  und  Samaritaner  mit  Waffen- 
gewalt niedei^eschlagen  habe.  Ganz  entscheidend  aber  ist 
die  Angabe  des  Spartian.  Sever.  16,  dass  der  Senat  im  Jahre 
201  dem  Caracalla  einen  triumphus  Judaicus  decretirt  habe, 
darum,  weil  Severus  auch  in  Syrien  mit  Erfolg  Krieg  geführt 
hatte.  Mit  Grätz  es  fQr  ungewiss  zu  erklären,  ob  der  Krieg 
den  Juden  oder  den  heidnischen  Einwohnern  Judäas  gegolten 
habe,  ist  unstatthaft:  so  wenig  wie  Palaestini  jemals  Juden, 
so  wenig  kann  triumphus  Judaicus  etwas  Anderes  als  einen 
Triumph  über  Juden  bedeuten.  Also  der  Krieg  galt  den 
syrischen  Juden;  daher  ist  es  eine  unverächtliche  Ver- 
muthung,  in  dem  Räuber  Claudius,  der  durch  Judäa  und 
Syrien  Streifereien  machte,  einen  Juden  und  in  seinem  Auf- 
treten im  Jahre  196  (Dio  LJLKV,  2,  4)  einen  Vorläufer  des 
Aufstandes  zu  erkennen.  Aus  dem  Stillschweigen  anderer 
Schriftsteller  über  diesen  Krieg  lässt  sich  höchstens  folgern, 
dass  er  nicht  sehr  bedeutend  war.  Auch  die  Samaritaner 
haben  das  Andenken  daran  bewahrt:  in  der  Chronik  des 
Abü'l-Fatah  al-Danafi  findet  sich  unter  der  Regierung  des 
Hohenpriesters   Levi  11.   (177—202)   eine  Verfolgung   der  so 

*)  [Marianus   ist  ein   Veraehen;    Mar,   bedeutet  bei   Pontacus 
Maredlinus  Comes.    F.  R.] 

1)  Ghron.  Syr.  p.  60.     Hist.  dynast.  p.  180. 


238  DIE  APOKALYPSE  DES  ESRA 

SamaritaDer  aDgemerkt^  die  dem  Commodos  zugeschrieben 
wird;  allein  Gommodus  und  Caracalla,  denen  die  Namen 
M.  Antoninus  gemeinsam  waren,  finden  sich  auch  sonst  ver- 
wechselt (z.  B.  bei  Jo.  Malala  XII  p.  286  ed.  Bonn.),  und 
der  samaritanische  Chronist  zeigt  sich  überhaupt  in  Bezug 
auf  die  Namen  der  romischen  Kaiser  sehr  nachlässig,  nennt 
z.  B.  den  Severus  Alexander  statt  des  Constantinus.  Sind 
die  Daten  197  und  201  für  den  jüdischen  Aufstand  richtig, 
so  fallt  er  genau  mit  der  Dauer  des  parthischen  Krieges  des 
Severus  zusammen:  die  syrischen  Juden  werden  die  Ent- 
fernung des  Kaisers  zu  einer  Erhebung  benutzt  haben:  als 
ein  wahrscheinlich  nur  partieller  Guerillakrieg  wird  er  die 
Römer  anfangs  nicht  zu  besonderen  Kraftanstrengungen  ver- 
anlasst haben  und  von  Severus  und  Garacalla  unmittelbar 
nach  ihrer  Rückkehr  ohne  grosse  Mühe  niedergeschlagen 
worden  sein.  Im  Jahre  202  erliess  Severus  von  Syrien  aus 
scharfe  Edicte  gegen  Christen  und  Juden,  die  zwar  dem 
Wortlaute  nach  nur  die  Proselyten  betrafen,  aber  doch  nicht 
ermangelten,  auch  die  Proselytenmacher  in  Gefahr  und  Strafe 
zu  bringen.  Die  christlichen  Kirchenhistoriker  datiren  daher 
vom  Jahre  202  die  fünfte  Christenverfolgung.  Das  andere 
Gesetz,  welches  Severus  und  Garacalla  erliessen,  dass  die 
Juden  zu  allen  Ehrenstellen  im  romischen  Reiche  und  zur 
Uebernahme  der  Vormundschaffc  zulässig  seien  (Dig.  L.  tit.  2 
lex  3),  hat  Tillemont  III  8.  96  zu  der  Annahme  bewogen, 
Severus  sei  später  den  Juden  wieder  freundlicher  geworden; 
allein,  ohne  mit  Grätz  darin  eine -den  Juden  auferlegte  Be- 
lästigung zu  sehen,  fasse  ich  es  doch  nur  als  eine  ergänzende 
Bestimmung  des  Edictes  wider  die  Proselyten:  der  Kaiser 
betrachtete  die  Juden  und  Christen  als  schlechte  Bürger, 
wollte  also  dem  Umsichgreifen  dieser  dem  Staatswohle 
schädlichen  Secten  einen  Damm  vorschieben,  diejenigen  aber, 
die  nun  einmal  Juden  oder  Christen  waren,  nach  Möglich- 
dl  keit  zu  den  Rechten  und  Pflichten  der  übrigen  Bürger  herbei- 
ziehen. Erwägt  man,  dass  die  Erhebung  der  Juden  im  Jahre 
201  niedergeschlagen  wurde  und  das  Jahr  202  die  Ver- 
ordnungen wider  die  Juden  brachte,  so  wird  man  nicht  umhin 


UND  IHRE  SPAETBREN  BEARBEITUNGEN.  239 

können^  beide  Thatsachen  in  eine  ursächliche  Verknüpfung 
zu  einander  zu  setzen.  Grätz  wendet  gegen  diese  Schluss- 
folge eiu;  die  Massregel  habe  ja  auch  die  Christen  betroffen; 
allein  dies  beweist  nichts,  da  die  römische  Regierung  die 
Christen  als  eine  blosse  Onterabtheilung  der  Juden  zu  be* 
trachten  gewohnt  war.  Caracalla  stellte  bald  nach  seiner 
Thronbesteigung  die  Christenverfolgung  ein  (Tillemont  III 
S.  171),  und  wir  haben  die  bestimmtesten  Zeugnisse,  dass  er 
sich  auch  den  Juden  günstig  erwies:  der  Antoninus,  Sohn 
des  Seyerus,  in  den  jüdischen  Quellen  kann,  wie  Jost  richtig 
gesehen  hat,  nur  Caracalla  sein.^) 

Um  nun  den  Faden  unserer  Untersuchung  wieder  auf- 
zunehmen, so  würde  der  Weheruf  über  Syrien  als  den  Zu- 
fluchtsort der  Juden  durchaus  in  das  Jahr  201  passen,  als 
Severus  aus  dem  Partherkriege  nach  Syrien  zurückkehrte, 
um  die  dortigen  Juden  zu  züchtigen.  Die  Tage  der  Drang- 
sal, die  der  Seher  für  die  Christen  erwartet,  sind  also  die 
Bedrückungen  unter  Severus.  Ausbrüche  der  Volkswuth 
gegen  die  Christen  hatten  in  mehreren  Provinzen  schon  vor 
dem  Jahre  202  stattgefunden,  in  welchem  das  Verfahren 
gegen  die  Christen  in  gesetzliche  Bahnen  geleitet  wurde; 
Tillemont  III  S.  153  meint,  seit  197:  allein  die  ersten  Mar- 
tyrien, die  aus  dieser  Zeit  berichtet  werden,  gehören  in  das  32 
Jahr  200. 

Der  Zweck  der  Schrift  ist  ein  doppelter:  die  absolute 
Verwerfung  der  Juden  den  Christen  recht  eindringlich  zu 
Gemüthe  zu  führen,  und  diese  zum  standhaften  Ausharren 


1)  Grätz  IV  S.  269.  542  zieht  die  Lesart  Severus  Sohn  des  Anto- 
ninus  vor  und  bezieht  sie  auf  Severus  Alezander,  hat  aber  weder 
bewiesen,  dass  dieselbe  in  Antoninus,  wie  der  betreffende  Kaiser  bei 
den  Jaden  gewöhnlich  heisst,  verkürzt  werden  konnte,  noch  dass 
Severas  Alexander  jemals  Antoninas  genannt  worden  ist:  die  Worte 
des  Epiphanios  'AvxfovCvov  tov  viov  SsvriQOv  xov  Ka^unaXXw)  sind, 
wie  Jeder  sieht,  zu  übersetzen  „des  Antoninas,  Severas  Sohns,  mit 
Beinamen  Caracalla*'.  Und  aaf  diesen  Beweis  kommt  es  doch  allein 
an  and  nicht  daraaf,  ob  Severus  Alexander  ein  Jadenfreand  war:  als 
wenn  nicht  zwei  Kaiser  derselben  Dynastie  die  Juden  hätten  begünstigen 
können ! 


240  DIE  APOKALYPSE  DES  ESRA 

im  Glauben  zu  ermahnen,  durch  die  Aussicht  auf  das  bal- 
dige Eintreten  des  Himmelreichs  auf  Erden  zu  trösten.  Der 
Zweck  ist  den  Zeitverhältnissen  angemessen.  In  der  Ver- 
folgung des  DeciuSy  die  den  Christen  als  solchen^  nicht  als 
Genossen  der  Juden,  g^^^>  finden  wir,  dass  die  Juden  wan- 
kende Christen  an  sich  ziehen  (Tillemont  III  S.  626).  Diese 
Rücksicht  auf  personliche  Sicherheit  konnte  allerdings  in  den 
früheren,  fast  immer  gegen  Juden  und  Christen  gleichmassig 
gerichteten  Verfolgungen  nicht  massgebend  sein,  wohl  aber 
mussi'C  gemeinsamer  Druck  durch  die  Heiden  Juden  und 
Christen  näher  aneinander  bringen  und  einerseits  Einzelne 
in  den  Schoss  des  Judenthums  zurückführen ,  namentlich 
aber  der  judenchristlichen  Partei  in  der  Gemeinde  das  Ueber- 
gewicht  verschaffen.  In  der  That  ist  uns  gerade  aus  der 
Verfolgung  des  Severus  ein  Beispiel  überliefert,  dass  ein 
Christ  Namens  Domninus  zum  Judenthum  abfiel  (Euseb. 
Hist  eccl.  VI,  12).  Solche  Falle  zu  verhüten,  ist  offenbar 
die  Absicht  unseres  Verfassers,  der  in  seiner  Polemik  gegen 
jegliche  Hinneigung  zum  Judenthum  damals  nicht  allein 
stand:  auch  Clemens  von  Alexandrien,  der  unter  Severus 
lebte,  schrieb  einen  Kavmv  ixxXvi6vtt0ti.x6g  rj  jcgog  rovg 
'lovöat^ovtag  (Euseb.  Hist.  eccl.  VH,  13),  um  die  Ansicliten 
der  Judenchristen  zu  bekämpfen.  Der  Verfasser  der  beiden 
ersten  Kapitel  des  Esrabuches  führt  als  hauptsächlichen 
Trostgrund  für  die  Christengemeinde  das  Nahen  der  jüngsten 
Zeiten  an;  er  glaubte,  das  Himmelreich  sei  vor  der  Thür, 
und  theilte  diesen  Glauben  mit  seinen  Zeitgenossen:  der 
christliche  Chronograph  Judas  —  wir  kennen  ihn  aus  Euseb. 
Hist.  eccl.  VI,  7  —  berechnete  damals  die  70  Wochen  Daniels 
33  und  brachte  heraus,  dass  die  Zeiten  sicli  im  zehnten  Jahre  des 
Severus  erfüllten:  das  Erscheinen  des  Antichrist  steht  bevor. 

III.    Das  Adlergesicht.  ,  IV.  Esra  10,  58—12,  36 

(10,23  —  42). 

Wir  haben  uns  nunmehr  den  Weg  gebahnt  zu  dem 
Kerne  des  Esrabuches,  der  dem  lateinischen,  arabischen  und 
äthiopischen  Texte  gemeinsam   ist  und  fUr  das  Werk  eines 


UND  IHRE  SPAETEEtEN  BEARBEITUNGEN.  241 

Verfassers  gehalten  wird.  Die  sichersten  chronologischen 
Indicien  über  dessen  Abfassungss^it  scheint  das  Stück  von 
10,  58-12,  30  nach  der  lateinischen  oder  10,  73-12,  42 
nach  der  äthiopischen  Eintheilung  zu  gewähren.  Es  ist  das 
als  anziehendes  Bäthsel  berühmt,  als  Crtix  interpretum  be- 
rüchtigt gewordene  Adlergesichi  Mit  ihm  beginnen  wir 
wie  billig. 

Esra  erhält  von  einem  Engel  die  Weisung,  in  der 
morgenden  Nacht  an  der  Stelle,  wo  er  ihn  getroffen  hatte, 
zu  übernachten,  so  werde  der  Höchste  ihm  im  Traume 
zeigen,  was  derselbe  denen,  die  auf  der  Erde  wohnen,  in 
den  jüi^sten  Tagen  thun  werde.  Esra  schlief  dort  diese 
und  noch  eine  Nacht,  und  in  der  zweiten  schaute  er  das 
Adlergesicht.  Vor  Entsetzen  über  das  Gesehene  erwacht 
Esra  und  bittet  Gott,  ihn  auch  die  Deutung  der  furcht- 
baren Vision  wissen  zu  lassen.  Die  erbetene  Erläuterung 
wird  ihm  gegeben  und  ihm  bemerklich  gemacht,  dass  der 
Höchste  ihn  allein  für  wQrdig  erachtet  habe,  sein  Geheimniss 
zu  erfahren.  —  Es  wird  angemessen  sein,  die  Vision  und 
ihre  authentische  Interpretation  gleichzeitig  zu  betrachten 
und  bei  den  einzelnen  Abschnitten  gleich  unsere  eigene 
Deutung  hinzuzufügen.  Ich  werde  den  Text  des  Codex 
Sangermanensis  zu  Grunde  legen  und  die  Abweichungen  der 
äthiopischen  und  arabischen  Uebersetzung  dazu  bemerken, 
wobei  ich  jedoch  unwesentliche,  schon  von  den  bisherigen 
Bearbeitern  aufgedeckte  Versehen  stillschweigend  berichtigen 
werde;  auf  den  lateinischen  Vulgattext,  der  von  unwissenden  34 
Händen  gewissenlos  interpolirt  ist,  werde  ich  natürlich  so 
wenig  Rücksicht  nehmen,  als  ich  dies  bisher  gethan  habe. 

11,  1  —  4  (11,  1  —  6).  „Siehe,  ein  Adler  stieg  Tom 
Meere  auf,  der  zwölf  Flügelfedern  und  drei  Köpfe  hatte. 
Und  ich  sah,  da  breitete  er  seine  Flügel  über  die  ganze 
Erde  aus,  und  alle  Winde  des  Himmels  bliesen  auf  ihn  ein 
und  die  Wolken  des  Himmels  zogen  sich  wider  ihn  zusammen. 
Und   ich   sah,   wie  von   seinen   Federn   Gegenfedern*)   ent- 

1)  Gegenfedern  können  nur  Federn  sein,  die  sich  von  den  Hanpt* 
federn  abzweigen  nnd  dadurch  in  ihrer  Richtung  abweichen,  also,  wcno 

y.  GuTscHHiD,  Kleine  Schriften.   IL  16 


242  DIE  APOKALYPSE  DBS  ESEA 

standen  und  zu  kleinen  und  mittelmässigen  Federchen  wurden. 
Uebrigens  ruhten  seine  Kopfe  und  der  mittelste  Kopf  war 
grosser  als  die  beiden  anderen  Köpfe,  ruhte  aber  mit  ihnen.^ 
Hierzu  die  Interpretation  12,  11—12  (12,  16):  „Der  Adler, 
den  du  hast  aufsteigen  sehen  Yom  Meere,  das  ist  die  vierte 
Monarchie,  die  dein  Bruder  Daniel  in  einer  Vision  geschaut 
hat;  sie  ist  ihm  aber  nicht  ausgelegt  worden  so,  wie  ich  sie 
dir  jetzt  auslegen  werde/  Wie  man  sieht,  beginnt  der  Seher 
mit  einer  genauen  Personalbeschreibung  des  Adlers,  in  welcher 
alle  Glieder  des  Thieres,  die  nacheinander  auftreten  sollen, 
zu  besserer  Orientirung  gleich  jetzt  nebeneinander  auf- 
geführt werden;  um  dem  Missverstandnisse  zu  begegnen,  als 
habe  die  Action  aller  Theile  des  Adlers  schon  jetzt  begonnen, 
wird  ausdrücklich  bemerkt^  die  Kopfe  hätten  geruht  (tiövxd- 
t^Biv,  was  der  Lateiner  richtig  mit  quiescere,  der  Aethiope 
und  der  Araber  weniger  passend  mit  tacere  übersetzt  hat): 
etwas  Anderes  ist  darin  nicht  zu  suchen.  Die  vierte  Mo- 
narchie  Daniels  ist  die  makedonische,  wurde  aber  schon  von 
den  Zeitgenossen  des  Josephos  allgemein  auf  die  romische 
36  bezogen  (Lücke  S.  196).  Da  sich  die  Vision  als  eine  Aus- 
führung der  von  Daniel  geschauten  giebt  und  da  der  Adler 
das  Sinnbild  der  romischen  Legionen  ist^  so  ist  die  Beziehung 
der  Vision  auf  das  romische  Reich  die  wahrscheinlichere,  wie 
auch  von  den  meisten  Auslegern  geurtheilt  worden  ist.  Wenn 
der  Adler  seine  Flügel  über  die  ganze  Erde  ausbreitet  und 
Wind  und  Wolken  auf  ihn  eindringen,  so  bedeutet  dies  das 
Ringen  nm  die  Weltherrschaft  und  die  in  Folge  dieses 
Ringens  überstandenen  Kämpfe. 

11,5—11  (11,  7-12):  „Und  ich  sah,  da  flog  der  Adler 
mit  seinen  Federn  auf,  zu  herrschen  über  die  Erde  und  über 
die,  welche  auf  ihr  wohnen;  und  ich  sah,  wie  Alles  unter 
dem  Himmel  ihm  unterworfen  war  und  Niemand  ihm  wider- 
sprach, auch  nicht  ein  einziges  unter  allen  Oeschopfen  der 
Erde.     Und  ich  sah,   da   richtete   sich   der  Adler   auf  und 

die  Hanptfeder  eine  horizontale  Richtung  hat,  perpendikulSx  auf  die- 
selbe zu  stehen  kommen.  Als  Seitenfedem  sind  sie  natürlich  schwächer 
und  kleiner. 


UND  IHRE  SPAETEBEN  BEARBEITUNGEN.  243 

stellte  sich  auf  seine  Krallen^  erhob  seine  Stimme  und  sprach 
zu  seinen  Federn:  ^^Wachet  nicht  alle  zugleich,  es  schlafe 
jeder  von  euch  an  seinem  Orte  und  wache  jeder  von  euch 
zu  seiner  Zeit;  die  Kopfe  aber  sollen  für  die  jüngste  Zeit 
aufbewahrt  werden!^'  Und  ich  sah,  da  ging  die  Stimme 
nicht  von  seinen  Köpfen,  sondern  von  der  Mitte  seines 
Körpers  aus.  Und  ich  zählte  seine  Gegenfedern,  und  siehe 
es  waren  acht."  Interpretatio  12,  13  (12,  17):  „Siehe  die 
Tage  werden  kommen,  wo  ein  Reich  sich  auf  der  Erde  er- 
hebt, das  wird  furchtbarer  sein  als  alle  Reiche  vor  ihml" 
Hier  erst  wird  durch  das  Wort  des  Adlers  das  Nebenein- 
ander beseitigt  und  dabei  die  Beschreibung  desselben  ergänzt, 
indem  über  die  Stimme  des  Adlers  etwas  bemerkt  und  die 
Zahl  der  Gegenfedern  nachgetragen  wird.  Beides  hat  eine 
besondere  Beziehung,  die  chronologisch  genommen  einer  spä- 
teren Zeit  angehört  und  deren  Erklärung  daher  erst  später 
gegeben  wird:  in  der  Vision  ist  es  vorweggenommen,  weil 
es  sich  am  schicklichsten  an  die  Worte  des  Adlers,  die  den 
Beginn  der  Action  verkünden,  anknüpfen  Hess.  Die  Be- 
schreibung der  furchtbaren  Macht  des  Weltreiches  passt  so- 86 
wohl  auf  das  makedonische,  wie  auf  das  römische.  Ist  das 
erstere  gemeint,  so  liegt  in  dem  Gebote  des  Adlers  an  seine 
Federn,  nicht  mehr  alle  zugleich,  sondern  eine  nach  der 
anderen  zu  wachen.  Nichts  als  eine  Wiederholung  des  schon 
eingeschärften  Avis,  dass  nun  erst  das  Nacheinander  in  der 
Vision  beginnen  solle;  ist  dagegen  der  Adler  Rom,  so  erhält 
das  Gebot  die  hübsche  Nebenbe^iehung,  dass  nunmehr  die 
Regierung  Vieler  ein  Ende  nehme  und  die  Herrschaft  eines 
Einzigen  beginne:  die  Monarchie  trat  ja,  wie  in  der  Vision, 
erst  nach  der  Erlangung  der  Weltherrschaft  ein. 

11,  12-19  (11,  13—21):  „Und  ich  sah,  da  erhob  sich 
von  der  rechten  Seite  eine  Feder  und  herrschte  über  die 
ganze  Erde,  und  es  geschah,  dass,  als  das  Ende  ihrer  Herr- 
schaft gekommen  war,  sie  verschwand,  so  dass  ihr  Platz 
nicht  mehr  sichtbar  war.  Und  die  folgende  erhob  sich  und 
herrschte;  sie  behauptete  sich  lange  Zeit.  Und  es  geschah, 
dass,   als   das  Ende   ihrer  Herrschaft   gekommen   war,   sie 

16* 


244  I>IE  APOKALYPSE  DES  ESBA 

ebenso  wie  die  erste  yerschwand.  Und  siehe^  es  erhob  sich 
eine  Stimme  und  sprach  zu  ihr:  „Du^  welche  da  diese  ganze 
Zeit  über  die  Erde  beherrscht  hast,  höre  diese  meine  Ver- 
kündigung an,  bevor  du  zu  verschwinden  anfängst!  Niemand 
nach  dir  wird  so  lange  wie  du  herrschen,  ja  nicht  einmal 
die  Hälfte  deiner  Zeit!'^  Und  es  erhob  sich  die  dritte  und 
behauptete  die  Herrschaft  wie  die  vorigen;  und  auch  sie 
verschwand.  Und  so  kam  die  Reihe  an  alle  Flügelfedem, 
eine  nach  der  anderen,  zu  herrschen  und  wiederum  zu  ver- 
schwinden." Interpretatio  12,  14  —  16  (12,  18-20):  „Re- 
gieren aber  werden  in  jenem  Reiche  zwölf  Könige,  einer 
nach  dem  andern.  Der  zweite  aber  wird  anfangen  zu  herr- 
schen, und  er  (derjenige,  der  als  der  zweite  herrschen  wird, 
Aeth.)  wird  längere  Zeit  als  die  zwölf  herrschen.  Und  dies 
ist  die  Bedeutung  davon,  nämlich  der  zwölf  Flügelfedem,  die 
37  da  geschaut  hast."  Wenn  es  von  der  ersten  Feder  wörtlich 
heisst:  non  apparuit,  ita  ut  non  appareret  locus  eius,  so  ist 
dieser  Zusatz,  der  sonst  nicht  wieder  vorkommt,  schwerlich 
müssig  und  ist  in  Verbindung  zu  bringen  mit  dem  Paradoxon 
in  der  Deutung,  dass  der  zweite  König  zu  herrschen  anfangen 
werde.  Also  nach  dem  Tode  des  ersten  Königs  verschwindet 
auch  seine  Stelle,  d.  h.  der  Thron,  und  der  zweite  König  ist 
der  eigentliche  Begründer  des  Reiches.  Diese  Schilderung 
passt  sowohl  auf  den  Zerfall  des  von  Alexander  dem  Grossen 
gegründeten  Reiches  als  auf  die  Wiederherstellung  der  Re- 
publik nach  Gäsars  Ermordung,  der  zweite  König  würde  im 
ersten  Falle  Seleukos  Nikator,  im  zweiten  Augustus  sein. 
Die  Angabe,  dass.  keiner  seiner  Nachfolger  auch  nur  die 
Hälfte  seiner  Regierungszeit  herrschen  würde,  passt  aber 
nicht  auf  das  Seleukidenreich,  selbst  wenn  man  mit  Jo. 
Malala  YIII  p.  198  (ed.  Bonn.)  die  Regierung  des  Seleukos 
von  Alexanders  Tode  rechnen  und  ihm  43  Jahre  geben 
wollte:  Antiochos  III.  regierte  36  Jahre.  Sie  passt  nur  auf 
das  römische,  indem  Augustus  von  seinem  ersten  Consulat 
an  56  Jahre  regierte^);  von  seinen  Nachfolgern  regierte  aber 

1)  AagQstas*  Regieningszeit  ist  sehr  yerscbieden  berechnet  worden 
(vgl.  Clinton,  F.  H.  III  S.  SSO).     Von  seiDem  ersten  Conaulate  datiren 


UND  IHBE  SPAETEÄEN  BEABBEITÜNGEN.      245 

bis  anf  Gonstantinus  keiner  auch  nur  28  Jahre.  Also  ist 
Born  und  Augustas  gemeint  und  die  Vision  vor  Gonstantinus 
yerfasst.  Der  dritte  Eonig  ist  Tiberias;  wie  die  übrigen  neun 
gezählt  sind,  ist  wegen  der  ephemeren  Nachfolger  Neros  un- 
sicher und  kann  erst  später  erörtert  werden. 

Zu  11,  10  (11,  11)  die  Interpretatio  12,  17-18  (12, 
20—22):  „Und  was  die  Stimme  betrifft,  die  du  reden  gehört  38 
hast,  die  nicht  von  den  Köpfen  des  Adlers  ausging,  sondern 
Yon  der  Mitte  seines  Körpers,  so  ist  dies  die  Deutung  auch 
hiervon:  es  werden  nämlich  nach  einiger  Zeit  jenes  Reiches 
nicht  geringe  Streitigkeiten  entstehen,  und  es  wird  in  Gefahr 
gerathen,  zu  fallen;  es  wird  aber  zu  jener  Zeit  nicht  fallen, 
sondern  zu  seinem  Anfange  (oder  „zu  seiner  vollen  Herr- 
Schaft^,  sig  tr^v  ägxriv  ccvtiig^  wie  van  der  Vlis  richtig  ge- 
sehen hat)  wiederhergestellt  werden/'  Aus  den  Worten  post 
tempus  regni  Ulms  geht  unzweifelhaft  hervor,  dass  die  inneren 
Kämpfe  hierher  gehören,  wo  sie  die  Interpretatio  hat,  nicht 
etwa  vor  Gäsar,  wie  man  wegen  der  auf  das  Nacheinander 
nicht  immer  Rücksicht  nehmenden  Vision  vermuthen  könnte. 
Es  ist  klar,  dass  die  Bürgerkriege  unter  Galba,  Otbo,  Vi- 
tellius  gemeint  sind  und  die  Wiederherstellung  des  Reiches 
durch  Yespasianus.  Man  erwäge,  dass  die  Worte  „nach 
einiger  Zeit  jenes  Reiches'^  die  Deutung  von  „aus  der  Mitte 
seines  Körpers '^  enthalten,  und  man  wird  es  wahrscheinlich 
finden,  dass  die  Mitte  ganz  buchstäblich  zu  nehmen  ist:  die 
Zeit  der  sechs  Flügelfedern  der  rechten  Seite  ist  abgelaufen, 
dann  kommt  die  Mitte  des  Körpers  an  die  Reihe^  dann  die 
sechs  Flügelfedern  der  linken  Seite.  Also  sind  die  sechs 
ersten  Könige  Gäsar,  Augustus,  Tiberius,  Gaius,  Glaudius, 
Nero,  dann  kommt  die  Zeit  der  Bürgerkriege,  dann  beginnt 

sie  Tacitns  im  Dialogus  de  oratoribus,  Snetonias  und  Eutropins;  Jose- 
pho8  l&88t  sie  gar  von  Cäsars  Tode  beginnen  and  berechnet  sie  zu 
67  Jahren  6  Monaten  2  Tagen.  Die  Rechnung  des  Gasaius  Dio,  der 
die  Sehlacht  bei  Aktion  zum  Ausgangspunkte  nimmt,  ist  die  in  unsere 
Handbücher  übergegangene;  wäre  dies  nicht  der  Fall,  so  würde  der 
Primaner  die  Poesie  des  Horaz  richtiger  auffassen.  Die  Datirong 
seiner  Jahre  Yom  Einzug  in  Aiezandrien  hat  nur  für  Aegypten  Be- 
deutung. 


246  DIE  APOKALYPSE  DES  ESRA 

mit  dem  Wiederhersl^ller  Vespasianus  die  Reihe  der  sechs 
Flügelfedeni  des  linken  Flügels.  Also  waren  Galba,  Otho, 
Vitellius  nicht  als  Flügelfedem  gerechnet,  so  wenig  wie  sie 
in  den  Verzeichnissen  des  Ptolemäos  und  des  Clemens  yon 
Älexandrien  einen  Platz  gefunden  haben;  denn  ihre  Zeit  ist 
schon  durch  die  Stimme  aus  der  Mitte  vertreten  ^  welche 
Anarchie  bedeutet 

11,  20—28  (11,  22  —  32):  „Und  ich  sah,  da  erhoben 
sich  zu  ihrer  Zeit  die  zweiten  Federn  {sequentes  pennae,  d.  i. 
die  Gegenfedern)  von  der  rechten  Seite,  um  auch  ihrer- 
39  seits  die  Herrschaft  zu  erlangen:  und  es  waren  unter  diesen 
welche,  die  herrschten,  jedoch  gleich  verschwanden;  es  waren 
aber  auch  einige  darunter,  die  sich  erhoben,  aber  nicht 
herrschten,  und  ich  sah  nach  diesem,  da  waren  die  zwölf 
Federn  und  zwei  Federchen  verschwunden,  und  es  war  nichts 
übrig  am  Körper  des  Adlers  als  zweierlei^),  seine  ruhenden 
Köpfe  und  sechs  Federchen.  Und  ich  sah,  da  sonderten 
sich  von  den  sechs  Federchen  zwei  ab  und  blieben  unter 
dem  Kopfe  rechts;  vier  aber  blieben  an  ihrer  Stelle.  Und 
ich  sah,  da  gedachten  die  vier  noch  unter  dem  Flügel  be- 
findlichen Federchen,  auch  ihrerseits  sich  zu  erheben  und  die 
Herrschaft  zu  erlangen.  Und  ich  sah,  da  erhob  sich'  eins, 
verschwand  aber  auch  alsbald.  Und  das  zweite  verschwand 
desgleichen,  noch  schneller  als  die  vorigen  (das  vorige  Aeth«, 
Arab.)').  Und  ich  sah,  da  sannen  die  zwei,  welche  noch 
übrig  waren,  bei  sich  nach,  wie  auch  sie  die  Herrschaft  er- 
langen möchten."  Interpretatio  12,19  —  21  (12,23  —  27): 
„Und  was  die  acht  unter  den  Flügeln  befindlichen  Federchen 
betrifft,  die  du  von  den  Flügeln  des  Adlers  hast  sich  ab- 
zweigen sehen,  so  ist  dies  die  Deutung  davon:  Es  werden 


1)  Die  richtige  Abtheilang  verdanken  wir  Yolkmar. 

2)  Dass  der  Plural  Mcundae^  der  den  neusten  Ausleger  anf  wunder- 
liche Abwege  geführt  hat,  falsch  ist,  geht  ganz  abgesehen  von  den 
Paralleltezten  aus  dem  damit  verbundenen  non  apparuit  hervor;  denn 
so  ist  die  authentische  Lesart  des  Sangermanensis.  Vermuthlich  ist 
zu  lesen  ei  secunda  et  vdocius^  wörtliche  Uebersetzung  eines  steigern- 
den x«/. 


UND  fflRE  SPAETEBEN  BEAEBEITÜNGEN.  247 

in  jenem  Beiche  acht  Könige  erstehen^  deren  Zeiten  werden 
gering  und  ihre  Jahre  beschleunigt  sein  (deren  Flügel  und 
Jahre  werden  schlecht  und  ihre  Tage  kurz  sein  Aeth.). 
Und  zwar  werden  zwei  von  ihnen  bald  umkommen  in  der 
mittleren  Zeit^);  vier  Könige  aber  werden  für  den  Zeit- 
punkt aufbewahrt  werden,  wo  seine  (des  Reiches)  Zeit  an- 40 
fangen  wird  sich  dem  Ende  zu  nähern;  zwei  endlich  werden 
bis  zum  Ende  aufbewahrt  bleiben/^  Die  Federchen  werden 
definirt  theils  als  Kaiser,  die  wirklich  regieren,  wenn  auch 
nur  kurze  Zeit,  theils  als  Gegenkaiser,  die  die  ungestörte 
Herrschaft  nicht  zu  erreichen  y ermögen;  in  der  Interpretatio, 
wo  beide  Kategorien  umgestellt  sind,  heisst  es,  es  seien  die 
gemeint,  deren  Herrschafbszeit  schlecht,  gering  (evtsXi^g)  und 
deren  Jahre  kurz  waren.  Diese  Federchen  (dass  diese,  nicht 
die  übrigen  pennae  gemeint  sind,  hat  Hilgenfeld  S.  205 
gezeigt)  erheben  sich  von  der  rechten  Seite.  Dies  ist  aller- 
dings, wie  Hilgenfeld  gezeigt  hat,  nicht  widersinnig;  dann 
ist  aber  der  Zusatz  sowohl  hier  wie  v.  12  (13)  vollkommen 
müssig:  die  rechte  Seite  bezeichnet  den  ersten  Platz,  die 
Priorität,  aber  dass  die  Federn  und  Federchen  von  vorn 
anfangen  und  nicht  von  hinten,  versteht  sich  doch  von  selbst. 
Eine  Beziehung  erhalten  beide  Bemerkungen  erst,  wenn  man 
an  unserer  Stelle  mit  van  der  Vlis  einen  alten  Schreibfehler 
annimmt  und  a  sinistra  parte  verbessert.  Dann  deutet  dies 
darauf  hin,  dass  die  Nebenkaiser  erst  auftauchen,  als  die 
Reihe  zu  herrschen  an  die  sechs  Kaiser  des  linken  Flügels 
gekommen  ist,  also  nach  Yespasianus,  wie  dies  ja  auch  der 
Geschichte  entspricht.  Eine  äussere  Bestätigung  erhält  die 
Aenderung  dadurch,  dass  die  Erhebung  der  Federn  erst 
nach  der  Stimme  aus  der  Mitte  des  Körpers,  also  nach 
Neros  Untergang,  erwähnt  wird.  Die  zwei  ersten  Federchen 
herrschen  nicht  unmittelbar  vor  den  vier,  die  der  Zeit  an- 
gehören, wo  man  sich  dem  Ende  nähert  —  sonst  wären  sie 

1)  Die  AbtbeiluDg  hat  schon  van  der  Vlis  verbessert;  dem  ap- 
propinquante  entspricht  in  der  hier  wohl  richtigeren  äthiopischen 
Uebersetznng  ein  celeriter.  Im  Griechischen  mnss  etwas  gestanden 
haben  wie  xal  Svo  fihv  dnoXovifTaL  diu  tdxovg  xffovov  fiead^ovtog. 


' 


248  DIE  APOKALYPSE  DES  ESEUL 

mit  diesen   zusammengefasst   worden   — ,  sondern   „in  der 
mittleren  Zeit'^,  d.  h.  während  der  linke'  Flügel  noch  an  der 
Regierung  war.    Diese  zwei  Federchen  sollen  nach  der  Aus- 
legung schnell  untergehen:  es   sind  also  dadurch  eher  kurz 
regierende  Kaiser ,  als  Oegenkaiser  angedeutet,  von  welcher 
41  letzteren  Sorte   sich   ohnedies   in    der  nächsten  Zeit  ausser 
dem  Antonius,  der  sich  gegen  Domitianus  empörte,  kaum 
ein   zweiter   nachweisen   lassen    dürfte.     Folglich    sind   die 
beiden  Federchen  Titus  und  Nerva,   deren   zweijährige  Re- 
gierungen gegen  die  10— 23jährigen  Regierungen  der  benach- 
barten Kaiser  gewaltig  abstechen.     Es  folgt  hieraus,   dass 
die  sechs  Kaiser  des  linken  Flügels  folgende  sind:  Yespa- 
sianus,  Domitianus,  Trajanus,  Hadrianus,  Antoninus,  Marcus 
Aurelius.     Nachdem    ihre   Zeit    um    ist,    sind    noch    sechs 
Federchen  übrig,  von  denen   zwei   unter  das  rechte  Haupt 
übergehen,   d.  h.   erst   nach   diesem   herrschen   sollen;   vier 
aber  bleiben  an  ihrer  Stelle,  d.  h.  sie  folgen  auf  die  sechs 
Flügelfedern   und  zwei  Federchen   des   linken  Flügels,  und 
zwar  gehören  sie  dem  Zeitpunkte  an,  „wo  die  Zeit  anfangt, 
sich  dem  Ende  zu  nähern'',  das  ist  dem  Beginne  des  Ver- 
falls.   Dieser  tritt  in  der  That  unter  Gommodus  ein.    Dieser 
ist  das  erste  der  mittelsten  vier  Federchen,  das  alsbald  ver- 
schwindet.    Gommodus  regierte  12  Jahre,   also  länger  als 
Cäsar,  Gaius  und  Yespasianus,  die  doch  unter  die  Flügel- 
federn gerechnet  werden;  die  Inconsequenz,  den  Gommodus 
unter   die  Federchen  herabzudrücken,   lässt   sich  jedoch  in 
mehr  als  einer  Hinsicht  entschuldigen:  erstens  hatten  aller- 
dings seit  nicht  weniger  als  82  Jahren  alle  Kaiser  mindestens 
19  Jahre  regiert;  zweitens  waren  dies  weise  und  geordnete 
Regierungen  gewesen,    gegen  welche   die    tolle  Wirthschafl 
des  Gommodus  grell  abstach;  endlich  scheint  mir  van  der 
Ylis   mit   vollem   Rechte    darauf    aufmerksam    gemacht    zu 
haben,  dass  der  Adler  nach  der  Naturgeschichte  auf  jeder 
Seite  sechs  Flügelfedern  hat  und  dass   die  Zwölfzahl  somit 
der  vollen   natürlichen  Flügelgestalt  des   Adlers  entspricht: 
betrachtete    der  Seher   diese  Proportion   als   auch   für   seiu 
apokalyptisches   Thier    massgebend,    so   war    es    kaum    zu 


UND  IHRE  SPABTEREN  BEARBEITUNGEN.      249 

yermeiden,  dass  bei  der  Vereinbarung  der  gegebenen  Zahl 
mit  den  von  der  Geschichte  gelieferten  Daten  einige  Willkür 
mit  unterlief.  Das  zweite  der  yier  Federchen  yerschwand42 
noch  schneller  als  die  früheren:  Titus,  Nerva,  Commodus 
hatten  doch  wenigstens  jeder  Jahre  regiert,  aber  Pertinax,  des 
Commodus  Nachfolger,  herrschte  bloss  2  Monate  27  Tage. 
Die  zwei  noch  übrigen  Federchen,  welche  zu  herrschen  ge- 
dachten, aber,  wie  der  folgende  Vers  lehrt,  ihren  Zweck 
nicht  erreichten,  sind  Didius  Julianus  und  Pescennius  Niger, 
die  sich  nach  dem  Tode  des  Pertinaz  erhoben,  es  aber  nicht 
durchsetzen  konnten,  als  rechtmässige  Kaiser  anerkannt  zu 
werden. 

11,  29—32  (11,  33-37):  „Und  wahrend  sie  (die  beiden 
Federchen)  noch  sannen,  siehe,  da  erwachte  der  eine  der 
ruhenden  Kopfe,  jener  mittelste,  der  grosser  war  als  die 
beiden  anderen  Kopfe;  und  ich  sah,  wie  er  die  beiden  an- 
deren Kopfe  umschlang  (sich  beigab,  Aeth.),  und  siehe,  da 
wendete  sich  jener  Kopf  im  Verein  mit  den  Köpfen,  die 
mit  ihm  waren,  und  verschlang  die  beiden  unter  dem  Flügel 
gebliebenen  Federchen,  die  zu  herrschen  trachteten.  Dieser 
Kopf  aber  machte  die  ganze  Erde  zittern  und  beherrschte 
die,  welche  auf  ihr  wohnen,  mit  vieler  Plage  ^),  und  übte  die 
Tyrannei  über  den  Erdkreis  in  höherem  Grade  aus  als  alle 
Flügelfedern,  die  regiert  hatten.^'  Interpretatio  12,  22—25 
(12,  28  —  32):  „Und  was  die  drei  ruhenden  Kopfe  betrifft, 
die  du  gesehen  hast,  so  ist  dies  die  Deutung  davon:  In  den 
jüngsten  Tagen  wird  der  Höchste  drei  Könige  erwecken  und 
wird  in  ihnen  Vieles  neuem  ^),  und  sie  werden  die  Erde 
bedrücken  und  die,  welche  auf  ihr  wohnen,  mit  vielem 
Schrecken  und  in  höherem  Grade  als  Alle,  die  vor  ihnen 


1)  Die  Lesart  des  SangermanensiB  et  dominabit  qui  habitant  terram 
in  ea  c%un  labore  muUo  ist  za  verbessern  in  et  dominamt  qui  haMtant 
in  ea  cum  labore  multo. 

2)  Die  Lesarten  et  revocabit  (sehr,  renovabit  mit  Lücke  S.  179) 
in  ea  miüta  des  Lateiners,  et  innovahunt  multa,  Aeth.,  nnd  et  in  eorum 
diehus  multi  motus  ac  tumuUuSf  Arab.,  lassen  sich  auf  ein  griechisches 
xal  viürtBifiti  iv  avtoSs  nolXa  zurQckfÜhren. 


250  DIE  APOKALYPSE  DES  ESRA 

43  waren:  darum  heissen  sie  die  Köpfe  des  Adlers.  Denn  sie 
werden  es  sein^  welche  alle  Ruchlosigkeiten  des  Adlers  kurz 
zusammenfassen  und  dessen  Ende  herbeifilhren  werden. '^ 
Nach  Pertinax'  Tode  erstand  Didius  Julianus  den  Eaiser- 
thron  Yon  den  Prätorianern,  aber  gleich  nach  seinem  Ein- 
züge in  Rom  brach  ein  Yolksaufstand  aus^  und  die  Miss^ 
vergnügten  knüpften  Verbindungen  mit  Pescennius  Niger, 
dem  Statthalter  von  Syrien,  an,  ihn  einladend,  nach  Rom 
zu  kommen  und  der  Usurpation  des  Julianus  ein  Ende  zu 
machen  (Tillemont  III  S.  10).  Darauf  nahm  Niger  in  An- 
tiochien  den  Purpur  und  wähnte  sich  bereits  im  sicheren 
Besitze  des  Reiches,  da  Julianus  kein  ebenbürtiger  Gegner 
war.  Allein  kaum  war  die  Nachricht  davon  zu  den  illyri- 
schen Heeren  gekommen,  so  riefen  diese  unerwarteterweise 
ihren  Führer  Septimius  Severus  zum  Kaiser  aus  (Tillemont 
III  S.  29).  Das  ist  das  Erwachen  des  mittelsten  Hauptes, 
das  grösser  war  als  die  beiden  anderen.  Diese  letzteren 
sind  des  Severus  Söhne,  Caracalla  und  Geta;  diese  umfasste 
er  oder  gab  sie  sich  bei,  d.  h.  er  nahm  sie  isu  Mitregenten 
an.  .  Mit  ihnen  wendet  er  sich  gegen  die  beiden  Federchen 
und  verschlingt  sie:  zuerst  zog  er  gegen  Rom  und  veran- 
lasste den  Senat,  den  Julianus  hinrichten  zu  lassen,  dann 
wendete  er  sich  gegen  Niger,  der  in  drei  Schlachten  bei 
Eyzikos,  Nikäa  und  Issos  geschlagen  wurde,  aus  seiner 
Hauptstadt  Antiochien  floh,  aber  von  den  Vetfolgern  ein- 
geholt und  getödtet  wurde.  Nun  wurde  allerdings  Julianus 
193,  Niger  194  getödtet,  dagegen  erhielten  Caracalla  erst 
196,  Geta  198  die  Würde  von  Cäsaren;  der  Seher  nahm  die 
Ernennung  derselben  zu  Mitregenten  vorweg,  um  die  Zu- 
sammengehörigkeit der  drei  Köpfe  anzudeuten.  Wenn  von 
irgend  einem,  so  ist  es  von  Severus  wahr,  dass  er  den  Erd- 
kreis zittern  gemacht  und  mit  vieler  Mühsal  (övv  Ttovfp 
nokk^)  über  die  Erdenbewohner  geherrscht  habe  und  mäch- 
tiger gewesen    sei  als   alle   seine  Vorgänger:   ist   doch   seit 

44  Julius  Cäsar,  selbst  Yespaslanus  nicht  ausgenommen,  kein 
so  gewaltiger  Geist  wie  er  im  Besitze  der  Herrschaft 
gewesen.     Die  Mühsal  kann  activ  oder  passiv  gemeint  sein, 


UND  IHRE  SPAETEREN  BEARBEITUNGEN.      251 

für  die  letztere  Bedeutung  entscheidet  die  Analogie  von 
11,  40  (11,  44):  die  von  Severus  verorsachte  Mühsal  deutet 
auf  die  zahlreichen  Opfer  seiner  Grausamkeit  und  auf  die 
schlimmen  Folgen  der  ununterbrochenen  Kriege,  die  er  zu 
führen  hatte,  für  die  Romer.  Auch  bei  xal  vEcozBQtet  iv 
avvotg  nokka  kann  es  zweifelhaft  sein,  ob  es  mit  dem 
Lateiner  und  Aethiopen  als  Activum  zu  fassen  und  mit 
vifiötog  als  Subject  zu  verbinden  ist,  oder  ob  es  mit  dem 
Araber  als  Intransitiyum  angesehen  werden  muss;  doch  ist 
Ersteres  wahrscheinlicher:  dann  ist  die  Wiederherstellung 
des  Reiches  gemeint  und  die  zahlreichen  Neuerungen  im 
Staatswesen,  die  von  Severus  und  seinem  Hause  ausgingen, 
vor  Allem  die  von  Caracalla  verfügte  Ausdehnung  des  Bürger- 
rechtes auf  alle  Freigeborenen  im  romischen  Reiche.  Die 
Ruchlosigkeiten  des  Adlers,  die  Severus  und  seine  Sohne 
wiederholen,  sind  die  von  ihm  und  seinem  Mitregenten 
Caracalla  erlassenen  Yerfolgungsedicte  gegen  Juden  und 
Christen:  darum  heisst  es,  sie  würden  das  Ende  herbei- 
führen, nämlich  das  Erscheinen  des  Messias  auf  Erden. 

11,  33  —  34  (11,  38):  „Und  hierauf  sah  ich,  plötzlich 
war  das  mittlere  Haupt  nicht  mehr  sichtbar,  so  wenig  wie 
die  Flügelfedem,  und  es  blieben  nur  die  zwei  anderen 
Haupter  übrig,  welche  ihrerseits  in  ähnlicher  Weise  über 
die  Erde  herrschten  und  über  die,  so  auf  ihr  wohnen/' 
Interpretatio  12,  26  —  27  (12,  33—34):  „Und  was  das  be- 
trifft, dass  du  das  grosste  Haupt  hast  verschwinden  sehen, 
so  ist  dies  die  Deutung  davon:  nämlich  das  ist  der  Einzige 
von  ihnen,  der  auf  seinem  Bette  sterben  wird,  wenn  schon 
unter  Qualen;  denn  die  beiden  Ueberlebenden  wird  das 
Schwert  fressen.^'  Severus  erkrankte  in  Britannien  an  der 
Gicht,  zu  den  körperlichen  Schmerzen  kam  der  Kummer  46 
über  die  Schlechtigkeit  seines  Sohnes  Caracalla,  sein  Fuss- 
leiden  verschlimmerte  sich  endlich  bis  zu  einem  solchen  Grade, 
dass  er  vergeblich  um  Gift  gebeten  haben  soll,  um  seinem  qual- 
vollen Zustande  ein  Ende  zu  machen  (Tillemont  IH  S.  134); 
nach  langer  Krankheit  starb  er  im  Jahre  212  und  hinterliess 
das  Reich  seinen  Söhnen  Caracalla  und  Geta  gemeinschaftlich. 


252  DIE  APOKALYPSE  DES  ESEA 

11,  35  (11;  39):  ;;Und  ich  sah,  da  verschlang  das  Haupt 
zur  Rechten  das  zur  Linken.^'  Interpretatio  12,  28  (fehlt 
Aeth.;  Arab.):  „Denn  das  Schwert  des  £inen  wird  den 
fressen;  der  mit  ihm  herrscht;  er  jedoch  wird  in  den 
jüngsten  Zeiten  durch  das  Schwert  fallen.^  Das  rechte 
Haupt  ist  der  ältere  Sohn  des  Severus,  Caracalla,  der  todtet 
das  linke  Haupt^  d.  i.  den  jüngeren^  Geta,  seinen  Mitregenten; 
derselbe  fallt  durch  das  Schwert  der  von  Garacalla  ab- 
geschickten Soldaten  (Tillemont  III  8.  185).  Caracalla  fiel 
fünf  Jahre  darauf  durch  den  Dolch  eines  von  Macrinus  an- 
gestifteten Officiers  (Tillemont  III  S.  224). 

11,36  —  12,3  (11,40—12,5):  „Und  ich  hörte  eine 
Stimme  zu  mir  sagen:  Schaue  um  dich  und  merke  auf  das, 
was  du  siehst!  Und  ich  sah  hin,  da  erhob  sich  ein  brüllen- 
der Löwe  aus  dem  Felde,  und  ich  hörte,  wie  er  mit  Menschen- 
stimme zum  Adler  redete  und  zu  ihm  sagte:  „Höre  mich  an, 
ich  will  zu  dir  reden!  Der  Herr  spricht  zu  dir:  Bist  du  es 
nicht,  der  übrig  geblieben  ist  von  den  vier  Thieren,  die  ich 
im  Zeitlichen  hatte  regieren  lassen,  und  damit  durch  sie  das 
Ende  der  Zeiten  käme?  und  das  vierte  kam  und  besiegte 
alle  Thiere,  die  vorüber  waren,  imd  beherrschte  tyrannisch 
das  Zeitliche  mit  Zittern,  den  ganzen  Erdkreis  mit  vieler 
Mühsal.  Und  während  du  so  lange  Zeit  den  Erdkreis  be- 
wohnt hast,  hast  du  ihn  mit  List  bewohnt  und  die  Welt 
nicht  mit  Gerechtigkeit  gerichtet;  denn  du  hast  die  Sanften 
geplagt,  die  Ruhigen  verletzt,  die  Lügner  geliebt,  die  Woh- 
46nungen  derer,  die,  Gerechtigkeit  säeten,  hast  du  zerstört,  die 
Mauern  derer,  die  dir  nichte  zu  Leide  gethan  hatten,  nieder- 
gerissen. Und  deine  Sünde  ist  vor  den  Höchsten  gedrungen 
und  dein  Hochmuth  vor  den  Starken.  Und  der  Höchste  sah 
den  Hochmuth  der  Welt,  und  siehe,  sie  ist  zu  Ende  und  ihre 
Weltalter  erfüllt  Deshalb  wirst  du  gänzlich  verschwinden, 
Adler,  und  deine  furchtbaren  Flügelfedern,  und  deine  ver- 
brecherischen Federchen,  und  deine  bösartigen  Häupter,  und 
deine  schlechten  Krallen  und  dein  ganzer  nichtsnutziger 
Körper,  auf  dass  die  ganze  Erde  gelabt  werde  und,  von 
deiner  Gewaltthätigkeit  befreit,  Ruhe  habe  und  das  Gericht 


UND  IHRE  SPAETEREN  BEARBEITUNGEN.  253 

und  dia  Bannherzigkeit  ihres  Schöpfers  erwarte  !^^  Und  es 
geschah,  dass,  wahrend  der  Lowe  diese  Worte  zum  Adler 
sprach,  das  übriggebliebene  Haupt  so  wenig  mehr  zu  sehen 
war  als  die  Tier  Flügelchen.  Und  die  zwei,  welche  an  das 
Haupt  übergegangen  waren,  erhoben  sich  auch  ihrerseits,  um 
zu  regieren^),  und  ihre  Erallen  zitterten.^  Und  ich  sah,  da 
Tcrsch wanden  auch  sie,  und  der  ganze  Körper  des  Adlers 
ward  verbrannt,  und  die  Erde  erzitterte  heftig/'  Interpre- 
tatio  12,  29—34  (12,  35—41):  „Und  was  die  beiden  unter 
das  Haupt  rechts  übergegangenen  Federchen  anbelangt,  die 
du  gesehen  hast,  so  ist  dies  ihre  Deutung:  das  sind  die, 
die  der  Höchste  vom  Anfang  des  Endes  bis  zum  Eude  des 
Eudes  aufbewahrt  hat,  und  das  Ende  wird  sein  wie  der  An* 
fang,  nämlich  eine  schwache  Begierung  voll  Ton  Verwirrung.^ 
Und  was  den  Löwen  anbetrifipfc,  den  du  gesehen  hast  vom 
Felde  sich  erheben,  brüllen  und  zum  Adler  sprechen  und 47 
ihm  alle  seine  Ungerechtigkeit  vorhalten,  so  ist  dies  die  Er- 
klärung dessen,  was  du  vernommen  hast:  das  ist  der  Gesalbte 
vom  Samen  Davids,  den  der  Höchste  aufbewahrt  hat  fQr  das 
Ende  der  Tage,  und  er  wird  kommen  und  ihnen  ihre  Sünden 
vorhalten  and  sie  ihrer  Verbrechen  beschuldigen  und  alle  ihre 
frevelhaften  Gedanken  feststellen.  Und  er  wird  sie  lebend 
vor  Gericht  stellen,  und  wenn  er  sie  überführt  hat,  wird  er 
sie  ausrotten.  Aber  mein  übriges  Volk,  die  gerettet  sind 
auf  dem  Berge  meines  Heiligthums  (Zion),  wird  er  mit  seiner 
Barmherzigkeit  loskaufen,  und  wird  sie  erfreuen,  bis  dass 
der  Tag  des  Gerichtes  kommt,  von  dem  ich  zu  dir  im  An- 
fang geredet  habe.^^  Die  beiden  letzten  Federchen  sind  beim 
Anfang  des  Endes  unter  das  rechte  Haupt  übergegangen, 
d«  h.  es  ist  ihnen  bestimmt,   erst  nach  diesem,   also  nach 


1)  Ich  schiebe  mit  Hilgenfeld  S.  207  nach  duaeque  ein  q%Me  ein, 
setse  aber  vor  duaeque  einen  Punkt  und  betrachte  das  et  vor  erectae 
8unt  als  Uebersetznng  von  xal  avtd. 

2)  Das  et  erat  regnum  eorum  exile  et  tumultu  plenum  des  Lateiners 
scheint  eine  ans  der  Interpretatio  eingedrungene  Glosse  zu  sein. 

8)  Der  Araber  und  Lateiner  ergänzen  sich  gegenseitig;  im  Aethio- 
pischen  ist  oonfus  übersetzt. 


254  DIE  APOKALYPSE  DES  ESBA 

Caracalla^  an  die  Regierung  zu  kommen.  Nach  Caracallas 
Ermordung  werden  Macrinus  und  sein  Sohn  Diadumenianus^ 
den  er  zum  Cäsar ^  später  zum  Augustus  ernannte,  Kaiser, 
und  ihre  Regierung  ist  schwach  und  voll  von  Verwirrung^ 
entspricht  also  völlig  der  der  beiden  Federchen.  Ihre  Herr- 
schaft heisst  das  Ende  des  Endes,  und  dieses  soll  dem  An- 
fange des  Endes,  also  nach  12,21  (12,26)  den  Wirren 
vor  dem  Auftreten  des  Severus,  entsprechen.  Die  Anfange 
der  kurzen  Regierung  des  Macrinus  liessen  sich  gut  an;  als 
aber  Elagabalus  sich  empörte,  verlor  Macrinus  den  Kopf  und 
benahm  sich  auf  eine  so  schwache  Weise,  dass  man  noch  vor 
der  entscheidenden  Niederlage  seinen  Untergang  mit  Sicher- 
heit voraussah  (Tillemont  III  S.  260).  Das  Gesicht  ist  also 
nach  der  Schilderhebung  Elagabals  verfasst,  um  so  mehr, 
da  erst  durch  den  Kampf  der  beiden  Kaiser  mit  einem 
Gegenkaiser  ein  ähnlicher  Zustand  wie  der  vor  der  Herr- 
schaft des  Severus  eintrat  Andererseits  ist  es  verfasst^  ehe 
die  Kunde  von  dem  Tode  des  Macrinus  und  seines  Sohnes 
bekannt  war,  ihre  Todesverkündigung  ist  wirkliche  Weis- 
48  sagung;  denn  unmittelbar  nach  dem  Untergange  der  beiden 
letzten  Federchen  soll  der  Messias  auf  Erden  erscheinen, 
nicht  erst  unter  einem  neuen  Kaiser.  Elagabalus  Hess  sich 
am  16.  Mai  218  zum  Kaiser  ausrufen,  die  Entscheidungs- 
schlacht ward  am  8.  Junj  218  geschlagen,  Macrinus  floh 
vom  Schlachtfelde  (in  Antiochiens  Nähe)  durch  Kleinasien 
nach  Chalkedon,  ward  hier  ergriffen,  zurückgebracht  und  in 
der  kappadokischen  Stadt  Archelais  auf  Elagabals  Befehl 
enthauptet;  Diadumenianus  hatte  dasselbe  Schicksal.  Die 
Zeit  ihres  Todes  wird  nicht  angegeben;  sicher  kamen  sie 
noch  im  Laufe  desselben  Sommers  um.  Hiernach  fällt  die 
Veröffentlichung  des  Adlergesichtes  mit  Sicherheit  in  den 
Juni  218. 

In  der  Interpretatio  folgt  die  Parusie  des  Messias  ganz 
sachgemäss  erst  auf  die  Regierung  der  beiden  letzten  Feder- 
chen; in  der  Vision  selbst  ist  die  Folge  eine  umgekehrte, 
der  brüllende  Löwe  erscheint  schon  unter  Caracalla,  während 
er   noch    zum   Adler   redet,    kommt   Caracalla   um,    folgen 


UND  IHRE  SPAETEREN  BEARBEITUNGEN.  255 

Macrinns  nnd  DiadumenianuS;  und  erst  mit  ihrem  Unter- 
gange  rottet  der  Messias  den  Adler  aus.  Was  aber  in  aller 
Welt  konnte  unter  Macrinus  einen  Gläubigen  bewegen,  die 
Herrschaft  des  Messias  als  schon  begonnen  zu  bezeichnen? 
Die  Sache  ist  höchst  unpassend  und  um  so  auffölliger,  da 
man  dem  Verfasser  des  Adlergesichtes  sonst  nachrflhmen 
musSy  dass  er  die  geschraubte  Form,  die  durch  ein  der* 
artiges  Bathselspiel  bedingt  wird,  nicht  ungeschickt  gehand- 
habt hat.  Dazu  kommt,  dass  das  rechte  Haupt  (Caracalla) 
nach  12,  28  erst  m  novissimis,  das  ist,  wie  Hilgenfeld  richtig 
bemerkt  hat,  ncush  dem  Auftreten  des  Messias,  umkommen 
soll.  Aus  diesem  Grunde  will  Hilgenfeld  (S.  207.  221)  die 
Stelle  12,  2  (12,  3)  so  verstanden  wissen,  dass  die  zwei  unter 
'das  Haupt  übergegangenen  Federchen  schon  längst,  gleich 
bei  ihrem  Uebergange,  umgekommen  seien;  allein  der  Ver- 
fasser bleibt  sich  darin  überall  gleich,  dass  er  jene  Feder- 49 
eben  erst  nach  dem  rechten  Haupte  herrschen  lässt,  die 
Worte  11,  24  (11,  27  —  28)  sind  namentlich  ganz  unmiss- 
verständlich.  Jene  Schwierigkeit  lässt  nur  eine  Losung  zu, 
da  an  eine  wirkliche  Prophezeiung  Niemand  im  Ernste 
^  denken  wird:  die  erste  Abfassung  des  Gesichtes  {£llt  unter 
Caracalla,  zwischen  212 — 217;  als  Caracalla  zwar  durch  das 
Schwert  gefallen,  der  Messias  aber  nicht  erschienen  war,  so 
corrigirte  der  Seher,  um  seine  Prophetie  zu  retten,  die  bei- 
den auf  das  rechte  flaupt  folgenden  Federchen  hinein  und 
schob  die  Ankunft  des  Messias  auf  den  Untergang  des  Ma- 
crinus und  Diadumenianus  hinaus,  die  Spuren  dieser  Nach- 
besserung sind  aber  nicht  überall  mit  der  gehörigen  Sorg- 
falt verwischt  worden.  Diese  Vermuthung  empfiehlt  sich 
noch  durch  zweierlei.  Die  Stelle  12,  3  (12,  4)  ist  wortlich 
aus  Daniel  7,  11:  to  dTiQiov  ixatvo  atnjgi^  xal  aitdXato  xal 
to  öäfia  avrov  idod^  eis  xav6iv  nvQog^  nur  ist  AvijQd^  xal 
axciXato  statt  auf  das  Thier  selbst  auf  die  beiden  Federchen 
bezogen  worden.  Streicht  man  v.  2  (2  —  3)  als  Nachtrag, 
so  schliesst  sich  die  Entlehnung  aus  Daniel  auf  das  Engste 
an  V.  1  an:  „Und  es  geschah,  dass,  wie  der  Löwe  diese 
Worte  zum  Adler  geredet  hatte,  der  Letztere  umkam  und 


256  DIE  APOKALYPSE  DES  ESRA 

der  ganze  Körper  des  Adlers  verbrannt  ward:  und  die  Erde 
erzitterte  sehr/^  Ferner  kommt  erst  dann,  wenn  man  von 
den  acht  Federcbeü  die  letzten  zwei  streicht,  einige  Sym- 
metrie in  die  Gliederung  des  apokalyptischen  Thieres:  nun- 
mehr kommen  auf  die  sechs  Hauptfedem  des  linken  Flügels 
ebensoviel  Gegenfedern,  und  das  Regiment  der  Letzteren  wird 
nicht  mehr  durch  das  der  drei  Häupter  unterbrochen;  end- 
lich, was  die  Hauptsache  ist,  erhalten  wir  ganz  von  selbst 
eine  richtige  arithmetische  Progression,  nämlich  3  Häupter 
•^  6  Gegenfederchen  -f-  12  Flügelfedem. 

Für  die  Heimath  des  Verfassers  ist  der  Umstand,  dass 
er  den  romischen  Adler  vom  Meere  her  kommen  lässt,  von 
60 keiner  Beweiskraft,  weil  er  aus  Daniel  7,  2  entlehnt  ist. 
Wohl  aber  lässt  sich  daraus,  dass  das  Original  griechisch 
geschrieben  war,  und  daraus,  dass  zwar  Pescennius  Niger, 
nicht  aber  Glodius  Albinus,  der  westliche  Nebenbuhler  des 
Severus,  berücksichtigt  worden  ist,  folgern,  dass  er  imX)rient 
lebte.  Ueber  seinen  Glauben  lässt  sich  nur  aus  der  Stelle 
über  den  Messias  etwas  entnehmen,  die  ich  deshalb  in  ex* 
tenso  mil^etheilt  habe.  In  der  Strafpredigt  des  Löwen  wird 
der  Adler  beschuldigt,  die  Wohnungen  der  Gerechten  zer-  ^ 
stört  und  die  Mauern  der  Harmlosen  niedergerissen  zu  haben; 
dies  würde  allerdings  sehr  gut  auf  einen  jüdischen  Verfasser 
zutreffen,  der  dabei  an  die  Verbrennung  des  Tempels  und 
die  Zerstörung  Jerusalems  dachte,  während  eine  Zerstörung 
christlicher  Kirchen  unter  Severus  ein  Anachronismus  wäre: 
allein  es  fragt  sich,  wie  weit  die  Ausdrücke  buchstäblich  zu 
nehmen  sind.  Die  Eschatologie  des  Verfassers  ist  diese:  der 
Messias  wird  erscheinen,  Gericht  über  seine  Widersacher 
halten  und  diese  bestrafen,  sein  übriges  Volk  aber  wird  er 
erlösen  und  über  dasselbe  in  Freuden  herrschen  bis  an  den 
Tag  des  jüngsten  Gerichtes.  Hierin  sieht  namentlich  die 
Erlösung  oder,  wie  der  Aethiope  übersetzt.  Loskaufung  des 
Gottesvolkes  durch  die  Barmherzigkeit  des  Messias  sehr 
christlich  aus.  Entscheidend  aber  ist  die  Erwägung,  dass 
eine  so  spät  wie  218  n.  Ch.  im  Schosse  des  Judenthums 
entstandene  Weissagung  nimmermehr  Eingang   in    ein  von 


UND  IHRE  SPAETEEEN  BEARBEITUNGEN.  257 

• 

der  christlichen  Kirche  hochgehaltenes  und  vielgebrauchtes 
Buch  gefunden  haben  kann.  Bestätigend  kommt  dazU;  dass 
gerade^  damals  die  Danielischen  Visionen  yon  Christen  im 
christlichen  Sinne  ausgedeutet  und  auf  Vorfälle  der  jüngsten 
Vergangenheit  bezogen  wurden:  das  Beispiel  des  Judas  unter 
Severus  wurde  bereits  erwähnt.  So  wenig  wie  über  den 
Glauben  des  Propheten,  kennen  wir  über  seine  geistige 
Befähigung  im  Zweifel  sein:  er  legt  in  der  That  ein  über- 
raschend richtiges  Verständniss  der  Haupt  Wendepunkte  der  61 
romischen  Eaisergeschichte  an  den  Tag,  und  es  ist  von 
grosstem  Interesse,  zu  hören,  wie  ein  uugelehrter,  aber 
scharfblickender  Zeitgenosse  über  Macrinus,  namentlich  aber 
wie  er  über  den  grossen  Severus  urtheilt,  Regenten,  über 
welche  die  Ansichten  der  römischen  Historiker  so  sehr  aus- 
einander gegangen  sind.  Aus  diesem  Grunde  behält  das 
Adlergesicht  geschichtlichen  Werth,  wenn  es  uns  auch  nicht 
mit  neuen  Thatsachen  bekannt  macht. 

Gerade  dies,  dass  das  Adlergesicht  nur  auf  Bekanntes 
anspielt,  macht  die  Deutung  so  leicht  und  sicher,  und  es 
wäre  wunderbar,  wenn  noch  Niemand  auf  diese  so  nahe 
liegende  Lösung  gerathen  wäre.  In  der  That  aber  hat 
schon  Hartwig,  Apologie  der  Apokalypse  IV  S.  212 ff.  den 
Verfasser  des  Esrabuches  zu  einem  Christen  gemacht,  der 
im  Jahre  217  n.  Ch.  geschrieben  habe  (Lücke  S.  188).  Ich 
kenne  seine  Gründe  nicht  ^),  bin  aber  überzeugt,  dass  nur 
das  Adlergesicht  den  alten  Herrn  zu  jenem  Datum  geführt 
haben  kann,  und  mache  das  Resultat,  insoweit  es  diese  Vision 
betrifft,  zu  dem  meinigen.  Warum  dieser  Fund  bei  den 
neueren  Forschern  so  gänzlich  unbeachtet  geblieben  ist,  liegt 
auf  der  Hand:  Hartwig  glaubte  mit  dem  Datum  des  Adler- 
gesichtes ohne  Weiteres  das  des  ganzen  Esrabuches  gefunden 
zu  haben-,  da  nun  aber  das  erste  sichere  Citat  desselben  sich 
in  den  wo  nicht  im  Jahre  194'),  doch  spätestens  205  n.  Gh. 

1)  Von  dem  jetzt  veralteten  Werke  habe  ich  hiesigen  Ortes  nur 
die  beiden  ersten  Bände  aufzutreiben  vermocht. 

2)  Dies  ist  die  gewöhnliche  Annahme,  die  sich  darauf  stützt,  dass 
EnsebioB  im  Kanon  unter  diesem  Jahre  die  Blüthe  des  Clemens  an- 

▼.  OüTSCHMiD,  Kleine  Schriften.    IT.  17 


258  DIE  APOKALYPSE  DES  ESRA 

52  verfassten  Stromateis  des  Clemens  von  Alexandrien  vorfindet 
(Lücke  S.  151);  so  liegt  es  auf  der  Hand,  dass  der  Kern 
der  Schrift  älter  sein  muss  als  218.  Ein  zweites  Zeugniss 
gewinnen  wir  aus  der  christlichen  Einleitung,  die  wir  dem 
Jahre  201  n.  Ch.  zugewiesen  haben.  Hiermit  ist  mathema- 
tisch bewiesen,  was  Noack  S.  357 ff«  schon  aus  inneren 
Gründen,  aus  dem  Gedankengange  des  echten  Esrabruches, 
yermuthet  hatte,  dass  das  Adlergesicht  eine  spätere 
Interpolation  ist. 

IV.     Die  ursprüngliche  Apokalypse. 

Dass  der  Verfasser  der  ursprünglichen  Esra- Apokalypse 
ein  Jude  war,  ist  fast  ausnahmslos  anerkannt  worden  (Lücke 
S.  189).  Noack  S.  341  weist  noch  genauer  nach^  dass  die 
in  dieser  Schrift  vorgetragenen  Lehren  die  der  Pharisäer 
sind.  Wenn  derselbe  aber  S.  344  in  Stellen  wie  7,  20—24 
Lat  (5,  20 — 24  Aeth.)  Anspielungen  und  Seitenhiebe  auf  die 
Christen  findet,  so  ist  dies  gesucht  und  darum  nicht  über- 
zeugend; näher  liegt  es  wohl,  bei  denen,  die  „sich  Gedanken 
der  Eitelkeit  in  den  Kopf  gesetzt  und  sich  Apostasie  vor- 
genommen haben  und  dem  Höchsten  widersprechen,  sagend, 
Gott  ist  nicht^',  an  die  Sadducäer  zu  denken.  Das  Buch  ist 
nicht  aus  dem  Hebräischen  übersetzt,  sondern  ursprünglich 
griechisch  geschrieben  (Lücke  S.  154).  Aus  diesem  Grunde 
ist  allerdings  die  Präsumption  dafür,  dass  der  Verfasser  ein 
alexandrinischer  Jude  war,  und  Lücke  hat  dies  S.  211  noch 
damit  zu  begründen  gesucht,  dass  das  Esrabuch  unter  den 
ägyptischen  Christen  viel  verbreitet  war.  Andererseits  aber 
folgt    der  Verfasser    in    seiner    Berechnung    der   Weltalter 


merkt;  aas  den  Stromateia  selbst  geht  nar  das  hervor,  dass  sie  unter 
Severus  geschrieben  sind.  Nnn  aber  wissen  wir  durch  Clemens  selbst^ 
dass  er  erst  den  nQ0t(f£ifti%6g ,  dann  den  Ilaidayayog  und  erst  im 
Greisenalter  sein  Hauptwerk,  die  Htffmiuctstg^  schrieb.  Daher  glaube 
ich,  dass  vielmehr  die  zweite  Notiz,  die  Eosebios  unter  dem  Jahre 
2220  Abr.  (206  n.  Ch.)  hat,  ^ßlemens  iis  iempoiibus  libris  conacribendis 
operatn  dabat^\  die  Abfassungszeit  der  Stromateis  im  Auge  hat 


UND  IHRE  SPAETEEEN  BEARBEITUNGEN.      259 

10,  45  (10,  58),  wie  sich  zeigen  wird,  dem  hebräischen 
Texte,  nicht  der  Septaaginta,  und  spielt  mehrfach  auf  die  63 
politischen  Znstande  Palästinas,  nie  auf  Aegyptisches,  an, 
und  dadurch  wird  die  ägyptische  Heimath  des  Verfassers 
wieder  bedeutend  in  Frage  gestellt.  Aus  äusseren  Gründen 
ergiebt  sich  über  die  Abfassungszeit  des  Buches  so  viel,  dass 
es  später  ist,  als  das  Buch  Daniel,  welches  vom  Pseudo- 
Esra  nachgeahmt  wird  (Lücke  S.  187.  209),  aber  älter  als 
der  ToUige  Bruch  zwischen  Judenthum  und  Christenthum, 
da  ein  nach  dieser  Zeit  unter  den  Juden  entstandenes  Apo- 
kryphon  unmöglich  in  der  christlichen  Kirche  solche  Geltung 
hätte  erlangen  können,  wie  sie  die  Esra  -  Apokalypse  ihren 
christlichen  Erweiterungen  und  Nachbildungen  nach  zu  ur- 
theilen  erlangt  hat  (Lücke  8.  194).  Diesen  Bruch  datir^n 
die  vorsichtigsten  Forscher  von  der  Zerstörung  Jerusalems; 
als  äusserste  Grenze  steht  der  Aufstand  des  Barkochba 
fest  Das  Buch  ist  also  verfasst  zwischen  167  v.  Gh.  und 
135  n.  Oh. 

Der  Verfasser  unserer  Apokalypse  schreibt  unter  der 
Maske  eines  Salathihel  qui  et  Ezras  ^)y  giebt  sich  also  ohne 
Zweifel  für  den  Vater  des  Serubabel  aus.  Die  Person  des 
Schriftgelehrten  Esra  wird  gespalten  und  ein  Theil  seiner 
Thätigkeit,  die  Wiederherstellung  der  heiligen  Schriften,  auf 
einen  älteren  Esra  übertragen,  der  als  identisch  mit  Seal- 
thiel, Vater  des  Wiederherstellers  des  jüdischen  Staates  ist. 
Geschrieben  will  das  Buch  sein  im  30.  Jahre  nach  der  Zer- 
störung von  Jerusalem,  also  558  v.  Gh.  Es  sind  aber  in 
dem  Buche  eine  Anzahl  chronologischer  Angaben  enthalten, 
aus  deren  Verbindung  sich  die  eigentliche  Abfassungszeit  des 
Buches  ursprünglich  wahrscheinlich  mit  völliger  und  jetzt 
noch  mit  annähernder  Gewissheit  erkennen  liess.  Wir  haben 
nämlich  ausser  dem  fingirten  Datum  des  Esra  eine  Angabe  54 

1)  So  hat  3,  1  (1,  1)  auch  der  Codex  Sangermanensis,  so  gut  wie 
die  äthiopische  und  arabische  üebersetzung.  Also  kaun  5,  16  (3,  24) 
das  Salathiel  für  den  Namen  des  den  Salathiel  -  Ezras  besuchenden 
YolksfSrsten  nnmdglich  richtig  sein  und  ist  nach  den  beiden  anderen 
Uebersetzungen  mit  leichter  Aenderung  in  Falthiel  zu  verbessern. 

17* 


260  DIE  APOKALYPSE  DES  ESRA 

über  die  Eiütheilung  der  Zeit  im  Weltalter  und  wieviel  da- 
von bis  Esra  verflossen,  wieviel  noch  Zwischenraum  bis  zum 
Erscheinen  des  Messias  sei,  und  eine  Bestimmung  des  Tem- 
pelbaues Salomos  nach  Jahren  der  Welt:  da  nun  der  Ver- 
fasser das  Erscheinen  des  Messias  als  für  seine  Zeit  un- 
mittelbar bevorstehend  ansieht,  so  würde  sich  seine  Zeit  mit 
Sicherheit  berechnen  lassen,  wenn  wir  nur  wüssten,  zu  wie- 
viel Jahren  der  Zwischenraum  zwischen  Tempelbau  und 
Tempelzerstorung  angesetzt  war.  Und  ursprünglich  scheint 
wirklich  eine  derartige  Notiz  dagewesen  zu  sein.  Am 
Schlüsse  des  Buches  findet  sich  nämlich  in  den  beiden 
orientalischen  Uebersetzungen  eine  Angabe  darüber,  wieviel 
Jahre  Esra  nach  der  Wiederherstellung  der  heiligen  Schriften 
noch  gelebt  habe,  und  das  Datum  seiner  Aufnahme  in  den 
Himmel  nach  Jahren  der  Welt;  die  Auslassung  der  Stelle 
war  in  der  lateinischen  üebersetzung  unvermeidlich,  weil  in 
dieser  das  Buch  hier  nicht  schliesst,  sondern  eine  christliche 
Fortsetzung  angehängt  ist.  Der  Text  ist  im  Wesentlichen 
gleichlautend,  wenn  auch  die  einzelnen  Zahlen  abweichen. 
Den  Worten  quarto  anno  a  sabbaticis  annis  des  äthiopischen 
Textes  entspricht  im  Arabischen  offenbar  et  vixi  septuaginta 
sex  annos,  ich  kann  also  darin  nicht  eine  Rechnung  nach 
siebenjährigen  Cyklen,  sondern  lediglich  eine  falsche  üeber- 
setzung von  itfi  tiööoQtt  ikl  ißSoiii^ovta  sehen.  Dann  heisst 
es  wieder  im  Aethiopischen  post  annum  creaiionis  quinquies  tnil- 
lesimo,  im  Arabischen  post  annum  a  creatione  mundi  quinquies 
millesimum  vigesimum  quintum:  offenbar  sind  dort  die  Zehner 
und  Einer  ausgefallen.  Nun  ist  ein  Punkt  zu  setzen;  das 
Datum  „am  10.  (Aeth.)  oder  12.  (Arab.)  Tage  des  dritten 
Monats '^  gehört  zum  Folgenden,  es  ist  der  Tag  von  Esras 
Himmelfahrt.  Das  Jahr  giebt  der  arabische  Text  nicht  au, 
im  äthiopischen  steht  nonagesimo  et  secundo,  wobei  offenbar 
aus  dem  Vorigen  anno  quinquies  millesimo  zu  ergänzen  ist: 
56  5025  +  74  ist  5099,  also  ist  vermuthlich  im  griechischen 
Originale  hd"'  in  h/S'  verschrieben  gewesen,  während  die  76 
Jahre  des  arabischen  Uebersetzers  auf  eine  Vertauschung  der 
Zahlzeichen  vf  und  vi  zurückzufahren   sind.     Berechnet  man 


UND  IHRE  SPAETEREN  BEARBEITUNGEN,  261 

die  Jahre  5035  und  5099^  in  welche  hiernach  die  Thatigkeit 
des  Esra  eingeschlossen  wird;  nach  der  alexandrinischen 
Weltara ,  so  findet  man  die  Jahre  469  —  395  v.  Ch. ,  in 
welche  in  der  That  Esra^  aber  nicht  der  Sealthiel -Esra 
unseres  Buches^  sondern  der  bekannte  Zeitgenosse  des  Königs 
Artaxerzes  (den  auch  die  christliche  Einleitung  1^  3  im  Auge 
hat);  gesetzt  zu  werden  pflegt.  DieS;  der  Umstand,  dass  diese 
Berechnung  nicht  auf  dem  hebräischen  Texte,  dem  der  Apo- 
kalyptiker  folgt,  soudem  auf  den  Zahlen  der  Septuaginta 
beruht,  und  die  Thatsache,  dass  die  alexandrinische  Weltara 
erst  seit  dem  Anfange  des  fünften  Jahrhunderts  vorkommt) 
erheben  es  zur  Gewissheit,  dass  die  jetzt  vorliegende  Be- 
rechnung eine  christliche  Interpolation  ist.  Es  ist  mir  aber 
sehr  wahrscheinlich,  dass  am  Schlüsse  ursprünglich  eine  An- 
gabe über  Esra  in  Jahren  einer  den  christlichen  Bearbeitern 
oder  Uebersetzem  unverstandlichen  hebräischen  Weltära  stand, 
welche  durch  eine  den  ägyptischen  Christen  geläufige  Datirung 
ersetzt  ward;  die  74  Lebensjahre  des  Esra,  sowie  Tag  und 
Monat  seines  Endes  können  recht  wohl  ursprünglich  sein. 
Doch  ist  auch  trotz  des  Verlustes  dieser  genaueren  Bestimmung 
die  Berechnung  der  Weltalter  in  unserer  Apokalypse  ziemlich 
sicher^  da  in  Bezug  auf  den  Zeitraum  zwischen  Salomo  und 
Nebukadnezar  die  Meinungsverschiedenheiten  höchstens  40 
Jahre  betragen  können. 

9,  38£P.  wird  eine  Erscheinung  beschrieben,  die  Esra  auf 
dem  Felde  Ardath  (Lai,  Arphad  Aeth.,  Araat  Arab.),  .wahr- 
scheinlich einer  wirklichen  babylonischen  Localität,  gehabt 
haben  soll.  Es  ist  ein  trauerndes  Weib,  das  30  Jahre  in 
kinderloser  Ehe  gelebt,  nach  30  Jahren  einen  Sohn  geboren 
und  ihn  mit  vieler  Mühe  grossgezogen  hatte:  aber  an  seinem  56 
Hochzeitstage  war  der  Sohn  gestorben.  Das  Weib  wird  auf 
Zion  bezogen,  ihr  Sohn  auf  den  Tempelbau,  sein  Grossziehen 
auf  das  Wohnen  der  Israeliten  in  Jerusalem,  sein  Tod  auf 
die  Tempelzerstörung.  Die  30  Jahre  der  Unfruchtbarkeit 
des  Weibes  werden  10,  45  —  46  (10,  58  —  60)  so  erklärt: 
„Nämlich  3000  Jahre  stand  die  Welt,  als  in  Zion  noch 
keine    Opfer   dargebracht  wurden :   und   nach   3000  Jahren 


262  DIE  APOKALYPSE  DES  ESRA 

geschah  es,  dass  Salomon  die  Stadt  baute  und  Opfer  dar- 
brachte: da  war  es,  wo  die  Unfruchtbare  den  Sohn  gebar/^ 
Dass  dies  der  Sinn  der  Stelle  ist,  hat  Lücke  S.  175  durch 
Yergleichung  der  verschiedenen  Texte  festgestellt;  nur  ist 
anni  saeculo  IIL  nicht  in  annorum  saecula  triginta  zu  yer- 
ändern,  sondern  sowohl  hierfür  wie  für  das  folgende  post 
annos  III  zu  schreiben  anni  III,  post  annos  III:  saeculo, 
d.  i.  saecula,  ist  die  Randglosse  Jemandes,  der  den  Tausender- 
strich  übersah  und  doch  erkannte,  dass  drei  Jahre  hier  zu 
wenig  seieu.  Der  Codex  Sangermanensis  stimmt  also  mit  dem 
arabischen  Texte  wörtlich  überein,  während  der  Aethiope 
freier  übersetzt  hat:  y,die  30  Jahre  der  Unfruchtbarkeit  sind 
die  (ebensovielen)  Jahrhunderte,  wo  in  Zion  noch  kein  Opfer 
dargebracht  ward;''  dass,  wie  Lücke  meint,  im  griechischen 
Urtexte  ysvsag  X'  gestanden  habe,  ist  nicht  wahrscheinlich. 
Nach  der  Septuaginta  sind  von  Erschaffung  der  Welt  bis 
auf  den  Tempelbau  mindestens  4227  Jahre;  Pseudo-Esra  kann 
also  nur  dem  hebräischen  Texte  gefolgt  sein.  Nach  diesem 
erhält  man,  wenn  man  für  den  Zeitraum  vom  Auszug  bis  zum 
Tempelbau  die  480  Jahre  L  [=  IIL]  Kon.  6,  1  zu  Grande 
legt,  3146  Jahre  oder  3116,  wenn  man  die  Dienstbarkeit  der 
Israeliten  in  Aegypten  statt  zu  430  mit  Gen.  15,  13  zu  400 
Jahren  berechnet.  Für  beide  Summen  wäre  3000  Jahre  eine 
sehr  starke  Abrundung;  wahrscheinlich  aber  rechnete  Esra 
nicht  so,  sondern  in  der  Weise  wie  Josephos  und  nach  ihm 
sämmtliche  christlichen  Chronographen,  d.  h.  er  zählte  mit 
67  der  Septuaginta  die  Dienstjahre  der  Israeliten  in  Aegypten 
nicht  von  Jacobs,  sondern  von  Abrahams  Einwanderung  und 
berechnete  dagegen  die  Zeit  von  Moses  bis  Salomo  nicht 
nach  dem  ersten  Buche  der  Eonige,  sondern  nach  dem 
Buche  der  Richter.  Diese  Berechnungsart  ist  verschieden 
imd  meistens  chronologischen  Systemen  zu  Liebe  sehr  will- 
kürlich ausgeführt  worden :  die  älteste  und  zugleich  den 
biblischen  Zahlen  am  treusten  sich  anschliessende  ist  die 
des  Josephos,  der  den  betreffenden  Zeitraum  zu  592  Jahren 
angiebt.^)  Dann  erhalten  wir  1656  Jahre  von  der  Schöpfung 
1)  Ant.  Jad.  VIII,  8,  1. 


UND  IHRE  SPAETERBN  BEARBErTUNGEN.  263 

bis  zur  Fluthy  365  Jahre  bis  Abraham,  430  oder  400  Jahre 
der  Dienstzeit  in  Aegypten,  592  Jahre  zwischen  Auszug  und 
Tempelbau,  zusammen  3043  oder  3013  Jahre,  wofür  3000 
Jahre  eine  sehr  gelinde  Abrundung  ist.  Der  Ansatz  der 
Dienstzeit  in  Aegypten  zu  430  Jahren  (nach  Exod.  12,  40) 
ist  der  ge wohnliche,  aber  gerade  von  Esra  schwerlich  zu 
Grunde  gelegte;  er  bestimmt  nämlich  7,  28  (5,  29)  die 
Messianische  Freudenzeit  auf  400  Jahre,  eine  Zahl,  die,  wie 
Lücke  S.  171  nachgewiesen  hat,  aus  der  Beziehung  yon 
Psalm  90, 15  (Erfreue  uns  nun  wieder,  nachdem  du  uns  so 
lange  plagtest)  auf  Gen.  15, 13  (da  wird  man  sie  zu  dienen 
zwingen,  und  plagen  400  Jahre)  herausgeklügelt  ist:  hätte 
also  Esra  den  yorbildlichen  Zeitraum  zu  430  Jahren  an- 
gesetzt, so  wäre  dies  eine  Inconsequenz,  die  man  ihm  ohne 
Noth  nicht  aufbürden  darf.  Wir  betrachten  .demnach  die 
3000  Jahre  als  Abrundung  von  3013.  Doch  ist  die  Mög- 
lichkeit offen  zu  lassen,  dass  die  Zahl  3000  nicht  rund, 
sondern  genau  ist  und  dass  sich  Esra  des  Ueberschusses 
durch  eine  abweichende,  uns  anderwärts  nicht  überlieferte 
Berechnung  der  Richterzeit  entledigt  hat.  —  Der  Tempel 
wurde  erbaut  241  Jahre  nach  der  Gründung  von  Tyros,  die 
in  das  Jahr  1218  v.  Ch.  gehört*),  also  977  v.  Ch.  Allein 58 
diese  richtige  Zeitrechnung  ist  bei  den  Juden  frühzeitig  in 
Vergessenheit  gerathen;  bereits  300  Jahre  vor  Josephos 
bestimmte  der  jüdische  ^  Historiker  Demetrios ,  der  unter 
Ptolemäos  Philopator  schrieb*),  den  Zwischenraum  von 
Sanheribs  Eroberungszuge  bis  zur  Zerstörung  von  Jerusalem 
auf  128  (sehr.  125)  Jahre  6  Monate,  rechnete  also  auf  Ma- 
nasses  Regierung  55  volle  Jahre  (Clem.  Strom.  I,  21  p.  146 
Sylb.).  Die  späteren  Juden  und  ihnen  folgend  die  christ- 
lichen Chronographen  rechnen,  unbekümmert  um  etwaige 
Mitregentschaften,  die  biblischen  Zahlen  einfach  zusammen. 
Die  Letzteren  pflegen  sich  an  die  Könige  von  Juda  zu  halten: 
legt  man  die  Summe  ihrer  Regierungsjahre  zu  Grunde,  so 

1)  YoD    mir    nachgewiesen    im   Literarischen   Centralblatt   vom 
87.  November  1868  S.  769  [Band  I  S.  249  dieser  Sammlung]. 
*)  [Vgl.  oben  S.  186  ff.    F.^B.] 


264  DIE  APOKALYPSE  DES  ESRA 

erhält  man  für  die  Zeit  vom  vierten  Jahre  Salomos  exclasive 
bis  auf  die  Zerstörung  von  Jerusalem  4297,  Jahre.  Oder 
man  betrachtet,  wie  dies  Josephos  gethan  hat,  die  Jahres- 
reihe der  Könige  von  Israel  als  massgebend,  so  findet  man 
durch  Addition  für  denselben  Zeitraum  die  Summe  von  411 
Jahren.  In  jenem  Falle  ergiebt  sich  für  den  Tempelbau 
das  Jahr  1016,  in  diesem  das  Jahr  998  v.  Ch.  Je  nachdem 
man  den  Zeitraum  von  Adam  bis  Salomo  zu  3000  oder  zu 
3013  Jahren  berechnet,  erhält  man  von  den  erwähnten  drei 
Ausgangspunkten  sechs  verschiedene  Schöpfungsjahre:  1)3977 
oder  3990,  2)  4016  oder  4029,  3)  3998  oder  4011  v.  Cb.^) 
14,  10 — 12  (14,  8  —  9)  heisst  es  nach  der  lateinischen 
UebersetzuDg:  „Denn  die  Welt  hat  ihre  Jugend  überschritten 
und  die  Zeiten  fangen  an  zu  altern;  in  zwölf  Theile  nämlich 
59  ist  das  Weltalter  getheilt,  und  es  ist  in  den  zehnten  ein- 
getreten und  in  die  Mitte  des  zehnten  Theiles;  es  sind  aber 
von  ihm  noch  übrig  zwei  Theile  nach  der  Mitte  des  zehnten.^^ 
üeberliefert  ist  et  transierunt  eins  decima  et  dimidium  decitnae 
partis,  unsinnig;  es  wird  aber  nicht  mit  Fabricius  decima  in 
novem  zu  ändern,  sondern  nach  der  Analogie  der  äthiopischen 
Uebersetzung  ein  griechisches  xal  TcagijW'Bv  (6  alwv)  elg  ro 
öaxatov  avrov  ^sgog  xal  elg  ro  i](iiöv  xov  Ssxi^cov  als  zu 
Grunde  liegend  anzunehmen  sein,  wobei  sIq  unübersetzt 
geblieben  ist.  Im  Aethiopischen  lautet  die  Stelle:  „in  zehn 
Theile  nämlich  ist  das  Weltalter  getheilt^  und  es  ist  in  den 
zehnten  eingetreten,  und  übrig  ist  noch  die  Hälfte  des  zehn- 
ten"; das  üebrige  fehlt.  Der  Araber  umgeht  die  verwickelte 
Berechnung  durch  ein  „der  grössere  Theil  der  Jahre  ist  ver- 
flossen, sehr  wenige  sind  nur  noch  übrig''.  Das  Auseinander- 
gehen der  Texte  ist  gewiss  nicht  zufällig;  nur  darin  ist 
Uebereinstimmung,  dass  bis  auf  Esra  9V2  Theile  des  Welt- 


1)  Für  die  spätere  Zeit  unserem  Verfasser  eine  Abweichnng  von 
der  richtigen  ZeitrechnuDg  zuzutrauen,  liegt  kein  Grund  vor:  ist  doch 
dem  Verfasser  des  Buches  Daniel  die  wahre  Zeit  des  Nebakadnezar 
noch  sehr  gut  bekannt;  wenn  Josephos  und  Julius  Africanus  die  Zer- 
störung Jerusalems  viel  zu  hoch  hinanfrücken,  so  beruht  das  auf  in- 
dividuellen Berechnungen  des  Anfanges  des  Eyros. 


UND  IHttB  SPAETEREN  BEABBEITÜNGEN.  265 

alters  verflossen  waren.  Da  fingirt  wird,  dass  Esra  im 
Jahre  558  y«  Cb.  schrieb^  so  ergiebt  sich  durch  Subtraction 
dieses  Jahres  von  den  sechs  möglichen  Schopfangsepochen 
unseres  Verfassers  ^  dass  Esra  mindestens  im  3420steny 
höchstens  im  3472sten  Jahre  der  Welt  blühte;  es  ist  natür- 
lich nicht  nöthig^  dass  dieses  Jahr  genau  das  mittelste  des 
zehnten  Theiles  ist,  wofern  nur  die  Fehlerweite  einige  Jahre 
nicht  überschreitet.  Dividirt  man  jene  Zahlen  durch  9V27 
so  findet  sich,  dass  ein  jeder  Theil  zu  360  —  366  Jahren 
berechnet  ist.  Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  nicht  jede  be- 
liebige Jahrsumme  zur  Einheit  bei  der  Eintheilung  der  Welt- 
dauer gestempelt  werden  kann,  sondern  nur  eine  runde  oder 
eine  in  der  Tradition  bedeutsam  gewordene  oder  eine  in 
irgend  einer  anderen  Beziehung  typische,  symbolische  Zahl. 
Im  Bereiche  der  Zahlen,  zwischen  denen  wir  wählen  können, 
eignet  sich  keine  so  vorzüglich  zur  Einheit  für  einen  Theil 
des  Weltalters  als  365,  die  Zahl  der  Tage  des  Jahres:  eine 60 
Periode  von  365  Jahren  ist  recht  eigentlich  ein  grosses  Jahr. 
Auch  die  daraus  abgerundete  Zahl  360  würde  recht  gut 
passen^  um  so  mehr,  da  sich  ein  grosses  Jahr  von  360 
Jahren  schicklich  in  zwölf  grosse  Monate  von  je  30  Jahren 
zerlegen  liesse.  Eine  von  beiden  Summen  ist  gewiss  das 
Mass  für  die  Theile  des  Weltlaufes,  das  Esra  meint.  Ver- 
binden wir  diese  Einheiten  mit  den  sechs  möglichen 
Schöpfungsepochen,  so  ergeben  sich  zwölf  Varianten  der 
Rechnung,  welche  die  genaue  Mitte  des  zehnten  Theiles 
frühestens  in  das  Jahr  609,  spätestens  in  das  Jahr  509 
V.  Ch.  bringen;  jenes  Datum  liegt  51  Jahre  vor,  dieses 
49  Jahre  nach  dem  Jahre  558,  in  welchem  Esra  die  Ent- 
hüllung erhalten  haben  soll:  an  sich  ist  demnach  jede  dieser 
zwölf  Rechnungen  zulässig.  —  Die  Hauptfrage  ist  nun  die, 
ob  der  Lateiner  mit  seinen  zwölf  Theilen,  von  denen  noch 
2^2  übrig  seien,  oder  der  Aethiope  mit  seinen  zehn  im 
Rechte  ist,  von  denen  nur  noch  ein  halber  der  Zukunft  an- 
gehöre. Lücke  S.  182  hat  sich  unbedingt  für  die  Richtigkeit 
der  äthiopischen  Lesart  entschieden:  1)  weil  aus  dem  näch- 
sten Texteszusammenhange  hervorgeht,  dass  von  dem  ganzen 


266  DIE  APOKALYPSE  DES  ESBA 

Weltlauf  nur  noch  die  kürzeste  Zeit  übrig  ist:  im  nächsten 
Verse  heisst  es:  ,,nunmehr  also  triff  die  letzten  Verfügungen 
über  dein  Haus!'^  für  diese  Frist  seien  2^/^  Theile  offenbar 
zu  viel;  2)  weil  auch  Henoch  die  Weltzeit  in  zehn  Wochen 
eintheilt.  Gewiss  wiegen  die  Argumente  nicht  leicht;  noch 
stärker  aber  ist  die  Evidenz,  die  dagegen  spricht.  Zehn 
Theile  zu  360  oder  365  Jahren  ergeben  für  den  ganzen 
Weltlauf  3600  oder  3650  Jahre:  wollte  man  nun  auch  das 
400jährige  Reich  des  Messias ,  das  doch  noch  der  jetzigen 
Welt  angehören  soll,  ganz  bei  Seite  lassen,  so  käme  man 
doch,  wenn  man  eine  von  beiden  Summen  von  einer  der 
sechs  Schöpfungsepochen  zwischen  4029 — 3977  abzöge,  mit 
dem  Ende  der  Welt  in  die  Jahre  zwischen  429—  327  v.  Ch., 
61  also  auch  mit  dem  spätesten  Termine  lange  vor  die  Zeit, 
in  der  die  Apokalypse  des  Esra  möglicherweise  verfasst  sein 
kann.  Von  dieser  Lesart  muss  also  ganz  abgesehen  werden. 
Lückes  Bedenken  lassen  sich  in  der  That  recht  gut  heben, 
man  muss  nur  die  Zwitterstellung  des  Apokalyptikers  im 
Auge  behalten,  der  für  seine  eigene  Zeit  die  Ankunft  des 
Messias  erwartet,  aber  doch  die  angenommene  Maske  eines 
längst  heimgegangenen  Sehers  nicht  aufgeben  kann.  Im 
Sinne  der  Gegenwart  redet  er  daher  überall  von  dem  Ende 
der  Welt  als  etwas  nahe  Bevorstehendem,  so  an  unserer 
Stelle,  so  namentlich  4,  45—50  (2,  52—59),  wo  er  die  noch 
zukünftige  Zeit  im  Vergleich  zu  der  schon  verflossenen  mit 
dem  nach  dem  Ausbrennen  eines  Feuers  noch  aufsteigenden 
Rauche  oder  mit  den  nach  Aufhören  eines  Gewitterregens 
noch  fallenden  Tropfen  vergleicht.  Es  kam  ihm  aber  darauf 
an,  irgendwie  den  Leser  errathen  zu  lassen,  welches  denn 
der  für  die  Ankunft  des  Messias  bestimmte  Termin  sei,  und 
er  bewerkstelligte  dies  am  schicklichsten  in  der  Weise,  dass 
er  den  ganzen  Weltlauf  in  gleiche  Theile  theilte  und  angab, 
wieviel  davon  bis  auf  die  Zeit  des  wirklichen  Esra,  für  den 
er  sich  ja  ausgab,  verflossen  seien.  Die  Inconsequenz  ist 
so  gross  nicht  und  sie  wird  noch  dadurch  gemildert,  dass, 
wie  Hilgenfeld  S.  224  nachgewiesen  hat,  von  den  nach  dem 
lateinischen  Texte  noch  übrigen  2V2  Theilen  die  400jährige 


UND  IHEE  SPAETEBEN  BEARBEITUNGEN.  267 

Herrschaft  des  Messias  als  noch  zu  dem  jetzigen  Weltlauf 
gehörig  abzuziehen  ist.  Die  Verwandlung  der  zwölf  Theile 
in  zehu;  der  2y^  restirenden  in  Yg  betrachte  ich  als  eine 
absichtliche  AenderuDg,  die  von  derselben  Hand  ausgegangen 
ist  wie  die  Interpolation  des  Schlusssatzes.  Nach  der  ale- 
xandrinischen  Weltära  yerflossen  von  Adam  bis  Christus 
5500  Jahre;  theilt  man  diese  in  zehn  gleiche  Theile,  so 
läuft  mit  dem  Jahre  der  Welt  4950  der  neunte  Zeittheil 
ab;  und  Esra,  dessen  Ende  die  Alexandriner  in  das  Jahr 
der  Welt  5099  setzen,  starb,  als  von  dem  zehnten  Theile 
149  Jahre  bereits  verflossen,  401  Jahre  noch  zukünftigem 
waren,  also  freilich  nicht  genau  in  der  Mitte  desselben:  es 
scheint  aber,  dass  die  für  einen  Christen  unbrauchbaren 
400  Jahre  des  jüdischen  Messiasreiches  auf  die  Zeit  von 
Esra  bis  Christus  gedeutet  wurden,  nämlich  als  die  Zeit  der 
gesalbten  Hohenpriester  und  Konige  (xQt^toi)  des  jüdischen 
Volkes,  die  mit  der  Verwandlung  Judäas  in  eine  romische 
Provinz  ihr  Ende  erreicht:  nach  alexandrinischer  Rechnung 
fiel  Christi  Geburt  ein  Jahr  nach  diesem  Ereignisse,  5500 
der  Welt  =»  7  n.  Ch.  Die  Geburt  des  wahren  Messias  liess 
sich  demnach  als  der  Beginn  des  künftigen  Weltlaufs  auf- 
fassen und  somit  die  jüdischen  Vorstellungen  des  Buches 
passend  ins  Christliche  übersetzen.  Zieht  man  die  nach  dem 
Todesjahre  Esras  anhebenden  400  Jahre  der  xqi^xoC  von 
den  550  Jahren  ab,  die  dem  zehnten  Theile  des  Weltlaufs 
zukommen,  so  bleiben  für  den  Anfang  desselben  150  Jahre 
(4950—5100):  somit  ist  das  Jahr  5025,  in  welches  die  Nach- 
schrift die  Wiederherstellung  der  heiligen  Schriften  durch 
Esra  setzt,  genau  das  mittelste  des  vormessianischen  zehnten 
Zeittheiles.  Diese  Uebereinstimmung  bestätigt  meine  Ver- 
besserung der  theilweise  verschriebenen  Zahlen  der  Nach- 
schrift. Dass  bei  der  Umänderung  der  über  die  Eintheilung 
der  Weltalter  handelnden  Stelle  die  Zehntheilung  im  Buche 
Henoch  mit  von  Einfluss  gewesen  ist,  ist  eine  mögliche, 
aber  nicht  nothwendige  Annahme.  Die  von  uns  als  ur- 
sprünglich erkannte  Zwölf theilung  des  Weltlaufs  hat  die 
entschiedenste  Analogie  in   der  Zeitrechnung  des  Josephos, 


268  DIE  APOKALYPSE  DES  ESRA 

der  die  gauze  Zeit  von  Erschafihng  der  Welt  bis  auf  Jeru- 
salems Zerstörung  durch  Titus,  also  in  politischer  Beziehung 
den  al&v  ovtog  der  Juden  ^  auf  4800  Jahre  berechnet ,  d.  h. 
zwölf  Perioden  von  je  400  Jahren.  Je  nachdem  man  in  der 
Esra  -  Apokalypse  365  oder  360  Jahre  als  Einheit  nimmt, 
ergiebt  sich  als  Dauer  des  ganzen  Weltlaufs  die  Summe 
von  4380  oder  von  4320  Jahren,  und  nach  Abzug  der  400 
63  Jahre  des  Messiasreiches  bleiben  3980  oder  3920  für  die 
Zeit  von  der  Schöpfung  bis  zur  Ankunft  des  Messias.  Sub- 
trahiren  wir  diese  von  d^n  sechs  möglichen  Schöpfungs- 
epochen, so  erhalten  wir  für  den  Messias  zwölf  mögliche 
Termine:  4  n.  Ch.  oder  57  v.  Ob.,  10  v.  Ch.  oder  70  v.  Gh., 
36  V.  Ch.  oder  96  v.  Gh.,  49  y.  Gh.  oder  109  v.  Gh.,  18  v.  Gh. 
oder  78  v.  Gh.,  31  v.  Gh.  oder  91  v.  Gh.  Unmittelbar  vor 
einem  dieser  Termine  muss  das  Buch  geschrieben  sein;  in 
welchem,  darüber  müssen  anderweitige  Indicien  entscheiden. 
Baur  und  Yolkmar  behaupten,  das  Buch  sei  nach  der 
Zerstörung  Jerusalems  yerfasst,  und  stützen  sich  dabei  auf 
die  Erwähnung  der  Verwüstung  Zions  3,  2  (1,  2),  der  Ver- 
brennung Zions  12,  44  (12,  51),  der  Verödung  Zions  und 
Erniedrigung  des  Heiligthums  12,  48  (12,  55),  vor  Allem 
auf  die  Stelle  10,  21  —  23  (10,  28  —  36):  „Denn  du  siehst, 
dass  unser  Heiligthum  verwüstet,  unser  Altar  niedergerissen, 
unser  Tempel  zerstört,  unser  Psalter  vemichtet,  unser  Lob- 
gesang verstummt,  unser  Jauchzen  dahin,  das  Licht  unserer 
Leuchte  ausgelöscht,  die  Lade  des  Gesetzes  geplündert,  unser 
Heiliges  besudelt  und  der  Name  Gottes,  der  wider  uns  an- 
gerufen worden  ist,  schier  entweiht  ist,  dass  unsere  Freien 
Schmach  ausgestanden  haben,  unsere  Priester  verbrannt  wor- 
den, unsere  Leviten  in  die  Gefangenschaft  gewandert,  unsere 
Jungfrauen  entehrt  (gemordet,  Aeth.),  unsere  Frauen  ge- 
schändet, unsere  Gerechten  geraubt,  unsere  Kinder  von  uns 
weggerissen,  unsere  JQnglinge  zu  Sklaven  gemacht,  unsere 
Starken  schwach  geworden  sind;  und,  was  mehr  als  dieses 
Alles  ist,  dass  das  Panier  Zions  seines  Ruhmes  entkleidet 
worden  ist:  jetzt  ist  Zion  in  die  Hand  derer  gegeben,  die 
uns  hassen!''     War  einmal   der  Schauplatz  in  die  Zeit  des 


UND  IHBE  SPAETEREN  BEARBEITUNGEN.  269 

Exils  zurückyerlegt,  so  konnte  eine  Erwähnung  der  Zer- 
störung Jerusalems  und  des  Tempels  durch  Nebukadnezar 
gar  nicht  vermieden  werden:  also  folgt  aus  diesen  Stellen^ 
die  durch  die  fingirte  Situation  bedingt  sind,  für  die  Ab- 64 
fassungszeit  des  Buches  gar  nichts,  wie  schon  Lücke  S.  203 
richtig  bemerkt  hat.  Im  Gegentheil  ist  es  auffällig,  wie 
wenig  gerade  von  der  Zerstörung  des  Tempels  die  Rede  ist, 
die  doch  den  Juden  ihrer  ganzen  religiösen  Anschauung 
nach  als  etwas  viel  Aergeres  erscheinen  musste  als  die  Zer- 
störung der  Stadt  oder  des  Staates.  So  fangt  das  Buch 
gleich  an  „anno  trigesimo  ruinae  civitatis*',  und  an  allen  den 
oben  angeführten  Stellen  tritt  der  Untergang  des  Tempels 
zurück;  wohl  am  auffälligsten  aber  ist  10,54  (10,68): 
„denn  nicht  konnte  Menschenwerk  auf  der  Stätte  bleiben, 
wo  die  Stadt  des  Höchsten  erscheinen  soU.'^  Unter  allen 
Umständen  hätte  es  hier  näher  gelegen,  zu  sagen:  „der 
Tempel  des  Höchsten^';  um  so  mehr  wird  man  zu  der  Fol- 
gerung genöthigt^  dass  der  Tempel  noch  nicht  zerstört  war, 
als  diese  und  ähnliche  Stellen  geschrieben  wurden.  Ja, 
gerade  an  jener  einzigen  längeren  Stelle,  wo  die  Zerstörung 
des  Tempels  wirklich  erwähnt  wird,  macht  der  Schlusssatz 
die  beliebte  Beziehung  auf  die  Zerstörung  durch  Titus 
geradezu  unmöglich ;  denn  nachdem  alle  Greuel  der  Ver- 
heerung ausgemalt  worden  sind,  heisst  es,  schlimmer  als 
alles  dies  sei  es,  dass  das  Panier  (oder  wie  man  sonst  signa- 
culum,  öfifiitov,  übersetzen  will)  von  Zion  seines  Ruhmes 
beraubt,  Zion  in  die  Hände  der  Feinde  gegeben  sei:  aber 
die  Fremdherrschaft  lastete  ja  schon  lange  yor  Titus  auf 
den  Juden;  welchen  Sinn  also  hätte  es  gehabt,  diese  als 
das  ärgste  aller  durch  die  Zerstörung  des  Tempels  herbei- 
geführten Uebel  auszugeben?  Eben  aus  dieser  Stelle  ist  es 
vielmehr  recht  ersichtlich,  dass  das,  was  des  Sehers  Gemüth 
im  Innersten  bewegt,  die  Fremdherrschaft  über  Judäa  ist, 
hinter  welcher  für  ihn  alle  Leiden  der  Vorzeit,  Zerstörung 
und  Exil,  völlig  zurücktreten.  .  Die  Herrschaft  der  Heiden 
über  das  Volk  Gottes  ist  der  Angelpunkt  des  ganzen  Buches, 
man  vergleiche  namentlich  3,27  —  28  (1,26-27),  4,23 


270  DIE  APOKALYPSE  DES  ESRA 

66(2,33),  5,28  —  29(3,36),  6,  57-58  (4,  64-65);  zu 
erklären,  wie  Gott  eine  solche  Anomalie  habe  zulassen 
können,  ist  der  eigentliche  Zweck  seines  Verfassers  (Näheres 
bei  Hilgenfeld  S.  232).  Nur  hierin  kann  die  nothwendig 
voraussetzende  Analogie  der  Zeitverhältnisse  des  Verfassers 
mit  denen  des  alten  Esra  besteben  (vgl.  Lücke  S.  190);  am 
deutlichsten  geht  dies  hervor  aus  der  absichtlichen  Hinauf- 
rückung  des  Esra  in  die  Zeit  der  chaldäischen  Eroberung: 
ohne  Zweifel  hatte  die  gegen  die  Juden  humane  Perserherr- 
schaft zu  wenig  Aehnlichkeit  mit  derjenigen  Fremdherrschaft, 
die  zu  des  Verfassers  Zeit  auf  den  Juden  lastete  und  welche 
keine  andere  sein  kann  als  die  romische.  Folglich  ist  die 
Apokalypse  des  Esra  nach  63  v.  Ch.  geschrieben,  es  fallen 
somit  von  den  zwölf  möglichen  Terminen  fünf  weg  und  es 
bleiben  nur  die  sieben  zwischen  57  v.  Ch.  und  4  n.  Ch.  zu- 
lässig. Die  ersten  Schläge,  welche  die  Römer  gegen  die 
Juden  führten,  entsprechen  zur  Genüge  der  fingirten  Situation: 
bei  der  Eroberung  Jerusalems  durch  Pompejus  (63  v.  Ch.) 
wurde  die  Stadt  erstürmt,  Pompejus  drang  mit  seinen 
Officieren  in  das  AUerheiligste,  viele  Patrioten  suchten  aus 
Verzweiflung  den  Tod,  indem  sie  sich  in  die  Tiefe  stürzten 
oder  mit  ihren  Häusern  verbrannten;  dann  ward  die  könig- 
liche Würde  abgeschafft,  Judäa  zinsbar  gemacht  und  aller 
früheren  Eroberungen  beraubt,  die  Mauern  Jerusalems  nieder- 
gerissen und  streng  verboten,  sie  wieder  aufzubauen  (Jos. 
A.  J.  XIV,  4,  4  5,  2).  Dann  plünderte  Crassus  im  Jabre  54 
mitten  im  Frieden  den  Tempel.  Endlich  im  Jahre  37  er- 
stürmte Sossius  die  Stadt  und  den  Tempel,  wobei  die  Tempel- 
hallen verbrannt  und  von  den  wüthenden  Soldaten  Alle,  die 
ihnen  in  den  Weg  kamen,  Kinder,  Greise,  Weiber,  erschlagen 
wurden  (Jos.  A.  J.  XIV,  16,  2).  Und,  was  schlimmer  als  dies 
Alles  war,  durch  den  Sieg  des  Sossius  wurde  den  Juden  ihr 
verhasster  Feind  Herodes  als  König  aufgezwungen,  der  den  Ro- 

66  mem  als  schmeichelnder  Knecht,  den  Griechen  als  freigebiger 
Freund,  den  Juden  als  habgieriger  Tyrann  gegenübertrat.  Ich 
dächte  doch,  hierin  wären  selbst  im  Einzelnen  hinreichende 
Analogien  zu  den  Schilderungen  des  Pseudo-Esra  geboten. 


UND  IHRE  SPAETEREN  BEARBEITUNGEN.  271 

Die  Stelle,  die  den  sichersten  Aufschluss  über  die  Ab- 
fassiingszeit  des  Buches  giebt,  steht  6,  7  —  10  (4,  14^ — 17): 
„Und  ich  sprach:  welches  ist  die  Signatur  für  die  Trennung 
der  Weltalter?  oder  wann  ist  das  Ende  des  ersten  und  der 
Anfang  des  folgenden  Weltalters?  Und  er  sprach  zu  mir: 
Von  Abraham  an  bis  Isaak,  da  von  ihm  geboren  wurden 
Jacob  und  Esau,  von  Anfang  an  hielt  die  Hand  Jacobs  die 
Ferse  Esaus;  denn  das  Ende  dieses  Weltlaufs  ist  Esau  und 
der  Anfang  des  folgenden  Jacob.  Nämlich  das  Letzte  am 
Menschen  ist  die  Ferse  und  das  Erste  am  Menschen  die 
Hand^);  zwischen  der  Ferse  und  der  Hand  suche  nichts 
Anderes  y  Esra!''  Der  Scharfsinn  Hilgenfelds  (S.  195)  hat 
gesehen,  dass  hier  auf  die  Herrschaft  der  Idumäer,  d.  h.  des 
Herodes  und  seines  Hauses,  angespielt  wird,  mit  der  dieses 
Weltalter  abschliessen  und  der  Jacob,  d.  h.  das  Messias- 
reich, auf  dem  Fusse  folgen  solle.  Also  sind  die  tribtis  im- 
piae,  denen  nach  4,  23  (2,  33)  das  Volk  Oottes  überantwortet 
worden  ist,  die  Römer  und  Idumäer.  Arabische  Schrift- 
steller, die  aber  hierin  augenscheinlich  rabbinischen  Tra- 
ditionen gefolgt  sind,  kennen  eine  yon  Melchisedek  der 
Rebecca  ertheilte  Verkündigung,  dass  Esau  sich  dem  Jacob 
unterwerfen  werde,  und  machen  den  Esau  zum  Stammvater 
der  Romer  oder,  wie  sie  sich  ausdrücken,  der  Franken  (Zeit- 
schrift der  deutschen  morgenländisehen  Gesellschaft  H  S.  238).  67 
Die  seltsame  Genealogie  der  Römer  kann  nur  darin  ihren 
Grund  haben,  dass  idumäische  und  römische  Herrschaft  für 
die  Juden  Eins  waren,  und  ist  höchstwahrscheinlich  nur  eine 
Ausdeutung  unserer,  wie  man  aus  der  Angabe  des  Arabers 
sieht,  viel  verbreiteten  Prophezeiung:  als  das  Idumäerreich 
untergegangen  und  der  Messias  doch  nicht  gekommen  war, 
deutete  man  Esau  auf  Rom   und   suchte   so   die  Authentie 


1)  Der  äthiopische  Text  ist  unsinnig,  nar  der  Araber  hat  die 
Stelle  richtig  verstanden.  Der  Ifickenhafte  lateinische  Text  dürfte 
etwa  80  herzustellen  sein:  (Hominis  enim  extremitas  ccUcaneus,  et 
9uminit€is)  hominis  manus,  Inter  ccUcaneum  et  manum  dlitid  fioli 
quaererej  Esdra,  Die  Yerbesserang  der  Interpunktion  scheint  uner- 
lässlicb. 


272  DIE  APOKALYPSE  DES  ESEA 

der  Prophezeiung  zu  retten.  Beim  Esra  wird  man  diese 
Deutelei  später  Zeit  nicht  voraussetzen  dürfen^  sondern  muss 
Esau  buchstäblich  auf  die  Idumäerherrschaft  über  Judäa 
beziehen.  Diese  begann  37  v.  Ch.  und  endigte  im  Wesent- 
lichen mit  der  Verwandlung  Judäas  in  eine  romische  Provinz 
6  n.  Ch.;  da  aber  von  jüdischem  Lande  wenigstens  Galiläa 
und  Peräa  unter  der  Herrschaft  des  Herodes  Antipas  blieben 
und  dann  der  ältere  Agrippa  sogar  das  ganze  ßeich  des 
ersten  Herodes  auf  kurze  Zeit  wieder  unter  sich  vereinigte^ 
so  kann  man  als  letzten  Termin  der  Idumäerherrschaft  den 
Tod  des  Agrippa  44  n.  Ch.  ansehen.  Die  Herrschaft  des 
jüngeren  Agrippa  über  verschiedene,  an  Judäa  grenzende 
Gebiete  berührte  die  Juden  gar  nicht;  dass  er  Tiberias, 
Taricheä  und  Julias  geschenkt  bekam,  konnte  vernünftiger- 
weise ebensowenig  als  eine  Herrschaft  Esaus  vor  der  zu  er- 
wartenden  Jacobs  aufgefasst  werden,  wie  das  terroristische 
Auftreten  einiger  idumäischen  Zeloten  während  der  Belagerung 
von  Jerusalem.  In  den  Zeitraum  von  37  v.  Ch.  —  44  n.  Ch., 
auf  welchen  wir  hiernach  beschränkt  sind,  fallen  von  den 
sieben  noch  möglichen  Terminen  fünf:  36  v.  Ch.  oder  31 
oder  18  oder  10  v.  Ch.  oder  4  n.  Ch.,  also  alle  innerhalb 
der  Regierung  des  Herodes  und  Archelaos. 

Die  Zeichen,  welche  dem  Erscheinen  des  Messias  vor- 
angehen sollen,  werden  an  mehreren  Stellen  beschrieben^ 
am  ausführlichsten  5,  1  —  12  (3,  1  —  19)  und  6,  18  —  28 
(4,  21 — 32);  es  sind  theils  natürliche,  theils  übernatürliche, 
68  namentlich  an  der  zweiten  Stelle.  Wir  würden  nicht  wissen, 
was  von  diesen  Zeichen  historisch  ist,  käme  uns  nicht 
9,  1 — 4  (9,  1— -5)  zu  Hülfe,  wo  es  heisst:  „Rechne  dir  die 
Zeit  im  Gedanken  aus:  und  wenn  du  gesehen  haben  wirst, 
dass  ein  Theil  der  Zeichen,  die  dir  vorausgesagt  sind,  vor- 
über ist,  so  wisse,  dass  dies  eben  die  Zeit  ist,  in  der  der 
Höchste  die  Welt,  die  von  ihm  geschaffen  ist,  besuchen 
wird!  Und  wenn  in  der  Welt  gesehen  werden  wird  eine 
Bewegung  der  Länder,  Anschläge  der  Nationen^  Befleckung 
des  Volkes  (mit  Blut),  Uneinigkeit  der  Fürsten,  Bathlosig- 
keit  der  Landpfleger,  dann  wisse,  dass  von  diesen   Dingen 


UND  IHRE  SPAETEBEN  BEARBEITUNGEN.      273 

der  Höchste  geredet  hat  vom  Anfange  an  in  den  Zeiten  vor 
dir!''*)  Der  Seher  fallt  hier,  wie  man  sieht,  aus  der  Bolle; 
denn  für  Esra,  der  lange  vor  dem  Anfange  der  letzten  Zeiten 
von  der  Erde  scheidet,  hat  es  keinen  Werth,  zu  wissen,  dass, 
wenn  ein  Theil  der  verkündeten  Zeichen  vorbei  ist,  das  Ende 
nahe  sei,  wohl  aber  für  die  Zeitgenossen  unseres  Sehers,  auf 
die  der  Wink  berechnet  ist.  Die  hier  erwähnten  Zeichen  der 
Zeit  gehören  also  sicher  der  Vergangenheit  an,  und  wir 
dürfen  damit  die  Parallelen  verbinden,  die  sich  dazu  an  den 
beiden  ersten  Stellen  finden.  Nämlich  an  der  ersten:  „und 
wenn  der  Herr  dir  das  Leben  schenkt,  wirst  du  nach  der 
dritten  Posanne  sehen,  wie  die  Erde  erschüttert  wird''  .  .  . 
„die  Volker  werden  in  Bewegung  gerathen"  .  .  .  „und  die  69 
Freunde  werden  sich  alle  wechselseitig  bekämpfen."  Und 
an  der  zweiten  Stelle,  wo  die  Offenbarung  durch  ein  Erd- 
beben begleitet  wird,  heisst  es:  „und  es  wird  zu  jener  Zeit 
geschehen,  dass  Freunde  ihre  Freunde  wie  Feinde  mit  Krieg 
überziehen;  und  die  Erde  wird  mit  denen,  die  auf  ihr  wohnen, 
erzittern.'^  Die  Vergleichung  dieser  Angaben  lehrt,  dass  mit 
der  moiio  locorum  (toncav  xivriöig)  9,  3  (9,  2)  ein  Erdbeben 
gemeint  ist.  Der  grosse  Völkerkrieg  wird  noch  an  einer 
vierten  Stelle  berührt  13,  29—32  (13,  36—37).  Hier  heisst 
es:  „Siehe,  die  Tage  kommen,  wo  der  Herr  die,  welche  auf 
der  Erde  wohnen,  anfangen  wird  zu  erretten.  Und  er  wird 
die  Erdenbewohner  mit  Sinnesverblendung  heimsuchen:  und 
die  Einen  werden  die  Anderen  zu  überwältigen  trachten,  eine 
Stadt  die  andere  Stadt,  ein  Land  das  andere  Land,  und  Volk 
wird  sein  gegen  Volk,  und  Reich  gegen  Reich.    Und  wenn 


1)  Der  Aethiope  hat  et  poUutus  erit  poptüus^  der  Araber  et  sedi- 
tiones  gentium^  der  Lateineir  läset  das  Sätzchen  ans;  ich  vermuthe  xal 
Xttov  iLtdcfucxay  worunter  gemeint  sein  kann,  dass  das  Volk  (d.  h.  im 
Gegensatze  zu  den  vorher  genannten  id-vri,  das  Volk  Gottes)  sich  durch 
Blutvergiessen  befleckt  hat  oder  von  Anderen  mit  Blut  befleckt  worden 
ist.  Das  folgende  ducum  inconatantiae  ist  sichtlich  crr^anjycov  aavatcc- 
c£ai,  üeber  die  allgemeine  Bedeutung  des  letzten  Satztheiles  lassen 
uns  die  Uebersetzungen  nicht  im  Zweifel;  die  arabische  Paraphrase 
rectarumque  variis  in  locis  nemine  existente  qui  ülos  dirigat  ermöglicht 
uns  die  Rückübersetzung  in   ein  griechisches  xal  tonuQxmv  aßovUoci, 

y.  OuTBCHKiD,  Kleine  Sohriften.    II.  *  18 


274  DIE  APOKALYPSE  DES  ESRA 

dies  geschieht  und  die  Zeichen  eintreffen,  welche  ich  dir 
gezeigt  habe,  dann  ist  es,  wo  mein  Sohn  sich  offenbaren 
wirdl'^  Es  wird  dann  weiter  verkündet,  sobald  diese  Volker 
vom  Erscheinen  des  Messias  horten,  würden  sie  sich  ver- 
einigen und  mit  ihrer  gesammten  Macht  den  Messias  an- 
greifen, der  aber  werde  sie  vernichten  und  Zion  wiederher- 
stellen. Hieraus  geht  mit  Sicherheit  hervor,  dass  der  Seher 
schrieb,  ehe  dieser  allgemeine  Krieg  entschieden  war;  denn 
noch  im  Laufe  desselben  erwartet  er  das  Erscheinen  des 
Messias.  Uebersehen  wir  nun  die  ganze  Periode  von  37 
V.  Gh.  bis  6  n,  Ch.  oder  auch,  wenn  man  will,  bis  44  n.  Ch., 
so  finden  wir  nach  der  Eroberung  Alexandriens  durch  Octa- 
vianus  absolut  Nichts,  was  im  Entferntesten  auf  diese  Schil- 
derungen passte;  vielmehr  werden  wir  mit  Noth wendigkeit 
auf  die  Zeit  vor  dem  Jahre  30  v.  Ch.  geführt  und  können 
nicht  umhin,  in  dem  grossen  Kriege,  den  Freunde  mit 
Freunden  führen,  den  Bürgerkrieg  zwischen  Antonius  und 
70  0ctavianus  (32 — 30  v.  Ch.)  wiederzuerkennen:  wenn  irgend 
einer,  war  dieser  ein  allgemeiner  Völkerkrieg,  weil  zu  ihm 
von  beiden  Seiten  die  sämmtlichen  Contingente  der  unter- 
worfenen Völker  und  Konige  aufgeboten  wurden.  Erst  unter 
diesem  Gesichtspunkte  erhält  die  Stelle  9,  Iff.  ihre  rechte 
Bedeutung  als  ein  Blick  des  Sehers  auf  die  Ereignisse  der 
jüngsten  Vergangenheit.  Die  Anschläge  der  Nationen 
weisen  hin  auf  den  Einfall  der  Parther  und  ihren  Versuch, 
sich  in  Palästina  festzusetzen  (40  v.  Ch.),  die  Befleckung 
des  ,,Volkes''  auf  den  verheerenden  Krieg  zwischen  den 
Anhängern  des  Antigonos  und  des  Herodes,  auf  die  Er- 
stürmung Jerusalems  durch  Sossius^  auf  das  Blut^ericht,  das 
Herodes  nach  dem  Siege  über  die  Patrioten  hielt  (37  v.  Ch.), 
auf  die  Ermordung  des  Knaben  Aristobulos,  der  der  Hohe- 
priester Gottes  war  (36  v.  Ch.),  die  Uneinigkeit  der  Für- 
sten auf  den  Ausbruch  der  Feindseligkeiten  zwischen  An- 
tonius und  Octavianus,  die  Rathlosigkeit  der  Toparchen 
auf  das  Entsetzen,  in  welches  Herodes  durch  die  Nachricht 
von  der  Schlacht  bei  Aktion  gerieth :  er  selbst  und  alle  seine 
Freunde  und  Feinde  —  erzählt  Jos.  A.  J.  XV,  6,  1  —  gaben 


UND  IHRE  SPAETEREN  BEARBEITUNGEN.  275 

ihn  verloren,  und,  um  keinen  Pitltendenten  hinter  sich  zu 
lassen,  Hess  er  vor  seiner  Abreise  zum  Octavianus  den 
greisen  Hyrkanos  unter  einem  nichtigen  Yorwande  hinrichten 
und  gab  seinen  Vertrauten  den  geheimen  Befehl,  sobald  sie 
die  Nachricht  erhielten,  dass  ihm  etwas  zugestossen  sei,  sein 
Weib,  di6  Makkabäerin  Mariamme,  und  deren  Mutter  Ale- 
xandra zu  todten.  Bekanntlich  entging  Herodes  glücklich 
aller  Gefahr ;  die  Apokalypse  des  Esra  muss  verfasst  sein 
vor  seiner  Rückkehr  und  ehe  Octavianus  in  Aegypten  dem 
Kriege  ein  Ende  machte,  im  Spätherbst  31:  die  Zwischen- 
zeit schwüler  Erwartung  nach  der  Abreise  des  Herodes 
eignet  sich  am  besten  zu  dem  ganzen  Tone  des  Buches,  sie 
war  ganz  darnach  angethan,  mitten  unter  dem  ärgsten  Druck 
die  Messiashoffnungen,  welche  Esra  als  der  Erfüllung  ganz  71 
nahe  ansieht,  neu  zu  beleben.  Sollte  ja  noch  ein  Zweifel 
obwalten,  so  wird  dieser  durch  die  Anspielung  auf  ein  Erd- 
beben beseitigt:  im  Jahre  der  Schlacht  bei  Aktion  erfolgte 
zu  Anfang  des  Frühjahres  in  Judäa  ein  Erdbeben  von  solcher 
Heftigkeit  wie  nie  eins  zuvor;  30000  Menseben  wurden  da- 
durch verschüttet,  das  umgekommene  Vieh  war  zahllos  (Jos. 
B.  J.  I,  19,  3.  A.  J.  XV,  5,  2).  Da  auch  noch  von  den 
fünf  möglichen  Terminen  für  den  Messias,  die  in  die  Hero- 
dianische Zeit  fallen,  der  eine  gerade  auf  das  Jahr  31  v.  Oh. 
trifft,  so  kann  dieses  Datum  als  völlig  gesichert  gelten.  Also 
sind  die  3000  Jahre  von  der  Schöpfung  bis  zum  Tempelbau 
Abrundung  von  3013,  und  vom  Tempelbau  bis  zur  Tempel- 
zerstorung  sind  nach  den  Jahren  der  Könige  von  Israel  411 
Jahre  gerechnet;  jedes  der  12  Weltalter  misst  365  Jahre, 
die  Schöpfung  fällt  nach  Esra  in  das  Jahr  4011,  der  Tempel- 
bau 998,  die  Tempelzerstörung  587,  die  Mitte  des  zehnten 
Weltalters  in  das  Jahr  543  (also  nur  15  Jahre  später  als 
558,  das  Datum  des  Esra- Sealthiel),  der  Messias  31  v.  Ch. 
Somit  wäre  denn  das  Resultat  Hilgenfelds,  der  die  Abfassung 
in  die  Zeit  des  dritten  Bürgerkrieges  versetzt  hat  (S.  222. 
236),  auf  etwas  verschiedenem  Wege  glänzend  bestätigt. 

Nachdem   so  aus  den  sicheren  chronologischen  Judicien 
des  Buches  ein  Schluss  gezogen  worden  ist,  wird  es  gestattet 

18* 


276  DIE  APOKALYPSE  DES  ESRA 

sein,  eine  Angabe  in  Betracht  zu  ziehen,  die  bisher  von  uns 
absichtlich  bei  Seite  gelassen  worden  ist,  weil  sie  auf  die 
wirkliche  Abfassungszeit  des  Esrabnches  zwar  anspielen  kann, 
aber  nicht  anspielen  muss.^)  Ich  meine  die  Worte  3,  1  (1,  1): 
„im  30.  Jahre  des  Unterganges  unserer  Stadt  war  ich  in 
72  Babylon,  ich  Sealthiel,  auch  Esra  genannt^  und  lag  beun- 
rahigt  auf  meinem  Lager'',  und  die  ähnlichen  3,29  —  30 
(1,  28  —  29):  „Und  es  geschah,  als  ich  hierher  gekommen 
war,  sah  ich  Ruchlosigkeiten  ohne  Zahl,  und  viele  Gottlose 
sah  meine  Seele  diese  30  Jahre;  und  das  Herz  lief  mir  über, 
als  ich  sah,  wie  du  jene  Sünder  erhalten  und  die  ruchlos 
Handelnden  verschont  hast!''  Das  Jahr  31  v.  Ch.  ist  das 
33.  der  Römerherrschaft  über  Judäa;  es  ist  also  allerdings 
sehr  wahrscheinlich^  dass  die  30  Jahre  des  Unterganges  von 
Jerusalem,  die  der  arabische  Uebersetzer  ganz  im  Geiste  des 
Apokalyptikers  als  die  Jahre  der  Gefangenschaft  bezeichnet, 
in  runder  Summe ^)  die  Zahl  der  Jahre  angeben,  die  seit 
der  Einnahme  Jerusalems  durch  Pompejus  bis  auf  die  Zeit 
des  Apokalyptikers  verflossen  waren.  Die  Vernichtung  der 
jüdischen  Selbstständigkeit,  die  Niederreissung  der  Mauern, 
die  Profanirung  des  Allerheiligsten  bot  die  allergenügendste 
Parallele  mit  der  chaldäischen  Eroberung.  Somit  bestätigt 
sich  die  von  uns  gewonnene  Zeitbestimmung  auch  noch  auf 
einem  vierten  Wege.  Enthält  das  Datum  eine  Anspielung 
auf  die  Situation  des  wahren  Verfassers,  so  erwartet  man 
aus  Gründen  schriftstellerischer  Symmetrie  dasselbe  für  den 
Ort,  wo  das  Buch  abgefasst  sein  will.  Babylon  bezeichnet 
symbolisch  den  Sitz  der  auf  Israel  lastenden  Fremdherr- 
schaft, daher  in  christlicher  Zeit  ohne  Weiteres  Rom.  Es 
fehlt  aber  jede  Spur,  dass  die  Esra  -  Apokalypse  in  Rom 
geschrieben  sein  sollte;  aus  diesem  Grunde  und  schon  an 
sich  vermag  ich  jenen  Sprachgebrauch  Späterer  unserem 
Apokalyptiker  nicht  zu   vindiciren,    sondern   nur  den  Keim 

1)  In  diesem  Sinne  hat  bereits  Lücke  über  die  Stelle  verständig 
geurtheilt  (S.  195). 

2)  Der  Apokalyptiker  rundet  überhaupt  ab,  wie  wir  an  seinen 
3000  Jahren  bis  Salomo  statt  8013  gesehen  haben. 


UND  IHRE  SPAETEREN  BEARBEITUNGEN.  277 

zu  demselben.  Nun  aber  war  im  Jahre  31  v.  Ch.  der  Sitz 
derjenigen  Fremdherrschaft,  die  auf  Judäa  lastete,  also  das 
derzeitige  Babylon,  nicht  Rom,  sondern  Alexandrien,  die 
Residenz  von  Antonius  und  Eleopatra;  das  ruchlose  Treiben, 
das  der  Apokalyptiker  mit  eigenen  Augen  gesehen  hat,  wäre  73 
also  das  an  ihrem  sittenlosen  Hofe.  Ist  das  Buch  in  Ale- 
xandrien  verfasst,  so  dürfte  sich  der  früher  berührte  Wider- 
spruch am  einfachsten  lösen,  dass  nämlich  Sprache  und  Ort 
der  Verbreitung  auf  Aegypten  führen,  während  alle  An- 
spielungen auf  Tradition  und  Zeitgeschichte  uns  vielmehr 
in  dem  Verfasser  einen  Palästinenser  erkennen  lassen.  Der 
Verfasser  war,  so  stelle  ich  mir  die  Sache  vor,  ein  geborener 
Palästinenser,  der  den  Traditionen  seiner  Heimath  (z.  B.  dem 
Rechnen  nach  dem  hebräischen  Codex)  treu  bleibt  und  die 
Schicksale  des  Vaterlandes  mit  regem  Antheile  verfolgt,  sich 
aber  in  Alexandrien,  vielleicht  als  Verbannter,  aufhielt  und 
die  Apokalypse,  die  er  dem  alten  Schriftgelehrten  Esra  in 
den  Mund  gelegt,  unter  seinen  eigentlichen  Landsleuten  nicht 
verbreiten  konnte  oder  nicht  wollte,  es  vielmehr  vorzog,  sich 
damit  an  die  Gesammtheit  der  jüdischen  Gemeinden  zu  wen- 
den und  deshalb  die  griechische  ViTeltsprache  wählte. 

Es  bleibt  uns  nur  noch  übrig,  zu  zeigen,  dass  mit  der 
Abfassungszeit  im  Jahre  31  v.  Gh.  nicht  nur  Andeutungen 
allgemeinerer  Natur,  die  das  Buch  enthält,  sich  vertragen, 
sondern  auch  Dinge,  die  sonst  für  uns  beziehungslos  wären, 
erst  unter  jener  Voraussetzung  Licht  erhalten.  Zu  Ersterem 
gehört  namentlich  die  schon  berührte  gedrückte  und  doch 
kraft  der  Messiashofinung  nicht  verzweifelnde  Stimmung, 
unter  deren  Eindrucke  das  Buch  verfasst  ist.  Die  Resignation, 
die  in  den  Worten  gipfelt  „Menschenwerk  muss  von  der  Stätte 
verschwinden,  auf  der  die  Stadt  des  Höchsten  erscheinen 
soll'',  hat  ihr  ebenbürtiges  Analogon  in  der  Selbstüberwindung, 
mit  der  bei  Herodes'  Tode  die  Besten  des  Volkes,  die  ünver- 
meidlichkeit  der  Fremdherrschaft  einsehend,  selbst  den  ersten 
Schritt  thaten,  um  die  bisher  bewahrte  scheinbare  Selbst- 
ständigkeit, die  den  Juden  schmeicheln  musste,  mit  der  un- 
mittelbaren Herrschaft  der  Römer  zu  vertauschen:  ein  Schritt,  74 


278  DIB  APOKALYPSE  DES  ESRA 

den  Ewaldy  Geschichte  des  Volkes  Israel  IV  S.  516  (2.  Aus- 
gabe) so  richtig  gewürdigt  hat. 

Femer  gehören  hierher  die  interessanten  Vorstellungen, 
die  wir  aus  13,  39 — 47  (13,  42 — 50)  kennen  lernen.  „Und 
was  —  heisst  es  dort  —  die  friedliche  Menge  betrifft,  die 
du  den  Messias  hast  um  sich  yersammeln  sehen,  das  sind 
die  972  Stämme^),  die  gefangen  weggefahrt  wurden  aus 
ihrem  Lande  in  den  Tagen  des  Königs  Osee,  den  Salama- 
nasar^),  der  König  von  Assyrien,  in  die  Gefangenschaft 
führte.  Und  er  führte  sie  über  den  FIuss  und  versetzte 
sie  in  ein  fremdes  Land.  Sie  aber  fassten  den  Entschluss, 
sich  von  der  Masse  der  Heiden  zu  trennen  und  in  ein  ent- 
ferntes Land  zu  ziehen,  wo  nie  ein  Menschenkind  gewohnt 
hatte,  um  daselbst  ihr  Gesetz  zu  beobachten,  das  sie  nicht 
beobachtet  hatten  in  ihrer  Heimath.  Und  sie  zogen  ein 
durch  eine  schmale  Strasse  des  Euphrat;  denn  der  Höchste 
that  damals  an  ihnen  ein  Zeichen  und  hemmte  die  Wasser- 
adern, bis  dass  sie  durchgezogen  waren.  Durch  jenes  Land 
aber  war  es  ein  weiter  Weg,  eip  und  ein  halbes  Jahr  zu 
reisen:  und  das  Land  heisst  Arsareth  (so  Lat;  Azaph  Aeth.; 
Acsaräri  Kararäwin  Arab.).  Da  nun  wohnten  sie  bis  auf 
die  jüngsten  Zeiten;  und  jetzt^),  wo  sie  aufgebrochen  sind, 
um  zurückzukehren,  wird  der  Höchste  die  Wasseradern  aber- 
75mals  hemmen,  auf  dass  sie  durchziehen  können.  Darum 
hast   du   gesehen   die   Menge,    welche    friedlich   versammelt 


1)  Diese  Lesart  des  Arabers  ist  schwieriger  und  darum  gewiss 
richtiger  als  die  nenn  der  äthiopischen  und  die  zehn  der  lateinischen 
Uebersetzung;  auch  der  erste  Brief  Baruch  Cap.  1  zählt  9y,  Stämme. 
Von  den  zwölf  Stämmen  sind  nämlich  Juda,  Simeon  und  die  Hälfte 
Ton  Benjamin  als  zum  Reiche  Juda  gehörig  abgezojfen;  vgl.  Ewald, 
Geschichte  des  Volkes  Israel  m  S.  410. 

2)  So  liest  der  Lateiner,  der  Aethiope  dagegen  Samnasor,  der 
Araber  A^mouna  rex  Syriae,  das  iat  wohl  Asmouna-Sor.  Beide  scheinen 
eine  Nebenform  Zafiavaamif  vorgefunden  zu  haben,  die  zwischen  Sal- 
roanasar  und  der  Form  'EvsfiaaaaQ  im  Buche  Tobit  in  der  Mitte  steht 

3)  Hat  der  Lateiner  richtig  übersetzt,  so  folgt  daraus,  daes  der 
Seher  die  Ankunft  des  Messias  noch  vor  anderthalb  Jahren  erwartet. 
Doch  hat  der  Aethiope  postea  statt  nunc. 


UND  IHRE  SPAETBREN  BEARBEITUNGEN.  279 

war.''  Das  Auseinandergehen  der  Texte  in  Bezug  auf  das 
fabelhafte  Land  weit  im  Osten  jenseit  des  Euphrat  hat 
gewiss  nicht  in  Schreibfehlern,  sondern  in  abweichenden 
Deutungen  seinen  Grund.  Am  augenscheinlichsten  ist  dies 
bei  der  arabischen  Lesart  der  Fall,  die  sich  durch  zwei  ganz 
leichte  Verbesserungen,  nämlich  Ausmerzung  eines  j  im  ersten 
und  Verwandlung  von  ^  in  J  im  zweiten  Worte,  auf  ein  ganz 
Tcrstandliches  Aqsaräi  Kozaräwin  zurückführen  lässt.  Aq 
Sarai  heisst  im  Türkischen  „das  weisse  Schloss'',  ist  also 
ein  Synonymon  für  die  unter  Kaiser  Tbeophilos  (829 — 842) 
erbaute  Stadt  der  Chazaren  (arab.  Eozar)  Namens  Sarkel 
am  Don,  deren  Name  nach  Const.  Porph.  de  adm.  imp.  42 
p.  177  (ed.  Bonn.)  aöXQov  ofSTcCtiov^  das  ist  eben  „weisses 
Schloss'',  bedeutet;  die  Araber  werden  den  Namen  von  tür- 
kischen Nachbarstämmen  gehört  haben.  Der  Khan  Bulan 
war  ums  Jahr  740  n.  Ch.  zum  Judenthum  bekehrt  worden, 
und  seine  Nachkommen  blieben  Juden  bis  auf  den  Sturz  des 
Reiches  im  zehnten  Jahrhundert;  offenbar  ist  dies  der  Grund 
gewesen,  dass  man  das  grosse  Land,  welches  an  den  Erd- 
enden von  den  Zehnstämmern  bewohnt  werde,  auf  das  Cha- 
zarenreich  bezog.  Was  das  Azaph  der  äthiopischen  lieber- 
Setzung  sein  soll,  verstehe  ich  nicht;  wüsste  ich,  dass  Asow 
oder,  wie  man  sonst  schrieb,  Azof  schon  vor  der  Polowzer- 
herrschaft  vorkäme  oder  dass  man  die  äthiopische  lieber- 
Setzung  bis  ins  elffce  Jahrhundert  hinabrücken  dürfte,  so 
würde  ich  nicht  anstehen,  beide  Namen  zu  identificiren  und 
den  Aethiopen  derselben  Tradition  wie  den  Araber  folgen 
zu  lassen:  Sarkel  scheint  nicht  viel  weiter  oberhalb  am  Don 
gelegen  zu  haben  wie  das  spätere  Asow.  Für  die  ursprüng- 
liche Bedeutung  des  Namens  Arsareth  haben  diese  Meinungen 
natürlich  keine  Beweiskraft;.  Dass  der  Apokalyptiker  von  der 
Lage  des  Landes  keine  genauen  Vorstellungen  hatte,  liegt 
klar  zu  Tage;  damit  ist  aber  nicht  bewiesen,  dass  es  nicht  76 
ein  wirkliches  Land  gewesen  sein  könne,  und  es  verdient 
Beachtung,  dass  nicht  die  Reise  bis  zu  jenem  Lande,  son- 
dern die  Reise  durch  jenes  Land  anderthalb  Jahre  betragen 
soll:  also  war  es  die  Ausdehnung  ins  Lmere,  die  fabelhaften 


280  DIE  APOKALYPSE  DES  ESRA 

Ueberireibungen  unterlag.  Da  nan  der  Name  Arsareth  sich 
in  einem  notorisch  alten  Wohnsitze  der  Juden  wirklich  nach- 
weisen lasst,  so  halte  ich  ihn  für  historisch.  Der  älteste 
Sitz  der  Juden  in  Grossarmenien  war  die  Gegend  um  Ar- 
mawir  und  Yardges  (dem  späteren  Yalarschapat)  im  Osten 
des  Landes;  nach  Moses  von  Chorene  sollen  sie  schon  unter 
dem  armenischen  Könige  Hraöeah,  einem  Zeitgenossen  Nebu- 
kadnezars,  hier  eingewandert  sein.  Ein  zweiter  Mittelpunkt 
der  Juden  war  der  Südosten  Grossarmeniens,  die  Landschaft 
Tosp  und  die  Stadt  Van  am  Ostufer  des  gleichnamigen  Sees; 
Moses  lässt  die  Juden  nach  der  Einnahme  Palästinas  durch 
Barzaphranes  40  t.  Gh.  von  den  Parthern  hierher  Tersetzt 
werden.  In  dem  zuerst  genannten  Gebiete  kennen  wir  nun 
in  der  That  aus  Ptolemäos  V,  13,  11  eine  Stadt  !//p<rapara, 
an  der  Grenze  der  Kadusier  gelegen:  war  dieses  Arsareth 
die  Hauptstadt  der  dortigen  Juden  und  zugleich  der  am 
weitesten  nach  Osten  gelegene  von  Juden  bewohnte  Or^  yon 
dem  man  Kunde  hatte,  so  begreift  es  sich,  wie  derartige 
Sagen,  wie  sie  die  Apokalypse  des  Esra  enthält,  aufkommen 
konnten.  Wie  verbreitet  unter  den  späteren  Juden  der 
Glaube  war,  die  Zehnstämme  seien  in  einem  fernen  Lande 
im  Osten  mächtig  und  glücklich  und  würden  dereinst  wieder- 
kommen und  sich  mit  ihren  Stammgenossen  vereinigen,  ist 
bekannt;  bekannt  auch,  wie  dieser  Glaube  durch  die  Be- 
kehrung des  adiabenischen  Konigsgeschlechtes  zum  Juden- 
thum  neue  Nahrung  erhielt  und  wie  die  Juden  in  ihrem 
Aufstande  gegen  Gessius  Florus  bestimmt  auf  Hülfe  von 
ihren  Brüdern  jenseit  des  Euphrat  rechneten.  Aus  diesem 
77  Grunde  hat  man  das  Esrabuch  in  die  Zeit  der  Zerstörung 
Jerusalems  versetzen  wollen.  Allein  das  Datum  31  t.  Gh. 
passt  mindestens  eben  so  gut:  waren  doch  neun  Jahre  vor- 
her die  Parther  wirklich  nach  Palästina  gekommen  und 
hatten  für  die  Anhänger  der  Makkabäer  gegen  die  römische 
Gewaltherrschaft  gestritten,  gewiss  nicht  ohne  lebhafte  Be- 
theiligung der  zahlreichen  im  parthischen  Reiche  wohnenden 
Juden:  eine  Wiederholung  lag  bei  den  Wirren  im  römischen 
Reiche  durchaus  nicht  ausser  dem  Bereiche  der  Möglichkeit; 


UND  IBRE  SPAETEBEN  BEARBEITUNGEN.  281 

sehr  natürlich  daher,  dass  die  Blicke  der  Patrioten  auf  den 
Osten  gerichtet  waren.  Wir  können  während  der  ganzen 
Regierung  des  ersten  Herodes  einen  lebhaften  Verkehr  zwi- 
schen den  palästinensischen  und  den  transeuphratensischen 
Juden  nachweisen.  Der  alte  Hohepriester  Hyrkanos  war 
während  seiner  Gefangenschaft  bei  den  Parthern  von  den 
dortigen  Juden  mit  den  höchsten  Ehren  empfangen  worden 
und  kehrte  im  Jahre  37  v.  Gh.  zurück,  in  dem  Wahne, 
vom  Herodes  noch  mehr  geehrt  zu  werden.  Der  erste  von 
Herodes  eingesetzte  Hohepriester  Ananel  war  ein  Babylonier. 
Um  das  Jahr  10  v.  Ch.  war  das  Gerede,  Herodes  habe  Ver- 
bindungen mit  dem  Partherkönige  Mithridates  ^)  angeknüpft 
in  römerfeindlicher  Absicht  (Jos.  A.  J.  XVI,  8,  4).  Endlich 
im  Jahre  7  v.  Ch.  kam  ein  babylonischer  Jude  Namens  Simri 
(ZäiiaQtg)  mit  5(X)  reitenden  Bogenschützen  und  100  Gefolgs- 
leuten nach  Antiochien  und  siedelte  sich,  von  Herodes  ein- 
geladen, mit  den  Seinen  zu  Bathyra  im  Lande  Basan  an, 
Ton  wo  aus  er  die  aus  Babylonien  nach  Jerusalem  reisen- 
den jüdischen  Pilgrime  gegen  die  Kaubanfalle  der  Beduinen 
schützte  (Jos.  A.  J.  XVll,  2,  IE). 

Wir  können  nunmehr  auch  bestimmter  scheiden,  welche 
unter  den  im  fünften  und  sechsten  Capitel  aufgeführten 
Zeichen  vor  dem  Nahen  des  Messias  mythisch,  welche  da- 78 
von  historisch  sind.  Mit  Sicherheit  darf  man  jetzt  wohl 
die  Worte  5,  6  (3,  10)  „und  regieren  wird  Einer,  den  die 
Menschen  nicht  erwarten'^  auf  Herodes  beziehen,  dessen  Er- 
nennung zum  Könige  der  Juden  Allen  überraschend  kam; 
er  selbst  hatte  ausgesprengt,  er  wolle  beim  Antonius  das 
Reich  für  seinen  Schwager  Aristobulos  erbitten  (Jos.  A.  J. 
XIV,  14,  5).  Hiigenfeld  S.  237  versteht  darunter  den  Octa- 
yianus;  aber  Herodes  lag  dem  Palästinenser  näher,  auch 
passen  die  Worte  besser  auf  ihn.  Auch  die  Stelle  5,  1 — 2 
(3,  2 — 3),  wo  geklagt  wird,  dass  der  Weg  der  Wahrheit  ver- 
borgen und  das  Land  unfruchtbar  an  Glauben  geworden  sei, 

1)  Da  der  alte  Phraates  lY.  damals  noch  lebte,  so  kann  nur  sein 
Sohn  und  Mitregent  gemeint  sein,  der  sonst  Phraatakes  (d.  i.  wohl 
„kleiner  Phraates")  genannt  wird.  [Vgl.  „Geschichte  Irans'*  S.  116.  F.  R.] 


282  DIE  APOKALYPSE  DES  ESRA 

die  Ungerechtigkeit  aber  unerhört  zugenommen  habe,  erhält 
ihre  Bedeutung  erst  als  eine  Rüge  der  Tyrannei  des  Herodes 
und  seiner  Griechenfreundlichkeit,  die  er  auf  Kosten  der  Re- 
ligion seines  Volkes  bei  jeder  Gelegenheit  bethätigte.  Am 
merkwürdigsten  wohl  ist  5,  8  (3,  11):  ,,Und  ein  Schlund 
wird  sich  aufthun  an  vielen  Orten,  und  Feuer  wird  häufig 
ausbrechen,  und  die  wilden  Thiere  werden  ihr  Lager  ver- 
lassen!'' Diese  drei  Zeichen  finden  wir  nämlich  unter  den 
Prodigien  wieder,  die  vor  der  Schlacht  bei  Aktion  gemeldet 
wurden:  Pisaura  am  adriatischen  Meere  ward  von  einem 
Erdschlunde,  der  sich  unter  der  Stadt  aufthat,  verschlungen 
(Plui  Anton.  60);  Feuer  brach  in  Rom  aus  und  verzehrte 
einen  Theil  des  Gircus,  das  Ceresheiligthum  und  den  Tempel 
der  Spes  (Cass.  Dio  L,  10);  ein  Wolf  kam  in  die  Stadt  ge- 
laufen und  ward  erlegt  (Oass.  Dio  a.  a.  0.).  Von  diesen 
Prodigien  konnte  man  in  Alexandrien,  wo  der  Apokaljptiker 
schrieb,  gar  wohl  Kunde  haben.  Andere  von  den  hier  ge- 
nannten Vorzeichen  sind  natürliche  Begleiter  eines  Erd- 
bebens, daher  wahrscheinlich  Symptome,  die  man  bei  dem 
des  Jahres  31  wirklich  zu  beobachten  Gelegenheit  hatte. 
Dahin  rechne  ich,  dass  angebaute  Striche  plötzlich  wüst- 
gelegt werden  5,  3  (3,  4),  6,  22  (4,  25),  ferner  das  Zusammen- 
79  fliegen  der  Vögel  5,  6  (fehlt  Aeth.),  das  nächtliche  Getose 
aus  dem  Grunde  des  Todten  Meeres  5,  7  (5,  10),  das  Ein- 
treten von  Salzwasser  in  süsse  Gewässer  5,  9  (3,  13),  viel- 
leicht auch  das  dreistündige  Versiegen  der  Quellen  6,  24 
(4,  28).  Endlich  glaube  ich  auch,  dass  sich  aus  den  An- 
gaben, die  wir  bei  Josephos  über  das  Erdbeben  des  Jahres 
31  haben,  die  räthselhaften  Worte  5,  4  (3,  5),  „nach  der 
dritten  Posaune  wirst  du  sehen,  wie  die  Erde  erschüttert 
wird'^,  erklären  lassen.  Lücke  hat  S.  164  nachgewiesen, 
dass  der  Sabbat  in  allen  jüdischen  Städten  durch  Blasen 
auf  einer  Tuba  angezeigt  wurde,  und  versteht  unter  der 
dritten  Sabbatposaune  die  dritte  Fastwoche  des  Esra.  Gegen 
diese  Deutung  hat  Hilgenfeld  S.  237  mit  Recht  eingewendet, 
dass  sich  an  der  betreffenden  Stelle  Alles  deutlich  genug 
auf  die  Zukunft  bezieht.     Trotzdem,  glaube  ich,  lässt  sich 


UND  IHRE  SPAETEREN  BEARBEITUNGEN.  283 

die  Beziehung  auf  das  Posaunenblasen  am  Sabbat  retten. 
Aus  Bp  J.  I^  19^  3  wissen  wir^  dass  das  Ej-dbeben  sich  zu 
Anfang  des  Frühjahres  ereignete,  also  nach  jüdischer  Zeit- 
rechnung zu  Anfang  des  Jahres:  ,,nach  der  dritten  Posaune'' 
heisst  yermuthlich  nichts  weiter  als  ^^am  dritten  Sabbat  des 
Jahres'',  eine  Anspielung,  die  Späteren  freilich  dunkel,  im 
Jahre  des  Erdbebens  selbst  aber  Jedem  sofort  verständlich 
sein  musste.  Also  erfolgte  das  Erdbeben  in  der  Mitte  des 
Monates  Nisan. 


* 


Nachdem  die  Abfassungszeit  der  verschiedenen  Bestand- 
theile  des  Esrabuches  erörtert  worden,  sei  zum  Schlüsse  noch 
ein  Wort  gesagt  über  die  Verknüpfung  der  christlichen  Zu- 
thaten  mit  dem  Kerne  des  Buches.  Gemeinsam  ist  allen  vier 
Stücken  im  Grunde  nur  der  Gedanke,  dass  die  Welt  alt  und 
der  Messias  nahe  sei,  also  ein  nicht  dieser  einzelnen  Apo- 
kalypse eigenthümlicher  Gedanke;  es  mQssen  ausser  diesem  80 
inneren  Zusammenhange  noch  äussere  Motive  mitgewirkt 
haben.  Der  Verfasser  von  Cap.  15 — 16  glaubte  offenbar  die 
vom  jüdischen  Esra  angegebenen  Zeichen  des  Weltendes,  die 
grosse  Volkerbewegung,  den  Krieg  zwischen  Freunden,  das 
Erdbeben,  iu  der  Zeit,  wo  er  schrieb,  erfüllt  und  ward  da- 
durch bewogen,  diese  seine  Auffassung  in  einer  Fortsetzung 
des  Buches  auszuführen  und  durch  deutlichere  Hinweise  auf 
die  Gegenwart  zu  bekräftigen.  Den  Andrang  der  Perser  und 
Gothen,  die  Bürgerkriege  in  der  Zeit  der  30  Tyrannen,  das 
Erdbeben  des  Jahres  262  als  eine  Erfüllung  der  Prophezeiung 
des  älteren  Sehers  anzusehen,  lag  nahe  genug;  stimmen  doch 
eioige  der  von  Treb.  Pollio  Gallien.  5  angegebenen  Details 
fast  wörtlich  mit  Esra  Cap.  5,  z.  B.  auditum  praeter ea  toni- 
iruum  terra  mugiente,  non  Jove  tonante  . .  .  hiaius  terrae  pluri- 
mis  in  locis  fuerunt,  cum  aqua  salsa  in  fossis  appareret;  maria 
etiam  multas  urbes  occuparunt.  Die  christliche  Einleitung 
Cap.  1—2  knüpft  an  den  Gedanken  der  jüdischen  Apokalypse 
an,  dass  das  jüdische  Volk  in  die  Hand  seiner  Feinde  gegeben 


284  DIE  APOKALYPSE  DES  ESRA  ETC. 

und  vor  allen  anderen  Völkern  unglücklich  sei,  wendet  den- 
selben aber  in  christlichem  Sinne  so^  dass  die  Juden  von 
Gott  völlig  verworfen  und  die  Heiden  berufen  seien  (Lücke 
8.  159).  Eine  andere  Bewandtniss  hat  es  mit  der  Ein- 
schaltung des  Adlergesichtes.  Wir  haben  oben  in  den 
beiden  orientalischen  Uebersetzungen  des  Buches  Zahlen- 
interpolationen nachgewiesen ;  durch  welche  Esras  Weltara 
der  alexandrinischen  angepasst  und  seine  Zahlenangaben  in 
christlichem  Sinne  umgedeutet  werden  sollten:  ein  Beweis, 
dass  man  sich  in  christlichen  Kreisen  wie  mit  dem  ganzen 
Buche,  so  auch  insbesondere  mit  seinem  prophetischen  Zahlen- 
schematismus lebhaft  beschäftigt  hat.  Ein  Römer  nun,  der 
von  der  Eintheilung  des  Weltalters  in  zwölf  Theile  las, 
musste  unwillkürlich  an  die  zwölf  römischen  saecula  denken: 
kam  noch  dazu,  dass  er  an  die  Authenticität  des  Esra- 
Sibuches  glaubte,  bald  nach  950  u.  c.  (198  n,  Gh.)  schrieb 
und  in  jenem  Buche  las,  wenn  9%  Zeittheile  vorbei  seien, 
begännen  die  Geschicke  sich  zu  erfüllen,  so  musste  er  frappirt 
werden  und  meinen,  der  Prophet  habe  die  Gegenwart  im 
Auge.  Aus  diesem  Grunde  schaltete  denn  ein  römischer 
Christ  das  Adlergesicht  ein,  welches  in  ähnlicher  Weise 
wie  der  Schluss  die  jüdische  Prophezeiung  durch  Hinzuthat 
einer  detaillirten  Vision  beglaubigen  und  der  Gegenwart  an- 
passen will. 

Die  Aufgabe  des  Historikers  ist  hiermit  zu  Ende;  es 
wird  Sache  des  Theologen  sein,  zu  prüfen,  ob  der  Urheber 
des  Adlergesichtes  sich  auf  diese  Zuthat  beschränkt  oder 
ob  er  sich  etwa  auch  sonst,  z.  B.  in  den  Stellen,  die  von 
der  Herrschaft  der  Sünde  von  Adam  an  handeln,  christliche 
Ueberarbeitungen  erlaubt  hat. 


ANZEIGE  VON  HILGENFELD,  ESRA  UND  DANIEL.       285 


4.*) 

HUgenfeld,  Prof.  Dr.  A.,  die  Propheten  Esra  und  Danieli033 
und  ihre  neuesten  Bearbeitungen.    Halle  1863.    Pfe£Fer. 
(2  Beilagen,  IV,  102  S.  8^)     15  Sgr. 

Der  um  die  Eenntniss  der  jüdischen  Apokalyptik  bereits 
so  vielfach  verdiente  Verfasser  bietet  uns  in  diesem  Buche 
einen  neuen  werthvoUen  Beitrag  dazu.  Den  Hauptinhalt 
bildet  eine  zum  Theil  bereits  in  der  Zeitschrift  für  wissen- 
schaftliche Theologie  abgedruckte  Polemik  gegen  die  neueste 
Arbeit  Volkmars  über  die  Esra -Apokalypse.     Da  sich  eine  ^ 

Kritik  schwer  kritisiren  lässt,  so  heben  wir  hier  nur  wenige 
Punkte  aus,  in  denen  wir  die  Ergebnisse  des  Verfassers  oder 
doch  deren  Sicherheit  in  Abrede  stellen  zu  müssen  glauben. 
Hilgenfeld  hält  den  arabischen  Text  für  den  ursprünglich- 
sten, den  äthiopischen  für  den  abgeleitetsten.  Bedenklich 
ist  dabei  das  augenscheinliche  Bestreben  des  Arabers,  die 
charakteristischsten  Stellen  des  Buches,  und  gerade  die,  auf 
die  es  bei  der  Bestimmung  seiner  Abfassungszeit  am  meisten 
ankommt^  zu  umschreiben  und  so  die  Schwierigkeiten  zu  um- 
gehen, und  der  Umstand,  dass  eine  inzwischen  durch  Ewald 
bekannt  gewordene  zweite  arabische  Bearbeitung  sich  der 
äthiopischen  mehr  nähert;  die  S.  9  vermuthete  Abhängigkeit 
des  äthiopischen  Textes  von  dem  lateinischen  wäre  ein  so 
beispielloser  Ausnahmefall  von  dem,  was  sonst  von  den 
Wechselbeziehungen  der  abendländischen  und  der  morgen- 
ländischen Eirchenliteratur  gilt,  dass  nur  die  stärksten  Gründe 
UDS  bewegen  konnten,  daran  zu  glauben.  Neu  ist  die  Er- 
klärung des  Adlergesichtes  aus  der  Seleukidengeschichte, 
die  den  Verfasser  von  vornherein  nöthigt,  die  bedeutsamen 
Worte  sed  nee  dimidium  eins  einem  Glossator  zuzuschreiben, 
der  an  Augustus  gedacht  habe;  zugegeben  selbst  die  Statt- 
haftigkeit einer  Verquickung  der  Seleukiden  mit  den  Trium- 


*)  [Literarisches  Centralblatt  1863  S.  1083—1034.] 


286  ANZEIGE  VON  HILGENFELD, 

yim  zu  einer  einzigen  Herrscherreihe;  ist  doch  der  Sprang 
von  dem  letzten  Seleukiden  auf  Julius  Cäsar  ganz  unmotivirt, 
Pompejus  wenigstens  durfte  ^  wie  Yolkmar  richtig  gefühlt 
hat;  nicht  übergangen  werden;  und  was  die  zur  Erklärung 
der  beiden  letzten  Fittige  in  Anspruch  genommenen  Eonige 
von  Kommagene  betrifft;  so  führen  diese  zwar  das  Abzeichen 
des  Ankers ;  aber  nicht  als  Seleukiden ;  sondern  nur  wegen 
einer  Verschwägerung  des  Stifters  mit  Antiochos  dem  Grossen; 
und  der  Verfasser  ermöglicht  die  Beziehung  auf  sie  auch  nur 
durch  Wiederholung  eines  Irrthums  des  Fabricius,  der  den 
ersten  und  zweiten  Antiochos  von  Eommagene  mit  einander 
verwechselt  hat;  es  ist  ja  bestimmt  überliefert,  dass  Antio- 
chos I.  im  Jahre  52  wegen  Parteinahme  für  die  Parther  von 
Gassius  getodtet  wurde  (Oros.  VI;  13  aus  Livius).  Diese 
sachlichen  Uebelstände  sind  aber  nichts  im  Vergleich  mit 
dem  Verstösse  gegen  den  ganzen  Geist  des  Gesichtes;  dass 
die  Juden  sich  um  die  Nachfolger  des  Antiochos  Sidetes 
gar  nicht  mehr  bekümmerten,  könnten  wir,  auch  wenn  es 
Josephos  nicht  ausdrücklich  sagte,  schon  aus  dem  blossen 
Verlaufe  der  Thatsachen  hinlänglich  ersehen;  und  was  gingen 
nun  vollends  die  Könige  von  Kommagene  einen  jüdischen 
Seher  an?  Diese  Erklärung  des  Adlergesichtes  ist  also 
ebenso  unhaltbar  als  die  von  Hilgenfeld  früher  versuchte 
aus  der  Ptolemäergeschichte.  Mit  grosser  Sorgfalt  aber  ist 
I034d[er  Verfasser  dann  den  Spuren  einer  Benutzung  des  Esra- 
buches  aus  älterer  Zeit  nachgegangen  und  hat  S.  64  ff.  die 
von  ihm  vermutheten  Anklänge  an  dasselbe  im  neuen  Testa- 
mente und  im  Briefe  des  Barnabas  zusammengestellt. 

Der  zweite  Theil  der  Schrift  ist  gegen  den  neuesten 
rechtgläubigen  Erklärer  des  DanielbucheS;  Zündel,  gerichtet, 
und  enthält  Wahrheiten;  die  der  Historiker  längst  für  keines 
Beweises  mehr  bedürftig  erachtet;  die  aber  immer  von  Neuem 
wieder  einzuprägen  bei  den  eigenthümlichen  Bestrebungen 
unserer  Modetheologie  nicht  unerspriesslich  sein  mag.  Inter- 
essant sind  die  Erörterungen  Hilgenfelds  über  die  äussere  ' 
Bezeugung  des  Buches,  S.  90 ff.;  den  Eupolemos  übrigens 
hat  Kuhlmey  vollkommen  richtig  in  das  Jahr  159  gesetzt; 


ESRA  UND  DANIEL.  287 

wie  sich  der  Verfasser  durch  Einsehen  der  von  K.  Müller 
aus  dem  Zusammenhange  gerissenen  Stelle  des  Clemens  von 
Alezandrien  überzeugen  wird.^)  Derselben  Zeit  gehört  auch 
Abydenos  an,  von  dem  wir  beweisen  zu  können  meinen^  dass 
er  unter  Antiochos  Epiphanes  schrieb. 

•)  [Siehe  oben  S.  191  f.    F.  R.], 


XI. 

Recensionen  und  Anzeigen  zar  jfidischen  Gescbiehte  nnd 

Literatar. 

1.*) 

78iJatho,  Georg  Frledr.,  Gonrecior  am  Gymnasium  zn  Hildes- 
heim^  die  Grundzüge  der  alttestamentlichen 
Chronologie  ^  in  Uebereinstimmung  mit  den  Zeit- 
bestimmungen  der  Classiker.  Hildesheim  1856.  Gersten- 
berg. (IV,  41  S.  8«.  und  eine  Tabelle  in  Quer -Folio.) 
geh.     10  Sgr. 

Auf  den  Verfasser  haben  die  neuen  Hülfsmittel  (über 
die  Schöpfungsnrkunden)  den  Eindruck  gemacht^  als  sei  viel- 
fach über  dem  wissenschaftlichen  Standpunkte  der  theologi- 
sche zurückgetreten  (S.  II) ;  dieses  ehrliche  Zugeständniss, 
dass  die  Modetheologie  unwissenschaftlich  ist^  überhebt  uns 
der  Mühe,  die  Anschauungsweise  des  Verfassers  zu  kritisiren. 
Wer  entdeckt  hat,  dass  die  Formation  des  Tertiärgebirges 
in  den  sechs  Schöpfungstagen  vor  sich  gegangen  ist  (S.  III), 
wer  alles  Ernstes  die  GOYg  Jahrwochen  Daniels  von  453  v.  Ch. 
bis  auf  Christi  Tod  berechnet  (S.  40),  wer  sich  freut,  dass, 
Christi  Geburt  4  v.  Ch.  angesetzt,  nach  seiner  Rechnung  von 
der  Schöpfung  bis  zu  Christi  Auftreten  4300  Jahre,  also 
geraae  die  zehnfache  Zeit  der  israelitischen  Knechtschaft  in 
Aegypten,  verflossen  seien  (S.  8),  mit  dem  wird  die  Wissen- 
schaft nicht  rechten.  Die  erste  Hälfte  des  Büchleins  (S.  1  — 
19)  beschäftigt  sich  mit  dem  Aufbau  der  hebräischen  Chrono- 
logie aus    der  Bibel   selbst,   und   hier  findet   sich  manches 

*)  [Literarisches  Centralblatt  1866  S.  781—782.] 


JATHO,  ALTTESTAMENTLICHE  CHRONOLOGIE.         289 

Gute;  natürlich  werden  aber  alle  Schwierigkeiten  nicht  gelöst^ 
sondern  hinweggedeutelt  Bei  der  Bestimmung  der  Richter- 
zeit geht  der  Verfasser  von  den  450  Jahren  bei  Lukas  Apostel- 
geschichte 13^  20  aus^  und  findet  sich  mit  den  480  Jahren^ 
die  L  [«=»  IIL]  Könige  6^  1  zwischen  Exodos  und  Tempelbau 
gesetzt  werden,  durch  die  abgestandene  Erklärung  ab,  dass 
diese  durch  Abziehung  der  Fremdherrschaften  gefanden  seien 
(S.  11).  Bei  der  Schwierigkeit,  dass  im  Buche  der  Richter 
für  manche  Begebenheiten  jede  Zeitbestimmung  fehlt,  hält 
er  für  die  ^^natürlichste  Annahme''  die,  dass  in  diesen  Fällen 
die  Zeitdauer  so  kurz  war,  dass  sie  schon  in  den  Endpunkt 
des  Yorhergehenden  und  den  Anfangspunkt  des  nachfolgen- 
den Ereignisses  hineinfällt  (S.  10).  Wenn  der  Verfasser  die 
Differenzen  in  den  Regierungen  der  Konige  von  Israel  und 
Ton  Juda  dadurch  ausgleicht,  dass  bei  ihren  Jahren  der  ter- 
minus  a  quo  und  ad  quem  stets  mitgezählt  worden  sei,  und 
den  Widerspruch  der  synchronistischen  Daten  in  der  Weise 
zu  beseitigen  meint;  dass  diese  die  Salbung,  nicht  den  Re- 
gierungsantritt, der  Könige  im  Auge  hätten,  so  kann  Re- 
ferent freilich  einen  so  willkürlichen  Ausweg  nicht  gutheissen, 
muss  aber  doch  loben,  dass  hier  endlich  einmal  der  alte 
Schlendrian  verlassen  worden  ist,  der  die  Jahre  der  Könige 
von  Juda  einfach  addirt  und  die  abweichenden  Angaben 
nicht  berücksichtigt.  Was  die  zweite  Hälfte  (S.  19  —  34) 
anbetrifft;  in  welcher  die  Angaben  der  Profanschriftsteller 
mit  den  biblischen  vereinigt  werden  sollen,  so  sagt  der  Ver- 
fasser, welcher  seine  schon  1853  als  Programm  erschienene 
Abhandlung  unverändert  hat  abdrucken  lassen,  Brandis  habe 
ihm  durch  seine  „Rerum  Assjriarum  tempora  emendata^'  nur 
Veranlassung  gegeben,  zu  zwei  Stellen  (werthlose)  Noten 
hinzuzufügen  (S.  II);  dagegen  bekämpft  er  mit  Hülfe  des 
Daniel  den  Herzog  von  Manchester  in  einer  eigenen  Nach- 
schrift; (S.  35  —  41).  Dies  ist  freilich  sehr  natürlich ,  da 
Brandis  schwer,  besagter  Herzog  auch  ohne  den  Daniel  sehr 
leicht  zu  widerlegen  ist;  es  gehört  aber  ein  hoher  Grad  in 
der  Kunst  des  Ignorirens  (in  der  die  moderne  Orthodoxie 
allerdings  Anerkennenswerthes  leistet)  dazu,   um   nach  den 

V.  GuTscHMiD,  Kleine  Schriften.   II.  19 


290  EBCENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

lichtvollen  Uniersachungen  von  Brandis  solch'  ungewaschenes 
Zeug  zu  Markte  zu  bringen.  Die  sprachlich  unmögliche,  von 
Hupfeld  vergebens  vertheidigte  Erklärung,  dass  die  Meder 
128  -f-  28  Jahre  geherrscht^  davon  6  in  Anarchie,  150  unter 
Konigen  gelebt  hätten,  wird  S.  21  wieder  aufgewärmt  Die 
Angabe  Herodots  über  die  lydischen  Herakliden  wird  so  ab- 
surd wie  möglich  dahin  interpretirt,  dass  sie  22  yavsai  und 
505  Jahre,  also  im  Ganzen  123878  J&^o  regiert  hätten,  und 
diese  werden  mit  den  1239  Jahren  des  assyrischen  Reiches 
beim  Eusebios  verglichen  (S.  23).  Der  Letztere  wird  näm- 
lich nicht  nur  als  voUgiltiger ,  sondern  sogar  als  glaub- 
würdigerer Zeuge  neben  Etesias  aufgeführt,  und  die  1360 
782Jahre  des  Letzteren  bei  Diodor  sehr  naiv  so  aufgefasst,  dass 
die  letzten  120  Jahre  des  assyrischen  Reiches  doppelt  ge- 
rechnet seien  (S.  28).  Als  eine  Probe  der  Kritik  des  Ver- 
fassers heben  wir  S.  26  aus:  „Ueber  ihn  (Abydenos)  finden 
wir  (Arm.  Euseb.  S.  76)  die  Notiz:  deinde  singulos  a  Nino  et 
Semiramide  recenset  usque  ad  Sardanapalum,  a  quo  usque  ad 
primam  Olympiadem  efficiuntur  anni  sexaginta  Septem,  Hier 
wird  nicht  genauer  angegeben,  wie  man  zählen  soll;  wir 
setzen  indessen  Sardanapal  67  Jahre  später,  als  die  erste 
Olympiade,  also  709  v.  Ch/'  Der  Verfasser  will  offenbar 
die  Stelle  nicht  verstehen!  Das  Berosische  Dynastien ver- 
zeichniss  wird  S.  25  für  ein  unzuverlässiges  Machwerk  er- 
klärt, wozu  allerdings  nach  den  Nachweisungen  von  Brandis 
und  Anderen  eine  ungewöhnliche  Dreistigkeit  gehört;  beson- 
ders findet  der  Verfasser  S.  37  das  mittlere  Stück  ergötzlich, 
indem  die  458  Jahre  der  Chaldäer  bis  auf  die  Sassaniden 
und  die  245  (wie  er  will,  145)  Jahre  der  Araber  bis  zum 
Jahre  371  n.  Oh.  reichten,  mit  welchem  Eusebios  schliesse 
(Eusebios  schliesst  328  n.  Gh.).  Wir  finden  die  Art,  wie 
der  Verfasser  sich  gegen  die  Wahrheit  verschliesst,  durchaus 
nicht  ergötzlich.  S.  33  erklärt  er  die  mit  der  Bibel  stimmen- 
den Angaben  des  Herodot  über  die  Nachfolger  des  Psamme- 
tichos  für  „gesichert^^,  und  hat  dies  Wort  gesperrt  drucken 
lassen;  dies  soll  also  vermuthlich  eine  stillschweigende  Pole- 
mik gegen  die  Grabstelen  der  beiden  Psametik  (besprochen 


PREUSS,  ZEITRECHNUNG  DER  LXX.  291 

bei  Boeckh,  Maneiho  S.  345)  sein^.  welche  Herodots  Zeit- 
rechnung umstossen.  Das  Schrifteben  macht  einen  um  so 
unangenehmeren  Eindruck  ^  als  daraus  deutlich  hervorgebt^ 
dass  der  Verfasser  Besseres  hätte  leisten  können,  wenn  er 
nur  hätte  Besseres  leisten  wollen. 


2.*) 

Prenss,  Dr.  Ed.,  Die  Zeitrechnung  der  Septuaginta  vor223 
dem  yierten  Jahre  Salomos.     Berlin   1859.     Oehmigke. 
(2  Beilagen,  83  S.  8«.)    20  Sgr. 

Während  jetzt  für  die  Kritik  der  LXX  der  richtige 
Grundsatz  gilt,  dass  diejenige  Textesgestalt  die  echteste  ist, 
die  am  wenigsten  mit  dem  Urtexte  gemein  hat,  so  war  die 
von  Origenes  in  seiner  Hexapla  gegebene  Recension  der  LXX 
vielmehr  eine  Verbesserung  derselben  nach  dem  hebräischen 
Originale;  da  sich  nun  auch  unsere  beste  Ueberlieferung  (der 
Codex  Vaticanus,  controlirt  durch  den  Alexandrinus)  von 
Origenianiscben  Einflüssen  nicht  &ei  erhalten  hat,  so  folgt 
daraus,  dass  sich  die  ursprüngliche  Form  des  Textes  nur  da 
mit  absoluter  Gewissheit  wiederherstellen  lässt,  wo  er  durch 
Zeugnisse  aus  der  Zeit  vor  Origenes  sichergestellt  ist.  Diesen 
grossen  Vorzug  hat  die  Zeitrechnung,  die  der  Verfasser  mit 
Recht  für  das  sicherste  Capitel  der  ganzen  LXX  erklärt. 
Die  Jahrhunderte  lang  ununterbrochen  fortlaufende  Reihe 
von  Zeugnissen  hat  derselbe  mit  grossem  Fleisse  zusammen- 
gestellt und  kritisch  beleuchtet.  Sie  beginnt  mit  dem  jüdi- 
schen Historiker  DemetrioS;  den  der  Verfasser  S.  47  allzu 
vorsichtig  ,,vor  dem  Jahre  100  a.  C'  leben  lässt,  da  doch 
daraus,  dass  das  erste  Jahr  des  Ptolemäos  Philopator  der 
Endpunkt  seiner  Rechnungen  ist,  mit  Sicherheit  zu  schliessen 
ist,  dass  er  unter  der  Regierung  dieses  Königs  schrieb**); 

*)  [Literarisches  Centralblatt  1861  S.  223—224.] 
•*)  [Vgl.  oben  S.  186  ff.    F.  R.] 

19* 


292  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

sie  endet  mit  der  236  n.  Gh.  verfassten  Weltchronik^  die  hier 
als  yyChronicon  Anonymi^'  angezogen  wird,  aber  schon  von 
Ducange  mit  Sicherheit  auf  Hippolytos  zurückgeführt  worden 
ist  (vgl.  Mommsen^  lieber  den  Chronographen  vom  Jahre  354^. 
S.  595).  Der  Verfasser  hat  sich  damit  nicht  begnügt,  son- 
dern ist  in  dem  Zeugenverhöre  sehr  oft  bis  auf  die  Byzan- 
tiner heruntergegangen,  Ton  denen  viele  die  echten  Zahlen 
224der  xoi^vfj  bewahrt  haben;  Referent  wusste  nicht,  dass  dem 
Verfasser  hier  eine  erhebliche  Autorität  entgangen  wäre, 
ausser  etwa  des  Q.  Julius  Hilario  Büchlein  de  mundi  dura- 
tione  aus  dem  Jahre  397  (in  der  Bibliotheca  Patrum  ed. 
de  la  Bigne  VII  p.  277  fiF.),  welches  bei  aller  Gonfusion  wegen 
der  kühnen  Selbstständigkeit  seiner  Forschung  nicht  uninter- 
essant und  für  die  Frage  nach  den  Jahren  des  Methusalah 
sogar  recht  wichtig  ist.  Nachdem  der  Verfasser  so  die  erste 
Hand  der  LXX  wiederhergestellt,  geht  er  an  eine  Vergleichung 
ihrer  Zahlen  mit  denen  des  Urtextes  und  gelangt  durch  metho- 
dische Kritik  zu  dem  Resultate,  dass  die  LXX  ihr  Original 
durchweg  verfälscht  haben,  und  zwar  hat  dieses  Verfahren 
nicht  etwa  in  einer  Bezugnahme  auf  gewisse  ägyptische  Syn- 
chronismen seinen  Grund,  sondern  „es  beruht  auf  einer  Kritik, 
die  sich  nicht  mit  selbstloser  Treue  in  ihre  Objecte  vertiefte, 
sondern  die  heilige  Urkunde  nach  ihren  eigenen,  sehr  nüch- 
ternen Begriffen  von  Gonsequenz  und  Wahrscheinlichkeit 
glaubte  corrigiren  zu  müssen/^  Ist  die  Art,  wie  dieser  Satz 
an  den  einzelnen  Beispielen  ausgeführt  wird,  zwar  meistens, 
doch  nicht  immer  überzeugend  (vgl.  namentlich  die  Motivirung 
der  565  Jahre  Lamechs  nach  Noahs  Geburt  S.  41),  der  Satz 
selbst,  dass  die  Zahlen  der  LXX  verglichen  mit  denen  des 
Urtextes  nicht  die  geringste  Autorität  haben,  ist  durch  den 
Verfasser  bis  zu  unumstosslicher  Evidenz  dargethan  worden. 
Als  einen  sehr  wesentlichen  Factor  bei  den  von  den  LXX 
vorgenommenen  Zahlenänderungen  hat  er  die  Rücksicht  auf 
die  biblischen  Geschlechtsregister  nachgewiesen:  sie  war  das 
Motiv,  die  430  Jahre  des  Aufenthaltes  der  Israeliten  in 
Aegypten  zu  halbiren,  sowie  die  480  Jahre  zwischen  Aus- 
zug und  Tempelbau  in  440  zu  verändern,  weil  die  LXX  in 


PREÜSS,-  ZEITRECHNUNG  DER  LXX.  293 

den  480  Jahren  12  Generationen  zu  40  Jahren   zu   finden 
und  diese  Zahl  nach  I.  Chron.  6,  50~in  11  Generationen  ver- 
bessern zu  müssen  glaubten.     Der  Verfasser  selbst  hält  mit 
Recht  die  Zahl  für  unabhängig  von  der  Geschlechterrechnung 
und  fdr  ein  authentisches  Datum,  nach  welchem  die  Richter- 
zeit  zu  bestimmen  ist.    Die  ;;gegen  450  Jahre^'  Apostelgesch. 
13,  21  weist  er  durch  Zurückgehen  auf  die  echte  handschrift- 
liche Lesart  als  dieser  Frage  ganz  fremd  zurück  und  bezieht 
sie  auf  den  Zeitraum  von  der  Berufung  Abrahams  bis  auf 
die  Vertheilung  des  Landes,  nämlich  „215 +  215 +  40  «=470 
oder  mg  450"  (S.  76)  —  in  der  Theorie  richtig,  aber  in  der 
praktischen  Ausführung  wunderlich:  da  die  Berufung  Abra- 
hams  mit  der  Einsetzung  der  Beschneidung  in  seinem  99. 
Jahre  erfolgte  (Gen.  17,  Iff.),  und  von  dem  Eindringen  der 
Israeliten  in  Kanaan  bis  zur  Vertheilung   des  Landes  fünf 
Jahre  verfiossen  (nach  Jos.  14, 10),  so  ergeben  sich:  ein  Jahr 
Abrahams  bis  zur  Geburt  des  Isaak  +  60  Jahre  Isaaks  bis 
zu  der  des  Jakob  +  130  Jahre  Jakobs  bis  zur  Einwanderung 
in   Aegypten   +  215  Jahre   des   Aufenthaltes   in  Aegypten 
+  40  Jahre  Moses  +  5  Jahre  Josuas  ■=  451  Jahre  oder  tag 
450.     Da  der  Verfasser  auch  den  von  den  LXX  abhängigen 
samaritanischen  Text  in  den  Kreis  seiner  Betrachtungen  ge- 
zogen hat,  so  hätte  er  noch  einen  Schritt  weiter  gehen  und 
das  mit  dem  samaritanischen  Pentateuch  eng  verwandte  Buch 
der  Jubiläen  mit  berücksichtigen  sollen;  sein  Urtheil  S.  42 
betreffs  der  Angabe  des  Hieronymus  über  die  samaritanischen 
Zahlen  des  Methusalah,  der  gewiss  nur  ein  Gedächtnissfehler 
zu  Grunde  liegt,  würde  dann  wohl  anders  ausgefallen  sein. 
Auch  das  hätte  man  im  Interesse  der  Sache  gewünscht,  dass 
er  die  Zeitbestimmungen  aus  den  Büchern  der  Könige,  in 
denen  sich  die  LXX  Tom  Grundtexte  entfernen,  auch  noch 
besprochen  und  somit  die  Untersuchung  abgeschlossen  hätte, 
da  jene  Stellen  schwerlich  den  Stoff  für  eine  eigene  Mono- 
graphie liefern.    Doch  wird  das  treffliche  Schriftchen  hoffent- 
lich auch  so  den  Erfolg  haben,  dem  Missbrauche,  der  auch 
jetzt  noch  mitunter  mit  den  Zahlen  der  LXX  getrieben  wird, 
zu  steuern. 


294  BECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

3.*) 

633Rockeratliy  Pet.  Jos.,  Biblische  Chronologie  bis  auf  das 
Jahr  der  Gebart  Jesu.  Nach  den  biblischen  und  ausser- 
biblischen  Quellen  bearbeitet.  Münster  1865.  Aschen- 
dorfif.    (Vin  i^nd  331  S.  8^.)     1  Thlr.  20  Sgr. 

Der  Verfasser  stellt  es  sich  zur  Aufgabe^  die  gesammte 
biblische  Chronologie  ,,so  klar  und  eingehend  zu  erörtern^ 
dass  auch  ein  nicht  eingeweihter  Leser  sich  ein  begründetes 
ürtheil  bilden  könne*',  glaubte  dagegen  von  einer  Vorführung 
und  Widerlegung  abweichender  Ergebnisse  früherer  Unter- 
suchungen über  denselben  Gegenstand  absehen  zu  müssen, 
durch  die  der  übersichtliche  Gang  der  Darstellung  wesent- 
lich beeinträchtigt  worden  wäre  (Vorwort  S.  III).  Sehen  wir 
zu,  wie  der  Verfasser  seiner  Aufgabe  nachgekommen  ist. 

Eiugehende  Erörterung  der  einschlägigen  Fragen  darf 
ihm  in  der  That  nachgerühmt  werden.  Er  hat  sehr  wohl 
eingesehen,  dass  die  wichtigsten  Probleme  der  biblischen  Zeit- 
rechnung sich  definitiv  erst  durch  Vergleichung  der  Annalen 
der  Nachbarvölker  entscheiden  lassen,  und  diese  so  ausführ- 
lich berücksichtigt,  dass  ein  Titel  wie  Chronologie  des  alten 
Orients  keine  Anmassung  gewesen  sein  würde.  Auch  Partien 
der  biblischen  Zeitrechnung,  die  von  der  Heerstrasse  abliegen, 
wie  die  Hohenpriesterliste,  sind  nicht  vergessen  worden.  Vor 
Allem  aber  ist  Ealeuderwesen  und  Datirungsweise  als  durch- 
aus massgebend  für  jede  Feststellung  der  israelitischen  Zeit- 
reihe in  dieser  Bedeutung  richtig  gewürdigt  und  z.  B.  durch 
Anwendung  der  schonen  Entdeckung  von  Pospinh  und  Movers, 
dass  die  Jahre  der  Könige  Israels  von  einem  anderen  Jahres- 
anfang gerechnet  sind  als  die  der  Könige  Judas,  die  schwierige 
Synchronistik  beider  Reiche  zufriedenstellender  behandelt  wor- 
den, als  dies  meistens  zu  geschehen  pflegt.  Auch  hat,  dass 
der  Verfasser  seinen  eigenen  Weg  geht,  seine  guten  Seiten; 
er  hat  Manches  gesehen,  woran  seine  Vorganger  vorüber- 

*)  [Literarisches  Centralblatt  1866  S.  633—635.] 


ROECKERATH,  BIBLISCHE  CHRONOLOGIE.  295 

gegaügeu  waren;  wir  rechnen  dahin  z.  B.  den  hübschen 
Nachweis  S.  23ff.^  dass  die  biblischen  Angaben  auf  drei 
verschiedene  Pharaonen  als  Zeitgenossen  Salomos  führen. 
Bei  diesem  Nichtberücksichtigen  früherer  Untersuchungen 
überwiegen  aber  doch  die  Uebelstände  bei  Weitem;  die 
Fälle ^  wo  das  Richtige  längst  gefunden^  als  solches  all- 
gemein anerkannt  und  vom  Verfasser  doch  etwas  ganz 
Anderes  hingestellt  wird^  sind  so  häufig,  dass  man  nicht 
anders  als  annehmen  kann,  dass  er  mit  den  neueren  Unter- 
suchungen nur  sehr  massig  vertraut  ist.  Dies  gilt  nament- 
lich von  dem  Abschnitte  über  Aegypten,  wo  der  Verfasser 
sich  im  Wesentlichen  an  Bunsen  hält;  z.  B.  die  Tafel  der 
22.  Dynastie  8.  204  ist  durch  neuere  Entdeckungen  längst 
völlig  antiquirt.  Wir  meinen,  einige  einfache  Verweisungen, 
durch  die  manche  Zweifel  beseitigt  worden  wären,  würden 
das  Buch  nicht  zu  sehr  angeschwellt  haben. 

Der  Verfasser  schöpft  durchaus  nicht  immer  aus  den 
Quellen,  wie  man  nach  der  Ankündigung  des  Vorwortes 
glauben  mochte,  verlässt  sich  vielmehr  häufiger  als  billig 
auf  schlechte  Texte  oder  auf  Hülfsmittel;  er  wiederholt  z.  B. 
die  Stelle  des  Herennius  über  die  Gründung  von  Babylon 
S.  132  aus  Bunsen  (Aegypten  V,  2  S.  315)  sammt  dessen 
falscher  Uebersetzung*),  giebt  S.  175  die  Synkellische  Liste634 
der  ägyptischen  Könige  mit  allen  Flüchtigkeitsfehlern  der 
lateinischen  Uebersetzung  und  citirt  S.  203  den  margo  Syn- 
celli  (d.  h.  leichtfertige  Conjecturen  Goars)  als  Quelle.  Ueber- 
haupt  ist  bei  ihm  von  einem  Ueben  der  niederen  Kritik, 
ehe  zur  höheren  geschritten  wird,  keine  Rede;  so  wird  die 
ganze  Chronologie  der  Richterzeit  auf  die  450  Jahre  der 
Apostelgeschichte  basirt,  die  nach  der  echten  Lesart  sich 
auf  einen  ganz  anderen  Zeitraum  beziehen.  Möglich,  dass 
der  Verfasser  auch  hier  wieder  durch  Bunsen  (Aegypten  I 
S.  239)  irregeführt  worden  ist. 

Am  schlimmsten  steht  es  mit  der  Quellenkritik.     Dem 
Verfasser    gelten    in    der   biblischen    wie    in    der    profanen 

*)  \ys^-    „Beiträge   zur   Geschicbte   des   alten   Orients"   S.  99 f. 
F.  R.] 


296  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

Literatur  alle  Quellen  so  ziemlich  gleich;  welche  vorzuziehen, 
wird  in  jedem  einzelnen  Falle  nach  der  Convenienz  entschieden, 
von  dem  kritischen  Grundsatze,  dass  eine  als  gut  erkannte 
Ueberlieferung  festzuhalten  und  von  ihr  nur  da  abzugehen 
ist,  wo  ihr  Irrthum  erwiesen  ist,  hat  der  Verfasser  keine 
Ahnung.  Er  hält  es  z.  B«  für  sehr  wahrscheinlich,  dass  der 
samaritanische  Pentateuch  auf  Handschriften  zurückznftihren 
ist,  welche  vor  der  nach  dem  Tode  Salomos  eintretenden 
Trennung  des  Reiches  geschrieben  worden  sind,  und  für  un- 
streitig, dass  alte  vorexilische  Handschriften  die  Quelle  des 
Septuagintatextes  waren.  Ihm  sind  Daniel  und  Baruch  den 
von  ihnen  geschilderten  Ereignissen  gleichzeitige  Verfasser. 
Dass  der  Autor  der  Judith  ihre  Geschichte  in  nachexilische 
Zeit  versetzen  will,  giebt  der  Verfasser  zu,  combinirt  aber 
trotzdem  einen  vermeintlichen  Kern  derselben  mit  der  medi- 
schen  Eönigsreihe  des  Ktesias  und  setzt  daraufhin  die  Judith 
in  die  Zeiten  der  Konige  Jehu  und  Joas.  Von  diesen  streng 
orthodoxen  Prämissen  ausgehend,  bewegt  sich  der  Verfasser 
doch  im  Einzelnen  mit  grösster  Freiheit*,  die  Patriarchenreihe 
ist  ihm  nur  eine  Auswahl  besonders  bedeutsamer  Namen; 
die  Lebensjahre  Jakobs  müssen  seiner  Meinung  nach  reducirt 
werden,  weil  sie  mit  den  Voraussetzungen  seiner  eigenen 
Geschichte  in  Widerspruch  sind ;  Zahlenverschreibungen, 
Lücken  und  runde  Zahlen  werden  in  der  umfassendsten 
Weise  angenommen.  In  dem  Gebrauche  von  40  und  400 
als  runder  Zahlen  statt  der  verloren  gegangenen  genauen 
meint  der  Verfasser  das  wahre  Arcanum  für  die  Her- 
stellung der  biblischen  Chronologie  gefunden  zuhaben. 
Er  zerlegt  alles  Ernstes  die  480  Jahre  zwischen  Auszug  und 
Tempelbau  in  400  +  80  und  erklärt  sie  für  eine  runde  Zeit- 
bestimmung statt  580  Jahre  (S.  71).  Auf  diese  Art  ist  eine 
Concordanz  herzustellen  freilich  nicht  schwer,  und  es  begreift 
sich,  dass  der  Verfasser  zu  anderen,  etwas  in  Misscredit  ge- 
kommenen Kunststückchen,  wie  z.  B.  S.  230,  dass  derselbe 
Mann  Jojada  und  Achitob  geheissen  habe,  verhältuissmässig 
selten  seine  Zuflucht  zu  nehmen  brauchte.  Man  kann  sich 
nur  wundem,  dass  der  Verfasser  mit  solchen  Voraussetzungen 


EOECKEBATH,  BIBLISCHE  CHRONOLOGIE.  297 

zu  immer  noch  leidlichen  Resultaten  gelangt  ist;  so  setzt  er 
z.  R  den  Tempelbau  mit  Movers  richtig  in  968  v.  Ch.*) 
Nicht  anders  verföhrt  er  mit  den  Profanquellen.  Die  ver- 
schiedenen Manethonischen  Becensionen  haben  fär  den  Ver- 
fasser ungefähr  gleichen  Werth,  und  wenn  er  auch  zugiebt^ 
dass  die  Liste  des  Synkellos  und  die  alte  Chronik  keinen 
besonderen  Vorzug  verdienen,  so  kann  doch  Niemand  aus 
seiner  Auseinandersetzung  entnehmen,  welche  6runddifferenz635 
diese  von  den  echt  Manethonischen  Recensionen  scheidet. 
Und  doch  kennt  der  Verfasser  Lepsius'  Einleitung,  dessen 
Untersuchungen  gerade  für  die  Bedeutung  des  Sothisbuches 
bahnbrechende  sind!  Man  sieht,  er  legt  eben  auf  dergleichen 
Fragen  der  Quellenkritik  kein  Gewichi  —  Der  Verfasser 
rechnet  es  sich  zum  Verdienste  an,  nicht  durch  Zahlen- 
änderungen im  Manethos  eine  Harmonie  erzwungen  zu 
haben.  Mit  Unrecht;  denn  seine  Auswahl  von  Zahlen  der 
verschiedenen  Recensionen  unter  Bevorzugung  der  des  Eu- 
sebios  ist  nicht  weniger  willkürlich.  Angelpunkt  der  ganzen 
ägyptischen  Chronologie  ist  ihm  die  in  der  Sothis  und  einer 
ihr  verwandten  trüben  Quelle  erhaltene  Notiz  von  einer  Um- 
gestaltung des  ägyptischen  Kalenders  unter  einem  Hirten- 
könige, von  der  er  S.  150  mit  Unrecht  behauptet,  sie  sei 
bisher  meist  todtgeschwiegen  worden. 

Dass  der  Verfasser  das  Streben  hat,  objectiv  zu  sein, 
soll  gern  zugegeben  werden;  dass  er  aber  seine  Auseinander- 
setzung so  gehalten  habe,  dass  ein  nicht  eingeweihter  Leser 
sich  ein  begründetes  Urtheil  bilden  könne,  ist  arge  Selbst- 
täuschung. Zwei  Beispiele  mögen  genügen.  Ungemeines 
Gewicht  wird  8.  64  ff.  für  die  Zeitrechnung  der  Richterzeit 
auf  die  Genealogie  von  18  Geschlechtem  vom  Auszuge  bis 
auf  Heman,  Salomos  Zeitgenossen,  I.  Paralip.  6,33  —  38 
gelegt;  keine  Silbe  davon,  dass  jene  Namenreihe  nichts  als 
eine  durch  Versehen  der  Abschreiber  verschuldete  Ver- 
schmelzung zweier  verschiedener  Genealogien  ist,  wofür  die 
Parallelstelle  6,  22 — 28  den  unzweideutigen  Beweis  liefert. 


*)  [Vgl.  Bd.  I  S.  249  f.  800.     F.  R.] 


298  .  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

und  welcher  Leser  wird  aus  des  Verfassers  Auseinander- 
setzung der  schwierigen  und  yielbehandelten  Chronologie 
des  Lebens  Jesu  S.  247  ff.  sich  über  den  Stand  der  Unter- 
suchung zu  Orientiren  im  Stande  sein?  Genfigt  der  Nach- 
weis, dass  bei  Josephos  einige  falsche  Data  über  das  Lebens- 
alter des  Herodes  und  ähnliche  Nebenpunkte  mit  unterlaufen, 
um  seine  allseitig  begründete  Angabe  über  Regierungsdaner 
und  Todesjahr  des  Herodes  umzustossen?  und  ist  wirklich 
nichts  weiter  nöthig,  als  einigen  Staub  aufzuwirbeln,  um 
dem  Leser  die  Ueberzeugung  beizubringen,  dass  unsere  her- 
kömmliche Zeitrechnung  richtig  und  Herodes  nicht  4  y.  Gh., 
sondern  2  n.  Ch.  gestorben  ist?  In  der  That,  auch  abgesehen 
davon,  dass  der  Verfasser  von  Zumpts  Untersuchungen  über 
Sulpicius  Qairinius  offenbar  nichts  weiss,  hat  er  sich  die 
Sache  hier  sehr  leicht  gemacht,  leichter,  als  er  yielleicht 
selbst  wähnte. 

Der  Verfasser  hat  durch  seinen  Fleiss  doch  nur  er- 
reicht, dass  die  yielen  schon  vorhandenen  Systeme  der  alt- 
orientalischen Chronologie  um  ein  neues  vermehrt  worden 
sind.  Der  Grund  liegt  darin,  dass  trotz  der  Neuheit  der 
Ausfuhrung  doch  der  Unterbau  unverändert  geblieben  ist 
Sollen  auf  diesem  Gebiete  bleibende,  allgemein  gültige  Re- 
sultate erreicht  werden,  so  müsste  strengste  Uebung  der 
niederen  Kritik  jeder  weiteren  Untersuchung  vorangehen, 
sodann  müsste  die  Findung  des  von  den  Alten  f&r  wahr 
Gehaltenen  von  der  Findung  der  absoluten  Wahrheit  streng 
auseinandergehalten,  es  müssten  zunächst  die  chronologischen 
Systeme  unserer  Quellen  jedes  für  sich  ermittelt  werden; 
dann  erst  wäre  zu  untersuchen,  ob  das  absolut  Wahre  sich 
überhaupt  noch  finden  lässt,  es  müsste  also  der  eigentlichen 
Herstellung  die  sorgfältigste  Quellenkritik  vorausgehen,  auf 
Grund  dieser  wäre  zunächst  die  (bei  dem  Verfasser  des  vor- 
liegenden Buches  gänzlich  in  den  Hintergrund  getretene) 
Frage  zu  beantworten,  wo  in  den  Annalen  der  verschiedenen 
Völker  die  Sage  aufhört  und  die  Geschichte  anlangt,  dann 
endlich  unter  strengstem  Anschlüsse  an  die  je  besten  Quellen 
die  Synchronistik  festzustellen.     Dies  sind  lauter  Postnlate, 


i 


BÜNSEN,  BIBLISCHE  GLEICHZEITIGKEITEN.  299 

die  sich  auf  anderen  Gebieten  der  Geschichte  allgemeiner 
Anerkennung  erfreuen;  dass  sie  auf  das  Gebiet  der  alt- 
orientalischen,  speciell  der  biblischen  Chronologie  nicht 
schon  längst  übertragen  worden  sind^  hat  wohl  darin  seinen 
Grund)  dass  dasselbe  bisher  vorzugsweise  von  Amateurs  oder 
von  Theologen  und  solchen,  die  Theologen  gleich  zu  achten, 
bearbeitet  worden  ist.  Dogmatische  Voraussetzungen  aber 
sind  ein  Mehlthau  für  jede  geschichtliche  Forschung. 


4.*) 

Bunsen,  Ernst  v.,  Biblische  Gleichzeitigkeiten  oder  über-977 
einstimmende  Zeitrechnung  bei  Babjloniem,  Assyrern, 
Aegyptem  und  Hebräern.     Berlin  1875.     Mitscher  und 
Kosten.     (4  Beilagen,  143  S.  gr.  8^.  und  2  Tabellen.) 
3  Mk.  60  Pf. 

Referent  schlug  das  vorliegende  Buch  auf  und  las 
S.  25 f.:  „Die  Meder,  nach  Herodot  ursprünglich  „Arier" 
genannt,  aber  mit  den  Euschitischen  Kolchiern  verbunden, 
waren  Iranier,  nämlich  über  Kuschiten  herrschende  Arier, 
welche  seit  ihrer  Eroberung  Babylons  Easdim  oder  Eroberer 
genannt  wurden.  Mit  diesen  Easdim  oder  Ealdäem  wohnten 
die  Vorfahren  Abrahams  in  Ur  zusammen.  Schon  daraus 
lässt  sich  schliessen,  dass  die  Hebräer  mit  den  Indiern  zu 
verbinden  sind,  nämlich  mit  den  vom  Hindu -Eusch  über 
Indien  nach  Mesopotamien  gezogenen  Japhetisch  -  Hamiti- 
sehen  Völkerschaften,  mit  den  Babyloniern,  dass  also  das 
die  Hebräer  mit  den  Medem  oder  Ealdäern  verbindende 
Volks -Element  das  Japhetisch -Hamitische  war.  Weil  das 
reine  Arisch  -  Japhetische  Element  in  Mesopotamien  wahr- 
scheinlich schon  vor  Abrahams  Zeit  mehr  oder  weniger 
zurückgedrängt  worden  war  durch  das  Ueberwiegen  des 
sicher  numerisch  stärker  vertretenen  Turanisch-Hamitischen 


*)  [Literarisched  Centralblatt  1876  S.  977—979.] 


300  KECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

Elementes^  deshalb  veranlasste  der  Regierungsantritt  Kedor- 
laomers  von  Elam  im  Lande  der  Kossäer  oder  Euschiten 
den  gleichzeitigen  Aufbruch  Abrahams  von  Haran.  Schon 
aus  ethnischen  Gründen  konnte  der  Arische  Hebräer-Häupt- 
ling die  bald  darauf  strategisch  wie  politisch  so  wichtige 
Fühlung  und  spätere  Verbindung  mit  den  in  Aegypten 
herrschenden  Hyksos  für  geboten  halten.  Sollte  das  durch 
Bildung  so  hervorragende  Arische  Element  auch  in  Zukunft 
eine  gebührende  Stellung  einnehmen  in  dem  Lande  zwischen 
dem  Euphrat  und  dem  Nil,  welches  der  Zankapfel  der  Zu- 
kunft zu  sein  bestimmt  war^  so  musste  Abraham  sogar  als 
Indier  den  Hjksos  als  Iraniern  sich  anschliessen.  Eedor- 
laomer  scheint  den  Plan  ins  Auge  gefasst  zu  haben,  in 
Verbindung  mit  den  Aegyptischen  Kuschiten  die  Hyksos  aus 
Aegypten  zu  vertreiben'^  Referent  las,  um  den  Schlüssel 
dieser  Räthsel  zu  erhalten,  zurück  und  fand,  dass  dem  Ver- 
fasser der  Semitismus  das  Product  einer  in  Babylonien  ein- 
gegangenen Verbindung  von  indisch-turanischem  Hamitismus 
und  iranischem  Japhetismus  ist:  „Nicht  nur  fand  eine  Ver- 
mischung der  Worte  beider  Sprachen  statt,  seit  der  Geburt 
978Sems  2458  v.  Gh.,  sondern  die  Grammatik  der  Iranischen 
Ealdäer  wurde  im  Laufe  der  Zeit  die  Grammatik  der  ge- 
mischten Mesopotamischen  Landessprache,  der  Sprache  der 
Eroberer  oder  Easidim  im  Lande  der  Ealdäer.  Allerdings  ist 
eine  solche  Umbildung  und  Uebertragung  einer  Grammatik 
auf  andere  Nationen  ohne  Beispiel  in  geschichtlichen  Zeiten, 
aber  eine  Umwälzung  wie  die  durch  die  sogenannte  Semiti- 
sirung  des  Westens  durch  den  Osten  herbeigeführte  lässt 
sich  mit  keinen  späteren  Umwälzungen  vergleichen"  (S.  IV). 
Die  „Geburt  Sems"  bezeichnet  den  Anfang  der  Semitisirung: 
die  Hebräer  waren  Hamiten,  die  in  Folge  der  japhetischen 
Eroberung  Babylons  Semiten  wurden.  Den  Eckstein  in  der 
Beweisführung  des  Verfassers  bildet  das  Jahr  2458,  in  welches 
nach  seinen  Berechnungen  der  Anfang  der  historischen  Dy- 
nastien des  Berossos  und  zugleich  Sems  Geburt  ßlllt:  es  ist 
ihm  der  feste  Punkt  in  der  biblischen  Zeitrechnung,  von 
dem  ab  sicher  nach  unten  gerechnet  werden  kann.     Auch 


BÜNSEN,  BIBLISCHE  GLEICHZEITIGKEITEN.  301 

die  Hjksos  waren  Tränier  und  semitisirten  die  Sprache  der 
hamitischen  Aegypter  (S.  III).  Referent  war  nunmehr  be- 
firiedigty  warf  noch  einen  scheuen  Blick  auf  die  in  Meso- 
potamien zur  Zeit  Abrahams  hausenden  „Jehovistisch-Irani^ 
sehen  und  Elohistisch- Indischen  Arier'^  der  folgenden  Seite, 
sowie  auf  die  Worte  ebendaselbst:  „wie  David  und  Jethro 
gehört  Melchisedeky  mit  dem  der  Davidssohn  Jesus  von 
Nazareth  direct  verbunden  ist,  zu  den  Jehovistischen  und 
Iranischen  Nicht-Hebräern^^  (S.  27),  und  schlug  das  Buch 
zu,  um  an  einem  anderen  Ende  desselben  einen  neuen  Ver- 
such zu  machen.  Er  las  nun  S.  72  ff.,  dass  der  Eonig  Artha- 
sastha,  unter  dem  Esra  nach  Jerusalem  kam,  Dareios  Hystaspis 
war,  dass  der  damalige  Hohepriester  Josua  mit  Jesus  Sirach 
identisch  und  auch  mit  seinem  eigenen  Ururenhel  Josua  Eines 
ist^  den  sein  Bruder,  der  Hohepriester  Johanan,  im  Tempel 
ermordete.  „Wurde^^,  heisst  es  S.  85,  „Josua  durch  einen 
gleichzeitigen  Hohenpriester  im  Tempel  ermordet,  so  liegt 
die  Annahme  nahe,  dass  der  Prophet  Sacharja,  dessen  Schütz- 
ling Josua  war,  ebenfalls  ermordet  wurde ^'.  „War^',  lesen 
wir  dann  S.  86,  „Josua  nicht  nur  der  Schützling  Serubabels 
und  Sacharjas,  sondern  auch  von  Bagoses,  dem  Assyrischen 
Heerführer  in  Samarien,  so  wird  dieser  ohne  Zweifel  Jeru- 
salem für  diesen  Mord  bestraft  haben*^  Schliesslich  heisst 
es  ebenda  von  Esra:  „Blieb  er  in  Jerusalem  bis  zur  Ankunft 
des  Bagoses,  so  wird  er  ohne  Zweifel  zu  dieser  Zeit  seinen 
Tod  gefunden  haben,  wie  Seroja  nach  der  Belagerung  von 
Nebukadnezar;  da  Esra  nicht  später  genannt  wird,  darf  dies 
angenommen  werden'^  Bestürzt  über  ein  Beweisverfahren, 
welches  zur  Folge  hat,  dass  das  Blut  von  Propheten  und 
Schriftgelehrten  wie  Böhrwasser  fliesst,  stellte  Referent  hier 
das  Weiterlesen  ein  und  schlug  auf  gut  Glück  S.  96  ff.  auf, 
um  hier  zu  seiner  Verwunderung  zu  lesen,  dass  wir  berechtigt 
seien,  die  Stelle  des  Lukasevangeliums  über  das  30.  Lebens- 
jahr Jesu  bei  seinem  Auftreten  als  ein  Einschiebsel  aus  dem 
dritten  oder  aus  späteren  Jahrhunderten  zu  betrachten;  der 
Verfasser  will  vielmehr  aus  Evang.  Joh.  2,  18 — 21  in  Ver- 
bindung mit  der  mündlichen  presbyterischen  Ueberlieferung 


302         EECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

bei  Iren.  Haer.  II,  22,  4 — 6  beweisen,  dass  Jesus  im  ersten 
Jahre  seiner  Lehrzeit  46  Jahre  alt  war.  Das  Gewicht, 
welches  wir  den  Verfasser  hier  auf  die  mündliche  Tradition 
legen  sehen,  wird  nicht  langer  aoffallen,  wenn  man  weiter 
liest  und  erföhrt,  dass  ihm  die  mündliche  Tradition  Quelle 
der  heiligen  Schriften  und  ihre  allmählige  Veröffentlichung 
der  Grund  der  Lehrentwickelung  in  denselben  ist;  seine 
eigenthümlichen  Ansichten  hierüber  sind  S.  114S1  eingehend 
entwickelt  Mit  dem  eigentlichen  Thema  steht  das  Alles  in 
so  gut  wie  keinem  Zusammenhange,  und  man  würde  es  nach 
dem  Ergebnisse  dieser  dreimaligen  Befragung  des  Stich- 
orakels einem  anderen  Sterblichen  verzeihen^  wenn  er  sich 
Yon  einer  wirklichen  Leetüre  des  Buches  dispensirt  hätte. 
Ein  Recenseni  kommt  nicht  so  billigen  Kaufes  daTon,  und 
so  will  denn  Referent  zur  Steuer  der  Wahrheit  bemerken, 
dass  in  dem  Buche  zwar  etwas  viel  von  Euschiten,  Hamiten, 
979Turaniem  und  Akkadiern  die  Rede  ist,  dass  aber  die  Ab- 
schnitte S.  34 — 51  und  57 — 72,  welche  den  Kern  der  syn- 
chronistischen Untersuchungen  des  Verfassers  und  das  ent- 
halten, was  man  nach  dem  Titel  des  Buches  zunächst 
erwartet,  weniger  wunderlich  als  das  sie  umrankende  Bei- 
werk, und  nicht  schlechter  und  nicht  besser  sind  als  das, 
was  man  auf  diesem  Gebiete  von  englischen  und  deutschen 
Assjriologen  geboten  zu  bekommen  längst  gewohnt  ist.  Der 
Anhang  enthält  neben  eigenen  Ausführungen  des  Verfassers 
Beiträge  von  Mr.  Basil  Cooper  über  das  Jahr  der  Thron- 
besteigung des  Königs  Tuthmosis  III.  (S.  130  ff.)  und  über  die 
Mitregentschaft  von  Psusennes  II.  und  Sesonchis  I.  (S.  139  ff.), 
von  Mr.  Sayce  über  Dajukku  oder  Deiokes  (S.  142  f.). 


MENDELSSOHN,  DE  SENATI  CONSDLTIS  APÜD  JOSEPHüM.    303 


5.*) 

Hendelssolin,  Dr.  Lndw.,  De  senati  consultis  Roinanoruml269 
ab    Josephe    Antiq.    XIII,  9,  2;    XIV,  10,  22    relatis 
commentatio.      (Leipziger    Habilitationsschrift.)      1874. 
(36  p.  8^.)**) 

Es  ist  das  grosse  Verdienst  Ritschis,  das  Stadium  der 
lange  Zeit  arg  vernachlaiBsigten,  in  Josephos'  Jüdischen  Alter- 
thümem  enthaltenen  Urkunden  wieder  angeregt,  in  der  Ab- 1260 
handlung  „Eine  Berichtigung  der  republicanischen  Consular- 
fasten''  im  Neuen  Rheinischen  Museum  XXVIII  (1873) 
S.  586  —  614  den  Weg  gezeigt  und  zu  eingehender  epi- 
graphischer, philologischer  und  historischer  Untersuchung 
derselben  einen  Schüler  veranlasst  zu  haben,  der  seine  Be- 
fahigung  hierzu  bereits  in  der  Promotionsschrift  De  senatus 
consulti  Romanorum  ab  Josepho  Antiq.  XIV,  8,  5  relati 
temporibus  commentatio  (Lipsiae  1873.  8^.)  an  den  Tag 
gelegt  hatte.  Die  letztere  Urkunde,  bei  Josephos  unter  die 
auf  Hyrkanos  II.  bezüglichen  Actenstücke  gerathen,  war 
vom  Verfasser  als  mit  der  I.  Macc.  15,  16  —  23  erwähnten 
identisch  nachgewiesen  und  demgemäss  auf  den  Hohen- 
priester Simon  und  das  Jahr  139  bezogen  worden.  Die 
in  der  vorliegenden  Habilitationsschrift  besprochenen  zwei 
Senatsbeschlüsse  setzt  der  Verfasser  beide  in  das  Jahr  133 
und  bringt  sie  mit  dem  Kriege  des  Antiochos  VII.  von  Side 
gegen  die  Juden  unter  Johannes  Hyrkanos  I.  in  Verbindung. 
Der  auf  Poseidonios  zurückgehende  Bericht  über  das  Ende 
dieses  Krieges  bei  Josephos  geht  dahin,  Antiochos  habe 
nach  längerer  Belagerung  von  Jerusalem  aus  tvaißaia  sich 
damit  begnügt,  den  Juden  gegen  einen  für  den  Besitz  von 

*)  [Literarisches  Centralblatt  1874  S.  1259—1266.] 
**)  [Diese  Schrift  bildet  ebenso  wie  die  von  Gutsohm  id  im  Ein- 
gange erwähnte  Promotionsschrift  einen  Theil  der  Abhandlung  ^Senati 
consnlta  Bomanomm,  qnae  sunt  in  Josephi  Antiquitatibns :  disposuit 
et  enarravit  Lndovicus  Mendelssohn'  in  den  Acta  societatis  philologae 
Lipsiensis  V  S.  87—288.    F.  B.] 


304  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

Joppe  .und  den  angrenzenden  Städten ,  deren  Wegnahme 
durch  die  Juden  den  Anlass  zum  Kriege  gegeben  hatte ,  zu 
entrichtenden  Tribut,  Zahlung  von  500  Talenten  und  Stellung 
von  Geiseln  (unter  denen  der  Bruder  des  Hyrkanos)  den 
Frieden  zu  gewähren,  und  sei  nach  Einreissung  der  Zinnen 
der  Stadtmauer  abgezogen.  Der  Verfasser  bemerkt  mit 
Recht;  dass  die  svödßsia  des  Königs  unmöglich  das  wahre 
Motiv  der  Gewährung  von  der  ganzen  Sachlage  nach  un- 
erwartet günstigen  Bedingungen  an  die  Juden  gewesen  sein 
könne,  und  findet  dieses  vielmehr  in  einer  diplomatischen 
Intervention  der  Romer,  von  welcher  uns  die  zwei  Senatus- 
consulte  Kunde  gäben:  ein  erstes,  von  Joseph os  A.  J.  XIIX, 
9,  2  an  der  richtigen  Stelle  mitgetheiltes,  in  welchem  die 
Juden  mit  ihren  Bitten,  die  Römer  möchten  ihnen  Joppe 
und  Gazara  mit  Zubehör,  das  sie  im  Kriege  mit  Antiochos 
verloren ,  wiederverschaffen ,  im  Wesentlichen  abgewiesen 
werden,  ein  zweites,  in  einem  Decrete  der  Pergamener  ent- 
haltenes und  von  Josephos  A.  J.  XIY,  10,  22  fälschlich  auf 
Hyrkanos  IL  bezogenes,  in  welchem  der  Senat,  auf  die 
Bitten  der  Juden  eingehend,  beschliesst,  dass  König  Antio- 
<3hos,  Sohn  des  Antiochos,  die  Juden  in  Ruhe  lassen,  dass 
Castelle,  Häfen  und  Land,  und  was  er  sonst  noch  den  Juden 
weggenommen,  ihnen  zurückerstattet  werden,  dass  ihm  die 
Ausfuhr  aus  den  (occupirteä)  Häfen  verboten^),  den  Juden 
dagegen  die  Erhebung  eines  Ausfuhrzolles  erlaubt  sein  sollte, 
von  dem  nur  zu  Gunsten  des  alexandrinischen  Königs  Ptole- 
mäos  als  eines  Freundes  und  Bundesgenossen  des  römischen 
Volkes  eine  Ausnahme  gemacht  wird,  und  endlich,  dass  man 
die  (syrische)  Besatzung  von  Joppe  entfernte.  Ist  „Antiochos 
Sohn  des  Antiochos'^  richtig,  so  kann  allerdings  nur  Antio- 
chos IX.  von  Kyzikos  gemeint  sein,  und  die  Urkunde  gehört 
in  die  letzte  Zeit  des  Hyrkanos  L,  zwischen  114—105;  allein 
der  Verfasser  sucht  zu  zeigen,  dass  sie  sich  mit  der  damaligen 

1}  Referent  kann  es  nicht  über  sein  philologisches  Gewissen 
bringen,  in  den  Worten  xal  firj  i^ij  a^rcöf  (oder  avtoCg)  i%  tmv  Ufii- 
vcDv  i^dytiv  das  in  den  besten  Handschriften  überlieferte  fiiq  einfach 
zu  streichen,  schlägt  vielmehr  vor,  avr(ofr  in  avrm  zu  verwandeln. 


MENDELSSOHN,  DE  SENATI  CONSÜLTIS  APÜD  JOSEPHüM.    305 

Situation  durchaus  nicht  vertrage^  sich  dabei  wesentlich  auf 
die  Aussage  des  Josephos  A.  J.  XIII^  10^  1  stützend,  dass 
HyrkanoB  nach  dem  Tode  des  Antiochos  von  Side  von  den 
Seleukiden  abgefallen  sei  und  seine  Angelegenheiten  nament- 
lich zur  Zeit  der  Brüder  Antiochos  VIII.  von  Aspendos  und 
Antiochos  IX.  von  Eyzikos  einen  grossen  Aufschwung  ge- 
nommen hatten ;  ohne  dass  er  nothig  gehabt,  sich  um  die 
beiden  feindlichen  Brüder  irgendwie  zu  kümmern:  er  will 
also  6  ßaöiXsvg  ^Avxioxov  vtog  entweder  mit  Bitschi  in  6 
ßaöiXevg  ^tiiiriVQiov  vtog  ändern  oder  darin  nach  einem 
Vorschlage  des  Referenten*)  eine  falsche  Uebersetzung  von 
rex  Antiochinus  sehen. 

Diese  im  Wesentlichen  schon  von  Ritschi  a.  a.  0.  XXYÜI 
S.  606.  610f.  skizzirten  Combinationen  sind  in  hohem  Gradel26i 
ansprechend;  so  sicher,  wie  sie  dem  Verfasser  scheinen,  sind 
sie  nicht,  und  Referent  hatte  jenen  Erklärungsversuch  von 
*Avri6xov  vtog  auch  nur  als  einen  Fingerzeig  gegeben,  der 
eine  Losung  im  Sinne  des  Verfassers  zu  erleichtern  geeignet 
wäre,  nicht  als  einen,  der  seine  eigene  Ueberzeugung  wieder- 
gäbe. Im  Grunde  genommen  spricht  für  den  Verfasser  nur 
ein,  allerdings,  wie  wir  gern  zugeben,  schwerwiegender  ' 
Grund:  dass  sich  so,  was  wir  über  Joppe  wissen,  am  un- 
gezwungensten in  einen  passenden  Zusammenhang  bringen 
lässt  Dass  derselbe  Apollonios  Sohn  Alexanders  beidemal 
unter  den  nach  Rom  geschickten  jüdischen  Gesandten  er- 
scheint, kann,  da  beide  Urkunden,  auch  wenn  man  an  der 
Ueberlieferung  festhält,  doch  höchstens  15  —  20  Jahre  aus- 
einanderliegen, weder  dafür  noch  dawider  geltend  gemacht 
werden.  Die  etwas  spitzfindige  Auseinandersetzung  aber 
(S.  19  f.),  warum  der  alexandrinische  König  Ptolemäos,  zu 
Gunsten  dessen  die  Romer  eine  Ausnahmestipulation  in  den 
zweiten  Senatsbeschluss  aufnehmen,  nicht  Ptolemäos  Soter  IL, 
sondern  nur  Ptolemäos  Euergetes  IL  sein  könne,  da  doch 
alle  Lagiden  seit  Ptolemäos  Epiphanes  Freunde  und  Bundes- 
genossen des  römischen  Volkes  waren,  bekennen  wir  ofifen, 

*)  [Mitgetheilt  von  Mendelssohn  in  den  Acta  BOcietatiB  philologae 
LipsienBÜ  Y  S.  140.    F.  B.] 

▼.  OuTBCHViD,  Kleine  Schriften.   II.  20 


306  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

nicht  zu  verstehen.  Die  gewaltsame  Beseitigung  von  ^Jvtioxov 
vCog  nöthigt  zu  weiteren  Gewaltthätigkeiten.  Der  Hypothese 
des  Verfassers  wird  nämlich  ohne  Weiteres  der  Boden  unter 
den  Füssen  entzogen,  wenn  die  überlieferte  Verbindung  des 
zweiten  Senatsbeschlusses  mit  dem  Pergamenischen  Psephisma 
richtig  ist;  denn  in  diesem  erscheinen  die  Pergamener  als 
autonome,  mit  Rom  verbündete  Gemeinde,  was  weder  unter 
dem  letzten  Attalen,  noch  viel  weniger  aber  zur  Zeit  des 
Aristonikos  möglich  war,  sondern  mit  vollkommener  Sicher- 
heit auf  die  Zeit  nach  129  hinweist.  Der  Verfasser  ver- 
muthet  nun,  dass  das  Pergamenische  Psephisma  sich  auf 
einen  zu  Gunsten  der  jüdischen  Cultusfreiheit  von  Hyr- 
kanos  IL  in  Rom  erwirkten  Senatsbeschluss  beziehe  und 
diesem  durch  ein  Versehen  des  Josephos  oder,  wie  der  Ver- 
fasser S.  34  wenig  wahrscheinlich  annimmt,  eines  späteren 
Redactors  eine  andere  Urkunde  aus  der  Zeit  des  Hjrkanos  I. 
substituirt  worden  sei,  und  stützt  diese  Vermuthung  mit 
Geschick  und  Scharfsinn  auf  den  Umstand,  dass  wider  Er- 
warten nicht  einer  der  fünf  nach  Rom  geschickten  jüdischen 
Gesandten,  sondern  ein  Theodoros  die  Sache  der  Juden  in 
Pergamos  führt  Von  geringem  Gewichte  ist  ein  anderer 
von  ihm  geltend  gemachter  Umstand,  dass  die  Worte  Tva 
(pQovtC6(oiJLav  tavta  ovrcag  yCvB0^ai  xa^mg  ij  övyTckritog 
idoy^drtöe  jetzt  beziehungslos  seien:  die  Clausel  Iva  xa  fiij- 
dalg  ataXrlg  ^  rfjg  ^lovSalcDv  xcigag  iq  täv  ki^ivcDV  avtäv 
il^dyov  ßaötksvg  ^  drj^og  war  allerdings  eine  solche,  die 
auch  die  Pergamener  betraf  und  der  nachzukommen  sie  sich 
ausdrücklich  zu  verpflichten  hatten.  Die  Verwechselung,  zu 
deren  Annahme  sich  der  Verfasser  genothigt  sieht,  ist  aber 
doch  etwas  ganz  Anderes,  als  wenn  gelegentlich  bei  Josephos 
Urkunden,  die  sich  auf  Hyrkanos  I.  beziehen,  unter  solche 
des  Hyrkanos  IL  gerathen  sind,  oder  eine  Urkunde,  die  als 
Anlage  zu  einer  anderen  gegeben  war,  von  dieser  getrennt 
worden  ist;  hier  handelt  es  sich  um  eine  Urkunde,  die  mitten 
in  einer  anderen  steht,  gar  nicht  wörtlich  reproducirt,  son- 
dern deren  Inhalt  nur  in  Genitivis  absolutis  dieser  anderen 
einverleibt  ist.    Und  Josephos  oder,  wie  wir  behaupten,  der 


MENDELSSOHN,  DE  SENATI  CONSÜLTIS  APÜD  JOSEPHüM.    307 

Publicist,  dem  er  alle  diese  Doeumente  entnommen  hat, 
sollte^  ganz  gegen  seine  sonstige  Gewohnheit,  sich  dieser 
mühsamen  Zurechtmachung  unterzogen  und,  wenn  er  es 
that,  nicht  einmal  gemerkt  haben ,  dass  ein  Schriftstück,  in 
dem  ein  Krieg  mit  einem  Antiochos  Sohn  des  Antiochps 
vorkommt,  sich  nicht  auf  Hjrkanos  U.  beziehen  kann?  Das 
ist  so  unwahrscheinlich  wie  möglich;  es  blieb  nur  übrig, 
anzunehmen,  dass  die  Verwechselung  schon  im  Pergameni- 
schen  Archive  vor  sich  gegangen  wäre.  Zu  dieser  aus  der 
Ueberlieferung  resultirenden  Schwierigkeit  gesellt  sich  eine 
weitere  aus  dem  Inhalte  der  Urkunde  selbst.  Am  Schlüsse 
derselben  findet  sich  der  wunderliche  Hinweis  auf  die  Freund- 
schaft ihrer  Vorfahren  mit  den  Hebräern  zu  Abrahams  Zeiten 
und  die  womöglich  noch  wunderlichere  Berufung  auf  die  esl262 
bescheinigenden  dtiiioöia  y(f(i(A[iata,  Den  Anlass  dazu  gab, 
denken  wir,  eine  Gleichsetzung  der  Eeteier  des  Eurypylos 
(Od.  X,  521)  mit  den  Chettäem,  die  zu  Abraham  „lieber 
Herr^'  sagten  und  vor  denen  dieser  sich  bückte  als  dem 
Volke  des  Landes  (Gen.  23,  3  ff.),  und  diplomatische  Höflich- 
keit mag  dem  Einfalle  eines  hellenisirenden  Juden  eine 
Stelle  in  der  den  Juden  zu  Liebe  ausgefertigten  Urkunde 
vergönnt  haben.  Wer  denkt  dabei  nicht  an  die  bei  Gelegen- 
heit des  Verkehres  zwischen  Sparta  und  dem  Hohenpriester 
Jonathan  gemachte  und  auch  da  wieder  durch  eine  ältere 
Urkunde  belegte  Entdeckung^),  dass  die  Spartiaten  Brüder 
der  Juden  und  vom  Geschlechte  Abrahams  seien  (L  Macc. 
12,  5  —  23)?  So  isolirt  die  beiden  Geschichten  stehen,  die 
eine  stützt  die  andere.  Es  begreift  sich,  wie  unter  dem 
frischen  Eindrucke  des  Freiheitskampfes  und  des  achtungs- 
werthen  politischen  Aufschwunges  der  Juden  unter  den 
ersten  Hasmonäem  solche  Concessionen  an  den  jüdischen 
Ideenkreis   gemacht   werden    konnten:    unter   Hyrkanos  U., 


1)  Vermittelt,  meine  ich,  darch  den  Anklang  von  Eedma,  lamaels 
jüngstem  Sohne  (Gen.  25,  15),  an  Lakedämon;  wer  die  Art  kennt,  wie 
die  Juden  vergleichende  Ethnographie  betrieben  und  an  Sepharad  «> 
Bosporos,  Edom  <=»  Rom  und  Aehnliches  denkt,  wird  nns  beistimmen, 
dass  die  Sache  sich  so  am  einfachsten  zurechtlegen  lässt. 

20* 


308  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

nachdem  die  Hasmonäermacht  in  Staab  gesunken  und  die 
Juden  nichts  mehr  waren  als  die  despeciissima  pars  servien- 
tium,  die  sich  noch  obendrein  mittlerweile  durch  den  grau- 
samen Ausrottungskrieg  gegen  ihre  hellenistischen  Nachbarn 
den  Abscheu  der  gesammten  griechischen  Welt  zugezogen 
hatte,  konnte  unmöglich  noch  eine  griechische  Gemeinde  auf 
den  Einfall  kommen,  sich  so  compromittirender  Beziehungen 
zu  berühmen.  Wir  werden  also  för  das  Pergamenische  Pse- 
phisma  mit  Nothwendigkeit  auf  dieselbe  Zeit  zurückgeführt, 
in  die  auch  der  eingelegte  Senatsbeschluss  gehört,  und  wer- 
den die  in  der  Urkunde  noch  übrig  bleibenden  Unebenheiten, 
statt  mit  dem  Verfasser  den  Knoten  zu  zerhauen,  vielmehr 
auf  Rechnung  der  vom  Gewährsmanne  des  Josephos  vor- 
genommenen Kürzungen  setzen,  durch  die  in  so  vielen 
anderen  Fällen  der  Zusammenhang  verdunkelt  worden  ist.*) 
Ist  wirklich  die  politische  Situation,  welche  der  zweite 
Senatsbeschluss  voraussetzt,  mit  der  Zeit  zwischen  114 — 105 
so  unvereinbar,  wie  der  Verfasser  behauptet?  Da  muss  denn 
gleich  constatirt  werden,  dass  Josephos  die  allgemein  ge- 
haltene Angabe,  Hyrkanos  habe  sich  nach  dem  Tode  des 
Antiochos  von  Side  um  die  Seleukiden  nicht  im  Geringsten 
mehr  zu  bekümmern  gebraucht,  durch  seine  eigene  weitere 
Erzählung  nicht  unerheblich  modificirt;  Antiochos  von  Kyzikos 
verwüstet  Judäa,  als  aber  Hyrkanos  sieht,  dass  Antiochos  von 
seinen  ägyptischen  HfJ.lf svölkern  verlassen  und  durch  den  Krieg 
mit  seinem  Bruder  geschwächt  ist,  geht  er  zur  Offensive  über 
und  belagert  Samaria;  Antiochos  eilt  zum  Entsatz  herbei, 
wird  in  einer  entscheidenden  Schlacht  von  den  Söhnen  des 
Hyrkanos  geschlagen,  intervenirt  ein  zweites  Mal,  muss  aber, 
da  es  ihm  nicht  gelingt,  durch  Verwüstung  des  Landes  die 
Juden  von  Samaria  abzuziehen,  schliesslich  die  Samaritaner 
ihrem  Schicksale  überlassen.  Alexander  Jannäos  stand  ganz 
anders  mächtig  da,  als  sein  Vater  Hyrkanos;  und  doch  kann 
noch  unter  ihm  Demetrios  HI.  in  den  von  den  Pharisäern 

*)  [Vgl.  dazu  Mendelssohns  AnsfAhrungen  in  den  Acta  societatis 
philologae  Lipsiensis  Y  S.  287  nnd  im  Rheinischen  Mosenm  N.  F. 
Bd.  XXX  (1876)  S.  118  ff.    F.  R.] 


MENDELSSOHN,  DE  SENATI  CONSULTIS  APÜD  JOSEPHÜM.    309 

angezettelten  Bürgerkrieg  eingreifen  und  bei  Sichern  dem 
Jannäos  eine  völlige  Niederlage  beibringen;  ja  noch  der 
letzte  Seleukide  Antiochos  XII.  Dionysos  ist  stark  genüge 
die  Befestigungswerke^  die  Jannäos  zum  Schutze  gegen  ihn 
von  Chabarzaba  bis  Joppe  aufgeführt,  zu  durchbrechen  und 
mitten  durch  Judäa  hindurch  gegen  die  Araber  zu  mar- 
schiren.  So  auffallig  diese  militärische  Superiorität  bei  der 
notorischen  politischen  Ohnmacht  dieser  letzten  Seleukiden 
ist;  sie  erklärt  sich  daraus,  dass  diese  sich  unvermerkt  in 
Gondottieri  verwandelt  hatten ,  die  mit  ihren  Soldnerheeren 
der  Sache  der  mächtigen  hellenistischen  Städte  dienten:  so 
kommt  es,  dass  sie  bald  als  Herren  ohne  Land  eine  precäre 
Existenz  führen,  bald  wieder,  wo  Lebensinteressen  der  Städte 
ins  Spiel  kommen,  mit  ungewöhnlichem  militärischen  Nach- 1263 
drucke  einzugreifen  im  Stande  sind.  Ein  solches-  Lebens- 
interesse  aber  war  der  Kampf  gegen  die  Juden,  von  denen 
die  Städte  in  ihrer  Existenz  bedroht  waren,  und  so  un- 
gleich wie  zu  den  Zeiten  des  Jannäos  stand  der  Kampf 
einige  20  Jahre  früher  noch  keineswegs;  erst  der  seit  112 
*  ununterbrochen  wüthende  Bruderkrieg  hat  die  Machtverhält- 
nisse so  sehr  zu  Ungunsten  der  Seleukiden  verschoben. 
Freilich  behauptet  der  Verfasser  S.  17,  nimmermehr  habe 
Antiochos  von  Kjzikos  den  Juden  Gastelle,  Häfen  und  Land 
wegnehmen  können,  er,  den  Hjrkanos  bei  blosser  Yerwüstuif^ 
des  Landes  mit  so  leichter  Mühe  zu  vertreiben  vermocht 
habe,  und  die  flehiles  querelae  der  Juden  in  Rom  setzten 
eine  ganz  andere  Nothlage  voraus.  Dass  die  Juden  selbst 
die  Gefahr  als  eine  keineswegs  geringe  angesehen  haben, 
ergiebt  sich  daraus,  dass  sie  dem  Hyrkanos  den  Sieg  seiner 
Sohne  durch  ein  göttliches  Gesicht  offenbart  werden  liessen; 
und  wir  sehen  nicht  ein,  warum  die  Juden  nicht  bei  der 
ersten  von  Josephos  erwähnten  „Verwüstung  des  Landes'^,  als 
Antiochos  von  Kyzikos  noch  von  ägyptischen  Hülfsvölkem^) 

1)  Das  Bind  nicht  Truppen  des  Ptolemäoe  Soter  IL,  der  sich  erst 
später  während  der  Belagerung  von  Samaria  zu  Gunsten  des  Antiochos 
einmischte,  sondern  es  sind  die,  welche  diesem  seine  Frau  Kleopatra 
aus  Cypem  zugeführt  hatte  (Just  XXXIX,  3,  3). 


310  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

unterstützt,   durch   den  Bruderkrieg  noch  nicht  geschwächt 
und  Hyrkanos  noch  in  der  Defensive  war,  die  in  dem  zweiten 
Senatsbeschlusse  erwähnten  Einbussen  erlitten  haben  können. 
Von  einer  besonderen  Kläglichkeit  des  jüdischen  Schmerzens- 
Schreies  finden   wir  in  der  Urkunde  nichts;  und  wer  kann 
sich  darüber  wundern,  dass  Hyrkanos  den  Versuch  machte, 
durch   ProYOcirung   einer   diplomatischen   Intervention   dem 
nichts   weniger    als   ungeßLhrlichen   Gegner   Einhalt   zu   ge- 
bieten?   Man  darf  nicht  vergessen,  dass  unsere  Geschichts- 
Überlieferung   über   diese  Zeiten   ungleich    spärlicher  fiiesst, 
als  über  die  des  Antiochos   von   Side,   dass   also  hier  eine 
Ergänzung    derselben    aus    der    Urkunde    verhältnissmässig 
leichter   ist.     Auch   noch    in   einer   anderen  Beziehung  entr 
spricht  diese  gut  den  Zeitverhältnissen.    Hyrkanos  hat  nach 
dem  Tode  des  Antiochos  von  Side  zahlreiche  Städte  erobert, 
die  Josephos  A.  J.  XIII,  9,  1  aufzählt;   darunter   ist   nicht 
eine  einzige  Eüstenstadt,  gegen  diese  hat  erst  Jannäos  seine 
Waffen  gekehrt.    Die  Natur  hat  zwischen  dem  palästinischen 
Küstenlande  und  dem  hochgelegenen  Binnenlande  eine  scharfe 
Scheidewand  gezogen.    Es  begreift  sich,  dass  die  Hasmonäer 
darauf  bedacht  waren,   belehrt  durch   den   Misserfolg  unter 
Antiochos   von   Side,   vorerst   im   Innern   ihre   Macht  abzu- 
runden und  völlig  sicherzustellen,  und  dann  erst,  jene  natür* 
iFche  Schranke  überschreitend,  gegen  die  Eüstenstädte  vor- 
gingen,  deren   Bedrohung   mit   Noth wendigkeit   auswärtige 
Verwickelungen  zur  Folge  haben  musste.     Der  Versuch  des 
Hyrkanos,  auf  diplomatischem  Wege  Joppe  wiederzuerlangen, 
geht,  auf  die  Zeit  des  Antiochos  von  Kyzikos  bezogen,  den 
gegen  die  Küste  gerichteten  Eroberungskriegen  seines  Sohnes 
Jannäos  nur  um  ein  Weniges  voran,  was  gewiss  der  über- 
lieferten Datirung  der  Urkunde  nur  zur  Empfehlung  gereicht 
Dass  von  einer  diplomatischen  Intervention  der  Römer 
die  Urkunde  selbst  uns  die  einzige  Kunde  giebt,  hat  etwas 
Auffälliges,   namentlich   wenn   die   Intervention    erfolgreich 
war.    Immerhin  kann  man  es  auf  Rechnung  unserer  mangel- 
haften Ueberlieferung  setzen.     Dass   eine  Intervention,   die 
unter  den  vom  Verfasser  angenommenen  Umständen  erfolgte 


MENDELSSOHN,  DE  SENATl  CONSüLTIS  APÜD  JOSEPHüM.    311 

und  dem  Äntiochos  von  Side  in  einer  der  des  Antiochos 
Epiphanes,  als  ihm  Popilius  Länas  vor  Alexandrien  Halt 
gebot,  völlig  analogen  Situation  die  Früchte  seiner  Siege 
verkümmerte  y  in  unserer  hier,  wie  gesagt,  viel  reichlicher 
fliessenden  Tradition  gänzlich  verschollen  sein  sollte,  ist 
schon  recht  unwahrscheinlich;  es  ist  nicht  richtig,  dass,  wie 
der  Verfasser  S.  7  behauptet,  auch  der  Bericht  des  Por- 
phjrios  wie  die  übrigen  auf  Poseidonios  zurückgeht:  er 
weicht  völlig  ab  von  Josephos  und  Diodor.  Dass  aber  eine 
so  geartete  Intervention,  um  so  bemerkenswerther  als  einzigei264 
eclatante  Ausnahme  in  einer  Zeit,  da  die  Romer  längst 
gewohnt  waren,  den  Orient  sich  selbst  zu  überlassen,  einem 
sorgfältigen  und  in  römischen  Dingen  anerkannt  vortrefflich 
unterrichteten  Historiker  wie  Poseidonios  vollkommen  un- 
bekannt geblieben  sein  sollte,  auf  den  doch  der  Bericht  von 
der  svöißeia  des  Königs  unzweifelhaft  zurückgeht,  das  ist 
Dicht  unwahrscheinlich,  sondern  unmöglich  und  würde  in 
unseren  Augen  allein  genügen,  des  Verfassers  Hypothese 
hinfällig  zu  machen.  Auch  wir  sehen  in  jener  svöißsia  nur 
ein  vorgeschobenes  Motiv:  war  denn  aber  die  Situation  in 
der  That  eine  solche,  dass  nur  ein  Druck  von  Aussen  die 
glimpflichen  von  Antiochos  den  Juden  gewährten  Friedens- 
bedingungen erklärt?  waren  diese  überhaupt  in  der  Sache 
so  glimpflich  wie  in  der  Form?  Da  ist  es  nun  nicht  wahr, 
was  der  Verfasser  S.  6  behauptet,  dass  der  Krieg  von  An- 
tiochos von  Side  nur  um  der  Wiedergewinnung  von  Joppe 
willen  unternommen  und  somit  der  Hauptzweck  nicht  er- 
reicht worden  sei.  Der  Krieg  hatte  die  Forderung  des 
Königs,  die  Juden  sollten  für  Joppe  und  Gazara,  wenn  sie 
diese  Städte  nicht  wieder  herausgeben  wollten,  500  Talente 
Tribut  zahlen,  während  sie  sich  nur  zu  100  Talenten  ver- 
stehen wollten,  zum  Anlass,  und  diese  ursprüngliche 
Forderung  ist  auch  im  Frieden  durchgesetzt  worden.  Der 
wahre  Zweck  des  Krieges  war,  die  Juden,  die  sich  unter 
seinem  elenden  Vorgänger  gänzlich  unabhängig  gemacht 
hatten,  von  Neuem  zur  Anerkennung  der  syrischen  Ober- 
hoheit zu  zwingen,  nachdem  er  vorher  militärisch  ihre  Macht 


312  RECBNSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

gebrochen   und   genügende   (rarantien   dafür    erlaugt   haben 
würde^  dass  diese  Anerkennung  keine  blosse  Form  bliebe. 
Diesen  Zweck  hat  Antiochos  glücklich  erreicht:  Entwaffiiung 
der  Besatzung  von  Jerusalem  ^  Stellung  von  Geiseln  ^  unter 
denen   der   Bruder    des   Hohenpriesters  ^    Zahlung   von   500 
Talenten ;    Einreissung    der   Mauern   von   Jerusalem^);    das 
waren  Bedingungen^   die  die  Juden  auch  für  die  Folgezeit 
völlig   in   seine  Hand   gaben.     Wer   in  der  Hauptsache   so 
Grosses  erreicht  hatte,  der  konnte  schon  in  einem  Neben- 
punkte eine  Concession  machen,  die  geeignet  war,  die  Be- 
siegten seiner  Sache  und  den  grossen  Plänen,  die  er  verfolgte, 
geneigter  zu  machen,  und  die  Rückgabe  von  Joppe  gegen 
den  ursprünglich  ausbedungenen  Tribut  den  Juden  gewähren. 
Im  Uebrigen   musste   Antiochos   in   der   ganzen  politischen 
Lage  Grund  genug  finden,  die  Dinge  den  Juden  gegenüber 
nicht  auf  das  Aeusserste   zu   treiben    und   namentlich  (was 
viel  wichtiger  war,  als  der  Joppe  betreffende  Punkt)  nicht 
auf  der  Aufnahme  einer  syrischen  Besatzung  in  der  Akra 
von  Jerusalem  zu  bestehen.     Zwar  die  platonische  Freund- 
schaft der  Römer   für  die  Juden  war  mehr  unbequem  als 
bedrohlich;  aber  der  Zustand  des  syrischen  Reiches  drängte 
zu   einem   raschen  Abschlüsse:   erst   ganz   kürzlich   war   es 
Antiochos    gelungen,    nach   jahrelangem   Bürgerkriege   den 
Usurpator  Tryphon  zu  überwältigen   und   die  Reichseinheit 
wenigstens    in    Syrien    wiederherzustellen,    aber    im    Osten 
griffen  die  Parther  immer  weiter  um  sich,  jeden  Augenblick 
musste  Antiochos  gewärtig  sein,  dass   sein  elender  Bruder 
Demetrios  H.,  von  den  Parthern  seiner  Haft  entlassen,  zurück- 
kehrte ,    und    den    Bürgerkrieg    wieder    nach   Syrien    trug ; 
das  letzte  Ziel  seiner  energisch  und  umsichtig  betriebenen 
Restaurationspolitik    musste    die   Zurückwerfung    der    über- 
mächtigen Parther  sein,  und  für  dieses  galt  es,  die  eigenen 
Kräfte  möglichst  zu  sparen,  andererseits  alle  militärisch  in 

1)  Diese  bezeugt  der  aus  Poseidonios  schöpfende  Diodor  so  gut 
wie  der  unabhängige  Porphyrios;  wahrscheinlich  also  hat  Josephos, 
der  nur  von  einem  Einreissen  der  Zinnen  redet ,  den  Berioht  des 
Poseidonios  absichtlich  abgeschwächt. 


MENDELSSOHN,  DE  SENATI  CONSÜLTIS  APÜD  JOSEPHüM.   313 

Betracht  kommenden  Factoren  seines  Reiches  für  den  grossen 
Zweck  Terfflgbar  zu  machen.  Antiochos  konnte  aus  der 
bisherigen  hartnäckigen  Yertheidignng  von  Jerusalem  ent- 
nehmen^ dass  die  Jaden  den  Widerstand  bis  an  die  änsserste 
Grenze  des  Möglichen  yerlängem  wQrden,  ehe  sie  sich  eine 
heidnische  Besatzung  gefallen  liessen^  und  war  zu  einsichtig^ 
um  sich  nicht  zu  sagen,  dass  die  Aufnothigung  einer  solchen 
in  Kurzem  den  Religionskrieg  wieder  anfachen  musste,  deri266 
während  des  letzten  Menschenalters  der  syrischen  Macht  so 
schwere  Wunden  geschlagen  hatte.  Er  erreichte  mit  seiner 
von  der  Lage  des  Reiches  erforderten  Mässigung^  die  er  den 
Juden  gegenüber  lediglich  als  Ausfluss  seiner  evöißsta  dar- 
zustellen wusste.  Alles,  was  überhaupt  erreichbar  war:  ausser 
der  Unterwerfung  der  Juden  auch  noch  ihre  Unterstützung 
in  dem  bevorstehenden  Partherkriege. 

Ist  denn  aber  die  Rückgabe  von- Joppe  wirklich  erfolgt? 
Dass  Ajitiochos  es  sammt  Gazara  im  Laufe  des  Krieges  den 
Juden  entrissen  hatte,  wissen  wir  aus  dem  ersten  Senats- 
beschlusse.  Wir  haben  Freiheit,  in  welche  Zeit  wir  diesen 
setzen  wollen,  da  die  Datirung  des  Josephos,  der  ihn  gleich 
nach  dem  Tode  des  Antiochos  von  Side  ansetzt,  nur  seine 
eigene  Ansicht  wiedergiebt,  und  an  sich  wäre  aus  histori- 
schen Gründen  nichts  dagegen  zu  erinnern,  wenn  die  Ur- 
kunde mit  dem  Verfasser  mitten  in  den  Krieg  zwischen 
Antiochos  und  Hyrkanos  verlegt  würde:  sie  enthält  keine 
sichere  Andeutung,  dass  Antiochos  schon  todt  war.  Aber 
freilich  ebensowenig  eine  vom  Gegentheile;  und  durchweg 
wird  auf  den  Krieg  als  auf  einen  zu  einem  Abschlüsse  ge- 
kommenen Bezug  genommen,  namentlich  der  Wendung,  die 
von  Antiochos  xata  tbv  TtoXs^iov  iocstvov  getroffenen  Ver- 
fügungen sollten  ungültig  sein,  kann  die  Diplomatie  sich 
unmöglich  bedient  haben,  während  die  Kriegsereignisse  noch 
ihren  Lauf  nahmen.  Ist  dies  festgestellt,  so  folgt  aus  der 
ganzen  politischen  Situation  von  selbst,  dass  die  Auffassung 
des  Josephos  die  allein  richtige  ist;  gehört  aber  der  Senats- 
beschlass  in  die  Zeit  unmittelbar  nach  dem  Tode  des  An- 
tiochos  von   Side   (Frühjahr   128),   so    ist   die   Zusf^e   der 


314  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

Rückgabe  von  Joppe  nicht  erfüllt  worden.  Daraus  ergiebt 
sich  dann  sofort  die  weitere  Consequenz^  dass  der  Antiochos 
der  zweiten  Urkunde  ein  späterer  sein  muss  als  Antiochos 
von  Side;  denn  darin  hat  der  Verfasser  unzweifelhaft  Recht^ 
dass  die  Zeitfolge  beider  Senatsbeschlüsse  die  umgekehrte 
als  die  von  Ritschi  angenommene  ist,  dass  der  zweite  später 
erlassen  ist  als  der  erste.  Noch  entscheidender  in  demselben 
Sinne  ist  eine  exacte  Interpretation  des  zweiten  Senats- 
beschlusses. In  diesem  heisst  es  von  Antiochos  Sohn  des 
Antiochos:  oicoöa^)  xe  q)Q0VQia  xal  Xtiiivag  xal  %^Qav  xal 
et  XL  aXko  dipsiksxo  ccircäv,  anodod^^  und  erst  ganz  am 
Schlüsse;  getrennt  durch  eine  Reihe  von  Bestimmungen  über 
die  Ausfuhr,  ist  von  der  Zurückziehung  der  Besatzung  von 
Joppe  die  Rede.  Daraus  folgt  mit  Nothwendigkeit,  dass 
Joppe  nicht  unter  die  von  Antiochos  von  Eyzikos  eroberten 
Plätze  gehorte,  sondern  dass  es  mit  seinem  Besitze  eine 
andere  Bewandtniss  hatte :  es  war  eben  noch  von  der 
Wiedereroberung  durch  Antiochos  von  Side  her  in  syrischen 
Händen.  Der  Verfasser  hat  selbst  gefühlt,  dass  dieser  Punkt 
für  seine  Hypothese  geradezu  todtlich  ist,  und  in  seinem 
Versuche,  die  ursprüngliche  Form  der  Urkunde  wiederherzu- 
stellen, S.  23  den  Passus  über  Joppe  umgestellt  und  ihn 
unmittelbar  hinter  den  von  den  anderen  Plätzen  handelnden 
gerückt;  allein  mit  dieser  Willkür  wird  der  beabsichtigte 
Zweck  immer  nur  zur  Hälfte  erreicht;  es  bleibt  auch  so 
noch  der  Erklärung  bedürftig,  warum  in  einer  formelhaft 
gehaltenen  und  Präcision  heischenden  Urkunde  Joppe  beson- 
ders genannt  ist,  die  anderen  tpQovQia  aber  nicht.  Wie  es 
kam,  dass  die  Abtretung  von  Joppe  nicht  perfect  geworden 
ist,  lässt  sich  noch  mit  Wahrscheinlichkeit  erklären.  Der 
wichtigste  aller  Erfolge  des  Antiochos  von  Side  wird  in  den 
Bedingungen  seines  Friedens  mit  den  Juden  nicht  erwähnt: 
es  ist  die  Heeresfolge  der  Juden  gegen  die  Parther  unter 
Anführung  des  Hohenpriesters  in  eigener  Person.  Die  Rück- 
gabe von  Joppe  wird  ihnen  als  Preis  dieser  Heeresfolge  von 


1)  So  scheint  statt  Znmi  geschrieben  werden  zu  müssen. 


MENDELSSOHN,  DE  SENATl  CONSÜLTIS  APÜD  JOSEPH  UM.    315 

Antiochos  zugesagt  worden  und  nach  dessen  Katastrophe 
unterblieben  sein.  Sobald  der  Vertragsbruch  von  syrischer 
Seite  constatirt  war,  also  bald  nach  Frühling  128,  reclamirfcen 
die  Juden  in  Rom,  das  erste  Mal  ohne  Erfolg.  Erst  als 
Antiochos  von  Eyzikos  während  seiner  Alleinherrschaft 
(114—112)  wieder  offensiv  gegen  Judäa  vorging,  erlangtent266 
die  Juden  endlich  von  Rom  einen  günstigen  Bescheid.  So 
lange  es  die  Juden  mit  den  Syrern  allein  zu  thun  gehabt 
hatten,  war  der  Senat  seiner  Nichtinterveutionspolitik  un- 
wandelbar treu  geblieben;  dass  er  ganz  zum  Schlüsse  doch 
noch  aus  seiner  Reserve  heraustrat  und  seine  Willensmeinung 
bestimmt  kundgab,  geschah  vermuthlich  nur,  um  die  jetzt 
zum  ersten  Male  in  Aussicht  stehende  Allianz  Aegyptens 
mit  Syrien  gegen  die  Juden  womöglich  zu  hintertreiben: 
eine  solche  Allianz  konnten  die  Romer  nach  den  ganzen 
Traditionen  ihrer  Politik  im  Orient  unmöglich  gern  sehen. 
Die  Juden  erhielten  Joppe  in  der  That  zurück,  sei  es  in 
Folge  der  römischen  Yermitteluug,  sei  es  etwas  später  durch 
den  Yerrath  des  syrischen  Feldlierm  Epikrates;  als  Jannäos 
seinen  Eroberungskrieg  gegen  die  palästinischen  Eiistensiädte 
begann,  finden  wir  Joppe  in  jüdischen  Händen  (Josephos 
A.  J.  XIII,  12,  2;  cf.  15,  4).  Das  nicht  an  der  Küste 
gelegene  Gazara,  von  dem  in  dem  zweiten  Senatsbeschlusse 
nicht  mehr  die  Rede  ist,  wird  schon  vorher  von  Hyrkanos 
zurückerobert  worden  sein. 


316  EECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

6.*) 

521  1)  Brann ,  Marcus,  de  Herodis,  qui  dicitur,  Magni 
filiis  patrem  in  imperio  secutis.  Pars  prima.  Disser- 
tatio  inauguralis  historica  quam  ...  in  ...  universitate 
Viadrina  .  .  .  d.  XX.  m.  Martii  a.  MDCCCLXXIII  .  .  . 
publice  defendet  auctor.  Erotoschini,  typis  B.  L.  Mo- 
nasch  et  Co.    (34  p.    8®.)     10  Sgr. 

2)  Brann,  Dr.  M.,  die  Sohne  des  Herodes.  Eine  bio- 
graphische Skizze^  zugleich  ein  Beitrag  zur  neutesta- 
mentlichen  Zeitgeschichte.  Breslau  1873.  H.  Skutsch. 
(IV  und  87  S.    8«.) 

(Sonderabdruck  aus  der  „Monatsschrift  för  Geschichte  und  Wissenschaft 

des  Judenthums*^) 

Die  vorliegenden  beiden  eng  zusammenhängenden,  nur 
in  Folge  äusserer  Umstände  getrennt  veröfiFentlichten  Unter- 
suchungen beschäftigen  sich  mit  einer  wichtigen  und  neuer- 
lich vielfach  behandelten  Periode  der  jüdischen  Geschichte, 
zu  der  sie  einen .  achtungswerthen  Beitrag  liefern.  Sie 
zeichnen  sich  in  hervorragender  Weise  durch  Fleiss  und 
Scharfsinn  aus. 

Wird  ihnen  durch  dieses  Urtheil  ein  wohlverdientes 
Lob  gespendet,  so  ist  in  ihm  zugleich  angedeutet,  was  wir 
an  der  Forschung  des  Verfassers  zu  tadeln  finden.  So  sehr 
es  anzuerkennen  ist,  dass  mit  ausnehmendem  Fleisse  durch- 
gängig auf  die  entsprechende  neuere  Literatur  Rücksicht 
genommen  worden  ist,  so  können  wir  doch  nicht  umhin  zu 
glauben,  dass  die  Unbefangenheit  des  Urtheiles  mitunter 
dabei  zu  Schaden  gekommen  ist.  Nicht,  als  ob  der  Ver- 
fasser seinen  Vorgängern  gegenüber  zu  abhängig  wäre:  im 
Gegentheil;  aber  auch  das  Streben,  sich  möglichst  von  den 
Vorgängern  zu  emancipiren,  recht  Neues,  recht  Selbststän- 
diges zu  bringen,  kann  auf  Abwege  fuhren.  Wir  zweifeln 
nicht,    dass  derselbe   über  manche  Frage  anders  geurtheilt 

*)  [Literarisches  Centralblatt  1874  S.  621—624.] 


BRANN,  DE  HBRODIS  MAGNI  FILIIS.  317 

haben  würde,  wenn  er  die  Aufstellungen  unserer  neuesten 
theologischen  Historiker  gar  nicht  gekannt  hätte.  So  wird 
z.  B.  II  S.  36  ff.  das  Luftige  der  Combinationen,  durch  die 
Keim  und  Hausrath  das  Datum  der  Ehe  des  Herodes  und 
der  Herodias  zu  bestimmen  gesucht  haben ;  gut  aufgedeckt; 
aber  in  der  gleich  daran  geknüpften  Behauptung,  dass,  wenn 
die  Erzählung  der  Evangelien  von  dem  tanzenden  xoQaeiov 
richtig  sei,  Philippos  als  ein  Fünfziger  die  Tochter  der 
Herodias  im  Alter  yon  8  —  9  Jahren  geheirathet  haben 
müsste,  liegt  eine  starke  Uebertreibung.  Wem,  der  die  Vor- 
liebe der  späteren  Gräcität  für  Deminutiva  kennt  und  sich 
Sinn  und  Zusammenhang  der  evangelischen  Erzählung  ver- 
gegenwärtigt, ist  wohl  je  in  den  Sinn  gekommen,  das  xo- 
Qa6Lov  von  einem  8  —  9jährigen  Mädchen  zu  verstehen? 
Der  Verfasser  mochte  vielmehr  den  Abschluss  der  Ehe  der 
Tochter  zwischen  17 — 20  n,  Ch.  setzen,  als  diese  vielleicht 
16jährig,  Philippos  gegen  Ende  der  Dreissiger  war;  und 
erst  nach  ihrer  Verheirathung  lässt  er  die  Mutter  entführt 
werden.  Warum,  dafür  lässt  sich  schlechterdings  kein  anderes 
Motiv  als  das  entdecken,  möglichst  das  Gegentheil  von  dem622 
bisher  Angenommenen  aufzustellen.  Uns  scheint,  offen  ge- 
standen, als  hätten  die  Deductionen  sowohl  des  Verfassers 
als  seiner  christlichen  Vorgänger  die  Sachlage  eher  ver- 
dunkelt als  klar  gestellt:  der  Zeitpunkt  der  Verheirathung 
der  Salome  und  die  Frage  nach  der  Glaubwürdigkeit  der 
evangelischen  Erzählung  vom  tanzenden  xoQd6iov  ist  etwas 
völlig  Irrelevantes.  Anstoss  veranlasst  nur  zweierlei:  1)  der 
Altersunterschied  zwischen  Philippos  und  Salome;  allein 
dieser  Altersunterschied  ist  eine  unzweifelhafte  Thatsache, 
von  der  wir  unter  Umständen  etwas  mehr  oder  weniger  ab- 
handeln können,  die  wir  aber  im  Wesentlichen  acceptiren 
müssen,  wir  mögen  rechnen,  wie  wir  wollen,  und. der  Ver- 
fasser scheint  ganz  zu  übersehen,  dass  das  Missverhältniss 
nur  um  so  fühlbarer  wird,  je  früher  wir  die  Heirath  der 
Salome  ansetzen;  2)  die  Scylla  und  Charybdis,  zwischen  der 
wir  uns  in  Bezug  auf  die  Entführung  ihrer  Mutter  Herodias 
befinden;  mögen  wir  immerhin,  was  der  Verfasser  mit  Recht 


318  BECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

betont,  oLQ%ii  i%^Qag  als  Anfang  der  Feindschaft  zwischen 
Aretas  und  Herodes,  nicht  als  Anlass  des  Krieges  aaffassen, 
es  bleibt  unpassend,  den  Krieg  des  Jahres  35  und  die  Straf- 
predigt und  Katastrophe  des  Jobannes  (um  28),  die  auch 
der  Verfasser  nicht  ganz  von  der  Entf&hrung  der  Herodias 
loszulösen  wagt,  durch  einen  gar  zu  grossen  Zwischenraum, 
eine  formliche  Verjährungsfrist,  von  dem  letzteren  Ereignisse 
zu  trennen;  andererseits  machen  wir,  je  näher  wir  diese 
Dinge  aneinanderrücken,  die  Herodias  um  so  viel  älter  und 
ihre  Entführung  auffallender.  Führen  wir  die  Untersuchung 
aus  dem  Gebiete  luftiger  Combinationen  auf  das  der  That- 
sachen  zurück,  so  ergiebt  sich  Folgendes.  Aristobulos,  Sa- 
lomes  zweiter  Gemahl,  war  ein  Sohn  des  Herodes  von  Ghalkis 
Yon  Mariam,  der  Tochter  Josephs  und  der  Olympias,  einer 
Schwester  des  Archelaos,  die  nach  7,  aber  vor  4  y.  Gh. 
geheirathet  hatte.  Also  konnte  Mariam  frühestens  5  v.  Gh., 
ihr  Sohn  Aristobulos  kaum  vor  14  n.  Gh.  geboren  sein. 
Dies  giebi  einen  ungefähren  Anhalt  für  die  Bestimmung  des 
Alters  der  Salome,  die  wir,  da  ihre  zweite  Ehe,  aus  der  drei 
Söhne  entsprossen,  offenbar  eine  rechtzeitige  gewesen  ist^ 
nicht  ohne  Noth  viel  älter  als  Aristobulos  werden  machen 
dürfen.  Philippos,  ihr  erster  Gemahl,  war  4  oder  doch  3 
Y.  Gh.  in  regierungsfähigem  Alter,  also  spätestens  21  t.  Gh. 
geboren.  So  gross  der  Altersabstand  Beider  unzweifelhaft 
war,  so  werden  wir  ihn  doch  ohne  Un Wahrscheinlichkeit 
nicht  zu  mehr  als  30  Jahren  veranschlagen  dürfen:  dies 
würde  als  spätesten  Termin  für  die  Geburt  der  Salome  das 
Jahr  10  n.  Gh.  ergeben.  Dass  sie  wahrscheinlich  auch  nicht 
früher  geboren  ist,  ergiebt  sich  aus  dem  Alter  ihrer  Mutter 
Herodias,  einer  Tochter  des  Aristobulos,  Sohnes  des  Herodes, 
52dund  der  Berenike.  Aus  dieser  um  das  Jahr  17  und  wahr- 
scheinlich in  sehr  jugendlfchem  Alter  (beide  sind  frühestens 
35  geboren)  eingegangenen  und  durch  die  Hinrichtung  des 
Aristobulos  7  v.  Gh.  aufgelösten  Ehe  gingen  filnf  Kinder 
hervor,  über  deren  Alter  wir  nur  so  viel  wissen,  dass 
Agrippa,  der  mittelste  der  drei  Söhne,  11  v.  Gh.  geboren 
war.     Da  Herodias  die  ältere  von  zwei  Schwestern  war,  so 


BRANN,  DE  HERODIS  MAGNI  FILIIS.  319 

• 

ist  sie  spätestens  9  y.  Ch.  geboren.  Es  liegt  aber  auch  kein 
stichhaltiger  Grund  vor,  sie  älter  zu  machen ^  und  hiesse 
nach  dem  oben  Bemerkten  die  vorhandenen  Schwierigkeiten 
ohne  Noth  vermehren.  Ist  9  v.  Ch.  ihr  Geburtsjahr,  so 
konnte  ihre  Tochter  Salome  kaum  vor  10  n.  Ch.  geboren 
sein.  Philippos  konnte  sie  also  frühestens  24  n.  Ch.  heim- 
fuhren, und  Referent  vermag  nicht  einzusehen,  warum  es 
(wozu  die  evangelische  Erzählang  allerdings  nothigen  würde) 
unwahrscheinlicher  sein  soll,  den  49jährigen  eine  19jährige 
als  den  44jährigen  eine  14jährige  heimführen  zu  lassen.  Im 
Jahre  28  würde  das  tanzende  Tcogäütov  18  Jahre  alt  gewesen 
sein:  Referent  würde  es  sehr  gelassen  hinnehmen,  wenn  die 
betreffende  Erzählung  definitiv  in  das  Bereich  der  Sage  ver- 
wiesen würde,  muss  aber  entschieden  bestreiten,  dass  chrono- 
logische Gründe  derselben  im  Wege  stehen.  Was  nun  die 
Entführung  der  Herodias  betrifft,  so  halten  wir  es  wegen 
des  engen  Zusammenhanges  mit  den  späteren  Ereignissen 
für  unthunlich,  sie  vor  das  Jahr  25  n.  Ch.  zurückzuschieben. 
Damals  würde  Herodias  etwa  33,  ihr  Entführer  Herodes,  der 
jünger  war  als  Archelaos,  aber  so  gut  wie  er  4  oder  3  v.  Ch. 
in  regierungsföhigem  Alter,  folglich  spätestens  21  v.  Ch. 
geboren  war,  mindestens  45  Jahre  alt  gewesen  sein:  viel 
unter  das  Jahr  25  hinab  wird  man  also  auch  nicht  gehen 
dürfen.  Soll  durchaus  eine  Hypothese  gemacht  werden,  so 
bietet  sich  die  sehr  naheliegende,  dass  die  ßomreise  des 
Herodes,  auf  der  die  Entführung  geschah,  mit  dem  26  n.  Ch. 
in  Judäa  eingetretenen  Statthalterwechsel  in  Zusammenhang 
gestanden  hat.  Der  Versuch  Eeims,  aus  den  von  Josephos 
beschriebenen  wechselreichen  Schicksalen  des  Agrippa  in  den 
Jahren  23  —  36  n.  Ch. ,  innerhalb  deren  er  einmal  auch 
Herodes  und  Herodias  anbettelte,  eine  Zeitbestimmung  für 
die  Entführung  der  Letzteren  abzuleiten,  ist  vom  Verfasser 
II  S.  52  ff.  in  schlagender  Weise  als  unhaltbar  nachgewiesen 
worden;  er  schiesst  aber  sofort  mit  der  Behauptung  über 
das  Ziel  hinaus,  dass  auf  Grund  der  Biographie  Agrippas 
als  äusserster  Termin,  an  welchem  dieser  ihre  Hülfe  in 
Anspruch  genommen  habe,  spätestens  das  Jahr  24  n.  Ch. 


320  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

angenommen  werden  müsse.  Es  ist  nicht  wahr,  dass  Jose- 
phos  uns  eine  ;,in  chronologischer  Beziehung  lückenlose'^ 
Darstellung  des  Lebens  seines  Helden  gegeben  habe:  wie 
derselbe  nach  seinem  Weggange  von  Rom  auf  das  abgelegene 
Schloss  Malatha  in  Idumäa  gekommen  ist,  wo  die  Verzweiflung 
ihn  zu  einem  Selbstmordversuche  trieb,  darüber  sagt  uns  der 
Schriftsteller  nichts  Näheres  und  schliesst  mehrjähriges  da- 
zwischenliegendes Elend  keineswegs  aus.  Hierüber  aber 
schlüpft  der  Verfasser  ganz  weg  und  lässt  den  Agrippa 
direct  von  Rom  vor  seinen  Gläubigem  nach  Malatha  eilen; 
seine  eigene  Vertheilung  der  Ereignisse  ist  um  kein  Haar 
weniger  willkürlich  als  die  Eeimsche,  nur  ist  sie  yiel  ge- 
suchter und  unwahrscheinlicher. 

Noch  häufiger  hat  sich  der  Verfasser  von  seinem  über- 
sprudelnden Scharfsinne  fortreissen  lassen.  Als  Beispiel 
genüge  die  I  S.  3  sqq.  gegebene  Behandlung  der  berühmten 
Stelle  des  Josephos  A.  J.  XVTI,  6,  7.  Der  Historiker  hatte  er- 
zählt, wie  zwei  Gesetzeslehrer,  Judas,  Sohn  des  Sariphai, 
und  Matthias,  Sohn  des  Margaboth,  während  der  letzten 
Krankheit  des  Herodes  das  Volk  aufreizten,  den  goldenen 
Adler  von  dem  Tempelportale  herunterzuhauen:  Herodes 
aber,  so  fährt  er  fort,  berieth,  wie  der  Frevel  zu  bestrafen 
sei,  und  setzte  den  gleichnamigen  Hohenpriester  Matthias, 
der  sich  lau  gezeigt,  ab,  ihn,  der  schon  während  seiner  Amts- 
zeit einmal,  da  er  in  der  Nacht  vor  dem  Versohnungstage 
eine  Pollution  gehabt,  einen  Anderen,  den  Joseph,  Sohn  des 
EUem,  für  sich  hatte  fungiren  lassen  müssen;  den  Gesetzes- 
lehrer Matthias  aber  und  seine  Genossen  Hess  der  Eonig 
624lebendig  verbrennen:  Kai  fi  eskr^vri  8\  ty  avrij  vvxtl  i^ili- 
7CBV,  Dem  Herodes  aber,  heisst  es  dann,  verschlimmerte  sich 
die  Krankheit,  indem  Gott  von  ihm  Strafe  eintrieb  für  seine 
ungerechten  Handlungen,  u.  s.  w.  Von  jeher  hat  diese  Mond- 
finstemiss kurz  vor  Herodes'  Tode  als  ein  untrüglicher  Weg- 
weiser für  die  Chronologie  gegolten,  und  wohl  nie  im  Laufe 
der  Jahrhunderte,  seitdem  die  Wissenschaft  angefangen  hat, 
sich  mit  diesen  Fragen  zu  beschäftigen,  ist  einem  Leser  der 
Gedanke  gekommen,  dass  die  Mondfinsterniss  sich  auf  etwas 


BRANN,  DE  HERODIS  MAGNI  FILIIS.  321 

Anderes  beziehen  konnte ;  als  auf  die  Verbrennung  der 
Gesetzeslehrer.  Der  Verfasser  aber  argumentirt  ksTCtotdrais 
so:  hätte  Josephos  das  gemeint,  so  hätte  er  trj  intovöy  oder 
tij  JtQoVovöri  vvxxC  sagen  müssen^  er  sagt  aber  r^  avrii  vvxri^ 
also  muss  schon  vorher  eine  Nacht  erwähnt  worden  sein, 
und  das  ist  nun  die,  in  der  der  Hohepriester  die  Pollution 
gehabt  hat,  und  auf  diese  bezieht  sich  die  Mondfinstemiss. 
Hierzu  wagt  Referent,  obgleich  von  Mutter  Natur  vielleicht 
nicht  mit  der  erforderlichen  dsLv6ti]g  ausgestattet,  folgendes 
Seitenstück  zu  improvisiren:  Nach  Jos.  B.  J.  IV,  11,  3  ging 
Cäcina  Alienus  bei  Cremona  zum  Antonius  Primus  über;  zijg 
dl  avrijg  vvxrog  nahmen  ihn  seine  Soldaten  fest  und  liessen 
es  auf  einen  Kampf  mit  den  Antonianern  ankommen;  also 
muss  die  Nacht  schon  vorher  erwähnt  worden  sein:  die 
letzte  Nacht  aber,  die  bei  Josephos  vorgekommen  ist,  ist 
die  Paschanacht,  in  der  nach  IV,  7,  2  die  Sicarier  £ngaddi 
überrumpelten:  ergo  sind  beide  Nächte  identisch.  Wir 
mochten  wissen,  was  Herr  Brann  von  seinem  Standpunkte 
aus  hiergegen  einzuwenden  vermöchte.  Die  Methode  des 
Verfassers  erinnert  in  ihren  Vorzügen  wie  in  ihren  Mängeln 
stark  an  die  von  Grätz;  man  wird  seine  Untersuchung  nach 
der  negativen  Seite  hin  als  sorgföltige  und  kundige  Con- 
trolirung  der  neuesten  neutestamentlichen  Forschungen  mit 
Erfolg  benutzen;  um  seinen  positiven  Ergebnissen  ohne 
weitere  Prüfung  Eingang  zu  verschaffen,  dazu  fehlt  dem 
Verfasser  noch  die  objective  Buhe  der  historischen   Kritik. 


y.  QuTSCHMiD,  Kleine  Schriften.    IL  21 


322  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 


7.*) 

445Ewald,  Heinr.,  Abhandlung  über  Entstehung,  Inhalt 
und  Werth  der  Sibyllischen  Bücher.  (Aus  den 
Abhandlungen  der  königlichen  Gesellschaft  der  Wissen- 
schaften zu  Göttingen.)  Göttingen  1858.  Dieterich. 
(112  S.    4^.)     1  Thlr. 

Das  wesentliche  Verdienst  dieser  Abhandlung  besteht 
darin,  Anlage,  Gliederung  und  inneren  Zusammenhang  in 
den  älteren  nichtchristlichen  Sibyllenbüchem  schärfer  als 
die  vorhergehenden  Forscher  ins  Auge  gefasst  und  hier- 
durch auf  Vieles  ein  neues  Licht  geworfen  zu  haben.  In 
Bezug  auf  das  älteste  von  einem  ägyptischen  Juden  yer- 
fasste  Sibyllenbuch  (die  Fragmente  bei  Theophilos  und  III, 
97 — 828)  war  dem  Verfasser  durch  Hilgenfeld  trefflich  vor- 
gearbeitet worden,  welcher  in  der  jüdischen  Apokalyptik 
S.  51  f.  wider  die  herrschende  Ansicht,  das  Buch  sei  um 
165  V.  Ch.  geschrieben,  die  Abfassungszeit  desselben  um 
ein  Vierteljahrhundert  herabgerückt  und  die  Stelle  über 
die  Seleukiden  III,  388 f.,  welche  für  die  genauere  Zeit- 
bestimmung entscheidend  ist,  zuerst  richtig  als  eine  freie 
Ausdeutung  von  Daniel  7,  7 — 8  erkannt  hat.  Dass  der  Ver- 
fasser genau  ebenso  urtheilt,  ist  nur  zu  billigen,  um  so 
schwerer  freilich  zu  begreifen,  warum  er  Hilgenfelds  im 
Jahre  vor  der  seinigen  erschienene  Schrift,  die  er  selbst  in 
seinen  Jahrbüchern  wegwerfend  recensirt,  folglich  gekannt 
hat,  hier  mit  keiner  Silbe  erwähnt.  Dass  jener  das  Buch 
um  140,  er  dagegen  um  124  setzt,  berechtigt  ihn  nicht  im 
Geringsten  zu  einer  derartigen  Ignorirung  seines  Vorgängers: 
für  die  richtige  Würdigung  des  Schriftwerkes  in  seinem 
Zusammenhange  mit  der  Zeitgeschichte  ist  durch  den  Nach- 
weis, dass  es  nach  der  Zerstörung  von  Korinth  und  Kar- 
thago geschrieben  ist,  das  Hauptsächlichste  gethan;  ob  man 

gerade   das   von   Hilgenfeld   gegebene   Jahr    annimmt   oder 

- —  ■ 

*)  [Literarisches  Centralblatt  1861  S.  446—448.] 


EWALD,  SIBYLLISCHE  BUECHER.  323 

nichts  ist  von  secundärem  Belang.  Noch  dazu  ist  unter  den 
Gründen;  die  der  Verfasser  für  die  Herabrückung  des  Buches 
in  das  Jahr  124  geltend  macht;  nur  der,  dass  sich  lU;  464  f. 
erst  durch  den  vorhergegangenen  Untergang  des  Tiberius 
Gracchus  erklären  lasse ;  stichhaltig;  dagegen  die  Beziehung 
des  Verses  'Oxtcots  xal  ^eiecg  (sehr,  ^dsi  sig)  [itaQov  ysvog 
iv  xd'ovl  (aviia  in  dem  phrygischen  Orakel  III;  402  auf 
den  von  seiner  Mutter  Eleopatra  ermordeten  Seleukos  V., 
selbst  wenn  die  Lesart  'PaCrig  zulässig  wärC;  seltsam  will- 
kürlich; und  die  Annahme;  der  von  Alexander  Balas  ge- 
gründete Nebenzweig;  auf  den  Hilgenfeld  das  TcaQatpvo^svov 
xigag  III;  400  bezieht;  sei  erst  mit  Alexander  Zebinas  123 
V.  Gh.  untergegangen;  ist  äusserst  zweifelhaft;  da  nach  der446 
besten  Quelle  (Trogus  XXXIX;  1;  5)  Zebinas  sein  Erbrecht 
nicht  auf  eine  (nur  von  dem  in  der  Geschichte  der  letzten 
Seleukiden  nicht  überall  zuverlässigen  Porphyrios  behauptete) 
Vaterschaft  des  BalaS;  sondern  auf  seine  angebliche  Adoption 
durch  Antiochos  Sidetes  gründete.  Ein  viel  unbedingteres 
Lob  kann  man  den  Untersuchungen  des  Verfassers  über  das 
vierte  Buch  zoUeU;  dessen  Abfassungszeit  im  Jahre  80  n.  Gh. 
zwar  allgemein;  dessen  kleinasiatischer  Ursprung  so  ziemlich 
anerkannt  ist^  das  man  aber  bald  einem  Ghristen,  bald  einem 
Juden  zuschrieb  —  das  Eine  so  wenig  wahrscheinlich  wie 
das  Andere;  hier  wird  nun  überzeugend  nachgewiesen;  dass 
der  Ursprung  des  Buches  in  den  Kreisen  der  Essäer  (der 
Verfasser  meint;  speciell  der  Hemerobaptisten)  zu  suchen 
ist.  *)  Neu  und  zutreffend  ist  ferner;  was  der  Verfasser  über 
das  fünfte  Buch  ermittelt.  Dieses  ward  bisher  in  seiner 
Gesammtheit  unter  Hadrian  gesetzt;  doch  einem  um  70  n.  Gh. 
lebenden  jüdischen  Verfasser  hatte  schon  Bleek;  wenn  auch 
zweifelnd,  das  Stück  V.  333 — 483  zuschreiben  wollen,  das 
mit  anderen  noch  älteren,  ebenfalls  jüdischen  Stücken  von 
einem  unter  Hadrian  in  Aegypten  lebenden  Ghristen  seinem 
Werke  einverleibt  worden  sei.  Der  Verfasser  zeigt  nun, 
dass  das  ganze  Buch  von  V.  52  an  ein  in  sich  zusammen- 


*)  [Vgl.  unten  S.  330  f.     F.  E.] 

21 


324  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

hängendes  Ganze  und  um  das  Jahr  79  n.  Ch.  in  Aegypten 
verfasst  ist^  und  zwar  von  einem  Juden.  Hierbei  ist  aller- 
dings eine  Schwierigkeit  noch  nicht  genügend  hinweg- 
geräumt; die  Verse  255 ff.  nämlich: 

,^Elg  di  tig  ieöstai  (sehr.  i66vxaC)  avd-vg  an   ald-dgog  i^oxog 

Ov  nakd^ag  ijjtXcoöev  inl  ^vkov  TCoXvxaQjtov 

'EßgaCmv  6  agiötog  (sehr.  oagLöxvg),   og  tjUlov  noxa  ötrjösv 

(sehr.  rjeXiov  rors  öri]6ei) 
Ocaviqöag  Q'^Cei  ts  xaXy  xal  xbCXbClv  ayvolg'' 

lassen  sich^  wollte  man  selbst  unsere,  ebenso  sehr  durch  das 
Metrum  und  die  Regel  über  das  v  iipeXxviStLxov^  wie  durch 
den  Zusammenhang  gebotenen  Emendationen  nicht  gelten 
lassen  9  mit  dem  Verfasser  S.  56  auf  den  wiederkehrenden 
Moses  nur  beziehen,  wenn  den  Worten  Gewalt  angethan 
wird:  die  bisherige  Erklärung,  dass  hier  der  wiederkehrende 
Jesus  Christus  gemeint  ist,  für  den  in  judenchristlicher  Weise 
Jesus  Nave  als  Typus  dient,  bleibt  die  einfachste  und  allein 
mögliche.  Will  man  also  nicht  den  Verfasser  für  einen 
Judenchristen  von  einer  schroffer  als  je  anderswo  aus- 
geprägten jüdischen  Richtung  erklären,  so  wird  die  Stelle 
als  eine  Zuthat  des  Christen  gelten  müssen,  der  dem  fünften 
Buche  die  ersten  51  Verse  vorausschickte.  Diesen  setzt  der 
Verfasser  mit  Recht  statt,  wie  bisher  allgemein  geschehen, 
in  die  erste,  vielmehr  in  die  allerletzte  Zeit  Hadrians.  Ihn 
aber,  wie  er  meint,  mit  dem  Dichter  des  sechsten  und 
siebenten  Buches  zu  identificiren ,  dazu  reichen  die  S.  67 
geltend  gemachten  sprachlichen  Gründe  durchaus  nicht  aus. 
Er  behauptet,  das  sechste  und  siebente  Buch,  das  er  mit 
Recht  nach  Alexandres  Vorgange  einem  Verfasser  zuschreibt^ 
falle  in  dieselbe  Zeit,  und  uXXoi  lUgöat  VII,  40  bedeute 
„nach  dem  Zusammenhange  der  Rede  nur  solche,  welche  in 
Rom  und  im  römischen  Reiche  in  Ehesachen  so  gottlos 
sind,  wie  bekanntlich  die  Perser^'  (S.  67).  Der  Zusammen- 
hang ist  nun  aber  der,  dass  unmittelbar  an  die  Schilderung 
der  bei  diesen  „anderen  Persern'^  üblichen  Blutschande  sich 


EWALD,  SIBYLLISCHE  BÜECHER.  325 

die  Worte  anschliessen  V.  AbS.i'^TötsQa  d'  avtotg  \  'ExXd^il;€L 
^P&}liatog''j4Qi^g  vcoXXilg  a«o  XoyxVS  —  V.  48:  ^IxaUrig  61  ngo- 
(iog  Tote  (peviata^  ix  dogog  dXx'^g.  Die  vom  Verfasser  für 
ganz  anrichtig  erklärte  Beziehung  auf  die  Sasaniden  ist  hier- 
nach die  einzig  mögliche,  und  Alexandre  war  vollkommen  im447 
Rechte  y  das  sechste  und  siebente  Buch  um  234  anzusetzen. 
Dass  der  Dichter  einer  judenchristlichen  Sekte  angehört  hat^ 
ist  allgemein  anerkannt;  Alexandre  hielt  ihn  für  einen  phry- 
gischen  Enkratiten,  der  Verfasser  für  einen  ägyptischen 
ELxaiten.  In  Bezug  auf  das  achte  Buch  schlägt  der  Ver- 
fasser einen  von  seinen  sämmtlichen  Vorgängern  abweichen- 
den Weg  ein  und  scheidet  es  in  zwei  Theile,  V,  1  —  360 
und  V.  361  —  501,  von  denen  der  erste  mit  Alexandre  auf 
einen  ägyptischen  Christen  zurückgeführt  wird,  der  aber 
nicht,  wie  bisher  angenommen  ward,  unter  den  Antoninen, 
sondern  im  Jahre  211  geschrieben  habe.  Diese  Ansicht 
fusst  auf  einer  eigenthümlichen  Berechnung  der  V.  131  und 
sonst  erwähnten  ysvsai  der  römischen  Kaiser,  hinsichtlich 
welcher  der  Verfasser  aber  so  wenig  das  Richtige  gesehen 
hat  als  seine  Vorgänger;  in  Folge  derselben  findet  er  in 
dem  Abschnitte  von  V.  131  —  202  statt,  wie  man  meinte, 
Vorstellungen  aus  dem  Kreise  der  apokalyptischen  Eschato- 
logie  lauter  geschichtliche  Beziehungen  auf  die  Vergangen- 
heit. Den  V.  139  £  geschilderten  Verwüster  Roms  erklärt 
er  nicht  für  den  als  Antichrist  wiedererscheinenden  Nero, 
sondern  für  Seyerus,  trotzdem,  dass  V.  71  auf  eine  Schil- 
derung des  wiederkehrenden  tpvyäg  ^ritQoxtovog  vorbereitet^ 
und  dass  die  im  Jahre  197  erfolgte  Hinrichtung  einiger 
unbotmässiger  Senatoren  durch  Severus,  den  anerkannten 
Wiederhersteller  des  Reiches,  doch  unmöglich  noch  14  Jahre 
später  mit  Worten  wie:  "HXato  xfig  'Ptofirig  «p^  ^^^*  trjls- 
d'iowfa,  I  ^AQ%ali/i  itoXUööL  neQvxtioveöiJiv  ava66a  (V.  143  f.) 
beschrieben  werden  konnte.  Die  Worte  V.  140  f.:  '^ü^f^  ^oq- 
^öanf  laäv  yivog  axQira  qnJXa^  \  ^Eßgaüov  id'vog  werden 
S.  76  auf  eine  Verfolgung  der  Hebrfter,  d.  i.  Christen,  bezogen, 
was,  auch  wenn  man  die  durchaus  nöthigen  Aenderungen 
"AliBi  und  ^ivog  nicht  vornehmen  wollte,  mit  dem  Wortlaute 


326         RECEN8I0NEN  UND  ANZEIGEN. 

nicht  wohl  verträglich  ist;  es  wird  hier  vielmehr  die  Rück- 
kehr der  Zehnstamme  zur  Zeit  des  Antichrist  beschrieben. 
Der  Hund;  welcher  den  die  Hirten  verderbenden  Löwen  in 
die  Flucht  schlägt,  ist  dem  Verfasser  nicht  der  Messias, 
sondern  Caracalla.  Das  Weib,  welches  nach  Erwähnung 
des  Messias  und  der  Vorzeichen  des  jüngsten  Tages  V.  200 
unmittelbar  vor  dem  Weltende  als  herrschend  eingeführt 
wird,  soll  nicht,  wie  man  sonst  erklärte^  einer  Ausdeutung 
der  apokalyptischen  Babylon  seinen  Ursprung  verdanken,  son- 
dern wird  auf  Julia  Domna  bezogen.  Dieser  Auffassung  ist 
aber  der  ganze  Ton,  in  welchem  von  dem  Allen  geredet  wird, 
nicht  günstig.  Viel  ansprechender  ist  die  Ansicht,  welche 
der  Verfasser  über  den  Abschnitt  VIII,  361 — 501  entwickelt, 
den  er  als  ein  nichtsibyllisches  ^  in  die  Form  eines  Zwie- 
gespräches zwischen  Gott  und  dem  Menschen  eingekleidetes 
Gedicht  eines  Christen  aus  dem  zweiten  Jahrhundert  charak- 
terisirt  und  nach  Verdienst  würdigt.  Das  Sibyllenwerk, 
welches  aus  Buch  I,  II  und  III,  1 — 96  besteht,  führt  der 
Verfasser  mit  Lücke  auf  einen  ägyptischen  Christen  zurück, 
setzt  ihn  aber  um  300  an.  Am  weitesten  entfernt  er  sich 
von  den  früheren  Forschem  in  Hinsicht  auf  die  Bücher 
11 — 14,  die  er  von  einem  in  Alexandrien  lebenden  mono- 
physitischen  Christen  670 — 672  n.  CL  verfasst  sein  lässt, 
während  Alexandre  sie  in  das  Jahr  267  setzte  und  die 
lange  Kaiserreihe  des  14.  Buches  sammt  seiner  unerhörten 
Geschichtserzählung  für  Phantasien  des  Sibyllisten  erklärte. 
Der  Verfasser  versucht  dagegen  die  27  nach  ihren  Anfangs- 
buchstaben bezeichneten  Herrscher  mit  Hülfe  der  endlosen 
Zahl  der  uns  bekannten  Gegenkaiser  nachzuweisen,  und 
meint,  es  möchten  in  der  Liste  der  Sibylle  manche  uns 
ganz  unbekannte  sein  (was  wegen  der  Münzen  und  des 
Polemius  Silvius  eine  bedenkliche  Ausflucht  ist);  er  hilft 
sich  mit  der  Annahme  starker  Lücken  und  Umstellungen, 
zu  welcher  die  gerade  bei  den  letzten  Büchern  verhältniss- 
mässig  gute  üeberlieferung  nicht  sehr  einladet,  und  muss 
auch  so  noch  zu  den  gewagtesten  Erklärungen  greifen,  wie 
z.  B.,  dass  der  XIV,  94 f.  genannte  greise,  kluge,  beliebte, 


EWALD,  SIBYLLISCHB  BÜECHER.  327 

durch  gute  Thaten  ausgezeichnete,  eines  natürlichen  Todes 
verstorbene  Herrscher  mit  dem  guten  Omen  im  Namen 
,,offenbar^^  Eugenius  sein  solle,  der  junge,  thorige,  als  Königs- 
mörder yerhasste,  endlich  strangulirte  Gegner  des  Theodosius, 
der  bei  seiner  ephemeren  Herrschaft  weder  zu  guten  noch 
zu  bösen  Thaten  Zeit  hatte  —  ferner,  dass  der  Y.  149 f. 
auftretende  Kaiser  D.  Threskyllas,  d.  i.  Zeno,  sei,  womit  die 
Schreibart  Dreskyllas  gewechselt, haben  möge  —  oder,  dass 
der  Sieg  im  Namen  Führende  Y.  249  gewiss  Basiliskos  sei, 
^der  sich  lateinisch  Yictorinus  nennen  konnte '^  Sähe  man 
aber  auch  von  dem  Allen  ab,  welchen  denkbaren  Sinn  hätte 
eine  Liste,  in  der  gerade  die  berühmtesten  Namen,  Con- 
stantin,  Julian,  Justinian,  Mauricius,  Phocas  fehlten,  die  aber 
in  planloser  Auswahl  eine  Menge  zum  Theil  obscurer  6egen-448 
kaiser  enthielte?  Yiel  scheinbarer  ist  die  Beziehung  des 
letzten  Theiles  des  14.  Buches,  in  welchem  u.  A.  von  einem 
Einfalle  der  Araber  in  Aegypten  und  von  der  Ankunft  eines 
sicilischen  Heeres  die  Rede  ist,  auf  die  Kämpfe  der  Byzan- 
tiner mit  den  Moslems  in  Aegypten  unter  Constantin  Pogo- 
natus,  der  vom  sicilischen  Heere  auf  den  Thron  gesetzt 
worden  war.  Prüft  man  aber  etwas  näher,  wie  der  Yer- 
fasser  seine  Hypothese  im  Einzelnen  durchführt,  so  schwindet 
auch  dieser  Schein  YÖllig.  Der  olympische  Sieg  dreier  Knaben 
Y.  300  soll  die  Erlangung  der  Kaiserwürde  durch  die  drei 
Söhne  des  Gonstans  bedeuten,  die  einfache  Schilderung  einer 
Lustration  Y.  302  wird  auf  den  Untergang  des  unschuldigea 
Prätendenten  Mezizios  bezogen,  den  man  wohl  spottweise 
das  Lamm  genannt  haben  werde,  und  um  Y.  303  y^Tgls 
xoCvw  "TUfiötog  ayai  dsigr^v  (sie)  tors  dsLvrjv^^  auf  seinen 
Erdrosselungstod  beziehen  zu  können,  erfindet  der  Yerfasser 
S.  102  ein  neues  Wort  a^fo,  welches  so  viel  wie  ayx^ 
bedeuten  soll  (die  richtige  Lesart  ^loigi^v  statt  daCfftiv  ergiebt 
sich  aus  YIII,  171,  von  wo  der  Yers  entlehnt  ist).  Weiter 
soll  der  ermordete  Löwe  und  die  blutige  Löwin  Y.  312  f. 
den  Mezizios  (der  aber  eben  noch  ein  Lamm  war)  und  das 
byzantinische  Yolk,  die  Juden  Y.  340  die  den  Juden  näher 
als  den  Christen  stehenden  Moslems  bezeichnen  (da  ^lovöatoi 


328  RECENSIüNEN  UND  ANZEIGEN. 

in  diesen  letzten  Büchern  nie  dreisilbig  gemessen  wird,  so 
ist  für  ^lovdaCovq  mit  Bückbeziehung  auf  7uxv%iii  Y.  334 
Bovyatovg  herzustellen).  Liesse  es  sich  wirklich  erweisen, 
dass  ein  derartiges  Yersteckenspielen  in  unseren  Sibyllen- 
bQchem  vorläge  (zum  Glück  ist  es  nicht  der  Fall),  so  hatten 
alle  Dentungsversache  höchstens  noch  den  Werth  von  Ver- 
standesspielen. Das  Kesultat,  zu  dem  Alexandre  über  die 
vier  letzten  Bücher  kam,  ist  durch  diesen  Versuch,  es  um- 
zustosseu,  nur  bestätigt  worden,  und  es  ist  eine  unbedacht- 
same Insinuation  des  Verfassers,  wenn  er  S.  99  behauptet, 
es  sei  zu  deutlich,  dass  jene  über  das  14.  Buch  aufgesteUten 
Ansichten  „mehr  aus  Verzweiflung,  einer  schwierigen  Auf- 
gabe zu  genügen,  als  aus  guter  Erkenntniss  der  Sache  selbst 
entsprossen  sind''.  Wie  auffillig  die  Thatsache  eines  30 
Jahre  nach  der  moslemischen  Eroberung  in  Aegypten  grie- 
chisch geschriebenen  Werkes  sein  würde,  giebt  der  Verfasser 
selbst  zu;  aber  fast  noch  auffalliger  wäre  bei  einem  so  späten 
Schriftsteller  die  im  13.  Buche  zum  Vorschein  kommende 
genaue  Eenntniss  der  Geschichte  der  Mitte  des  dritten  Jahr- 
hunderts, die  schon  100  Jahre  später  so  wenig  bekannt  war 
und  hinsichtlich  welcher  in  den  byzantinischen  Chroniken 
auch  des  sechsten  Jahrhunderts  völlig  Tabula  rasa  ist  Das 
14.  Buch  enthält  nichts  als  einen  von  nicht  eben  grosser 
Erfindungsgabe  zeugenden  Abklatsch  der  Vorfalle  und  Zu- 
stände jener  Periode,  in  der  Aegypten  ein  Zankapfel  zwischen 
Rom  und  dem  arabischen  Staate  von  Palmyra  war. 

Diesen  Untersuchungen  über  die  christlichen  Sibyllen- 
bücher kann  man  hiernach  bei  der  äusserst  subjectiven 
Betrachtungsweise  des  Verfassers  höchstens  das  Lob  zu- 
gestehen, dass  sie,  abgesehen  von  manchen  richtigen  Er- 
klärungen im  Einzelnen,  durch  den  Widerspruch,  den  sie 
gegen  die  herkömmlichen  Ansichten  erhoben  haben,  und 
durch  den  Widerspruch,  den  sie  bei  dem  sibyllenkundigen 
Leser  hervorrufen  werden,  anregend  wirken  können;  sehen 
wir  auf  den  inneren  Werth  derselben,  so  ist  der  Abstand 
von  Ewalds  Untersuchungen  über  die  älteren  Sibyllenbücher 
ein  sehr  grosser.    Man  möchte  glauben,  dass  der  Verfasser 


BADT,  VIERTES  BUCH  DEE  SIBYLLINISCHBN  OBAKEL.    329 

durch  Quellenstudien  über  die  Ausgänge  der  israelitiscben 
Geschichte  auf  eine  eingehende  Prüfung  der  in  diese  Zeit 
gehörenden  Sibyllenbücher  geführt  worden  ist  und  die 
späteren  nur  beiläufig  und  wegen  der  Unthuolichkeit  einer 
Trennung  der  Untersuchung  mit  in  den  Kreis  seiner  Be- 
trachtungen gezogen  hat.  Aber  auch  dann  muss  man  sich 
wundem^  dass  ein  Mann  von  dem  Rufe  des  Verfassers  es 
über  sich  gewinnen  konnte,  durch  Veröffentlichung  einer  so 
unfertigen  Arbeit  seine  Verehrer  in  Erstaunen  zu  setzen. 


8.*) 

Badt»  Dr.  B.,  Ursprung,  Inhalt  und  Text  des  yierten723 
Buches   der   sibylliniscben   Orakel.     Eine    Studie. 
Breslau  1878.  Druck  von  Fiedler  &  Hentschel.  (24  S.  4«.) 

Der  erste  Abschnitt  der  vorliegenden  Abhandlung  liefert 
Beiträge  zur  Textkritik  und  Exegese  des  vierten  Sibyllen- 
buches, verständige,  von  eingehender  Beschäftigung  mit  dieser 
eigenartigen  Literatur  zeugende  Bemerkungen,  denen  man 
nach  der  negativen  Seite  hin,  der  Aufdeckung  von  Gorruptelen, 
fast  immer,  nach  der  positiven,  den  Verbesserungsvorschlägen, 
wenigstens  vielfach  beistimmen  kann.  Die  Aenderung  öv^ 
BaQig,  naöeai  für  SvßaQtg  niöatai  V.  99,  die  Umstellung 
von  V.  108  vor  V.  105,  dgatftrjQ  für  ccöttiq  V.  119  sind 
vortrefflich.  Ebenso  aXbg  für  aXlog  V.  113,  aber  rechter 
Sinn  kommt  in  die  Stelle  auch  so  noch  nicht,  das  ist  erst 
der  Fall,  wenn  man  schreibt: 

*Hvixa  dfj  JlaräQOiv  oiiddotg  score  dva^eßisööi 
BQOvtatg  xal  üHöiiotöiv  alog  jteXdifsv  fidXav  vSag. 

Nicht  glücklich  scheint  dem  Referenten  die  Behandlung 
der  Eingangsworte,  die  sich  vielmehr  mit  Aenderung  eines 
einzigen  Buchstabens  in  V.  2  so  herstellen  lassen: 


^  [LiterariBcheB  Centralblatt  1880  S.  723—724.] 


330  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

t>60a  7CoXvq>d^6yyoLO  8 im  6x6(ULXog  (isyaQoto 
MiXXm  ag>^  rjiisteQov  ^avaXri%^ia  fiavrsvso&ai. 

Ebensowenig  ist  es  V,  121  mit  der  leichten  von  dem 
Verfasser  vorgeschlagenen  Aenderung  og  Tcora  für  omcoxe 
abgethan:  das  olg  noLvr]v  der  besseren  Handschrifteuclasse 
führt  auf  ganz  Anderes:  Referent  vermuthet: 

Ttog  ngly  iiritQciov  ayog  ötvyeQoto  (povoto 
TXriösxai, 

724  Ohne  Noth  ist  Y.  82  das  in  den  Zusammenhang  ganz 
passende  Kgoxmv  mit  ßgoxmv  vertauscht:  dass  die  dem  Yer- 
schüttetwerden  verfallene  Stadt  nicht  genannnt  sein  sollte, 
würde  ganz  gegen  den  Sibyllenstil  Verstössen. 

Eine  Analyse  des  Inhaltes,  welche  den  zweiten  Abschnitt 
bildet,  bereitet  auf  den  dritten  vor,  der  über  Zeit  und  Ort 
der  Abfassung  und  die  Persönlichkeit  des  Dichters  handelt. 
Dass  das  Buch  80  n.  Gh.  abgefasst  ist,  ist  allgemein  an- 
erkannt; der  Nachweis,  dass  der  Dichter  in  Earien  gelebt 
hat,  wird  kaum  auf  ernstlichen  Widerspruch  stossen;  um  so 
bestrittener  ist  bekanntlich  die  Frage,  welchem  Glauben  er 
angehört  hat.  Des  Verfassers  Ergebniss  ist  kurz  das,  dass 
er  ein  Jude,  und  zwar  ein  pharisäischer  Jude  gewesen  sei, 
und  dieser  Nachweis  ist,  wie  aus  S.  2  zu  ersehen^  der  Haupt- 
zweck seiner  Arbeit.  Die  Gründe  für  die  Christlichkeit  des 
Dichters  stehen  in  der  That  auf  schwachen  Füssen;  freilich 
dürfte  es  Ueberscharfsinn  sein,  wenn  der  Verfasser  aus  dem 
wiederholten  Betonen,  dass  Gott  selbst  das  Weltgericht  herbei- 
führen werde,  sogar  eine  Polemik  gegen  das  Ghristenthum 
herausliest.  Schwieriger  und  darum  wichtiger  war  der  Nach- 
weis, dass  auch  die  für  den  essäischen  Ursprung  des  Gedichtes 
angeführten  Gründe  nicht  zwingend  sind,  imd  diesen  scheint 
uns  der  Verfasser  in  der  That  S.  16  geführt  zu  haben:  er 
zeigt,  dass  das  Gebet  vor  der  Mahlzeit  (V.  25)  auch  phari- 
säische Observanz  war,  und  dass  das  Gesetz,  auf  welches 
V.  165  anspielt,  dass  Heiden,  die  zum  Judenthume  über- 
treten, sich  vorher  der  Taufe  unterwerfen  müssen,  ein  all- 
gemein jüdisches,  noch  heute  geltendes  ist;  mit  Recht  legt 


BADT,  VIERTES  BUCH  DER  SIBYLLINISCHEN  ORAKEL.     331 

er  hierbei  auf  die  Worte  Xov6B6d'£  oXov  diiucg  besonderes 
Gewicht.  Aber  wenn  es  auch  dem  Verfasser  gelungen  ist, 
das  Judenthum  des  Dichters  wahrscheinlich  zu  machen,  so 
bleibt  es  doch  nach  wie  vor  bedenklich,  in  ihm  einen  ortho- 
doxen Juden  zu  sehen.  Wenigstens  wenn  man  mit  dem  Ver- 
fasser V.  28  ff.  an  der  Lesung  elxata  ki^cDv  aq>LdQviiata 
xotpmv,  I  JZ^iaöLv  i(iilwx(DV  fie^iaöfidva  xal  ^öiatöt  |  Tstga- 
Ttodoiv  festhält;  denn  ganz  dasselbe  geschah  im  Jerusalemi- 
schen Tempel,  und  nach  wie  vor  wird  man  in  einer  so  gefassten 
Polemik  nur  eine  Wendung  gegen  blutige  Opfer  überhaupt 
erkennen  können.  Anders  würde  sich  die  Sache  stellen, 
wenn  man  sich  für  die  Lesung  derjenigen  Handschriften- 
classe  entschiede,  die  sich  sonst  immer  als  die  bessere 
erweist;  sie  lautet: 

slxata  Xl&(ov  atpidQvyiaxa^  qxoräv 
j4t^a6Lv  i^ilwxaiv  [isfiiaOfidva  Tcal  d^6£y0L 
TtXQanodmVj  dmodcavj  ntrivmv  dTjQtSv  ts  (povoiötv 
—  s^  I  (vielleicht  ovxidavmv^  was  wegen  des  näch- 
sten Versanfanges  ovxb  (povov  leicht  ausfallen  konnte). 

Die  Verse  sind  nicht  schon,  womit  aber  nicht  bewiesen  ist, 
dass  sie  nicht  doch  das  Ursprüngliche  geben. 

Den  Beschluss  macht  S.  18  ff.  ein  Abdruck  des  Textes 
des  vierten  Buches,  in  welchen  die  Verbesserungsvorschläge 
des  Verfassers  aufgenommen  sind. 


XII. 
leiDie  KSnigsnanien  in  den  apokryphen  Apostelgeschichten. 

Ein  Beitrag  zur  Kenntniss  des  geschichtlichen  Romans.*) 

Der  englische  Numismatiker  Gunningham  hat  in  seiner 
Abhandlung  „Coins  of  Indian  Buddhist  satraps  with  Greek 
inscriptions'^  (im  Journ.  of  the  Asiat,  soc.  of  Bengal  yoI. 
XXni.  1854)  in  dem  sonst  nur  aus  Münzen  bekannten 
indisch -parthischen  Könige  Gondophares  den  König  Gunda- 
forus  wiedererkannt,  unter  welchem  nach  der  Legenda  aurea 
der  Apostel  Thomas  das  Ghristenthum  in  Indien  gepredigt 
haben  soll.  Meines  Wissens  ist  diese  Entdeckung  bisher 
weder  zu  einer  Umgestaltung  der  nur  zu  sehr  in  der  Luft 
schwebenden  Zeitrechnung  der  indoskythischen  und  parthi- 
schen Könige  von  Ariana  verwerthet,  noch  von  den  Theo- 
logen irgend  welche  Notiz  von  dem  unsanften  Stosse 
genommen  worden,  welchen  die  gewöhnliche  Ansicht  von 
dem  höchst  ungeschichtlichen  Charakter  der  nichtkanoni- 
schen Apostelgeschichten  dadurch  erhält.  Je  schlagender 
mir  Gunninghams  Gombination  zu  sein  scheint,  um  so  mehr 
dünkt  es  mir  Pflicht  des  Historikers,  sie  auf  eine  bessere 
Grundlage   zu   stellen,   als   die   Gompilation   des  Jacobus   a 


*)  [RheiniBches  MuBeum  für  Philologie.  N.  F.  Bd.  XIX  (1864) 
S.  161  — 183.  380  —  401.  Es  liegen  einige  Anhaltspunkte  dafür  vor, 
dasB  Gutschmid  eine  Üeberarbeitong  dieser  Abhandlung  mit  Rücksicht 
auf  die  seitdem  von  Wright  veröffentlichten  syrischen  Texte  der  apo- 
kryphen Apostelgeschichten  beabsichtigte;  etwa  in  den  Noten  auf  die 
danach  eventuell  zu  modificirenden  Stellen  hinzudeuten,  erschien  in- 
dessen dem  Herausgeber  aus  verschiedenen  Gründen  misslich.  Im 
AUgemeinen  mag  es  genügen,  auf  Lipsius,  Die  apokryphen  Apostel- 
geschichten (Braunschweig  1883/87)  hinzuweisen.    F.  R.] 


KOENIGSNAMEN  I.  D.  APOKE.  APOSTELGESCHICHTEN.    333 

Yoragine*)  ist,  am  so  mehr  an  der  Zeit,  einen  Streifzug  auf 
jenes  von  Niehttheologen  selten  betretene  Gebiet  zu  unter- 
nehmen,  um  zu  ermitteln,  wie  sich  die  apokryphen  Apostel- 
geschichten überhaupt  zur  profanen  Geschichte  stellen. 

In  den  nach  Thilos  Untersuchungen  in  ihrem  Kerne 
auf  den  in  der  zweiten  Hälfte  des  dritten  Jahrhunderts 
lebenden  Manichäer  L.  Charinus  zurückgehenden  üegiodot 
zov  ayCov  anoöxolov  ßo^iä^)  wird  erzählt,  wie  Abbaues, 
der  Kaufmann  des  indischen  Königs  Gundaphoros,  in  dessen 
Auftrage  nach  Jerusalem  kommt,  um  einen  kundigen  Bau- 
und  Zimmermeister  zu  suchen,  der  dem  Konige  einen  Palast 
bauen  soll,  und  wie  Thomas  von  Christus  selbst  dem  Abbaues 
als  Sklave  verkauft  wird,  um  den  Heiden  das  Evangelium 
zu  verkünden.  Thomas  kommt  erst  nach  Andrapolis,  dann 
an  den  Hof  des  Gundaphoros,  und  es  gelingt  ihm,  den  Königl62 
und  seinen  Bruder  Gad,  der  als  auf  freundschaftlichstem 
Fusse  mit  Gundaphoros  stehend  geschildert  wird,  zum  Chri* 
stenthum  zu  bekehren.  Eine  unvollendete  Homiliensamm- 
lung  eines  ungenannten  Verfassers  zum  Matthäos  erzählt 
Hom.  II  (bei  Thilo  p.  102),  die  Magier,  welche  das  Christus- 
kind angebetet  hatten,  seien  zum  Thomas  gekommen  und 
hätten  sich  von  ihm  taufen  lassen.  Damit  stimmt,  dass  wir 
den  Namen  jenes  Königs  in  zwei  beim  syrischen  Lexiko- 
graphen Bar  Bahlül  erhaltenen  Verzeichnissen  der  Weisen 
aus  dem  Morgenlande  wiederfinden,  einmal  als  Güdophorhüm, 
das  andere  Mal  vertreten  durch  Vashthaph^)  bar  Güdophor 
(bei  Hyde,  Veterum  Persarum  religionis  historia,  p.  383 
ed.  2).  Ja  wir  brauchen  nicht  einmal  so  weit  zu  suchen. 
Von  den  uns  geläufigen  Namen  der  heiligen  drei  Könige 
ist  Melchior  „König  des  Lichtes^',  Balthasar  der  chaldäische 

*)  [Im  Originaldruck  steht  Viiriaco.    F.  R.] 

1)  Herausgegeben  von  Thilo,  Acta  S.  Thomae  apostoli,  Leipzig 
1828,  und  von  Tischendorf  in  den  Acta  apostolomm  apocrypha  p.  190 ff., 
lateinisch  bearbeitet  von  Abdias,  Apost.  bist.  IX,  1 — 7  (bei  Fabricins, 
Cod.  apocr.  N.  T.  p.  687  ff.  ed.  II). 

2)  Dass  Hyde  Unrecht  hatte  et  Shetaph  zu  übersetzen,  geht  daraus 
hervor,  dass  keiner  der  übrigen  Namen  durch  die  Copula  yerbnnden 
ist.    Vashthaph  ist  vielmehr  Entstellung  von  Vashthasph  (Tetdanrig), 


334  DIE  KOENIGSNAMEN 

N'ame  Daniels  (Dan.  1,  7)^  Kaspar  (Gaspard)  hat  aber  noch 
Niemand  erklärt.  Die  Excerpta  barbari  bei  Scaliger  p.  67 
(81)  [p.  228  Schöne];  wohl  eine  der  ältesten  Quellen^  welche 
die  jetzt  gebräuchlichen  Namen  der  Eonige  enthält,  geben 
den  erwünschten  Aufschluss:  hier  lautet  der  Name  Gatha- 
spar*);  was  augenscheinlich  Entstellung  von  Godaphar  ist. 
Thilo  hat  p.  108  zu  zeigen  gesucht,  dass  die  älteste  Tra- 
dition den  Thomas  zum  Apostel  der  Parther  mache  und  erst 
bei  Späteren  yon  Indien  die  Bede  sei.  Allein  aus  älterer 
Zeit  ist  überhaupt  nur  das  eine  Zeugniss  der  Clementinischen 
Recognitionen  da,  die  allerdings  IX,  29  Parthieu  nennen;  erst 
im  vierten  Jahrhundert  werden  die  Angaben  sehr  häufig, 
und  die  Reihe  der  Zeugen  für  Parthien  beginnt  mit  Eusebios 
von  Käsareia,  die  der  Zeugen  für  Indien  mit  Gregorios  von 
Nazianzos,  die  doch  nur  durch  einen  geringen  Zwischenraum 
getrennt  sind.  Der  ganze  Streit  läuft  auf  einen  Streit  um 
des  Kaisers  Bart  hinaus:  wir  können  nicht  länger  zweifeln, 
dass  es  sich  auf  beiden  Seiten  um  eine  und  dieselbe  Localität 
handelt,  seitdem  wir  wissen,  dass  eine  parthische  Dynastie 
in  indischen  Gebieten  geherrscht  hat,  und  dass  laut  Münzen 
der  Beschützer  des  Thomas  eben  dieser  Dynastie  angehört. 
Auf  den  sehr  zahlreichen  numismatischen  Denkmälern  dieses 
Königs  kommen  die  verschiedensten  Varianten  seines  Namens 
vor,  die  sich  auf  zwei  Hauptformen  zurückführen  lassen:  die 
eine,  HyndopherrSs^),  ist  von  Spiegel,  Die  altpersischen  Keil- 
inschriften S.  217  als  die  ältere  und  identisch  mit  dem  alt- 
persischen Namen  Vifidafrä  nachgewiesen  worden,  den  auf 
der  Inschrift  von  Behistun  Tafel  III,  §  14  ein  Feldherr  des 
Dareios,  ein  Meder  von  Geburt,  führt;  die  andere,  Gondo- 
I68phares,  in  der  arianischen  Legende  Godaphara  und  ähnlich^), 


*)  [Nach  Schone  liest  die  Handschrift  Oathaspa.    F.  R.] 

1)  Die  Numismatiker  haben  sich  verschworen,  den  König  Tndo- 
pherrds  za  nennen;  es  ist  nicht  überflüssig  zu  bemerken,  dass  dies 
gegen  ein  bekanntes  griechisches  Lautgesetz  verstösst. 

2)  Man  findet  die  verschiedenen  Formen  beisammen  in  dem 
neuesten  Oatalog  der  baktiischen  und  arianischen  Münzen  von  Thomas 
(zu  Prinseps   Essays    on   Indian    antiquities   II,  177  ff.)   No.  XXXIII. 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.         335 

verdankt  ihren  Ursprung  der  Neigung,  welche  die  Pärsi- 
sprache  mit  den  romanischen  Dialekten  theilt^  anlautendem 
V  ein  g  vorauszuschicken.^)  Auf  die  Uebereinstimmung  der 
Magierverzeichnisse  mit  der  arianischen  Schreibart  in  Aus- 
stossung  des  Nasals  wird  kein  zu  grosses  Gewicht  gelegt 
werden  dürfen,  da  hier  möglicherweise  bloss  eine  Eigenheit 
der  arianischen  Schrift  vorliegt:  dagegen  ist  kaum  zu  ver- 
kennen, dass  Güdophorhüm  ein  nach  Art  der  Syrer  dumpf 
ausgesprochener  persischer  Accusativ  (altpersisch  Yiüdafräm) 
ist.  Daraus  folgt  aber,  dass  die  Sage  von  Gundaphoros 
unter  den  Magiern  und  die  Thomassage  unabhängig  von 
einander  entstanden  sind,  dass  mithin  die  Traditionen  der 
älteren  Christen  des  Ostens  von  jenem  Könige  ein  Mehreres 
zu  erzählen  gewusst  haben.  Nach  den  Münzen  erstreckte 
sich  sein  Reich  über  Areia,  Drangiana  und  Arachosien  (vgl. 
Lassen,  Indische  Alterthumskunde  II  S.  395  [S.  408 f.  der 
2.  Aufl.])*),  das  zuletzt  genannte  Land  wurde  aber,  wie  wir 
aus  Isidoros  von  Charax  (§  19  bei  Müller  p.  254)  wissen, 
von  den  Parthern  das  weisse  Indien  genannt,  und  so  er- 
klären sich  die  betreffenden  Angaben  der  christlichen  Legende. 
In  dieser  wird  leider  die  Hauptstadt  des  Gundaphoros  nicht 
namentlich  genannt;  der  einzige  Ordericus  Yitalis  (bei  Thilo 
p.  111)  erwähnt  die  Hauptstadt  Hieropolis  und  die  Ebene 
am  Berge  Gazus  als  Schauplatz  der  Thaten  des  Thomas. 
Erinnert  man  sich^  dass  der  Landesname  Aria  oder  vielmehr 
Haria  (altpersisch  Hariva)  bei  Hieronjmus^  Quaest.  Hebr.  in 
Genesin  (HI  p.  322**  ed.  Vallars.)*)  in  Hieria  entstellt 
worden  ist,  und  erwägt  dazu^  dass  gadha  im  Indischen  Brust- 
wehr^ Feste  bedeutet,  Fd^og  als  indische  Localität  auch  sonst 

[Vgl.  jetzt  Sallet,  Die  Nachfolger  Alexanders  des  Grossen  in  Baktrien 
und  Indien  S.  157  ff.  und  Gutschmids  „Geschichte  Irans'*  S.  134  f.    F.  B.] 
•)  [Vgl.  „Geschichte  Irans"  S.  136.    F.  R.] 

1)  Daher  finden  wir  bei  den  Griechen  FoQaQdvTjg  neben  Ovaqa- 
^vfjg,  und  Aehnliches. 

2)  Vgl.  mit  Josephos  A.  J.  I,  6,  4.  [Bei  Josephos  ist  'AQÜcg  eine 
CoDJectnr  von  Bochart,  die  Handschriften  bähen  theils  evgiag  theils 
eri^iag.  Bei  Eusehios  Onomast.  p.  252, 100  (Lagarde)  ist  ö^lac^  p.  290, 71 
ZvQCac^  p.  304,  98  r^^iaa  überliefert.    F.  B.] 


336  DIE  KOENIQSNAMEN 

bezeugt  ist^)^  so  wird  man  mir  zugeben,  dass  es  verführerisch 
ist,  Hariopolis  (^AgsCiov  noXvg)  zu  lesen  und  bei  Gazos  an 
die  Ashekic'eh,  die  feste  Citadelle  von  Herat,  und  den  zwei 
Parasangen  von  der  Stadt  auf  einem  Berge  gelegenen  Feuer- 
tempel Arshek  zu  denken^),  Oertlicbkeiten,  die  noch  im 
Mittelalter  in  ihren  Namen  die  Erinnerung  an  eine  arsakidi- 
sche  Gründung  bewahrten.  Indess  darf  nicht  verschwiegen 
werden,  dass  Ordericus  Yitalis  bei  einer  anderen  Gelegenheit, 
164WO  er  Namen  nennt,  die  in  den  älteren  Texten  fehlen,  sicht- 
lich nur  den  Eingebungen  seiner  eigenen  Phantasie  gefolgt 
ist^):  man  darf  also  nicht  zu  viel  auf  ihn  bauen. 

Doch  sehen  wir  von  diesen  vielleicht  trügerischen  Ver- 
gleichungen  der  christlichen  Sage  mit  den  thatsächlichen 
Verhältnissen  ab,  so  hat  sich  ihre  Uebereinstimmung  mit 
den  urkundlichen  Denkmälern  durch  eine  neuere  Entdeckung, 
von  der  Cunningham  noch  nichts  wusste,  in  wohl  einzig 
dastehender  Weise  bewährt  Es  ist  nämlich  eine  Münze 
gefunden  worden  (abgebildet  bei  A.  de  Longperier,  Memoires 
sur  la  Chronologie  et  l'iconographie  des  rois  Parthes  Arsa- 
cides  p.  94;  beschrieben  bei  Thomas  a.  a.  0.  No.  XXXIV), 
welche  auf  dem  Avers  einen  König  zu  Pferde,  mit  flattern- 
dem Diadem  und  ausgestreckter  Rechten  darstellt;  vor  dem 
Pferde  befindet  sich  ein  Symbol,  wie  es  scheint  ein 
Caduceus,  ringsum  läuft  die  Legende  BACIAEVÄOA- 
AArVNAI<t)EPDAAEA(DIAELUC.*)  Der  Revers  zeigt 
uns  eine  schreitende  Figur,  ebenfalls  mit  flatterndem  Dia- 
dem und  erhobener  Rechten,  in  der  Linken  ein  Scepter, 
einen   Mantel   um   die   Hüften   geschlungen,   wahrscheinlich 

1)  Freilich  nur  in  des  Dionysios  Bassarika,  Buch  III  bei  Stephanos 
8.  Y.  Fafofi,  wo  Gazos  als  mit  einer  zanberhaften  Mauer  von  Linnen 
nmgeben  geschildert  wird. 

2)  Vgl.  den  persischen  Geographen  bei  S.  de  Sacy,  Memoires  sur 
diverses  antiquit^s  de  la  Perse  p.  889. 

8)  Die  Königstochter  von  Andrapolis  und  ihren  Bräutigam  nennt 
er  Pelagia  und  Dionysios. 

*)  [Sallet,  Die  Nachfolger  Alezanders  d.  Gr.  in  Baktrien  und  Indien 
S.  169  liest  ABAAA  statt  ADAi^A.  Vgl.  denselben  in  der  Zeitschrift 
für  Numismatik  VIT  S.  303  f.     F.  R.] 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.        337 

Zeus;  vor  ihm  im  Felde,  wie  es  scheint,  ein  Thronsessel, 
hinter  ihm  ein  Monogramm,  die  Elemente  V,  T,  D  und  N 
enthaltend :  ringsum  eine  arianische  Legende,  von  welcher 
nur  die  Worte  Mähärag'a  (sie)  tradatasa  dhramiasa  (d.  i  ßaöi- 
kdmg  ^toviiQog  jdiTtalov)  leserlich  sind.  Longperier  theilte 
die  barbarische  Umschrift  so  ab:  ßMikav  ^AoaSa^  und  ver- 
glich den  Namen  mit  dem  aus  Tac.  Ann.  VI,  31  bekannten 
Abdus;  doch  ist  es  fraglich,  ob  bei  dem  dort  genannten 
Eunuchen  nicht  eine  naheliegende  semitische  Etymologie 
▼OTZuziehen  ist,  überdies  ist  die  Yocalhäufung  in  'Joddag 
unerhört.  Der  Barbarismus  ist  incommensurabel :  warum 
sollte  der  arianische  Münzpräger  nicht  eben  so  gut  einen 
Genitiv  ßaöilsva  gebildet  haben,  der  eine  wenigstens  mög- 
liche Genitivendung  hat?  Dann  bleibt  für  den  Namen  *Odda, 
worin  sich  leicht  der  auf  den  Münzen  der  Turushkakönige  in 
der  Nominativform  OA AO  vorkommende,  zendischem  Yäta, 
neupersischem  Bad  entsprechende  Name  des  Izeds  des  Windes 
wiedererkennen  lässt  (vgl.  Lassen,  Ind.  Alterth.  II  S.  842 
[S.  837  f.  der  2.  Aufl.]).  Dafür,  dass  zur  Zeit  dieser  Parther- 
könige Namen  von  Izeds  mit  Vorliebe  auf  Menschen  übertragen 
wurden,  ist  der  Eönigsname  Orthagnes  ein  genügendes  Beispiel. 
Im  Pars!  konnte  nach  der  oben  bemerkten  Eigenthümlichkeit 
dieser  Sprache  zu  dem  anlautenden  v  des  Namens  der  Vor- 
schlag eines  g  treten:  in  der  That  ist  Gväd  (hier  Gavät 
geschrieben)  eine  durch  das  Pärsiverzeichniss  der  Monats- 
namen bei  Hyde  p.  192  bezeugte  Form.  Dieses  Gväd  nun 
ist,  wie  Jeder  sieht,  in  dem  Fad  der  Thomaslegende  ganz 
correct  wiedergegeben.  So  grosser  üebereinstimmung  gegen- 
über wird  man  die  kleine  Ungenauigkeit,  dass  Oadas  oderi65 
Gad  nach  der  Münze  nicht  Bruder,  sondern  Neffe  des  Gunda- 
phoros  war,  leicht  verschmerzen.  Wie  gross  ist  aber  unser 
Erstaunen,  wenn  wir  sehen,  dass  eine  andere  christliche 
Tradition  den  von  Thomas  bekehrten  Inderfürsten  in  der 
That  nicht  zum  Bruder,  sondern  zum  Neffen  des  regieren- 
den Königs  macht!  Das  Evangelium  Joannis  de  obitu  Mariae 
(bei  Thilo  p.  100)  lässt  den  Thomas  sagen:  tov  vCov  tijg 
adsXq>rig  tov  ßaöiXsmg  ovoiucu  Aaßdavovg  vtc  iiiov  iiiXXovrog 

T.  GuTBCHMiD,  Kleine  Schriften.   IL  22 


338  DIE  KOENIfiSNAMEN 

aipQay^^aöd'at  iv  tä  %akaxCci.  Hier  ist  so  wie  so  wohl  ^Jß- 
ddvovg  herzustellen,  worin  entweder  eine  freiere  Wiedergabe 
der  Form  'Oddag  zu  erkennen  oder,  was  wahrscheinlicher  ist, 
eine  Verwechselung  mit  dem  Namen  des  Kaufmanns,  dem 
Thomas  verkauft  wurde,  anzunehmen  ist.  Immerhin  behält 
die  Notiz  als  eine  von  der  gewohnlichen  Thomaslegende 
unabhängig  dastehende  Nachricht  ihr  grosses  Interesse. 
Kaum  brauche  ich  noch  besonders  hervorzuheben,  wie  gut 
auch  das  von  der  Thomassage  vorausgesetzte  freundschaft- 
liche Verhältniss  zwischen  Gundaphoros  imd  6ad  zu  der 
auf  der  Münze  bezeugten  Mitregentschaft  Beider  passt.  Da 
alles  Uebrige  so  gut  stimmt,  so  trage  ich  kein  Bedenken, 
anzunehmen,  dass  auch  in  der  Angabe,  dass  Gundaphoros 
sich  zum  Bau  seines  Palastes  einen  Baumeister  aus  dem 
romischen  Reiche  kommen  lässt,  auf  thatsächliche  cultur- 
geschichtliche  Zustände  Rücksicht  genommen  worden  ist* 

Sowohl  der  Zeit  als  dem  inneren  Gehalte  nach  steht 
hinter  den  bisher*  betrachteten  UsqCoSoi  Sm^iM  das  kleine 
Schriftchen  weit  zurück,  welches  den  Titel  führt  ^H  xbXbC(o- 
6 ig  0(O(ia  tov  azoötoXov  und  von  Tischendorf  in  den 
Acta  apostt.  apocr.  p.  235  ff.  herausgegeben  worden  ist.  Der 
griechische  Text  ist  durch  Verkürzung  aus  denjenigen  Akten 
des  Thomas  entstanden,  die  lateinisch  bei  Abdias  (IX,  8 — 25) 
erhalten  sind.  Der  Inhalt  ist  kurz  dieser.  Thomas  folgt 
Syphor,  dem  Fürsten  eines  anderen  indischen  Königs  Namens 
Misdeos,  in  des  Letzteren  Reich  und  bewegt  hier  verschiedene 
Angehörige  des  Misdeos  zum  Verlassen  des  Götzendienstes, 
weshalb  ihn  der  König  vor  der  Stadt  von  vier  Soldaten 
durch  die  Spiesse  rennen  lässt  Sein  Leichnam  wird  von 
den  Christen  heimlich  nach  Edessa  gebracht;  der  Staub,  auf 
dem  er  gelegen,  genügt  aber,  um  lange  Zeit  nachher  einen 
mit  dem  bösen  Wesen  behafteten  Sohn  des  Misdeos  wieder 
gesund  zu  machen,  und  wird  das  Mittel  zur  Bekehrung  des 
Königs.  Die  vorkommenden  Eigennamen  sind  theils  erfun- 
dene, wie  Charisios,  ein  Freund  des  Königs,  und  sein  Weib 
Mygdonia,  desgleichen  Narkia,  deren  Amme,  und  Treptia 
{^Teqtco),   die   Königin:   die   beiden   letzteren   Namen   wohl 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.    339 

abgeleitet  von  vaQXfi  und  tQsmi^.  Echt  persische  Farbe 
tragen  dagegen  die  folgenden:  Mtödiog  (Mesdeus),  d.  i.  Maz- 
däOy  der  zweite^  öfters  alleinstehende  Bestandtheil  des  Gottes- 
namens Ahnromazdäo  ^  aus  dem  im  Neupersischen  Ormuzd 
geworden  ist  und  der  von  mehreren  Sasaniden  geführt  wird; 
sein  Sohn  heisst  ^loviavrjg  (worauf  auch  das  Luzanis  statt 
Zuzanes  in  den  Ausgaben  des  Abdias  vor  Fabricius  führt)  :166 
wahrscheinlich  eine  Umschreibung  Yon  Wij'en^  der  Pehlewi- 
form  des  neupersischen  Bij'en^);  der  Name  seines  Weibes 
Manazara  scheint  eins  zu  sein  mit  dem  armenischen  Mannes- 
namen Manag'ihr  (Mos.  Choren.  11^  82;  5  p.  213  ed.  Whiston.); 
neupersisch  Manüshg'ihr  (himmlischer  Keim);  endlich  Syphör 
oder  Syphoros  ist  der  Name  Sufrai^  den  ein  Vezier  des  Sa- 
saniden Qobäd  führt  (Mirkhond  bei  Sacy  p.  353).  Bei  Ab- 
dias wird  unter  den  Wundem,  die  Thomas  vor  seinem  Tode  * 
gethan  haben  soll,  auch  die  durch  seine  Beschwörung  be- 
wirkte Zertrümmerung  einer  goldenen  Bildsäule  des  Sonnen- 
gottes mit  goldenem  Viergespann  gemeldet;  der  Sonnengott 
wird  hier  als  Invictissimus  Sol  bezeichnet ,  also  als  Mithras, 
eine  dem  indisch-parthischen  Locale  angemessene  Erfindung.') 
Da  es  durch  ein  vollgültiges  Zeugniss  feststeht^  dass  Thomas 
in  Edessa  eines  natürlichen  Todes  gestorben  ist  (?gl.  Thilo 
p.  105  ff.),  damit  aber  der  TsXeicoöig  der  Boden  unter  den 
Füssen  weggezogen  wird,  so  liegt  es  nahe  genug,  anzunehmen, 
dass  auch  die  Einkleidung  nichts  ist,  als  die  Erfindung  eines 
mit  persischem  Wesen  vertrauten  Christen.  Hierfür  hat  Thilo 
p.  119  ff.  besonders  den  Namen  der  Stadt  geltend  gemacht, 
in  der  Thomas  den  Märtyrertod  erlitten  haben  soll:  er  kommt 
zwar  nicht  in  unserer  Legende,  aber  in  verschiedenen  Zeug- 
nissen griechischer  Kirchenväter  vor,  deren  ältestes  das  des 
Sophronios  im  Anhang  De  vita  apostolorum  zur  griechi- 
schen Uebersetzung  von  Hieronymus  De  viris  illustribus  c.  8 
p.  265  ist'),  und  lautet  KaXafiivti.    Thilo  bemerkt  mit  einem 

1)  Vgl.  über  diesen  Namen  meine  Bemerkungen  in  der  Zeitschrift 
der  deutschen  morgenländischen  Gesellschaft  XV  S.  672. 

2)  Ueber  den  Cultus  dieses  Gottes  in  Ostiran  vgl.  Lassen,  Ind. 
Alterthumsk.  II  S.  887  ff.  [S.  882  ff.  der  2.  Aufl.].        3)  Vgl.  Thilo  p.  100  ff. 

.  22* 


340  DIE  KOENIGSNAMEN 

Scheine  von  Recht^  dass  dies  ein  griechisclies  Wort  sei,  und 
sucht  darzuthun,  dass  der  Name  den  Darstellungen  des 
Thomas  mit  dem  xdXafiog  oder  Messstabe  seine  Erfindung 
verdanke.    Dies  ist  ein  vergebliches  Beginnen:  tä  KdXaiia 

9 

ist  in  der  That  als  Dorf  an  der  Küste  Gedrosiens  bezeugt 
durch  Nearchos  bei  Arrian  Hist.  Ind.  c.  26;  eine  gegenüber- 
liegende Insel  hiess  nach  Arrian  Kagßiv^q,  nach  Ptolemäos 
VI,  8, 16  und  Stephanos  u.  d.  W.  aber  Rdg^iiva,  die  Bewohner 
derselben  KaQfitvoi;  den  ganzen  Küstenstrich  nennt  Arrian 
Kagßis^  und  noch  jetzt  bewahrt  der  Fluss  Kaiami  oder 
Kurmut  (sprich  Karmat)  den  alten  Namen:  vgl.  die  Nach- 
weisungen Müllers  zu  den  Geogr.  Gr.  min.  I  p.  344.  Die 
OerÜichkeit  muss  als-  Schiffsstation  von  Bedeutung  gewesen 
sein  und  war  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  von  Gundar 
*  phoros  abhängig,  der,  wie  Lassen,  Ind.  Alterth.  11  S.  394 
[S.  408  der  2.  Aufl.]  aus  den  Münzen  gefolgert  hat,  auch 
Gedrosien  beherrscht  hat.*)  Hierauf  aber  beschränkt  sich 
der  Einklang  der  Legende  mit  den  geschichtlichen  Verhält- 
nissen nicht.  Derselben  indisch  -  parthischen  Dynastie  wie 
l67Gundaphoros  gehört  ein  König  Orthomasdes  an,  dessen 
Münze  Cunningham  im  Numism.  chron.  YIII  (1846) 'p.  175 ff. 
angeführt,  aber,  soviel  ich  weiss,  noch  nicht  veröffentlicht 
haf^*)  Cunninghams  Vorschlag,  den  Namen  mit  Omospades 
bei  Tac.  Ann.  VI,  37  zu  identifiziren,  ist  werthlos;  nach  An- 
leitung des  auf  den  Münzen  der  Turushkakönige  vorkommen- 
den Gottesnamens  APJOXPO^  in  welchem  Benfey  (Zeit- 
schrift der  deutschen  morgenländischen  Gesellschaft  VIII 
8.  455)  „der  reine  Ahurö^^  erkannt  hat,  wird  man  Ortho- 
masdes, d.  i.  altpersisch  Arta- Mazda,  als  Synonym  davon 
(„der  reine  Mazdäo'^)  fassen  und  als  einen  von  dem  Gott 
auf  Menschen  übertragenen  Namen  betrachten  dürfen.  Von 
diesem  ist  das  Miödiog  der  Legende  eine  einfache  Ver- 
kürzung, die  in  der  Etymologie  selbst  ihre  Begründung 
findet 

Ziehen  wir  aus  dem  bisher  Erörterten  die  Consequenzen. 

•)  [Vgl.  „Geschichte  Irans"  S.  186.    F.  R.] 
**)  [^gl*  SaUet  in  der  Zeitschrift  für  Numismatik  Yll  S.806.   F.  R.] 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.         341 

1)  Gondophares  ward  von  Lassen  früher  in  die  zweite 
Hälfte  des  ersten  Jahrhunderts  n.  Ch.  gesetzt  (Zur  Geschichte 
der  Griechischen  und  Indoskythischen  Eonige  S.  275);  später 
hat  er  demselben,  theils  wegen  des  Znsammenhanges  mit  der 
übrigen  numismatischen  Chronologie  dieser  Periode,  theils 
wegen  eines  entfernten  Namensanklanges  in  chinesischen 
Berichten,  die  Jahre  90^40  y.  Ch.  zugewiesen  (Ind.  Alterth. 
II  S.  305  [S.  409  der  2.  Aufl.]).  Gegen  die  ganze  Chrono- 
logie der  Indoskjthen,  wie  sie  in  den  Werken  von  Wilson 
und  Lassen  vorliegt  und  von  der  die  uns  beschäftigende 
Zeitbestimmung  nur  ein  Ausflnss  ist,  habe  ich  vornehmlich 
Eines  einzuwenden:  auf  den  Münzen  des  Guptakonigs  Skanda- 
gupta,  der  nach  Lassen  von  240  —  270  n.  Ch.  regierte,  er- 
scheinen noch  leserliche  indoskythische  Titel  in  griechischer 
Schrift  (Lassen,  Ind.  Alterth.  II  S.  969  [8.  989  der  2.  Aufl.]), 
ein  Beweis,  dass  das  Griechische  als  Münzsprache  sich  in 
Ostiran  genau  ebenso  lange  erhalten  hat  als  in  Westiran. 
Hiermit  kann  ich  es  nicht  vereinigen^  dass  man  die  bisher 
aus  Münzen  bekannt  gewordenen  21  Eonige  (in  welcher 
Zahl  die  Unterkönige  nicht  mit  inbegriffen  sind)  als  theils 
hintereinander,  theils  gleichzeitig  regierend  in  die  180  Jahre 
von  120  V.  Ch.  bis  60  n«  Ch.  einzwängt  und  den  ebenso 
langen  Zeitraum  von  60  bis  240  n.  Ch.  völlig  leer  lässt.^) 
Noch  obendrein  sind  die  Legenden  einzelner  jener  Könige 
barbarischer  als  die  der  letzten  parthischen  Grosskönige; 
auch  ist  kaum  anzunehmen,  dass  mit  jenen  21  die  Zahl  der 
wirklich  regierenden  indoskythischen  und  indoparthischen 
Könige  erschöpft  ist,  so  dass  die  Zahl  selbst  unter  der  An- 
nahme des  gleichzeitigen  Bestehens  mehr  als  eines  Reiches 
für  den  ganzen  Zeitraum  von  120  v.  Ch.  bis  240  n.  Ch.  aus- 
reichen dürfte.  Ich  kann  also  den  Ansätzen  der  Numis- 
matiker bei  Weitem  nicht  den  Werth  zugestehen,  den  Lassen 


1)  Die  von  Lassen  II  S.  868ff.  [S.  866 ff.  der  2.  Aufl.]  anfgefclhrten 
zwei  Classen  indoskythiacher  Münzen  mit  unleserlichen  Namen  reichen 
znr  Ansfällang  um  so  weniger  aus,  als  die  zweite  Olasse  eine  Nach- 
ahmung sasanidischer  Münzen  ist,  also  über  die  Grenzen  dieses  Zeit- 
raumes hinausfäUi. 


342  DIE  KOENIGSNAMEN 

168m  seinem  neuesten  Werke  denselben  beigemessen  hat^)  und 
bestreite  y  dass  die  aus  der  christlichen  Tradition  sich  er- 
gebende Zeit  des  Gondophares  als  eines  neben  Oadas  und 
Orthomasdes  in  den  Jahren  7  y.  Ch.  bis  29  n.  Ch.  regierenden 
Königs  mit  den  Münzdenkmälem  irgendwie  im  Widerstreit 
seL  Ohne  eine  Ahnung  Ton  den  Akten  des  Thomas  zu 
haben,  hat  schon  Longp^rier,  Chronologie  et  iconographie 
des  rois  Parthes  p.  94  ausgesprochen,  dass  Gondophares  ein 
Zeitgenosse  Artabanos'  III.  (16  —  42  n.  Ch.)  gewesen  sein 
müsse,  weil  Gondophares  und  seine  Nachfolger  sich  auf 
ihren  Münzen  als  Reiter  abbilden  lassen,  was  von  allen 
parthischen  Grosskönigen  nur  Artabanos  thut.  Hiernach 
darf  die  Zeit  des  Gondophares,  Oadas  und  Orthomasdes  als 
festgestellt  betrachtet  werden.*) 

2)  Es  sind  bis  jetzt  12  indisch-parthische  Könige  bekannt 
geworden,  Ton  denen  sich  aber  mindestens  vier  aus  den 
Münzen  selbst  als  Verwandte  und  Unterkönige  des  Gondo- 
phares herausstellen«  Der  Periplus  des  erythräischen  Meeres, 
dessen  von  Schwanbeck  ermittelte  Abfassungszeit  um  70 
n.  Ch.  ich  durch  den  geistreichen  Angriff  Reinauds  nur  als 
erschüttert,  nicht  als  widerlegt  erachten  kann,  berichtet  §  38 
(bei  Müller  p.  287),   dass  zu  seiner  Zeit  in  dem  indischen 

1)  Ein  schlagendes  Beispiel,  wie  nnsicber  alle  Resultate  der 
Numismatik  sind,  wo  ihr  keine  schriftlichen  Denkmäler  zur  Seite 
stehen,  hat  Eckhel  selbst  in  seiner  Classification  der  älteren  armeni- 
schen Königsmünzen  gegeben.  Er  legte  die  grössere  oder  geringere 
Einfachheit  der  Königstiara  seiner  Anordnung  zu  Grunde  und  erkannte 
in  Sames  einen  der  ältesten  Könige  aus  der  Zeit  des  Antiochos  Epi- 
phanes.  Gewiss  wird,  wer  diese  Untersuchung  (D.  N.  V.  III  S.  203 ff.) 
gelesen  hat,  die  Folgerichtigkeit  und  methodische  Strenge,  die  den 
grössten  Münzkenner  anderwärts  auszeichnen,  nicht  zu  vermissen  An- 
lass  gefunden  haben.  Und  doch  hat  ihm  der  Erfolg  ein  vollständiges 
Dementi  gegeben,  neue  Münzfunde  haben  uns  den  Sames  als  einen 
ganze  200  Jahre  später  lebenden  ünterkönig  der  Pythodoris  kennen 
gelehrt.  Kein  Verständiger  wird  darum  von  Eckhel  geringer  denken; 
es  ist  aber  gut,  sich  an  so  etwas  zu  erinnern,  weil  die  Numismatiker 
das  Gewicht  der  rein  archäologischen  Zeitkriterien  ganz  unglaublich 
zu  Qberschätzen  gewohnt  sind. 

*)  [Vgl.  „Geschichte  Irans"  S.  136.    F.  B.] 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.         343 

Partherreiche  ununterbrochen  gewaltsame  Thronwechsel  statt- 
fanden, was  ein  gewöhnliches  Vorzeichen  des  herannahenden 
Unterganges  einer  orientalischen  Dynastie  ist.  Es  ist  hier- 
nach und  nach  der  Zeitdauer,  welche  die  Regierungen  von 
höchstens  acht  Königen  (von  denen  zwei  sicher  vor  Gondo- 
phares  fallen)  in  Anspruch  nehmen,  nicht  wahrscheinlich, 
dass  diese  Dynastie  die  Anfänge  des  zweiten  Jahrhunderts 
n.  Ch.  überdauert  hat.*^)  Hiermit  aber  stürzt  meines  Er- 
achtens  die  Annahme,  dass  die  Manichäer  die  Erfinder  der 
Thomaslegende  sind,  rettungslos  zusammen.  Denn  wenn 
auch  zugegeben  werden  kann,  dass  man  sich,  so  lange  das 
Hauptreich  der  Arsakiden  noch  bestand,  über  jene  aus- 
gestorbene indische  Nebenlinie  ausreichend  informiren  konnte, 
so  würde  es  doch  den  höchsten  Grad  von  Unwahrscheinlich- 
keit  gegen  sich  haben,  anzunehmen,  dass  selbst  in  Edessa, 
dem  ältesten  Sitze  morgenländischer  christlicher  Wissenschaft, 
unter  der  Herrschaft  der  Sasaniden  ein  Christ  im  Stande 
gewesen  sein  sollte,  sich  eine  so  genaue  Eenntniss  jeneri69 
Dynastie  zu  TerschafiPen,  wie  die  Thomaslegende  sie  in  allen 
Stücken  verräth.  Wir  müssen  vielmehr  nothwendig  an- 
nehmen, dass  die  Sage  viel  älter  ist  und  in  ihren  Grund- 
zügen längst  feststand,  als  die  Manichäer  sich  ihrer  bemäch- 
tigten und  sie  zu  ihren  dogmatischen  Zwecken  verwertheteu. 
Der  heikligen  Frage  nach  der  Entstehung  der  Thomas^ 
sage  dürfen  wir  uds  hier  nicht  entschlagen.  Es  lassen  sich 
verschiedene  Erklärungsweisen  denken.  Man  könnte  ledig- 
lich einen  frommen  Betrug  annehmen  und  die  Behauptung 
aufstellen,  dass  ein  Christ  des  zweiten  Jahrhunderts  sich  die 
Könige  ausgerechnet  habe,  die  zur  Zeit  des  Thomas  regierten, 
um  mit  deren  Namen  der  sagenhaften  Geschichte  des  Apostels 
den  Schein  urkundlicher  Beglaubigung  zu  verleihen.  Auf 
diese  WeLse  scheinen  wirklich  die  Verzeichnisse  der 
Weisen  aus  dem  Morgenlande  entstanden  zu  sein,  die 
uns  Bar  Bahlül  (bei  Hyde  p.  383)  aufbewahrt  hat^),   von 

*)  [Vgl.  „GeBchichte  Jrans«*  S.  186.    F.  R.] 
1)  "Zum  VerständnisB  des  Folgenden  theile  ich  die  VeczeichniBse 
hier  mit,  das  dritte  ausgenommen,  dem  eine  werthlose  Spielerei  za 


344  DIE  EOENIGSNAMEN 

denen  das  eine  die  auffällige  Zahl  von  13  Weisen  enthält, 
die  alle  mit  ihren  Yätem  genannt  werden  (soviel  sollen  es 
nämlich  nach  den  Eingangsworten  sein,  ein  Name  ist  aus- 
gefallen). Von  diesen  Namenpaaren  sind,  was  die  ersten 
neun  betrifft,  sieben  sicher,  zwei  wahrscheinlich  rein  iranisch, 
dann  kommt  ein  Paar,  in  welchem  der  Vater  einen  semiti- 
schen, der  Sohn  einen  iranischen  Namen  hat^  den  Beschluss 
machen  zwei  rein  semitische  Gruppen.  Dies  drückt  im 
Ganzen  sehr  richtig  das  numerische  Verhältniss  des  irani- 
schen Elementes  im  Partherreiche  zu  dem  semitischen  aus, 
da  Yon  dessen  Vasallenstaaten  nur  Adiabene,  Atra^  Elymais 
und  theilweise  Charakene  semitische  Beherrscher  gehabt 
haben,  und  die  Aufzählung  schreitet,  sobald  man  in  ihr 
eine  Liste  der  zur  Zeit  von  Christi  Geburt  herrschenden 
parthischen  Unterkonige  sieht,  ganz  richtig  von  Nordost 
nach  Südwest  vor.  Ich  glaube,  dass  allerdings  hier  ein 
Christ  die  östlichen  Zeitgenossen  jenes  Ereignisses,  soviele 
ihrer  ihm  bekannt  waren,  zusammengestellt  hat;  denn:  1)  sind 
die  iranischen  Namen  theilweise  in  der  Partherzeit  wirk- 
iTOlich  nachweisbar,  und  die  Mehrzahl  gehört  zu  den  selteneren; 
läge  ein  blosses  Spiel  der  Phantasie  vor,  so  würden  wohl 
die  bekannten  Namen  der  Sasanidenzeit  eine  grössere  Rolle 
spielen;  2)  würden  in  diesem  Falle  iranische  und  semitische 
Namen  bunter  durcheinander  gewürfelt  sein;  3)  wäre  dann 
die  Abwesenheit  alttestamentlicher  Namen  (die  von  einander 


Grande  liegt:  1)  ^Arüphon  (Tiolleicht  veiBchrieben  für  *üdü- 
phor,'Tvdoq>iffifrig)f  Hürmon(yielleioht  für  Hürmoz),  Tachshash. 
2)  Güdophorhüm ,  Artachshaahth  Labüdö,  Alpharö  (vgl.  UläxaQog 
bei  Berosos;  Sync.  p.  71,  6).  4)  Ahdüj&d,  Hadündad  bar  Art&bao, 
Vaskthaph  bar  Güdophor,  Arsbikh  (vgl.  'AQainag  bei  Ktesias  fr. 
38a,  p.  69  ed.  Müller)  bar  Tahdüs,  Zervand  (Zoroande,  Ort  in 
Armenien  bei  Plin.  N.  H.  71,27,81  §128)  bar  Yarvarand,  Artbü 
(vgl.  'AQiaiog  Diod.  II,  1.  Ariöcb  GeneB.  14,  1)  bar  Ehosrav, 
Artachshashth  bar  Chashlith,  Esbthanbüzon  (d.  i.  Zad-Qaßovtdprig 
Esdr.  Graec.  6,  8  mit  pehlewischer  Verwandlung  des  r  in  n) 
bar  Cbashrün,  Mabdüq  (vgl.  Madavxrig  bei  Ktesiaa;  Diod.  II,  32) 
bar  Hüboui  (d.  i.  Haoma),  ein  ausgefallener  Name,  Achshiresh  (d.  i. 
Eh8ayärB&)  bar  Qachbon,  Qordolach  bar  Baidan,  Mardüq  bar  Bil. 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHIC  BTEN.        345 

getreonten  Baidan  und  Mardüq  scheinen  unverfänglich  zu  sein) 
sehr  zu  verwundern.  Den  einen  dieser  Könige,  Artachshashth 
bar  Ghashlith  (wohl  nur  semitische  Aussprache  von  Ehsa- 
thrita  Inschrift  von  Behistun  Tafel  II,  §  5),  der  auch  in  den 
kürzeren  Verzeichnissen  als  Tachshash  und  Artachshashth 
Labüdö  wiederkehrt,  darf  man  vielleicht  dem  Reiche  Persis 
zuweisen,  in  welchem  nach  Isidoros  von  Charax  (bei  Lukian 
Makrob.  c.  15)  in  der  ersten  Hälfte  des  ersten  Jahrhunderts 
V.  Ch.  ein  Artaxerxes,  Bruder  eines  Gösithras  (Geusc'ithra, 
d.  i.  Same  des  Stiers),  regiert  hat  Bei  den  Magierverzeich- 
nissen liegt  die  Sache  aber  doch  anders  als  bei  der  Thomas- 
legende: es  handelt  sich  dort  eben  um  Christi  Geburt,  die 
für  jeden  Christen  ein  so  ¥dchtiges  Ereigniss  war,  dass  es 
sich  sehr  wohl  begreift,  wie  zur  Blüthezeit  der  christlichen 
Chronographie,  etwa  zur  Zeit  des  mit  dem  Edessenischen 
Eonigshause  befreundeten  Ji:^ius  Africanus,  ein  morgen- 
ländischer Christ  es  fQr  der  Mühe  werth  halten  konnte,  die 
ostlichen  Synchronismen  jenes  Ereignisses  auszurechnen  und 
die  damals  im  Partherreiche  herrschenden  Könige  zusammen- 
zustellen: die  Vergleichung  der  Letzteren  mit  den  Weisen 
aus  dem  Morgenlande  ergab  sich  dann  ziemlich  von  selbst 
Im  Allgemeinen  wird  eine  solche  Entstehung  auf  rein  ge- 
lehrtem Wege  doch  nur  ganz  ausnahmsweise  stattgefunden 
haben. 

Das  entgegengesetzte'Eztrem  wäre,  dass  man  die  Thomas- 
legende in  der  Hauptsache  für  rein  geschichtlich  erklärte. 
Dem  steht  jedoch  die  grosse  innere  Unwahrscheinlichkeit 
entgegen,  dass  das  Christenthum  so  frühzeitig  sich  nach 
einer  so  entlegenen  Gegend  verbreitet  haben  sollte ,  bevor 
es  noch  in  Westiran  irgendwo  festen  Fuss  gefasst  hatte. 
Einen  passenden  Prüfstein  giebt  für  uns  die  berühmte  Sage 
von  dem  Verkehr  zwischen  Abgar  und  Christus  ab, 
und  wir  gehen  um  so  lieber  etwas  näher  auf  dieselbe  ein, 
als  sie  den  Inhalt  der  einen  Theil  der  Tischendorfschen 
Sammlung  bildenden  Ugd^ig  xov  ayCov  anoöxoXov  &ad8aCov 
ivbg  xmv  iß'  (Acta  apostt  apocr.  p.  261  ff.)  ausmacht,  also 
recht  eigentlich  in  den  Bereich  unserer  Untersuchung  gehört 


346  DIE  KOENIGSNAMEN 

Die  ältere  Sage  bei  Eusebios  H.  E.  I,  13  weiss  nur  yon 
dem  brieflichen  Verkehre  zwischen  Christus  und  Abgar  und 
von  der  Heilung  des  Letzteren  rom  Aussätze^  die  nach  Christi 
Tod  durch  Thaddäos  im  Jahre  340  d.  Seleuk.  (29  n.  Ch.) 
erfolgt  sein  soll;  die  jüngere  Sage,  wie  sie  in  den  Akten 
des  Thaddäos  vorliegt,  fügt  den  wunderbaren  Abdruck  der 
Gesichtszüge  Christi  auf  dem  Schweisstuche  (eine  berühmte 
Reliquie  der  Edessener)  als  Werkzeug  der  Heilung  hinzu 
und  schliesst  an  die  Bekehrung  des  Königs  einen  Bericht 
I7iüber  die  fünfjährige  Missionsthätigkeit  des  Thaddäos  in 
Amida^),  seine  Bundreisen  in  den  syrischen  Gemeinden  und 
seinen  Tod  in  Berytos.  Von  dieser  Erweiterung  der  Sage 
kann  füglich  abgesehen  werden,  die  ursprüngliche  Legende 
aber  zeichnet  sich  durch  ihren  schlichten  und  sachlichen 
Charakter  so  vortheilhaft  aus,  dass  selbst  nüchterne  Forscher 
an  die  Echtheit  geglaubt  haben.  Darüber  ist  kein  Streit, 
dass  Abgar  eine  historische  Person  ist.*)  Es  ist  der  fünf^ 
zehnte  König  von  Edessa  Abgar  V.  mit  dem  Beinamen 
Ükhama  (der  Schwarze),  der  nach  Dionysios  von  Telmahar 
von  9  —  46  n.  Ch.  regierte.  Ich  will  bei  dieser  Gelegenheit 
bemerken,  dass  die  Zeitrechnung  des  syrischen  Patriarchen 
beinahe  nie  mit  den  classischen  Angaben  stimmt:  statt  zu 
untersuchen,  wo  der  Fehler  steckt,  hat  Bayer  (seit  welchem 
Niemand  die  Sache  wieder  geprüft  hat)  Regierungsjahre  nach 
Belieben  weggeschnitten  und  zugelegt,  und  wo  auch  diese 
Pfuschmittel  nicht  anschlugen,  zu  der  bekannten  Ausrede 
seine  Zuflucht  genommen,  dass  Abgar  ein  Dynastiename  sei. 
Diese  Phrase  hat  dann  ein  Philolog  dem  anderen  nach- 
gebetet,  ohne  zu  ahnen,   dass  sie  damit  eine  eben  solche 

1)  Der  Text  dieser  Akten  wimmelt  von  Glossemen.  Die  be- 
treffende Stelle  (S.  263):  jydnrjld'sv  eig  "Afiida  noXiv,  fisydXriv  iirttgo- 
noXiv  Mecrjxdldmv  xal  SvQmv^  i^yovv  Msconozuftiag  JSvQiag^  Tcuf^  tov 
Tiygiv  ffOTttju^y"  ist  so  wiederherzustellen:  „dnfiXd'sv  elg  ''Afuda,  koXw 
(isydXfiv  IfAfitffonoXiv]  ftiariv  XdXdmv  xal  ZvqodVj  {rJYOVv  Msconotaiiiitg 
Z%iQ{as]  naqd  xov  TCygiv  notafiov.^'^  Amida  wurde  durch  Constantinns 
Metropolis  der  Provinz  Mesopotamien. 

*)  [Zu  dem  Folgenden  vgl.  Gutschmids  ,,  Geschichte  des  Eönig- 
roichs  Osroöne"  (St.  Petersburg  1887)  S.  10  ff.     F.  B.] 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.         347 

Albernheit  sagen  ^  als  die  sein  würde ,  dass  Antiochos  und 
Seleukos  „bedeutsame  Namen''  seien.  Die  Hülfe  ist  sehr 
leicht:  1)  das  osroenische  Reich  hat  nach  der  Chronik  von 
Edessa^  einer  älteren  Quelle^  nicht  136;  sondern  erst  132 
Y.  Ch.  seinen  Anfang  genommen  ^  und  die  Daten  der  ersten 
18  Eonige  beim  Dionysios  sind  alle  um  vier  Jahre  herunter- 
znrücken;  2)  die  Jahre  des  letzten  Königs  Manu  IX.  waren, 
da  sich  die  Dynastie  ausserhalb  Edessas  noch  bis  unter 
Gordianus  erhielt,  nicht  bis  zur  Einziehung  Edessas  durch 
Caracalla,  sondern  bis  zum  Tode  Manüs  gezählt:  Dionysios 
verstand  dies  nicht  und  setzte  in  Folge  davon  die  letzten 
acht  Könige  viel  zu  früh  an,  sie  sind  alle  um  21  Jahre 
hinabzurücken;  3)  zwischen  Abgar  VI.  bar  Manu  und  Ab- 
gar  YIL  bar  tzat  ist  eine  Lücke  von  17  Jahren,  die  durch 
die  verkehrte  Zeitrechnung  des  Dionysios  verdeckt  worden 
ist:  wir  ^ssen  aber  durch'  Mos.  Chor.  II,  32,  3  p.  144  und 
Suid.  s.  V.  mvqx'q  (ans  Arrian),  dass  Edessa  in  dieser  Zeit 
(91 — 108  n.  Ch.)  von  der  armenischen  Nebenlinie  der  Parther- 
könige erobert  und  später  von  den  Parthem  an  Abgar  YII. 
verkauft  worden  ist.  Wird  die  Zeitrechnung  des  Dionysios 
in  dieser  Weise  berichtigt,  so  stimmt  sein  Verzeichniss  in 
allen  Stücken  mit  den  Angaben  der  Classiker,  und  die  in 
ihrer  Art  einzige  Urkunde,  die  bisher  nur  als  Curiosum  be- 
handelt worden  ist,  tritt,  wie  sie  es  verdient,  in  den  Rang 
einer  kostbaren  Geschichtsquelle  ein.  Abgar  V.  regierte  nachl72 
der  so  berichtigten  Zeitrechnung  von  13 — 50  n.  Ch.,  und  wir 
sehen  nun,  dass  es  derselbe  Abgar  ist,  der  nach  Tac  Ann. 
XII,  12  im  Jahre  49  n.  Ch.  den  Meherdates  verrieth.*)  Die 
Herrschaft  scheint  später  seinem  Hause  verloren  gegangen 
und  an  eine  Nebenlinie  der  adiabenischen  Dynastie  gekommen 
zu  sein:  der  neunzehnte  König  Abgar  YII.  (108  — 115)  und 
der  zweiundzwanzigste  Ma^nü  VII.  (121—138)  waren  Söhne 
des  tzat,  der  durch  seinen  Namen  eine  Verwandtschaft  mit 
dem  adiabenischen  Izates  verräth,  wenn  er  nicht  gar  mit 
ihm  identisch  ist.^)    Da  die  Namen  Abgar  und  Ma'nü  auch 

*)  [V^gl-  „Geschichte  des  Königreichs  Osroene'*  S.  23  f.    F.  R.] 
1)  Da  die  24  Begierungsjahre  des  Izates  nach  verschiedenen  An- 


348  DIE  KOENIGSNAMEN 

in  der  neuen  Linie  wiederkehren^  so  ist  eine  yerwandtschaffc- 
liche  Verbindung  zwischen  den  beiden  benachbarten  Dynastien 
wahrscheinlich.  Der  vorletzte  Konig  der  neuen  Linie,  Ab- 
gar  VIIL  Severus  bar  Manu  (176  —  213),  war  Christ,  ein 
Freund  des  Bardesanes  und  Julius  Africanus  (vgl.  Eusebios 
Ghron.  Arm.  z.  Jahre  Abr.  2235.  Bardesanes  bei  Eusebios 
Praep.  evang.  VI,  10  p.  279  D.  Suid.  s.  y.  Bagdriöiavtig. 
Chronik  von  Edessa  No.  VIII  in  Assemani  Bibl.  orient. 
I,  391),  sein  Sohn  Manft  IX.  (211—216)  ohne  Zweifel  auch, 
da  er  vertrauten  Umgang  mit  Africanus  pflog  (vgL  Keötoi 
c.  29  p.  300  ed.  Thevenot).  Das  Christenthum  der  letzten 
Eonige,  die  Bekehrung  ihres  Ahnherrn  Izates  zum  Juden- 
thum  und  die  Thatsache,  dass  Edessa  der  älteste  Sitz  christ- 
lichen Lebens  in  den  Ostländern  war,  legen  vereint  genügende 
Rechenschaft  davon  ab,  wie  die  Tradition  von  der  Bekehrung 
Abgars  V.  durch  Thaddäos  sich  bilden  und  noch  während 
des  Besteheus  des  Edessenischen  Reiches  officielle  Geltung 
erlangen  konnte.  Mit  der  Legende  von  der  Bekehrung  des 
Gundaphoros  durch  Thomas  verhält  es  sich  jedoch  ganz 
anders:  es  ist  nicht  möglich,  die  indisch- parthische  Dynastie 
so  weit  hinabzurücken,  als  nothig  wäre,  um  die  Bekehrung 
des  Gundaphoros  oder  eines  seiner  Nachfolger  zum  Christen- 
thum glaubhaft  zu  machen.  Also  auch  eine  Zurückdatirung 
erklärt  jene  eigenthümliche  Tradition  nicht,  zu  deren  Auf* 
hellung  wir  andere  Wege  aufsuchen  müssen. 

Mit  Thomas  concurrirt  als  Apostel  der  Inder  Bartholo- 
mäos.  Näheres  giebt  das  MaQzvQtov  rov  ayiov  xal  iv- 
do^ot;  a7to6x6Xov  BaQd'oXofiaCoVj  dessen  griechischer 
Text  zuerst  von  Tischendorf  in  den  Acta  apostt  apocr. 
p.  243  ff.  herausgegeben  worden  ist.  Bartholomäos  kommt 
hier  nach  Indien,  welches  ausdrücklich  zum  Unterschiede 
von  Abyssinien  und  Arachosien  als  das  eigentliche  Indien 
beschrieben  wird.  Er  schlug  im  Tempel  des  Götzen  Asta- 
ro th  ('AötaQOvd')  sein  Lager  auf,  der  die  Heiden  mit  Uebeln 
plagte,  und,  wenn  sie  ihm  opferten,  wieder  von  ihnen  wich, 

deatongen  bei  Josephos  zwischen  35  and  59  n.  Ch.  einzurahmen  sind, 
so  ist  die  Zeitrechnung  einer  solchen  Annahme  nicht  im  Wege. 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.         349 

80  dass  sie  von  ihm  geheilt  zu  sein  wähnten.  Von  der  An- 
wesenheit des  Apostels  an  konnte  Astaroth  weder  den  ihn 
Befragenden  antworten  noch  Kranke  heilen^  und  als  sie  sichl73 
nach  einer  anderen  Stadt  an  den  Hauptgott  Beireth  (Bsx^q) 
um  Auskunft  wandten,  hörten  sie  von  diesem ^  dass  sein 
Bruder  Astaroth  auf  Befehl  des  wahren  Gottes ,  den  der 
Fremde  verehre^  in  feurigen  Banden  gefesselt  sei.  Polymios, 
der  Eonig  des  Landes,  der  von  einer  wunderbaren  Heilung 
des  Bartholomäos  gehört  hat,  lässt  ihn  kommen,  und  es 
gelingt  ihm,  eine  besessene  Tochter  des  Königs  wieder 
gesund  zu  machen.  Dann  zwingt  er  den  Astaroth  zum 
Selbstgestandniss  seiner  Ohnmacht^  bannt  ihn  in  die  Wüste 
und  zertrümmert  sein  Bild,  worauf  der  König  mit  seinem 
Weibe  und  zwei  Söhnen  und  all  sein  Volk  das  Christen- 
thum  annehmen.  Die  Götzenpriester  beklagen  sich  nun  bei 
dem  Könige  Astyages  {^AötQT^yrig)^  dem  älteren  Bruder  des 
Polymios,  über  die  ihren  Göttern  zugefügte  Unbill,  und 
Astyages  schickt  1000  Bewaffnete  aus,  die  den  Apostel  er- 
greifen und  gebunden  vor  ihn  bringen.  Bartholomäos  wird 
von  Astyages  aufgefordert,  seinen  Göttern  zu  opfern,  statt 
dessen  bewirkt  er,  dass  sein  Götze  YualdatK  {Bakddd)  in 
Stücke  bricht,  und  wird  deshalb  auf  Befehl  des  Königs  ge- 
geisselt  und  enthauptet.  30  Tage  nachher  wird  Astyages 
sammt  den  Götzenpriestern  von  den  Dämonen  umgebracht, 
nachdem  sie  zuvor  die  höhere  Macht  des  Apostels  anerkannt. 
Da  bekehrt  sich  alles  Yolk,  und  Polymios  steht  ihm  20 
Jahre  als  Bischof  vor,  verrichtet  Wunder  und  stirbt  in 
Frieden.  Es  sind  Spuren  da,  dass  der  griechische  Text  aus 
einer  lateinischen  Quelle  geflossen  ist,  derselben,  die  auch 
der  Erzählung  im  achten  Buche  des  Abdias  zu  Grunde 
liegt  (vgl.  Tischendorf,  Prolegg.  p.  LXIX).  Abdias  ist  daher 
für  die  Kritik  nicht  nur  ein  vollgültiger  Zeuge  neben  der 
griechischen  Legende,  sondern  vertritt  sogar  eine  reinere 
Textesgestalt.  Am  deutlichsten  lehrt  dies  der  Schluss.  Hier 
sagt  Abdias,  die  Bewohner  der  zwölf  Städte,  die  durch 
Bartholomäos  zum  Ghristenthume  bekehrt  worden  waren, 
hätten    seinen    Leichnam    geholt    und    beigesetzt.      Daraus 


350  DIE  KOENIGSNAMEN 

macht  der  Grieche  Folgendes:  an  12000  Christen  hätten 
den  Leichnam  feierlich  bestattet^  da  habe  ihn  Astreges  ins 
Meer  werfen  lassen  ^  und  er  sei  bei  der  Insel  Liparis  an- 
geschwommen (9  p.  259).  Doch  scheint  ^  auch  von  dieser 
späten  Zuthat  ganz  abgesehen,  Alles  auf  eine  weniger  ent- 
fernte Localität  als  Indien  hinzuweisen,  der  Name  Astyages 
deutet  auf  Medien,  die  Namen  der  Götzen  klingen  semitisch. 
Die  von  unserer  Legende  unabhängige  Tradition^)  lautet 
auch  nur  sehr  vereinzelt  zu  Gunsten  Indiens.  Dieses  nennt 
allerdings  Eusebios  H.  E.  Y,  10,  scheint  aber  darunter  das 
glückliche  Arabien  zu  verstehen.  Die  Acta  Philippi  (bei 
Tischendorf,  Acta  apostt.  apocr.  31  p.  88.  36  p.  91.  42  p.  94) 
lassen  den  Bartholomäos  das  Christenthum  in  Lykaonien 
predigen  und  ebendaselbst  den  Märtyrertod  sterben.  Mehr 
und  mehr  ist  in  der  Folge  die  armenische  Localsage  zur 
i74Geltung  gelangt,  die  wegen  der  genauen  Ortsangabe  aller- 
dings einige  Beachtung  beanspruchen  darf:  sie  nennt  als 
Ort  des  Martyriums  die  grossarmenische  Stadt  Areban  (Mos. 
Chor.  II,  34  bei  Le  Yaillant  de  Florival  I  p.  232;  Areuban 
beiWhiston  11,31,5  p.  143),  Albanopolis  (Sophron.  7  p.265A), 
Eorbanopolis  (Pseudodorotheos  im  Anhang  zum  Ghron.  Pasch. 
II,  138  ed.  Bonn.),  Albana  (Theodoros  Studites  im  Spicil.  III 
p.  16.  18)  oder  Urbanopolis  (Niketas  Paphlagon  im  AucL  III 
p.  396  B.  397  B.  und  Nikeph.  Kall.  H.  E.  II,  39).«)  Mit  dieser 
letzteren  Localität  würden  sich  die  Angaben  der  Legende  sehr 
gut  vertragen;  dies  haben  schon  neugriechische  Bearbeiter 
derselben,  wie  Theodoros  Studites  und  Oekumenios,  gef&hlt 

1)  Zusammen  gestellt  bei  Tillemont,  M^moires  ponr  servir  ä  Thi- 
stoire  eccläsiastique  I  S.  881  fiF.  648  ff.  (Qaartausgabe). 

2)  Der  Letztere,  der  Urbanopolis  nach  Eilikien  verlegt ,  will 
wahrscheinlich  das  pamphylische  Uranopolis  (Ptolem&os  Y,  5,  6)  ver- 
standen wissen  nnd  sacht  so  die  zu  seiner  Zeit  recipirte  Tradition  mit 
der  in  den  Akten  des  Philippos  enthaltenen  anszugleichen.  Wahr- 
scheinlich ist  aber  Erowandashat  (d.  h.  Erowands  Stadt)  gemeint,  die 
damalige  Hauptstadt  von  Armenien;  vgL  Mos.  Choren.  II  86,  1  p.  160. 
Der  armenische  Name  Erowand  ist  derselbe,  der  im  P&rs!  Aryanda 
und  Uryanda  lautet  und  sich  anderw&rts  in  Elyend  verwandelt  hat 
(vgl.  Bumouf,  Commentaire  sur  le  Ya9na  I  S.  248  ff.). 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.         351 

und  reden  deshalb  frischweg  von  einem  indischen  Armenien 
als  Schauplatz  des  Martyriums.  Selbstverständlich  ist  dies 
bloss  gerathen. 

Weiter  bringt  uns  der  Name  des  von  Bartholomäos 
bekehrten  Königs.  Die  Varianten  ^  welche  in  den  Acta  SS. 
Augast.  Tom.  Y  p.  36  aus  Handschriften  des  Abdias  an- 
gefahrt werden  (Polymius,  Polimius^  Polomius,  Polemon), 
führen  auf  PolemioS;  und  es  liegt  —  worauf  auch  der  eine 
Schreiber  verfallen  ist  —  nahe  genüge  in  diesem  in  der 
christlichen  Kaiserzeit  gewöhnlichen  Namen  die  stellvertre- 
tende Form  für  ein  älteres  Polemon  zu  erkennen.  Ein  Zeitr 
genosse  dea  Bartholomäos  war  jener  Polemon  IL;  Sohn 
Polemons  I.  und  der  Pythodoris,  König  erst  von  Pontos  und 
Bosporos,  dann  von  Pontos  und  Kilikien,  zuletzt  von  Kili- 
kien  allein,  der  wegen  der  Heirath  mit  der  Herodianischen 
Prinzessin  Berenike,  Wittwe  des  Herodes  von  Chalkis,  das 
Judenthum  annahm,  aber  später,  als  Berenike  ihn  verlassen 
hatte,  wieder  abtrünnig  ward  (Josephos  A.  J.  XX,  7,  3). 
Der  ofScielle  Titel  der  Beherrscher  des  bosporanischen 
Reiches,  den  noch  Asandros,  der  Vorgänger  Polemons  I., 
geführt  hat,  war  „Archon  von  Bosporos  und  Theodosia  und 
König  der  Sinder,  Toreten  und  Dardarier  (öder  König  der 
Sinder  und  aller  Ma'iten)'';  erst  die  Könige  der  späteren 
thrakischen  Dynastie  führen  den  Titel  „grosser  König  der 
Könige  des  ganzen  Bosporos  ^^  (vgl.  Boeckh  zum  G.  I.  Gr. 
II  p.  105  ff.).  Wie  das  Polemonische  Haus  es  gehalten  hat, 
wissen  wir  nicht,  da  wir  von  keinem  Mitgliede  desselben  In- 
schriften besitzen;  das  aber  kann  unbedenklich  angenommen 
werden,  dass  der  alte  Titel  „König  der  Sinder''  (dieses  Volk 
wird  stets  an  der  ersten  Stelle  genannt)  zur  Zeit  Polemons  IL 
noch  bekannt  sein  musste.  Erwägt  man,  dass  Inder  undi76 
Sinder  nicht  bloss  in  den  Handschriften  verwechselt^),  son- 
dern die  Sinder  wegen  der  Namensähnlichkeit  geradezu  für 

1)  z.  B.  bei  StepbanoB  s.  vv.  Tof^Ctateia,  'l^ißdtai.  2avQ0fidtaij 
nicht  aber  s.  y.  'Aategova^ay  wo  Meineke  Zivdi%ri  mit  unrecht  in  den 
Text  gesetzt  hat.  Auch  in  den  lamben  des  Phönix  bei  Athenäos  Xll 
p.  680  ist  jetzt  lUvdoß  für  'ivdog  hergestellt. 


352  DIE  KOENIGSNAMEN 

ein  indisches  Volk  erklärt  werden^),  so  klärt  sich  uns  voll- 
kommen auf,  wie  die  Unterthanen  des  Polemios  in  der  Bar- 
tholomäoslegende  zu  Indern  geworden  sind. 

Einen  starken  Beweis  fQr  die  Richtigkeit  unserer  Ver- 
muthung  liefern  die  bosporanischen  Götternamen,  die  wir 
durch  die  Inschrift  der  Königin  Komosarye  kennen  (C.  I.  Gr. 
No.  2119).  Ihre  Weihgeschenke  sind  gewidmet  l6%vQä  ^aCm 
UaveQyet  Tcal  ^Aöxaqa.  In  der  letzteren  Gottheit  erkennt 
man  augenblicklich  den  Astaroth  der  Legende  wieder,  und 
wer  die  Sache  auf  die  Spitze  treiben  wollte,  könnte  sogar 
auf  Grund  jener  neuen  Quelle  die  Behauptung  aufstellen, 
dass  nicht  ^  'jäötaga,  sondern  6  *A6xäQag  der  Nominativ 
sei.  Allein  da  Asthardth  die  genaue  aramäische  Form  des 
Namens  der  Astarte  ist  (Movers,  Phönizier  I  S.  606),  so 
kann  es  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  die  Verwandlung 
von  Astaroth  in  eine  männliche  Gottheit  nur  auf  Rechnuog 
der  Unwissenheit  des  christlichen  Erzählers  zu  setzen  und 
beidemal  die  von  Köhler  auch  auf  den  Münzen  der  bospo- 
ranischen Könige  erkannte  Astarte  gemeint  ist.  Die  Neben- 
einanderstellung macht  es  wahrscheinlich,  dass  in  Astaroths 
Bruder,  dem  (liyag  xal  i^oxcitatos  avtäv  d^sbg  Be^tiff  (1  p-  244 
ed.  Tischend.)  oder  Beireth  der  löxvQog  dstog  £av€Qyi]s  zu 
erkennen  ist,  den  Köhler  scharfsinnig  mit  dem  assyrischen 
Nergal  verglichen  hat.  Nergal  ist  der  Planet  Mars  (vgl. 
Movers,  Phönizier  I  S.  365),  sein  bei  den  Arabern  üblicher, 
mit  den  übrigen  Planetennamen  aber  wahrscheinlich  von 
einem  älteren  semitischen  Volke  überkommener  Name  ist 
Merrich'),  und  auf  diesen  führen  die  Varianten,  denen  eine 
Form  BaiQT^x  ^^^^  BeQtjx  zu  Grunde  liegen  wird.  Auch  in 
der  dritten  Gottheit,  welche  als  die  speciell  vom  Astyages 
verehrte  dargestellt  wird,  lässt  sich  unschwer  eine  bekannte 
semitische  Göttin  erkennen:  aus  Vualdath  (was  schon  des 
unerhörten   Anlautes   wegen   Anstoss   erregt)   oder  BaJidad 

1)  Vgl.  Hesych.  8.  v.  SUvSoi. 

2)  Diese  Form  verhält  sich  zu  der  aramäischen  Nirig  ganz  ebenso 
wie  die  armenischen  Namen  der  Städte  Medsbin  und  Nepherkert  zu 
den  syrisch -griechischen  Nisibls  und  Maipherakta. 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.         353 

ist  zu  machen  MaXddd',  das  ist  Moledetb^  die  genaue  ein- 
heimische Form  des  Namens  der  babylonischen  Göttin  My- 
litta  (vgl.  Movers,  Phönizier  I  S.  586).  Deren  Dienst  hat 
nicht  bloss  auf  den  der  Änaitis  den  grössten  Einfluss  geübt^ 
sondern  sie  ist  auch  unter  ihrem  eigenen  Namen  ziemlich 
weit  nach  Norden  hinauf  verehrt  worden:  dies  beweist  der 
kleinarmenische  Tempel  ort  Melite,  von  dem  die  Provinz 
Melitene  den  Namen  erhalten  hat. 

Es  bleibt  uns  nur  noch  übrig,  den  Bruder  des  Polemiosi76 
nachzuweisen.  Polemon  IL  hatte  einen  Bruder  Zenon,  der 
schon  im  Jahre  18  n.  Ch.  unter  dem  Namen  Artaxias  III. 
den  Thron  von  Grossarmenien  bestiegen  hatte  (Tac.  Ann. 
II,  56.  Strab.  XII,  3,  29  p.  556):  gerade  in  Grossarmenien 
aber  haben  wir  die  Bartholomäoslegende  bestimmt  localisirt 
gefunden.  Für  ^AötQfjytig  finden  wir  aus  Abdias  in  den  Acta 
SS.  a.  a.  0.  p.  38  die  Varianten  Astriges,  Astraiges,  Asti- 
arges,  Astyages  angeführt,  die  sich  in  lateinischer  Schrift 
mit  Leichtigkeit  auf  ein  ursprüngliches  Artasyes,  d.  i.  Ar- 
taxias oder,  wie  der  Name  bei  den  Armeniern  lautet,  Arta- 
shes  (im  Altpersischen  vermuthlich  Artakhsajan9)  zurück- 
führen lassen« 

Da  alle  einzelnen  Bestandtheile  der  Bartholomäoslegende 
so  wohl  mit  der  Geschichte  harmoniren,  so  zweifle  ich  nicht, 
dass  sie  wirklich  nach  Bosporos  und  Armenien  gehört  und 
ihre  zuerst  bei  Eusebios  vorkommende  Verlegung  nach  Indien 
oder  dem  glücklichen  Arabien  ein  blosses  Missverständniss 
ist  Ich  sage  absichtlich,  die  Bestandtheile  seien  geschichtr 
lieh:  die  Verwerthung  derselben  und  der  pragmatische  Zu- 
sammenhang, in  den  sie  gebracht  werden,  ist  es  nicht.  Denn 
Artaxias  III.  von  Grossarmenien  starb  bereits  im  Jahre  35 
n.  Ch.  (Tac.  Ann.  VI,  31),  sein  Bruder  Polemon  IL  dagegen 
war  in  den  Jahren  39  —  41  König  von  Bosporos  (Cass.  Dio 
LIX,  12.  LX,  8),  und  sein  Uebertritt  zum  Judenthum  fällt 
erst  um  das  Jahr  53  (Jos.  A.  J.  XX,  7,  3;  vgl.  5,  21).  Da 
er  wahrscheinlich  74  n.  Ch.  gestorben  ist^),  so  kommen  die 

1)  Yaillant  hat  aus  Tac.  Eist.  III,  47  gefolgert,  dass  Polemon 
im  Jahre  70  verstorben  gewesen  sei  (Achaemenidarum  imperiam  p.  242 

T.  GxrrscHMXD,  Kleine  Schriften.  IL  28 


354  DIE  KOENIGSNAMEN 

17720  Jahre  y    welche   die   Bartholomäoslegende   den   Polemios 
naeh   seinem   Uebertritt    noch   leben   lässt,    genau   heraus: 


der  Octavausgabe),  und  diese  ganz  unberechtigte  Annahme  ist  vielfach 
ohne  Prüfung  angenommen  worden.  In  welchem  Theile  Eilikiens  Po- 
lemon  herrschte,  wird  nirgends  überliefert;  blosse  Vermuthung  ist  es, 
wenn  Marquardt  (Handb.  d.  Rom.  Alterth.  ni,  1  S.  169  [Marquardt  und 
Mommsen,  Böm.  Alterth.  IV'  S.  886])  ihn  nach  Olba  yerweist.  Ein 
Theil  Kilikiens  ward  bekanntlich  von  Vespasianus  in  eine  römische 
Provinz  verwandelt  (Sueton.  Yesp.  8,  aus  dem  Victor,  Orosius  und 
Eutropius,  aus  diesem  wieder  Hieronymus  geschöpft  haben).  Mar- 
quardt a.  a.  0.  S.  170  [386]  bezieht  dies  auf  die  kilikischen  Besitzungen 
des  Königs  Antiochos  lY.  von  Eommagene.  Der  einzige  Anhalt,  den 
wir  über  den  Zeitpunkt  der  von  Vespasianns  in  Eilikien  getroffenen 
Veränderung  haben,  ist  die  Aera  von  Flaviopolis.  Hätte  Marquardt 
Recht,  so  müsste  man  erwarten,  dass  diese  von  derselben  Epoche  liefe 
wie  die  komm  agenische  Aera,  vom  Herbst  71.  Nach  Vaillants  von 
Eckhel  (D.  N.  V.  III  S.  66)  gebilligter  Annahme  beginnt  sie  im 
Herbst  74.  Dies  stützt  sich  darauf,  dass  Hieronjmus  die  Verwand- 
lung Eilikiens  in  eine  römische  Provinz  in  das  Jahr  2090  Abr.  "»  75 
n.  Ch.  setzt,  also,  da  Hieronymus  nur  aus  Eutropius  geschöpft  hat,  auf 
Nichts.  Die  Frage  ist  nur'  a  posteriori  durch  die  Münzen  selbst  zu 
lösen.  Entscheidend  sind  folgende:  eine  des  Elagabalus  vom  Jahre 
0MP  (Mionnet,  Suppl.  VII,  213),  welche  beweist,  dass  die  Aera  vor 
dem  11.  März  74,  und  eine  des  Diadumenianus  vom  Jahre  JMP  (Eckhel 
III  S.  56.  Mionnet  ÜI  S.  581),  welche  beweist,  dass  sie  nach  dem 
11.  April  73  ihren  Anfang  genommen  hat.  Eine  Münze  der  Mäsa  mit 
177dem  verstümmelten  Datum  £iV,  welches,  da  Mäsa  das  Jahr  228  n.  Ch. 
nicht  erlebt  haben  kann,  sich  nur  zu  EMP  ergänzen  lässt  (Mionnet 
Suppl.  VII,  213),  ergiebt  als  genaueren  Terminus  ante  quem  non  den 
8.  Juni  78.  Von  dem  so  gewonnenen  Ausgangspunkte  findet  man  auch 
für  die  verlesenen  Daten  PMF  auf  einer  Münze  des  Macrinus  (Mionnet 
SuppL  VII,  212)  und  IZP  auf  einer  der  Eaiser  Gallus  und  Volusianus 
(Mionnet  III,  582)  Verbesserangen,  die  mindestens  nicht  so  gegen  die 
Paläographie  und  die  vier  Species  sündigen  als  die  Mionnetschen  Vor- 
schläge, nämlich  PME  für  die  Münze  des  Macrinus,  IIP  für  die  des 
Gallus  und  Volusianus.  Unter  der  Voraussetzung  eines  Jahresanfanges 
mit  dem  Herbste  ergeben  also  die  Münzen  den  Herbst  78  n.  Ch.  als 
Epoche  der  Aera,  und  diese  föllt  zwei  ganze  Jahre  später  als  die 
komm  agenische.  Flaviopolis  liegt  in  dem  Theile  Eilikiens,  der  in 
einer  früheren  Zeit  dem  Hause  des  Tarkondimotos  gehörte.  Ich 
glaube,  dass  diese  (regend  es  war,  die  Polemon  U.  beherrschte,  und 
dass  auf  dieses  Reich,  nicht  aber  auf  die  Besitzungen  des  kommageni- 
bchen  Antiochos  die  Nachricht  von  der  Verwandlung  Eilikiens  in  eine 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.        355 

ungeuaa  aber  ist  die  idealistische  Auffassung  seines  Ueber- 
tritts  und  das  völlige  Yerscbweigen  seines  späteren  Rück- 
falls zum  Heidentlium.  Bei  dem  erbaulichen  Zwecke,  den 
mehr  oder  weniger  jede  Bekehrungsgeschichte  verfolgt^  ist 
dies  nicht  eben  zu  verwundern.  Ferner  ist^  wie  dies  die  Art 
der  Sage  ist,  die  Bekehrung  Polemons  und  irgend  eine  uns 
nicht  weiter  bekannte  Bedrängung  der  in  Grossarmenien  sehr 
zahlreichen  Juden  (vgl.  Mos.  'Choren,  I,  21,  6  p.  58.  II,  15, 1 
p.  111.  46,4  p.  161.  III,  35,  5  p.  271)  unter  der  Regierung 
seines  Bruders  Artaxias  in  einen  ganz  unmöglichen  Causal- 
nexus  gebracht  und  das  Colorit,  obgleich  Polemon  zur  Zeit 
seiner  Bekehrung  nur  noch  den  Pontos  beherrschte,  ganz 
den  bosporanischen  Verhältnissen  entlehnt  worden.  Es  er- 
klärt sich  dies  daraus,  dass  gerade  der  Bosporos  ein  Haupt- 
sitz jüdischer  Gemeinden  war^),  und  die  Nachrichten  über 
jene  Vorgänge  dem  Mutterlande  vermuthlich  von  den  bos- 
poranischen Juden  zukamen. 

In  naher  Beziehung  zu  Polemon  IL  steht  auch  eine 
Fürstin,  die  in  einer  anderen  christlichen  Legende  als 
Christenfreundin  vorkommt.  Die  nicht  allein  durch  ihr 
Alter  (ihre  Entstehung  im  zweiten  Jahrhundert  ist  beglau- 
bigt), sondern  auch  durch  den  Ton')  von  allen  diesen 
Apostelgeschichten  vortheilhaft  abstehenden  JlQa^sis  IlavXov 
xal  SixXris  (bei  Tischendorf,  Acta  apostt.  apocr.  p.  40fif.) 
erwähnen  nämlich  eine  in  Antiocheia  in  Pisidien  wohnende 
angesehene  Frau  Namens  Tryphäna,  die  sich  in  Erinnerung 
ihrer  eigenen  frühverstorbenen  Tochter  Falconilla  der  zu  den  178 
wilden  Thieren  verurtheilten  Christin  Thekla  möglichst  an- 
nimmt und  nach  deren  wunderbarer  Rettung  von  ihr  zum 


römische  Provinz  durch  Vespa&ianuB  zn  beziehen  ist.    Polemon  II.  starb 
also  im  Laufe  des  Jahres  1   der  Aera  von  Flaviopolis  (Herbst  73/74). 

1)  Vgl.  C.  1.  Gr.  No.  2114^,  die  unter  Rhesknporis  III.  im  Jahre 
81  verfasste  Inschrift  No.  2114^^  bei  Boeckh  II  p.  1005  nnd  eine  erst 
kürzlich  entdeckte  aas  der  Zeit  des  Mithradates  11. ,  des  Nachfolgers 
Polemons  11. 

2)  Man  liest  sie,  was  in  diesem  Literaturzweige  viel  sagen  will, 
sogar  mit  Vergnügen. 

23* 


356  DIE  KOENIGSNAMEN 

Cbristenthum  bekehrt  wird.  In  völlig  unverfänglicher  Bei- 
läufigkeit geschieht  c.  36  (p.  57)  des  Umstandes  Erwähnung, 
dass  Tryphäna  eine  Königin  und  Verwandte  des  Kaisers  ist. 
Die  Anwesenheit  des  Apostels  Paulos  in  Ikonion,  wo  Thekla 
bekehrt  worden  sein  soll  —  und  zwar  ein  Jahr  vor  ihrer 
Errettung  von  den  Thieren  (c.  45  p.  61)  — ,  lässt  sich  aus 
Lukas  wenigstens  annähernd  bestimmen;  Tillemont  (Mem. 
eccles.  I  S«  230)  hat  das  Jahr  45  angenommen,  was  als  Zeit 
der  Handlung  etwa  46  n.  Gh.  ergiebt.  In  dieser  Zeit  ist 
eine  Königin  Tryphäna  aus  einer  Münze  wirklich  nachweisbar 
(bei  Visconti,  Iconographie  grecque  tom.  II  tab.  IX,  3  p.  201  f. 
der  Octavausgabe).  Der  Avers  zeigt  den  jugendlichen  dia- 
demirten  Kopf  Polemons  II.  mit  der  Umschrift  BACIAEAC 
nOAEMnN[off],  der  Revers  die  Legende  BACIAICCHC 
TPY0AINHC  in  einem  Diadem.  In  dieser  aus  schriftlichen 
Quellen  bis  dahin  nicht  bekannten  Gemahlin  Polemons  ver- 
muthete  Visconti  eine  Tochter  Jubas  11.  von  Mauretanien 
von  Kleopatra  Selene,  der  Tochter  der  berühmten  ägyptischen 
Kleopatra:  [1)]  weil  der  Name  Tryphäna  in  keinem  anderen 
Fürstenhause  als  dem  der  Ptolemäer  nachweisbar  ist^  2)  weil 
die  Münzen  Jubas  IL  sonst  die  einzigen  sind,  auf  deren  Re- 
vers der  Name  der  Königin  ohne  ihr  Bild  erscheint  Diese 
Vermuthung,  fein  und  scharfsinnig,  wie  man  es  von  Visconti 
gewohnt  ist,  erhält  durch  die  Akten  des  Paulos  und  der 
Thekla  eine  glänzende  Bestätigung:  unter  allen  Fürsten- 
häusern jener  Zeit  konnte  nur  das  mauretanische  sich  der 
Verwandtschaft  mit  dem  Geschlechte  der  Cäsaren  rühmen. 
Die   Verwandtschaft    zwischen   Tryphäna    und   Claudius   ist 

diese : 

M.  Antonius  (der  Triumvir) 

Antonia  minor  Kleopatra  Selene 

(Gem.  DruBus)  (Gem.  Jaba  II.)  ^ 

I  .1 

Kaiser  Claudius  Tryphäna 

(Gem.  Polemon  II.). 


1)  Ich  bemerke  bei  dieser  Gelegenheit,  dass  es  unmöglich  ist, 
mit  Boeckh  2um  C.  I.  Gr.  I  p.  431  zwischen  Juba  U.  und  dem  letzten 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.        357 

Die  von  Visconti  unentschieden  gelassene  Frage,  ob  Try-179 
phäna  vor  oder  nach  der  Berenike  mit  Polemon  IL  yer- 
heirathet  war,  findet  durch  die  Akten  ebenfalls  ihre  Er- 
ledigung. Sie  war  die  frühere  Gemahlin  und  lebte  schon 
um  das  Jahr  46,  wie  aus  dem  Zusammenhange  der  Er- 
zählung hervorgeht,  getrennt  von  ihrem  Manne  in  der 
Zurückgezogenheit  Bei  der  Lakaiennatur,  die  Polemon  sein 
Leben  lang  bethätigt  hat,  ist  es  nicht  unwahrscheinlich,  dass 
er  Tryphäna  nach  der  Katastrophe,  die  im  Jahre  40  n.  Ch. 
über  das  mauretanische  Königshaus  hereinbrach,  aus  Gefällig- 
keit gegen  Gaius  Cäsar  Verstössen  hat.  Sie  zog  sich  dann 
vermuthlich  unter  Claudius  nach  dem  pisidischen  Antiochien 
auf  romisches  Gebiet  zurück.  Es  begreift  sich,  dass  dies 
für  die  Provinzialstadt  ein  Ereigniss  war,  und  dass  sich  dort 
die  Erinnerung  an  Tryphäna  noch  150  Jahre  später  er- 
halten hatte. 

Wir  haben  in  den  *auf  Polemon  IL  von  Pontos  bezüg- 
lichen apokryphen  Apostelgeschichten  ein  sicheres  Beispiel, 

mauretanischen  Könige  Ptolemäoa  zwei  Generationen  Ptolemäos  I.  und 
Jaba  III.  einzuschalten;  denn  1)  sagt  Strab.  XYII,  3,  7  p.  828,  der 
zwischen  18—21  schrieb,  der  bekannte  Jnba  II.  sei  vscacti  gestorbeD, 
nnd  SnetoD.  Calig.  26  macht  den  letzten  König  Ptolemäos  aasdrück- 
lieh  zum  Sohne  der  Selene  und  Enkel  des  Antonius:  ein  Irrthum 
wenigstens  des  Ersteren  ist  undenkbar,  wogegen  Jos.  A.  J.  XYII,  18,  4, 
nach  dem  Juba  II.  um  4  y.  Gh.  gestorben  sein  müsste,  leicht  Tod  des 
Mannes  statt  Scheidung  als  Grund  des  Aufenthaltes  der  Glaphyra  im 
Täterlichen  Hause  vermuthen  konnte.  2)  Die  Münzen  nennen  ein 
48.  Jahr  des  Juba  IL  (Mionnet  VI,  602.  Suppl.  IX,  216)  und  ein  19. 
des  Ptolemäos  (Mionnet  VI,  608),  so  dass  für  die  vermeintlich  fehlen- 179 
den  ziwei  Generationen  nur  drei  Jahre  übrig  bleiben.  3)  War  Selene 
frühestens  40  v.  Ch.  geboren  und  konnte  frühestens  23  y.  Gh.  einen 
Sohn  haben,  der  letzte  Ptolemäos  aber  war  24  n.  Ch.  schon  ein  selbst- 
ständig handelnder  Mann  (Tac.  Ann.  IV,  26),  also  nicht  später  als 
4  n.  Ch.  geboren,  so  dass  zwischen  ihm  und  Selene  höchstens  für  eine 
Generation  Baum  ist.  Hiemach  ist  es  wohl  unzweifelhaft,  dass  die 
Worte  ßaatliong  JlzolBfialov  ^xyoyov  in  der  athenischen  Inschrift 
No.  360  [=•  C.  I.  A.  lU  No.  555]  den  mauretanischen  Ptolemäos  als 
Kachkommen  des  Ptolemäos  Soter,  yon  Seiten  seiner  Mutter  bezeichnen 
sollen.  So  hatte  sie  schon  Visconti  gefasst,  nur,  ich  weiss  nicht 
warum,  an  Philadelphos  gedacht. 


358  ME  KOENIGSNAMEN 

dass  die  Christen  eine  ursprünglich  jüdische  Bekehrungs- 
geschichte sich  angeeignet  haben.  Die  Annahme  einer  ähn- 
lichen Umwandlung  scheint  mir  der  einzige  Weg,  die  selt- 
same Mischung  von  Geschichtlichem  und  üngeschichtlichem 
in  der  Thomaslegende,  auf  die  wir  jetzt  noch  einmal 
zurückblicken  wollen,  befriedigend  zu  erklären.  An  das 
ifoikov  noiisö^ai,  einer  jüdischen  Bekehrungsgeschichte  ist 
freilich  nicht  zu  denken,  wohl  aber  an  das  einer  buddhi- 
stischen. 

Die  Vorbedingung  solcher  Bekehrungsgeschichten,  eine 
eifrige  und  umfassende  Missionsthätigkeit,  findet  bei  Christen 
und  Buddhisten  in  gleichem  Masse  statt;  und  dass  die  be- 
kehrten Konige  vor  ihrer  Umwandlung  als  Verfolger  der 
Apostel  der  neuen  Religion  geschildert  werden,  ist  ein  die 
Macht  der  Letzteren  verherrlichendes  Motiv,  das  begreiflicher- 
weise von  den  Buddhisten  eben  so  gut  wie  von  den  Christen 
in  ihren  Legenden  verwerthet  wird  (Beispiele  aus  Lassens 
Indischer  Alterthumskunde  sind  A^oka  II  S.  225;  Kanischka 
II  S.  857;  Schile  von  Heutschao  II  S.  1082  [S.  235  f.  853  f. 
1101  der  2.  Aufl.]).  Der  dogmatische  Theil  der  Thomas- 
legende kann  natürlich  nicht  anders  als  christlich  sein,  doch 
ist  es  bemerkenswerth,  dass  die  Hauptitendenz  der  Schrift^  die 
asketische,  bei  den  Buddhisten  womöglich  noch  stärker  hervor- 
tritt als  bei  gewissen  christlichen  Sekten.  Ihnen  gilt  das 
iSoSichzurückziehen  vom  Weltlichen  als  hohes  Verdienst^  früh- 
zeitig haben  sich  Männer  und  Frauen  ihres  Glaubens  ein 
solches  dadurch  erworben,  dass  sie  das  Gelübde  der  Armuth 
und  Keuschheit  abgelegt  und  sich  als  Bhikshu  in  ein  Kloster 
begeben  haben  (vgl.  Lassen  II  S.  449  [S.  448  der  2.  Aufl.]), 
was  dann  in  folgerichtiger  Weiterbildung  dahin  gefiihrt  hat, 
dass,  wie  in  der  katholischen  Kirche,  das  Cölibat  der  Geist- 
lichkeit obligatorisch  geworden  ist.  Die  Bekehrung  der  Königs- 
tochter und  ihres  Bräutigams  in  Andrapolis  zum  ehelosen 
Leben  (Acta  Thomae  11  p.  199  ed.  Tischend.)  ist  also  ganz 
buddhistisch  und  hat  ihr  Seitenstück  in  dem  Monchwerden 
vieler  in  den  Annalen  des  Buddhismus  berühmter  fürstlicher 
Personen,  wie  in  Magadha  des  Mahendra  und  der  Sanghamitra 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.        359 

(Lassen  II  S.  230  [S.  242  der  2.  Aufl.]),  in  Lanka  des  Arishta 
und  der  Anulä  (II  S.  253)^  der  Matter  des  Königs  Eälakana- 
tishja  (II  S.  989  [S.  1009  der  2.  Aufl.]);  ja  selbst  die  Tonsur 
des  zum  Diakonus  ordinirten  Königs  von  Andrapolis,  von  der 
freilich  nur  Abdias  IX,  4  weiss,  ist  buddhistisch  (Lassen  III 
S.  442).  Desgleichen  lässt  sich  die  Christophanie,  welche  das 
Mittel  zur  Bekehrung  des  Bräutigams  wird,  mit  ähnlichen 
Erscheinungen  Buddhas  vergleichen  (Lassen  II  S.  248.  428 
[S.  261.  426  der  2.  Aufl.]).  Die  Heilkraft,  welche  die  Legende 
(Gonsummatio  Thomae  11p.  249)  den  Reliquien  des  Thomas 
zuschreibt,  beruht  auf  einem  Glauben,  den  anerkanntermassen 
Christen  und  Buddhisten  mit  einander  theilen:  nicht  bloss 
die  Reliquien  des  Buddha,  sondern  auch  die  seiner  Schüler 
und  anderer  in  der  Geschichte  ihrer  Religion  hervorragender 
Männer  sind  Gegenstand  der  Verehrung.  Und  die  Wunder, 
die  der  christliche  Apostel  lebend  bewirkte,  rechtfertigen 
sich  für  den  buddhistischen  Standpunkt  durch  die  Vor- 
stellung, dass  jeder,  der  die  höchste  Stufe  der  buddhistischen 
Hierarchie  erlangt  hat,  jeder  Arhat,  übernatürliche  Kräfte 
besitze  (Lassen  II  S.  451).  Was  die  Wunder  im  Einzelnen 
betrifft,  so  vermag  ich  freilich  für  die  Wiederbelebung  des 
ermordeten  Mädchens  (die  übrigens  lediglich  als  Einkleidung 
für  den  Bericht  über  ihren  Gang  durch  die  Straforte  der 
Verdammten  dienen  soll,  in  welchem  der  christliche  Ver- 
fasser der  Acta  50  ff.  p.  229  ff.  seine  eigenthümlichen  dog- 
matischen Ansichten  entwickelt  hat)  in  buddhistischen  Le- 
genden kein  Analogon  nachzuweisen,  weil  der  Buddhismus, 
dem  die  vollige  Vernichtung  der  Existenz  als  höchstes  Ziel 
gilt,  auf  eine  durch  Eingreifen  in  die  Naturgesetze  bewirkte 
Verlängerung  dieses  Erdenlebens  begreiflicherweise  keinen 
besonderen  Werth  legen  kann.  Ebensowenig  kann  in  einer 
buddhistischen  Quelle  der  Teufel  in  einer  Schlangengestalt 
erscheinen,  wie  Acta  31  p.  217,  weil  die  von  den  Urein- 
wohnern Indiens  angebeteten  Schlangengotter  einer  bevor- 
zugten Stellung  im  buddhistischen  Pantheon  theilhaftig 
geworden  sind.  Nehmen  wir  aber  diese  beiden  Punkte  aus, 
die  in  bekannten  neutestamentlichen  Vorbildern  ihre  Erklärung 


360  PIE  KOENIGSNAMEN 

finden^  so  sind  alle  übrigen  Einzelheiten  der  Legende  als 
gleichmässig  christlich  und  buddhistisch  nachweisbar.  Einiges 
ist  sogar  weit  mehr  buddhistisch  als  christlich.  Das  Bannen 
böser  Geister  durch  buddhistische  Missionäre  ist  nichts  Sel- 
tenes (z.  B.  Lassen  lY  S.  716);  die  Befreiung  der  Frau  von 
isidem  Incubus,  der  sie  seit  fünf  Jahren  plagt  (Acta  39  p.  229) 
vergleicht  sich  mit  der  Yerscheuchung  der  kinderfressenden 
Bäkshasi  durch  die  frommen  Sendlinge  A^ökas  (Lassen  II 
S.  237;  vgl.  II  S.  1003  [S.  249.  1023  der  2.  Aufl.]).  Und  ist 
auch  der  Drache  keine  buddhistische  Erfindung,  sein  Yer- 
schlungenwerden  von  der  Erde  ist  ein  auch  in  buddhistischen 
Legenden  vorkommendes  Motiv:  der  Brahmane  von  Brahma- 
pura,  der  die  Lehren  des  grossen  Fuhrwerkes  verleumdet  hatte, 
fiel  durch  einen  Graben  lebendig  in  die  Hölle  (Lassen  III 
S.  515.  lY  S.  708).  Die  Yerfluchung  des  Mundschenken,  der 
den  Thomas  geohrfeigt  hat,  in  Folge  deren  er  von  einem 
Löwen  zerrissen  wird  (Acta  6  p.  195),  schickt  sich  für  einen 
Elias,  aber  schlecht  genug  für  einen  Apostel  der  christlichen 
Nächstenliebe:  ein  Seitenstück  bietet  aber  der  Untergang  der 
Leute  von  Ealinga  durch  die  Yerwünschung  eines  wunder- 
thätigen  Büssers  (Lassen  III  S.  528).  Und  bei  dem  Löwen 
als  Werkzeug  der  Strafe  (Acta  8  p.  107)  wird  man  passender 
eine  symbolische  Beziehung  auf  den  Löwen  aus  dem  Ge- 
schlechte der  9^^^;  ^'^  ^^^  ^^^  Löwen  vom  Stamme  Juda 
annehmen:  Löwengebrüll  schreckt  den  Buddhistenverfolger 
Pushpamitra  von  dem  Angriffe  auf  ein  vihära  zurück  (Lassen 
H  S.  347  [S.  362  der  2.  Aufl.]).  Eigenthümlich  ist  Thomas' 
Aufforderung  an  die  beiden  von  ihm  bekehrten  Könige,  den 
Graben,  durch  den  der  Drache  gefallen,  auszufüllen  und 
Wohnungen  darüber  zu  bauen,  die  den  Fremden  zum  Auf- 
enthalt dienen  könnten  (Acta  33  p.  219).  Irre  ich  nicht,  so 
liegt  hier  die  buddhistische  Sitte  zu  Grunde,  an  den  Orten, 
welche  durch  eine  That  Buddhas  und  seiner  Schüler  oder 
Nachfolger  verherrlicht  worden  waren,  Stüpas  und  Klöster 
zu  errichten  (Lassen  II  S.  454.  514  [S.  453.  521  der  2.  Aufl.]. 
III  S.  676.  lY  S.  662);  die  Klöster  waren  zur  Beher- 
bergung der  fremden  Pilger  eingerichtet  (lY  S.  317  f.  648). 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.        361 

Die  buddhistisch  gesinnten  Konige  waren  es,  von  denen  die 
Gründung  solcher  Anstalten  ausging:  durch  Dotirung  der- 
selben oder  Anlegung  eigener  Herbergen  für  die  Reisenden 
haben  sich  A96ka  (Lassen  II  S.  258  [S.  271  der  2.  Aufl.]), 
^iladitja  (III  S.  676),  die  singhalesischen  Eonige  Lag^tishja 
und  Prakramabähu  (II  8.431  [S.  428f.  der  2.  Aufl.].  IV 
S.  317  f.)  grossen  Ruhm  erworben.  Auch  die  Anlage  von 
Wittwenhäusem  durch  den  Apostel  (Acta  56  p.  233)  lässt 
sich  aus  den  buddhistischen  Quellen  belegen,  in  welchen 
derartige  Anstalten  als  besonders  verdienstlich  hervorgehoben 
werden  (Lassen  III  S.  705.  881).  Thomas  wird  mit  Lanzen 
durchstochen  ^Consummatio  9  p.  239):  diese  weder  bei  Juden 
noch  Römern  noch  Griechen  übliche  Hinrichiungsweise  ist 
noch  jetzt  im  Königreiche  Siam,  dessen  Gesetzbuch  auf  einer 
vorderindischen  Grundlage  beruht,  die  verfassungsmässige 
Strafe  für  politische  Verbrechen  (Lassen  IV  S.  441.  444). 
Entschiedener  aber  als  alles  bisher  Angeführte  weist  auf 
buddhistischen  Ursprung  der  Umstand  hin,  dass  die  Christen 
den  Leichnam  des  Thomas  in  feine  Liunendecken  gewickelt 
in  den  Gräbern  der  alten  Landesk'önige  beisetzen  (Gons.  9 
p.  240):  eine  Unwahrscheinlichkeit,  die  sich  um  so  unnothiger 
ausnimmt^  als  gleich  darauf  in  derselben  Legende  (11  p.  241) 
gemeldet  wird,  ein  Christ  habe  den  Leichnam  nach  Edessa 
entführt,  dass  der  König,  der  den  Thomias  hatte  todten  lassen, 
ihn  später  nicht  mehr  finden  konnte.  Für  den  BuddhistenlB2 
hat  jenes  königliche  Begräbniss  einen  tieferen  Sinn:  Buddha 
wird  nämlich  mit  einem  dakravartin  (Oberkonig)  verglichen, 
und  seinem  Leichnam  wurden  alle  die  Ehren  eines  verstor- 
benen dakravartin  erwiesen  (Lassen  II  S.  75  f.  [S.  80f.  der  . 
2.  Aufl.]). 

Das  beste  Argument  für  die  Richtigkeit  der  hier  von 
uns  entwickelten  Vermuthung  liefert  der  Nachweis,  dass  in 
der  von  der  Thomaslegende  angegebenen  Zeit  Weiss -Indien 
oder  Arachosien  wirklich  zum  Buddhismus  bekehrt  worden 
ist:  nach  einer  dem  Buddha  (selbstverständlich  post  eventum) 
zugeschriebenen  Weissagung  sollte  500  Jahre  nach  seinem 
Tode    seine    Lehre    nach    Kipin    oder    dem    nordostlichen 


362  DIE  KOENIGSNAMEN 

Arachosien  verbreitet  werden  (Lassen  II  S.  1074  [S.  1093  der 
2.  Aufl.]).  Dies  würde  44  v.  Ch.  sein;  bringen  wir  aber  den 
Fehler  von  66  Jahren  in  Anschlag ,  der  sich  durch  einen 
grossen  Theil  der  buddhistischen  Zeitrechnung  hindurchzieht^), 
so  erhalten  wir  das  Jahr  23  n.  Gh.  als  Datum  der  Bekehrung 
von  Eipin,  also  bis  auf  6  Jahre  dasselbe,  welches  die  christ- 
liche Quelle  angiebt.  Auch  auf  den  Münzen  der  parthisch- 
indischen  Könige  hat  sich  uns  wenigstens  eine  sichere  Spur 
buddhistischen  Einflusses  erhalten.  Ein  naher  Verwandter 
des  Gondophares,  wahrscheinlich  sein  Vater  und  Mitregent^ 
Namens  Sasa,  legt  sich  auf  seinen  Münzen')  den  rein  bud- 
dhistischen Titel  ,, Diadem  des  wahrhaftigen  Gesetzes'^  bei, 
und  Gondophares  selbst  nennt  sich^  so  scheint  es,  in  der 
arianischen  Legende  devahada  (d.  i«  devahrida,  gottgesinnt), 
was  Uebersetzung  des  griechischen  Titels  d'eoxQoxog  sein 
wird,  den  sonst  nur  noch  die  Königin  Agathokleia  führt 
(Lassen  II  S.  333  [S.  347  der  2.  Aufl.J):  gerade  sie  aber 
gehört  durch  ihren  Gemahl  Straton  der  Dynastie  des  bud- 
dhistischen Menandros  (Milinda)  an. 

Nunmehr  wird  auch  der  Weg,  den  Thomas  in  der 
Legende  nimmt,  verständlich.  Er  reist  von  Jerusalem  zur 
See  nach  dem  Reiche  des  Gondophares;  ist  schon  dies  ein 
schwer  begreiflicher  Umweg,  so  wundert  man  sich  noch 
mehr  über  den  Namen  der  ersten  indischen  Stadt,  in  der 
er  landet,  Andrapolis  (Acta  3  p.  192).  Dies  ist  nämlich  ein 
gut  indischer  Name;  da  die  Griechen  die  Gewohnheit  haben, 


1)  Vgl.  Lassen  II  S.  62  ff.  412  [S.  65 ff.  768  der  2.  Aofl.]. 

2)  Die  hier  in  Frage  kommenden  Münzen  finden  sich  in  Thomas* 
Catalog  No.  XXXIY  yerzeichnet  und  ähneln  am  meisten  denen  des 
Abdagases.  Sie  haben  bloss  arianische  Legenden,  nämlich  Mähä- 
rugasa  (sie)  8a66a  -  Dha[mapida8a]  Sasasa  (ergänzt  aas  Münzen  der 
Indoskjthen  Eadphises  I.  und  Eadaphes)  und  Mähäragasa  (sie)  Maha- 
tasa  Tradatasa  Devahadasa  Godaphrasa  Sasasa,  d.  i.  nach  Thomas 
BaciXitog  MsyaXov  EatrJQog  Gtotgonov  rovSotpagov  xov  Eaea,  Dass 
der  Vater  des  Königs  nur  in  arianischer  Schrift  und  als  Nebenkönig 
vorkommt ,  kann  allerdings  Bedenken  erregen ;  trotzdem  möchte 
Cannioghams  Uebersetzung  „Sasa,  Vetter  des  Godaphra"  kaum  zu- 
lässig sein. 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.         363 

die  indischen  Eonige  nach  dem  Namen  des  von  ihnen  be- 
herrschten Volkes  au  benennen,  ''AvSqu  nokiq  also  Stadt  des 
Andras,  d.  h.  des  Königs  der  Andhra,  bedeutet,  so  habenl83 
wir  hier  den  Namen  einer  in  Südindien  mächtigen,  auch  den 
Classikern  bekannten^)  Dynastie  so  genau  wiedergegeben,  als 
es  in  griechischer  Schrift  nur  möglich  ist.  Aus  Inschriften 
wissen  wir  jetzt,  dass  die  Andhra,  deren  grosste  Macht  in 
die  ersten  nachchristlichen  Jahrhunderte  fallt,  ihr  Reich  bis 
an  die  Meeresküste  ausgedehnt  hatten  und  die  Gegend  um 
Bombay  (wo  die  griechischen  Nachrichten  Ealliena  oder 
Hippokura  liegen  lassen)  beherrschten,  und  dass  einzelne - 
Mitglieder  dieser  Dynastie  dem  Buddhismus  anhiugen;  vgl. 
Lassen  IV  S.  81.  88.  Sobald  man  weiss,  dass  die  Thomas- 
legende nur  eine  umgeschmolzene  buddhistische  Bekehrungs- 
geschichte ist,  statt  des  Thomas  also  ursprünglich  irgend 
ein  berühmter  Arhat,  etwa  ein  Schüler  des  Nägärguna,  als 
Ausgangspunkt  nicht  Jerusalem,  sondern  ein  heiliger  Sitz  des 
Buddhismus,  wie  die  siughalesische  Hauptstadt  Anurädhapura, 
genannt  war,  yersch windet  alles  Auffallige:  der  Apostel  hat 
dann  den  geraden  Weg  nach  dem  Reiche  des  Gondophares 
eingeschlagen. 

Die  Möglichkeit,  dass  eine  buddhistische  Legende  bei 
den  Christen  sich  einbürgern  konnte,  wird  Niemand  be- 
streiten wollen:  ist  auch  der  Einfiiuss  des  Buddhismus  auf 
die  Gnostiker  mitunter  auf  Kosten  des  semitischen,  der  auf 
die  Manichäer  auf  Kosten  des  iranischen  Elementes  über- 
trieben worden,  ganz  wegleugnen  lässt  er  sich  nicht,  und 
mit  ziemlicher  Wahrscheinlichkeit  lässt  sich  noch  der  Ganal 
angeben,  durch  welchen  jene  buddhistische  Legende  den 
Edessenischen  und  anderen  orientalischen  Christen  zuge- 
kommen ist:  der  zu  Ende  des  zweiten  und  Anfang  des 
dritten  Jahrhunderts  lebende  Syrer  Bardesanes  ist  es,  der 
sich  eine  gründliche  Kenntniss  der  buddhistischen  und  indi- 
schen Zustande  überhaupt  verschafit  hatte  und  in  den  Resten 


1)  Andarae  bei  Plin.  N.  H.  VI,  19,  22  §  67;  König  EiqmoXB^tatog 
bei  Ptol.  Vü,  1,  82, 


364  I^IE  KOENIGSNAM£N 

seiner  Schriften  auch  für  uns  werthvolle  Nachrichten  über 
dieselben  mittheilt  (Lassen  III  S.  367flF.;  vgl.  III  S.  61f. 
348  ff.  361  ff.  404  ff.).  Durch  ihn  mag  die  Legende  bekannt 
geworden  sein,  wegen  ihrer  vielen  Christen  zusagenden 
asketischen  Tendenz  grossen  Anklang  gefunden  und  schliess- 
lich —  ob  unwillkürlich  durch  Weitererzählen  von  Mund 
zu  Mund;  ob  durch  einen  frommen  Betrug^  wird  schwer 
zu  entscheiden  sein  —  ein  christliches  Gewand  augelegt 
haben« 
380  Wir  gehen  zur  Betrachtung  zweier  nur  in  lateinischer 
-Ueberarbeitung  erhaltener  Apostelgeschichten  über,  zunächst 
der  Thaten  des  Simon  und  Judas  bei  Abdias  YI,  7—23. 
Die  beiden  Apostel  machen  sich  nach  Persien  ^)  auf,  um  das 
Evangelium  zu  verkündigen  und  die  ketzerischen  Lehren, 
welche  die  beiden  Magier  Zaroes  und  Arfaxat  (^jiQipa^dd) 
dort  verbreitet  hatten,  zu  bekämpfen.  Diese  Magier  sollen 
von  Matthäos  aus  Aethiopien  vertrieben  worden  sein  — 
augenscheinlich  ein  Zusatz  des  Abdias,  um  diese  Akten  mit 
denen  des  Matthäos,  in  denen  jene  beiden  Persönlichkeiten 
wiederkehren,  wenigstens  äusserlich  zu  verbinden.  Die  beiden 
Apostel  treffen  auf  ihrem  Wege  mit  Varardach,  dem  Feld- 
herrn des  über  Persien  herrschenden  und  rex  Babyloniorum 
genannten  Xerxes,  zusammen:  Varardach  zog  damals  mit 
einem  Heere  wider  die  Inder,  welche  die  Tributzahlung  ein- 
gestellt hatten  und  in  Persien  eingefallen  waren,  um  die 
Grenzen  zu  schützen  und  die  Vereinigung  der  Inder  mit  den 
Medern  zu  verhindern.  Die  von  Varardach  über  den  Erfolg 
des  Unternehmens  befragten  Priester  seiner  Gotter  weissagen 
eine  blutige  Schlacht,  die  Apostel  dagegen  einen  friedlichen 
^Ausgang.  Am  folgenden  Tage  kehren  mit  den  auf  Drome- 
daren vorausgeschickten  Herolden  des  Perserfeldherm  vor- 
nehme Inder  als  Gesandte  zurück,  welche  sich  zur  Zurückgabe 
der  besetzten  Landschaften,  zur  pünktlichen  Tributzahlung 
und  zu  jeglicher  Friedensbedingung  verstehen.    Die  der  Lüge 


1)  Für  cum  .  .  .  per  fidem  fuissent  reUgionem  ingressi  (VI,  7)  ist 
natürhch  zu  schreiben  cum  .  .  .  Persidem  fuissent  regionem  ingresai. 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.        365 

überfQhrten  Priester  werden  nur  durch  die  Fürbittte  der 
Apostel  von  dem  ihnen  drohenden  Feaertode  errettet.  Simon 
und  Judas  erlangen  bei  Yarardach  grosses  Ansehen  und 
werden  von  ihm  dem  Könige  Xerxes  empfohlen.  Zaroes 
und  Arfaxat^  welche  bis  dahin  an  seinem  Hofe  sehr  an- 
gesehen waren  y  unterliegen  in  einem  Wettstreite  Tor  den 
Aposteln,  wie  einst  die  ägyptischen  Zauberer  vor  Moses;  sie 
räumen  das  Feld,  und  die  beiden  Apostel  bleiben  auf  Bittenasi 
des  Königs  und  seines  Feldherm  in  Babylon,  thun  während 
ihres  Aufenthaltes  von  einem  Jahre  und  drei  Monaten  allerlei 
Wunder  und  bekehren  den  Xerxes  mit  seinem  ganzen  Volke 
zum  Christenthum.  Von  Babylon  brechen  sie  auf,  um  in 
den  zwölf  Provinzen  Persiens  das  Evangelium  zu  predigen; 
die  beiden  Magier  ziehen  überall  vor  ihnen  her  und  schwärzen 
sie  aus  Rachsucht  bei  der  Bevölkerung  an.  Sie  kommen  auch 
nach  der  grossen  civitas  Suanir,  wo  70  Tempelpriester  waren, 
die  jährlich  bei  den  an  den  vier  iVova  oder  Jahrpunkten 
abgehaltenen  Festschmäusen  des  Sonnengottes  je  ein  Pfund 
Goldes  vom  Konige  erhielten.  In  einer  Capelle  des  Tempels 
stand  aus  Gold  gegossen  der  Sonnengott  auf  einem  Vier- 
gespanne, in  einer  anderen  aus  Silber  die  Mondgöttin,  ge- 
zogen von  vier  Rindern.  Als  Simon  und  Judas  in  jene 
Stadt  kommen,  verlangen  die  Priester,  deren  Eigennutz  von 
Zaroes  und  Arfaxat  aufgestachelt  worden  war,  von  ihnen 
die  Anbetung  der  Götterbilder:  statt  dessen  bewirken  sie 
durch  ihr  Gebet  deren  Zertrümmerung  und  werden  dafür 
sammt  ihrem  Wirthe  Sennes  hingerichtet.  Da  schlägt  der 
Blitz  in  den  Götzentempel  und  erschlägt  die  beiden  Magier. 
Nach  drei  Monaten  aber  schickte  König  Xerxes  hin  und 
confiscirte  das  Vermögen  der  Tempelpriester:  über  dem 
Grabe  des  Simon  und  Judas  baute  er  eine  prächtige  Kirche, 
deren  Vollendung  drei  Jahre  in  Anspruch  nahm. 

Als  Quelle  für  die  Thaten  und  Leiden  der  beiden 
Apostel  während  ihrer  13jährigen  Mission  in  Persien  beruft 
sich  Abdias  VI,  20  auf  ein  Werk  ihres  Schülers  Kraton  in 
zehn  Büchern,  welches  der  Geschichtsschreiber  Africanus  ins 
Lateinische  übersetzt  habe.   Diese  Notiz  hat  man  als  Variante 


366  DIE  KOENIGSNAMEN 

einer  anderen  betrachtet,  die  sich,  in  der  Praefatio  des  an- 
geblichen Africanus  (bei  Fabricius  p.  391)  findet:  ihr  zufolge 
soll  die  Geschichte  aller  Apostel  von  Abdias,  Bischof  von 
Babylon,  einem  Schüler  des  Simon  und  Judas,  in  hebräischer 
Sprache  aufgezeichnet,  von  dessen  Schüler  Eutropios  ins 
Griechische  übersetzt  und  dessen  Werk  endlich  von  Africanus 
ins  Lateinische  übertragen  und  in  zehn  Bücher  vertheilt 
worden  sein,  so  dass  auf  jeden  Apostel  eins  komme.  So 
verhält  es  sich  in  der  That,  nur  das  sechste  Buch  umfasst 
ausser  dem  Leben  des  jüngeren  Jakobos  auch  das  des  Simon 
und  Judas:  offenbar  will  der  *  lateinische  Bearbeiter  die  Ge- 
schichte des  Letzteren  als  einen  aus  anderer  Quelle  ein- 
geschalteten Anhang  zum  sechsten  Buche  betrachtet  wissen, 
ist  keineswegs  im  Widerspruche  mit  sich  selbst.  Es  sind 
beidemal  verschiedene  Autoritäten  gemeint,  die  eine  natür- 
lich so  plump  erfunden  als  die  andere^  und  nichts  kann 
unkritischer  sein,  als  diese  Notizen  zu  Folgerungen  über 
die  wahren  Quellen  des  angeblichen  Africanus  benutzen  zu 
wollen.  Hinsichtlich  der  Thaten  des  Simon  und  Judas  ist 
nur  so  viel  sicher,  dass  Moses  von  Chorene  (der  zwischen 
459  und  481  schrieb)  sie  zwar  nicht^elbst  gekannt  (II,  31,  6 
p.  143),  aber  eine  Quelle  benutzt  hat,  in  der  sie  bereits  vor- 
ausgesetzt sind  (II,  30, 16 — 21  p.  140  f.).  Er  theilt  nämlich 
382zwei  Empfehlungsbriefe  mit,  die  Abgar  für  Simon  an  den 
Knaben  Nerseh,  König  von  Assyrien  zu  Babylon,  und  an 
dessen  Vater  Artashes,  den  König  der  Könige,  geschrieben 
haben  soll.  Beide  standen,  was  man  dem  Moses  gern  glaubt^ 
nicht  im  Edessenischen  Archiv  (§  16),  und  dies  wird  dadurch 
motivirt,  dass  Abgar  gestorben  sei,  ehe  er  die  Antwortbriefe 
erhalten  habe  (§  21).  Artashes  IL  regierte  nach  Moses  von 
Chorene  von  7  —  41  n.  Ch.,  was  nur  um  ein  Jahr  zu  früh 
ist:  der  ihm  entsprechende  Artabanos  III.  der  Classiker  starb 
nach  den  Münzen  im  August  42.  Abgars  Regierung  föUt 
nach  der  Synchronistik  des  armenischen  Historikers  in  die 
Jahre  5  —  43,  was  sich,  wie  wir  gesehen  haben,  von  der 
wahren  Zeitrechnung  stärker  entfernt.  Moses  ist  also  mit 
sich  selbst  in  einem  Widerspruch,  den  ich  bereits  an  einem 


IN  DEN  APOKKYPHEN  APOSTELGESC SICHTEN.         367 

anderen  Orte^)  aus  der  Yerniischung  zweier  ganz  verschiedener 
Traditionen  zu  erklären  gesacht  habe:  der  vom  Abgar,  die 
von  seinem  Verkehre  mit  dem  Perserkonige  Artash§s  II. 
wusste,  und  der  Legende  von  Simon,  die  denselben  um  das 
Jahr  43  unter  einem  Eonige  Namens  Nerseh  in  Persien  das 
Evangelium  predigen  liess;  um  beide  vereinigen  zu  können, 
hat  der  Erfinder  des  Briefes  den  Nerseh  zum  Unterkonige 
von  Assyrien  bei  Lebzeiten  des  Yaters  gemacht.  Die  Thaten 
des  Simon  und  Judas,  die  mir,  als  ich  dies  schrieb,  noch 
nicht  bekannt  waren,  bestätigen  meine  Yermuthung  voll- 
kommen: sie  stehen  in  keinem  Zusammenhange  mit  der 
Abgarsage,  die  beiden  Empfehlungsbriefe  haben  nur  den 
Zweck,  einen  ganz  äusserlichen  herzustellen;  von  Artash^s 
ist  keine  Bicde,  dagegen  erkennt  man  den  Nerseh  sofort  in 
dem  Xerxes  wieder,  unter  welchem  Simon  und  Judas  in 
Persien  wirken.  Der  seltene  Name  Nerses  ist  vom  lateini- 
schen Bearbeiter  mit  dem  geläufigeren  Xerses*)  vertauscht 
worden.  Die  Verzeichnisse  der  Ashkanier  (Arsakiden)  bei 
Arabern  und  Neupersern,  welche  auf  unter  Ghosru  Nushir- 
wan  gemachte  Aufzeichnungen  zurückgehen,  kennen  in  der 
That  zwei  Könige  jenes  Namens.  Dass  diese  wenn  auch 
späten  Quellen  echte  Nachrichten  enthalten  und  wie  sie  zu 
benutzen  sindf  habe  ich  a.  a.  0.  S.  55  f.  auseinandergesetzt 
und  erlaube  mir  zur  Begründung  meiner  Ansicht,  dass  die 
Einkleidung  auch  dieser  Akten  auf  die  wahre  Geschichte 
Rücksicht  nimmt,  auf  jenen  Artikel  zu  verweisen.  In  den 
letzten  Jahren  des  Abgar  regierten  zwei  Söhne  des  Arta- 
banos  in  Persieu,  Vardanes  und  6ot£g*zes;  einem  derselben 
muss   der  religiöse  Zuname  Nerseh   (entstanden  aus   zendi- 


1)  Artikel  Gotarzes  in  der  Allgemeinen  EncyklopäUie  der  Wissen- 
Schäften  und  Künste.    Erste  Section.    LXXV  S.  27. 

2}  Diese  Form  findet  sich  so  häufig  in  selbst  alten  Handschriften, 
dass  ihre  grundsätzliche  Verbannung  aus  den  Texten  mir  nicht  gerecht- 
fertigt erscheint.  Freilich  wird  sie  nur  der  Rücksicht  auf  den  Wohl- 
klang ihren  Ursprung  verdanken  und  der  Umstand,  dass  sie  der 
ursprünglichen  Namensform  (altpersisch  Ehsajärsä,  syrisch  Achshiresh) 
näher  kommt  als  die  griechische,  ein  blosser  Zufall  sein. 


368  DIE  KOENIGSNAMEN 

3838chem  Nairjö^a  ha,  d.  i.  männliches  Wort^))  zukommen,  und 
zwar  dem  Vardanes,  da  die  neupersischen  Quellen  Göderz 
und  Nerseh  zu  Brüdern  machen.  Vardanes  hatte  seinen  Sitz 
in  Babylonien;  sein  Bruder  Gotarzes  machte  ihm  den  Thron 
streitig  und  behauptete  sich  neben  ihm  in  den  oberen  Sa- 
trapien.  Die  in  den  Thaten  des  Simon  und  Judas  aus- 
gesprochene Befürchtung,  die  Meder  möchten  den  rebellischen 
Indem  gegen  das  Heer  des  Nerses  zu  Hülfe  kommen,  ent- 
spricht also  genau  den  (in  späterer  Zeit  nicht  wiederkehren- 
den) geschichtlichen  Verhältnissen.  Auch  die  Tributleistung 
der  Inder,  ihr  Aufstand  und  Einfall  in  Persien  ist  keines- 
wegs so  apokryph,  als  es  auf  den  ersten  Blick  scheinen 
könnte:  man  erinnere  sich,  dass  in  Weiss-Indien  eine  parthi- 
sche  Nebenlinie  regierte  und  dass  gerade  Vardanes  nach 
Tacitus  grosse  Eroberungen  im  Osten  machte.  Ja  es  findet 
sogar  das  überraschende  Zusammentreffen  statt,  dass  der 
indische  Geschichtsschreiber  Ferishtah  von  einer  Tribut- 
leistung redet,  die  der  Inderkönig  den  Ashkaniern  Goderz 
und  Nerseh  geschuldet  habe  (bei  Dow  I  S.  27  der  deutschen 
Uebersetzung),  die  Nachricht  der  Thaten  des  Simon  und 
Judas  also  direct  zu  bestätigen  scheint.^)  Auch  der  Name 
des  Feldherm,  den  Nerses  gegen  die  Inder  schickt,  sieht 
nicht  wie  erfunden  aus:  man  erkennt  in  Varardach  unschwer 
eine  der  vielen  Abwandlungen  wieder,  die  der  zendische 
Name  VSrethraghna  in  den  iranischen  Dialekten  erfahren 
hat:  am  nächsten  kommt  die  Form  OP/lArNO  auf  den 
Münzen  des  Eanerki.     Den   Schauplatz  des  Martyriums  der 


1)  Name  eines  Izeds,  Über  den  man  Spiegel  zam  Ayesta  III 
S.  XLIII  yergleicben  kann. 

2)  Ich  sehe  mich  in  diesem  Falle  genöthigt,  das  in  dem  Artikel 
Gotarzes  S.  59  gefällte  skeptische  Urtheil  zurückzunehmen,  wie  ich 
denn  überhaupt  Yon  der  herrschenden  ungünstigen  Meinung  über  die 
neupersischen  Annalen  mehr  und  mehr  zurückkomme.  Der  Leser,  der 
über  diese  Palinodie  den  Kopf  schüttelt,  möge  bedenken,  dass  die 
neupersischen  Chronisten  des  15.  Jahrhunderts  und  noch  spätere  für 
uns  genau  den  Werth  haben ,  der  unseren  mittelalterlichen  Welt- 
chroniken für  alte  Geschichte  zukommen  würde,  wenn  die  Chronik 
des  Eusebios  verloren  wäre. 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.        369 

beiden  Apostel  nennt  das  dem  Hieronymus  zugeschriebene 
Martyrologium  Suanis  statt  Suanir,  und  es  ist  darin  schon 
von  Tillemont  (Mem.  eccl.  I  S.  425)  mit  vieler  Wahrschein- 
lichkeit der  Name  der  Suanen  im  nordlichen  Eolchis  erkannt 
worden.  Denn  in  die  nördlichen  Yorlande  Armeniens  ver- 
legen auch  unsere  anderen  Quellen  den  Tod  der  beiden 
Apostel.  Moses  von  Chorene  lässt  den  Simon  in  Yerio- 
sphorä  umkommen  (II;  34  bei  Le  Vaillant  I  p.  232)^  was 
bei  Whiston  (II,  31,  6  p.  143)  mit  „apud  Bosporum  Ibericum^^ 
übersetzt  ist.  Er  scheint  also  anzunehmen,  dass  Moses 
„Iberisch^'  und  „Eimmerisch^^  verwechselt  hat,  und  aller- 
dings wird  der  kimmerische  Bosporos  in  den  Menäen  zum 
30.  November  als  Ort  des  Martyriums  genannt:  allein  Phor 
kommt  als  zweiter  Bestandtheil  iberischer  Landschaftsnamen 
sehr  häufig  vor  (fünfmal  in  Yirch  bei  Mos«  Chor.  Geogr.  63384 
p.  356,  zweimal  in  Gugarch  ebenda  78,  dreimal  in  Tajch 
ebenda  79  p.  161),  wodurch  der  Name  hinlänglich  gesichert 
ist.  Da  in  die  neugriechischen  Heiligengeschichten  Vieles 
aus  armenischen  Quellen  übergegangen  ist^),  so  ist  die  um- 
gekehrte Annahme,  dass  der  kimmerische  Bosporos  aus  Miss- 
deutung des  ähnlich  klingenden  Namens  entstanden  ist,  die 
wahrscheinlichere.  Auch  die  einheimische  Chronik  des  geor- 
gischen Königs  Wachtaug  (bei  Elaproth,  Reise  in  den  Kau- 
kasus II  S.  113)  lässt  den  Simon  das  Christenthum  in  Egrissi, 
d.  i.  Eolchis  predigen.  Gerade  während  der  Jahre,  in  denen 
die  Thaten  des  Simon  und  Judas  spielen,  nämlich  von  39 — 47, 
stand  Armenien  unter  unmittelbarer  Herrschaft  der  Parther 
(Tac*  Ann.  XI,  9)^);  also  auch  in  diesem  Punkte  erweisen 
sie  sich  als  wohl  unterrichtet.  Ebensowenig  sind  die  Namen 
der   beiden   Magier   zufallig:    Zaroes    ist   Zarvan   (zendisch 


1)  Als  Beispiel  fahre  ich  an,  dass  nach  den  Menäen  zum  19.  Jali 
Thaddäos  mit  Pfeilen  erschossen  worden  sein  soll  Iv  'Affciq^  rj  aroXet; 
es  ist  zn  schreiben  h  'AQttQatri  noln,  „im  Staate  Ararat**,  was  mit 
der  armenischen  Tradition  übereinstimmt. 

2)  Der  armenische  Gauname  KotaqirivT^  bei  Ptol.  V,  13,  9  darf 
vielleicht  bei  der  Seltenheit  des  Namens  Gotarzes  von  dem  Farther- 
könige  hergeleitet  werden. 

T.  OcTscHMiD,  Kleine  Schriften.    II.  24 


370  DIE  KOENIGSNAMEN 

Zrväna),  die  Zeit^  das  oberste  kosmogonisclie  Princip  in  den 
Speculationen  des  späteren  Parsismus^  Arfaxat  aber  trägt 
den  Namen  des  schon  in  der  Bibel  vorkommenden  Stamm- 
landes der  Obaldäer.  Jener  ist  also  Repräsentant  der  persi- 
sehen;  dieser  der  chaldäischen  Weisheit,  beide  kommen  neben- 
einander unter  den  Namen  Ehesarvanüs^)  und  Arphäzad  als 
vierter  und  fünfter  Konig  einer  angeblichen  uralten  chaldäi- 
schen Dynastie  bei  Barhebräus^  Chron.  Syr.  p.  11  vor,  ein 
Beweis ;  dass  dieses  Figurenpaar  von  dem  christlichen  Ver- 
fasser aus  der  einheimischen  Sage  herübergenommen  ist 
Die  Lehren,  welche  den  beiden  Magiern  in  den  Mund  gelegt 
werden,  sind  schon  von  Fabricius  als  rein  manichäisch  er- 
kannt worden;  der  Verfasser  der  Thaten  des  Simon  und 
Judas  geht  hier  so  ins  Detail  und  stellt  die  beiden  Magier 
so  in  den  Mittelpunkt  seiner  Erzählung,  dass  man  die  Be- 
kämpfung der  Manichäer  wohl  als  die  ^wesentliche  Tendenz 
der  Schrift  anzusehen  hat.  Auch  in  dem,  was  vom  Cultus 
der  Perser  vorkommt,  erweist  er  sich  als  gut  unterrichtet. 
Dass  das  Pferd  speciell  dem  Sonnengotte  oder  Mithras 
geweiht  war,  ist  bekannt  genug  (vgl.  Brissonius,  De  regio 
Persarum  principatu  p.  159);  der  Mond  heisst  im  Zendavesta 
Geber  der  Heerden  und  Bewahrer  des  Stiersamens;  der  Ana- 
hita,  die  unter  der  Mondgöttin  gemeint  sein  wird,  wurden 
heilige  Kühe  gehalten  (Plut.  Luculi.  24).  Auch  die  festliche 
Begehung  der  vier  Jahrpunkte  hat  ihre  Richtigkeit:  auf  die 
Aequinoctien  fallen  die  beiden  grössten  Feste  der  Perser,  das 
sSöNeujahrsfest  am  1.  Ferverdin  und  das  Mihrgän  am  16.  Mihr, 
und  unter  den  übrigen  Festen  haben  in  späterer  Zeit  das 
Abrizgän  oder  das  Fest  des  mit  Wasser  Besprengens  und 
das  Shab-i-Sada  oder  das  Fest  der  hundert  Nächte  eine 
hervorragende  Bedeutung  erlangt,  von  denen  jenes  am 
30.  Chordäd  kurz  vor  der  Sommersonnenwende,  dieses  am 
10.  Bahman  kurz  nach  der  Wintersonnenwende  gefeiert  wird 

1)  Die  Erklärung  dieses  Namens,  welche  ich  in  der  Zeitschrift 
der  deutschen  morgenländi sehen  Gesellschaft  XV  S.  S3  [Abschnitt  XVI 
dieses  Bandes]  vorgeschlagen  hatte,  wird  jetzt  durch  die  Thaten  des 
Simon  und  Judas  ausser  Zweifel  gesetzt. 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.        371 

(vgl.  Hyde  p.  242.  253).  Der  Ausdruck  Nova^  dessen  sich 
Abdias  für  die  Jahrpunkte  bedient  ^  ist  wörtliche  Ueber- 
setzung  des  persischen  Naurüz  (d.  i.  neuer  Tag),  womit 
nicht  bloss  das  Neujahrsfest,  sondern  auch  das  Mihrgän 
bezeichnet  zu  werden  pflegt  (vgl,  d'Herbelot  u.  d.  W.  Neu- 
rouz).  Auch  der  den  falschen  Propheten  angedrohte  Feuer- 
tod beweist  nichts  weniger  als  Unbekanntschaft  des  Erzählers 
mit  persischen  Sitten;  über  diesen  Punkt  herrschen  sehr 
falsche  Vorstellungen.  Das  den  Vorschriften  des  Zendayesta 
am  besten  entsprechende  Institut  der  Leichenthürme^  durch 
welches  man  die  Verunreinigung  eines  der  vier  Elemente 
durch  die  Verwesung  zu  yerhüten  wähnte^  war  selbstver- 
ständlich nur  in  dünn  bevölkerten  Gegenden  und  bei  kleinen 
Gemeinden  anw^dbar;  in  volkreichen  Gegenden  und  in 
grossen  Städten  nöthigt  die  factische  Unmöglichkeit  der 
Durchführung  zu  Concessionen  an  die  gesundheitspolizei- 
liche Nothwendigkeit.  Es  fragte  sich  nur,  welches  ,die 
geringere  Ketzerei  sei,  ob  Verbrennen  oder  Begraben  der 
Todten.  In  der  Achämenidenzeit  scheint  es  in  verschiedenen 
Provinzen  verschieden  gehalten  worden  zu  sein,  unter  den 
Sasaniden  dagegen  war  das  Verbrennen  gesetzliche  Vorschrift 
(vgl.  meine  Bemerkungen  in  den  Berichten  der  königlich 
sächsischen  Gesellschaft  der  Wissenschaften  1861  S.  198).*) 
Also  beweist  jener  Zug  nur  aufs  Neue  die  Vertrautheit  des 
christlichen  Erzählers  mit  persischem  Thun  und  Treiben. 
Wie  die  christliche  Tradition  dazu  gekommen  ist,  gerade 
den  Nerses  =  Vardanes  zum  Beschützer  des  Simon  und 
Judas  und  zum  christlichen  Proselyten  zu  machen,  darüber 
kann  man  wahrscheinlich  auch  noch  Rechenschaft  geben. 
Vardanes  war  ein  nicht  bloss  durch  seine  tapferen  Thaten, 
sondern  auch  durch  seine  Vorliebe  für  die  Griechen  berühmter 
König;  ihn  besuchte  gerade  in  den  Jahren,  in  welche  die 
Ankunft  des  Simon  und  Judas  verlegt  wird,  nämlich  44 — 46*), 

*)  \y^'  Gutfichmids  Bemerkung  in  der  Praefatio  zu  Jeeps  Aus- 
gabe des  Jnstinus  zu  XIX,  1,  10  und  in  der  Anzeige  von  Rühls  Textes- 
qnellen  des  Justinas  im  Literarischen  Centralblatt  1872  S.  660.    F.  R.] 

1)  Wie  ich  in  dem  Artikel  „Gotarzes"  S.  40  nachgewiesen  habe. 

24* 


372  DIE  KOENIGSNAMEN 

in  Babjlon  Apollonios  von  Tyana  mit  seinem  Schüler 
Damis  und  gewann  sich  in  dem  Partherkönige  einen  eifrigen 
Gönner  und  begeisterten  Jünger.  Da  Apollonios  von  den 
Neupjthagoreern  neben  Christus  und  ihm  gegenübergestellt 
worden  ist  und  da  zwischen  den  Anhängern  Beider  eine 
notorische  Rlyalität  bestand,  so  begreift  es  sich,  dass  jener 
Episode  aus  dem  Leben  des  Apollonios  in  den  Thaten  des 
Simon  und  Judas  am  Hofe  des  Nerses  ein  christliches 
Seitenstück  gegenübergestellt  worden  ist. 

,;Es  fehlte  wirklich  nur  noch  —  so  höre  ich  schon  im 
SSeGeiste  den  oder  jenen  an  herkömmlichen  Ansichten  fest- 
haltenden Leser  ungeduldig  ausrufen  —  dass  uns  die  in  den 
Thaten  des  Matthäos  (welche  das  siebente  Buch  des  Ab- 
dias  bilden)  yorkommenden  äthiopischen  Könige  mit  ihren 
gut  griechischen  Namen  als  historische  Personen  aufgenöthigt 
würden  I^'  Allerdings  gedenke  ich  dies  zu  thun  und  erlaube 
mir  sogar,  diese  späteste  aller  Apostelgeschichten  zum  stärk- 
.  sten  Beweise  dafür  zu  verwenden,  dass  die  herkömmliche  An- 
sicht Yon  der  gänzlichen  Ungeschichtlichkeit  dieses  Literatur- 
zweiges, wenigstens  insoweit  es  sich  um  die  Einkleidung 
handelt,  unhaltbar  ist.  Unwissend  genug  war  freilich  der 
Gewährsmann,  dem  Abdias  hier  gefolgt  ist.  Er  lässt  näm- 
lich den  Evangelisten  Matthäos  nach  Aethiopien  kommen 
und  bei  einem  Eunuchen  Namens  Candacis  einkehren,  indem 
er  mit  anderen  schlechten  Bibelerklärern^)  in  den  Worten 
der  Apostelgeschichte  8,  27  Kavddxrig  für  den  Nom.  masc 
statt  des  Gen.  fem.  gehalten  hat.  Die  Königin  der  Aethiopen 
nennt  er  statt  Kavdaxri  Euphenissa,  und  lässt  ihr  Söhnlein 
Euphranon  durch  Matthäos  von  den  Todten  auferweckt  wer- 
den. Mit  Sicherheit  lassen  sich  hier  die  griechischen  Namen 
Evg>Qaivov0a  und  EvtpQalviov  (oder,  wie  Fabricius  vorschlug, 
Evq)Qdv(0(f)  herstellen.  Euphränusas  Gemahl,  König  Aeglippus, 
hatte  an  seinem  Hofe  zwei  Magier,  Namens  Zaroes  und  Ar- 
faxat,  die  uns  schon  aus  den  Thaten  des  Simon  und  Judas 
bekannt  sind.    Ihre  Gaukelkünste  wurden  von  Matthäos  ent- 


1)  Vgl.  Fabricins  zu  Abdias  VII,  2  p.  639. 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.         373 

larvt;  sie  gaben  sicli  überwunden  und  flohen  vor  dem  Apostel 
nach  Persien.  Infolge  jenes  Wunders  gelang  es  dem  Matthäos, 
den  Eonig  zu  bekehren.  Er  lässt  sich  mit  seinem  Weibe,  dem 
wiederbelebten  Knaben. und  einer  Tochter  Namens  Iphigenia 
taufen;  Iphigenia  nimmt  sogar  den  Schleier.  Aeglippus  rief 
alles  Volk  zusammen,  dass  es  die  Kirche  der  Auferstehung 
bauete,  und  das  Gotteshaus  kam  zu  Stande  und  Matthäos 
waltete  darin  23  Jahre  lang.  Der  König  beforderte  die  neue 
Religion  nach  Kräften  und  zerstörte  die  Götzentempel,  starb 
aber  bald  darauf,  und  sein  Bruder  Hyrtacas  ward  König  an 
seiner  Statt.  Gegen  sein  Vorhaben,  seine  Nichte  Iphigenia 
zu  heirathen,  erhebt  Matthäos  Einspruch  und  wird  dafQr 
durch  den  von  Hyrtacus  abgeschickten  Speculator  am  Altare 
niedergestossen.  Der  König  sucht  hierauf  vergeblich  sich 
Iphigeniens  zu  bemächtigen  und  legt  Feuer  an  den  Hof,  in 
welchem  sie  mit  anderen  Gott  geweihten  Jungfrauen  wohnt; 
der  Wind  aber  treibt  die  Flammen  von  da  weg  und  auf  den 
Palast  des  Königs,  der  abbrennt.  Hyrtacus  selbst  wird  mit 
der  Elephantiasis  bestraft  und  stürzt  sich,  da  er  sich  un- 
heilbar weiss,  in  das  eigene  Schwert  Da  ward  Beor,  Iphi- 
geniens Bruder,  den  sie  durch  den  Matthäos  hatte  taufen 
lassen,  vom  Volke  zum  Könige  gewählt;  und  es  wurden  in 
allen  Provinzen  Aethiopiens  durch  Iphigenia  katholische  (sie) 
Kirchen  gebaut,  die  bis  auf  den  heutigen  Tag  stehen.  25  Jahre 
alt  war  Beor,  da  er  König  ward  und  regierte  63,  so  dass  die887 
Jahre  seines  Lebens  88  waren;  und  er  ernannte  bei  seinen 
Lebzeiten  den  einen  seiner  Söhne  zum  HgerfQhrer,  den  an- 
deren zum  König  und  sah  Kinder  und  Kindeskinder  bis  ins 
vierte  Glied  und  lebte  in  Frieden  mit  Römern  und  Persern. 
Der  Schluss  der  Erzählung  giebt  erwünschten  Aufschluss 
über  den  Ort  der  Handlung  und  die  Zeit  der  Abfassung. 
Von  Krieg  oder  Frieden  Aethiopiens  mit  Persien  konnte  erst 
seit  der  Eroberung  des  Sabäerreiches  durch  den  abyssinischen 
König  Elesbaas  im  Jahre  524  die  Bede  sein,  von  welcher 
Zeit  an  die  Römer  öfters  den  Versuch  machten,  die  glaubens- 
verwandten Abyssinier  zu  Diversionen  gegen  die  Sasaniden 
zu   bewegen.     Unter   dem  Aethiopien   des   Abdias   ist   also 


374  DIE  KOENIGSNAMEN 

Abyssinien  gemeint,  nicht  das  wahre  Reich  der  Eandake, 
welches  yiel  weiter  nördlich  in  Nubien  lag.  Die  Haupt- 
stadt Aethiopiens,  in  der  Matthäos  den  Märtyrertod  erlitten 
haben  soll,  nennt  derselbe  Abdias  Naddaver,  eine  Form,  die 
von  Napata,  wie  die  Hauptstadt  der  Kandake  hiess,  zu  weit 
abliegt,  um  für  eine  blosse  Entstellung  Yon  Napatis  gelten 
zu  können,  und  sonst  nirgends  vorkommt  ausser  bei  Venantius 
Fortunatus  VII,  4.  5.  Dieser  hat  sie  gewiss  erst  aus  unserer 
Stelle.  Da  Venantius  609  starb,  so  ergiebt  sich  mit  grosser 
Sicherheit  die  zweite  Hälfte  des  sechsten  Jahrhunderts  als 
Abfassungszeit  der  den  Namen  des  Abdias  tragenden  Apo- 
stolica  historia.  Der  Evangelist  Matthäos  ist  natürlich  so 
wenig  in  das  Reich  der  Kandake  wie  nach  Abyssinien 
gekommen,  das  notorisch  erst  im  Jahre  331  zum  Christen- 
thume  bekehrt  worden  ist;  den  Anlass,  ihn  mit  diesen  Gegen- 
den in  Verbindung  zu  bringen,  wie  dies  schon  von  Rufinus 
und  Sokrates  geschehen  ist,  bot  wohl  einzig  und  allein  die 
bei  Eusebios  Hist.  eccl.  V,  10,  3  erhaltene  Nachricht,  dass 
Pantänos  bei  den  unter  den  Indern  (d.  i.  den  Sabäern)  wohnen- 
den Christen  das  Evangelium  des  Matthäos  in  hebräischer 
Sprache  vorgefunden  habe.  Bereits  Fabricius  hat  darauf  auf- 
merksam gemacht,  dass  christianissimus  rex,  wie  Aeglippus 
VII,  8  genannt  wird,  der  Ehrenname  ist,  der  im  griechischen 
Synaxar  zum  24.  October  dem  oben  genannten  Elesbaas  bei- 
gelegt wird.  Ja  die  Anklänge  an  dessen  Geschichte  sind 
sogar  noch  viel  schlagender.  Im  äthiopischen  Synax&r  zum 
20.  Ginbot  (d.  i.  15.  Mai)  ^)  heisst  es  ganz  wie  vom  Beor 
des  Abdias  von  Käleb  (dies  ist  der  wahre  Name  des  Eles- 
baas), dem  Eroberer  von  Sabä:  „und  er  schickte  dorthin  als 
Konig  seinen  erstgeborenen  Sohn  Namens  Esrä'el,  welcher 
seinem  Willen  gemäss  im  Verborgenen  auf  einem  Wagen 
regieren  sollte,  ohne  sich  sehen  zu  lassen  und  schickte  ihn 
ins  Feld  gegen  die,  welche  das  Gesetz  Gottes  nicht  hatten ••• 
Und  Gabra-Masqal,  den  jüngeren,  Hess  er  öffentlich  regieren, 
weil  er  ihn  liebte,  und  er  ward  genannt  König  von  Zion 

1)  Bei  Sapeto,  Yiaggio  e  missione  cattolica  fra  i  Mensä,  i  Bogos 
e  gli  Habab  (Roma  1857.    8^)  p.  422  f. 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.        375 

und  sass  auf  dem  Throne  seines  Vaters/'  Es  liegt  also388 
hier  eine  Zurückdatining  des  Christenthums  der  Abyssinier 
bis  in  die  apostolische  Zeit  vor,  bei  der  einzelne  Züge  aus 
dem  Leben  des  durch  seinen  Eifer  für  das  Christenthum 
besonders  berühmten  Elesbaas  auf  seine  angeblich  christ- 
lichen Ahnen  Aeglippus  und  Beor  übertragen  worden  sind. 
Je  näher  wegen  der  vielen  griechischen  oder  griechisch 
klingenden  Namen  der  Verdacht  gelegt  ist;  dass  hier  durch- 
weg ein  reines  Spiel  der  Phantasie  vorliegt,  um  so  über- 
raschender ist  das  EnÜastungszeugnisS;  welches  dem  Abdias 
durch  die  abyssinischen  Konigslisten  zu  Theil  wird.  Für  die 
älteste  Zeit  giebt  es  deren  zwei,  über  deren  Verhältniss  zu 
einander  und  ihre  Glaubwürdigkeit  Dillmann  in  der  Zeit- 
schrift der  deutschen  morgenländischen  Gesellschaft  VII 
S.  339  ff.  zu  vergleichen  ist.  In  beiden  finden  wir  die  zwei 
christlichen  Aethiopenkonige  des  Abdias  in  derselben  Auf- 
einanderfolge, durch  einen  Zwischenkonig  getrennt,  wieder, 
nämlich: 
Abdias.  Liste  A.  Liste  B. 

Aeglippus  1  regieren  23  Jahre   Aglebü  reg.  3J.(34y.Ch.— 31)  Aglebül. 
HyrtacQS  l(etwa45n.Cb.— 68)  Ausenft    „      lJ.(31~30)  BawaweL 

Beor  .  .  .   regiert  63  Jahre      Beriwäs  „    29J.(30— Iv.Ch.)    Bawariä. 
(etwa  68—131) 

Die  Zeitrechnung  dieser  ältesten  Könige  ist  sehr  un- 
sicher: die  Regierungsjahre  sind  nur  in  der  einen  Liste 
angegeben  und  die  Nebenlinien  nicht  von  den  Hauptlinien 
getrennt,  so  dass  die  Summe  der  einzelnen  Regierungsjahre 
in  dem  Zeitraum  von  Bäzen,  unter  den  nach  der  in  den  auf 
uns  gekommenen  Chroniken  befolgten  Synchronistik  Christi 
Geburt  gesetzt  wird^  bis  auf  die  Einführung  des  Christen- 
thums unter  Abreha  und  Atzbeha  425  statt  333^  die  Zeit 
von  da  bis  auf  Gabra-Masqal  245  statt  184  Jahre  beträgt 
Schon  die  abyssinischen  Gelehrten,  welche  diese  Listen  nach 
der  Wiederherstellung  des  Reiches  durch  Ikünö-Amläk  (1270 
n.  Ch.)  zusammengestellt  haben,  sind  augenscheinlich  nicht 
im  Besitze  der  Mittel  gewesen,  für  die  ältesten  Perioden 
ihrer    Geschichte    eine    im   Einzelnen    genaue   Zeitrechnung 


376  DIE  KOENIGSNAMEN 

herzustellen;  sie  können  leicht  zwischen  Bazen  und  den 
ersten  christlichen  Eonigen  zu  wenig  Nebenkönige  aus- 
geschieden haben  und  so  zu  einem  Synchronismus  gelangt 
sein,  der  den  Bazen  etwa  um  ein  Jahrhundert  zu  früh  setzte. 
Weder  dies  noch  die  abweichende  Angabe  der  Regierungs- 
jahre kann  bei  solcher  Beschaffenheit  der  Quellen  der  völligen 
Identität  der  Namen  Aglebü  und  Aeglippus,  Bawaris  und 
Beor  gegenüber  in  die  Wagschale  fallen.  Es  ist  sogar 
fraglich,  ob  ein  abyssinischer  König  so  früh  wie  34  v.  Ch. 
schon  den  Namen  Aglebü  oder  Aglebül  geführt  haben  kann. 
Von  diesen  beiden  Namensformen  ist  nämlich  die  letztere 
ohne  Zweifel  die  ursprünglichere,  und  es  liegt  in  ihr  ein 
gutes  Stück  Geschichte  verborgen.  Aglebül  ist  unverkennbar 
derselbe  Name  wie  'Aglibol,  der  uns  aus  einer  römischen 
Inschrift  aus  dem  Jahre  236  n.  Ch.  (griechischer  Text  im 
3890.  I.  Gr.  No.  6015,  Palmyrenischer  bei  Eichhorn  in  den 
Comment.  Gotting.  recent.  VI  p.  98*))  als  einer  der  xatgäoc 
d'soi  von  Palmyra  bekannt  ist.  Dieses  Zusammentreffen 
verliert  an  Auffälligkeit  durch  eine  bisher  gänzlich  verein- 
samt dastehende  Notiz.  Wir  meinen  die  merkwürdige  Er- 
zählung des  Philostorgios  p.  470  (aus  dem  sie  Nikeph. 
Kaliist.  IX,  18  hat)  von  der  syrischen  Golonie  östlich  von 
Axum  an  der  Meeresküste,  die  von  Alexander  dem  Grossen 
aus  ihrer  Heimath  dorthin  verpflanzt  worden  sei  und  sich 
noch  im  vierten  Jahrhundert  n.  Ch.  ihrer  eigenen  syrischen 
Sprache  bediente.  Der  Ursprung  dieser  Golonie  ist  natür- 
lich sagenhaft  —  höchstens  könnte  man  an  Ptolemäos  IIL 
denken;  wahrscheinlicher  aber  ist  es,  dass  diese  Syrer  nicht 
durch  einen  Eroberer  verpflanzt  worden,  sondern  freiwillig 
im  Gefolge  des  alexandrinischen  Welthandels  dorthin  ge- 
kommen sind.  Dieser  nahm  in  jenen  Gegenden  erst  von  der 
Zeit  des  Augustus  an  seinen  rechten  Aufschwung;  das  Haupt- 
emporium  Adulis  wird  zuerst  von  Juba  erwähnt.  Auch  die 
Bedeutung  von  Palmyra  als  Handelsstadt  ist  nicht  älter  als 
die  erste  Kaiserzeit;  die  früheste  Palmyrenische  Inschrift  ist 

*)  [Vgl.  jetzt  Zeitachrift  der  deutschen  morgenl&n diseben  Gesell- 
schaft XVm  S.  99  ff.    F.  R.] 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.        377 

aus  dem  Jahre  3  d.  Ch.  (C.  I.  Gr.  No.  4504).  Es  ist  also 
wahrscheinlicher,  dass  ein  abyssinischer  König,  der  nach  dem 
syrischen  Gotte  benannt  ist,  45  n.  Gh.,  als  dass  er  34  v.  Ch. 
gelebt  hat.  Doch  das  mag  sein,  wie  es  wolle,  an  diesem 
interessanten  Beispiele  der  Verpflanzung  eines  Cultus  durch 
den  Handel  ist  nicht  zu  ^zweifeln. 

Hinsichtlich  des  Morders  des  Matthäos,  in  dessen  Namen 
auch  die  zwei  abyssinischen  Eönigslisten  auseinandergehen, 
stimmt  Äbdias  mit  keiner  von  beiden,  sondern  giebt  ihm 
den  gar  nicht  abyssinisch  klingenden  Namen  Hyrtacus.  Dies 
sieht  ganz  wie  die  durch  eine  Homerische  Reminiscenz  beein- 
fiusste  Umschreibung  eines  persischen  Namens  aus:  Bagtccxr^g 
im  Esdr.  Gr.  4,  29^)  ist  ganz  dasselbe.  Ich  glaube,  dieser 
Name  und  unsere  alten  Bekannten  Zaroes  und  Arfaxat,  die 
schon  durch  ihre  Namen  verrathen,  dass  sie  nicht  nach 
Aethiopien  gehören,  sind  Beste  der  älteren  Matthäostradition, 
die  Abdias  in  seine  Erzählung  mit  hinübergenommen  hai 
Diese  weist  nämlich  ziemlich  einmüthig  dem  Evangelisten 
dasselbe  Missionsgebiet  zu,  wie  dem  Simon  und  Judas ^): 
Paulinus  von  Nola  (carm.  26)  sagt,  er  sei  in  Parthien  ge- 
storben, die  neugriechischen  Menäen  zum  16.  November 
lassen  ihn  den  Parthern  und  Medern  das  Evangelium  pre- 
digen, Ambrosius  (zu  Psalm  45)  den  Persem;  die  lateinischen 
Martyrologien  endlich  nennen  als  Ort  seines  Martyriums  bald 
Persis,  bald  genauer  Tarsiana  in  Earmanien.  Diese  Tradition390 
scheint  Beachtung  zu  verdienen;  denn  ein  Ort  Namens  TacQ- 
övava  in  dem  genannten  Lande  ist  durch  Ptolemäos  VI,  8,  13 
gesichert.  Daran  wenigstens  ist  nicht  zu  zweifeln,  dass  diese 
Nachrichten  ursprünglicher  sind  als  die,  welche  den  Matthäos 
nach  Aethiopien  bringen.  Ich  erkenne  daher  in  Hyrtacus 
denselben  Namen  wie  OP^ArNO^  OP&ArNHZ^  denselben 

1)  Beiläufig,  'Atedftriv  triv  GvyatiQcc  BaQtunov  tov  d'avfucßtov  oder 
tov  0avficce£oVf  wie  Jos.  A.  J.  XI,  3,  6  gelesen  hat,  ist  nicht  ,,Tochter 
des  wanderbaren  Bartakos^*,  wie  Ewald,  Geschichte  des  Volkes  Israel 
lY  S.  133  übersetzt  hat,  sondern  es  ist  tov  Qap.ao£ov  herzastellen,  was 
als  persischer  Eigenname  aus  Herodot  YII,  194  bekannt  ist. 

2)  Die  Nachrichten  findet  man  zusammengestellt  bei  Tillemont, 
Mdm.  eccl.  I  S.  386. 


378  DIE  K0ENIG8NAMEN 

Mann  wie  den  Yarardach  der  Thaten  des  Simon  und 
Judas,  der  in  der  Matthaossage  eine  von  seiner  dortigen 
verschiedene  Rolle  gespielt  haben  mag,  und  vermuthe,  dass 
auch  die  beiden  Magier  in  der  älteren  Darstellung  in  engerer 
Beziehung  zum  Tode  des  Matthäos  gestanden  haben  werden, 
als  jetzt.  ^) 

Die  apokryphen  Apostelgeschichten,  die  wir  bisher  zu 
betrachten  Gelegenheit  hatten,  rühren  aus  sehr  verschiedenen 
Zeiten  her:  die  Acten  des  Paulos  und  der  Thekla  aus  dem 
Ende  des  zweiten,  die  TlBgCodoi  des  Thomas  aus  dem  Ende 
des  dritten,  der  Briefwechsel  zwischen  Christas  und  Abgar 
aus  dem  vierten,  die  Acten  des  Simon  und  Judas  spätestens 
aus  dem  fünften,  die  TsXeimöig  des  Thomas  und  das  Mar- 
tyrium des  Bartfablomäos  vielleicht,  die  Acten  des  Matthäos 
sicher  erst  aus  dem  sechsten  Jahrhundert.  Trotzdem  lässt 
sich  in  ihrer  Stellung  zur  Geschichte  kein  wesentlicher  Unter- 
schied wahrnehmen:  ein  Beweis,  dass  der  Kern  dieser  Legen- 
den sich  unter  den  Christen  viel  früher  consolidirt  haben 
muss,  als  man  insgemein  annimmt,  und  dass  die  späteren 
Bearbeiter  sich  auf  eine  dogmatischen  oder  rein  erbau- 
lichen Zwecken  entsprechende  Ausfüllung  des  überkommenen 
Rahmens  beschränkt  haben.  Nicht  chronologische  Kriterien, 
nur  innere,  aus  Inhalt  und  Farbe  der  Einkleidung  entnommene 
Gründe  können  über  die  historische  Brauchbarkeit  derartiger 
Schriften  entscheiden.  In  dieser  Hinsicht  stechen  die  beiden 
auf  die  Schicksale  des  Matthäos  und  Andreas  bezüglichen 
Geschichten  von  den  übrigen  ungemein  ab ,  wie  ein  Blick 
auf  den  Inhalt  darthun  wird.  Nach  den  IlQa^svg  Mat- 
%'Cov  Hai  ^AvSgiov  iv  tfi  x^oga  räv  avd'Qa)7Cog)dy{ov^) 
kam  Matthäos  in  die  Stadt  der  Menschenfresser,  welche  die 


1)  Eine  Spur  davon  hat  sich  bei  Abdias  YII,  36  erhalten,  wo 
Ilyrtacus  die  Magier  aufbietet ,  um  durch  ihre  Künste  Iphigenien  in 
seine  Gewalt  zu  bringen,  obgleich  die  Flucht  des  Zaro^s  und  Arfaxat 
nach  Persien  schon  vorher  erzählt  worden  war. 

2)  Herausgegeben  von  Thilo,  Acta  SS.  apostoloram  Andreae  et 
Matthiae  et  commentatio  de  eorundem  origine,  Halle  1846.  4^,  und 
Yon  Tischendorf  in  den  Acta  apostt.  apocr.  p.  132  ff. 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.        379 

Fremden,  die  zu  ihnen  kamen,  blendeten  und  durch  einen 
Zaubertrank  zu  Thieren  erniedrigten,  um  sie  nach  30  Tagen 
zu  fressen,  und  theilte  jenes  Schicksal.  Christus  gab  ihm 
auf  sein  Gebet  das  Augenlicht  wieder  und  entbot  den  An- 
dreas zu  seiner  Rettung.  Aus  dem  Lande,  wo  Andreas  da- 
mals predigte  (Abdias  III,  2  —  3  nach  dem  Cod.  Guelf.  bei 
Thilo  p.  VII  nennt  Achaia),  wurde  er  in  wunderbarer  Weiseso l 
auf  einem  Fahrzeuge,  das  Christus  selbst  mit  zwei  Engeln 
als  Steuermann  lenkte,  in  einem  Tage  zu  den  Menschen- 
fressern gebracht  und  ausserhalb  ihrer  Stadt  schlafend  ans 
Land  gesetzt.  Andreas  geht  in  die  Stadt  hinein,  vor  dem 
Zeichen  des  Kreuzes  offnen  sich  die  Thüren  des  Gefängnisses, 
die  sieben  Wächter  fallen  entseelt  nieder,  Matthäos  wird  von 
ihm  befreit  und  mit  ihm  die  übrigen  Gefangenen,  denen  der 
Apostel  Gesicht  und  Menschenverstand  wiedergiebt.  Den 
Matthäos  entrückt  eine  Wolke  in  Petros'  Nähe,  Andreas 
aber  beobachtet  hinter  einer  ehernen  Säule  das  Treiben  der 
Eingeborenen.  Als  die  Befreiung  der  Gefangenen  entdeckt 
ist,  beschliessen  die  Oberen  der  Stadt,  zunächst  die  Leichen 
der  Wächter  in  die  Mitte  der  Stadt  zu  bringen,  wo  Back- 
ofen und  Kelter  das  Fleisch  und  Blut  der  Geopferten  in 
Empfang  nahmen.  Als  aber  die  Henker  im  Begriff  waren, 
hier  Hand  an  die  Leichen  zu  legen,  fielen  ihnen  auf  das 
Gebet  des  Andreas  die  Messer  aus  den  Händen,  welche  er- 
starrten. Darauf  wird  das  Loos  über  sieben  Greise  geworfen, 
die  zum  allgemeinen  Besten  geschlachtet  werden  sollen;  einer 
derselben  kauft  sich  durch  das  Opfer  seiner  beiden  Kinder 
los.  Als  die  Henker  den  Letzteren  nahen,  fallen  ihnen 
wiederum  die  Messer  aus  deü  Händen.  Als  hierauf  Rath- 
losigkeit  sich  der  Menschenfresser  bemächtigt,  macht  sie  der 
Teufel  auf  den  Andreas  aufmerksam;  sie  können  ihn  nicht 
sehen,  auf  Christi  Geheiss  aber  giebt  er  sich  ihnen  zu  er- 
kennen, wird  ergriffen  und  drei  Tage  hintereinander  mit 
einem  Strick  um  den  Hals  durch  die  Strassen  geschleift, 
jeden  Abend  in  den  Kerker  zurückgeführt.  Von  Christus 
aufgerichtet  wird  er  sofort  gesund  und  beschwort  nun  eine 
auf    einem   Pfeiler    mitten    im   Kerker    stehende   Bildsäule, 


380  DIE  KOENIGSNAMEN 

Wasser  über  die  Stadt  auszuspeien.^)  Gleichzeitig  umgab 
eine  Feuerwolke  die  Stadt^  dass  Niemand  entrinnen  konnte. 
Als  Viele  ertrunken  waren  und  das  Wasser  den  Ueberleben- 
den  bis  an  den  Hals  ging,  thaten  sie  Busse  und  Andreas 
gebot  der  Bildsäule  aufzuboren,  Wasser  auszuspeien.  Sie 
befreiten  den  Andreas  und  flehten  ihn  um  Erbarmen  an; 
da  wich  das  Wasser  vor  seinen  Füssen  und  da,  wo  die 
Kelter  stand,  auf  der  die  Menschen  geopfert  worden  waren, 
that  sich  die  Erde  auf  und  verschlang  das  Wasser,  und  mit 
dem  Wasser  die  Henker  und  den  Rabenvater.  Alle  Uebrigen, 
die  umgekommen  waren,  lebten  durch  das  Gebet  des  An- 
dreas wieder  auf  und  wurden  von  ihm  getauft  und  der  Grund 
zu  einer  Kirche  gelegt.  Auf  Christi  Befehl  verweilte  er  noch 
sieben  Tage,  die  Neubekehrten  zu  unterweisen,  und  zog  dann 
seines  Weges.  Die  Vollendung  des  begonnenen  Werkes  durch 
Matthäos  bildet  den  Inhalt  des  MaQxvQiov  xov  aylov  Max- 
d'aiov  xov  dxoöxokov  (bei  Tischendorf  p.  167 flf.).  Mat- 
392thäos  erhält  von  Christus  selbst  einen  Zweig,  mit  dem  er 
sich  nach  der  Stadt  der  Menschenfresser  begiebt,  die  hier 
den  Namen  Mvgvr^  erhält  (nach  Nikeph.  Kall.  H.  E.  II,  41 
MvQinfjvi],  nach  Abdias  a.  a.  0.  Myrmidona,  nach  „Andreas 
und^lene^'  bei  J.  Grimm  S.  XIX  Mermedonia).  Hier  pflanzt 
er  den  Zweig  iu  die  Erde,  der  sofort  zu  einem  mächtigen 
Baum  voll  süsser  Früchte  heranwächst,  unter  dessen  Wurzeln 
eine  reichliche  Quelle  hervorspringt  In  deren  Wasser  müssen 
die  Einwohner  sich  baden  und  von  den  Früchten  essen,  wo- 
durch sie  ihre  Menschenfressernatur  ablegen;  zugleich  er- 
kennen sie  ihre  Nacktheit  und  eilen  heim,  ihre  Blosse  zu 
bedecken.  Hierauf  versammelt  Matthäos  alles  Volk,  das 
vorher  den  Satyr  angebetet  hatte,  in  der  Kirche  und  tauft 
die  Königin,  welche  später  Ziphagia,  hier  aber  nach  dem 
Namen  ihres  Mannes  Phulbana  genannt  wird,  und  den 
Königssohn  Phulbanos  und  dessen  Weib  Erba.  Alle  drei 
weichen  fortan  nicht  von  der  Seite  des  Apostels.     Darüber 


1)  Naob  der  elften  Sure  des  Korans  kam  die  Sintflutb  ans  einem 
Backofen  heraus. 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.        381 

erzürnt  der  Eöuig  der  MenscheDfiresser^  der  ebenfalls  Phul- 
banos  heisst^  und  schickt  zu  yerschiedenen  Malen  Eriegs- 
lente  aas,  den  Matthäos  gefangen  zu  nehmen;  immer  aber 
erbUnden  sie  and  dasselbe  Schicksal  hat  Phulbanos,  als  er 
sich  selbst  aufmacht,  um  ihn  zu  greifen.  Durch  des  Apostels 
Gebet  erhält  er  das  Augenlicht  wieder,  bemächtigt  sich  aber 
gleich  darauf  hinterUstig  seiner  Person  und  befiehlt ,  am 
Meeresufer  einen  Scheiterhaufen  um  ihn  aufzuthürmen.  Die 
Flammen  vermögen  nicht  ihm  zu  schaden,  verbrennen  da- 
gegen, als  der  Eonig  zur  Hebung  der  von  ihm  vermutheten 
Zauberei  die  zwölf  Götter  um  das  Feuer  stellen  lässt,  die 
Götter  und  verfolgen  in  Gestalt  eines  Drachen  den  Eönig, 
der  nun  den  Apostel  um  Gnade  bittet.  Dieser  gebietet  dem 
Feuer  Einhalt  und  stirbt.  Der  Eönig  lässt  des  Matthäos 
Leichnam  in  einen  eisernen  Sarg  legen  und  mit  Blei  ver- 
siegelt in  das  Meer  werfen,  in  der  Absicht,  ein  Gottesurtheil 
über  die  Wahrheit  der  von  ihm  gepredigten  Religion  ent- 
scheiden zu  lassen.  Da  der  Sarg  an  das  Land  schwimmt, 
lässt  sich  Phulbanos  von  dem  von  den  Aposteln  eingesetzten 
Bischof  Piaton  taufen  und  nimmt  den  Namen  Matthäos  an; 
auch  seine  schon  erwähnten  Angehörigen  erhalten  christ- 
liche Namen.  Der  Eönig  gebietet  darauf,  in  seinem  ganzen 
Reiche  die  Götzenbilder  zu  zertrümmern  und  übergiebt,  als 
der  Bischof  drei  Jahre  darauf  stirbt,  sein  Reich  einem  An- 
deren, um  Piatons  Nachfolger  zu  werden,  und  wird  mit  der 
Eraft  begnadigt,  zu  heilen  und  Teufel  auszutreiben. 

So  phantastisch  auch  diese  beiden  Erzählungen  sind,  das 
Local,  auf  dem  sie  spielen,  ist  doch  nicht  so  fabelhaft,  als 
es  auf  den  ersten  Anblick  scheinen  könnte.  Wollte  man 
mit  dem  angelsächsischen  Gedichte  Andreas  und  Elene  die 
Menschenfresserstadt  in  Aethiopien  wiederfinden,  so  würde 
Andreas  in  einem  Tage  von  Achaia  aus  durch  die  Strasse 
von  Gades  und  um  Afrika  herumgefahren  sein:  eine  Ver- 
stärkung des  Wunders,  die  hervorzuheben  der  wundersüchtige 
Erzähler  sich  schwerlich  versagt  haben  würde.  Es  bleibt 
also  nur  die  näherliegende  Annahme  übrig,  dass  Andreas 
zu   den  menschenfressenden  Skythen   an   die   unwirthlichen 


382  DIE  KOENIGSNAMEN 

393Gestade  des  Pontes  gekommen  ist.  Der  Ruf,  in  welchem 
die  Skythen  oder  wenigstens  ein  Zweig  derselben  im  Alter- 
thume  standen,  ist  bekannt  genug.  Auch  unter  den  an  den 
Küsten  wohnenden  Stämmen  werden  mehrere  für  Menschen- 
fresser erklärt,  so  um  von  den  Taurem  abzusehen,  nament- 
lich die  Achäer  und  Heniocher  (Aristot.  Polit  VIII,  4 
p.  1338  b  22).  Auch  die  in  den  Acten  des  Matthäos  und 
Andreas  (22  p.  153)  beiläufig  erwähnte  Absicht  der  Oberen 
der  Menschenfresser,  die  junge  Mannschaft  in  Fahrzeuge  zu 
werfen  und  in  die  umliegenden  Gegenden  auf  Menschenraub 
auszuschicken ,  passt  besonders  gut  auf  diese  pontischen 
Stämme:  die  Achäer,  Zyger  und  Heniocher  waren  nach  Stra* 
hon  XI,  2,  12  p.  495  verrufene  Seeräuber.  Die  Tradition*) 
versetzt  denn  auch  einstimmig  den  Andreas  nach  Skythien 
(Origenes  bei  Eusebios  H.  £.  III,  1)  oder,  was  auf  dasselbe 
hinausläuft,  nach  dem  Pontos  (Philastrius  c.  88;  die  griechi- 
schen Menäen  zum  30.  November).  Entscheidend  hierfür  ist 
die  von  den  erhaltenen  griechischen  Acten  sehr  abweichende 
Erzählung  des  Abdias  (III,  4: — 10),  bei  dem  Andreas  von 
Myrmidona  aus  über  Amaseia,  Sinope,  Nikäa,  Nikomedien, 
Byzanz  und  Perinth  nach  Makedonien  wandert.  Sophronios 
im  Anhange  zu  Hieronymus,  De  viris  illustr.  (2  p.  262  D), 
aus  dem  Oekumenios  geschöpft  hat,  und  Pseudo  -  Dorotheos 
(im  Anhang  zum  Chron.  Pasch.  II  p.  136  ed.  Bonn.)  heben 
als  die  Stadt,  von  der  aus  Andreas  den  Skythen  das  Evan- 
gelium predigte,  Sebastopolis  in  Kolchis  hervor.  Andere 
Nachrichten  nennen  sehr  bestimmt  Sinope  als  den  Ort  seiner 
Marter  (die  Menäen;  Pseudo  -  Dorotheos  II,  132,  aus  dem 
Nikephoros  Eallistos  YIII,  6  geschöpft  hat;  Epiphanios' 
Leben  des  Andreas  p.  47  ff.  ed.  Dressel;  die  Ueberschrift  der 
Acten  des  Matthäos  und  Andreas  im  Cod.  Reg.  881).  Die 
Behauptung  der  Byzantiner,  Andreas  habe  das  Bisthum 
Byzanz  gegründet,  ist  eine  notorische  Fälschung,  sie  setzt 
aber  das  pontische  Apostolat  desselben  als  etwas  allgemein 
Angenommenes  voraus.     Ueber  Matthäos  sind,  wie  wir  ge- 


1)  Zusammengestellt  bei  Tillemont,  Mäm.  eccl^s.  I  S.  336  f. 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.        383 

sehen  haben^  zwei  verschiedene  Traditionen  im  Umlauf,  von 
denen  die  ältere  seine  Missionsthätigkeit  nach  Persien,  die 
jüngere  nach  Aethiopien  verlegt.  Einige  Griechen  (Paeudo- 
Dorotheos  II,  136;  die  Menäen^)  zum  9.  August)  haben  sich 
die  Mühe  genommen,  diese  zweite  Tradition  mit  der  Andreas- 
sage dadurch  auszugleichen,  dass  sie  den  Schauplatz  der 
Wirksamkeit  beider  Apostel  nach  Kolchis  versetzen  und 
dieses  unter  Benutzung  einer  Herodotischen  Reminiscenz 
für  das  innere  Aethiopien  erklären.  Dieser  harmonistische 
Versuch  beweist  wenigstens  soviel,  dass  über  Andreas  Ein- 
helligkeit herrschte.  Da  in  den  Acten  der  Name  der  Men- 
schenfresserstadt genannt  ist  und  die  ehemals  wasserspeiende394 
Bildsäule,  der  Andreas  Aufstellung  in  der  von  ihm  zu  er- 
bauenden Kirche  verheisst  (Acta  Matth.  et  Andr.  30  p.  163), 
ganz  wie  ein  zur  Zeit  des  Erzählers  noch  existireudes  Wahr- 
zeichen aussieht,  so  ist  in  MvQvrj^  MvQ^k'qvri^  Myrmidona  oder 
Mermedonia  eine  wirklich  existirende  Stadt  zu  vermuthen. 
Abdias  hat,  wie  anderwärts,  die  Namensform  am  treuesten 
bewahrt:  aus  Myrmidona  lässt  sich  mit  völliger  Sicherheit 
Myrmiciona  herstellen,  vulgäre  Form  für  griechisches  Mvq- 
lifixiciv.  MvQiLTiKiov  ist  eine  Stadt  auf  der  taurischen  Gher- 
sonnesos;  die  verschiedenen  Namensformen,  untet  denen  sie 
vorkommt,  findet  man  bei  Müller  zu  den  Geogr.  Gr.  min.  I 
p.  57  zusammengestellt:  MvQfirjxiciv  ist  durch  Arrian  bei 
Leo  Diacon.  IX,  6  bezeugt.  In  diese  Gegend  weist  auch  die 
Verehrung  des  Satyr,  unter  welchem  Priapos  gemeint  sein 
wird,  dessen  Gultus  in  den  pontischen  Niederlassungen  der 
lonier  verbreitet  war.  Von  den  Eigennamen  ist  wenigstens 
der  der  Königin  als  mäotisch  nachweisbar:  Zitpayia  (so  hat 
die  Pariser  Handschrift  des  Martyrium  Matthaei  28  p.  187) 
ist  die  weibliche  Form  des  Namens  Zaßdyiog,  der  auf  einer 
Inschrift  von  Gorgippeia  aus  der  Zeit  des  Sauromates  IL 
vorkommt  (C.  L  Gr.  No.  2130,  lin.  27).    Wenn  Nikephoros 

1)  Die  Menäen  nennen  fälschlich  den  Matthias  statt  desMatthäos; 
dieselbe  Yerwechselnng  findet  sich  in  der  von  Tischendorf  zu  Grunde 
gelegten  Handschrift  der  Acten.  lieber  Matthias  ist  augenscheinlich 
Nichts  bekannt  gewesen. 


384  DIE  KOENIGSNAMEN 

Eallistos  Recht  hätte,  i^rern  Gemahle  und  ihrem  Sohne  den 
römischen  Namen  OovXßtavos  zu  geben ^  so  wäre  dies  ein 
weiterer  Beweis,  dass  reale  Zustände  den  Hintergrund  der 
fabelhaften  Handlung  bilden.  Die  Eonige  der  pontischen 
Barbaren  fuhren  in  der  Kaiserzeit  als  Nebennamen,  oft  aber 
auch  als  Hauptnamen  römische,  die  meistens,  jedoch  nicht 
immer  dem  des  regierenden  Kaisers  entnommen  sind:  ein 
von  Trajanus  eingesetzter  König  der  Apsilen  hiess  ^lovliccvos 
(Arrian.  Peripl.  Ponti  Eux.  15),  wohl  einem  benachbarten 
römischen  Statthalter  zu  Ehren.  Möglich  aber,  dass  OovX- 
ßiavog  richtig  und  ein  sonst  nicht  zu  belegender  mäotischer 
Name  ist. 

Auf  diesen  eigenthümlichen  Widerspruch  zwischen  den 
Namen  und  dem  Inhalte  der  Andreasfabel  fallt,  glaube  ich, 
ein  Licht  durch  Vergleichung  derjenigen  Fassung  der  Sage, 
die  uns  Epiphanios  (aus  dem  zehnten  Jahrhundert)  erhalten 
hat.  Er  nennt  Sinope  als  Schauplatz  und  beruft  sich  aus- 
drücklich auf  die  dortige  Localtradition;  wie  unsere  Acten 
erzählt  er  die  Einkerkerung  des  Matthäos,  seine  und  seiner 
Mitgefangenen  wunderbare  Befreiung  durch  Andreas,  die 
Taufe  der  Letzteren,  endlich  die  Schleifung  des  Andreas:  zu 
Thätern  aber  macht  er  die  in  Sinope  sehr  zahlreichen  Juden, 
die  wegen  ihrer  Barbarei  und  Wildheit  Menschenfresser  ge- 
nannt worden  seien.  Dass  Epiphanios  die  Acten  des  Mat- 
thäos und  Andreas  benutzt,  nur  sorglich  alle  fabelhaften 
und  phantastischen  Details  weggeschnitten  hat,  liegt  auf 
der  Hand,  dass  er  sie  allein  benutzt  haben  soll,  glaube 
ich  nicht,  weil  sie  nicht  Juden,  sondern  Heiden  und  bestimmt 
eine  andere  Stadt  als  Sinope  nennen,  und  weil  gerade  Sinope 
in  einer  Reihe  änderer  Zeugnisse  vorkommt,  die  in  der  Local- 
396tradition  eine  Stütze  finden.  Ich  halte  yielmehr  dafür,  dass 
es  ausser  den  erhaltenen  noch  andere  Acten  des  Andreas 
gab,  die  Sinope  zum  Schauplatz  und  die  dortigen  Juden  zu 
Gegnern  des  Andreas  machten  und  die  eine  nüchternere,  dem 
Charakter  der  übrigen  apokryphen  Apostelgeschichten  näher 
kommende  Färbung  trugen;  Epiphanios  hat  in  seiner  Dar- 
stellung beide  mit  einander  zu  vereinigen  gesucht,  aber,  wie 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.         385 

man  aus  seiner  Erklärung  des  Namens  Anthropophagen  sieht, 
nicht  eben  glücklich.  Unsere  Acten,  in  denen  die  Handlung 
einen  unverhältnissmässigen  Raum  einnimmt,  augenscheinlich 
nicht  blosser  Rahmen  für  dogmatische  oder  erbauliche  Aus- 
einandersetzungen, sondern  Selbstzweck  ist,  sind  als  märchen- 
hafte Ausschmückung  eines  ihnen  mit  den  anderen  Acten 
gemeinsamen  historischen  oder  vielmehr  quasihistorischen 
Kernes  zu  betrachten,  zu  welcher  zweierlei  Elemente  benutzt 
worden  sind:  1)  Sagen,  die  sich  von  den  ersten  griechischen 
Colonisten  jener  Gegenden  herschrieben  und  ihr  Ringen  mit 
den  barbarischen  Eingeborenen  zum  Inhalt  hatten.  Sagen, 
die  freilich  nicht  mehr  auf  das  erste  Jahrhundert  n.  Ch. 
passten,  in  welchem  die  Bewohner  von  Sinope,  Sebastopolis 
(d.  i.  Diosknrias),  Myrmekion  längst  in  ehrsame  Spiessbürger 
verwandelt  waren,  sich  aber  im  Munde  derselben  erhalten 
hatten  und  durch  sie  den  dortigen  Judengemeinden ^)  bekannt 
geworden  waren;  2)  SchifiFermärchen:  auf  die,  allerdings  ab- 
geblassten,  Reminiscenzen  aus  der  Odyssee  brauche  ich  nicht 
erst  aufmerksam  zu  machen,  wohl  aber  darauf,  dass  der  Zug, 
dass  die  Menschenfresser  ihren  Opfern  erst  durch  Vorsetzung 
von  Zauberkräutern  den  Verstand  rauben  und  sie  dann  wie 
Thiere  mästen,  um  sie,  wenn  sie  fett  geworden  sind,  zu 
fressen,  —  genau  ebenso  in  der  vierten  Reise  Sindbads  des 
Seefahrers  (1001  Nacht  übersetzt  von  Habicht  II  S.  193) 
wiederkehrt. 


Die  Aufgabe,  welche  wir  uns  gestellt  hatten,  die  Prüfung 
der  in  den  apokryphen  Apostelgeschichten  vorkommenden 
Eönigsnamen,  ist  erledigt.  Ich  erlaube  mir  zum  Schluss, 
hieran  Bemerkungen  über  einige  Punkte  zu  knüpfen,  die  mir 
beim  Lesen  jener  Schriften  aufgefallen  sind,  Bemerkungen, 
die  nicht  auf  Vollständigkeit  Anspruch  machen,  sondern  nur 

1)  Dass  diese  im  bosporanischen  Reiche  zahlreich  waren,  hatten 
wir  schon  Gelegenheit  zu  erwähnen.  Auch  Sinope  wird  als  Judensitz 
hervorgehoben;  von  dort  stammte  der  bekannte  Bibelubersetzer  Akylas 
(vgl.  Anger,  De  Onkelo  I,  9). 

V.  GüTSCUMiD,  Kleine  Schriften.    IF.  25 


386  DIE  EOENIGSNAMEN 

anderen  Alierthumsforscliem  als  Fingerzeige  dienen  sollen, 
in  welchen  Richtungen  dort  vielleicht  noch  etwas  för  sie  zu 
finden  ist,  in  welchen  nicht. 

Da  die  grossere  Hälfte  der  apokryphen  Apostelgeschichten 
396ini  romischen  Reiche  spielt^  so  sollte  man  meinen,  dass  viele 
Statthalternamen  genannt  werden  würden.  Diese  Er- 
wartung wird  jedoch  gänzlich  getäuscht;  es  kommen  deren 
in  den  griechischen  Texten  überhaupt  nur  drei  vor,  von 
denen  einer  auf  einer  falschen  Lesart  beruht,  ein  anderer 
sehr  verdächtig  ist.  Nach  den  Acta  Bamabae  auctore  Marco 
23  p.  72  wollten  die  kyprischen  Juden  (nach  56  n.  Gh.)  den 
Barnabas  überantworten  ^ITjcatiG}  tä  ijysiiovt  tijg  Ualafiivrig. 
Dieser  angebliche  Hypatios  (selbstverständlich  hat  so  kein 
Romer  des  ersten  Jahrhunderts  heissen  können)  ist,  wie  man 
aus  seiner  Verbindung  mit  dem  falschen  Propheten  Bariesus 
sieht,  identisch  mit  dem  bei  Lukas  Apostelgeschichte  13,  6ff. 
genannten  Proconsul  Sergius  Paulus.  Also  ist  die  von 
Tischendorf  mit  unrecht  verlassene  Lesart  des  besseren 
Cod.  Paris,  vxaxca  in  ihr  Recht  einzusetzen:  vnatog  steht 
ja  nicht  selten  för  consularis;  der  Artikel  freilich  wird  sich 
nicht  wohl  entbehren  lassen.  —  Die  Acta  Andreae  2  p.  106 
nennen  den  Proconsul  von  Achaia,  auf  dessen  Befehl  Andreas 
in  Paträ  gekreuzigt  worden  sein  soll  (um  66  n.  Gh.),  AlyBoxfig^ 
beim  Abdias  (III,  35  ff.)  heisst  er  bald  Aegeates,  bald  Aegeas 
(Gen.  Aegeatis).  Dieser  Name  ist  wegen  der  Nähe  von  Aegä 
und  Paträ  dringend  verdächtig;  auch  wüsste  ich  nicht,  aus 
welchem  römischen  er  entstellt  sein  könnte.  Diese  Acten 
des  Andreas  gelten  för  verhältnissmässig  alt  (vgl.  Tischen- 
dorf Prolegg.  p.  XLII),  und  es  muss  allerdings  anerkannt 
werden,  dass  ihr  Verfasser  ungleich  mehr  Takt  verräth  als 
die  Erzähler  ähnlicher  Martyrien,  dass  er  namentlich  den 
Proconsul  nicht  nach  der  vulgären  Wütherichsschablone  malt, 
sondern  ihn  so  reden  lässt,  wie  ein  römischer  Untersuchungs- 
richter wirklich  geredet  haben  kann.  Allein  wir  glauben 
gezeigt  zu  haben,  dass  das  Alter  dieser  apokryphen  Apostel- 
geschichten für  ihre  Stellung  zur  Geschichte  keinen  sicheren 
Gradmesser  abgiebt,  und  wir  fanden  andere  auf  die  Schicksale 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.         387 

des  Andreas  bezügliche  Acten  in  einer  Weise  fabelhaft^  wie 
keine  der  übrigen  Schriften  dieser  Gattung.  In  .den  von 
den  griechischen  wesentlich  abweichenden  Acten  des  An- 
dreaSy  welche  dem  dritten  Buche  des  Abdias  einverleibt  sind^ 
geschieht  auch  des  Amts  Vorgängers  des  Aegeates  Namens 
Lisbius  (oder  Ljsbius,  bei  Fabricius  Lesbius)  Erwähnung, 
den  Andreas  bekehrt  haben  soll  (III,  25 ff.),  sowie  auch  des 
gleichzeitigen  Proconsuls  von  Makedonien  Quirinus  (III,  19  ff.). 
Platz  genug  ist  da  für  alle  drei,  da  wir  vom  Jahre  44  an, 
in  welchem  Claudius  Achaia  wieder  von  Makedonien  trennte 
und  beide  Provinzen  dem  Senate  zurückgab,  bis  herab  auf 
das  Jahr  70  n.  Ch.  von  allen  Statthaltern  Achaias  nur  zwei, 
von  den  makedonischen  aber  gar  keinen  kennen  (vgl.  A.  W. 
Zumpt,  Gommentationes  epigraphicae  II  S.  259  ff.).  Indess 
lässt  weder  die  Beschaffenheit  der  Namen  noch  der  sonstige 
Werth  der  Quelle,  die  sie  uns  bietet,  eine  Ergänzung  der 
Lücken  auf  diesem  Wege  als  rathsam  erscheinen.  —  Es 
bleibt  nur  der  rjys^v  KaOtdXcog  (so  Pariss.  A.  C;  Ka6ti^ltog 
Paris.  B;  KatekXtog^  dann  Kaötilltog  Barocc.)  übrig,  vor397 
dem  nach  den  Acta  Pauli  et  Theclae  14.  15  p.  46  Paulos 
um  das  Jahr  45  n.  Ch.  in  Ikonion  verhört  wurde.  Es  muss 
dies  der  damalige  legatus  Augusti  pr.  pr.  Galatiae  gewesen 
sein^);  sein  wahrer  Name  war  vermuthlich  Cäsellius.*)  An 
seiner  wirklichen  Existenz  zu  zweifeln  ist,  da  die  Zuverlässig- 
keit der  Acten  sich  sonst  bewährt,  kein  Grund  vorhanden. 
Am  unverfänglichsten  ist  die  Benutzung  der  in  den  apo- 
kryphen Apostelgeschichten  zerstreuten  geographischen 
Notizen,  weil  diese  von  dem  Urtheile  über  die  Glaub- 
würdigkeit  des   Inhaltes    nicht    berührt   werden.     Reich    an 


1)  Von  Bämmtlichen  liegaten  Galatiens  dieser  Periode  finde  ich 
bei  Pighiaa,  Ann.  Rom.  III  p.  606  uur  den  Calparnins  Asprenas  (seit 
68)  aufgeführt. 

2)  Einen  Caeflellius  Bassus  erwähnt  Tac.  Ann.  XVI,  1  im  Jahre 
65  n.  Ch.  An  sich  wäre  der  Name  Castilius  ebenso  richtig  von  CMtulus 
gebildet,  wie  Aemilius,  Romilius,  Caecilius,  Rntiliua  von  aemulus^  Ho- 
molus,  caecuJus,  Rutulus;  ich  bin  aber  nicht  im  Stande,  ihn  als  wirk- 
lichen Gentilnamen  nachzuweisen. 

25* 


388  DIE  EOENIGSNAMEN 

solchen  sind  namentlich  die  Acten  des  Petros  und  Paulos 
in  Bezug  auf  Latium,  die  des  Barnabas  fQr  Gypern.  Die 
Letzteren  dürften  in  kundiger  Hand  für  die  wenig  bekannte 
Geographie  des  Inneren  der  Insel  wohl  noch  einige  Ausbeute 
gewähren.  Ich  beschränke  mich  hier  auf  Hervorhebung  einer 
ethnographischen  Notiz  in  den  Acta  Barnabae  24  p.  73.  Es 
wird  dort  erzählt,  die  Begleiter  des  Barnabas  hätten  sich  mit 
seiner  Asche  in  einer  Hohle  zwischen  EakayLlvq  und  xa 
AiÖQa  verborgen,  wo  ehemals  das  Volk  der  Jebusäer  ge- 
wohnt habe.  Da  Ledra  oder  Ledron  ein  Ort  in  der  Nähe 
von  Leukosia  war  (vgl.  Engel,  Eypros  I  S.  152),  so  ergiebt 
sich  fdr  die  Hohle  und  den  alten  Sitz  der  Jebusäer  die 
Gegend  um  Tremithus.  Unmittelbar  vorher  (23  p.  72)  war 
berichtet  worden,  die  Juden  seien  im  Begriff  gewesen,  den 
Barnabas  an  den  romischen  Statthalter  auszuliefern,  avösßovs 
dh  ^leßovöaiov  övyysvovg  NiQfovog  xatavri^öavtog  iv  KvnQo 
seien  sie  sofort  zur  Lynchjustiz  geschritten.  Hier  ist  natür- 
lich Evösßovg  herzustellen,  ein  Eigenname,  der  durch  eine 
Inschrift  von  Aphrodisias  im  C.  I.  Gr.  No.  2772  und  eine 
lateinische  bei  Muratori  518,  6  [=  C.  L  L.  V  No.  1012] 
gesichert  ist;  avyysvi^g  wird  am  passendsten  in  orientalisch- 
hellenistischer Weise  als  Titel  gefasst,  den  die  intimsten 
Freunde  des  Herrschers  erhalten.  Eusebes  kann  nur  ein 
Freigelassener  Neros  gewesen  sein.  Aus  dieser  anderen 
Stelle  geht  also  hervor,  dass  man  zur  Zeit  entweder  des 
Barnabas  oder  des  Erzählers  noch  sei  es  einen  bestimmten 
kyprischen  Stamm,  sei  es  die  Bewohner  einer  bestimmten 
kyprischen  Stadt  (etwa  Tremithus)  als  Nachkommen  der 
Jebusäer  von  anderen  Bewohnern  der  Insel  unterschied. 
Trotz  des  biblischen  Namens  halte  ich  diese  Angaben  für 
echt  und  glaubwürdig:  1)  sie  sind  ganz  beiläufig  ein- 
398geschaltet  und  es  ist  in  keiner  Weise  abzusehen,  aus  was 
für  einer  Absicht  sie  erdichtet  worden  sein  sollten;  2)  eine 
derartige  Stammtradition  konnte  sich  sehr  wohl  unter  der 
älteren  semitischen  Bevölkerung  der  Insel  erhalten  und  auf 
diesem  Wege  den  ihnen  nahe  verwandten  Juden,  die  sich 
in  Menge  auf  Gypern  niedergelassen  hatten,  bekannt  werden; 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.         389 

3)  eine  Auswanderang  von  den  IsraeliUn  vertriebener  Ka- 
naanäer  (yon  denen  die  Jebusäer  bloss  ein  Zweig  sind)  nach 
dem  phonicischen  Coloniallande  Cypem  wird  zwar  nirgends 
ausdrücklich  berichtet  ^)^  hat  aber,  da  Eanaanaer  und  Phö- 
nicier  ein  Volk  sind  und  diese  ohne  starken  Nachschub  aus 
dem  Inneren  Kanaans  ihre  grossartigen  Colonisationen  gar 
nicht  hätten  ausfahren  konneU;  so  grosse  innere  Wahrschein- 
lichkeity  dass  jeder  darauf  hinzielenden  Notiz  ein  günstiges 
Yorurtheil  entgegenkommt*) 

Endlich  fehlt  es  in  den  apokryphen  Apostelgeschichten 
nicht  an  mancherlei  Notizen  antiquarischen,  namentlich 
mythologischen,  Inhaltes,  die  wenn  auch  nicht  ohne  Wei- 
teres Glauben,  doch  Prüfung  verdienen  dürften.  Ich  wähle 
ein  Beispiel  aus  den  TlsgCodoi  OiXlmcov  xov  &no6t6Xov  aus, 
weil  gerade  dieses  von  Thilo  (Acta  S.  Thomae  apostoli 
p.  LXI)  als  Beweis  für  die  Dreistigkeit  und  Geschmack- 
losigkeit des  betrügerischen  Verfassers  geltend  gemacht 
worden  ist.  Es  betrifft  den  Schlangencultus  zu  Hierapolis 
in  Asia'),  welches  nach  7  p.  77  von  demselben  den  Namen 
'Otpio^vyLT^  erhalten  haben  soll.  Die  Einwohner  hätten,  heisst 
es  da,  von  alten  Zeiten  her  die  Schlangen  (^^sig)  und  die 
grosse  Schlange  (ßxidva)  verehrt  und  die  Bilder  derselben 
angebetet.  Die  Schlangen  werden  von  den  Priestern  der 
Echidna  17  p.  81  „die  Söhne  unserer  Göttin^^  genannt. 
Der  Echidna  werden  Weinspenden  dargebracht,  sie  zu 
laben  und  einzuschläfern  (17  p.  82.  25  p.  85).  Das  sMaXov 
der  Echidna  hat  einen  Tempel,  in  welchem  ihre  Priester 
wohnen  (16  p.  81).  Hier  wird  Philippos  auf  Befehl  des  Pro- 
consuls  eingesperrt;  in  Folge  seiner  Anwesenheit  welken  die 

*)  [Vgl.  oben  S.  66  f.    F.  K] 

1)  Das  angebliche  Zeugniss  des  Eusebios,  den  Engel  (Eypros  I 
S.  166)  berichten  läset,  Paphos  sei  von  den  unter  Athniel  veitriebenen 
Israeliten  (sie)  gegründet  worden,  beweist  Nichts  als  die  gewohnte 
Nachlässigkeit  des  Compilators:  er 'meint  Easeb.  Chron.  Lat.  No.  689. 

2)  Es  ist  ein  blosses  Versehen,  wenn  Thilo  an  das  syrische  Hiera- 
polis denkt  und  die  Echidna  mit  der  Derketo  vergleicht:  nicht  bloss 
die  spätere  Tradition,  sondern  auch  eine  Stelle  der  Acten  selbst  (42  p.  94) 
läset  keinen  Zweifel,  dass  die  phrygische  Stadt  dieses  Namens  gemeint  ist. 


390  DIE  KOENIGSNAMEN 

Schlangen  und  sterben  (17  p.  81.    30  p.  88).    Als  Philippos 
gekreuzigt  wird,  verflucht  er  die  Heiden,  der  Abgrund  oflnet 
sich  und  der  Proconsul,  der  Tempel,  die  Echidna;  das  Heiden- 
volk und  die  Priester  der  Echidna  werden  von  der  Erde  ver- 
schlungen (37  p.  86);  durch  Christi  Dazwischenkunft  kommen 
aber  Alle  wieder  an  das  Tageslicht,  nur  der  Proconsul  und 
die  Echidna   bleiben   unten   (32   p.  89).     Hierapolis   lag  in 
399einer    ganz    vulcanischen   Gegend:    überall    brachen    heisse 
Quellen  hervor,  ein  Schlund,  das  Tlkovtdviov^  hauchte  tödt- 
liehe  Dämpfe  aus,  in  deren  Bereich  nur  die  Galler,  die  ver- 
schnittenen Priester  der  Eybele,  sich  ungestraft  wagen  durften 
(Strabon  XIII,  4, 14  p.  629 f.).     Im  Jahre  64  oder  65  n.  Ch. 
ward  Hierapolis  durch   ein  Erdbeben  verschüttet  (Eusebios 
Chron.  No.  2079  Arm.,  No.  2080  Hier.),  auf  welches  auch 
in    den    Sibyllinen   Y,  317    angespielt    wird.      Es    unterliegt 
keinem   Zweifel,   dass  das  Versinken   von   Hierapolis  durch 
den  Fluch  des  Philippos  sich  auf  ein  Erdbeben  bezieht,  und 
zwar  wahrscheinlich  auf  dasselbe,  welches  Eusebios  erwähnt; 
denn  wenn  auch  unsere  Acten  1  p.  75  sein  (durch  ein  glaub- 
haftes Zeugniss  widerlegtes)  Martyrium  in  das  Jahr  105  n.  Ch. 
hinausschieben,  so  setzen  es  Andere  unter  Domitianus  oder 
Claudius  (vgl.  Tillemont,  Mem.  eccies.  I  S.  645),  und  die  Sage 
bindet  sich  ja  überhaupt  nicht  an  die  Zeitrechnung.    Wegen 
des  vulcanischen  Charakters  der  Gegend  und   der   häufigen 
Erdbeben  hat  man,  wahrscheinlich   mit  Recht,  die  Arimer 
und   das  Lager  des  gefesselten  Typhon  in  den  Theil  Phry- 
giens   verlegt,  welcher  Kataxexavii^vij  heisst  (Strabon  XII, 
8,  19  p.  579).     Typhon,   der   Erdbebenriese,    erzeugt   nach 
Hesiodos   mit  Echidna  den  Orthros,  den  Kerberos  und  die 
Hydra.     Echidna  selbst  ist  die  Tochter   des  Chrysaor  und 
der  Kalliroe:   der  Name   der  Mutter   bezieht  sich   wohl  auf 
die   heissen   Quellen,    die    aus   vulcanischem   Boden   hervor- 
sprudelten, der  Vater  aber  ist  trotz  des  griechisch  gemodelten 
Namens  gewiss  identisch  mit  dem  karischen  Nationalgotte, 
dem  Zsvg  XQVöaoQiog  oder  XQvöaoQ€vg  (C.  T.  Gr.  No.  2720. 
2721.    Strabon  XIV,  2,  25  p.  660).    Auch  Echidna  wird  nach 
Hesiod  Theog.  304,  wie  Typhon,  von  den  Göttern  unter  der 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.         391 

Erde  in  einer  Felshohle  im  Lande  der  Arimer  gefangen 
gehalten.  Aus  diesen  Genealogien  geht  erstens  hervor^  dass 
man  von  Alters  her  jene  mythischen  Ungethüme  in  die 
Yulcanlandschaft  an  den  Grenzen  Phrygiens  und  Eariens 
verlegte,  zweitens  die  innige  Verbindung,  die  im  Volks- 
glauben zwischen  Erdbeben  oder  ähnlichen  vulcanischen 
Eruptionen  und  Schlangen  (Echidna,  Eerberos,  Hydra)  statt- 
fand. Man  sieht  daraus,  wie  sehr  dem  Verfasser  der  Acten 
des  Philippos  Unrecht  geschieht,  wenn  man  ihn  beschuldigt, 
diesen  echten  mythischen  Zug  erdichtet  zu  haben.  Es  würde 
also  nicht  im  Mindesten  auffallen,  zu  hören,  dass  die  Be- 
wohner jener  Gegend  den  Schlangen  als  Repräsentanten  der 
unterirdischen  Naturmächte  Verehrung  erwiesen  hätten:  pri- 
mus  in  orbe  deos  fecit  timor.  Wirklich  haben  sich  auf  den 
Münzen  von  Hierapolis  Spuren  eines  Schlangencultus  erhalten. 
Schon  die  unverhältnissmässige  Bevorzugung  aller  möglichen 
Stoffe  der  griechischen  Mythologie,  bei  denen  sich  Schlangen 
anbringen  lassen,  wird  man,  wenn  man  die  Typen  der  Münzen 
von  Hierapolis  bei  Mionnet  IV  S.  296  ff.  Suppl.  VII  S.  566  ff. 
mit  denen  anderer  phrygischer  Städte  vergleicht,  nicht  für 
zufällig  halten  können.  Beim  Raube  der  Persephone  durch 
Pluton  mag  die  Schlange  bloss  das  Local  andeuten;  wir 
finden  aber  ausserdem  den  Serapis  (d.  i.  den  Unterweltsgott400 
der  synkretistischen  Religion  der  Eaiserzeit),  die  Hand  auf 
den  Kopf  des  Eerberos  legend,  Demeter  auf  einem  von  zwei 
geflügelten  Schlangen  gezogenen  Wagen,  neben  Apollon  mit 
der  Leier  die  Schlange  Python,  sich  um  einen  Blumenstrauch 
ringelnd,  einen  Asklepioskopf  mit  der  Schlange,  die  sich  um 
einen  Stab  windet  (ohne  Zweifel  Anspielung  auf  die  Heil- 
kraft der  heissen  Quellen),  ferner  sehr  häufig  Hygieia,  einer 
Schlange  aus  einer  Schale  zu  essen  gebend,  und  hinter  ihr 
Telesphoros.  Noch  wichtiger  ist  ein  ganz  ähnlicher,  eben- 
falls mehrfach  vorkommender  Typus,  der  uns  auch  den 
Telesphoros,  statt  der  Hygieia  aber  die  Kybele  zeigt,  sitzend, 
mit  dem  Modius  auf  dem  Kopfe,  die  Linke  auf  dem  Tym- 
panon  ruhend,  mit  der  Rechten  einer  vor  ihr  sich  aufrichten- 
den   Schlange    eine    Schale    reichend   (Mionnet   IV    S.  298. 


392  DIE  KOENIGSNAMEN 

No.  588;  S.  299.  No.  597).  Wir  haben  offenbar  dort  die 
hellenisirie,  hier  die  echte  einheimische  Darstellung:  in  der 
Darreichung  der  Schale  an  die  Schlange  erkennt  man  die 
in  der  christlichen  Legende  erwähnte  Weinspende  wieder. 
Endlich  kommt  auch  noch  Doppelbeil  und  Schlange  auf  einer 
Münze  aus  Neros  Zeit  vor  (Mionnet  IV  S.  302.  No.  616). 
Das  Doppelbeil  erscheint  sonst  auf  Münzen  von  Hierapolis 
in  der  linken  Hand  eines  in  einen  kurzen  Rock  gekleideten 
MauneS;  der  in  der  Rechten  eine  Schale  hält^  wahrscheinlich 
des  Atjs^  und  als  Attribut  einer  Amazone^  in  der  man  die 
mythische  Gründerin  von  Hierapolis  zu  erkennen  haben  wird. 
Hat  jenes  Emblem  die  erstere  Beziehung,  so  ist  es  ein  neuer 
Beweis  für  die  wichtige  Rolle,  welche  die  Schlange  im  Cultus 
der  phrygischen  Götter  zu  Hierapolis  spielte;  im  anderen 
Falle  würde  sie  sogar  gewissermassen  als  das  Wappen  der 
Stadt  erscheinen.  Die  Münzen  bestätigen  also  die  Erzählung 
der  Acten  des  Philippos  wenigstens  insoweit,  als  sich  aus 
ihnen  folgern  lässt,  dass  in  Hierapolis  die  Schlange  wo  nicht 
als  solche  verehrt ,  doch  als  heiliges  Thier  der  Eybele  in 
deren  Tempel  gehegt,  von  den  Gallern  gewartet  und  von 
den  Frommen  mit  Libationen  bedacht  wurde.  Ich  bekenne 
auch  offen,  keinen  rechten  Grund  zu  sehen,  warum  der  zweite 
Name  von  Hierapolis  'OtpLOQv^r]  (von  den  schnellen  Win- 
dungen der  Schlange  hergenommen,  also  etwa  „Schlangen- 
wirbeln'' zu  übersetzen)  eine  Erdichtung  des  Legenden- 
erzäblers  sein  soll,  und  halte  es  für  viel  wahrscheinlicher, 
dass  die  Sage  von  der  Höllenfahrt  der  Echidna  aus  dem 
Namen  der  Stadt  entstanden  ist,  als  umgekehrt.  Da  es 
viele  Städte  Namens  Hierapolis  gab,  so  ist  nichts  natür- 
licher, als  dass  für  die  phrygische  im  Volksmunde  ein  von 
einem  Wahrzeichen  derselben  entlehnter  unterscheidender 
Beiname  aufkam;  in  ähnlicher  Weise  ist  das  benachbarte 
Apameia  von  der  dort  localisirten  Sage  vom  Landen  der 
Arche  Apameia  Kibotos  genannt  worden.  Ein  höchst  inter- 
essanter Umstand  ist,  dass  wir  jene  Schlaugengöttin  bei  den 
Armeniern  wiederfinden,  mit  denen  nach  Zeugnissen  des 
Alterthumes  die  Phryger   unter  allen  Völkern   am  nächsten 


IN  DEN  APOKRYPHEN  APOSTELGESCHICHTEN.         393 

Terwandt  waren.  Dem  griechischen  Typhon  entspricht  in 
der  iranischen  Mythologie  ziemlich  genau  der  Schlangenriese 
Aj'dahak;  der  schliesslich  von  Hrodan  in  einer  Hohle  des40i 
DembawSnd  mit  ehernen  Ketten  gefesselt  wird.  Seine  Sage 
hat  Moses  von  Chorene  im  Anhange  zum  ersten  Buche 
(p.  77 fp.)  gerade  so  wie  Firdüsi  erzählt,  im  Laufe  seiner 
Geschichtserzählung  aber  euhemerisirt  er  sie  völlig,  identi- 
ficirt  den  Aj'dahak  (Dahäk)  mit  dem  letzten  Mederkönige 
Astyages  und  substituirt  dem  Hrodan  (Feridün)  einen  ar- 
menischen König  Tigran.  Zum  Glück  ist  er  so  ehrlich,  sein 
Verfahren  offen  einzugestehen  und  die  Volkslieder  der  Land- 
schaft Golthan  als  seine  Quelle  zu  nennen.  Er  ej'zählt 
I,  29,  3  ff.  p.  72,  Tigran  habe  nach  dem  Siege  über  Aj'dahak 
dessen  Weibe  Anojsh  und  ihren  Söhnen  Sitze  an  einem  in 
Folge  eines  furchtbaren  Erdbebens  eingestürzten  Berge 
angewiesen.  Ihre  Söhne  heissen  das  Drachen  geschlecht, 
sie  selbst  die  Mutter  der  Drachen  (I,  30,  3  p.  74):  hier 
haben  wir  die  Schlangen,  die  „Söhne  unserer  Göttin  Echidna'^, 
wieder,  von  denen  die  Acten  des  Philippos  reden.  Ganz  bei- 
läufig erfahren  wir,  dass  die  Volkssage  die  Drachenbrut  nicht 
am  Fiisse  des  Berges,  sondern  in  dem  Berge  wohnen  Hess, 
und  dass  dieser  Berg  der  Masis  ist,  derselbe,  auf  dem  die 
armenische  Tradition  die  Arche  landen  lässt  (I,  29,  7  p.  73). 
An  dieses  mythische  Drachengeschlecht  knüpfte  sich  eine 
von  Moses  leider  bis  zur  Unkenntlichkeit  historisirte  Helden- 
sage: man  sieht  nur  so  viel,  dass  das  Weib  eines  armenischen 
Königs  nach  dem  Besitze  entweder  einer  Tarnkappe  oder 
zauberkräftiger  Kräuter  lüstern  wird,  die  dem  Drachenfürsten 
gehören,  und  ihren  Mann  und  ihre  Söhne  gegen  diesen  auf- 
stachelt, dass  darauf  die  Drachenbrut  fast  gänzlich  ausgerottet 
wird,  sich  aber  dadurch  rächt,  dass  sie  für  den  Thronfolger 
einen  Wechselbalg  unterschiebt,  der  seine  Brüder  und  sich 
selbst  ins  Verderben  stürzt.  Für  uns  ist  wichtig,  dass  bei 
dieser  Gelegenheit  ein  Tempel  der  Drachen  erwähnt  wird 
(I,  29,  6  bei  Whiston  p.  73 f.  II,  48  p.  164f.  vgl.  I,  30  bei 
Le  Vaillant  I  p.  125).  Aus  Allem  geht  zur  Genüge  hervor, 
dass   Anojsh  und  ihre  Drachen  keine  historische  Personen, 


394  KOENIGSNAMEN  I.  D.  APOKR.  APOSTELGESCHICHTEN. 

sondern  Gegenstände  des  Cultus  gewesen  sind  Dass  dieser 
Cultus  aus  der  Zeit  vor  Einführung  des  Zoroastrischen  Glau- 
bens in  Armenien  herrührt^  versteht  sich^  da  Schlangen  und 
alle  ähnlichen  Eharfesters  dieser  Lichtreligion  ein  Greuel  sind, 
von  selbst:  man  darf  ihn  unbedenklich  mit  der  Schlangen- 
verehrung in  Verbindung  bringen,  die  wir  im  stammver- 
wandten Phrygien  an  den  Eybeledienst  geknüpft  sehen.  Und 
so  wäre  denn  gerade  in  dieser  als  abschreckendes  Beispiel 
hervorgehobenen  Notiz  der  Acten  des  Philippos  eine  der 
werthvoUsten  Nachrichten  nachgewiesen ,  die  uns  in  den 
apokryphen  Apostelgeschichten  überhaupt  erhalten  sind. 


XIIL 

Verzeichniss  der  Patriarchen  von  Alexandrien.'^) 

Quellen. 

I«    Grieehlsch-Bömische  Qaellen. 
I.  Classe. 

1)  Laterculus  ßomanorum  Alexandrinorumque 
pontificum  ex  ms.  Bibliothecae  8.  loannis  Laudunensis 
(saec.  YII)  hinter  Montfaucons  Vita  S.  Athanasii  in  ^S.  Atha- 


*)  [üeber  die  bei  der  Herausgabe  dieser  Abbandlong  befolgten 
Grundsätze  sei  bemerkt,  dass  das  (oft  sehr  schwer  leserliche)  Mana- 
script  hier  wortgetreu  zum  Abdrucke  kommt.  An  einer  einzigen  Stelle 
hat  Gntschmid  selbst  am  Rande  «bemerkt  ,fZu  modificiren".  Hier  dient 
ein  Verweis  auf  eine  seiner  späteren  Arbeiten  (die  unten  Abschnitt  XIV 
No.  3  abgedruckte  Besprechung  von  Hamacks  Schrift  „Die  Zeit  des 
Ignatins^*)  dazu,  den  Leser  darüber  in  Eenntniss  zu  setzen,  in  welchem 
Sinne  er  diese  Modification  beabsichtigte.  Das  Verzeichniss  der  Patri- 
archen reicht  bis  in  die  erste  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts;  eine  Fort- 
setzung desselben  bis  auf  die  Gegenwart  konnte  nicht  die  Aufgabe  des 
Herausgebers  sein.  Die  Anmerkungen  unter  dem  Texte  rühren  zum  bei 
weitem  grössten  Theile  yon  Gutschmids  eigener  Hand  her.  Einige  wenige 
vom  Unterzeichneten  hinzugesetzte  Hinweise  auf  andere  Arbeiten  Gut- 
schmids sowie  auf  die  sonstige,  grösstentheils  noch  zu  seinen  Lebzeiten 
erschienene  Literatur  über  die  behandelten  Einzelfragen  sind  in  eckige 
Klammern  geschlossen.  Die  Orthographie  der  orientalischen  Namen 
schwankt  öfters  in  Gutschmids  eigenem  Manuscript;  der  Herausgeber 
hat  sich  daher  für  verpflichtet  gehalten,  wenigstens  innerhalb  dersel- 
ben Abhandlung  eine  gewisse  Gleichmässigkeit  herzustellen.  Eine  von 
Professor  NOldeke  übernommene  Durchsicht  der  Correcturbogen  hat 
die  Richtigkeit  der  Wiedergabe  jener  Namen  überwacht.  Im  üebrigen 
sei  auf  das  Vorwort  Professor  Rühls  zum  ersten  Bande  dieses  Sammel- 
Werkes  verwiesen. 

Jena,  11.  Mai  1890.  Lipsius.] 


396  VEßZElCHNISS 


• 


nasii  opera  omnia  op.  et  stad.  monachoruin  ordinis  S.  Bene- 
dicti'  (Paris.  1698,  foL),  Tom.  I,  1  p.  XC.  Der  Verfasser 
schrieb  unter  dem  römischen  Papste  Johannes  III.,  da  sein 
Vorgänger  der  letzte  ist,  dessen  Amtsjahre  beigeschrieben 
sind,  und  unter  Apollinarios,  mit  dem  die  Reihe  der  alexan- 
drinischen  Patriarchen  schliesst,  also  zwischen  560  —  569, 
benutzte  aber,  wie  es  scheint,  für  die  Chronologie  der  letz- 
teren ein  älteres  unter  Timoth'eos  Salophakialos ,  zwischen 
460 — 475,  yerfasstes  Verzeichniss,  da  mit  seinem  Vorgänger 
Timotheos  Ailuros  die  Beischreibung  der  Amtsjahre  aufhört. 
Der  Fortsetzer  schrieb  unter  Kaiser  Maurikios  und  Papst 
Gregorius  L,  also  zwischen  590 — 602.  Diese  Quelle  ist  von 
Eusebios  unabhängig  und  hat  allein  die  richtige  Amtszeit 
des  Alexandros  bewahrt. 

II.  Classe. 

2*)  Eusebios'  Kirchengeschichte,  die  bis  324  reicht. 
Die  Regierungsjahre  der  Kaiser,  nach  denen  die  Zeiten  der 
Bischöfe  bestimmt  werden,  sind  selbstverständlich  nach  dem 
von  Eusebios  selbst  zu  dem  Behufe  gegebenen  Verzeichnisse 
zu  berechnen,  welches  sich  von  der  wahren  Zeitrechnung  oft 
genug  entfernt.*)  Dodwell  und  Andere,  welche  in  diesen 
Angaben  nicht  durch  Rechnung  gefundene,  sondern  dem  Eu- 
sebios wirklich  überlieferte  Synchronismen  zu  finden  gemeint 
haben,  haben  so  eine  Kette  von  Widersprüchen  des  Eusebios 
mit  sich  selbst  herausgeklügelt  und  viel  Mühe  und  Papier 
verschwendet,  um  die  selbstgeschaffenen  chronologischen 
Schwierigkeiten  auszugleichen. 

2^)  Theodoretos,  dessen  Kirchengeschichte  bis  429 
reicht,  hat  unter  allen  Fortsetzen!  des  Eusebios  auf  die 
Fortführung  der  Diadochae  der  Bischöfe  die  meiste  Sorgfalt 
verwendet,  giebt  aber  keine  Amtsjahre  an. 

3*)  Eusebios'  Chronik,  die  bis  326  reicht,  aber  vor 
der  Kirchengeschichte  geschrieben  ist.   Die  armenische  üeber- 


*)  ly^}'  ^'  ^*  Gatschmid,  De  temporum  notia  qnibas  Easebias 
utitur  in  chronicis  canonibus.    Kiel  186S^  oben  Bd.  I  S.  448  ff.    Lps.] 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  397 

setzang  (deren  verlorener  Schluss  vom  Jahre  300  an  aus 
Samuel  von  Ani  zu  ergänzen  ist)  und  die  lateinische  Bear- 
beitung des  Hieronymus  geben  dieselben  Ämtsjahre^  weichen 
aber  in  der  Vergleichung  der  Eaiserjahre  stark  von  einander 
ab.  In  dieser  Beziehung  herrscht  im  armenischen  Texte  die 
grosste,  wahrscheinlich  von  Eusebios  selbst  verschuldete  Sorg- 
losigkeit^ Hieronymus  hat  etwas  mehr  Einklang  zwischen  den 
Amtsjahren  und  den  Synchronismen  der  Eaisergeschichte  her- 
zustellen gewusst^  seine  Ansätze  haben  aber  nur  den  Werth 
von  Conjecturen.  Die  Bestimmungen  Beider  weichen  von 
den  (viel  sorgfaltigeren)  der  Eirchengeschichte  stark  ab; 
Hieronymus  scheint  zu  Anfang  der  Liste  einige  Ansätze  aus 
ihr  herQbergenommen  zu  haben.  In  seinen  beiden  Werken 
hat  Eusebios  in  Folge  eines  hinsichtlich  der  flegierungs- 
dauer  des  Kaisers  Philippus  begangenen  Irrthumes  zwei 
Jahre  zuviel  herausbekommen,  so  dass  das  Jahr  326 ,  in 
welchem  Constantinus  seine  Yicennalien  feierte,  welches  nach 
der  in  dem  ganzen  älteren  Theile  seiner  Chronik  bis  in  die 
Mitte  des  dritten  Jahrhunderts  hinein  befolgten  Rechnungs- 
weise dem  Jahre  2341  nach  Abraham  entsprechen  müsste, 
von  ihm  vielmehr  dem  Jahre  2343  gleichgesetzt  wird,  und 
dieses  Versehen  hat  unter  Anderem  die  Verfälschung  der 
Amtsdauer  des  Bischofs  Alexandros  zur  Folge  gehabt. 

3^)  Hieronymus,  der  die  Chronik  des  Eusebios  bis 
378  fortgesetzt  hat,  giebt  von  Petros  Martyr  an  die  Amts- 
jahre nicht  mehr  an  und  verzeichnet  auch  die  Bischöfe  nicht 
regelmässig  unter  dem  Jahre  ihres  Antritts;  die  Brauchbar- 
keit seiner  Arbeit  föngt  erst  in  deren  zweiter  Hälfte  an,  wo 
er  als  Zeitgenosse  redei 

4)  Excerpta  Latin a  barbari  in  Scaligers  Thesaurus 
temporum,  ad  calc.  Victoris  Tununensis  p.  83*),  eine  ale- 
xandrinische  Chronographie,  verfasst  unter  Zenos  zweiter 
Regierung  (477  —  491),  der  ersten,  deren  Zeit  nicht  bei- 
geschrieben   ist,    übersetzt    unter    Anastasios    (491  —  518), 

*)  [Nach  dem  Cod.  Paris.  Lat.  4884  neu  heraasgegeben  von 
A.  Schöne  in  'Eusebii  chronicomm  liber  prior'  (Berlin  1876)  Append. 
VI  p.  175  sqq.     Lps.] 


398  VEBZEICHNISS 

dessen  Name  nachgetragen  ist.  Erhalten  ist  ein  Bruchstück 
von  Petros  Martyr  bis  Theophilos;  die  Angaben  der  Amts- 
jähre  sind  sehr  authentisch,  die  Jahrreihe  ist  durch  bunt 
durcheinander  gewürfelte  Gonsulate  dargestellt,  die  man  ein- 
fach zu  zählen  hat,  ohne  sich  durch  die  Namen  beirren  zu 
lassen.  Die  Befestigung  der  Antrittsjahre  der  Bischöfe  inner- 
halb dieser  Jahrreihe  kann  übrigens  ebensowenig  auf  Genauig- 
keit Anspruch  machen,  als  die  ähnlichen  Angaben  dieser 
Art  bei  E^sebios  und  anderen  Chronographen.  Wichtig  ist 
das  Document  dadurch,  dass  es  allein  vor  Severus  von  Ash- 
munin  die  Todestage  der  Bischöfe  aufbewahrt  hat. 

5)  XgovoyQafpatov  övvto^ov  ix  xmv  Evöeßiov  rov 
UaiLtplXov  novtiiicct(ov  in  Scriptt.  vett.  noya  collectio  ed.  Mai 
I,  2  p.  12*),  im  Jahre  854  zusammengestellt  unter  Zugrunde- 
legung einer  818  gemachten  Arbeit^);  später  durchaus  mit 
den  Excerpta  Latina  barbari  stimmend  —  das  zuverlässigste 
aller  erhaltenen  Verzeichnisse. 

6)  Laterculus  episcoporum  Alexandriae  Graece  ex 
cod.  Colbertino  no.  3558  (saec.  XVI)  hinter  Montfaueons  Vita 
S.  Athanasii,  p.  LXXXIX.  Mit  der  vorigen  Chronographie 
völlig  übereinstimmend,  aber  aus  einem  vollständigeren 
Exemplare  derselben  geflossen.  Die  in  jener  wegen  der 
Nichtberücksichtigung  der  Vacanzen  an  der  Gesammt'Summe 
fehlenden  zwei  Jahre  sind  hier  durch  vier  willkürlich  ver- 
theilte  Halbjahre  eingebracht  worden. 

TTT   Classe. 

7^)  Georgios  Synkellos  schrieb  seine  bis  zum  Jahre 
284  reichende  Chronographie  792;  seine  Liste  ist  am  näch- 
sten mit  der  lateinischen  bei  Montfaucon  verwandt,  aber  so 


*)  [Mit  zahlreichen  VerbesBernngen  v.  Gutscbmids  neu  heraaa- 
gegeben  von  A.  SchOne  in  '  Eosebii  chronicorum  über  prior '  Append. 
IV  p.  69  sqq.     Lps.] 

1)  Für  die  älteste  Zeit  aus  Eusebios'  Chronik  geflossen;  der 
fünfte  Bischof  'Aliiavdqog  beruht  auf  Missverständniss ;  es  ist  zu 
schreiben:  KiQdmv  itog  a\  alXog  d'  ixri  im\  d.  L  ein  Anderer  giebt 
11  Jahre  an. 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  399 

zugeschnitten;  dass  das  Martyrium  des  Markos  in  das  Jahr 
64  fällt. 

7^)  Theophanes,  Fortsetzer  des  Synkellos,  schrieb  813. 
Dem  Bischof  Alexandros  hat  er  in  Folge  einer  Verwechselung 
mit  seinem  Zeitgenossen  Alexandros  von  Constantinopel  23 
Amtsjahre  gegeben  und  so  den  Defect  bei  den  Jahren  des 
Maximos  (8  statt  18  bei  Synkellos  in  Folge  eines  vorgefun- 
denen Schreibfehlers)  wieder  eingebracht.  Die  Verwirrung 
in  den  Jahren  der  Bischöfe  Petros  II.  und  Timotheos  I. 
findet  sich  bei  ihm  zuerst^  das  Zuviel  wird  dann  den  Jahren 
des  Dioskoros  abgezogen.  Die  Liste  ist  unter  den  griechi- 
schen die  allerschl echteste.  Dass  die  Einreihung  der  Amts- 
jahre in  das  Schema  nach  Jahren  der  Welt  völlig  gleich- 
gültig ist^  hat  man  längst  richtig  erkannt. 

8)  Nikephoros,  Patriarch  von  Constantinopel,  in  der 
zwischen  820  —  828  geschriebenen ,  von  dem  Herausgeber 
aber  bis  878 — 886  fortgesetzten  Chronographie,  deren  durch 
Lücken  und  Verschiebungen  entstellter  Text  aus  der  lateini- 
schen Cebersetzung  des  Anastasius  Bibliothecarius  ergänzt 
werden  muss;  wo  nicht  aus  der  Liste  des  Synkellos  und  Theo- 
phanes  geschöpft,  doch  aus  den  von  diesen  benutzten  Materia- 
lien, woraus  sich  ihr  geringer  Werth  von  selbst  ergiebt.*) 

II«    Melchitische  Quellen« 

9)  Eutychios  (Sa^id  ihn  Batriq),  Patriarch  von 
Alexandrien,  in  seinem  938  geschriebenen  Nazm  al^auhar. 
In  seiner  Quelle  war  das  Martyrium '  des  Markos  in  das 
Jahr  68  heruntergerückt,  und,  um  Platz  zu  gewinnen,  die 
Jahre  der  Bischöfe  Agrippinos  und  Heraklas  verkürzt  wor- 
den: er  Hess  die  gewaltsamen  Aenderungen  stehen,  machte 
aber  das  beabsichtigte  Resultat  durch  Einschaltung  einer 
fün^ährigen  Vacanz  vor  Achillas  wieder  rückgängig,  üebri- 
gens  ergiebt  sich  seine  Abhängigkeit  von  der  Chronologie 
des  Eusebios  aus  den  16  Jahren,  die  er  dem  Alexandros 
giebt,    seine    Abhängigkeit    von    schlechten    byzantinischen 

*)  [Nea  herausgegeben  von  Carl  de  Boor,  ,,Nicephori  archiepiscopi 
Constantinopolitani  opuscnla  historica"  (Lipsiae  1880)  p.  81  sqq.    Lps.] 


400  VERZEICHNISS 

ChroDOgraphien  aus  der  Verwirrung,  die  auch  bei  ihm  mit 
den  Jahren  des  Petros  IL  und  Timotheos  I.  vor  sich  ge- 
gangen ist  Den  Bischof  Timotheos  III.  lässt  er,  weil  er 
ihn  mit  seinem  Nachfolger  Theodosios  verwechselt,  nach 
zwei  Jahren  abgesetzt  werden  und  bringt  die  dadurch  ein- 
gebüssten  15  Jahre  durch  Verdoppelung  der  Amtszeit  des 
folgenden  Bischofs  nur  zum  Theil  wieder  ein.  Weitere  Defecte 
gleicht  er  dadurch  aus,  dass  er  vier  häretische  Bischöfe,  die 
nie  im  wirklichen  Besitze  des  Patriarchats  gewesen  sind, 
mit  10  Jahren  5  Monaten  Amtszeit  einschaltet.  Diese  Bei- 
spiele genügen  zur  Charakteristik  der  unglaublichen  Lüder- 
lichkeit,  mit  welcher  Eutychios  seine  vom  fünften  Jahr- 
hundert an  gar  nicht  so  schlechten  Materialien  verarbeitet 
hat.  Die  Amtsdauer  der  Melchitenpatriarchen  der  moslemi- 
schen Zeit  ist  nach  arabischen  Mondjahren  berechnet,  die 
beigefügten  Bestimmungen  des  Amtsantrittes  nach  Hegra- 
jahren  sind  aber  in  Folge  einer  Verwechselung  hinsichtlich 
des  Todesjahres  des  Sophronios  durchgängig  um  13  Jahre 
falsch. 

10)  Zwei  Listen  der  auf  Eutychios  folgenden  Melchiten- 
patriarchen, benutzt  von  Le  Quien,  Oriens  Christianus  II  p.475; 
sie  reichten,  wie  es  scheint,  bis  1730,  enthielten  aber  die 
blossen  Namen  ohne  Angabe  der  Amtsdauer. 

IIL   Jakobilische  Qnellen. 

Von  Dioskoros  I.  an  liegt  allen  jakobitischen  Patri- 
archenlisten ein  gemeinsames  ürverzeichniss  zu  Grunde:  alle 
erkennen  die  orthodoxen  Bischöfe  Proterios,  Timotheos  Salo- 
phakialos  und  Joannes  nicht  als  solche  an  und  geben  fol- 
gende Zeitbestimmungen:  Dioskoros  14,  Timotheos  (Ailuros) 
22,  Petros  8  Jahre,  wobei  es  ihnen  passirt  ist,  den  Timo- 
theos Salophakialos  für  den  Ailuros  zu  nehmen;  andernfalls 
hätten  sie  den  betreffenden  Zeitraum  vielmehr  so  zerlegen 
müssen:  Dioskoros  12,  Timotheos  Ailuros  20,  Petros  12  Jahre. 
Dasselbe  ergiebt  sich  aus  der  Wiederholung  verschriebener 
Zeitbestimmungen  nach  Jahren  Diocletians  in  sämmtlichen 
Quellen:   245  statt  258  für  den   Bau  jakobitischer  Kirchen 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  401 

während  der  Verbannung  des  P.  Theodosios  (Patriarchen- 
geschichte Chron.  or.  Makr.),  330  statt  333  für  den  Tod  des 
P.  Anastasios  (Patriarchengesch.  Elm.  Makr.);  endlich  auch 
in  der  Unbekanntschaft  aller  späteren  jakobitischen  Chro- 
nisten mit  dem  zehnjährigen  Zwischenregiment  nach  Theo- 
dosios' Tode,  welche  die  Verschiebung  der  Anfange  des  Petros 
und  Damianos  zur  Folge  gehabt  hat. 

A.    Menologien. 

11)  Der  koptische  Kalender  a)  bei  Abulberekät,  be- 
nutzt von  Renaudot,  fiüistoria  patriarcharum  Alexandrinorum 
lacobitarum,  Paris  1713,  4^.;  b)  in  einer  arabischen  Hand- 
schrift der  Eyangelien  vom  Jahre  1286  bei  Seiden,  De  syn- 
edriis  veterum  Ebraeorum  lib.  III  p.  221  ff.;  c)  bei  Abulabbäs 
Ahmed  Calcaschendi,  ebenda  lib.  III  p.  204  ff.  Der  koptische 
Kalender  ist  nach  819  ^  aber  wohl  nicht  zu  lange  nachher 
abgeschlossen  worden,  vermuthlich  unter  dem  Patriarchen 
Jakob)  der  die  Namen  aller  seiner  Vorgänger  vom  Evan- 
gelisten Markos  bis  auf  Markos  II.  in  die  Liturgie  auf- 
nehmen liess  (Renaudot  p.  271). 

12)  Das  äthiopische  Synaxar,  ausgezogen  von  Ludolf 
bei  lo.  Bapt.  Sollerius  *ad  tom.  V  lunii  tractatus  praeliminaris 
de  Patriarchis  Alexandrinis'  (Acta  Sanctorum  lunii  V  p.  I — 
XX.  *1 — 106*);  Fasti  sacri  ecclesiae  Aethiopicae,  bei  Ludolf, 
Ad  historiam  Aethiopicam  commentarius  p.  389  ff.  Die  be- 
treffenden Abschnitte  des  Synaxars  sind  sicher  nach  1145, 
wahrscheinlich  bald  nach  1216  zusammengestellt  worden 
und  stimmen  am  nächsten  mit  der  Patriarchengeschichte 
überein. 

B.    Chronographien. 

I.  Classe. 

13)  Historia  patriarcharum  Alexandrlnorumque 
lacobitarum  (bearbeitet  von  Renaudot^  Paris   1713,  4^.): 

a)  Die  Geschichte  des  Zeitraumes  von  61 — 880,  verfasst 
von   Severus,   Bischof  von   Ashmunin,  der  uro   975  blühte. 

V.  QuTscuMiD,  Kleine  Sührifteu.    II.  26 


402  VERZEICHNISS 

Severus  hält  sich  iQr  die  älteste  Zeit  ziemlich  genau  an 
Easebios,  dessen  chronologischem  System  auch  die  Be- 
stimmung der  Amtsdauer  des  Alexandros  auf  16  Jahre  entr 
spricht;  doch  sind  dem  Heraklas  drei  Jahre  abgezogen  worden, 
um  das  Martyrium  des  Markos  auf  das  Jahr  64  zu  bringen. 

b)  Die  Geschichte  von  880 — 1046,  verfasst  von  Michael, 
Bischof  von  Tanis,  im  Jahre  167  Mart.  =  1051  (Renaudot 
p.  399). 

c)  Die  Geschichte  von  1046  — 1243,  zusammengestellt 
von  Manhüb  ben  Mansür,  zwischen  1243 — 1250. 

Für  die  Zeiten  der  moslimischen  Herrschaft  auf  officiellen, 
grossentheils  gleichzeitigen  Aufzeichnungen  beruhend:  daher 
Hauptquelle. 

Die  Quellen,  die  in  den  Patriarchengeschichten  erwähnt 
werden,  sind: 

a)  Die  Geschichte  der  Patriarchen  von  Kyrillos  I.  bis 
Simon  I.  ist  von  Vielen  geschrieben  worden,  und  vorzüg- 
lich von  dem  Mönche  Georgios,  dem  Archidiaconus  und 
Secretär  des  Simon  (lebte  unter  Alexandros  IL),  welcher 
das,  was  die  Jakobiten  vom  Kaiser  Marcianus  ertragen 
und  was  in  der  Folgezeit  ihre  Patriarchen  gelitten  haben, 
durchgegangen  hat  bis  auf  Soleimän,  den  Sohn  des  Abdel- 
melik  (714 — 717,  also  nahe  bis  unter  Alexandros  IL); 

ß)  der  zeitgenössische  Biograph  Michaels  L  führte  die 
Geschichte  fort  bis  auf  den  Tod  des  Theodoros  und  be- 
schrieb dann  ausführlich  das  Leben  Michaels,  unter  dem 
er  lebte. 

y)  Mit  dem  Tode  Simons  IL  schliesst  eine  Quelle  ab,  da 

S)  der  Biograph  des  Jusäb  dieser  Widersprechendes 
berichtet:  derselbe  redet  von  den  durch  Almamün  nach 
Bagdad  deportirten  Baschmüriten ,  dass  deren  Colonie 
noch  bis  auf  seine  Zeit  fortbestände,  während  ein  Theil 
unter  Almamüns  Nachfolger  zurückgekehrt  sei.  Der  Bio- 
graph des  Jusäb  ist  auch  verschieden  von 

e)  dem  Biographen  des  Sanythios  L,  dem  Joannes 
Diaconus,  einem  jüngeren  Zeitgenossen  des  Joseph.  Von 
Michael  IL    beginnt    ein    neuer    Theil    der    Patriarchen- 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  403 

geschichte,  der  demnach  den  Letzteren  zum  Verfasser  hat. 
Mit  Sanythios  I.  schliesst  Severus,  Bischof  von  Ashmunin, 
der  aus  vereinzelten  griechischen  und  mehrentheils  kopti- 
schen Denkmälern,  die  in  verschiedenen  Kirchen,  nament- 
h'ch  im  Kloster  zum  heiligen  Makarios  im  Thale  Habib 
aufbewahrt  werden,  die  Patriarchengeschichte  in  arabischer 
Sprache  zusammenstellte  und  übersetzte.  Von  nun  an  redet 
Michael  von  Tanis,  der  gleich  anfangs  von  dem  durch 
Sanythios  I.  errichteten  Altar  des  heiligen  Markos  in  Ale- 
xandrien  redet,  der  115  Jahre  gestanden  habe.  Yermuth- 
lich  waren  die  Biographien  von  Chail  IL  von  Anfang  an 
arabisch  geschrieben.  —  Michael  von  Tanis  schrieb  767 
und  zwar  arabisch;  ziemlich  schlecht  unterrichtet. 

aa)  Christodulos'  Leben  beschrieb  Manhüb  ben  Man- 
sür  ben  Mofrah,  Diaconus  von  Alexandrien,  der  804  Mari 
480  H.  =  1087/1088  die  im  S.  Makarioskloster  im  Thale 
Habib  und  in  anderen  Klöstern  vorgefundenen  arabisch 
geschriebenen  Patriarchenleben  abschrieb,  zusammenstellte 
und  fortsetzte. 

ßß)  Die  Zeit  von  Kyrillos  11.  bis  Makarios  IL  Johannes 
ben  Salud  ben  Jahja  ben  Mina  genannt  Ebn  el-Kolzumi, 
Zeitgenosse  des  Kyrillos  IL  und  des  Makarios  IL,  bringt 
die  Geschichte  bloss  bis  1122  n.  Ch.  Das  letzte  Stück 
seiner  Geschichte  fehlt  ganz. 

yy)  ^^^  Gabriel  11.  bis  Joannes  V.  Markos  ben  Zo/a, 
der  PatriarcL 

dd)  Von  Markos  III.  bis  Joannes  VI.  ein  Ungenann- 
ter, der  einseitig  auf  die  politische  Geschichte  Bücksicht 
nimmt,  jüngerer  Zeitgenosse  des  Markos. 

es)  Von  der  Vacanz  bis  Kyrillos  IIL,  Zeitgenosse  (der 
Name  Manhüb  ben  Mansür  ist  ein  Irrthum  von  Renaudot). 

Hieraus  ergiebt  sich,  dass  der  Patriarchengeschichte 
von  ungefähr  680  n.  Ch.  an  bis  1243  mit  alleiniger  Aus- 
nahme des  Zeitraumes  von  880—1004  zeitgenossische  Auf- 
zeichnungen zu  Grunde  liegen. 

14*)  Catalogue   des   Patriarches   Coptes  d'Alexan- 
drie,  tire  de  TAbulberekat,  bei  Yansleb,  Histoire  de  T^lise 

26* 


404  VKRZEICHNISS 

d'Alexandrie,  Paris  1677.  16°.  (p.  301  flf.),  mit  Berichtigungen 
von  Renaudot  a.  a.  0.,  geschrieben  zwischen  1363  —  1369, 
aus  guten  Quellen  mit  gewissenloser  Willkür  zusammen- 
gesudelt: auf  die  Zeitbestimmungen  nach  Jahren  Diocletians 
ist  für  die  ganze  ältere  Zeit  gar  nichts  zu  geben,  da  sie 
bloss  in  dem  Zeiträume  von  831  —  950  leidlich  mit  den 
authentischen  stimmen,  ebensowenig  auf  die  Angaben  über 
die  Monate  der  Ordinationen,  die  mit  seltenen  Ausnahmen^) 
durch  willkürlichen  Ansatz  30  oder  40  Tage  nach  dem  Todes- 
tage des  Vorgängers  gefunden  sind.  Die  Amtszeiten  der 
Patriarchen  stimmen  im  Ganzen  mehr  mit  der  Patriarchen- 
geschichte als  z.  B.  die  Zahlen  des  Chronicon  Orientale:  wie 
er  aber  mit  den  ihm  überlieferten  Zahlen  umgeht,  mag  man 
daraus  ersehen,  dass  er  dem  Alexandros  ganze  24  Jahre  zu 
viel  beilegt,  und  dafür  dem  Dionysios  fünf,  den  drei  Patri- 
archen Athanasios  IL,  Joannes  I.  und  IL  je  drei  und  dem 
Theodosios  zehn  Jahre  abzieht;  das  Todesjahr  des  Letzteren 
283  Diocl.  fand  er  überliefert,  lenkt  aber  sofort  wieder  von 
der  wahren  Zeitrechnung  ab,  indem  er  die  zehnjährige  Vacanz 
nach  Theodosios  nicht  berücksichtigt,  den  nächsten  vier  Patri- 
archen Petros,  Damianos,  Anastasios  und  Andronikos  je  ein 
Jahr  abzieht  und  die  eingebüssten  14  Jahre  erst  lange  nach- 
her wieder  einbringt^  indem  er  die  Amtsdauer  der  I^atriarchen 
Markos,  Jakob  und  Simon  um  3  +  8  -f-  3  Jahre  erhöht,  um 
zu  dem  überlieferten  Datum  548  für  Josephs  Antritt  zu  ge- 
langen. Erst  von  1131  an  wird  Abulberekät  zuverlässig. 
Vansleb  hat  die  üble  Gewohnheit,  die  sich  schon  bei  Euty- 
chios  findet,  daher  wahrscheinlich  bei  den  Kopten  selbst 
herrscht,  die  Namen  der  römischen  Monate  ohne  Weiteres 
für  die  koptischen  zu  brauchen,  denen  sie  zum  grössten 
Theile  entsprechen. 

14**)  Fortsetzung  des  Abulberekät  bis  1673,  bei  Vansleb 
p.  329.     Berichtigungen  bei  Renaudot  a.  a.  0. 

1)  Diese  sind  die  Ordinationsdaten:  Mesori  283  für  Petros  IV., 
Pharm uthi  für  Alezander  IL,  Phamenoth  fSr  Kosmas  L,  Thoth  für 
Michael  I.,  Athyr  648  für  Joseph,  Pachon  für  Gabriel  I.,  Tybi  für 
Zacharias,  Phamenoth  für  Kyrillos  IL 


DEtt  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  405 

15)  Gatalogus  patriarcharum  Alexandrinorum, 
a  P.  du  Bemat  ex  Goptica  S.  Cyrilli  liturgia  descriptus, 
bis  1706  (bei  SoUerius  a.  a.  0.  p.  IXfif.).  Aus  Abulberekät 
gescbopft;  von  1363  an  selbstständige  Quelle  und^  obgleich 
die  Dauer  der  Vacanzen  nicht  angegeben  ist,  als  Norm  für 
die  Chronologie  der  neueren  Zeit  nicht  zu  verachten. 

16)  Katalog  der  Patriarchen,  aus  der  Bibliothek 
der  Medresse  von  Eahira  von  Peirescius  ausgezogen^  bis 
1633  (bei  Eircher,  Lingua  Aegjptiaca  restituta  p.  518  ff.), 
ohne  Chronologie  und  nur  der  Sprache  wegen  interessant, 
in  der  man  lächerlicherweise  Koptisch  gefunden  hat^  ob- 
gleich höchstens  Formen  wie  Tviietgiov  für  jdtjfiriTQiov  einen 
koptischen  Schreiber  verrathen.  Es  ist  gewohnliches  Grie- 
chisch, wie  die  Abwesenheit  aller  specifisch  koptischen  Buch- 
staben auch  in  Namen  wie  Senodios^  Xenodios,  die  massen- 
haften griechische^  Genitive  und  wiederholten  xs  d.  i.  xccl 
zur  Genüge  darthuu.  Der  Katalog  ist  aus  arabischen  Quellen 
geflossen:  Beweis  fehlerhafte  üebersetzung  von  ^  J|  mit  9qch 

statt  IlQtiios,  von  ^j^y^jii  mit  FQixJCovrig  statt  ^AyQL%7ilvog, 

von  v^d^  mit  'Imöi^ß  statt  ^ImCiqn. 

n.  ClasBe. 

Sie  ist  aus  einer  gemeinsamen  Quelle  geflossen.  Bis 
ins  fünfte  Jahrhundert  hinein  ist  eine  andere  viel  schlechtere 
Quelle  als  in  der  Patriarchengeschichte  zu  Grunde  gelegt, 
die  sich  bald  mit  Theophanes  und  Nikephoros  (wie  in  den 
23  Jahren  Alexanders),  bald  (in  der  Herabrückung  von  Mar- 
kos' Martyrium  in  68,  in  den  Ansätzen  für  die  Bischöfe 
Petros  II.  und  Timotheos)  mit  Eutychios  berührt  und  mit 
den  Jahren  der  ältesten  Patriarchen,  namentlich  des  dritten 
Jahrhunderts  die  gewaltthätigsten  Manipulationen  vorge- 
nommen hat,  deren  Grund  man  nicht  einmal  errathen  kann. 
Bemerkenswerth  ist  nur,  dass  das  Chrouicon  Orientale  über 
die  Gegenbischöfe  des  Petros  Mongos  ganz  gut  unterrichtet 
ist,  die  es  Timotheos,  Ansus  und  Joannes  Duinasades  nennt: 
Letzteres  ist  richtiger  Davinisades,  d.  i.    Taßsvvri6t<6trig  zu 


406  VERZEICHNISS 

Yocalisiren,  aus  Ansus  aber  erhält  man  durch  Veränderung 
eines  Punktes  Asbus,  ein  seltener  Beiname  des  Salophakialos^ 
den  sonst  nur  noch  Liberatus  bewahrt  hat.  Die  auf  die  Zeit 
vor  700  im  Chronicon  Orientale  vertheilten  sieben  Yacanzen 
beruhen  nicht  auf  Ueberlieferung,  sondern  sind  blosse  FQU- 
jähre,  die  anderweitige  chronologische  Defecte  wieder  aus- 
gleichen sollen.  Allmählich  ändert  sich  der  Charakter  der 
Chroniken  dieser  Classe  immer  mehr  zu  ihrem  Yortheil  und 
sie  werden  von  1004  an  besonders  zuverlässig. 

17)  Ebn  Rahib,  Chronicon  Orientale  p.  107 ff.^  verfasst 
1259,  der  beste  Repräsentant  dieser  Classe,  mit  ungewöhn- 
licher Sorgfalt  gearbeitet  und  in  einer  Weise,  die  gegen 
Schreibfehler  hinreichend  garantirt,  daher  sehr  beachtens- 
werth:  die  Wochentage  der  Todesdaten  der  einzelnen  Patri- 
archen sind  aber  für  die  ganze  ältere  Zeit  durch  Rechnung 
gefunden,  können  daher  nicht  als  chronologische  Charakte- 
rismen gelten;  erst  von  1004  an  lässt  sich  wirkliche  Ueber- 
lieferung  derartiger  Daten  annehmen.  In  der  controlirenden 
Berechnung  nach  Weltjahren  ist  nicht  selten  eine  andere 
Tradition  über  den  Todestag  befolgt  als  im  Texte. 

18)  Elmakin  (G'ir^s  ben  el-'Amid)  im  Tarich  el-Mus- 
limin,  ed.  Erpenius,  Lugduni  Batavorum  1625,  fol.,  um- 
fasst  den  Zeitraum  von  641  —  1131.  Der  erste  Theil  des 
Elmakin,  der  die  Zeit  von  61  —  641  behandelt,  ist  von 
Renaudot  a.  a.  0.  ausgezogen  worden,  der  dritte  Theil  von 
1131 — 1262  noch  unbenutzt.  Elmakin  schrieb  zwischen 
1262  —  1268. 

19)  Makrizis  Geschichte  der  Kopten,  mit  üebersetzung 
und  Anmerkungen  von  Wüstenfeld  (Göttingen  1847,  4^.) 
S.  5  (16)  ff.  Fast  ausschliesslich  aus  Elmakin  geschöpft, 
schliesst  daher  auch  1262.  Die  Zeitangaben  nach  moslemi- 
scher Zeitrechnung  hat  Makrizi  nicht  vorgefunden,  sondern 
selbst  ausgerechnet;  er  schrieb  um  1438.  Eutychios  ist  von 
Makrizi  und,  wie  es  scheint,  schon  von  Elmakin  viel  um- 
fassender benutzt,  als  im  Chronicon  Orientale. 


i 


I 

/  DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  407 

i 

HfLlfsmittel. 

lo.  Bapi  Sollerii  S.  J.  ad  tom.  V  lunii  tractatus  prae- 
liminaris  de  Patriarchis  Alexandrinis.  Cum  appeudice  de 
initiis ,  erroribus ,  institutis  Copto  -  lacobiticis  (  Antv erpiae 
1709,  fol.)  p.  I-XX.  *1— 156* 

[Eusebius  Benaudot],  Historia  patriarcharum  Alexan- 
drinorum  lacobitarum  a  D.  Marco  usque  ad  finem  saeculi 
XIII.  Cum  catalogo  sequentium  patriai^charum  et  coUectaneis 
historicis  ad  ultima  tempora  spectantibus*    Parisiis  1713,  4^. 

Michael  Le  Quien,  Oriens  Christianus  Tom. II  (Parisiis 
1740,  fol.)  p.  329-512. 

Henry  Fynes  Clinton,  Fasti  Bomani  Vol.  II.  Appendix 
(Oxford  1850,  4«.)  p.  535  flf.  544—548. 

Das  nur  die  älteste  Zeit  umfassende  Cap.  VI  (Successio 
sedis  Alexandrinae)  in  H.  Dodwells  Dissertatio  singularis 
de  pontificum  Bomanorum  primaeva  successione,  angehängt 
an  J.  Pearsons  De  serie  et  successione  primorum  Bomae 
episcoporum  dissertatio.  London  1687,  8%  p.  53  —  81,  eine 
echt  Dodwüllsche  Tüftelei,  und  der  nach  abgeleiteten  Quellen 
gearbeitete  Index  chrouologicus  episcoporum ,  archiepisco- 
porum  et  patriarcharum  Alexandrinorum  in  Fabricius' 
Bibliotheca  Graeca  VEI  p.  594—599  (Hamburg  1717,  4^) 
gewähren  wenig  Hülfe. 

Methode  der  Herstellung. 

Die  Gelehrten,  welche  bisher  die  Zeitrechnung  der 
alexandrinischen  Patriarchen  im  Zusammenhange  behandelt 
haben,  haben  die  Verzeichnisse  der  Amtsjahre  bei  den 
Chronographen  den  Zeitbestimmungen,  welche  gelegentlich 
von  den  Geschichtsschreibern  gegeben  werden,  in  der  Weise 
untergeordnet,  dass  sie  nur  da,  wo  sie  von  Letzteren  in  Stich 
gelassen  wurden,  eine  der  verbreitetsten  Listen  zur  Aushülfe 
benutzten  und  an  dieser  weiter  rechneten,  bis  wieder  ein 
Datum  aus  anderen  Quellen  eintrat:  stimmte  dies  mit  dem 
aus  den  Listen  gewonnenen  Besultate,  so  war  es  gut;  wo 
nicht,    so   wurden   an   der  betreffenden   Stelle   Jahre   weg- 


408  VEftZEICHNISS 

geschnitten  oder  zugelegt.  Ein  solcbes  Verfahren  ist  schon 
principiell  nicht  unbedenklich:  denn  warum  soll  im  CoUisions- 
falle  eine  möglicherweise  auf  ganz  authentische  Quellen 
zurückgehende  Liste  allemal  Unrecht,  ein  vielleicht  schlecht 
unterrichteter  Historiker  allemal  Recht  haben?  Noch  bedenk- 
licher wird  aber  die  Sache  durch  die  Ausf&hrung.  Einer  der 
Geschichtsschreiber^  für  die  so  das  Gewicht  eines  potior  testis 
in  Anspruch  genommen  wird,  ist  Sokrates,  obgleich  der  Nim- 
bus, den  seine  genauen  Aqgaben  in  Consulaten  um  ihn  ver- 
breitet haben,  vor  eingehenderer  Betrachtung  bedeutend 
schwindet:  und  solche  ergiebt,  dass  er  einen  guten  Theil 
seiner^  oft  nur  auf  ziemlich  luftigen  Gombinationen  beruhen- 
den,  Ansätze  erst  nach  einer  der  cursirenden  Consullisten 
ausgerechnet  hat.  Wie  auffallend  schlecht  Sokrat^s  und  der 
mit  ihm  in  enger  Verbindung  stehende  Sozomenos  über  die 
Geschichte  des  Athanasios  unterrichtet  sind,  ist  bekannt 
genug.  Doch  dies  möchte  noch  hingehen:  viel  weniger  zu 
billigen  ist  die  Bevorzugung  des  Victor  Tununeusis,  eines 
Chronisten,  dessen  Sorglosigkeit  so  arg  ist,  dass  es  selbst 
in  Betreff  von  Ereignissen,  deren  Zeitgenosse  er  ist,  schon 
als  ein  günstiger  Ausnahmefall  gelten  muss,  wenn  er  sich 
in  der  Zeitbestimmung  nur  um  drei  Jahre  versehen  hat. 
Zu  diesen  Missgriffen  nach  der  einen  Seite  kam  ein  eben  so 
schlimmer  nach  der  anderen  hin:  die  Listen,  die  man  zu 
Hülfe  nahm,  waren  die  des  Theophanes  und  Nikephoros^  die 
sich  uns  als  beinahe  die  werthlosesten  von  allen  heraus- 
stellen werden. 

Wir  werden  einen  anderen  Weg  geben.  Dass  man  der 
fortlaufenden  Controle  durch  authentische  Angaben  der  Hi- 
storiker nicht  entrathen  kann,  versteht  sich  von  selbst:  die 
Grundlage  aber,  von  der  man  auszugehen  hat,  müssen  die 
Listen  bilden  und  zwar  nicht  die  erste  beste,  sondern  die, 
welche  die  meisten  Garantien  für  ihre  Ursprünglicheit  bietet. 
Um  diese  zu  ermitteln,  muss  man  sich  die  Entstehungsweise 
dieser  Listen  vergegenwärtigen.  Die  officiellen  Aufzeichnungen 
der  alexandrinischen  Kirche  enthielten  ohne  Zweifel,  so  gut 
wie  die   der  römischen,  die  Amtsdauer  der  Patriarchen  in 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  409 

Jahren^  Monaten  und  Tagen:  aus  einer  Abrundung  dieser 
Zahlen  sind  die  erhaltenen  Verzeichnisse  entstanden.  Bis 
auf  den  jakobitischen  Patriarchen  Isaak  zu  Ende  des 
siebenten  Jahrhunderts  sind  uns  die  Amtszeiten  nicht  anders 
als  in  vollen  Jahren  überliefert;  wo  Monate  oder  gar  Tage 
darüber  angegeben  sind^  haben  wir  es,  vielleicht  zwei  Fälle 
ausgenommen,  nicht  mit  glaubhafter  Ueberlieferung,  sondern 
mit  einem  Wiederherstellungsversache  auf  gelehrtem  Wege 
zu  thun.  Ein  Yerzeichniss,  in  welchem  die  Abrundung  plan- 
massig  vorgenommen  worden  wäre,  etwa  so,  dass  nach  dem 
Principe  des  Ptolemäischen  Kanons  das  ägyptische  Jahr,  im 
Laufe  dessen  ein  Patriarch  ordinirt  ward,  als  sein  erstes  ge- 
golten hätte,  haben  wir  leider  nicht:  ja  nicht  einmal  die 
Erwartung,  dass  man  einen  Ueberschuss  von  weniger  als 
sechs  Monaten  unberücksichtigt  gelassen,  einen  von  mehr 
als  sechs  für  ein  Jahr  gerechnet  haben  werde,  bestätigt  sich 
bei  näherer  Prüfung;  nur  darauf  scheinen  die  Urheber  der 
auf  uns  gekommenen  Listen  gehalten  zu  haben,  dass  nicht 
durch  zu  einseitige  Abrundung  Fehler  in  der  Gesammt- 
berechnung  entstanden.  Die  Yacanzen  waren,  wie  man  aus 
der  Analogie  der  durchaus  auf  ofGcielle  Angaben  basirten 
Liste  der  constantinopolitanischen  Patriarchen  bei  Nikephoros 
folgern  darf,  in  dem  authentischen  Verzeichnisse  der  alexan- 
drinischen  Kirche  nicht  ausdrücklich  angegeben,  fehlen  daher 
auch  in  allen  aus  diesem  abgeleiteten  Verzeichnissen  bis  ins 
achte  Jahrhundert  n.  Ch.  hinein.  Die  Schwierigkeit  für  die 
Chronographen,  die  Jahre  der  alexEmdrinischen  Patriarchen 
in  dem  Zeitschema  der  allgemeinen  Geschichte  richtig  unter- 
zubringen, liegt  daher  auf  der  Hand;  es  war  kaum  zu  ver- 
meiden, dass  man  später  vermeintlichen  Lücken  der  Zeit- 
rechnung durch  Zahlenänderungen  abzuhelfen  suchte.  Die 
einzige  Liste  nun,  die  völlig  von  Interpolationen  frei  ist  und 
bis  in  den  Anfang  des  siebenten  Jahrhunderts  an  allen  ander- 
weitigen authentischen  Zeitangaben  die  Probe  besteht,  ist 
die  bisher  ganz  unbeachtet  gebliebene  des  XQOvoygatpetov 
övvto^v.  Sie  ist  für  die  früheste  Zeit  bis  auf  Alexandros 
treu   aus  Eusebios  entlehnt,  stimmt  von  da  bis  auf  Theo* 


410  VEBZEICHNISS 

philos  durchweg  mit  den  Excerpta  Latina  barbari,  unserer 
für  diese  Zeit  ältesten  und  hinsichtlich  der  Amtsjahre  auch 
ganz  glaubwQrdigen  Liste.  Diesen  zuverlässigen  Charakter 
bewahrt  das  XQOvoygaipBtov  auch  für  den  folgenden  Zeit- 
raum^ wo  wir  die  Quelle  nicht  mehr  nachweisen  können; 
nur  soviel  ist  wahrscheinlich,  dass  dieselbe  nur  bis  dahin 
reichte,  wo  auch  fast  alle  noch  erhaltenen  Geschichtsquellen 
abschliessen,  bis  zur  Regierung  des  Phokas.^)  Wir  legen 
also  bis  zum  Anfange  des  siebenten  Jahrhunderts  Eusebios, 
die  Excerpta  und  das  XQovoyQatpstov  der  Zeitrechnung  zu 
Grunde,  indem  wir  dabei  neben  Eusebios  nur  noch  Lat. 
Montf.  berücksichtigen.  Alle  übrigen  Listen  können  erst 
in  zweiter  Linie  in  Betracht  kommen.  Ganz  zu  verwerfen 
sind  ihre  Angaben  darum  nicht:  bei  der  planlosen  Art,  wie 
die  ursprünglich  genaueren  Zahlen  abgerundet  worden  sind, 
liegt  es  in  der  Natur  der  Sache,  dass  die  Abrundung  von 
verschiedenen  Chronographen  in  verschiedener  Weise  aus- 
geführt worden  ist:  wenn  die  12  Jahre  9  Monate  des  Abilios 
von  Eusebios  als  13  Jahre  berechnet  werden,  so  ist  es  darum 
kein  Fehler,  wenn  Lat.  Montf.  12  Jahre  angiebt. 

Eine  zweite  Stütze  für  die  Zeitrechnung  sind  uns  die 
nur  in  späten  jakobitischen  Quellen  bewahrten,  aber  durch 
eine  Reihe  gleichzeitiger  Angaben  aus  dem  vierten  Jahr- 
hundert glänzend  bestätigten  Todestage  der  Patriarchen,  die 
sicher  so  gut,  wie  ähnliche  Nachrichten  über  die  romischen 
Bischöfe  aus  viel  älterer  Zeit,  auf  das  Eirchenarchiv  zurück- 
gehen. Dass  uns  aus  der  ältesten  Zeit  oft  nur  die  Begräb- 
nisstage überliefert,  dass  in  CoUisionsfällen  mit  den  Festtagen 

1)  Diese  Lücke  unserer  Eenntniss  scheint  schon  im  14.  Jahr- 
hundert gefühlt  worden  zu  sein  und  den  Nikephoros  Eallistos  bewogen 
zu  haben,  seinen  Plan  einer  allgemeinen  Kirchengeschichte  nur  bis 
zur  Begierung  des  Phokas  auszuführen. .  Sie  hat  wohl  weniger  in  dem 
Verloste  älterer  Geschichtswerke,  als  darin  ihren  Grund,  daes  mit  der 
Regierung  des  Phokas  die  Jteihe  der  Katastrophen  begann,  unter  denen 
der  höchst  morsche  Bau  der  alten  christlich  -  orientalischen  Welt 
zusammenbrach,  und  dass  sich  an  die  furchtbar  grosse  Zeit,  die  nun 
folgte,  keine  der  kleinen  Mönchsseelen  wagte,  die  fortan  allein  die 
byzantinische  Historiographie  vertraten. 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  411 

berühmter  Heiliger  die  Gedächtnisstage  um  einen  oder  mehrere 
Tage  verschoben,  dass  endlich  auch  später  noch  mitunter 
anderweitige  Gedächtnisstage  statt  der  Todestage  genannt 
worden  sein  mögen,  soll  nicht  bestritten  werden:  im  Ganzen 
aber  scheinen  mir  diese  Angaben  volles  Vertrauen  zu  ver- 
dienen. Eine  einzige  Ausnahme  macht  vielleicht  die  dunkle 
Periode,  während  welcher  die  Jakobitenpatriarchen  unter 
fortwährenden  Verfolgungen  durch  die  Melcbiten  in  Ober- 
ägypten residirten,  von  Theodosios  I.  bis  Benjamin  I.;  denn 
es  ist  zu  auffallig,  dass  die  drei  aufeinander  folgenden  Patri- 
archen Theodosios  I.,  Petros  und  Damianos  alle  in  derselben 
Woche  des  Payni,  Andronikos  sogar  an  demselben  Tage  wie 
sein  Nachfolger  Benjamin  I.  gestorben  sein  sollen.  Ich 
glaube,  dass  die  Todestage  des  Petros,  Damianos  und  An- 
dronikos in  Wahrheit  vergessen  waren  und  erst  später  von 
einer  schematisirenden  Historik  durch  Verdoppelung  der  be- 
nachbarten Nummern  hergestellt  worden  sind,  und  betrachte 
die  Todestage  des  Theodosios  I.,  Anastasios  und  Benjamin  I. 
als  die  einzigen  wirklich  überlieferten  Daten  jenes  Zeit- 
raumes. Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  uns  die  Tagesdaten 
in  allen  den  Fällen,  wo  eine  Zahl  in  verschiedenen  Quellen 
verschieden  abgerundet  worden  ist^  in  den  Stand  setzen,  die 
ursprüngliche  bis  auf  Jahr  und  Tag  genaue  Angabe  der 
Amtszeit  wiederzufinden,  und  auf  diese  Art  gewinnen  auch 
die  geringeren  Listen,  insoweit  sie  von  einander  unab- 
hängig sind,  ihre  Bedeutung  für  die  Ermittelung  der  Zeit- 
rechnung. Für  den  ältesten  Zeitraum  freilich  bis  auf  Petros  I. 
kann  eine  solche  Wiederherstellung,  wie  wir  sie  unten  geben 
werden,  nur  ein  Versuch  heissen;  denn  weun  auch  keines- 
wegs alle  späteren  Chronographen  aus  Eusebios  geschöpft 
haben  ^),  so  liegt  doch  bei  der  Mehrzahl  derselben  die  Be- 
fürchtung nahe,  dass  sie  die  Jahre  der  ältesten  Patriarchen 
zugeschnitten  haben,  um  den  Märtyrertod  des  Markos  in  ein 

1)  Ein  Znrflckgehen  auf  die  authentischen  Listen  lässt  sich  z.  B. 
bei  den  gegen  Ensebios  polemisirenden  ägyptischen  Chronographen 
Anianos  nnd  Panodoros,  zwei  Hauptgew&hrsmännem  des  Synkellos, 
mit  Fug  voraossetzen. 


412  VERZEICHNISS 

ihnen  passender  dünkendes  Jahr  zu  bringen:  wir  sind  also 
selten  sicher,  dass  wir  es  nicht  statt  mit  abweichender  Ab- 
rundungy  vielmehr  mit  willkürlicher  Verkürzung  der  ursprüng- 
lich überlieferten  Zahl  zu  thuu  haben.  Dagegen  können  für 
die  drei  folgenden  Jahrhunderte  des  alexandrinischen  Patri- 
archats, während  welcher  uns  gleichzeitige  authentische  An- 
gaben als  Gorrectiv  nie  ganz  fehlen,  die  auf  diesem  Wege 
erzielten  Resultate  einen  hohen  Grad  von  Sicherheit  in  An- 
spruch nehmen.  Von  Theodoros  an^  der  unter  Phokas 
Patriarch  wurde,  verliert  die  Liste  des  XQOvoyQatpetov  ihren 
zuverlässigen  Charakter.  Dagegen  ändert  sich  gerade  von 
dieser  Zeit  an  die  des  Eutychios,  welche  bis  dahin  wegen 
vielfacher  Schreibfehler  und  Interpolationen  nur  wenig  in 
Betracht  kommen  konnte,  sehr  zu  ihrem  Vortheil  und  ist 
uns  schon  jetzt  die  vorzüglichste  für  die  Zeit  der  moslemi- 
schen Herrschaft,  die  einzige  Quelle  für  die  Geschichte  des 
melchitischen  Patriarchats  von  Alexandrieu.')  Für  den  letz- 
teren Zeitraum  sind  die  Amtsjahre  der  Patriarchen  nach 
Jahren  der  Hegra  gemessen;  wir  haben  weiter  nichts  zu 
thun,  als  einen  Irrthum  des  Eutychios,  der  das  Todesjahr 
des  Ghristophoros  (233  Hegra)  für  das  des  Sophronios  I. 
gehalten  hat,  zu  beseitigen  und  darnach  die  Amtsjahre 
der  vorangegangenen  Patriarchen  zu  berichtigen,  und  die 
gelegentlichen  Erwähnungen  derselben  in  anderen  Quellen 
einfach  daneben  zu  stellen:  aus  der  vollständigen  Ueberein- 
stimmung  wird  sich  dann  die  Bi<^htigkeit  unserer  Herstellung 
von  selbst  ergeben.  Von  der  Zeit  des  Eutychios  bis  ins 
vorige  Jahrhundert  sind  wir  nur  durch  zwei  Listen  der 
Patriarchen  ohne  Angabe  der  Amtsdauer,  die  Le  Quien   zu 


1)  Ich  braache  als  Belbstverständlich  wohl  kaum  noch  besonders 
in  Erinnerung  zu  bringen,  dass  die  Urtheile,  welche  ich  hier  und  sonst 
über  den  Werth  oder  ünwerth  der  Chronographen  fälle,  sich  nur  aaf 
die  das  alexandrinische  Patriarchat  betreffenden  Abschnitte  beziehen 
und  nicht  ohne  Weiteres  verallgemeinert  werden  dürfen:  so  sind  z.  B. 
die  von  Eutychios  gegebenen  Listen  der  Patriarchen  von  Antiochien 
und  Jemsalem  auch  für  die  vormoslemische  Zeit  die  relativ  besten  von 
allen  uns  erhaltenen. 


DER  PATRIARCH KN  VON  ALEXANDRIEN.  413 

Gebote  standen^  mangelhaft  genug  unterrichtet:  ein  Uebel- 
stand,  der  freilich  leicht  zu  verschmerzen  ist^  da  dieses 
alexandrinische  Melchitenpatriarchat  im  Laufe  des  zwölften 
Jahrhunderts  zu  einer  Filiale  des  constantinopolitanischen 
Patriarchats  herabgesunken  ist  und  alle  nationale  Bedeutung 
eiugebusst  hat  (vgl.  Renaudot  S.  157).  Wir  müssen  uns  für 
diese  Periode  darauf  beschränken,  die  Le  Quienschen  Listen 
in  ihrer  ursprünglichen  Form  wiederherzustellen,  indem  wir 
die  ergänzenden  Combinationen  des  Herausgebers  in  An- 
merkungen verweisen:  Le  Quien  schaltet  nämlich  vier  in  beiden 
Listen  fehlende  Namen  aus  der  Zeit  von  1019 — 1118  da, 
wo  es  ihm  passend  schien,  ein  und  muss  so  nicht  weniger 
als  drei  Lücken  annehmen,  was  wenig  wahrscheinlich  ist. 
Die  Auslassung  kann  eine  absichtliche  gewesen  sein,  indem 
die  Unrechtmässigkeit  der  Wahl,  oder  Heterodoxie,  oder 
sonst  etwas  die  Zusammensteller  bewog,  mehrere  Patriarchen 
hintereinander  aus  den  Listen  zu  streichen;  noch  wahrschein- 
licher aber  ist  es,  dass  gar  keine  Lücke  vorliegt  und  dass 
die  von  Le  Quien  ergänzten  Namen,  von  denen  keiner  ganz 
gesichert  ist,  theils  auf  Missverständniss  beruhen,  theils  in 
Const^ntinopel  ordinirten  Patriarchen  in  partibus  angehören: 
in  Bezug  auf  Jerusalem  hat  Le  Quien  selbst  ein  solches  Ver- 
hältniss  für  das  Ende  des  zehnten  Jahrhunderts  wahrschein- 
lich gemacht  (III  S.  482). 

Für  die  ungleich  wichtigere  Geschichte  des  monophy- 
sitischen  Patriarchats  ist  Severus  von  Ashmunin  unser 
sicherster  Führer.  Die  Behandlung  der  Zeitrechnung  nimmt 
bei  ihm  mit  dem  Ende  des  siebenten  Jahrhunderts  einen 
völlig  neuen  Charakter  an:  von  nun  an  werden  die  Amts- 
zeiten der  Patriarchen  häufig  in  Jahren  und  Monaten  an- 
gegeben, die  Vacanzen  ziemlich  regelmässig  verzeichnet, 
endlich,  was  noch  wichtiger  ist,  treten  auch,  anfangs  selten, 
später  immer  häufiger,  bestimmte  Jahresangaben  nach  Dio- 
cletianischer  Aera  und  chronologische  Gharakterismen  auf, 
nicht  nur  Verbindungen  des  Wochentages  mit  dem  Monats- 
tage, sondern  mitunter  auch  Bezeichnung  der  Stellung  des 
Datums    im    österlichen   Jahre.      Ohne   Zweifel    hängt   dies 


414  VEBZEICHNISS 

damit  zusammen,  dass  der  Arbeit  des  Severus  bis  700  das 
Geschichtswerk  des  Georgios  zu  Grunde  liegt,  der  die  Amts- 
zeiten aller  früheren  Patriarchen  nur  nach  vollen  Jahren 
bestimmt  und  nur  bei  den  letzten,  deren  Zeitgenosse  er  war, 
genauere  Angaben  geliefert  hatte:  von  700  an  aber  schöpft 
Severus  im  Wesentlichen  aus  zeitgenössischen  Aufzeichnungen. 
Dass  wir  ihn  bei  der  Herstellung  der  Zeitrechnung  zu  Grunde 
legen,  bedarf  daher  keiner  Rechtfertigung.  Vom  Jahre  880 
an,  mit  welchem  Severus  schliesst,  ändert  sich  der  Charakter 
unserer  Quellen  und  nöthigt  uns  zu  einem  eklektischen  Ver- 
fahren. Michael  von  Tanis,  dem  Fortsetzer  des  Severus,  habein 
bis  zum  Jahre  1004  keine  zeitgenossischen  Aufzeichnungen 
vorgelegen,  daher  müssen  neben  ihm  auch  die  übrigen  Quellen 
berücksichtigt  werden,  und  von  1004  an  treten  £bn  Rahib, 
Elmakin  und  Makrizi  als  völlig  gleichberechtigte  Zeugen 
neben  Michael  und  die  ihn  fortsetzende  von  Manhüb  ben 
Mansür  angelegte  Sammlung,  da  sie  ausser  den  Verfassern 
der  Patriarchengeschichte  noch  andere,  in  der  Zeitrechnung 
oft  sorgföltigere  Autoritäten  zu  ßathe  gezogen  haben. 

Die  Normen,  welche  sich  mir  für  die  Feststellung  der 
Chronologie  des  Zeitraumes  von  700  bis  in  die  Mitte  des 
13.  Jahrhunderts,  wo  unsere  besten  Quellen  abbrechen,  er- 
geben haben,  sind  diese.  Die  Zeitbestimmungen  nach  He^ra- 
Jahren  bei  jakobitischen  Historikern  sind  gänzlich  werthlos, 
da  sie  ausser  in  den  sehr  seltenen  Fällen,  wo  sie  als  Zeit- 
genossen Tag  und  Jahr  mit  dem  christlichen  Datum  ver- 
gleichen, jene  Angaben  erst  dem  Ergebnisse  einer  Rechnung 
verdanken,  bei  der  nicht  einmal  die  Differenz  zwischen  dem 
arabischen  Mond-  und  dem  alexandrinischen  Sonnenjahre  in 
Betracht  gezogen  worden  ist.  Dasselbe  gilt  von  den  An- 
gaben nach  Jahren  moslemischer  Herrscher:  die  Gleichgiltig- 
keit  der  jakobitischen  Geschichtsschreiber  in  Betreff  ihrer 
Herren  ist  so  gross,  dass  selbst  da,  wo  es  sich  um  Zeit- 
genossen und  nicht  um  einen  blossen  Synchronismus,  son- 
dern um  ein  Eingreifen  derselben  in  die  Geschicke  der 
ägyptischen  Christen  handelt,  mitunter  die  unglaublichsten 
Fehler  begangen  werden.     Auf  authentischer  Ueberlieferung 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  415 

berahea  einzig  und  allein  die  Jahre  nach  Diocletianischer 
Aera  und  die  ihnen  gleich  zu  achtenden  Eharä^'ahre.  Eine 
Vergleichung  der  Stellen ,  an  denen  die  Letzteren  erwähnt 
werden,  ergiebt,  dass  es  vom  1.  Moharrem  366  Heg.  ^=  1.  Thoth 
693  Diocl.  =  29.  August  976  n.  Ch.  an  laufende  alexandrini- 
sche,  aber  in  der  Aera  der  Hegra  fortzählende  Sonnenjahre 
sind,  nach  denen  unter  der  Herrschaft  der  Fatimidendynastie 
bei  der  Erhebung  der  Eharag  (der  Grundsteuer)  gerechnet 
worden  ist:  man  kann  sie  ihrer  Natur  nach  mit  den  In- 
dictionsjahren  vergleichen;  mit  denen  sie  auch  bis  auf  drei 
Tage  zusammenfallen.  Da  das  binnen  Kurzem  durch  alle 
Jahreszeiten  laufende  He^ajahr  für  ^  eine  Regelung  von 
Steuern  (vollends  wenn  diese  etwa  von  den  Bauern  in 
Naturallieferungen  erhoben  werden)  so  unbequem  wie  mög- 
lich ist,  so  war  die  Neuerung  eine  augenscheinlich  zweck- 
mässige und  scheint,  wie  sich  aus  der  häufigen  Erwähnung 
in  der  Patriarchengeschichte  folgern  lässt,  als  solche  von 
den  Christen  anerkannt  worden  zu  sein.  Der  Ghalif  Mustas- 
hir  schaffte  das  Eharä^ahr,  vermuthlich  weil  es  einer 
koranischen  Vorschrift  direct  widerstreitet,  im  Jahre  501 
Hegr.  (1108)  wieder  ab  (Renaudot  p.  489).  Noch  zuver^ 
lässiger  freilich  als  die  Jahresangaben  nach  Diocletianischer 
und  Eharägära  sind  die  oben  erwähnten  chronologischen 
Charakterismen,  in  denen  man  hier  wie  in  anderen  Fällen 
die  eigentlichen  Marksteine  für  die  Zeitrechnung  zu  erkennen 
hat.  Allen  derartigen  Angaben  wohnt  ein  so  untrQglicher 
Charakter  inne,  dass  ich  ihnen  auch  in  den  Fällen,  wo  sie 
nur  in  Quellen  zweiten  Banges  aufbewahrt  waren,  sobald 
nur  einmal  ermittelt  war,  dass  sie  wirklich  überliefert  und 
nicbt  etwa  bloss  durch  Rechnung  gefunden  waren  ^),  un- 
bedingtes Gewicht  für  die  Herstellung  der  Chronologien  ein- 
räumen und  ihnen  selbst  entgegenstehende  Zeitangaben  aus 
sonst  besseren  Quellen  unterordnen  zu  müssen  geglaubt  habe. 
Wo   der   Monatstag   der   Ordination   eines   Patriarchen 

1)  Für  die  Ansscheidnng  der  künstlichen  Charakterismen  und 
der  durch  Bückrechntmg  gefundenen  Diocletianiachen  Jahre  ist  bereits 
in  der  Quellenkritik  die  erforderliche  Anweisung  gegeben  worden. 


416  VERZKICHNISS 

überliefert  ist,  so  ist  damit,  wenn  auch  nicht  in  allen,  so  doch 
in  den  meisten  Fällen,  eine  Handhabe  zur  Berichtigung  der 
Zeitrechnung  gegeben.  Von  der  altkirchlichen  Bestimmung 
nämlich,  dass  die  Ordination  nur  an  Sonn-  und  hohen  Fest- 
tagen vorgenommen  werden  sollte,  die  auffalligerweise,  wie 
die  Beispiele  des  Athanasios  und  Eyrillos  lehren,  gerade  in 
der  Glanzperiode  des  alexandrinischen  Episkopats  nicht  ein- 
gehalten worden  ist,  sind  die  Jakobiten  wenigstens  in  der 
späteren  Zeit  kaum  je  abgegangen.  Wir  haben  die  aus- 
drückliche  Angabe  des  Severus  (bei  ßenaudot  p.  177),  dass 
bei  Gelegenheit  der  Einsetzung  des  Patriarchen  Isaak  im 
Jahre .  690  von  seinem  Anhange  der  alte  Brauch  wieder 
eingeschärft  und  mit  Berufung  auf  ihn  die  Ordination  seines 
Nebenbuhlers,  des  Diaconus  Georgios  von  Xois,  hintertrieben 
wurde.  Wir  würden  also  in  allen  Ordinationsdaten  zuver- 
lässige chronologische  Kriterien  haben,  wenn  nicht  nach- 
weislich öfters  der  Tag  der  Wahl  oder  der  Inthronisation 
statt  des  Ordinationstages  genannt  worden  wäre.  Unter 
diesen  Umständen  habe  ich  der  Rücksicht  auf  dieses  Her- 
kommen der  jakobitischen  Kirche  nur  insoweit  Einfluss  auf 
die  Herstellung  der  Zeitrechnung  gestattet,  dass  ich  da,  wo 
zwei  verschiedene  Angaben  sich  gegenüberstanden,  der  den 
Vorzug  gegeben  habe,  welche  die  Ordination  auf  einen  Sonn- 
tag bringt. 

Von  der  Mitte  des  dreizehnten  bis  in  die  Mitte  des 
vierzehnten  Jahrhunderts  müssen  wir  uns  an  Abulberekät 
halten,  dessen  Liste  übrigens  schon  seit  1131  einen  zuver- 
lässigen Charakter  angenommen  hat.  Du  Bemats  Katalog, 
der  für  die  frühere  Zeit  aus  Abulberekät  abgeschrieben  ist, 
ist  von  da  an,  wo  dieser  aufhört,  bis  zum  Anfange  des  acht- 
zehnten Jahrhunderts  die  einzige  Quelle,  in  der  uns  die  Amts- 
dauer der  Patriarchen  überliefert  ist.  Die  Liste  ist  von 
allen  bisherigen  Bearbeitern  dieses  Theiles  der  Patriarchen- 
geschichte als  ganz  werthlos  verworfen  und  grundsätzlich 
ignorirt  worden,  ohne  dass  irgend  ein  triftiger  Grund  fQr 
diese  Zurücksetzung  angegeben  worden  wäre.  Da  sie  die 
Vacanzen  nicht  angiebt,  die  unter  der  Mamlukenherrschaft 


i 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  417 

oft  genug  über  ein  Jahr  dauerten,  so  lässt  sich  aas  ihr  da, 
wo  ihr  nicht  gelegentlich  andere  Erwähnungen  zur  Seite 
stehen  y  die  Zeitrechnung  der  Patriarchen  nur  annähernd 
wiederherstellen.  Allein  dies  thut  ihrer  Glaubwürdigkeit  so 
wenig  Eintrag  y  wie  der  Umstand ,  dass  bei  zwei  Nummern 
die  Zehner  ausge&Uen  sind.  Das  eine  Mal,  bei  den  Jahren 
des  Matthäus  I.,  lässt  sich  der  Fehler  aus  dem  Zeitgenossen 
Makrizi  yerbesaem,  dessen  sorgfältige  Angaben  über  mehrere 
Patriarchen  aus  der  Zeit  von  1381  — 1427  (in  Quatrem^res 
Memoires  sur  TEgjpte  II  p.  220  ff.)  die  Daten  des  Du  Ber- 
natschen  Katalogs  vollkommen  bestätigen.  So  ist  es  denn 
nur  der  Zeitraum  von  Matthäus  IL  bis  auf  Gabriel  YIL,  .von 
der  Mitte  des  fünfzehnten  bis  in  die  Mitte  des  sechzehnten 
Jahrhunderts^  über  dessen  Herstellung  wir,  da  an  den  Amts- 
jahren irgend  eines  der  in  Betracht  kommenden  Patriarchen 
40  Jahre  abgefallen  sind,  in  Ermangelung  anderweitiger 
Zeitbestimmungen  zu  keinem  sicheren  Resultate  gelangen 
können. 

üeber  die  Zählungsweise. 

Markos  ist  anfangs  in  der  Reihe  der  Patriarchen  nicht 
mitgezählt  worden,  wie  ihm  denn  auch  in  keiner  älteren 
Liste  eine  bestimmte  Amtsdauer  beigelegt  wird.  Daher 
rechnet  Ensebios  den  Alexandros  als  den  achtzehnten  Patri- 
archen, Hieronymus  den  Petros  11.  als  den  zwanzigsten  (die 
drei  arianischen  Gegenpatriarchen  Gregorios,  Georgios  und 
Lukios  werden  natürlich  als  Eindringlinge  nicht  mit  berück- 
sichtigt), Anianos  bei  Synk.  p.  59,  6  den  Theophilos  als  den 
zweiundzwanzigsten.  Aber  im  sechsten  Jahrhundert  rechnet 
Lat  Montf.  den  Markos  als  ersten,  den  Anianos  als  zweiten 
Patriarchen  und  so  alle  Späteren,  sowohl  Melchiten  als  Jako- 
biten.  Bei  den  Letzteren  hat  sich  eine  feste  officielle  Zählungs- 
weise ausgebildet,  die  sich  in  allen  ihren  Listen  wiederfindet 
und  nach  der  sich  die  Patriarchen  selbst  im  sechzehnten  Jahr- 
hundert in  ihren  Briefen  an  die  romischen  Päpste  bezeichnen. 
Sie  schliesst  die  arianischen,  und  seit  dem  Goncil  von  Ghalkedon 
alle  nichtjakobitischen  Bischöfe  aus,  verfährt  dann  aber  sehr 

T.  ChJTscBMZD,  Kleine  Sohrlften.   IL  27 


418  VERZEICHNISS 

folgerichtig.^)  Erst  in  neuerer  Zeit  ist  einiges  Schwanken  in 
die  Zählung  gekommen,  wahrscheinlich  durch  das  ephemere 
Patriarchat  eines  nur  aus  Makrizi  bekannten  Michael  (1427), 
welcher  in  den  officiellen  Aufzeichnungen  übergangen,  in 
einzelnen  Listen  aber  mitgerechnet  war:  der  Katalog  der 
Patriarchen  von  Alexandrien,  der  in  die  Chronik  von  Axum 
(Cod.  Aethiop.  Bodlej.  XXVI  fol.  96 — 99)  aufgenommen  wor- 
den ist,  schliesst  nach  Dillmann  mit  dem  achtnndneunzigsten, 
Gabriel,  der  sich  aber  selbst  dem  Papste  Clemens  VII.  gegen- 
über den  siebenundneunzigsten  Patriarchen  nennt  Es  lässt 
sich  jedoch  nachweisen,  dass  diese  ezclusive  Zählungs weise 
in  den  jakobitischen  Quellen  nicht  von  jeher  befolgt  worden 
ist.  In  der  Erzählung  von  der  Translation  S.  Joannes  des 
Kleinen  unter  dem  30.  Mesori  im  koptischen  Synaxar  (bei 
Quatrem^re,  Memoires  sur  l'Egypte  I  p.  160)  wird  Joannes  IV., 
nach  den  späteren  Jakobiten  der  vierzigste  Patriarch  von  Ale- 
xandrien,  der  zweiundvierzigste  genannt.  Diese  Zahl  lässt 
sich  nur  so  erklären,  dass  der  ältesten  Zählung  der  alexan- 
drinischen  Kirche  gemäss  Markos  und  die  drei  Arianer- 
patriarchen  übergangen ,  Dioskoros  als  vierundzwanzigster 
gerechnet  und  vom  Concil  von  Chalkedon  an  alle  wirklich 
regierenden  Patriarchen,  also  auch  die  Synoditen  Proterios^ 
Timotheos  Salophakialos  und  Joannes  Tabennesiotes,  gezählt 
wären:  so  erhielt  Theodosios,  nach  den  späteren  Jakobiten 
der  dreiunddreissigste  Patriarch,  die  fünfunddreissigste  Stelle. 
Ob  sich  bei  den  Melchiten  die  Zählungsweise  jemals  in  ähn- 
licher Weise  fest  gestaltet  hat,  wie  bei  den  späteren  Jako- 
biten, wissen  wir  nicht;  einer  ebenso  starren  Durchfilhrung 
des  entgegengesetzten  synoditischen  Standpunktes  stellten 
sich  gleich  von  vornherein  eigenthümliche  principielle  und 
praktische  Schwierigkeiten  entgegen:  sollte  man  den  Dios- 
koros, dem  die  Eigenschaft  eines  rechtmässigen  Nachfolgers 
des  Kyrillos  ebensowenig  wie  die  eines  Erzketzers  bestritten 

1)  Vielleicht  hängt  die  Aufstellung  dieser  auf  dem  Standpunkte 
der  jakobitischen  Orthodoxie  stehenden  Liste  mit  der  Anordnung  des 
Patriarchen  Jakob  zusammen,  dass  alle  seine  Vorgänger  bis  auf  Mar- 
kos II.  in  der  Liturgie  erwähnt  wflrden. 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  419 

werden  konnte ^  mitrechnen  oder  nicht?  und  wie,  misslich, 
dann  für  alle  die  58  Jahre^  während  welcher  das  Henotikon 
galt,  fQr  die  20  Jahre  des  monotheletischen  Patriarchats 
fingirte  Yacanzen  ansetzen  zu  müssen!  Die  Chronographen 
konnten  sich  darauf  natürlich  nicht  einlassen  und  zählen 
einfach  alle  thatsächlichen  Patriarchate:  da  die  Melchiten 
nichts  Anderes  als  die  Hofkirche  waren,  so  ist  es  im  Grunde 
genommen  auch  die  dem  melchitischen  Principe  am  besten 
entsprechende  Methode,  als  rechtmässige  Patriarchen  aller  die 
zu  betrachten,  welche  von  der  kaiserlichen  Regierung  ein- 
gesetzt oder  doch  anerkannt  worden  sind.  Nur  darüber 
herrschte  unter  den  Chronographen  Schwanken,  ob  die 
arianischen  Patriarchen  mitzuzählen  wären  oder  nicht.  Für 
die  Ausschliessung  hat  sich  Lat.  Montf.,  für  die  Aufnahme 
Nikephoros  entschieden-,  das  Verfahren  des  XQOvoyQag)Btov 
6vvto(iovy  welches  Gregor  und  Georg  übergeht,  aber  Lukios 
mitzählt,  verdient  als  planlos  keine  Beachtung.  In  dem 
Weglassen  der  drei  liegt,  man  mag  es  betrachten  wie  man 
wolle,  eine  Inconsequenz:  in  den  Augen  der  Kirche  waren 
Timotheos  Ailuros,  Petros  Mongos  und  ihre  Nachfolger  genau 
ebenso  arge  Ketzer  wie  die  Arianerpatriarchen,  vom  Stand- 
punkte des  Hofes  betrachtet  aber  war  die  Legitimität  dieser 
Letzteren  viel  weniger  zweifelhaft  als  z.  B.  die  des  Synoditen 
Joannes  Tabennesiotes.  Andererseits  aber  entspricht  die  Aus- 
scheidung der  arianischen  Patriarchen  den  Traditionen  der 
alexandrinischen  Kirche.  Auch  wir  haben  uns  der  nach- 
weislich ältesten  Zählungs weise,  welche  den  Markos  und  die 
Arianer  ausschliesst,  angeschlossen,  um  so  mehr,  da  diese 
allein  für  Melchiten  und  Jakobiten  bezeugt  ist.  Markos  ist 
von  der  alexandrinischen  Kirche  selbst  in  der  älteren  Zeit 
als  der  Schutzheilige  des  Patriarchats,  aber  nicht  als  der 
erste  Patriarch  angesehen  worden.  Dass  die  Folgenden  von 
Anianos  an  historische  Personen  gewesen  sind,  braucht  füg- 
lich nicht  bestritten  zu  werden;  damit  ist  aber  freilich  noch 
nicht  gesagt,  dass  sie  als  Bischöfe  im  späteren  Sinne  des 
Wortes  aufeinander  gefolgt  sind.    Für  die  früheste  Erwähnung 

eines  christlichen  Patriarchen  in  Alexandrien  gilt  die  in  dem 

27* 


420  VERZEICHNISS 

Briefe  Hadrians  an  Serviauus  bei  Vopiscus  SaturDin.  8^  der 
wahrscheinlich  im  Jahre  132  geschrieben  ist  (s.  Clinton^ 
F.  R.  n  p.  20)*),  sie  würde  also  nach  der  traditionellen 
Chronologie  in  die  Zeit  des  Eumenes  fallen.  Allein  Hadrian 
sagt  von  dem  Patriarchen^  er  werde,  wenn  er  nach  Aegypten 
komme,  von  den  Einen  gezwungen,  den  Serapis,  von  den 
Anderen  Christus  anzubeten:  folglich  war  weder  sein  Sitz  in 
Aegypten  noch  seine  Religion  die  christliche,  und  man  kann 
Gratz  (Geschichte  der  Juden  IV  S.  155)  nur  beipflichten, 
wenn  er  die  Stelle  auf  den  jüdischen  Patriarchen  in  Tiberias 
bezieht.  Wenn  auch  die  Namen  der  ältesten  Bischöfe  echt 
sind,  so  ist  es  doch  hinsichtlich  der  beigeschriebenen  Amts- 
jahre sehr  fraglich,  ob  sie  auf  geschichtlicher  Ueberlieferung 
beruhen.  Die  Jahre  der  ersten  sieben  nach  Markos  zeigen 
eine  grosse  Symmetrie,  die  noch  auffalliger  wird,  wenn  man 
unter  Beiseitelassuug  der  überschüssigen  Monate  nur  die 
vollen  Jahre  ins  Auge  fasst**): 
[1.  Markos] ) 


=  45  J.  7  Mon. 


=  45  J.  7  Mon. 


^    .    .         i 22J.  — Mon. 

2.  Anianos  ) 

3.  Abilioa       12  J.  10  Mon.  1      33  J.    7  Mon. 

4.  Eerdon      10  J.    9  Mon. ) 

5.  Primos       12  J.    2Mon.l      23J._Mon. 

6.  Justos        10  J.  10  Mon.l 

7.  Eumenes    12  J.    4Mon.|_ 22J.    7 Mon. 

8.  Markos      10  J.     3  Mon.J 

Dass  eine  solche  ebenmässig  durchgeführte  Gliederung  Zufall 
sein  sollte,  ist  schwer  glaublich.  Vielmehr  scheint  mir  die 
Anordnung  der  Liste  ein  stummes  Zeugniss  dafür  abzulegen, 

*)  [Vgl.  Gatachmid  zn  Sharpes  Geschichte  Egyptens  II  S.  146  f. 
F.  R.] 

**)  [Zu  der  nachfolgenden  Tabelle  ist  am  Rande  bemerkt:  „Zn 
modificiren*^  In  welchem  Sinne  y.  Gutechmid  diese  Modification  yor- 
genommen  wissen  wollte,  erhellt  aus  seiner  Besprechung  der  Hamack- 
schen  Schrift  „Die  Zeit  des  Ignatius"  in  der  Theologischen  Literatur- 
zeitung 1880  Spalte  76 ff.,  unten  Abschnitt  XIV  No.  3,  insbesondere 
S.  77  f.  des  Originaldrucks.  Vgl.  hierzu  auch  Lipsius,  Neue  Studien 
zur  Papstchronologie  II,  2.  Jahrbücher  für  protestantische  Theologie 
1880  S.  246—262;  286—293.     Lps.] 


DEft  PATRIABCIIEN  VON  ALEXANDRIEN.  421 

dass  die  histoiiSche  Zeitrechnung  erst  mit  dem  neunten 
Bisehofe  Eeladion  (seit  152  n.  Ch.)  beginnt.  Da  man  sich 
nun  zu  der  Zeit,  als  man  diese  Liste  aufstellte,  der  Amts- 
zeiten der  unmittelbar  vorhergegangenen  Bischöfe  bis  etwa 
40  Jahre  rückwärts  wohl  noch '  erinnert  haben  wird,  so  kann 
man  ihre  Entstehung  und  den  damit  vermuthlich  verbundenen 
Anfang  gleichzeitiger  Aufzeichnungen  mit  einiger  Wahrschein- 
lichkeit um  190  n.  Oh.  ansetzen.  Dieser  Zeitpunkt  empfiehlt 
sich  auch  von  anderer  Seite:  er  trifft  zusammen  mit  den 
Bestrebungen  des  Bischofs  Demetrios  um  die  Regelung  der 
Osterfeier,  mit  der  Blüthezeit  eines  Clemens  von  Alexandrien 
und  den  Anfangen  einer  christlichen  Chronographie  in  Ale- 
xandrien. 

Verzeichniss  der  Patriarohen  von  Alexandrien."^) 

1.  Markos  I.,  der  Evangelist,  verkündigte  in  Alexandrien 

das  Christenthum  und   setzte  den  Anianos  zum  Bischof  ein 

im  siebenten  Jahre  Neros  (Eusebios   Arm.    XQovoyg.  övvt, 

Chron.  or.)  61   n.  Ch.,  sass  neben  Anianos  2  Jahre  (Acta 

8.  Marci  Latina.  XQovoyg.  övvr,  Nikeph.  Sev.,  während  ihm 

in  den  ttltesten  Quellen,  Eus.  und  Lat.  Montf.  und  noch  bei 

Synk.  Abulb.  und  Makr.  keine  Amtszeit  beigeschrieben  ist), 

ward  ergriffen  an  der  „festivitas  nostri  paschatis  id  est  do- 

minicus  dies  sanctus'^  am  29.  Pharmuthi  solis  (nach  Anleitung 

des  Chron.  or.  aus  den  Lesarten  XX  oder  XXIY  herzustellen), 

a.  d.  VIII  Kai.  Mai.   (24.  Nisan,  Sev.  Chron.  or.  Elra.)  an 

den  Serapiaka  (die  aber  am  25.  April  gefeiert  werden),  und 

hingerichtet    am    folgenden    Tage,    nämlich    Montag,    den 

30.  Pharmuthi  im  neunzehnten  (sehr,  neunten)  Jahre  Neros, 

25.  April  63  n.  Ch.     So  die  ältere  lateinische  Becension  der 

Acta  S.  Marci  §  7.  12  bei  SoUerius.**)    Dass  die  Verlegung 

des  Martyriums  auf  Ostern,  die  übrigens  in  den  von  Baronius 

benutzten  Acten  ganz  fehlt^  nur  in  falscher  Ausdeutung  eines 

altchristlichen,  nicht  den  österlichen,  sondern  jeden  Sonntag 

*)  [Hier  hat  Gutschmid  am  Rande  bemerkt:  „Die  Zeitrechnung 
ist  zu  berichtigen".    Lps.] 

**)  [Ueber  die  verschiedenen  Recensionen  der   Acta  Marci   vgl. 
LipsiuB,  Die  apokryphen  Apostelgeschichten  U,  2  S.  329  ff.    Lps.] 


422  VERZEICHNIS8 

bezeichnenden  Ausdruckes  ihren  Grund  hat,  das  Todesjahr 
mithin  nicht^  um  ein  wenigstens  annäherndes  Zutreffen  zu 
ermöglichen ;  mit  Severus  in  64  n.  Gh.  gerückt  werden  darf, 
hat  SoUerius  genügend  dargethan.  Die  übrigen  Zeitangaben, 
in  denen  augenscheinlich  zwei  yerschiedene  Traditionen  ver- 
schmolzen  sind,  lassen  es  allerdings  zweifelhaft  erscheinen, 
ob  die  Charakterismen  besser  auf  das  Jahr  62  oder  63 
passen,  dafür  aber,  dass  wenigstens  der  Bearbeiter  der  Acta 
das  letztere  im  Sinne  gehabt  hat,  ist  das  beigefügte  Kaiser- 
jähr  entscheidend,  das  sich  unter  dieser  Voraussetzung  mit 
Leichtigkeit  emendiren  lässt.  In  diesem  Sinne  haben  ihre 
Quelle  auch  die  jüngeren  von  Henschen  herausgegebenen 
Acta  S.  Marci,  das  arabische  Leben  des  Markos  und  das 
aus  diesem  schopfende  Chronicon  Orientale  verstanden,  indem 
sie  das  Martyrium  des  Evangelisten,  um  seine  Anwesenheit 
beim  Tode  des  Petrus  und  Paulus  möglich  zu  machen,  bis 
in  das  Jahr  68  hinabrücken,  welches  ganz  dieselben  Cha- 
rakterismen hat,  wie  das  Jahr  63. 

2.  Anianos  (Ananios  Eus.  Arm.,  Hanänjä  oder  Ananja 
Makr.,  Hailanjä  Eut),  seit  dem  siebenten  Jahre  Neros  =  61 
n.  Ch.,  sass  22  Jahre,  anfangs  neben  Markos,  dann  allein, 
f  20.  Athyr  im  zweiten  Jahre  Domitians  =  16.  November  82. 

3.  A biliös  (Avillius  Lat.  Montf. ,  AtßCkkios  Nikeph., 
daraus  Al^LiXiog  Synk.  Gr.  Montf.,  Milios  Abulb.  Bern.,  Melioä 
Acta  S.  Marci.  Synax.,  Melianos  Ebnr.,  Filitius  d.  L  MsXiriog 
Eut.)  sass  12  Jahre  9  Monate  (Elm.  Makr.),  f  1.  Thoth 
(Sev.  Ebnr.  Synk.)  im  fünfzehnten  Jahre  Domitians  (Eut. 
Sev.)  =  30.  August  95. 

4.  Eerdon  (Kerdänös  d.  i.  KsQScavig  Sev.,  Eerdianos 
Bern.,  Kerthiano  Makr.,  Kerdios  Eut.)  sass  10  Jahre  (Synk. 
Eui)  oder  11  Jahre  (Lat.  Montf.  Eus.  Sev.  Makr.),  f  11.  Payni 
(Abulb.  Ebnr.)  im  neunten  Jahre  Trajans  (Hieron.)  =  5.  Juni 
106  oder  21.  Payni  (Sev.  Synax.). 

5.  Primos  (Phrim  Peiresc.)  sass  12  Jahre,  f  3.  Mesori 
im  zweiten  Jahre  Hadrians  (nach  Anleitung  des  Eut.)  = 
27.  Juli  118. 

6.  Justos  (Jostos  Eus«  Arm.  Synax.,  Justinos  Nikeph. 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  423 

Bern.)  sass  10  Jahre  (Sync.  Eut)  oder  11  Jahre  (Lat  Montf. 
Eu8.  Sev.  Makr.),  f  12.  Payni  (Sev.  Abulb.  Makr.  Ebnr. 
im  Texte)  im  dreizehnten  Jahre  Hadrians  (Eus.  H«  E.)  s= 
6.  Juni  129. 

7.  Eumenes  (Eumenios  Gr.  Montf.  Eut.  und  sämmtliche 
Jakobiten,  Hymeneus  Hieron.)  sass  12  Jahre  (Eus.)  oder  13 
Jahre  (Lat.  Montf.  Eus.  Synk.  Sev.),  f  10.  Phaophi  im  fönften 
Jahre  Antonius  (Hieron.  Sev.  Elm.)  =  7.  October  141. 

8.  Markos  ü.  (Markianos  Synk.  Nikeph.  Eut.  und  die 
Jakobiten)  sass  10  Jahre  (Lat.  Montf.  Eus.  Synk.  Eut. 
Abulb.),  t  6.  Tybi  (Sev.  Ebnr.  Elm.  Makr.  Synax.)  im  fünf- 
zehnten Jahre  Antonius  (Sev.  Elm.  und  indirect  Eut.)  = 
2.  Januar  152. 

9.  Keladion  (Eelärios  d.  i.  Kskadiog  Eut.,  Eeladianos 
Bern.  Synax.,  Eelandianos  Peiresc.  Sev.  Ebnr.  Elm.,  Eelauthiano 
Makr.,  Gelaudion  ^ieron.  cod.  Petav.,  Calendion  vel  Celadion 
Hieron.  cod.  Fux.*),  Calendion  Lat  Montf.)  sass  14  Jahre 
6  Monate  (Ebnr.),  f  9.  Epiphi  (Ebnr.  Elm.  Makr.  Synax.)  im 
sechsten  Jahre  des  Marcus  und  Commodus  (Hieron.)  =»  3.  Juli  166. 

10.  Agrippinos  (Agripinos  Lat.  Montf.  Eus«  Arm. 
Graec.  Montf.,  Grippones  Peiresc,  Agrippios  Eut.  Abulb.) 
sass  12  Jahre,  f  5.  Mechir  (im  achtzehnten  Jahre  des 
Marcus  und  Commodus)  =  30.  Januar  178. 

11.  Julian  OS  (Julios  Synk.,  Jolianos  Synax.,  Lolianos 
Sev.)  sass  10  Jahre,  f  8.  Phamenoth  (Ebnr.  Makr.  Synax.) 
(im  achtundzwanzigsten  Jahre  des  Marcus  und  Commodus) 
=  4.  März  188. 

12.  Demetrios  sass  43  Jahre  (Lat.  Montf.  Eus.  Synk. 
Eut.  Sev.),  t  12.  Phaophi  (Ebnr.  Synax.)  nicht  lange  nach 
dem  Weggange  des  Origenes,  im  zehnten  Jahre  Alexanders 
(denn  dass  dies,  nicht  das  zwölfte  Jahr  bei  Eusebios  in  der 
Eirchengeschichte  die  richtige  Lesart  ist,  ergiebt  sich  aus 
seiner  eigenen  Rechnung)  =»  9.  October  230.  Uebrigens 
halte  ich  es  für  ausgemacht,  dass  jenes  Datum  aus  der 
Lebensgeschichte  des  Origenes  dem  Eusebios  nicht  wirklich 

*)  [Nach   Schöne  lesen  Cod.   Fnx.   Celadion,   Bong.   Gelaudion 
Petav.  Caelaudion.    F.  £.] 


424  VERZEICHNISS 

überliefert;  sondern  von  ihm  erst  aus  dem  durch  Rechnung 
für  den  Tod  des  Demetrios  gefundenen^  hier  zufällig  mit  der 
wahren  Zeitrechnung  übereinstimmenden  Jahre  abstrahirt 
worden  ist. 

13.  Heraklas  (Herakles  Eus.  Arm.,  Hirqal  d.  i.  'Hqcc- 
xXsiog  Eut.,  Hierokles  Peiresc.  Sev.  Synax.  Ebnr.,  verschrieben 
in  Theokläs  Abulb.  Makr.)  sass  16  Jahre  (Lat.  Montf.  Eus. 
Synk.  Elm.  Makr.),  f  8.  Choiak  im  vierten  Jahre  des  Philippus 
(Eus.  Arm.)  =  4.  December  246. 

14.  Dionysios  sass  17  Jahre  (Lai  Montf.  Eus.  Synk. 
Eut.  Sev.),  t  13.  Phamenoth  (Sev.  Synax.)  im  elften  Jahre 
Galliens  (Eus.  Chron.)  =  9.  März  264.  Eine  andere  Tra- 
dition hält  einen  zweiten  Gedenktag,  den  3.  Thoth  (Elm. 
Makr.  Kai.  Seiden.;  17.  Thoth  Synax.)  für  seinen  Todestag, 
der  dann  mit  Eusebios'  Eirchengeschichte  in  das  zwölfte  Jahr 
Galliens  fallen  und  dem  31.  August  264.  entsprechen  würde. 

15.  Maximos  (Maximianos  Nikeph.)  sass  18  Jahre 
(Eus.  Eut.  Sev.),  f  14.  Pharmuthi  (im  siebenten  Jahre*  des 
Probus)  =  9.  April  282.  *Babnüda  sass  nach  Maximos 
6  Monate,  entmannte  sich  selbst  und  ward  deshalb  im  Athyr 
(des  ersten  Jahres  des  Carus,  in  welches  Eus.  Arm.  und  Sev. 
den  Antritt  des  Theonas  setzen)  =  November  282  abgesetzt 
und  aus  der  Liste  der  Patriarchen  gestrichen.  So  Abul- 
berekat,  der  seine  Eenntniss  dem  Junis  von  Damiat  ver- 
dankte und  ausdrücklich  hervorhebt,  dass  Severus  den  Bab- 
nüda  übergangen  habe.  Auch  die  anderen  Listen  schweigen 
über  ihn,  nur  Ebn  Bahib  verzeichnet  wenigstens  an  dieser 
Stelle  eine  einjährige  Vacanz.  —  Ein  ägyptischer,  aber  nicht 
alexandrinischer  Bischof  Paphnutios  verfocht  auf  dem  Concil 
von  Nikäa  mit  Wärme  die  Priesterehe,  obwohl  er  selbst  von 
Jugend  an  das  Keuschheitsgelübde  streng  beobachtet  hatte 
(Sokr.):  sollte  auf  diesen  etwa  von  der  Sage  die  That  des 
Origenes  übertragen  und  er  durch  irgend  eine  Verwechselung 
der  Reihe  der  alexandrinischen  Bischöfe  einverleibt  worden 
sein?  Immerhin  treten  die  Angaben  des  Junis  zu  bestimmt 
auf,  um  sie  ohne  weiteres  zu  verdammen. 

16.  Theonas  (Theonus  Hieron.,  Närön  d.  i.  &siov  Eut), 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  425 

dessen  drittes  Jahr  Severus  einen  Abschnitt  machen  lässt 
(weil  in  dieses  der  Anfang  der  Diocletianischen  Aera, 
29.  August  284,  fallt),  sass  18  Jahre  (Lat.  Montf.)  oder 
19  Jahre  (Eus.  Sjnk.  Eut.  Sev.  Elm.),  f  2.  Tybi  (im  sieb- 
zehnten  Jahre  Diocletians)  =  28.  December  300. 

17.  Petros  L,  Martyr  (Lat.  Montf.  Nikeph.  Xgovoyg. 
tSvvt.  Graec.  Montf.)  oder  Hieromartyr  (Theoph.  Ebnr.), 
regierte  nach  Eusebios'  Eirchengeschichte  12  Jahre^  davon 
nicht  volle  drei  vor  dem  Anfange  der  Verfolgung  im  März 
303,  und  ward  im  neunten  Jahre  der  Verfolgung  hingerichtet. 
Sein  Todestag  ist  nach  dem  MagtVQiov  xov  ayiov  [eQOficcQ- 
tvQog  xal  aQ%iB%L6x6n(yv  'AXs^avÖQsiag  IlitQov  (Illustr.  mar- 
tyr. triumphi  ed.  Franc.  Combefis.  Paris  1660.  8^  p.  214) 
dem  ältesten  lateinischen  Martyrologium  Usuardi,  dem  maro- 
nitiscben  Martyrologium  und  den  als  älteste  Geschichtsquelle 
besonders  wichtigen  Exe.  Lat.  barbari  der  25.  November,  nach 
sämmtlichen  jakobitischen  Chroniken  und  Ealendarien  der 
29.  Athyr,  zwei  Tage,  die  sich  nur  in  dem  dem  Julianischen 
Schaltjahre  vorausgehenden  Jahre  nicht  decken.  Zählt  man 
die  Jahre  der  Verfolgung  von  März  bis  März,  so  fällt  Petros' 
Martyrium  auf  den  29.  Athyr  28.  Diocl.,  welcher  gerade  in 
dem  entsprechenden  Jahre  311  n.  Gh.  nicht  dem  25.,  son- 
dern dem  26.  November  gleich  ist,  der  sich  nur  in  dem 
späteren  Martyrol.  Rom.  als  sein  Gedenktag  verzeichnet 
findet.  So  erhalten  wir  für  die  Amtszeit  des  Petros  nicht 
wie  Eusebios  meint  12,  sondern  nicht  ganz  11  Jahre,  und 
so  viele  geben  dem  Petros,  offenbar  nach  Eusebios,  das 
XQovoyg.  6vvr.  Theoph.  Nikeph.  und  Makr.  Ebn  Bahib 
giebt  ihm  10  Jahre  333  Tage,  berechnet  sie  aber  im  Texte 
vom  10.  bis  20.  Diocl.,  also  im  Widerspruch  damit  nur  zu 
nicht  vollen  10  Jahren;  die  Osterchronik  wiederholt  die 
12  Jahre  des  Eusebios,  berechnet  sie  aber  vom  16.  bis 
16.  (sehr.  26.)  Diocl,  also  auch  nur  zu  10  Jahren  (p.  514 
Bonn.).  Bedeutsamer  als  dies  ist  der  Widerspruch  des  Eu- 
sebios mit  sich  selbst,  dessen  von  Samuel  wiedergegebener  An- 
satz im  Chron.  Arm.  dem  Petros  10  Jahre  gab;  dieselbe  Zahl 
wiederholt  die  lateinische  Liste  Montfaucous,  deren  Zeugniss 


426  VERZEICHNISS 

als  das  eiuer  alten  yon  Eusebios  unabhängigeu  Quelle  beson- 
ders schwer  ins  Gewicht  fallt,  Graec.  Montf.,  Eutych.  und 
Bern.  Nimmt  man^  was  sehr  nahe  liegt,  an,  dass  in  Eu- 
sebios' Quelle  ägyptisch  datirt  war,  d.  i.  dass  das  erste  Jahr 
der  Verfolgung  vom  März  303  bis  zum  Schluss  des  laufen- 
den ägyptischen  Jahres,  29.  August  303,  gerechnet,  die  fol- 
genden Jahre  der  Verfolgung  aber  den  ägyptischen  gleich- 
gesetzt waren,  so  erhält  man  für  Petros'  Amtszeit  allerdings 
ziemlich  10  Jahre  und  sein  Martyrium  föUt  auf  den  29.  Athyr 
27.  DiocL,  der  dem  25.  November  310  n.  Gh.  entspricht.  Auf 
diese  Weise  ist  die  Concordanz  der  lateinischen  und  der 
jakobitischen  Quellen  hinsichtlich  des  Datums  hergestellt; 
nur  so  lässt  sich  ferner  (was  wir  hier  gleich  vorwegnehmen 
wollen)  die  überlieferte  Zahl  für  Alexandros  retten,  und  da 
man  so  wie  so  die  von  Eusebios  in  der  Eirchengeschichte 
dem  Petros  gegebenen  12  Jahre  nur  als  das  Ergebniss  einer 
unbedachten  Addition  von  drei  nicht  vollen  und  neun  nicht 
vollen  Jahren  verwerfen  muss,  so  ist  es  auf  jeden  Fall  kriti- 
scher, sich  an  die  von  Eusebios  selbst  in  seinem  anderen 
Werk;^  gegebene,  auch  anderweitig  gut  bezeugte  Zahl  von 
10  Jahren  zu  halten,  statt  eine  Mittelzahl  zu  wählen. 

Vacanz  nach  Gelasius  Gyzicenus  ein  Jahr,  ein  offenbares 
Missverständniss ,  das  sich  am  einfachsten  daraus  erklärt, 
dass  Achillas  erst  in  dem  auf  Petros'  Tod  folgenden  Juliani- 
schen Jahre  ordinirt  wurde. 

18.  Achillas  (Achilas  Nikeph.,  Ashilä  Eut.,  Archillas 
Peiresc,  Arshillä  Abulb.,  Archelaos  Chron.  or.  Bern.,  Arse- 
laos  Makr.)  sass  nach  der  genauesten  Angabe  des  Gelasius 
Gyzicenus  5  Monate,  also  seit  Januar  311  (Tybi  27.  DiocL), 
unter  welchem  Jahre  (2328  Abr.)  ihn  Hieronymus  nach 
Petav.  und  anderen  guten  Codices  anmerkt*),  und  f  19.  Payni 
(27.  Diocl.)  «»  13.  Juni  311.  Die  Ansätze  seiner  Amtsdauer 
zu  7  Monaten  bei  Eusebios  Chron.  Arm.  oder  zu  6  Monaten 
20  Tagen  bei  Ebn  Bahib  und  Elmakin  rechnen  vom  Tode 
des  Vorgängers   an.     Die  verbreitetste  Annahme  (bei  Eut. 

*)  [Nach  Schöne  nur  der  Fuxensis  unter  2828,  alle  anderen  Hand- 
schriften, auch  Peta?.,  unter  2327.    F.  R.] 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN. 


427 


imd  Sev.,  verschrieben  im  Lat.  Montf.)  bestimmt  seineu  Epi- 
skopat auf  6  Monate. 

Die  Zeiten  der  berühmten  Bischöfe  Alexandros  und 
Athanasios  sind  schon  in  den  ältesten ,  fast  zeitgenossischen 
Quellen  in  sehr  abweichender  Weise  bestimmt  worden,  wie 
dies  die  folgende  Tabelle  veranschaulicht: 

Tod  des  Achillas  19.  Payni  (27.  Diocl.)  =  13.  Juni  311. 

19.  Alexandros  I. 
15  J.  (Lat.  Montf.) 


sass 


Alexandros  sass  17  J.  (Eus. 
Chron.,  daraus  XgovoyQ.  övvt,) 
oder  16  J.  (Eut.  Sev.) 
in   seinem    15.  Jahre   (Eut.   Ebnr.)   wurde   das   Concil   von 

Nikäa  abgehalten,  19.  Juni  325. 


Dauer  des  Goncils  bis  YIII. 
Kai.  ßept.  Paulino  et  luliano 
coss.  =  25.  August  325.  (Cres- 
conii  collectio  Canonum  apud 
Heinichen  ad  Eus.  vit.  Const. 
III,  10;  die  kurze  Dauer  be- 
stätigen alle  authentischen 
Quellen.) 


Dauer  des  Goncils  3^^  J. 
vom  15.  April  (324)  bis  in 
den  September  (327)  (Acta 
Metrophanis  et  Alexandri  ap. 
Phot.  256  p.  471  f.  Bekk.; 
spätere  Orientalen  bei  Benau- 
dot  p.  71.  82),  nämlich  von 
seiner  Ausschreibung  bis  zum 
Zusammentritt  1  J.  2  Mon. 
(Eutych.  I  p.  441)  und  die 
eigentliche  Sitzungszeit  2  J. 
und  darüber  (Severus  u.  A. 
bei  Renaudot  p.  76). 
Alexandros  starb  kaum  5  Monate  nach  der  durch  das 
Concil  von  Nikäa  verfügten  Wiederaufnahme  der  Mel^ianer 
(Athanas.  Apologia  contra  Arianos  59  bei  Montf.  1, 1  p.  178  A) 
oder  5  Monate  nach  dem  Concil  von  Nikäa  (Theodoret)  oder 
in  der  Frist  von  5  Monaten  nach  seiner  Bückkehr  von  Nikäa 
(Lib.  synodicus  über  die  Synodus  Caesariensis  Palaestinae  in 
den  Acta  conciliorum  stud.  Labbei  et  Cossartii  [Paris  1671. 
fol.]  II  p.  85  A)  oder  in  demselben  Jahre,  in  welchem  das 
Concil  von  Nikäa  stattfand  (Epipb.  Haer.  69,  der  damit 
schwerlich  etwas  Anderes  sagen  will,  als  dass  Alexandros 
noch  vor  Umlauf  eines  Jahres  gestorben  sei),  und  zwar  am 
22.  Pharmuthi  (Vorbericht  zu  den  Festbriefen  des  heiligen 


428 


VERZEICHNISS 


Athanasios  S.  26,  Exe.  Lat.  barbari,  Chron.  Pascb.   p.  530 
und  Bämmtliche  jakobitiscbe  Chroniken  und  Kaiendarien) 


also  22.  Pharmuthi  (42.  Diocl.) 
=  17.  April  326. 


also  22.  Pharmuthi  (44.  Diocl.) 
(Vorher,  z.  d.  Pestbriefen,  Hist. 
aceph.)  =  17.  April  328. 
Yacanz  3  Monate  nach  Epiph.  Haer.  69  ^  nämlich  ein 
voller  und  zwei  angerissene. 

20.  Athanasios  I.^  der  Grosse  (Nikeph.)  oder  der  Apo- 
stolische (Synax.  Ebnr.  Abulb.  Makr.),  ordinirt  14.  Payni 
(Vorbericht  zu  den  Festbriefen;  Hist.  aceph.), 


also  =  (Mittwoch)  8.  Juni  326 
[starb  im  46.  J.  (Rufinus,  dessen 
Angaben,  wenn  sie  mehr  als 
ein  ungenauer  Ausdruck  wären, 
mit  keiner  von  beiden  Rech- 
nungen stimmen  würden)] 
sass  46  J.  (Sokrates  (Sozom.), 
Eyrillos,  Lat.  Montf.  Exe.  bar- 
bari,  Xgovoyg.  0vift.y  dieselbe 
Zahl  verschrieben  im  Graec. 
Montf.,  Theoph.,  welcher  ihn 
40  davon  unter  Verfolgungen 
zubringen  lässt,  was  stimmt, 
wenn  man  sie  vom  8.  Juni 
326  bis  1.  Februar  366  rechnet; 
Eutych.  Chron.  or,  (welches 
die  ihm  mit  Ebnr.  Makr.  ge- 
meinsame Angabe  von  46  J. 
auf  46  J.  15  Tage  präcisirt) 
und  Nikephoros,  in  dessen  Ur- 
texte die  Specialangaben  aus- 
gefallen, aber  bei  Anastasius, 
wenngleich  in  den  Zehnern 
wunderlich  entstellt^  erhalten 
sind:  Athanasios  42  (sehr.  12)  J., 
Gregorios  46  (sehr.  6)  J.,  Atha- 
nasios zum  zweiten  Male  48 


also  =  [Sonnabend]  8.  Juni  328 


sass  45  J.  (Vorher,  z.  d.  Fest- 
briefen des  heiligen  Athanasios 
Hist.  aceph.,  mit  dem  Zusätze, 
dass  er  davon  17  J.  6  Mon. 
20  Tage  auf  der  Flucht  zu- 
gebracht) 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN. 


429 


(sehr.  8)  J.,  Georgios  49  (sehr. 
9)  J.,  Aihanasios  zam  dritten 
Male  im  Ganzen  46  J.;  beide 
Rechnungen  scheinen  hier  ver- 
mischt worden  zu  sein,  indem 
Gregors  Amtszeit  mit  B  in 
die  Jahre  339  —  345  gesetzt, 
die  Amtsdauer  des  wiederein- 
gesetzten Athanasios  aber  mit 
A  auf  8  Jahre  beschränkt 
und,  um  zu  dem  einstimmig 
überlieferten  Todesjahre  Georgs 
zu  gelangen,  dessen  Amtszeit 
falschlich  auf  9  Jahre  be- 
stimmt ward 

oder  47  Jahre  (Sev.,  der  ihn 
die  ersten  22  davon  unter 
Verfolgungen,  die  übrigen  25 
in  Frieden  zubringen  lässt 
und  zum  Wendepunkt  seine 
Wiedereinsetzung  durch  Con- 
stans  macht,  die  er  also  348 
zu  setzen  scheint.  47  Jahre 
giebt  ihm  im  Texte  auch 
Abulb.,  der  aber  mit  Lat. 
Bernat.  nur  46  in  Rechnung 
bringt), 


schrieb  47  Festbriefe  (Sev.)  d.  i. 
Epiph.  327  bis  Epiph.  373. 


(13  Jahre  bis  57.  Diocl.  = 
Ostern  341  zu  berechnen,  wie 
sich  aus  dem  Folgenden  er- 
giebt ,  also  seit  328 :  wahr- 
scheinlich aber  sind  die  zwei 
Jahre  Exil  in  Gallien  abge- 
zogen), Gregorios  12  J.  und 
Athanasios  wieder  3  J.  (Der 
Zwischenraum  von  15.  J.,  57. 
Diocl.  (341)  bis  72.  Diocl.  (356) 
kommt  richtig  heraus,  ist  aber 
in  Folge  der  Verwechselung 
der  Dauer  von  Athanasios' 
dritter  Amtsdauer  mit  seiner 
zweiten,  die  allerdings  3  J. 
54.  Diocl.  (Herbst  337)  bis 
57.  Diocl.  (Ostern  341)  dauerte, 
falsch  vertheilt),  Georgios  6  J., 
72.  Diocl.  =  Ostern  356  bis 
78.  Diocl.  =  Ende  361), 
schrieb  45  Festbriefe  (Vorher.) 
d.  i.  Epiph.  329  bis  Epiph.  373. 


430  VERZEICHNISS 

Athanasios  reist  von  Alexasdrien  zur  Synode  von  Tyros 
ab  17.  Epiphi  (51.  Diocl.)  =  11.  Juli  335  (Vorher.)  und  wird 
nach  Treveri  verhannt  am  10.  Athyr  (52.  Diocl.)  «=  7.  Nov. 
335  (Vorher.)  im  30.  Jahre  Gonstantins  (Sokr.  Theod.),  ein 
Jahr  virenige  (d.  i.  6)  Monate  vor  dessen  (am  22.  Mai  337 
erfolgten)  Tode  (Theod.).  Dauer  der  Abwesenheit  des  Atha- 
nasios von  Alexandrien  28  Monate  11  Tage  (diese  im  Texte 
der  Hist.  aceph.  ausgefallene  Zahl  ergiebt  sich^  wenn  man 
die  Dauer  der  übrigen  Exile  von  der  angegebenen  Summe 
von  17  Jahren  6  Monaten  20  Tagen  abzieht^  und  stimmt 
genau  mit  den  Daten  des  Vorberichtes)  oder  2  Jahre 
4  Monate  (Theodoret.^  der  aber  diese  Zahl  ungenau  auf  das 
Exil  in  Treveri  überträgt). 

Rückkehr  des  Athanasios  am  27.  Athyr  [54.  Diocl.]  = 
23.  November  337  (Vorbericht). 

Hiermit  stimmt  vollkommen  übereiU;  dass  der  achte  und 
neunte  Festbrief,  die  an  den  Epiphaniasfesten  der  Jahre  330 
und  337  hatten  erlassen  werden  soUeo ,  fehlen  und  es  im 
zehnten  Festbriefe  (erlassen  Epiphanias  338)  8.  113  heisst: 
„so  hat  er  uns  durch  viele  Prüfungen  und  Leiden  ....  zu 
seiner  heiligen  Kirche  hindurchgeleitet;  damit  wir  von  hier 
an  wiederum  nach  dem  Brauch  Euch  schreiben  und  auch 
von  Euch  Schreiben  empfangen  können".^) 

1)  Hiermit  ist  freilich  schwer  vereinbar,  was  im  Eingänge  des- 
selben Schreibens  S.  104  zu  lesen  ist:  „Denn  wenngleich  harte  Prüfungen 
mir  auferlegt  waren,  wozu  noch  die  weite  Entfernung  kam  ....  so 
fürchteten  wir,  weil  der  Herr  nunmehr  uns  stark  machte  und  in  nn- 
serm  Leide  tröstete,  auch  wenn  wir  mitten  in  solchen  Unbilden  und 
Schändlichkeiten  gefangen  waren,  keineswegs,  selbst  von  den  Enden 
der  Erde  her  zu  schreiben,  um  Euch  unser  erlösendes  Osterfest  anzu- 
zeigen. Auch  den  Presbytern  von  Alexandrien  schrieb  ich,  mit  dem 
Wunsche,  dies  Schreiben  durch  sie  an  Euch  gelangen  zu  lassen"; 
und  S.  106:  „Denn  wenn  uns  auch  der  Ort  trennt,  so  hat  uns 
doch  der  Herr  ....  in  dem  Bande  des  Friedens  versammelt".  Hier 
lässt  sich  kaum  ein  anderer  Ausweg  denken,  als  der,  dass  Athanasios 
den  Brief  schon  vor  dem  27.  November  337  geschrieben  hatte  und  bei 
der  Veröffentlichung  nur  den  Schluss  der  neuen  Sachlage  gemäss  um- 
änderte. Eine  ähnliche  Incongruenz  zwischen  Eingang  und  Schluss 
zeigt  auch  der  dritte  Festbrief,  in  welchem  es  S.  70  heisst:  „Denn 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN. 


431 


Athanasios  zum  zweiten  Male 
im  Amte  3  J.  (ergiebt  sicli  aus 
Eutych.  8.  oben).  Synode  von 
Antiocbia  iv  totg  iyxaivioig . . . 
VTOxtala  MaQXsXkCvov  %al  ITqo- 
ßivov,  tvdixtimvog  i8\  ixet  ov- 
xog  KoDVötavtivov  vov  aösßs- 
öxaxov  (Athanas.  De  Synodis 
c  25  ap.  Montf.  I,  2  p.  737  D). 
Ganz  dieselben  Angaben  hat 
Sokrates  mit  dem  Zusätze  ^i/ 
8%  xefiTCtov  hog  zovto  anl 
tijg  tslsvtfig  zov  naxQog  xäv 
Avyovöxmv  K(ovöxavx£vov. 
Diese  Zeitbestimmung  allein 
hat  Sozom.;  Theoph.  nennt 
dasselbe  Jahr  oder  5833  d.  W. 
Also  im  Jahre  341,  für  welches 
auch  durch  ein  Gesetz  im  Cod. 
Theodos.  V,  14, 1  p.  323  Wenck. 
vom  12.  Februar  Constantins 
Anwesenheit  in  Antiochien  be- 
zeugt ist 

In  Folge  derselben  Atha- 
nasios vertrieben  und  (21.) 
Gregorios  eingesetzt  iv  uvxfi 
x^  iyüc  xsööaQaxotSxfj  tcsqI  xb 
%a6xa  ( A  tb .  Encyclica  ad  episco- 
pos  c.  4  bei  Montf.  1, 1  p.  114), 
also  zwischen  13.  Phamenoth 
und  23.  Phamenoth  (genauere 
Daten  22.  Phamenoth  =«  18. 
März  und  26.  Phamenoth  = 
22.  März)  (57.  Diocl.)  «  341. 


Athanasios  aus  A  exandrien 
vertrieben  am  22.  Phamenoth 
(55.  Diocl.)  =  18.  März  339 
(Vorbericht);  tinter  demselben 
Jahre  =  2356  merkt  Hieron. 
den  Beginn  der  Verfolgungen 
des  Athanasios  durch  die 
Arianer  an.  Dauer  der  Ab- 
wesenheit des  Athanasios  von 
Alexandrien  90  Monate  (ver- 
zählt statt  91  Monate)  3  Tage 


/ 


wenn  wir  auch  gefangen  gehalten  werden  von  nnsern  Unterdrdckern, 
so  dafls  wir  ihretwegen  Euch  den  Tag  nicht  anzeigen**,  was  dann  S.  76 
in  aller  Ausführlichkeit  ganz  in  der  gewohnten  Weise  geschieht 


432  VERZEICHNISS 


(Hist.  aceph.).  (21.)  Grego- 
rios,  eingesetzt  am  26.  Pha- 
menoth  (55.  Diocl.)  =  22.  März 
339  (Vorbericht)  0,  war  im 
Amte  6  Jahre  (Rufin.  Theod. 
Theoph.  Anast.  Sev.). 


1)  Hiermit  verträgt  sich  vortrefflich,  dass  der  zwölfte  Festbrief, 
der  Epiphanias  840  hätte  erlassen  werden  sollen,  fehlt,  der  dreizehnte 
aber  (geschrieben  Epiphanias  341)  nach  Athanasios'  eigenen  Worten 
S.  129  von  Rom  aus  geschickt  ist.  Es  ist  dies  dasselbe  Billet,  welches 
der  Vorbericht  irrthümlich  an  die  Stelle  des  zwölften  auf  Epiphanias 
340  fallenden  Festbriefes  gesetzt  hat;  indem  in  beiden  Jahren  Ostern 
anf  denselben  Tag,  den  4.  Pharmuthi,  fiel,  denn  in  der  Nachricht,  die 
uns  der  Vorbericht  über  das  damals  von  den  Arianem  bei  der  Be- 
stimmung des  Osterfestes  begangene  Versehen  giebt,  finden  offenbar 
die  Worte  des  Athanasios  S.  141  ihre  Erläuterung:  „der  Ostertag  fällt 
auf  in.  Eal.  April,  d.  i.  nach  den  Alexandrinern  der  4.  Pharmnthi,  und 
Niemand  hege  Zweifel  in  Betreff  des  Tages,  auch  trete  keiner  dagegen 
mit  der  Behauptung  auf:  es  sei  angemessen,  Ostern  am  27.  des  Monats 
Phamenoth  zu  feiern.  Denn  auf  der  heiligen  Synode  fand  deshalb  eine 
Verhandlung  statt  und  Alle  bestimmten  den  Tag,  der  auf  lU.  Eal. 
April.,  ich  meine  auf  den  4.  des  Monats  Pharmuthi  fällt^S  Die  Bezug- 
nahme auf  die  Synode  sichert  das  Jahr  846.  Auch  bei  den  Jahren 
341—344  muss  sich  in  den  Angaben  des  Vorberichtes  eine  Umstellung 
oder  sonstige  Verwirrung  eingeschlichen  haben,  welcher  des  dreizehnten 
\  und  vierzehnten  Festbriefes  als  gar  nicht  erlassen,  des  fünfzehnten  und 
sechzehnten  aber  als  noch  erhalten  gedenkt,  während  sich  aus  unserer 
Sammlung  gerade  der  umgekehrte  Sachverhalt  herausstellt.  Der  Fall 
steht  nicht  vereinzelt  da:  was  der  Vorbericht  hinsichtlich  des  dritten 
Festbriefes  bemerkt,  bezieht  sich,  wie  eine  Vergleichung  des  Textes 
S.  77  —  80  darthut,  offenbar  auf  den  vierten.  Nicht  aber  würde  es 
stimmen,  wenn  der  dem  laut  der  Subscriptio  von  Rom  aus  geschriebenen 
Brief  an  den  Serapion  beigeschlossene,  diesem  zur  Mittheilung  an  die 
Bruder  geschickte  Osterbrief  (S.  127)  der  elfte  (Epiphanias  839  ge- 
schriebene) gewesen  wäre,  wie  dies  die  Ansicht  des  Anordners  der 
jetzigen  Sammlung  gewesen  ist.  Aber  der  elfte  enthält  nicht  die 
leiseste  Anspielung  auf  Verbannung  oder  Drangsale,  die  Athanasios 
zur  Zeit  seiner  Abfassung  auszustehen  gehabt  hätte,  ist  vielmehr  ganz 
so,  wie  wir  ihn  von  dem  Epiphanias  339  noch  im  Amte  befindlichen 
Bischöfe  erwarten  dürfen.  Der  dem  Briefe  an  Serapion  beigeschlossene 
Festbrief  kann  nur  der  dreizehnte  (möglicherweise  auch  ein  verlorener 
zwölfter)  gewesen  sein.   Mit  der  Notiz  der  Subscriptio  scheinen  allerdings 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN. 


433 


Synode  von  Sardika:  ivde- 
xatov  irog  lyv  «äo  zijg  xbXsv- 
zrjg  tov  TcatQog  täv  dvo 
Avyovözcn/ j  v%atoi  d\  rjöav 
^Povfptvog  Tcal  Eveißiog  nach 
Sokrates  und  Sozomenos  also 
347;  aus  dem  ^,  elften  Jahre 
nach  Gonstantins  Tode^'  lässt 
sich  aber  nicht  beweisen^  dass 
die  Synode  den  22.  Mai  347 
zusammentrat:  als  erstes  Jahr 
ist  das  Todesjahr  337  ge- 
rechnet u.  s.  f.,  wie  wir  denn 
oben  die  Synode  von  Antio- 
chien^  die  vor  Mai  341  fällt, 
in  das  fiinfte  gesetzt  fanden. 


Vereitelter  Anschlag  des 
Arianerbischofs  Stephanos  von 
Antiochien  gegen  die  vom 
Concil  kommenden  Gesandten 
iv  avxalg  xalg  fj^iQaig  toi 
ayiandtov  %d6%a  (Äthan,  ad 
monach.  20  bei  Montf.  I,  1 
p.  355),  also  Ostern  348,  mög- 
licherweise aber  auch  347. 
Durch   den   Scandal,    welcher 


Synode  von  Sardika  343 
(Vorbericht),  womit  die  Er- 
neuerung einer  Bestimmung 
dieser  Synode  über  die  Oster- 
feier  in  der  kurzen  Benach- 
richtigung des  Athanasios  an 
die  Presbyter  und  Diakonen 
von  Alexandrien,  die  den  acht- 
zehnten, Epiphanias  346  zu 
erlassenden  Festbrief  ersetzen 
sollte  (S.  141),  völlig  im  Ein- 
klänge ist.  Unmittelbar  vor- 
her war  Athanasios  in  Gallien 
(Äthan.  Apol.  ad  Gonst.  4  bei 
Montf.  I,  1  p.  298  A)  und  dar- 
auf bezieht  sich  die  Notiz  des 
Hieronymus  über  seine  Auf- 
nahme durch  den  Bischof 
Maximinus  von  Trier,  unter 
demselben  Jahre  =  2360  Abr. 


(die  Zeitrechnung  des  Vor- 
berichtes würde  Ostern  344 
ergeben). 


die  im  Briefe  selbst  vorkommenden  Worte  za  streiten:  „Dass  nicht 
wenn  alle  Welt  fastet,  wir  allein,  die  wir  in  Aegypten  leben,  wegen 
Nichtfasten  verspottet  werden",  woraus  man  folgern  könnte,  dass  Atha- 
nasios'sich  zur  Zeit,  als  er  dies  schrieb,  noch  in  Aegypten  verborgen 
gehalten  habe.  Allein  da  er  Epiphanias  340  auf  keinen  Fall  mehr  in 
Aegypten  gewesen  sein  kann,  so  wird  man  annehmen  müssen,  dass 
^^CK  ot  Alyvnzioi  oder  eine  ähnliche  Wendung  des  Originals  vom 
Uebersetzer  ungenau  wiedergegeben  worden  ist. 

▼.  OuTBCHMiD,  Kleine  Schriften.    II.  28 


434 


VERZEICHNISS 


die  Absetzung  des  Stephanos 
und  seine  Ersetzung  durch 
Leontios  zur  Folge  hat,  wird 
der  Kaiser  Constantius  so 
betroffen,  dass  er  die  Ent- 
lassung der  als  Anhanger  des 
Athanasios  nach  Armenien 
verbannten  alexan  dr  inische« 
Geistlichen  verfugt.  Ungefähr 
10  Monate  darauf  f  Gregorios 
(ad  mon.  21  ib.  1, 1  p.356C), 
also  Bückkehr  der  Geistlichen 
im,  Thoth  =  September  des- 
selben Jahres,  Tod  des  Gre- 
gorios 26.  Juni  des  folgenden 
Jahres.  Bückkehr  des  Atha- 
nasios, „da  Constantius,  wie 
er  selbst  an  Constans  schrieb, 
ihn  ein  ganzes  Jahr  lang  er- 
wartete und  während  dieser 
Zeit  keine  frische  Ordination 
oder  sonstige  dem  Athanasios 
ungünstige  Neuerung  zuge- 
lassen hatte,  sondern  ihm  die 
Kirchen  vorbeliielt"  (ad  mon. 
21  p.  356  D).  Dieses  Jahr  hat 
man,  weil  Athanasios  vor  dem 
am  18.  Januar  350  erfolgten 
Tode  des  Constans  zurück- 
kehrte (Theod.  II,  9.  Brief  des 
Constantius  an  Athanasios  ad 
mon.  24  p.  358  A),  allgemein 
von  der  Bückkehr  der  Gesandten 
von  Sardika  an  gerechnet:  in 
dem  Zusammenhange,  in  wel- 
chem es  Athanasios  erwähnt, 
kann  es  nach  allen  Begeln  einer 


(aus    dorn    Vorbericht    würde 
sich  September  344  ergeben). 


der  nach  den  Vorberichten  zu 
den  Festbriefen  den  2.  Epiphi 
erfolgt,  nach  diesen  aber  eines 
früheren  Jahres,  unklar  ob  61 
oder  62  Diocl.  Nur  das  erstere 
ist  zulässig,  also  26.  Juni  34;'). 
Theophanes  merkt,  die  Bech- 
nungen  A  und  B  vermengend, 
den  Tod  des  Gregorios,  trotz- 
dem dass  er  seine  sechs  Amts- 
jahre von  341  an  gerechnet 
hat,  unter  dem  Jahre  5836 
d.  W.  oder  344  n.  Ch.  an. 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIRN. 


435 


gesunden  Kritik  nur  als  vom 
Tode  des  Gregorios  an  ge- 
rechnet sein.  Der  Tag  der 
Rückkehr  ist  nach  der  Eist, 
aceph.  also:  Attentat  auf  die 
Gesandten  der  Synode  von 
Sardika  Ostern  347,  nicht  348, 
Rückkehr  der  Kleriker  nach 
Alezandrien  September  347. 
Tod  des  Gregorios  2.  Epiphi 
(64.  Diocl.)  —  26.  Juni  348, 
Rückkehr  des  Athanasios  24. 
Phaophi(66.  Diocl.)=21.  Octo- 
ber  349.  Hiermit  verträgt  sich 
auch  so  leidlich  das  Verzeich- 
niss  der  arianischen  Bischöfe 
von  Antiochien,  welches  die 
Amtszeit  des  Stephanos  in  die 
Jahre  345  —  350  zu  setzen 
scheint.  Die  erhaltenen  Listen 
scheiden  sich  in  zwei  Giassen, 
die  aber  beide  wieder  auf  ein 
einziges  gemeinsames  Urver- 
zeichniss  zurückgehen:  1)  Eu- 
tychios,  2)  XffovoyQ.  6vvt.; 
Syukellos  »  Theophanes  und 
Nikephoros,  von  welchen  die 
Letzteren  beide  wieder  unter- 
einander in  einem  engeren 
Zusammenhange  stehen.  Eu- 
tychios  hat  zwar  die  Episco- 
pate  der  yordiocletianischen 
Zeit  interpolirt  vorgefunden, 
ist  aber  für  die  nachdiocle- 
tianische  Periode  die  beste 
Quelle,  was  u.  A.  daraus  her- 


und  dem  Vorberichte  der  24. 
Phaophi,  nach  ihnen  aber  des 
Jahres  Oonstantio  IV  Con- 
staute  coss.  oder  63.  Diocl.  <== 
21.  October  346.  Dies  bestä- 
tigt der  neunzehnte  Festbrief 
(erlassen  Epiphanias  347),  in 
welchem  Athanasios  seiner 
Rückkehr    mit    den    Worten 

gedenkt:  „gelobt  sei  Gott 

weil  er  uns  aus  der  Ferne 
herbeigeführt  und  uns  wieder- 
um gestattet  hat,  getrosten 
Muthes  an  Euch  nach  der 
Gewohnheit  Festbriefe  zu  sen- 
den (S.  141).  Hieronymus 
merkt  die  Rückkehr  des  Atha- 
nasios nach  den  besten  Hand- 
schriften Fux.  Petav.  unter 
Abrah.  2362  =  345  an*),  also 
unter  dem  Todesjahre  des  Gre- 
gorios, und  setzt  nach  denselben 
Handschriften  [nach  Schone 
bloss  Fux.  F.  R.]  sich  gleich 
bleibend  den  Tod  des  Bischofs 
Maximos  von  Jerusalem,  von 
dem  Athanasios  damals  auf 
dem  Wege  nach  Alexandrien 
empfangen  worden  war  (Apol. 
c.  Arianos  57  bei  Montf.  I 
p.  175  A)  in  das  Jahr  2365= 
348. 


•)  [Nach  Schöne  Petav.  2361,  Freher.  Fux.  Midd.  2362.    F.  R.] 

28* 


436 


VERZEICHNISS 


vorgeht,  dass  er  zweimal,  wo 
in  den  anderen  Listen  Ver- 
schiebungen der  Amtsjahre 
und  in  Folge  davon  Ausfall 
einzelner  Nummern  eingetre- 
ten ist,  das  Richtige  bewahrt 
hat.  Für  die  uns  angehende 
Zeit  sind  feste  Punkte  die  Ab- 
setzung des  Eustathios  im 
Jahre  328  und  die  Versetzung 
des  Eudoxios  in  Constantinopel 
im  Jahre  360.  Die  Listen 
lauten: 

EntychioB 
Glasse  A.  Classe  B. 

EulalioB  11  J.       f  Eulalios  3  J. 

(3  +  8)  l  Euphronios  8  J. 
EnphronioB  2  J.     Phlakitos  12  J. 


Da  wir  aus  Theodoretos 
wissen,  dass  Eulalios  kurz, 
Euphronios  aber  ein  Jahr  und 
einige  Monate  regierte,  und 
aus  Sokrates,  dass  der  Wahl 
des  Euphronios  eine  acht- 
jährige Vacanz  vorausging,  so 
ergiebt  sich  folgende  auf  Euty- 
chios  begründete  Herstellung: 

Eulalios        328— 33  ^ 

Vacanz  339, 

Euphronios  341, 

Phlakitos  345, 

Stephanos  350, 

Leontios  358, 

Eudoxios  860. 

Da  die  Vacanzen,  wie  die 
Jahre  des  Eulalios  bei  Eutj- 
chios  lehren,  nicht  besonders 
verzeichnet,  sondern  in  die 
Amtszeit  des  nächstvorher- 
gehenden Bischofs  eingerech- 
net worden  sind,  so  ist  dieses 
Ergebniss,  dem  sich  auch 
sonst  die  einzelnen  Erwähn- 
ungen der  betreffenden  Bi- 
schöfe fügen,  mit  dem,  welches 
sich  unter  Ansetzung  der  Sy- 
node von  Sardika  im  Jahre 
347  aus  der  Geschichte  des 
Athanasios  ergeben  würde, 
zur  Noth  vereinbar. 
Athanasios     wiederum     im       Athanasios  nach  seiner  Rück- 

Amte   8  (Nikeph.)  oder  7  J.  kehr  von  Italien  im  Amte  9  J. 

(Sev.).  3  Mon.  19  T^e  (Bist  aceph.). 

*Ejtifpa)0ocov6fig  tTJg  xqo  %bvxb  bISAv  ^svQovaQimv,  tov- 

TtöTL  trjg  iS'  xov  MsxIq  fir^vog  .  . .  rotg  fistä  xiiv  vTCariav  Wp- 

ßaid'iavog  xal  KoXliavov  . . .  a%o6Bi%d^6oiiivoig  tmdtoig  Ver- 


Phlakitos  4  J. 
Stephanos  5  J. 
Leontios  9  J. 
Eudoxios  2  J. 


Stephanos  4  J. 

Leontios  8  J. 
Eudoxios  2  J. 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  437 

treibung  des  Athanasios  durch  Syrianos  (d.  L  72.  Diocl.)  «^ 
9.  Februar  356  (Ath,  ad  mon.  81  I,  1  p.  394.  395  D.  Bist, 
aceph.  und  Yorbericht).  Athanasios  auf  der  Flucht  72  Monate 
14  Tage  (EUst.  aceph.).  4  Monate  darauf  ergreifen  die  Arianer 
für  ihren  Bischof  Georgios  Besitz  von  den  Kirchen^  4  Tage 
nach  dem  16.  Payni^  8  Monate  11  Tage  vor  dem  30.  Mechir 
des  nächsten  Jahres^  am  21.  (sehr.  19.)  Payni  Gonstante  VIII 
luliano  coss.  (d.  i.  72.  Diocl.)  :==  13.  Juni  356;  übereinstimmend 
setzt  Sozomenos  die  Besitznahme  der  Kirchen  durch  die  Arianer 
in  den  Sommer  des  Jahres  nach  der  355  gehaltenen  Synode 
von  Mediolanum.  Von  hier  an  sind  die  sechs  Amtsjahre  des 
22.  Georgios  I.  (Eutych.)  gerechnet^  obgleich  er  selbst 
erst  am  30.  Mechir  Constantio  IX  luliano  II  coss.  (d.  i.  73. 
Diocl.)  =  24.  Februar  357  nach  Alexandrien  kam  (Hist. 
aceph.  Yorbericht).  Hierdurch  wird  die  Angabe  des  Ath. 
de  fuga  6  I^  1  p.  323  A  (und  aus  ihm  des  Sokrates  und 
Tbeodoret)^  Georgios  sei  ry  teööaQoxoöz'g  (im  Jahre  357,  der 
Zeit  Tom  16.  Mechir  —  26.  Phamenoth  entsprechend)  nach 
Alexandrien  gekommen,  näher  bestimmt  und  die  naheliegende, 
sich  aber  auf  kein  ausdrückliches  Zeugniss  stützende  Com- 
bination  älterer  Forscher,  unter  der  betreffenden  Fastenzeit 
sei  die  des  Jahres  356  gemeint,  widerlegt:  in  diesem  begann 
die  Quadragesima  erst  am  1.  Phamenoth.  Theophanes  hat 
die  Einsetzung  des  Georgios  unter  dem  richtigen  Jahre  5849 
d.  W.  es  357  n.  Gh.  angemerkt.  Georgios  behauptet  die 
Kirchen  18  Monate,  wird  bei  einem  Yolksaufstande  mit  Mühe 
gerettet  am  1.  Thoth  Tatianp  Cereali  coss.  (es  scheint^  dass 
hinsichtlich  des  Monates  ein  Versehen  untergelaufen  und 
vielmehr  1.  Epagomenentag  das  richtige  Datum  ist:  die  in 
der  Uist.  aceph.  p.  64  lin.  18  an  unrechter  Stelle  in  den  Text 
gerathene  Randglosse  „sive  ex  die  intercalariorum^'  scheint 
vielmehr  eine  Correctur  zu  p.  66  lin.  22  zu  sein);  verjagt  „die 
X.  factae  seditionis  (sehr,  mense  I  diebus  X)  hoc  est  Phaoph 
die  V"  (Hist.  aceph.  p.  64,  ebenso  der  Vorbericht),  d.  i.  75. 
Diocl.  =  2.  October  358.  9  Tage  darauf  werden  die  Arianer 
aus  den  Kirchen  vertrieben,  am  14.  Phaophi  =11.  October 
(Eist,  aceph.)-,  die  Anhänger  des  Athanasios  behaupten  die 


438  YERZEIGHNISS 

Kirchen  2  Monate  14  Tage  und  werden  daraus  vertrieben 
am  28.  Cboiak  =»  24.  December  (Hist.  aceph.).  19  Monate 
nach  Georgs  Vertreibung  am  29.  Pajni  Eusebio  Hypatio 
C0S8.  (359)  kommt  der  kaiserliche  Notar  Paulus  und  trifft 
Massregeln  zur  Befestigung  der  Autorität  desselben.  5  Monate 
(sehr.  2  Jahre  5  Monate)  nachher  kehrt  Georgios  selbst  nach 
Alexandrien  zurück^  3  Jahre  2  Monate  nach  seiner  Vertreibung, 
am  30.  Athyr  Tauro  Florentio  coss.,  d.  i.  78.  Diocl.  =  26.  No- 
vember 361  (Hist.  aceph.)  und  behauptet  sich  3  Tage  (ibid.). 
Georgios  von  den  Alexandrinern  eingekerkert  am  4.  Ghoiak 
=  30.  November,  24  Tage  gefangen  gehalten  und  getödtet  am 
28.  Choiak  =  24.  December  361  (Hist.  aceph.).  Theophanes 
giebt  ungenau  das  Jahr  5853  d.  W.  (welches  schon  mit  dem 
28.  August  361  abgelaufen  war)  als  Todesjahr  Georgs  an. 

Athanasios  kehrt  nach  Alexandrien  zurück  am  27.  Mechir 
post  cons.  Tauri  et  Florentii  (d.  i.  78.  Diocl.)  =»21.  Februar 
362  n.  Ch.  (Hist.  aceph.;  nur  den  Monat  nennt  der  Vorbericbt). 
Hieronymus  hat  die  Rückkehr  des  Athanasios  unier  dem 
richtigen  Jahre  2379  Abr.  angemerkt.  Er  ist  im  Amte 
8  Monate  bis  zu  seiner  Vertreibung  durch  Julianus  am 
27.  Phaophi  Mamertino  Nevitta  coss.  (d,  i.  79.  Diocl.)  = 
24.  October  362  (Hist.  aceph.    Vorbericht). 

Athanasios  auf  der  Flucht  in  Aegypten  und  auf  Reisen 
1  Jahr  3  Monate  22  Tage  (Hist.  aceph.)  bis  zu  seiner  Rück- 
kehr nach  Alexandrien,  die  nach  der  Hist.  aceph.  am 
19.  Athyr  (sehr.  Mechir)  loviano  Varroniano  coss.  (d.  i.  80. 
Diocl.)  e=  14.  Februar  364  n.  Ch.  erfolgte  (der  Vorbericht  nennt 
den  25,  Mechir  =  20.  Februar).  Die  Arianer  herrschen,  nach- 
dem Athanasios  sich  auf  sein  Landgut  am  neuen  Flusse  zurück- 
gezogen hatte, '  4  Monate  (dieselbe  Zahl  bei  Solurates)  vom 
8.  Phaophi  Valentiniano  Valente  coss.  (d.  i.  82.  DiocL)  = 
5.  October  365  bis  zu  seiner  Zurückrufung  am  7.  Mechir 
Gratiano  Dagalaipho  coss.  (d.  i.  82.  Diocl.)  =»  1.  Februar  366 
(Hist.  aceph.;  der  Vorbericht  nennt  nur  das  Jahr).  Entychios 
und  Makrizi  berechnen  diese  Zwischenherrschaft  der  Arianer 
auf  5  (nicht  volle)  Monate  und  geben  sie  dem  Gegenbischof 

23.  Lukios  (der  indess  damals  nicht  selbst  in  Alexan- 


DER  PATBIAECHEN  VON  ALEXANDßlEN.  439 

drien  war).  Athanasios  stirbt  am  9.  Pachon  Yalentiano  Yalente 
IV.  coss.  (d.  i.  89.  Diocl.)  =  2.  Mai  373  (Vorbericht.  Exe.  Lat. 
barb.)  die  griechischen  Menologien,  das  Martjrol.  Rom.  und 
sämmtliche  jakobitische  Chroniken  und  Kaiendarien);  der  8.  Pa- 
chon in  der  Hist.  aceph.  scheint  das  Resultat  einer  unacht- 
samen Addition  you  5  Tagen  zum  Ordinationstage  des  Petros 
zu  sein.  Die  diesem  entsprechenden  Jahre  2390  Abr.  und 
5865  d.  W.  nennen  Hieronymus  und  Theophanes;  uod  dass 
Athanasios  nicht,  wie  Sokrates  angiebt,  schon  im  Jahre  371 
gestorben  sein  kann,  lehrt  der  Osterbrief  des  Proterios  (bei 
Bucherius,  Commentar.  de  doctr.  tempor.  p.  84),  durch  wel- 
chen Athanasios  noch  am  31.  März  373  am  Leben  bezeugt 
ist.  Augenscheinlich  ist  Sokrates  von  der  Angabe  ausge- 
gangen, dass  Alexandros  kurz  nach  dem  Concil  von  Nikäa 
gestorben  sei  und  hat  ungenau  von  325,  dem  Jahre  des  Oon- 
cils,  an  die  46  Amtsjahre  des  Athanasios  weitergerechnet. 
Die  Hauptvertreter  der  Rechnung  A  sind  Sokrates  und 
Sozomenos,  deren  Eirchengeschichten  in  einer  engen,  noch 
nicht  genügend  aufgehellten  Beziehung  zu  einander  stehen, 
mag  dieselbe  nun  auf  umfassende  Benutzung  derselben  Ma- 
terialien, oder  gegenseitige  Berücksichtigung  während  der 
Arbeit,  oder  ein  Plagiat  zurückzufahren  sein.  B  ist  reprä- 
sentirt  durch  die  aus  eineui  unter  Theophilos  (385—412)  ver- 
fassten  griechischen  Originale  übersetzte  Historia  acephala 
ad  Athanasium  potissimum  ac  res  Alexandrinas  pertinens  in 
den  ' Osservazioni  letterarie'  Tom.  III  (Verona  1738,  12®) 
p.  60— 83  und  den  *  Vorbericht  zu  den  Pestbriefen  des  heiligen 
Athanasius',  aus  dem  Syrischen  von  Larsow  (Die  Festbriefe 
des  heiligen  Athanasius,  Bischofs  von  Alexandria,  Leipzig 
und  Göttingen  1852,  8«)  S.  25  — 46.  Beide  Schriften  sind 
aus  einer  gemeinsamen  Quelle  geflossen,  die  durch  die 
Datirung  nach  Consulaten  und  Amtsjahren  der  Praefecti 
augustales^)  und  durch  ihre  bis  auf  den  Tag  genauen  An- 

1)  Die  betreffende  Liste  besteht  auch  bei  einer  Yergleiohong  mit 
den  vereinzelten  Angaben  Über  die  Praefecti  augastales  dieser  Zeit, 
die  man  bei  Franz  zum  C.  I.  Gr.  III  p.  323  gesammelt  findet,  die 
Probe.    Wenn  im  Codex  Theodos.  XVI,  2,  11  ein  Präfect  von  Aegy- 


440  VERZEICHNISö 

gaben  über  die  Schicksale  des  Athanasios  schon  auf  den 
ersten  Blick  den  Eindruck  grosster  Sorgfalt  in  der  Zeit- 
rechnung macht.  Mit  ihr  stimmt  Hieronymus  überein^  dessen 
Angaben  freilich,  yornehmlich  in  Folge  des  elenden  Vulgat- 
textes,  sehr  in  Misscredit  stehen,  der  aber  als  zeitgenössischer, 
stetig  mit  der  einen  der  beiden  Classen  gegen  die  andere 
stimmender  Gewährsmann  für  die  Entscheidung  von  nicht 
zu  unterschätzendem  Gewichte  ist.  Hingegen  schliesseu 
sich  die  Chronographen  mehr  an  A  an,  aber  —  und  dies 
schmälert  ihren  Werth  als  Zeugen  beträchtlich  —  kaum 
Einer  consequent,  sondern  unter  Einmischung  von  Zeit- 
bestimmungen, die  aus  B  geflossen  sind.  Unter  diesen 
Umständen  ist  es  nicht  zu  yerwundem,  dass  die  kirchen- 
geschichtliche Forschung  sich  mit  dem  Bekanntwerden  der 
Festbriefe  ohne  Weiteres  für  die  Zeitrechnung  B  erklärt 
hat.  Allein  wirklich  entscheidend  sind  nur  die  eigenen 
Angaben  des  Athanasios,  und  wenn  auch  die  in  den  Fest- 
briefen  enthaltenen  Darlegungen  mit  B  in  Einklang  sind,  «o 
scheinen  es  dagegen  andere  in  den  längst  bekannten  Schriften 
des  grossen  Kirchenvaters  nicht  nur  mit  A  zu  halten,  son- 
dern sogar  denen  der  Festbriefe  selbst  zu  widersprechen. 
So  lange  also  diese  Schwierigkeit  nicht  hinweggeräumt  ist, 
kann  die  Frage  nicht  als  endgültig  gelöst  betrachtet  werden. 
Die  ■  DiflFerenzen  beider  Rechnungen  laufen  auf  drei  Punkte 
hinaus:  die  Zeitbestimmung  der  Wiederaufnahme  der  Meli> 
tianer  durch  Bischof  Alexandros,  die  der  Synode  von  An- 
tiochia,  auf  der  Gregorios  gewählt  wurde,  und  die  der  Synode 
von  Sardika. 

1)  Die  Stelle  des  Äthan.  Apol.  contra  Arianos  59   ap. 

X)ten  LoDginianns  unter  dem  Jahre  354  genannt  wird,  in  welchem 
nach  dem  Vorbericht  Sebastian us  dieses  Amt  bekleidete,  so  liegt  ein 
einfacher  Schreibfehler  vor,  und  das  Datum  Constantio  Aug.  VII.  et 
Gonstante  Ang.  coss.  ist  in  Constantio  III.  Constanie  zu  verbeBsern: 
im  Jahre  342  führt  der  Vorbericht  den  Longinus  von  Nik&a  richtig 
als  Bector  und  Eparchen  von  Aegypten  auf.  Und  wenn  der  Vorbericht 
den  OlympoB  aus  Tarsos  als  Präfecten  des  Jahres  362  nennt,  für  welches 
Ekdikios  nrkundlich  bezeugt  ist,  so  löst  sich  die  Schwierigkeit  durch 
die  Annahme,  dass  der  volle  Name  des  Mannes  Ekdikios  Olympos  war. 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  441 

Montf.  1,1  p.  177E  — 178A  lautet:  all'  iv  rfj  öwodc)  r» 
xata  Nixatccv  fj  vvv  fiiv  aigs^Lg  av€^£(iart6^rj  ^  nal  ot 
^AQBiavol  i^sßXri^oav^  ol  äh  MsXitiavol  onmoörinoxs  idi- 
X^Ti^av,  Qu  yccQ  dvayxatov  vvv  triv  aixiav  ovoiia^etv' 
ovnoi  yccQ  tibvxb  (i^vss  naQ'^k^ov^  xal  o  iihv  (ucxaQitrig  ^AXi- 
i,av8Qog  t€t€k6vn]7tav ,  ot  Sl  MsXtttavoiy  diov  ^^QsiiBtv  xal 
XCLQiv  i%6Lv  oxL  x&v  oAog  idsx&rjtfav  ....  ndXiv  tag  ixxkri- 
0tag  itaQattov.  Diese  Worte  sind  schon  vor  Alters  all- 
gemein so  verstanden  worden,  dass  der  Zeitpunkt  der  Wieder- 
aufnahme der  Melitianer  mit  dem  des  Goneils  von  Nikäa 
zusammenfalle,'  oder  doch  beide  nur  durch  einen  nicht  der 
Rede  werthen  Zwischenraum  getrennt  seien:  und  in  der 
That,  wem  wäre  es  vor  der  Veröflfentlichung  des  Vorberichtes 
in  den  Sinn  gekommen,  ein  anderes  Yerständniss  derselben 
für  möglich  zu  halten?  5  Monate  vor  dem  sehr  gut  be- 
zeugten Todestage  des  Alexandros,  dem  22.  Pharmuthi,  liegt 
der  9.  Athyr,  der  im  koptischen  und  äthiopischen  Kalender 
als  Gedenktag  der  in  Nikäa  versammelten  318  Väter  an- 
gemerkt ist  und  nach  der  sehr  wahrscheinlichen  Annahme 
SoUiers  (p.  38*)  als  das  Datum  der  Publication  der  Be- 
schlüsse des  Goneils  in  Alexandrien  durch  den  zurück- 
gekehrten Alexandros  anzusehen  ist.  Diesen  Tag,  also  den 
5.  November  325,  als  den  Ausgangspunkt  der  Rechnung  bei 
Athanasios  anzusehen,  lässt  der  Zusammenhang  der  Stelle 
zu  und  der  Libellus  synodicus,  dessen  Angabe  ganz  den 
Eindruck  einer  bewussten  Präcisirung  der  Worte  des  Atha- 
nasios von  wohlunterrichteter  Seite  macht,  scheint  diese  Auf- 
fassung sogar  zu  erheischen.  Sobald  man  aber  mit  B  die 
Zulassung  der  Melitianer  bis  über  zwei  Jahre  nach  dem 
Concile  von  Nikäa  hinausschiebt,  wird  man  zugestehen 
müssen,  dass  Athanasios  sich  in  einer  unverständlichen,  um 
nicht  zu  sagen  ungeschickten  Weise  ausgedrückt  hat.  Lar- 
sow  (S.  26)  will,  um  die  Richtigkeit  der  Rechnung  B  zu 
retten,  unter  Berufung  auf  die  Parallelsteller  Apol.  contra 
Arianos  28  (I,  1  p.  148  B),  die  durch  Alexander  auf  Befehl 
der  Synode  mit  den  Melitianern  bewirkte  Vereinigung  und 
den  Schluss  des  nikänischen  Goneils  auseinanderhalten,  allein 


442  VEUZEICHNISS 

die  Worte  otB  ^AX^I^avSQog  iöi%Bto  xaxa  ipiXav^gooniav  t^ 
(iBydkrig  6w6Öov  xovg  axb  tov  6%i6^axog  Mekixiov  beweisen 
nur  aufs  Neue,  dass  Beide  Yon  Athanasios  in  einem  untrenn- 
baren Zusammenhange  gedacht  worden  sind.  Dass  die  apo- 
kryphen Angaben  über  eine  mehrjährige  Dauer  des  nikäni- 
schen  Concils  keine  haltbare  Stütze  für  die  Rechnung  B 
abgeben  können,  liegt  auf  der  Hand.  Gesetzt  auch,  die 
wohlwollende  Deutung  Larsows  wäre  zulässig,  dass  diese 
Angaben  von  der  Frist  zu  verstehen  seien,  nach  Ablauf 
welcher  die  Beschlüsse  der  Concile  zu  Staatsgesetzen  erhoben 
wurden,  so  bliebe  doch  die  Anwendung  auf  unseren  Fall 
höchst  bedenklich.  Dass  für  das  Inkrafttreten  kirchenrecht- 
licher Bestimmungen,  deren  plötzliche  Einführung  in  viele 
bürgerliche  Verhältiiisse  störend  eingegriffen  hätte,  eine  mehr- 
jährige Frist  nachgelassen  worden  sei,  kann  man  sich  recht 
wohl  vorstellen;  welchen  Sinn  aber  hätte  eine  derartige 
Zögeruug  bei  einer  Verfügung  gehabt,  die  keine  principielle, 
wohl  aber  eine  um  so  entschiedener  praktische  Bedeutung 
hatte,  indem  sie  die  Beendigung  eines  für  den  Frieden  der 
Kirche  bedrohlichen  Schismas  im  Auge  hatte?  Angenommen 
selbst  den  unwahrscheinlichsten  Fall,  die  Synode  habe  den 
Zeitpunkt  des  Inkrafttretens  ihrer  Beschlüsse  in  Alexandros' 
Belieben  gestellt,  welchen  erdenklichen  Grund  hätte  dieser 
haben  können,  die  Ausführung  der  nothwendigeu,  heilsamen, 
nicht  für  die  Melitianer  allein,  sondern  ebenso  sehr  für  ihn 
selbst  wünschenswerthen  Massregel  über  zwei  Jahre  hinaus- 
zuschieben? Ausser  der  inneren  Un  Wahrscheinlichkeit  der 
Rechnung  B  spricht  gegen  sie  auch  eine  Reihe  achtbarer 
Zeugnisse.  Theodoret  freilich  und  Sokrates  (der,  wie  seine 
Berechnung  der  46  Jahre  des  Athanasios  lehrt,  auch  nicht 
anders  wusste,  als  dass  Alexandros  kurz  nach  dem  Concil 
von  Nikäa  gestorben  sei)  mögen  ihre  Ansätze  aus  der  Apo- 
logia  contra  Arianos  geschöpft  haben:  von  Epiphanios  ist  in 
diesem  Punkte  Abhängigkeit  von  Athanasios  nicht  wahr- 
scheinlich; vielmehr  wird  insgemein  angenommen,  dass  er 
hier  aus  einer  melitianisch  gefärbten  Quelle  geschöpft  habe. 
Nicht  minder  wichtig  ist  die  Einstimmigkeit  hinsichtlich  der 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  443 

46  Amtsjahre  des  Athanasios^  die  nur  heraaskommeD;  wena 
man  326  als  Anfangsjahr  nimmt;  es  sind  unter  den  Gewährs- 
männern dafür  nicht  wenige  von  einander  ganz  uuabhäagige, 
darunter  ein  Zeitgenosse  (Rufinus)  und  einer  der  nächsten 
Amtsnachfolger  des  Athanasios  (Kyrillos);  die  Historia  ace- 
phala und  der  Yorbericht  stehen  mit  ihren  45  (nicht  vollen) 
Jahren  völlig  vereinsamt.  Für  B  lässt  sich  nur  der  fürs 
Erste  allerdings  bestechende  Umstand  anführen ,  dass  unter 
Hera})rückung  von  Athanasios'  Ordination  in  328  die  17 
Amtsjahre,  die  Eusebios  dem  Alexandros  giebt,  sich  retten 
lassen.  Den  Grund  dieses,  wie  wir  glauben,  fehlerhaften  An- 
satzes haben  wir  oben  in  der  Quellenkritik  nachgewiesen. 
Bei  einer  näheren  Betrachtung  schlägt  der  Beweis  sogar  in 
den  entschiedensten  Gegenbeweis  um:  Eusebios'  Kirchen- 
geschichte ist  vor  der  Hinrichtuog  des  Crispus  (f  326) 
geschrieben,  das  Chronikon  aber,  welches  in  derselben  citirt 
wird,  ist  noch  früher  veröffentliöht  worden  (vgl.  Clinton 
F.  R.  I  p.  379);  hat  also  Eusebios  im  Chronikon  die  Amts- 
jahre des  Alexandros  als  abgelaufen  erwähnen  können,  so 
muss  dieser  damals  bereits  todt  gewesen  sein  —  eine 
Schlussfolge,  der  man  sich  nur  durch  die  wegen  der  üeber- 
einstimniuug  des  Xgovoyg.  6vvx.  sehr  missliche  Ausflucht 
entziehen  könnte,  dass  die  Zahl,  die  ia  dem  nur  durch  den 
Auszug  des  Samuel  von  Ani  uns  erhaltenen  Schlüsse  vor- 
kommt, später  eingeschoben  sei,  in  welchem  Falle  ihr  aber 
jede  Beweiskraft  abgesprochen  werden  müsste.  Dürfen  wir 
nach  dem  Allen  unbedenklich  mit  A  die  Wiederaufnahme 
der  Melitianer  in  325,  den  Tod  des  Alexandros  und  die 
Ordination  des  Athanasios  in  326  setzen,  so  bleibt  uns  nur 
noch  übrig  zu  erklären,  wie  der  Ansatz  der  Historia  ace- 
phala und  des  Vorberichtes  entstanden  ist.  Am  nächsten 
scheint  mir  die  'auch  aus  anderen  Erwägungen  sich  em- 
pfehlende Annahme  zu  liegen,  dass  in  der  Lebensbeschreibung 
des  Athanasios,  aus  welcher  Beide  geschöpft  haben,  dieselbe 
Sammlung  der  Festbriefe  des  Athanasios,  die  in  syrischer 
Uebersetzung  auf  uns  gekommen  ist,  berücksichtigt  und  als 
Quelle  benutzt  war:  in  dieser  aber  ist  der  Epiphanias  329 


444  VERZEICÜNISS 

erlassene  Festbrief  als  erster  angesehen ,  weil  der  Anordner 
die  beiden  ersten  nicht  mehr  vorfand.  Für  diese  Auffassung 
spricht  zweierlei:  Severus  von  Ashmunin  (bei  Renaudot  p.  96) 
kannte  eine  Sammlung  von  47  Festbriefen  des  Athanasios, 
die  somit y  wo  nicht  die  verschollenen  Festbriefe  der  Jahre 
327  und  328  selbst,  doch  Notizen  über  dieselben  gegeben 
haben  muss.  Sodann  enthält  der  vermeintlich  erste  Fest- 
brief unserer  «Sammlung  nicht  die  leiseste  Anspielung  auf 
den  verewigten  Vorgänger^  noch  darauf,  dass  er,  Athanasios, 
sich  einer  der  wichtigsten  seiner  Amtspflichten  jetzt  zum 
ersten  Male  gegen  das  Volk  entledige:  ein  Stillschweigen, 
das  im  höchsten  Grade  auffallig  sein  würde ,  sich  aber 
völlig  erklärt,  wenn  der  betreffende  Festbrief,  wie  wir 
meinen,  der  dritte  in  der  Reihe  war. 

2)  Günstiger  stellt  sich  die  Sache  für  B  hinsichtlich 
der  Synode  von  Antiochia  und  der  Einsetzung  des  Gregorios 
schon  darum,  weil  B  hier  nicht  allein  steht,  vielmehr  die 
einstimmig  und  schon  von  Rufinus  überlieferten  sechs  Amts- 
jahre des  Gregorios  sich  nur  mit  der  Zeitrechnung  von  B, 
aber  nicht  mit  der  von  A  vertragen:  auch  Sokrates  und 
Sozomenos  scheinen  diese  Zahl  vorgefunden  zu  haben,  da 
sie  gegen  die  Geschichte  ins  Jahr  342  einen  Wechsel  im 
arianischen  Episkopat  setzen,  wodurch  dem  neuen,  von  ihnen 
fälschlich  mit  dem  späteren  Georgios  zusammengeworfenen 
Bischöfe  sechs  Jahre  (—  348)  zugewiesen  werden.  Der 
scheinbare  Widerspruch  des  Athanasios  mit  sich  selbst,  der 
Epiphanias  341  von  Rom  aus  als  Verbannter  schreibt  und 
doch  ausdrücklich  die  Synode  von  Antiochien  erst  in  das 
Jahr  341  setzt,  verschwindet  vor  einer  eingehenderen  Prüfung 
der  zwischen  seiner  Vertreibung  und  der  Synode  von  Sardika 
liegenden  Ereignisse.  Nach  seiner  Vertreibung  durch  Gre- 
gorios verweilte  Athanasios  noch  einige  Zeit  in  der  Nähe 
von  Alexandrien,  ehe  er  sich  nach  Rom  einschiffte.  Hier 
nahm  sich  sofort  Papst  Julius  seiner  warm  an  und  schickte 
Gesandte  an  Eusebios,  das  Haupt  der  in  Antiochien  ver- 
sammelten Gegner  des  Athanasios,  sie  zu  einem  Ooncile, 
welches  zwischen  ihnen  und  Athanasios  entscheiden   sollte. 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALKXANDRIEN.  445 

nach  Rom  vorladend  (Monifaucon,  Vita  S.  Athanasii  p.  XXXV, 
meint  auf  Ende  desselben  Jahres).  Eusebios  und  sein  An- 
hang hielten  die  päpstlichen  Botschafter  über  den  angesagten 
Termin  hinaus  auf  und  entliessen  sie  erst  im  Janaar  des 
nächsten  Jahres  in  ihre  Heimath  (Brief  des  Julius  bei  Äthan. 
Apol.  contra  Arianes  25  ap.  Montf.  1, 1  p,  145  C),  mit  einem 
Schreiben,  in  welchem  sie  als  Grund  ihres  Nichterscheinens 
die  Kürze  der  ihnen  gegebenen  Frist  und  seltsam  genug  die 
von  den  Persern  drohende  Kriegsgefahr  angeben  (Hist.  Aria- 
norum  ad  monachos  11  apud  Montf.  I,  1  p.  350  D).  Julius 
wartete  nach  der  Bückkehr  seiner  Gesandten,  die  nicht  vor 
Ablauf  der  Wintermonate  erfolgt  sein  mochte  (Montfaucon 
p.  XXXIX),  noch  geraume  Zeit  mit  der  Veröffentlichung  des 
erhaltenen  Schreibens,  in  der  Hoffnung,  dass  sich  doch  noch 
wenigstens  einige  orientalische  Bischöfe  einfinden  würden. 
Dann  erst  berief  er  das  romische  Concil,  welches  sich  zu 
Gunsten  des  Athanasios  entschied,  und  erliess  als  Leiter 
desselben  das  in  die  Apologie  gegen  die  Arianer  (21  bei 
Montf.  I,  1  p.  141 A)  aufgenommene  Schreiben  „^toyvtcj 
xal  OXaxtXXcDj  NaQxieöG),  Evöeßio),  Mdgi,  MaKsdovio},  @€0- 
dcoQp  xal  tolq  övv  avtotg^  totg  ado  ^Avtio%BCag  ygi'^aöLV 
ißtv,  ayaTCr^totg  aSsktpoZg^'  1  Jahr  61Monate  nach  Athana- 
sios' Ankunft  in  Rom  (Brief  des  Julius  29  ib.  1, 1  p.  148  E). 
Montfaucon  p.  XXXV  beschränkte  den  Zeitraum  von  Atha- 
nasios' Vertreibung  aus  Alexandrien  bis  zu  seiner  Ankunft 
in  Rom  auf  einen  Monat,  wonach  also  diese,  entsprechend 
den  Ansätzen  von  A,  in  den  April,  die  Ankunft  der  päpst- 
lichen Gesandten  in  Antiochien  in  den  Mai  341  fallen  würde; 
allein  diese  Zeitbestimmung  ist  zu  knapp,  weil  dann  die  dem 
Eusebios  und  Genossen  gewährte  Frist  sieben  Monate  be- 
tragen und  deren  Beschwerde  über  die  ihnen  zu  kurz  be- 
messene Zeit  nicht  einmal  den  Schein  mehr  für  sich  gehabt 
haben  würde.  Montfaucon  setzte  also  die  Entlassung  der 
Gesandten  in  den  Januar  342,  die  romische  Synode  und  den 
Brief  des  Julius  an  die  in  Antiochien  versammelten  Bischöfe 
in  den  October  342:  und  er  konnte  nicht  anders,  wollte  er 
die  Behauptung   des  Athanasios   (Apol.   contra   Arianos  36 


446  VERZEICHNISS 

bei  Montf.  I^  1  p.  154  B)^  dass  Bischof  Eusebios  von  Con- 
stantinopel  auch  nach  Empfang  des  Briefes  des  Julius  nicht 
aufgehört  habe  Unfrieden  zu  stiften^  mit  den  unverdächtigen 
Angaben  des  Sokrates  und  Sozomenos^  dass  er  kurz  nach 
der  Synode  von  Antiochien,  d.  i.  kurz  nach  341,  gestorben 
und  dass  der  nach  dem  Antritt  seines  Amtsnachfolgers  aus- 
gebrochene Aufstand  in  Constantinopel  noch  in  das  Jahr 
342  gefallen  sei,  in  Einklang  bringeu.  Wir  bestimmen,  von 
der  Angabe  der  Classe  B  ausgehend,  dass  Athanasios  am 
18.  März  339  aus  Alexandrien  vertrieben  ward,  den  Zeit« 
räum,  während  dessen  er  sich  noch  in  der  Nähe  dieser 
Stadt  aufhielt,  auf  vier  Monate  und  setzen  seine  Ankunft  in 
Rom  in  den  Juli,  das  Erscheinen  der  päpstlichen  Gesandten 
in  Antiochien  in  den  August;  indem  wir  dann  mit  Mont- 
faucon  den  Termin,  auf  welchen  Eusebios  und  sein  Anhang 
nach  Rom  vorgeladen  werden,  gegen  Ende  desselben  Jahres 
setzen,  ergeben  sich  uns  für  die  Jenen  zugemessene  Frist 
vier  Monate,  und  auf  diese  Weise  erhalten  ihre  Beschwerden 
wenigstens  einen  Anstrich  von  Berechtigung.  Auch  die  Be- 
zugnahme auf  den  drohenden  Perserkrieg,  die  nach  A  völlig 
sinnlos  ist,  wird  nach  B  etwas  verständlicher:  das  Jiüit  339 
verging  unter  Rüstungen  des  Constantius  zu  einem  Perser- 
kriege (vgl.  die  Stellen  bei  Clinton  F.  R.  I  p.  400),  während 
in  den  nächsten  Jahren  von  einem  solchen  nicht  mehr  die 
Rede  ist.  Die  Entlassung  der  päpstlichen  Gesandten  fällt 
nach  B  in  den  Januar  340,  ihre  Heimkehr  nach  Ablauf  der 
Wintermonate;  und  nun  erklärt  sich  ganz  von  selbst  das 
längere  Zaudern  des  Papstes  Julius  in  seinem  Vorgehen 
gegen  die  Antiochener:  in  den  April  340  fällt  der  Herr«* 
Schaftswechsel  in  Italien ;  Julius  mochte  erst  abwarten 
wollen,  welche  Stellung  der  neue  Herrscher  Constans  zu  der 
Sache  einnehmen  würde.  1  Jahr  6  Monate  nach  Athanasios' 
Ankunft  in  Rom,  also  im  Januar  341,  hält  er  dann  das 
römische  Concil  ab  und  erlässt  im  Auftrage  desselben  das 
Schreiben  an  Diognios,  Phlakillos  u.  s.  w.  Es  ist  dies  eine 
Anzahl  von  Amts  wegen  in  Antiochien  versammelter  Bischöfe 
mithin  eine  Synode,  obwohl  Julius,  weil  er  ihre  Berechtigung 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  447 

nicht  anerkennt,  den  Ausdruck  absichtlich  vermeidet.  Hier 
haben  wir  also  die  antiochenische  Synode  wiedergefunden 
die  nach  Athanasios'  eigener,  sorgfältiger  Angabe  im  Jahre 
341  tagte  nnd  ein  neues  ^arianisches  Glaubensbekenntniss 
vereinbarte,  mochte  nun  die  Synode  in  Antiochien  von  339 
her  in  Permanenz,  oder  damals  von  Neuem  wieder  zusammen- 
getreten sein.  Nunmehr  erklärt  sich  der  Irrthum  des  So- 
krates  und  Sozomenos:  sie  setzten  die  Eröffnung  der  antio- 
chenischen  Synode,  mitbin  die  Vertreibung  des  Athanasios 
und  Einsetzung  des  Gregorios,  wegen  des  vermeintlichen 
Zeugnisses  des  Athanasios,  in  341  statt  in  339  und  ver- 
schoben so  die  Zeitrechnung  dieser  ganzen  Periode.  Es 
braucht  kaum  noch  besonders  darauf  hingewiesen  zu  wer- 
den, dass  wir  nun  auch  hinsichtlich  des  Todesjahres  des 
Eusebios  in  keiner  Weise  mehr  ins  Gedränge  gerathen. 
Die  Entscheidung  des  romischen  Goncils  zu  Gunsten  des 
Athanasios  ist,  wie  sich  jetzt  herausstellt,  der  durch  den 
Verlust  des  Eingangs  unverständlich  gewordene  Terminus  a 
quo,  von  dem  in  der  Historia  acephala  (p.  61)  sechs  Jahre 
bis  zu  der  am  21.  October  346  erfolgten  Rückkehr  des  Atha- 
nasios gerechnet  sind.  Für  die  nächste  Zeit  haben  wir  die 
Angaben  der  Apologia  ad  Const.  4  ap.  Montf.  I,  1  p.  297  E: 
nachdem  Athanasios  drei  Jahre  in  Rom  verweilt  hatte,  berief 
ihn  im  vierten  Jahre  Gonstans  nach  Mediolanum  und  dann 
liess  er  ihn  wieder  zugleich  mit  Hosius  nach  Gallien  kommen, 
von  wo  aus  sie  sich  zur  Synode  nach  Sardika  begaben.  Clinton 
(F.  R.  I  p.  411)  hat,  A  folgend,  den  Besuch  des  Athanasios 
in  Mediolanum  vermuthungsweise  an  das  Ende  des  Jahres 
344  gesetzt.  Es  scheint  aber  fast,  als  habe  Constans  da- 
mals in  Trier  Hof  gehalten^  von  wo  Gesetze  desselben  unter 
dem  30.  Juni  343  (Cod.  Theodos.  IV  p.  376)  und  15.  Mai  345 
(ibid.  III  p.  435)  erlassen  sind.  Constans  führte  während  der 
Jahre  341  und  342  in  Gallien  mit  den  Franken  Krieg  und 
setzt  unmittelbar  nach  Beendigung  desselben  Ende  Januar 
343  nach  Britannien  über  (s.  die  Belege  bei  Clinton  F.  R. 
I  p.  406).  Hiernach  kann  er  sich  nur  unmittelbar  nach  der 
Beendigung  des  britannischen  Feldzuges  in  Mediolanum  auf- 


448  VERZEICHNISS 

gehalten  haben;  wir  werden  folglich  den  Besuch  des  Atha- 
nasios  daselbst  etwa  auf  April  343  bestimmen  können,  3  Jahre 
9  Monate  nach  seiner  Ankunft  in  Rom.  Da  Trier  in  jener 
Zeit  die  gallische  Residenz  war,  so  liegt  es  nahe  genug  an- 
zunehmen ^  dass  Athanasios  damals  den  Constans  in  Trier 
aufsuchte  und  es  fallt  jeder  Grund  weg,  die  dies  bestimmt 
aussagende  Nachricht  des  Hieronymus  für  eine  Verwechselung 
zu  erklären.  Sonach  kann  man  die  Reise  nach  Gallien  nach 
Ende  Juni,  etwa  in  den  Herbst  343  ansetzen  und  unmittelbar 
darauf  die  Synode  von  Sardika. 

3)  War  die  Verschiebung  von  Athanasios'  Vertreibung 
aus  dem  Jahre  339  in  das  Jahr  341  einmal  erfolgt,  so  ergab 
sich  die  Hinausrückung  der  Synode  von  Sardika  über  das 
Jahr  343  hinaus  als  nothwendige  Folge  von  selbst,  da  der 
Zwischenraum  beider  Ereignisse  sich  nach  Athanasios'  eigenen 
Angaben  auf  mindestens  drei  Jahre  und  einen  Theil  eines 
vierten  belief.  Es  fragt  sich  nur,  wie  Sokrates  und  Sozo- 
menos  dazu  kamen,  für  die  Synode  ein  so  spätes  Jahr  wie 
347  zu  wählen,  sp  dass  der  Zwischenraum  bis  zum  Tode 
des  Constans,  wie  aus  der  Tabelle  zu  ersehen  ist,  für  die 
vielen  Ereignisse  gerade  nur  knapp  zureicht.  Ich  zweifle 
nicht,  dass  diese  Bestimmung  das  Resultat  einer  gelehrten 
Gonjectur  ist:  die  beiden  Eirchenhistoriker  fanden  in  ihrer 
Quelle  das  elfte  Jahr  des  Constans  genannt,  von  seiner  Er- 
hebung zum  Caesar  an  gerechnet,  und  änderten  es  im  Glau- 
ben, die  Zeitrechnung  zu  berichtigen,  in  das  elfte  Jahr  seit 
dem  Tode  seines  Vaters  Constantinus.  Sie  rechnen,  wie  oben 
dargethan  wurde,  in  Bausch  und  Bogen  nach  Julianischen 
Jahren:  war  ihre  Quelle  sorgfältiger,  so  würde  daraus  folgen, 
dass  die  Synode  von  Sardika  erst  nach  dem  25.  December 
343,  in  welchem  das  elfte  Jahr  des  Constans  begann,  ab- 
gehalten worden  ist.  Hierzu  passt  sehr  gut  der  Umstand, 
dass  Athanasios  laut  Vorbericht  auf  der  Rückkehr  von  der 
Synode  von  Sardika  am  15.  April  344  in  Naissus  das  Oster- 
fest feierte,  und  die  planlose  Anlage  des  Vorberichtes,  welche 
uns  meistens  im  Dunkel  darüber  lässt,  ob  etwas,  das  als  „in 
diesem  Jahre''  vorgefallen  verzeichnet  ist,  in  das  Jahr  vor 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  449 

oder  nach  dem  in  der  Ueberschriffc  genannten  Ostern  gebort^ 
stellt  jener  Annahme  kein  wesentliches  Hindemiss  entgegen. 
Da  nach  diesen  Quellen  in  Bezug  auf  den  zweiten  und  dritten 
Punkt  die  Zeitrechnung  von  B  als  durchweg  gesichert  zu 
betrachten  ist,  so  werden  wir  uns  auch  nicht  länger  mehr 
sträuben  dQrfen,  die  Absetzung  des  antiochenischen  Bischofs 
Stephanos  bald  nach  Ostern  344  zu  setzen  und  die  Liste  der 
arianischen  Bischöfe  von  Antiochien,  die  sich  Ton  B  um 
sechs,  aber  auch  Yon  A  immer  noch  um  drei  Jahre  entfernt, 
als  an  dieser  Stelle  unheilbar  zerrüttet  preiszugeben. 

24.  (21.)  Petros  II.  sass  im  Ganzen  7  Jahre  (Exe.  Lat. 
barb.  Xgovoyg.  avvt.  —  dieselbe  Zahl  hat  Nikephoros  in 
1  Jahr  des  Petros  -|-  5  des  Lukios  -f-  1  des  Petros  zerlegtf 
wohl  irregeleitet  durch  Theophanes,  bei  dem  sich  die  Ver- 
treibung des  Petros  unter  dem  ersten,  seine  Wiedereinsetzung 
unter  dem  letzten  Jahre  angemerkt  findet),  oder  6  Jahre 
(Theoph.  Eutych.  —  wohl  dieselbe  Zahl  in  ann.  II  ver- 
schrieben Lat.  Montf.);  die  genaue  Zahl  Ton  6  Jahren 
9  Monaten  ist  in  9  Jahre  6  Monate  verschrieben  von  Severus 
auf  Timotheos  übertragen  worden. 

Am  fünften  Tage  vor  seines  Vorgängers  Tode  ordinirt 
(Hisi  aceph.),  also  am  3.  Pachon  89  Diocl.  =»  (Sonntag), 
28.  April  373,  2  Jahre  vor  seiner  Vertreibung  (Theoph.  in 
der  üeberschrift;  Makr.).  Die  an  die  Einsetzung  des  Lukios 
sich  knüpfenden  Unbilden  gegen  die  Nitrischen  Mönche  setzt 
Hieronymus  (Petav.  Fux.)  in  das  Jahr  2392  Abr.*)  = 
91.  Diocl.  oder  375  n.  Ch. 

Lukios  sass  3  Jahre  (Eutych.  Makr.),  vertrieben  nach 
Sokrates  zur  Zeit  von  Valens'  Aufbruch  von  Antiochien  nach 
Constantinopel  (wo  dieser  am  30.  Mai  378  anlangte),  d.  i. 
etwa  Pacbon  94.  Diocl. 

Petros  IL  wieder  eingesetzt  1  Jahr  (Nikeph.  Ebnr.  Elm. 
Makr.),  f  20.  Mechir  (96  Diocl.)  (Exe.  Lat.  barb.  Kalend. 
Seid.  Sev.  übnr.  laut  Rechnung;  Makr.,  der  das  Datum  auf 
seine  Wiedereinsetzung  übertragen  hat)  =  14.  Februar  380. 

*)  [Nach  Schöne  hat  nur  Bong.  2392,  die  anderen  Codices  2391. 
F.  E.] 

T.  Qdtsohmid,  meine  Schriften.   II.  29 


450  VERZEICHNISS 

Sein  Tod  war  am  28.  Februar  in  Thessalonike  noch  nicht 
bekannt  (Cod.  Theodos.  VI  p.  4). 

25.  (22.)  Timotheosl.  6  äxti^iimv  (Apophth.  patrum) 
sass  4  Jahre  (Eist,  aceph.)  oder  5  Jahre  (Lat.  Montf.  Exe.  Lat. 
barb.  XQovoyQ.  Cvvx.  Gr.  Montf.),  f  26.  Epiphi  (Exe.  Lat 
barb.  Theoph.  SjnkeU.  Sev.  Abulb.  Ebnr.  laut  Rechnung) 
Richomedo  Clearcho  coss.  (100  Diocl.)  (Exe.  Lat  barb.)  «= 
20.  Juli  384.  Sokrates  setzt  seinen  Tod  in  das  folgende  Jahr 
Arcadio  I  Bantone  coss.,  sein  hinsichtlich  des  Sterbejahres 
des  Athanasios  begangenes  Versehen  zeigt  aber,  dass  er  seine 
Gonsulatsjahre  erst  durch  Berechnung  aus  den  Amtsjafaren 
der  Bischöfe  gefunden  hat,  und  seine  Angabe  muss  hinter 
der  sehr  viel  glaubwürdigeren  Historia  acephala  um  so  mehr 
zurücktreten,  als  hier  auch  gezähltes  Jahr  und  Consulatsjahr 
in  den  Exe.  Lat.  barb.  zusammentreffen,  deren  Zustimmung 
also  grössere  Beachtung  als  sonst  beanspruchen  darf. 

26.  (23.)  Theophilos  sass  29  Jahre  (Lat.  Montf.)  oder 
28  Jahre  (Exe.  Lat.  barb.  XgovoyQ.  övvt.  6r.  Montf.  Theoph. 
Nikeph.  Eutych.),  t  18.  Phaophi  (129  Diocl.)  (die  jakobiti- 
schen  Chroniken  und  Ealendarien)  oder  15.  October  Hono- 
rio  IX  Theodosio  V  coss.  =  412  (Sokrates).  Das  Datum 
bestätigt  der  zeitgenössische  Chronograph  Anianos  bei  Syn- 
kellos  p.  59/9  (ed.  Bonn.),  der  das  Jahr  5904  d.  W.  (abge- 
laufen am  28.  August  412)  als  letztes  des  Theophilos  rechnet. 

Vacanz  3  Tage  (Sokr.   Sev.). 

27.  (24.)  Kyrillos  L,  der  Grosse  (Abulb.),  ord.  (20.  Phao- 
phi 129  Diocl.)  »=  17.  October  412,  sass  bis  ins  32.  Jahr 
(Liberatus  c.  10  in  Acta  conc.  Paris.  1671  V  p.  754  A)  oder  32 
(die  von  Athanasios  der  chalkedonischen  Synode  überreichte 
Anklageschrift  in  Acta  conc.  IV  p.  406  E.  XQOvoyQ.  üvvx. 
Graec.  Montf.  Theoph.  Nikeph.  Sev.  Abulb.  Elm.  Makr.), 
t  3.  Epiphi  (Sev.  Abulb.  Ebnr.  Makr.  Synax.)  =  27.  Juni 
444.  Dieses  allgemein  angenommene  Datum  stützt  sich  auf 
die  beiden  Stellen  der  Anklageschrift  des  Athanasios  über 
die  Amtsdauer  seines  Bedrängers  Dioskoros;  IV  p«  407  E 
Tcal  Xoiicov  intasrfj  ;^()ot/oi/  ocatareXovfiav  nXavoi^voi  axb 
xoTCov  sig  tojcov  und  IV  p.  411 B  ^toöxoQov  vov  svXaßstJta" 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  451 

tov  ijgiöxonov  iv  oxrco  bxböv  6'^(1£qov  6v6X€va^6(iBv6v  ns  xal 
imßovXevovta  iioi.  Dieser  urkundlichen  Evidenz  gegenüber 
werden  weder  die  33  Jahre  des  Kyrillos  bei  Lat.  Montf.  und 
Eutych.  (bei  Ersterem  vermuthlieh  blosser  Schreibfehler) 
noch  die  mit;  den  sechs  Amtsjahren  bei  Eutych.  überein- 
stimmende^  aber  doch  wohl  nur  auf  ungenaue  Ausdrucks- 
weise zurückzuführende  Angabe  des  Liberatus^  dass  Dioskoros 
septimo  ordinationis  suae  anno  gestorben  sei^  noch  auch  die 
gleich  zu  besprechende  Zeitrechnung  der  Jakobiten  geltend 
gemacht  werden  können. 

28.  (25.)  Dioskoros  sass  7  Jahre  {XQOvoyQ.  6vvr,), 
genauer  7  —  8  Jahre  (Anklageschrift  des  Athanasios),  ab- 
gesetzt 13.  October  451  (Urkunde  der  Synode  bei  Euagrios) 
=  15.  Phaophi  168  Diocl.,  f  ^^  ^^^  Verbannung  am  7.  Thoth 
(171  Diocl.)  (Abulb.  nach  Vansleb,  Ebnr.  Synax.  Kai.  Seiden.) 
=  4.  September  454;  denn  Papst  Leo  erwähnt  seinen  Tod 
in  einem  Briefe  vom  6.  December  dieses  Jahres.  Die  jako- 
bitischen  Chroniken  rechnen  14  Jahre  von  seiner  Ordination 
bis  zu  seinem  Tode^  indem  sie  das  ihnen  als  illegitim  geltende 
Episkopat  des  Proterios  und  aus  Unachtsamkeit  auch  das 
erste  des  Timotheos  Ailuros  zu  seiner  Amtszeit  schlagen. 

29.  (von  den  Jakobiten  übergangen)  Proterios  Martyr 
(Lat.  Montf.)  sass  5  Jahre  5  Monate  (Lat.  Montf.),  erwählt 
Athyr  168  Diocl.  =  November  451;  dies  stimmt  mit  der 
Erzählung  des  Liberatus,  nach  welcher  Proterios  nach  der 
Rückkehr  der  ägyptischen  Bischöfe  von  der  Synode  gewählt 
ward;  die  letzte  Sitzung  derselben  war  am  1.  November 
gehalten  worden.  Er  wurde  ermordet  „ante  triduum  Paschae^ 
quo  coena  domini  celebratur"  (Brevis  bist.  Eutych.,  wört- 
lich ebenso  Liberatus  c.  15  p.  763  E)  oder  am  Gharfreitag, 
der  irrthümlich  mit  VI.  Kai.  April,  verglichen  wird,  Con- 
stantino  Bufo  coss.  (Victor  Tununensis)  oder  am  heiligen 
Osterfeiertage  (Theophanes).  Das  richtige  Datum  ist  der 
grüne  Donnerstag,  2.  Pharmuthi  173  Diocl.  =  28.  März  457. 
Die  Angabe  des  Victor  mag  aus  einer  abweichenden  Be- 
rechnung der  Zeitbestimmung  „ante  triduum  Paschae'',  die 

des  Theophanes   aus  zu  buchstäblicher  Deutung  einer  SteUe 

29* 


452  VERZEICHNISS 

im  Briefe  der  Bischöfe  an  Kaiser  Leo  (bei  Euagrios),  dass 
der  Mord  am  Osterfest  geschehen  sei^  entstanden  sein. 

30.  (bei  den  Jakobiten  26.)  Timotheos  II.  6  MXovgog 
(nach  Lib.  Theod.  Euagr.  Theoph.;  ebenso  Nikeph.,  aber  in 
der  Uebersetzung  des  Änastasius  Bibl.  Heluros;  "Ekovgog 
XqovoyQ,  6vvt,,  EUuros  Lat.  Montf.,  lUarus,  d.  i.  wohl  Hel- 
luros  oder  Herulus  Vict.  Tunun.,  Jänürjos,  woraus  sich  am 
leichtesten  Helüros  machen  lässt  Eutych.)^),  ord.  bei  Leb- 
zeiten des  Proterios  (Euagr.),  also  Phamenoth  173  Diocl. 
=  März  457,  sass  3  Jahre  (Lat.  Montf.  XgovoyQ.  6vvx.  Gr. 
Montf.  Eutych.  Elm.  Makr.)  oder  2  Jahre  (Theoph.  Nikeph.), 
vertrieben  (Tybi  176  Diocl.  =  Januar)  Magno  Apollonio 
coss.  (Vict.  Tunun.),  d.  i.  460. 

Vacanz  5  Monate  (Vict.  Tunun.). 

31.  (von  den  Jakobiten  übergangen)  Timotheos  III. 
Sürus,  d.  i.  ^(OQog  (Eutych.  Elm.;  in  Savirüs  verderbt  Makr.; 
jisvxög  augenscheinlich  derselbe  Beiname  euphemistisch  aus- 
gedrückt Nikeph.;  Asvxog  6  xal  UaXog>axcaXog  Theoph.; 
UaXofpaxioXog  Theodor.  Lector ;  2]aXag>axiaXog  XQOVoyg. 
Cvvx.\  Salafatiatius  oder  Salafratatus  entstellt  Vict.  Tunun. 
EaXofpaxCoXog  Euagr.  Salophaciolus  sive  Asbus  Lib.  Ansus 
Ebnr.)^)  sass  im  Ganzen  bis  in  des  dreiundzwanzigsten  Jahres 

1)  Dieses  Zeagenverhör  ergiebt,  dass  es  nicht  sicher  ist,  ob  der 
Spitzname  den  Kater  oder  den  Hernier  bedeutet:  "EXüvqot  ist  die  üb- 
liche griechische  Benennung  dieses  wegen  seiner  Wildheit  vor  anderen 
Germanen  verrufenen  Volkes;  der  Vergleich  lag  bei  der  barbarischen 
Handlungsweise  jenes  Sektenhauptes  nahe  genug.  [Für  einen  wirk- 
lichen Heruler  hält  den  Ailuros  Geizer,  Zwei  deutsche  Patriarchen  in 
Ostrom,  Jahrbücher  für  protestantische  Theologie  1884  S.  818  flg.  Lps. 
Die  Bedeutung  „Kater"  oder  „Wiesel**  ist  völlig  sicher  durch  die  syr. 
uebersetzung  des  Namens  quzd  „Wiesel'*  und  die  Motivirnng,  dass  er 
mager  gewesen  und  deshalb  scherzweise  so  genannt  sei.  Land,  Anecd. 
Syr.  m,  135.    Th.  N.] 

2)  Salofaciolus  scheint  mir  ein  lateinisches  Wort  zu  sein:  qui  salum 
facit,  etwa  das  Sturmmacherchen.*)  Dass  Asbus  nicht  in  Albus  geändert 
werden  darf,  lehrt  die  lediglich  durch  falsche  Punktation  entstandene 
Form  Ansus  bei  Ebn  Bahib,  der  keinesfalls  aus  Liberatus  geschöpft 

*)  [Die  syrische  Uebersetzung  „der,  dessen  faciolum  {tpa%i6Uov) 
wackelt**  ist  gewiss  richtig.     Th.  N.] 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  453 

sechsten  Mooat  (Lib.),  wobei  nothwendigerweise  von  der  Ver- 
treibung des  Ailaros  an  gerechnet  worden  sein  muss.  Die 
22  Jahre^  welche  die  jakobitischen  Chroniken  als  gesammte 
Amtsdauer  dem  Ailuros  zutheilen^  gehören  vielmehr  dem 
Salophakiolos,  mit  dem  er  vertauscht  worden  ist.  Ordinirt 
(Payni  176  Diocl.  =  Juni)  Magno  Apollouio  coss.  (Vict. 
Tunun.),  d,  i.  460.  Zu  seiner  Erhebung,  die  dem  Papste  Leo 
am  17.  Juni  460  laut  zweien  seiner  Briefe  noch  nicht  bekannt 
war,  beglückwünscht  ihn  derselbe  unter  dem  18.  August  460. 
Er  sass  zuerst  16  Jahre  (XQOvoyQ.  övvt,)  oder  15  Jahre 
(Theoph.  Nikeph.  Eutych.),  von  Basiliskos  unmittelbar  nach 
seiner  im  November  475  (Athyr  192  Diocl.)  erfolgten  Thron- 
besteigung vertrieben  (Lib.),  post  cons.  Leonis  iun.  (Vict. 
Tunun.). 

Timotheos  Ailuros  zum  zweiten  Male  sass  2  Jahre 
{XQOvoyQ.  6vvt.  Theoph.  Anastas.  Bibl.  Eutych.  Makr.)  und 
vergiftete  sich  kurz  nach  der  im  Juli  erfolgten  Wiederein- 
setzung des  Zeno  (Euagr.),  am  7.  Mesori  (Sev.  nach  der  Lesart 
des  Cod.  Reg.  Ebnr.  Makr.  Synax.  Kalend.  geld.)  (193  Diocl. 
=  31.  Juli  477)  post  cons.  Armati  (Vict.  Tunun.). 

Petros  IIL  6  Moyyog  (der  eine  schwere  Zunge  hat), 
sass  35  Tage  {XQovoyQ,  6vvt.)  oder  36  Tage  (Theoph.  Eut.), 
die  bei  Nikeph.  als  ein  Jahr  berechnet  sind,  weil  während 
seiner  Amtszeit  der  ägyptische  Jahreswechsel  eintrat,  tumul- 
tuarisch  ordinirt,  ehe  sein  Vorgänger  noch  begraben  war  (Brief 
des  Akakios  von  Constantinopel  an  Simplicius),  also  wohl  (Sonn- 
tag) 7.  Mesori  193  Diocl.  =  31.  Juli  477;  vertrieben  (7.  Thoth 
194  Diocl.  =  4.  September  477)  post  cons.  Armati  (Vict.). 

Timotheos  Salophakiolos  zum  zweiten  Male  sass 
5  Jahre  {XgovoyQ.  övvt.)  oder  4  Jahre  (Theoph.  Anastas. 
Bibl.  Eut.),  t  (Payni  198  Diocl.  =  Juni  482).     Seinen  Tod 


hat:  die  ErkläruDg  wird  man  im  Eoptischen  snchen  müssen.  BaciUnög^ 
was  EnagrioB  als  einen  anderen  diesen  Timotheos  unterscheidenden 
Namen  anfahrt,  ist  gehässiger  gewendet  dasselbe  wie  o  Svvodixji^  im 
Xqovoyq.  avvx.  Es  drückt  nnr  die  von  ihm  vertretene  Secte  ans  and 
ist  von  Interesse  als  das  früheste  Beispiel  der  Bezeichnong  Melohiten, 
d.  i.  Kaiserliche  für  die  Anhänger  der  chalkedonischen  Synode. 


454  VERZEICHNISS 

und  die  Erhebung  des  Johannes  erwähnt  Papst  Simpliciüs 
schon  in  einem  Briefe  vom  15.  Juli  482,  der  aber  nach  Pagi 
falsch  datirt  ist  und  vielleicht  unter  den  22.  Juni  gehört. 

32.  (von  den  Jakobiten  übergangen)  Joannes  I.  Ta- 
bennesiotes  (Victor.  XgovoyQ.  6vvx.  Theoph.;  Tavenensis 
Lat.  Montf.  Duinasades.  Ebnr.),  Aoxavtxog^)  {XQovoyg.  6vvt.) 
oder  Talaia  (Lib.),  sass  6  Monate  (Eutych.);  seiae  Amtszeit 
ist  im  XQOvoyQ.  övvr.  nicht  besonders  berechnet  und  an- 
scheinend wie  in  den  jakobitischen  Chroniken  zu  der  des 
Petros  geschlagen  worden.  Abgesetzt  (Choiak  199  Diocl. 
BS  December  482)  ging  er  in  die  Verbannung  nach  Italien, 
welches  er  nur  vorübergehend  im  Jahre  492  in  der  vergeb- 
lichen Hofihung,  durch  Anastasios  restituirt  zu  werden  ver- 
Hess.  Die  irrige  Meinung  des  Gennadios,  Timotheos  Ailuros 
habe  in  dem  Jahre,  in  welchem  er  schrieb  (492),  noch  im 
Exil  gelebt,  beruht  vermuthlich  auf  einer  Verwechselung  mit 
diesem  Joannes. 

33.  (bei  den  Jakobiten  27.)  Petros  in.  6  Moyyog  zum 
zweiten  Male,  sass  ßVg  Jahre  (Gr.  Montf.,  was  wohl  nur  aus- 
drücken soll,  dass  seine  Amtszeit  zusammen  mit  der  halb- 
jährigen des  Joannes  I.  7  Jahre  betrug)  oder  6  Jahre  (Theoph. 
Nikeph.).  Die  7  Jahre,  welche  ihm  im  XQOVoyg,  6vvx,y  und 
die  acht,  die  ihm  von  Eutychios  mit  den  Jakobiten  (Sev.  und 
Elm.)  zugeschrieben  werden,  sind  vom  Tode  des  Salopha- 
kiolos  an  gerechnet.  Er  starb  2.  Athyr  (206  Diocl.)  (Sev. 
Abulb.  Ebnr.  und  Makr.  laut  Rechnung.  Synax.  Kai.  Seiden.) 
=  29,  October  489. 

Dass  er  nicht  früher  gestorben  sein  kann,  beweist  seine 
Gleichzeitigkeit'  mit  dem  Patriarchen  Euphemios  von  Con- 
stantinopel,  der  bei  seinem  Amtsantritt  den  Namen  des  Petros 
Mongos  aus  den  Diptychen  seiner  Kirche  strich:  Petros  starb, 
als  Beide  eben  im  Begriff  waren,  mit  Berufung  von  Synoden 
einander  zu  bekämpfen  (Euagr.).  Euphemios  ward,  eines 
geheimen  Einverständnisses  mit  den  Leitern  der  aufständi- 
schen Isaurer  verdächtig,  abgesetzt,  nach  dem  zuverlässigsten 

1)  Vielleicht  6  XB%avi%69,  der  Schüsselmaiin;  der  Beiname  Talaia 
trägt  Byriflche  Physiognomie. 


DER  PATRIAECHEN  VON  ALEXANDRIEN.  455 

Gewährsmann,  Theodoros  Anagnostes,  im  fünften  Jahre  des 
isaurischen  EriegeS;  also  496,  und  war  nach  Photios  6  Jahre 
3  Monate  im  Amte,  kann  dasselbe  folglich  nicht  vor  October 
489  angetreten  haben;  der  Umstand,  dass  Theophanes  die 
3  Monate  17  Tage  seines  Vorgängers  Fravita  als  ein  Jahr 
berechnet,  scheint  darauf  hinzudeuten,  dass  der  Jahreswechsel 
(1.  September)  in  seine  Amtsdauer  gefallen  ist,  und  so  das 
erstere  Datum  zu  bestätigen.  Rechnen  wir  von  dem  nächsten 
festen  Punkte  nach  oben,  der  Absetzung  des  Patriarchen 
Flavianus  auf  der  am  8.  August  449  ero&eten  Räuber- 
Synode,  abwärts,  so  ergiebt  siQh  unter  Zugrundelegung  der 
sorgfältigsten,  die  Vacanzen  freilich  nicht  angebenden,  Liste 
des  Nikephoros  nur  ein  Deficit  von  3  Monaten,  welches 
wahrscheinlich  auf  Rechnung  einer  Vacanz  nach  der  Ab- 
setzung des  Flavianus  kommt.  Wollte  man  aber  auch  mit 
Marcellinus  die  Absetzung  des  Euphemios  in  das  Jahr  495 
setzen,  so  beweist  doch  die  eben  angeführte  Gegenprobe, 
dass  er  keinesfalls  vor  Juli  489  das  Patriarchat  erlangt 
haben  kann: 

Flavianus  abgesetzt  nach  8.  August  449 
Anatolios       8  J.  8     Mon.     frühestens    April       458 
Gennadios    13  J.  2     Mon.  „  Juni        471 

Akakios        17  J.  9     Mon.  „  März       489 

Fravita        —  J.  3%  Mon.  „  Juli         489 

Euphemios     6  J.  3     Mon.  „  October  495. 

34.  (bei  den  Jakobiten  28.)  Athanasios  11.  6  KfiXhfjg 
(Theoph.,  vielmehr  xiyAiJriy?,  der  mit  einem  Kropf  Behaftete) 
sass  7  Jahre  {ÄQovoyQ.  övvx.  Theoph.  Nikeph.  Eut.  Sev. 
'  Elm.  Makr.),  f  20.  Thoth  (213  Diocl.)  (Sev.  Ebnr.  Makr.) 
SB  17.  September  496.  Dass  Athanasios  nicht  später  ge- 
storben sein  kann,  beweist  das  von  Le  Quien  II  S.  426  bei- 
gebrachte, aber  aus  Versehen  auf  Joannes  Nikiotes  bezogene 
und  deshalb  in  seiner  Wichtigkeit  für  die  Herstellung  der 
Zeitrechnung  nicht  erkannte  Citat  eines  ^Icnavvrig  6  ^j^Xs^av- 
ÖQsiag  iv  rij  TtQog  FeXciöLov  xov  ^Pcoftijg  anoXoyCa  in  den 
Acten  gegen  die  Pelagianer  bei  Phot.  cod.  54  p.  15*^,  25 
(Bekk.).     Papst   Gelasius   (im    Amte   seit  492)   starb   nach 


456  VEEZEICHNISS 

dem  liber  Pontificalis,  desseD  auf  ofScielle  Aufzeichnungen 
zurückgehende  Angaben  von  dem  nächsten  festen  Punkte, 
dem  Amtsantritt  des  Hormisdas  am  27.  Juli  514  zurück- 
gerechnet, durch  die  Daten  der  päpstlichen  Briefe  und 
andere  Synchronismen  bestätigt  werden,  am  21.  November 
496,  womit  es  stimmt,  dass  der  Antritt  seines  Nachfolgers 
Anastasius  nach  dessen  eigener  Versicherung  in  dieselbe  Zeit 
wie  Chlodwigs  am  25.  December  496  erfolgte  Taufe  fiel  (vgl. 
Clinton  F.  R.  I  p.  709.  713.  715).  Das  Schreiben  des  Joannes, 
der  der  Zeit  nach  nur  Joannes  Hemula  gewesen  sein  kann, 
notificirte  wahrscheinlich  seine  Inthronisation  und  verband 
damit,  wie  es  Sitte  war,  die  Darlegung  seines  Glaubens- 
bekenntnisses. 

35.  (bei  den  Jakobiten  29.)  Joannes  IL  (nach  jakobiti- 
scher  Zählung  I.)  6  [Mva^mv  (Theoph.^)  Eut.  Abulb.  Gat. 
Bern.),  genannt  Hemula  (Vict.  Theoph.  Cognomento  Mela 
Lib.  wohl  verschrieben^))  sass  8  Jahre  (XgovoyQ.  6vvr.  Gr. 
Montf.  Sev.)  oder  9  Jahre  (Theoph.  Nikeph.  Eut  Bim. 
Makr.),  f  4.  Pachon  (221  Diocl.)  =  29.  Aprü  505. 

36.  (bei  den  Jakobiten  30.)  Joannes  lU.  (nach  jako- 
bitischer  Zählung  11.)  6  iyxkcLötog  (Sev.  Abulb.  Cat.  Bern. 
Ebnr.  Makr.)  genannt  6  NiTuiotrig  (XgovoyQ.  övvt.)^  Nixaid- 
Tr^g  (Theoph.),  Niceta  (Lat.  Montf.  Vict.),  Machiota  (Lib. 
Abulb.),  Nikiosi  (Kai.  copt.  Abulb.),  sass  11  Jahre  {XgovoyQ. 
övvt.  Gr.  Montf.  Theoph.  Nikeph.  Eut.  Sev.  Elm.),  f  27.  Pachon 
(232  Diocl.)  (Sev.  Ebnr.  Makr.  Sjnax.  Kai.  copt  Abulb.]  = 
22.  Mai  516. 

Wegen  der  durch  die  weltliche  Macht  vorgenommenen 
Inthronisation   seines  Nachfolgers  Dioskoros   brachen   nach 

1)  Dass  in  der  Bonner  Ausgabe  p.  217  6  Movaiöip  nicht  bloss  im 
Texte  stehen  geblieben,  sondern  zn  grösserer  Deutlichkeit  noch  durch 
Joannes  Monasco  wiedergegeben,  beweist  wieder  eindringlich,  wie  sehr 
sich  die  Benutzer  jener  Sammlung  das  Horazische  Nil  admirari  zur 
Begel  machen  müssen.    [Richtig  in  der  Ausgabe  von  de  Boor.    F.  R.] 

2)  Die  Endung  ist  ausgeprägt  lateinisch :  sollte  es  nicht  Ver- 
kürzung von  heminula  sein  und  diesen  Joannes  als  'das  Krüglein'  von 
dem  anderen  Joannes,  dem  ^Schüsselmann'  in  fetsslicher  Weise  unter- 
scheiden? 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  457 

Theophanes  p.  251,  7  Unruhen  aus,  und  auch  als  der  Anlass 
zur  Unzufriedenheit  durch  Nachholung  einer  den  kanonischen 
Regeln  entsprechenden  Ordination  beseitigt  worden  war,  gaben 
sich  die  aufgeregten  Massen  nicht  zufrieden,  sondern  erhoben 
sich  in  offener  Empörung  gegen  den  bei  der  Feierlichkeit 
anwesenden  Augustalis  und  erschlugen  seinen  Sohn.  Den 
Zorn  des  Kaisers  wegen  dieses  Aufstandes  wusste  Dioskoros, 
den  die  Alexandriner  als  Fürsprecher  nach  Constantinopel 
schickten,  zu  beschwichtigen.  Die  Gesandtschaft  des  Bischofs 
erzählt  Theophanes  unter  dem  Jahre  6009  d.  W.  (Herbst 
516);  es  ergiebt  sich  aber  durch  Malala,  dass  der  Aufstand 
sich  im  564.  Jahre  antiochenischer  Aera,  in  der  neunten 
Indiction  zutrug,  Herbst  517,  also  zwischen  1.  October  515 
bis  31.  August  516.  Dadurch  ist  der  Mai  516  als  Zeitpunkt 
des  Todes  des  Joannes  gesichert. 

37.  (bei  den  Jakobiten  31.)  Dioskoros  IL  minor  (Vici 
Sev.)  oder  6  fttx(>og  (Theoph.)  oder  6  viog  (Makr.  Cat.  Bern.) 
sass  2  Jahre  5  Monate  (Ebnr.  Elm.  Makr.)  oder  3  Jahre 
(^XQOvoyQ,  avvr.  Gr.  Montf.  Theoph.  Nikeph.  Severus  nach 
Einigen),  f  17-  Phaophi  (235  Diocl.)  (Sev.  Abulb.  Ebnr. 
laut  Rechnung,  Makr.  Synax.)  =«  14.  October  518. 

38.  (bei  den  Jakobiten  32.)  Timotheos  IV.  (nach  jako- 
bitischer  Zählung  IH.)  sass  17  Jahre  {XQtvoyQ.  6vvx,  Gr. 
Montf.  Theoph.  Nikeph.  Sev.  Elm.,  für  dieselbe  Zahl  zeugt 
Yict.  Tunun.,  der  die  Amtszeit  dieses  Bischofs  falschlich  521 — 
538  berechnet  hat),  f  13.  Mechir  (Sev.  Ebnr.  Elm.  Synax. 
Kalend.  Seid.)  252  Diocl.  =  8.  Februar  536.  Der  Patriarch 
Severus  von  Antiochien  flüchtete  sich,  wie  Liberatus  und  mit 
ihm  Severus  und  Ebn  Rahib  angeben,  nach  seiner  Absetzung 
zu  dem  Nachfolger  des  Dioskuros,  Timotheos  und  zwar 
nach  Euagrios  im  September  des  Jahres  567  aer.  Ant.  (d.  i. 
519  n.  Ch.)  oder  im  ersten  Jahre  Justins  (d.  i.  518).  Von 
diesen  beiden  unvereinbaren  Angaben  wird  die  zweite  durch 
Malalas  ausdrückliches  Zeugniss  und  durch  den  Zusammen- 
hang der  Ereignisse  bestätigt.  Der  Widerspruch  des  Euagrios 
mit  sich  selbst  lässt  sich  durch  die  Voraussetzung  beseitigen, 
dass  er  ungenau  die  antiochenischen  Jahre  den  mit  September 


458  VERZEICHNISS 

beginnendeD  Indictionsjahren  gleichgesetzt  hat.  Feste  Pankte 
in  der  antiochenischen  Patriarchengeschichte  dieser  Zeit  sind 
der  Antritt  des  Severus  am  6.  November  512  und  die  Ab- 
dankung seines  Nachfolgers  Paulos  am  1.  Mai  521.  Letzterer 
sass  nach  Eutych.  und  XQovoyQ,  övvr,  2  (nach  Theoph.  und 
Nikeph.  gar  3)  Jahre^  was  genau  mit  seiner  durch  Briefe 
an  den  Papst  Hormisdas  bezeugten  Wahl  Ende  Mai  (519) 
stimmt  Es  waren  derselben  nach  eben  jenen  Briefen  länger« 
Streitigkeiten  vorausgegangen,  weshalb  Dionysios  von  Tel- 
mahar  1  Jahr  auf  die  Vacanz  rechnet.  Folglich  muss  die 
Absetzung  des  Severus  in  den  September  518  fallen.  Zu 
völliger  Gewissheit  wird  dies  durch  das  Zeugniss  des  Libe- 
ratuS;  dass  Severus  über  5  Jahre  im  Amte  gewesen  sei.  Die 
7  Jahre ^  die  Theophanes  und  Nikephoros  dem  Severus  bei- 
legen {XQovoyQ.  övvt.  und  Eut.  nennen  keine  Zahl),  können 
dagegen  nicht  geltend  gemacht  werden,  da  sie  nach  Art  der 
Chronographen  die  Vacanz  vor  der  Wahl  des  Paulos  mit 
zum  vorhergehenden  Episkopat  geschlagen  haben.  Als  den 
Tag  der  Ankunft  des  Severus  in  Aegypten  feiert  das  EaL 
copt.  (Benaudot  p.  133)  den  2.  Phaophi  =^  29.  September, 
und  dies  verträgt  sich  sehr  gut  mit  dem  Monate  der  Ab- 
setzung, weniger  aber  mit  unserer  Annahme,  dass  Dioskoros 
erst  am  14.  October  518  gestorben  sei.  Es  konnte  also 
scheinen,  als  müsste  dessen  Tod  in  das  Jahr  517  zurück- 
geschoben werden,  um  so  mehr,  da  Euagrios  den  Timotheos 
zu  den  alexandrinischen  Bischöfen  rechnet,  welche  die  Send- 
schreiben des  Severus  aufgenommen  hätten:  doch  beweist 
dies  nichts,  da  Severus  auch  in  der  Verbannung  nicht  auf- 
hörte, sich  als  Bischof  zu  geriren.  Da  m^n  den  Zwischen- 
raum vom  Tode  des  Petros  Monges  bis  zu  dem  des  Dios- 
koros IL,  will  man  die  überlieferten  Zahlen  retten,  nicht 
niedriger  berechnen  kann,  als  von  uns  geschehen  ist,  so 
müssten  alle  Todesjahre  der  vorhergehenden  Bischöfe  am 
Eines  zurückgeschoben  werden,  und  dann  würde  nicht  nur 
der  Amtsantritt  des  Dioskoros  IL  von  dem  seinetwegen  er- 
folgten Aufstande  in  sehr  unwahrscheinlicher  Weise  entfernt^ 
sondern  der  Tod  des  Petros  vor  den  Amtsantritt  des  Euphe- 


DEE  PATMABCHBN  VON  ALEXANDMEN.  459 

mioB  gesetzt,  was  erwiesen  falsch  isi  Den  kleinen  Vortheil 
unserer  Anordnung,  sich  nie  um  mehr  als  1  Jahr  von  den 
Angahe^i  des  Victor  Tununensis  zu  entfernen^  will  ich  hierbei 
nicht  einmal  geltend  machen.  Es  bleibt  somit  nichts  übrig, 
als  die,  wie  mir  scheint,  ganz  unanfechtbare  Annahme,  dass 
Severus  während  der  letzten  Krankheit  des  Dioskoros  nach 
Alezandrien  kam,  daher  nicht  mit  ihm,  sondern  erst  mit 
seinem  Nachfolger  Timotheos  zusammentraf.  Theophanes, 
der  p.  254,  18  ausdrücklich  sagt,  Severus  sei  noch  unter 
Dioskoros  nach  Aegypten  gekommen,  liefert  uns*  dafür  eine 
directe  Bestätigung. 

Theodosios  L,  ord.  als  die  Leiche  seines  Vorgängers 
noch  über  der  Erde  war  (Lib.),  also  vermuthlich  Sonntag, 
den  15.  Mechir  252  -Diocl.  «»  10.  Februar  536,  sass  2  nicht 
volle  Tage  (Lib.),  wofür  Sev.  2  Monate,  Eutych.  3  Jahre 
als  die  ganze  bis  zu  seiner  Verbannung  verflossene  Zeit  an- 
giebt;  von  den  übrigen  Quellen  erwähnt  nur  noch  Lat.  Montf. 
den  Theodosios  vor  Gaianos;  vertrieben  etwa  16.  Mechir  252 
Diocl.  =  11.  Februar  536. 

39.  (von  den  Jakobiten  übergangen)  Gaianos  (Theoph. 
fölschlich  FaVvasy  Eutych.  Gäbios,  d.  i.  Fatog,  Makr.  Da- 
kioSy  Sev.  Dakianos  oder  Akakianos),  ein  Aphthartodoket, 
an  demselben  Tage  mit  Theodosios  ordinirt  (Vict.  Tun.),  also 
wahrscheinlich  Sonntag,  den  15.  Mechir  252  Diocl.  «»=  10.  Fe- 
bruar 536^  sass  103  Tage  (Lib.,  als  1  Jahr  berechnet  von 
XQovoyQ.  6vvt.  Gr.  Montf.  Theoph.  Nikeph.;  irrige  Angaben 
bei  Eutych.  und  Sev.),  abgesetzt  etwa  28.  Pachon  252  Diocl. 
=  23.  Mai  536. 

Vacanz  2  Monate  (Lib.),  worauf  Gaianos  nach  Sardinien 
Verbannt  wird. 

40.  (bei  den  Jakobiten  33.)  Theodosios  L  wiederein- 
gesetzt (Epiphi  252  Diocl.  »=»  Juli  536);  im  Amte  1  Jahr 
4  Monate  (Lib.,  dieselbe  Zahl  ergiebt  sich  aus  den  Ansätzen 
bei  Sev.  4  Jahre  =  2  Monate  +  6  Monate  +  2  Jahre  +  x, 
also  X  e=  1  Jahr  4  Monate;  als  2  Jahre  berechnet  von 
XQOvoyQ.  ovi/i.  Gr.  Montf.  Theoph.  Nikeph.,  ebenso  von 
Victor,  der  den  Theodosios  fälschlich  von  536—540  sitzen 


460 


VERZBICHNISS 


lässt)  bis  zu  seiner  zweiten  Vertreibung  aus  Alexandrien 
(Athyr  254  Diocl.  =  November  537),  lebte  dann  in  Melicha 
2  Jahre  (nach  Anleitung  des  Sey.)  bis  zu  seiner  Vorladung 
nach  Constantinopel  und  endlicheti  Verbannung  lustino  cons.^ 
d.  i.  540  (Vict.);  also,  da  die  ganze  Zeit  vom  Tode  des  Timo- 
tbeos  bis  dahin  von  Sev.  auf  4,  von  Eut  aber  auf  3  Jahre 
bestimmt  wird,  vermuthlich  Tybi  256  Diocl.  »»  Januar  540. 
Theodosios  I.  sass  nach  den  Jakobiten,  die  ihn  bis  an  seinen 
Tod  ^Is  Patriarchen  betrachten,  32  Jahre,  davon  4  in  der 
Thebais  und  28  in  der  Verbannung  bei  Constantinopel  (Sev. 
Makr.)  und  f  28.  Payni  (Sev.  Ebnr.  laut  Rechnung,  Eim. 
Makr.  Eal.  copt.  Synax.)  283  Diocl.  nach  dem  hier  zulässigen 
Zeugnisse  Abulb.  (s.  das  Vorwort  über  die  Quellen),  10  Jahre 
vor  der  Ordination  des  Petros,  welche  wiederum  8  Jahre  vor 
dem  Jahre  896  nach  Alex.  (aer.  Seleuc.)  erfolgte  (Joannes 
von  Epbesos  bei  Land  S.  132);  Wixit  usque  ad  primum 
lustini  iunioris  Augusti  consulatum'  sagt  Vict.  Tunun.  p.  9 
(ed.  Scaliger)  und  meint  damit,  da  er  Justins  II.  Begierungs- 
antritt in  566  setzt,  wahrscheinlich  das  Jahr  567;  also  Todes- 
tag 22.  Juni  567. 

Die  vorstehend  gegebene  Herstellung  der  schwierigen 
Zeitrechnung  der  Jahre,  in  denen  sich  die  vollige  Los- 
trennung der  Jakobiten  von  der  Staatskirche  entschied, 
beruht  auf  einer  Vergleichung  der  drei  Berichte,  welche 
allein  specielle  Zeitangaben  enthalten: 


Liberatus. 

Theodosios  wird,  als 
die  Leiche  seines  Vor- 
gängers noch  über  der 
Erde  war,  yom  Kleros 
und  den  Behörden  in- 
thronisirt,  am  zweiten 
Tage  von  dem  Volke 
und  den  Mönchen,  die 
dem  Ga'ianos  anhängen, 
vertrieben. 


Severus  von  Ash- 

munin  bei  Benandot 

p.  137—142. 

Theodosios  wird  von 
Klerus  und  Volk  inthro- 
nisirt,  erst  nach  2  Mona- 
ten hört  man  von  der 
Ordination  des  Ga^nos, 
und  Theodosios  wird 
durch  die  vom  Priester 
Theodoros  bestochenen 
Behörden  aus  Alexandrien 
vertrieben. 


Eutycfa.    Alex. 

Annales  II 

p.  149—168. 

Theodosios  sass 
3  Jahre  im  Amte, 
dann  abgesetzt. 


'DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN. 


461 


Liberatns. 

Gaiänofl  sass  103^ 
Tage,  nach  Ablauf 
deren  er  darch'  rich- 
terliches Erkennir 
niBs    entsetzt    wird. 

Nach  2  Monaten 
Ankunft  des  Narses, 
des  Eammerherm 
der  Kaiserin  Theo- 
dora,  durch  den  nach 
heftigem  Strassen- 
kämpfe  Theodosios 
eingesetzt,  Galanos 
aber  nach  Karthago 
und  von  da  in  die 
Verbannung  nach 
Sardinien  abgeführt 
wird. 


»4 


D 


Theodosios  sass  1  Jahr 
4  Monate,  verl&sst  aber 
endlich  Alezandrien 
*tton  ferens  sediiiones  et 
hella,  quae  contra  eum 
exercebantur  a  popuio*. 


« 
4 

B 


Seyerns  ron  Ash- 

munin  bei  Renaudot 

p.  1S7— 142. 

Theodosios  verweilt 
6  Monate  an  einem 
Orte  Namens  Haris- 
manos^).  Damals  rich- 
tete Severus  von  Saca 
(d.  i.  Xo!s)  aus  ein 
tröstendes  Schreiben 
an  .  Theodosios  242 
(sehr.  262)  Diocl. 

*Cum  vero  Theodo- 
8iu8  continuis  seditiO' 
nibus  eorum ,  gut 
Qaumo  adkaerehant, 
vexaretur^f  entwich  er 
2u  Schiff  nach  Melicha 
(d.  i.  Neilupolis  in 
Mittel&gypten)  und 
blieb  da  2  Jahre. 

Unterdessen  wird  Gaia- 
nos  Yon  den  Behörden 
entsetzt,  dann  durch  eine 
auf  Betrieb  der  Kaiserin 
Theodora      abgeordnete 

Untersuchungscommis- 
sion Theodosios  zur  gros- 
sen Freude  der  Alexan- 
driner wiederhergestellt. 
Gaianos  bezeugt  Reue 
und  unterwirft  sich  ihm. 

Theodosios  sass^ 
1  Jahr  4  Monate  (siehe 
oben) ,  nach  Ablauf 
deren  er  sich,  die  Ver- 
bannung der  Aner- 
kennung des  chalke- 
donisctaen  Concils 
vorziehend,  zu  Schiff 


Eutjch.    Alex. 

Annales  II 

p.  149  —158. 

Gaüos  2  Jahre  im 
Amte ,  dann  abge- 
setzt. 


Theodosios  wie- 
dereingesetzt ,  sass 
5  Jahre,  ehe  er  bis 
an  sein  Ende  ver- 
bannt wurde.  Nach 
Constantinopel  vor- 
geladen und  mit  dem 
Tode  bedroht,  wenn 


1)  In  der  griechischen  Quelle  stand  vermuthlich  mQUfiiivog  tonog: 
dem  Theodosios  war  ein  Ort  angewiesen,  dessen  Grenze  er  nicht  fiber- 
schreiten durfte. 


462 


VERZEICHNISS 


LiberatuB. 


An  das  vorher  Er- 
zählte Bchlieflsen  sich 
unmittelbar  die  Worte 
an :  'Missus  est  Constan- 
tinopölim  cum  honore^ 
eo  quod  ita  Augustcie 
scripta  praeceperah  t ' , 
wird  aber,  da  er  sich 
weigert,  das  cbalkedoni- 
sehe  Goncil  anzuerken- 
nen, an  einen  Ort, 
6  Meilen  von  der  Haupt- 
stadt yerwiesOD,  Huxta 
basilieam  Arisphoccte 
{Äristochae  ?)  in  via,  quae 
ducit  ad  Stoma  pontum^ 
(sehr.  Stoma  Pontu). 

Paulus,  unus  abbatum 
Tabennensinm ,  kommt 
in  Angelegenheiten  sei- 
nes Klosters  nach  Con- 
stantinopel,  der  ^divino 
nutu  catkedram  vakan- 
tem ifweniens*  das  ale- 
xandrinische  Patriar- 
chat erlangt. 


Severus  Ton  Ash- 

mnnin  bei  Benandot 

p.  187—142. 


d 

o 


« 


nach  Sa*!d  (d.  i.  der^ 
Thebais)  begab. 

Hier  lebte  er  4  Jahre 
und  ermahnte  während 
dieser  Zeit  die  Mönche 
zu  standhaftem  Aus- 
harren im  monophy- 
sitischen  Glauben. 

Um  dem  zu  steuern, 
lockt  ihn  Justinianus  nach 
Constantinopel ,  von  wo 
er  ihn  nach  wiederholter 
Weigerung,  das  chalke- 
donische  Goncil  anzuer- 
kennen, in  die  Verban- 
nung schickt  und  den 
Paulos  an  seiner  Stelle 
als  Patriarchen  einsetzt 
(Theodosios  sass  bis  an 
seinen  Tod  32  Jahre,  von 
denen  er  28  in  der  Ver- 
bannung zubrachte,  dar- 
unter 4  in  der  Theba'is). 


Paulos  ist  1  Jahr  in^ 
Alezandrien,  von  Allen 
ausser  den  kaiserlichen 
Beamten  und  Officie- 
ren  geflohen  'wie  der 
Wolf  von  den  Schafen'. 

Darauf  lässt  der 
Kaiser  die  Kirchen  der 
Monophjsiten  schlies- 
sen,  die  nun  1  Jahr 
ohne  Abendmall,  Got- 
tesdienst und  Taufe 
zubringen. 

Durch  ein  von  Theodo- 
sios aus  dem  Orte  seiner 
Verbannung      gesandtes 


I 

M 

II 


Eutych.    Alex. 

Annales  H 

p.  149—168. 

er  das  ohalkedoni- 
sche  Goncil  nicht 
anerkennen  würde, 
wird  er  auf  Ver- 
wendung der  Kai- 
serin Theodora  wie- 
der nach  Aegypten 
entlassen. 

Er  hielt  sich  nun 
zu  Mustl,  d.  i.  Mu- 

telis    und  i^Jy^Jltf 

(vielleicht|M^V  a  4I  ha 

aus  einem  griechi- 
schen UroXefiatdog) 
in  den  westlichen 
Landschaften  Aegy- 
ptens  auf,  wo  sich 
die  Monophysiten 
um  ihn  sammelten. 


Deshalb  yerbannt 
ihn  Justinian  und 
setzt  den  Paulos  zum 
Patriarchen  ein. 


Paulos      sass      2 
Jahre. 


DER  PATEIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN. 


463 


Liberatus. 


Severns  von  Aah- 

mnntn  bei  Renandot 

p.  187—142. 

Scbreiben  getrOstet,  thun 
sich  die  angesehensten 
Monophysiten  zasammeu 
und  banei»  die  Kirche  im 
Angelion,  Andere,  ihnen 
nacheifernd,  die  Kirche 
der  H.  H.  Kosmas  und  Da- 
mianos, im  Jahre  248 
(sehr.  268)  Diocl.  (das- 
selbe Datum,  in  derselben 
Weise  verschrieben,  bei 
Sev.  Chr.  or.  und  Makr.). 


Eutych.    Alex. 

Annales  II 

p.  149—163. 


Dass  der  Bericht  des  Liberatas  bei  der  Prüfung  der 
übrigen  als  Richtschnur  dienen  muss^  liegt  auf  der  Hand, 
nicht  bloss  weil  er  ein  gleichzeitiger^  sondern  auch  weil  er 
als  Synodit  der  unbefangenste  Berichterstatter  über  einen 
Streit  zwischen  strengen  Monophysiten  und  Aphthartodo- 
keten  ist.  Seine  Zeitangaben  über  die  erste  Phase  dieses 
Streites  sind  bis  auf  den  Tag  genau,  für  die*  spätere  Zeit 
giebt  er  dagegen  gar  keine  oder  nur  ganz  unbestimmte. 
Schon  darum  ist  eine  Herbeiziehung  der  sehr  ausführlichen 
Erzählung  des  Severus  nicbt  zu  umgehen,  die  schon  von 
Tornherein  durch  ihre  sorgfältigen  Zahlen-  und  Ortsangaben 
den  Eindruck  einer  gut  unterrichteten  Quelle  macht.  Sie 
stimmt  auch  in  Nennung  von  Namen  der  in  diesem  Drama 
spielenden  Personen,  nicht  bloss  allbekannter,  wie  der  Kai- 
serin Theodora,  sondern  auch  weniger  hervortretender,  wie 
des  Dux  Aristomachos ,  mit  Liberatus  überein.  Es  kann 
kaum  einem  Zweifel  unterliegen,  dass  dem  jakobitischen 
Historiker  der  Brief  des  Severus  an  Theodosios  und  der, 
welchen  Theodosios  aus  dem  Exile  an  die  Alexandriner 
schrieb,  vorgelegen  haben  (der  letztere  wird  von  Severus 
anscheinend  p.  143  citirt)  und  dass  gerade  die  beiden  Daten 
nach  Diocletianischer  Aera  aus  diesen  ganz  authentischen 
Quellen   geflossen   sind.     Dass   Beide   in    den  Zehnern   ver- 


464  VEEZEICHNISS 

schrieben  sind,  thut  ihrem  Werthe  keinen  Abbruch:  eine 
ähnliche  Interpolation  zieht  sich  durch  einen  grossen  Theil 
der  Eirchengeschichte  des  Joannes  von  Ephesos  (Land 
S.  56  —  132).  In  ihren  Grundzflgen  ist  die  Geschichts- 
erzählung dieselbe  wie  bei  Liberatus,  und  es  hat  allen  An* 
schein,  als  wenn  die  Abweichungen  weniger  in  der  Un- 
wissenheit des  Severus,  als  in  dem  Bestreben  ihren  Grund 
hätten,  die  Vorgänge  dem  Leser  in  einem  der  jakobitischen 
Sache  möglichst  günstigen,  pragmatischen  Zusammenhange 
vorzuführen.  So  soll  augenscheinlich  der  Umstand  vertuscht 
werden,  dass  der  letzte  wirklich  regierende  monophysitische 
Bischof  sich  ganz  wie  die  so  sehr  perhorrescirten  Melchiten- 
patriarchen  nur  durch  militärische  Unterstützung  hat  be- 
haupten können  und  schliesslich  nicht  aus  Ueberzeugungstreue, 
sondern  wegen  der  Unmöglichkeit,  sich  dem  Yolksunwillen 
gegenüber  länger  zu  halten,  das  Feld  räumte.  Gründlich 
verfälscht  ist  der  Bericht  über  den  Ausgang  des  Gai'anos: 
diese  Erdichtung  kann  nur  politischen  Zweck  haben  und  ist 
nur  denkbar  in  einer  Zeit,  wo  Monophysiten  und  Aphthar- 
todoketen  auf  dem  Fusse  eines  herzlichen  Einverständnisses 
zu  einander  standen;  da  wir  von  einem  solchen  nur  aus  der 
Zeit  des  Melchitenpatriarchen  Eulogios  (580  —  607)  wissen 
(Phot.  cod.  227  p.  244%  9  Bekker),  so  lässt  sich  anscheinend 
die  Entstehung  des  Berichtes  des  Severus  ziemlich  genau 
bestimmen.  Unter  jener  tendenziellen  Ueberarbeitung  scheint 
die  Zeitrechnung  besonders  gelitten  zu  haben;  zum  Glück 
bietet  die  Darstellung  des  Severus  in  sich  selbst  die  Mittel 
zu  einer  Berichtigung  derselben.  Die  6  Monate  der  ersten 
Abwesenheit  des  Theodosios  von  Alexandrien  vergleichen 
sich  ganz  von  selbst  mit  den  57,  Monaten,  die  sich  aus 
Liberatus  für  diesen  Zeitraum  ergeben;  die  zweite  Amts- 
dauer des  Theodosios  von  1  Jahre  4  Monaten  ist  bei 
Beiden  dieselbe ;  die  Abweichungen  beschränken  sich  auf 
drei  Punkte: 

1)  Severus  erzählt,  noch  vor  der  Untersuchungscom- 
mission hätten  die  Gönner  des  Gai'anos  seine  Ordination  für 
die  frühere  und  nach  den  kanonischen  Vorschriften  erfolgte 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  465 

erklärt,  seien  aber  durch  Zeugen  überführt  worden,  dass 
beide  Prädicate  vielmehr  von  der  Ordination  des  Theodosios 
gälten  und  dass  man  erst  nach  Verlauf  zweier  Monate  gehört 
habe,  dass  Gaianos  ordinirt  wäre.  Dass  hier  wirklich  nur 
durch  ein  Missverständniss  „ Monate ''  statt  ,,Tage"  genannt 
sind,  zeigt  der  Zusammenhang:  eine  Differenz  von  zwei  Mo- 
naten wegzuleugnen,  wäre  sinnlos  und  unausführbar  gewesen; 
über  2  Tage  konnte  man  schon  eher  hoffen,  mit  Hülfe  be- 
stochener Zeugen  hinauszuschlüpfen. 

2)  Direct  ausgeschlossen  wird  durch  den  Bericht  des 
Liberatus  der  zweijährige  Aufenthalt  des  Theodosios  in  Nei- 
lupolis  vor  seiner  Wiedereinsetzung;  es  liegt  aber  auch  ein 
innerer  ^Widerspruch  vor:  die  Volksauf  laufe  und  Strassen- 
kämpfe,  die  als  Grund  der  Entweichung  des  Theodosios 
nach  Neilupolis  angegeben  werden,  habqn  in  Harismanos 
oder  wie  sonst  sein  Detentionsort  geheissen  haben  mag, 
keinen  Sinn;  man  erkennt  aber  auf  den  ersten  Blick  die 
von  Liberatus  fast  mit  denselben  Worten  geschilderten  Vor- 
fälle wieder,  welche  die  Vertreibung  des  Theodosios  aus  Ale- 
xandrien  zur  Folge  hatten.  Als  Grund  der  letzteren  giebt 
Severus  seine  Weigerung  an,  das  chalkedonische  Concil  anzu- 
erkennen: es  ist  dies  aber  eine  einfache  Verdoppelung  dessen, 
was  später  in  Gonstantinopel  vorging  und  die  Veranlassung 
wurde,  den  Theodosios  lebenslänglich  in  die  Verbannung  zu 
schicken.  Wir  glauben  also  zuversichtlich,  die  iTrsprüngliche, 
wahrscheinlich  absichtlich  verdunkelte,  Folge  der  Ereignisse 
wiederherzustellen,  indem  wir  des  Theodosios'  Aufenthalt  in 
Neilupolis  nach  seinem  abermaligen  Weggange  von  Ale:xan- 
drien  setzen.  Liberatus  widerspricht  einer  solchen  Anordnung 
nicht,  indem  er  sich  darüber,  wann  Theodosios  nach  Gon- 
stantinopel vorgeladen  ward,  nicht  bestimmt  äussert;  der 
Zusammenhang  der  ganzen  Zeitrechnung  der  Jahre  536 — 
569  verlangt  sie  sogar  mit  Noth wendigkeit,  da  man  ohne 
die  Annahme  einer  mehrjährigen  Vacanz  bis  zu  dem  näch- 
sten festen  Punkte,  dem  Todesjahre  des  Apollinarios ,  mit 
den  überlieferten  Amtsjahren  der  Bischöfe  in  keiner  Weise 
gelangen  kann. 

y.  GuTBCHMiD,  Kleine  Schriften,    ir.  30 


466  VERZEICHNISS 

3)  Von  einem  vierjährigen  Exile  in  der  Thebais  weiss 
Liberatus  nichts^  ein  solches  wird  aber  auch  darch  die  eigene 
Rechnung  des  Seyerus  ausgeschlossen:  4  Jahre  bis  zu  Theo- 
dosios'  Austreibung  +  4  Jahre '  Exils  in  der  Thebais  + 
2  Jahre  des  Paulos  würden  10  Jahre  ergeben  statt  der 
sechs  durch  die  Jahreszahlen  252  und  258  abgegrenzten; 
genau  4  Jahre  sind  vom  Uebel.  Erwägt  man  hierzu  noch, 
dass  die  Auswanderung  des  Theodosios  nach  der  Thebais 
imter  denselben  Umständen  wie  die  nach  Neilupolis  erfolgt 
sein  soll  (beide  Male  entweicht  er  zu  Schiff  stromaufwärts), 
so  wird  es  sehr  wahrscheinlich,  dass  des  Theodosios  Auf- 
enthalt in  der  Thebais  mit  dem  in  Neilupolis  zeitlich 
zusammenfällt  und  wiederum  eine  Verdoppelung  vorliegt; 
durch  die  4  Jahre  wird  in  der  Quelle  des  Severus  die 
Dauer  seines  Aufenthaltes  in  Aegypten  überhaupt  aus- 
gedrückt gewesen  sein.  Uebrigens  darf  man  weder  die 
Nachricht  des  Severus  von  einem  Besuche  des  Theodosios 
in  der  Thebais,  noch  die  mit  bestimmten  Ortsangaben  auf- 
tretende des  Eutychios  von  einem  solchen  in  den  westlichen 
Marken  von  Unterägypten  verwerfen,  zumal  da  sie  mit  der 
später  von  demselben  Patriarchen  von  Constantinopel  aus 
geleiteten  ungemein  rührigen  monophysitischen  Propa^^anda 
im  si^hönsten  Einklänge  stehen;  nur  wird  man  sie  als  Bund- 
reisen anzusehen  haben,  die  Theodosios  von  Neilupolis  aus 
unternommen  hat.  Die  sonst  wenig  brauchbaren  Angaben 
des  Eutychios  lassen  sich  auf  eine  unkritische  Verquickung 
zweier  verschiedener  Quellen  zurückführen:  einer  kurzen 
Chronographie  —  wahrscheinlich  der  von  ihm  anderwärts 
zu  Grunde  gelegten,  den  byzantinischen  nahe  stehenden  — 
und  einer  jakobitischen  Geschichtserzählung.  Jener  entnahm 
er  die  dreijährige  Amtsdauer  des  Theodosios  (von  ihm  falsch- 
lich auf  sein  erstes  Patriarchat  beschränkt)  und  die  Notiz, 
dass  er  wegen  seiner  Weigerung,  das  chalkedonische  Concil 
anzuerkennen,  nach  Constantinopel  citirfc  und  von  da  aus  in 
die  Verbannung  geschickt  worden  sei;  der  zweiten  Quelle 
folgend  setzte  er  diese  Weigerung  in  enge  Verbindung  mit 
seiner  zweiten  Vertreibung  aus  Alexandrien   und   liess  sich 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  467 

dadurch  verleiten,  den  Theodosios  gegen  alle  Geschichte 
zweimal  nach  Constantinopel  zu  bringen.  Seine  viel  zu 
hoch  gegriffenen  Ansätze  von  2  Jahren  für  Gaianos  und 
fünf  für  den  wiedereingesetzten  Theodosios  finden  in  den 
entsprechenden  Zeitbestimmungen  yon  2  Jahren  6  Monaten 
und  5  Jahren  4  Monaten  bei  Seyerus  ihre  Erklärung.  — 
Gegen  unsere  Herstellung  kann  Liberatus,  der  scheinbar 
allerdings  die  Wahl  des  Paulos  in  536  setzt ,  keineswegs 
geltend  gemacht  werden.  Nachdem  derselbe  die  Ordination 
des  Paulos  durch  den  Patriarchen  Menas  von  Constantinopel 
in  Gegenwart  von  Abgeordneten  der  Bischöfe  Vigilius  von 
Rom  und  Petros  von  Jerusalem  berichtet  hat,  fährt  er  fort 
(cap.  23  in  den  Act.  conc.  V  p.  776  E):  ^Severus  autem  An- 
tiochenus  tarn  fuerat  condemnatus  et  Anthimus  Constantinopoli- 
tanus  ah  Agapeto  papa  Romano  et  Mena  Constantinopolitano  et 
libellis  datis  adversus  eos  imperatori  lustiniano  a  praesulibus 
monasteriorum,  praesulibus  primae  et  secundae  Syriae  et  prae- 
sulibus monasteriorum  Hierosolymorum  et  eremi.  Hoc  ergo  modo 
unitas  facta  est  ecclesiarum  anno  decimo  imperii  gloriosi  lusti- 
niani  Augusti*  —  worauf  mit:  ^iste  Paulus  etc.^  eine  Einzel- 
heit, die  Erhebung  des  Paulos  betreffend,  nachgetragen  wird. 
Für  die  Verdammung  des  Severus  und  Anthimos  trifft  die 
Zeitrechnung  zu:  das  Decret,  durch  welches  Justiuian  die^ 
vorangegangenen  Yerdammungsurtheile  des  Agapetus  und 
Menas  bestätigte,  ward  am  6.  August  536  erlassen  (siehe« 
Clinton  P.  R.  I  p.  767);  wollte  aber  Liberatus  die  Wahl  des 
Paulos  wirklich  in  dieses  selbe  Jahr  setzen,  so  würde  er  in 
Widerspruch  mit  sich  selbst  gerathen,  denn  Yigilius  wurde 
erst  Papst  am  22.  November  537,  im  elften  Jahre  Justinians 
(siehe  Clinton  F.  R.  I  p.  769.  803).  Er  wird  sich  aber  wohl 
nur  nachlässig  ausgedrückt  haben.  Mit  uns  stimmt  auch 
Victor  Tununensis  ganz  überein,  der  die  Verbannung  des 
Theodosios  in  das  Jahr  540  setzt. 
Vacanz  540-541  (Lib.   Vici). 


30' 


468  VERZEICHNISS 

Patriarcben  der  Melchlten. 

41.  Paulos  6  Taßsvvrjöicirrig  (Lib.  Vict.  Bim.;  Teumsi 
Sev.  Makr.;  Thebanus  Chron.  or.)  ord.  Basilio  cons.  (Vict.), 
d.  i.  257  Diocl.  =  541 ,  sass  2  Jahre  (alle  melchitischen 
Chronographen  und  Sev.),  abgesetzt  (259  Diocl.)  =  543.  — 
Da  sich  Victor  soeben  als  gut  unterrichtet  ausweist,  so  wird 
man  ihm  auch  darin  Glauben  schenken  dürfen,  dass  Paulos 
erst  im  Jahre  541  gewählt  worden  ist,  um  so  mehr  da  eine 
Vacanz  noch  nach  der  Ausweisung  des  Theodosios  aus  Con- 
stantinopel  durch  Liberatus  bestimmt  bezeugt  ist.  Es  ist 
wahr,  dass  man  wegen  der  2  Jahre,  die  Seyerus  von  der 
Einsetzung  des  Paulos  bis  zum  Eirchenbau  rechnet,  streng 
genommen  seine  Einsetzung  in  das  Jahr  256  Diocl.  <»  540 
setzen  müsste;  allein  ich  glaube  nicht,  dass  wir  verpflichtet 
sind,  die  Ausdrücke  des  Severus  in  dieser  Weise  auf  die 
Goldwage  zu  legen.  Auf  jeden  Fall  ist  es  sicher,  dass  die 
Absetzung  des  Paulos  nicht  vor  dem  Herbst  des  Jahres  259 
Diocl.  und  frühestens  Ende  542  erfolgt  sein  kann.  Unter  den 
Anlässen  derselben  wird  auch  der  angeführt,  dass  er  den 
Todestag  seines  ketzerischen  Vorgängers  Dioskoros  gefeiert 
habe  (Vict.  Tun.  unter  dem  Jahre  Basilio  v.  c.  cons.)  oder, 
wie  Theoph.  p.  345,  10  sagt,  das  Gedächtniss  des  unheiligen 
Severus.  Wegen  dieses  Widerspruches  ist  die  Nachricht 
allgemein  verworfen  worden;  allein  gerade  der  vermeintliche 
Widerspruch  ist  die  sicherste  Gewähr  ihrer  Glaubwürdig- 
keit: das  Gedächtniss  des  Severus  wird  nämlich  von  der 
alexandrinischen  Kirche  zugleich  mit  Dioskoros  am  7.  Thoth, 
dem  Todestage  des  Letzteren,  gefeiert  (Renaudot  p.  129). 
Severus  starb  nach  Severus  von  Ashmunin  (bei  Renaudot 
p.  138)  30  Jahre  nach  seiner  Erhebung  zum  antiochenischen 
Patriarchate,  d.  i.  nach  dem  6.  November  512;  da  sein  Todes- 
tag nach  den  koptischen  und  äthiopischen  Ealendarien  der 
14.  Mechir  ist  (Ludolf,  ad  hist.  arm.  comment.  p.  403),  so 
muss  er  am  9.  Februar  542  oder  8.  Februar  543  gestorben 
sein  und  seine  Gedächtnissfeier  konnte  frühestens  am  7.  Thoth 
259  «»  4.  September  542  mit  der  des  Dioskoros  verbunden 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  469 

werden.  Da  nun,  ehe  die  Denunciation  gegen  ihn  in  Con- 
stantinopel  einlief,  ehe  zur  Untersuchung  der  Sache  eine 
Synode  einberufen  wurde,  ehe  diesre  die  Absetzung  des  Pau- 
los verfugte,  gewiss  ein  paar  Monate  verflossen  sein  werden, 
so  ergiebt  sich  für  letztere  die  obige  Zeitbestimmung. 

42.  Zoi'los  sass  7  Johre  {Xgovoyg,  6vvt,  Theoph.  Nikeph.), 
ward  abgesetzt  (266  Diocl.)  =  550  und  lebte  noch  5  Jahre 
in  der  Verbannung  (Eutych.),  f  also  555. 

43.  Apollinarios  sass  19  Jahre  (XgovoyQ,  6vvt.  Theoph. 
Nikeph.  Eutych.),  f  (285  Diocl.)  =  569.  Seine  Einsetzung 
setzt  Victor  Tun.  ein  Jahr  später,  551;  allein  die  aus  den 
Amtsjahren  der  Patriarchen  sich  ergebende  Chronologie  wird 
auch  hier  wieder  dadurch  bestätigt,  dass  Apollinarios  nach- 
weislich im  Jahre  569  nicht  mehr  am  Leben  gewesen  ist. 
Der  Bischof  Anastasios  von  Antiochien  wagte  es  nämlich  in 
seinem  durch  Abschriften  veröffentlichten  Synodalschreiben, 
den  Patriarchen  Joannes  von  Constantinopel  wegen  der  Or- 
dination des  Joannes  von  Alexandrien  und  diesen  selbst  an- 
zugreifen, was  aber  seine  eigene  Absetzung  zur  Folge  hatte 
(Theoph.  p.  376, 1).  Ihm  folgte  Gregorios  und,  als  dieser  im 
März  593  gestorben  war,  Anastasios  zum  zweiten  Male,  wie 
die  Chronographen  angeben  nach  24,  oder,  wie  des  Gregorios 
Freund  Euagrios  und  sein  Bival  Anastasios  rechnen,  nach  23 
Jahren.  Demnach  ist  Anastasios  nicht  wohl  vor  Ende  569 
oder  Anfang  570  abgesetzt  worden,  und  der  Tod  des  Apolli- 
narios musB  wenigstens  ein  paar  Monate  früher  erfolgt  sein. 

44.  Joannes  IV.  mit  dem  Beinamen  *der  auf  göttlichem 
Befehl  Stehende'  (el-Qäim  bi'l-amr  nach  Makr.,  der  einen 
vollständigen  Text  des  Eutychios  vor  sich  hatte;  d.  i.  wohl 
6  ^aoTtBi^i^g)  sass  II  Jahre  (alle  melchitischen  Chrono- 
graphen und  Makr.),  f  (296  Diocl.)  =  580.  Hiermit  stimmt, 
dasB  sein  Nachfolger  Eulogios  zur  Zeit  der  gegen  die  syrischen 
Heiden  geführten  Untersuchung,  um  den  grünen  Donnerstag  des 
zweiten  Jahres  des  Tiberius  (18.  April  580),  noch  nicht  Patri- 
arch war  (Joannes,  Bischof  von  Ephesos  bei  Land  S.  162). 

45.  Eulogios  sass  27  Jahre  (Nikeph.  Kall.  XgovoyQ. 
fSvvx.   Theoph.  und  Nikeph.  Constantinop.  nach  der  Lesart 


470  VERZEICHNISS 

des  Anast.  Bibl.).  Sein  Gedenktag  ist  nach  dem  griechi- 
schen Menologion  des  E.  Basileios  (bei  Le  Quien  II  p.  444)*) 
der  13.  Februar,  und  höchst  wahrscheinlich  ist  derselbe  Eu- 
logios  auch  in  die  äthiopischen  Ealendarien  aufgenommen 
worden  in  Folge  nicht  sowohl  einer  loblichen  Toleranz,  als 
eines  bedauerlichen  Uebersetzungsfehlers.  Der  11.  Mechir  ist 
daselbst  als  Gedenktag  eines  Anbasäwi  Aulog  oder  ^lowen- 
artigen  Eulogios'  vermerkt  (Ludolf,  Gommentar.  p.  403).**) 
Nun  hatte  sich  der  Melchitenpatriarch  Eulogios,  wie  Phot. 
cod.  230  p.  281^,  38  bezeugt,  durch  viele  Schriften  als  war- 
men Vorkämpfer  der  chalkedonischen  Synode  und  des  Briefes 
des  heiligen  Papstes  Leo  bethätigt  und  eigens  zur  Verherr- 
lichung des  Letzteren  und  zur  Niederschmetterung  seiner 
monophysitischen  Widersacher  eine  Uwrjyogia  täv  iv  rcS 
xofLO)  Aiovxog  roi;  iv  aytoig  rfjg  ^Pdfiijs  dQxt^BQems  in  zwei 
Bänden  geschrieben,  die  Phot.  cod.  225  p.  240*,  12  und 
cod.  226  p.  243*^,  25  ausgezogen  hat.  Der  arglose  Aethiope 
wird  in  seiner  Quelle  6  Aeovtsiog  EvXoyiog  vorgefunden, 
die  im  Grase  lauernde  Schlange  nicht  bemerkt  und,  gewiss 
sehr  unfreiwilliger  Weise,  einen  Hauptgegner  seines  Glaubens 
dem  Coetus  der  monophysitischen  Heiligen  einverleibt  haben. 
Eulogios  starb  also  am  11.  (19.)  Mechir  (323  Diocl.)  »=  5. 
(13.)  Februar  607. 

46.  Theodoros  6  UxQißcov  (Nikeph.  Kall.  Nikeph.  Con- 
stantinop.;  UxQi^ßcav  XQovoyg.  övvt.)  sass  2  Jahre  (Nikeph. 
Kall.  Tbeoph.  Nikeph.  Constantinop.  Eutych.),  ermordet  In* 
dict.  XII  (Chron.  Pasch,  p.  699,  3)^)  d.  i.  325  Diocl.  =  609. 

*)  [Migne,  PatroL  Ser.  Gr.  CXVII,  311.  Lps.] 
♦•)  [Doch  vgl.  Wright,  Catalogue  of  the  Syriac  Manuscripte  in 
the  British  Mubeum  cod.  DCCCCLX  No.  37  p.  1129:  Life  of  Eulogiaa 
the  Egyptian  ascetic  to  whom  a  lion  attached  itself  all  bis  life. 
G.  HofFmanD,  Auszüge  aus  den  syriBchen  Acten  persischer  Märtyrer 
S.  163.    Lps.] 

1)  Die  Worte  lauten  richtig  übersetzt:  ^In  diesem  Jahre  fallen 
Afrika  und  Aleiandreia  ab:  und  ermordet  wird  von  Seiten  der  Gegner 
(dno  ivavtCfov)  der  Papas  von  Alexandreia'.  Die  Gegner  können  nur 
die  Gegner  des  Aufstandes  sein,  zu  denen  also  Theodoros*  Partei 
gehörte;  der  Satz  bleibt  unverständlich,  wenn  man  ihn  nicht  mit  dem 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  471 

In  den  5  Jahren^  welche  XpovoyQ.  övvt.  und  Gr.  Montf.  dem 
Theodoros  zuschreiben  ^  ist  die  Vacanz  bis  zur  Wahl  seines 
Nachfolgers  mitinbegri£fen. 

Vacanz  (Metaphr.  1^  4  in  Acta  SS.  Januar.  II  p.  517) 
609  —  611. 

47.  Joannes  V.  6  KvTcgvog  {Xgovoyg.  övvt.),  o  Kvitgiog 
6  'EAfi^fioii/  (Nikeph.  Kall.  Nikeph.  Constantinop.  Eutych.  — 
'Keri  d.  i.  cfj*^,  falsch  punktirt^  oder  ^Johannes  der  Barm- 
herzige' äthiop.  Synax.),  Eleemon  (Anastasius  in  der  Vor- 
rede zur  Lebensbeschreibung  des  Leontios^  §  1  iu  Acta  SS. 
Januar.  II  p.  498;  Simeon  Metaphrastes  in  seiner  Lebens- 
beschreibung 1,  1  ibid.  II  p.  517;  die  griechischen  Martyro- 
logien,  das  des  Beda  und  Ms.  S.  Gudilae  Bruxellis  nach 
Henschen  ibid.  II  p.  495)*);  von  Herakleios  zum  Patriarchen 
eingesetzt  (Metaphr.  1,4  ibid.)^),  nach  Anleitung  des  XgovoyQ. 

Vorangebenden«  6Dg  verbindet.  Dadurch  wird  der  mögliebe  Verdacht 
beseitigt,  als  läge  in  dem  sonst  nirgends  berichteten  Factum  nur  eine 
Verwechselung  mit  einem  ebenfalls  den  Ausgängen  des  Phokas  an- 
gehöngen  Ereignisse  in  Antiochien  vor,  wo  der  Patriarch  Anastasios  II. 
in  einem  Aufstande  ermordet  wurde. 

*)  [Vgl*  Crelzer,  Ein  griechischer  Volksschriftateller  des  siebenten 
Jahrhunderts  in  Sjbels  Historischer  Zeitschrift,  Neue  Folge,  Bd.  XXV 
(1887)  S.  1—88.    Lps.] 

1)  Wenn  Henschen  und  SoUier*  diese  Angabe  verwerfen,  weil 
Leontios  nichts  davon  sage,  und  sie  kurzweg  als  eine  werthlose  Hypo- 
these des  Metaphnistes  behandeln,  so  ist  das  ganz  verkehrt.  Aller- 
dings hat  Metaphrastes,  dessen  Autorschaft  noch  dazu  problematisch 
ist,  den  grössten  Theil  seiner  Biographie  Cap.  2  —  14  aus  Leontios  ent- 
lehnt; aber  gerade  das  erste  Capitel  enthält  lauter  Angaben,  die  bei 
LeontioB  fehlen  und  augenscheinlich  aus  einer  zweiten  kürzeren,  aber 
in  historischer  Hinsicht  reichhaltigeren,  Quelle  geflossen  sind.  Ihr 
allein  verdanken  wir  einige  Aufschlüsse  über  sein  Jugendleben,  den 
Namen  seines  Vaters  Epiphanios,  Genaueres  über  seine  Bestrebungen 
in  Bekämpfung  der  Häretiker,  den  Namen  des  persischen  Feldherrn 
Rasmiozus,  der  Jerusalem  eroberte  (aus  syrischen  Quellen  bestätigt), 
desgleichen  dessen,  den  Joannes  mit  Geld,  Lebensmitteln  und  Kleidern 
zur  Unterstützung  der  hülfsbedürftigen  Einwohner  nach  Jerusalem 
schickte,  Namen  und  Titel  der  drei  Geistlichen,  die  Joannes  mit  dem 
Loskauf  der  Gefangenen  betraute,  Kenntniss  von  dem  Antheil,  den  der 
Patricius  Niketas  *qui  tunc  multum  poterat  apud  imperatorem*  an  seiner 
Ernennung  zum  Patriarchen  hatte.    Niketas  war  es,  der  gemeinsam 


472  VERZEICHNISS 

övvr.  nach  Februar  611  (327  Diocl.),  vielleicht  13.  Juli,  der 
in  verschiedenen  lateinischen  Martjrologien  bei  Henschen  II 
p.  495  als  sein  Gedenktag  verzeichnet  ist;  Amtsdauei:  nach 
sämmtlichen  melchitischen  Chronographien  und  Makrizi  zehn 
Jahre,  worin  aber  noth wendig  die  Yacanz  bis  zur  Wahl  seines 
Nachfolgers  mitinbegriffen  sein  muss.  Er  floh  beim  Heran- 
nahen der  Perser  im  siebenten  Jahre  des  Herakleios  nach 
syrischen  Historikern  nach  Gypern  (Leontios  14,  89  in  Acta 
SS.  Januar.  11  p.  515;  aus  ihm  Metaphr.  13,  73  ibid.  II 
p.  529  und  Eutych.)  und  f  ^^  ^^  'I'&ge  des  heiligen  Mennas 
(Leontius  15,  97  ibid.  II  p.  517;  Metaphr.  14,  79  ibid.  II 
p.  530;  Bedae  ms.  Richenbergense,  ms.  S.  Gudilae  Bruxellis, 
ms.  monasterii  S.  Martini  Tornac,  ms.  Florarium,  antiquum 
martyrologium  Romanum  Bellini  bei  Henschen  1.  1.  II  p.  495; 
in  den  griechischen  und  einzelnen  lateinischen  Menäen  und 
im  äthiopischen  Synaxar  ist  seine  Gedächtnissfeier  auf  den 
folgenden  Tag  verlegt),  also  15.  Athyr  334  Diocl.  =  11.  No- 
vember 617.  Der  hier  eingeschlagene  Weg  scheint  mir  der 
einzig  mögliche  zu  sein,  die  authentische  Angabe  des  Leon- 
tios über  die  Todeszeit  des  Joannes  mit  der  von  sämmt- 
lichen Chronographen  ihm  zugemessenen  Amtsdauer  zu  ver- 
einigen. Ohne  der  Darstellung  des  Leontios  schreienden 
Zwang' anzuthun,  kann  man  schlechterdings  nicht  zwischen 
Joannes'  Flucht  von  Alexandrien  und  der  Fahrt  nach  Con- 
stantinopel,  die  er,  seinen  nahe  bevorstehenden  Tod  ahnend, 
schon  in  Rhodos  aufgab,  um  nach  Cypern  zurückzukehren, 
einen  mehrjährigen  Aufenthalt  desselben  auf  Cypern  ein- 
schieben, an  dem  sein  Gefährte  auf  der  Flucht,  der  Patricius 
Niketas  (der  ihn  zu  jenem  Abstecher  bewogen  hatte),  Theil 
genommen  haben  müsste.  Ebensowenig  ist,  wie  aus  der 
Darlegung  der  Zeitrechnung  der  früheren  Patriarchen  her- 
vorgeht,   eine    Zurückschiebung   des    Endpunktes    der    zehn 

mit  Herakleios  die  Erhebung  gegen  Phokas  geleitet,  sicli  ihm  dann 
freiwillig  untergeordnet  hatte  und  612  Cornea  Excubitorum  ward;  cfr. 
Theoph.  p.  468, 10.  460,  2.  Chron.  Pasch,  p.  703, 11.  Wie  kann  man 
im  Ernste  glauben,  dass  der  Verfasser  der  zweiten  Lebensbeschreibung 
dies  Alles  aus  den  Fingern  gesogen  hat? 


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DEE  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  473 

Jahre  irgendwie  denkbar.  Endlich  ist  aber  auch;  so  mangel- 
haft; wir  auch  über  diesen  Zeitraum  orientalischer  Geschichte 
unterrichtet  sind,  doch  eine  Hinausschiebung  der  persischen 
Invasion  bis  ins  Jahr  621  nicht  statthaft.  In  einer  Quelle 
findet  sich  dieses  allerdings  angegeben:  nach  Ebn  Bahib 
p.  123  f.  nahm  Ghosrau  Syrien  und  Aegypten  ein  in  dem- 
selben Jahre y  in  welchem  die  Hegra  erfolgte,  im  elften  des 
Herakleios,  und  die  Perser  herrschten  zehn  Jahre,  bis  Hera- 
kleios  Aegypten  wiedergewann  und  den  Eyros  als  Patri- 
archen und  praefectus  augustalis  einsetzte.  Nimmt  man  die 
in  sich  widersprechende  Zeitangabe  zum  Ausgangspunkte, 
und  zählt  zehn  Jahre  weiter,  so  gelangt  man  zu  einer  in 
sich  wohl  zusammenhängenden:  10.  Hegra  «s  21.  des  Hera- 
kleios,  d.  i.  9.  April  631  —  4.  October  631.  In  diese  Zeit 
fällt  auch  wirklich  die  Einsetzung  des  Eyros,  nicht  aber  die 
Räumung  Aegyptens  durch  die  Perser.  Beide  Ereignisse  sind 
in  sänmitlichen  jakobitischen  Chroniken  in  eines  verschmolzen 
worden.  Während  wir  also  aus  dem  Datum  des  Ebn  Rahib 
eine  werth volle  Präcisirung  des  Anfanges  des  Eyros  ableiten 
dürfen,  so  kann  doch  die  Angabe  selbst  nur  als  d&s  Ergeh- 
niss  einer  falschen  Anwendung  richtiger  Rechnungselemente 
gelten.  —  Theophanes  p.  463,  20  setzt  die  Einnahme  Aegy- 
ptens durch  die  Perser  in  das  Weltjahr  6107  (September 
614— September  615),  die  syrischen  Historiker,  Michael  der 
Syrer  in  seinen  armenisch  übersetzten  Annalen  (Joum.  asiat. 
IVieme  särie  XII  p.  309)  und  Barhebraeus  im  Ghron.  Syr. 
p.  99  dagegen  in  das  siebente  Jahr  des  Herakleios  (October 
616 — October  617).  Die  erstere  Zeitangabe  ist  unvereinbar 
mit  der  Geschichte  der  jakobitischen  Patriarchen,  der  zufolge 
die  Perser  zur  Zeit  des  Patriarchen  Andronikos  einfielen  (Se- 
verus  und  Elmakin  bei  Renaudot  p.  154;  Ebn  Rahib  p.  123). 
Freilich  setzen  die  jakobitischen  Quellen  übereinstimmend 
den  Tod  seines  Vorgängers  Anastasios  auf  den  22.  Choiak 
330  Diocl.  =  18.  December  613,  allein  dieselben  berichten 
den  Besuch  des  jakobitischen  Patriarchen  Athanasios  in 
Aegypten  unter  Anastasios*),  und  in  diesem  Punkte  wird 
*)  [Im  ManaBcript  steht  Andronikos,  ein  offenbarer  Schreibfehler.  Lps.] 


474  VERZEICHNISS 

Seyerus  (p.  152)  durch  das  unantastbare  Zeugniss  des  So- 
phronios  in  dem  Briefe  an  den  Patriarchen  Sergios  von 
Constantinopel  unterstützt  (cfr.  Le  Quien  II  p.  445).  Dieser 
Besuch  erfolgte  aber  nach  syrischen  Historikern  bei  Le  Quien 
II  p.  1362*)  im  Jahre  927  n.  Alex.  (October  615— October 
616).  Hiernach  kann  es  nun  kaum  einem  Zweifel  unter- 
liegen; dass  in  der  von  den  jakobitischen  Chroniken  benutzten 
gemeinsamen  Quelle  im  Datum  des  Todes  des  Anastasios  die 
Einer  ausgefallen  waren;  die  Ergänzung  derselben  zu  333 
empfiehlt  sich  paläographisch  wie  historisch  in  gleicher 
Weise.  Hiernach  ist  die  Angabe  der  Syrer,  dass  die  Perser 
Aegypten  erst  in  dem  Jahre  5.  October  616 — 4.  October  617 
eroberten,  die  allein  zulässige.  Der  Zeitpunkt  der  Eroberung 
lässt  sich  noch  genauer  auf  spätestens  Mesori  333  Diocl. 
(August  617)  bestimmen:  Joannes  f  am  11.  November  nicht 
616,  sondern  617  (denn  die  Perser  kamen  erst  nach  dem 
Tode  des  Anastasios,  also  nach  dem  18.  December  616);  die 
persische  Invasion  muss  uach  der  Verkettung  der  Ereignisse 
höchstens  einige  Monate  vorher  fallen,  sie  konnte  aber  nicht 
in  der  Zeit  von  Mitte  August  bis  Ende  October  erfolgt  sein, 
weil  während  dieser  die  auf  ihrem  Höhepunkte  befindliche 
Nilüberschwemmung  dem  Vordringen  der  Perser  dieselbe 
Schwierigkeit  bereiten  musste  wie  später  den  Arabern  — 
bleibt  als  spätester  Termin  August.  Mit  diesem  Anfangs- 
punkte stimmt  vortrefflich  die  zehnjährige  Dauer,  welche 
Ebn  Rahib;  Elmakin  und  Makrizi  der  Occupation  Aegyptens 
durch  die  Perser  beilegen.  Da  sich  nämlich  über  den  Zeit- 
punkt der  Räumung  dieses  Landes  nirgends  die  leiseste 
Andeutung  erhalten  hat,  so  kann  man  nicht  anders  als 
annehmen,  dass  sie  zugleich  mit  der  der  übrigen  von  den 
Persern  besetzt  gehaltenen  Provinzen  erfolgt  ist,  also  in 
Folge  des  Sonntag,  den  3.  April  628  von  Herakleios  mit 
Kobad  Schirujeh  geschlossenen  Friedens  (Ghronikon  pasch, 
p.  733,  16.  Theoph.  p.  503,  11).  Eingeleitet  war  diese  Räu- 
mung durch  eine  im  Januar  628  mit  dem  aufständischen  persi- 
schen  Feldherrn  Sarbaros  verabredete  Convention  (Theoph. 
*)  [Vgl.  auch  Barhebr.  Chron.  eccl.  I  p.  270.    Lpe.] 


DEB  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.      475 

p«  498;  5)  und  daraus  erklärt  sich  der  Irrthum  des  Nike- 
pboros  (Brev.  p.  15  A),  welcher  die  Räumung  der  eroberten 
Länder  dem  Könige  Sarbaros  zuschreibt:  seine  Usurpation 
füMi  aber  später,  frühestens  Mai  629. '^) 

Vacanz  617—621. 

48.  Georgios  IL,  ord.  (337  DiocI.)  =  621  (nach  An- 
leitung der  zehn  dem  Joannes  beigelegten  Jahre),  sass  11 
Jahre  (Nikeph.),  welche  von  Eutychios  in  7  Jahre  Yacanz 
(auch  von  Makrizi  erwähnt)  und  4  Jahre  des  Georgios  zer- 
legt werden:  er  trat  also  sein  Amt  erst  nach  der  Räumung 
Aegyptens  durch  die  Perser  an,  welche  kraft  des  Sonntag, 
am  3.  April  628  =  8.  Pharmuthi  344  Diocl.  zwischen  Hera- 
kleios  und  Eobad  Schirujeh  geschlossenen  Friedens  (cfr. 
Ghron.  pasch,  p.  733,  16)  erfolgte,  nachdem  er  die  ersten 
Jahre  seit  seiner  Ordination  ohne  Zweifel  in  Gonstantinopel 
verbracht  hatte.  14  Amtsjahre  geben  dem  Georgios  Theo- 
phanes  und  Anastasius  Bibliothecarius  (der  vielleicht  den 
Text  des  Nikephoros  an  dieser  Stelle  bereits  lückenhaft  vor- 
gefunden und  aus  Theophanes  ergänzt  hat),  in  \9^elcher  Zahl 
die  Yacanz  zwischen  Joannes'  Tod  und  Georgios'  Ordination 
nochmals  mit  verrechnet  ist.  Die  9  Jahre,  welche  er  im 
Xgovoyg.  övvr,  und  Graec.  Montf.  hat,  scheinen  auf  absicht- 
licher Aenderung  zu  beruhen;  soviel  sind  nämlich  erforder- 
lich, um  mit  den  übrigen  Zahlen  des  XgovoyQ.  övvt.  zum 
Anfangsjahre  des  Eyros  631  zu  gelangen.  Georg  starb 
wahrscheinlich  Payni  347  =  Juni  631,  da  sich  dieses  Datum 
aus  jakobitischen  Quellen  für  die  Einsetzung  des  Kyros  ab- 
leiten lässt.  Papst  Martinus  rechnet  in  den  Acten  des  im 
October  649  von  ihm  abgehaltenen  Lateranischen  Concils 
(cfr.  Clinton  F.  R.  II  p.  176;  citirt  von  Eutych.  II  p.  326) 
18  Jahre  seit  der  Yerkündigung  des  Monotheletismus  durch 


*)  [Die  Räamang  wird  allerdings  gleich  nach  dem  Waffenstill- 
stände 628  stattgefunden  haben;  der  endgültige  Friede  kam  aber 
erst  später  zu  Stande.  Die  Unterredung  mit  f,Sarbaros"  d.  i.  Schahr- 
baräz  war  erst  Jani  629;  siehe  meine  Tabari-Uebersetznng  S.  302  etc. 
„Sarbaros"  war  in  der  Hauptstadt  König  vom  27.  April— Jani  630;  siehe 
ebenda  S.  488.    Th.  N.] 


476  VERZEICHNISS 

Kyros,  welche  unmittelbar  nach  seiner  Erhebung  zum  Patri- 
archen erfolgt  war. 

49.  Kyros  (Kyrillos  Xgovoyg.  6vvx,  Gr,  Montf.),  mono- 
theletischer  Patriarch.  Von  der  Einsetzung  des  Eyros  mit 
Vollmacht  nicht  bloss  in  geistlichen ,  sondern  auch  in  welt- 
lichen Dingen  datirt  zwar  nicht,  wie  die  jakobitischen  Quellen 
meinen,  die  Wiederherstellung  der  romischen  Herrschaft  in 
Äegypten,  aber  doch  eine  festere  Enüpfung  der  Bande,  mit 
denen  dieses  Land  am  Reiche  hing.  Einstimmig  wird  sie 
von  den  Jakobiten  als  Grund  der  Flucht  ihres  Patriarchen 
Benjamin  aus  Alexandrien  angegeben.  Severus,  Ebn  Bahib 
und  Elmakin  sagen,  er  habe  sich  während  der  Herrschaft 
des  Herakleios  10  Jahre  lang  in  einem  Kloster  bei  Eos  in 
der  Thebai's  verborgen  gehalten  bis  zur  Ankunft  der  Araber 
vor  Babylon  am  12.  Payni  357  (6.  Juni  641)  und  sei  nach 
der  Einnahme  Alexandriens  3  Jahre  darauf  360  DiocI.  (643/ 
644)  von  Omar  zurückgerufen  worden,  nach  dreizehnjähriger 
Abwesenheit.  In  diesen  Angaben  bleiben  sie  sich  gleich; 
Makrizi  und  an  einer  zweiten  Stelle  schon  Elmakin,  noch 
mehr  aber  Abulberekät  richten  arge  Verwirrung  an,  be- 
stätigen aber  doch  die  Zwischenräume  von  10  und  3  Jahren. 
Die  nachweislich  falschen  Jahreszahlen  erklären  sich  durch 
die  Annahme,  dass  ihnen  das  Jahr  347  Diocl.  als  das  der 
Einsetzung  des  Eyros  überliefert  war;  sie  irrten  nur  darin, 
dass  sie  die  10  Jahre,  während  welcher  Benjamin  sich  ver- 
borgen hielt,  mit  dem  ersten  Erscheinen  der  Araber  vor 
Babylon,  welches  in  das  Jahr  19  der  He^ra,  also  auf  den 
12.  Payni   356    (6.  Juni   640)   fällt^),   ihr  Ende   erreichen 

1)  Arabische  Quellen  setzen  den  Anfang  der  Belagerung  von 
Babylon  in  den  Moharrem  19  Heg.  =>  Januar  640,  und  lassen  sie 
bald  4,  bald  7  Monate  daaem.  Weil  I  S.  110  meint,  sie  müsse  mehr 
als  7  Monate  gedauert  haben,  weil  sonst  die  Uebergabe  gerade  in  die 
Zeit  fiel,  wo  der  Nil  wieder  im  Steigen  ist.  Den  höchsten  Wasser- 
stand erreicht  der  Nil  zwischen  dem  20.  —  30.  Septemher  nnd  bleibt 
auf  diesem  14  Tage.  Sobald  der  Weg  nach  Alexandrien  gangbar  war, 
brach  Omar  dahin  auf;  es  ward  bereits  6  Monate  belagert,  als  Hera- 
kleios starb,  d.  i.  11.  März  641,  der  im  arabischen  Kalender  dem 
22.  Babia  hawwal  20  Heg.   entspricht,   also   seit  Anfang  Dhülkadah 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  477 

Hessen,  während  dieses  Ende  yielmehr  von  einem  anderen 
Wendepunkte  im  Verlaufe  der  arabischen  Invasion  aus  dem 
Jahre  357  abgehangen  haben  muss.  Als  ein  solcher  bietet 
sich  ganz  von  selbst  der  Separatfriede,  den  Muqauqis  im 
Namen  der  jakobitischen  Bevölkerung  mit  den  Arabern 
schloss,  als  Babylon  bereits  nach  siebenmonatlicher  Be- 
lagerung in  ihre  Hände  gefallen  war,  die  vierzehnmonatliche 
Blokade  von  Alexandrien  aber  noch  nicht  begonnen  hatte, 
unmittelbar  vor  Beginn  des  Sinkens  des  Nils,  dessen  lieber- 
schwemmung  bis  dahin  dem  weiteren  Vordringen  der  Araber 
ein  Hindemiss  entgegengesetzt  hatte  (vgl.  Weil,  Geschichte 
der  Chalifen  I  S.  110),  also  im  Phaophi  357  =  October  640. 
Diese  Berechnung  der  genannten  10  Jahre  wird  durch  eine 
Parallelstelle  des  Severus  (bei  Benaudot  p.  165)  bestätigt, 
laut  welcher  der  Priester  Agathon  unter  Herakleios  10  Jahre 
lang  als  Zimmermann  verkleidet  die  Häuser  der  Jakobiten 
besuchte,  um  sie  mit  dem  Abendmahle  zu  versehen:  hier 
sind  die  10  Jahre  denen  der  Herrschaft  des  Kyros  ganz 
gleich  gesetzt,  diese  aber  reichen  bis  zur  Einnahme  Ale- 
xandriens  durch  die  Araber.  Mit  Hülfe  des  so  für  Benjamins 
Flucht  ermittelten  Diocletianischen  Jahres  347  lässt  sich  der 
Zwischenraum,  in  den  die  Einsetzung  des  Kyros  fallen  muss 
—  nach  dem  Obigen  9.  April  bis  4.  October  631  — ,  noch 
etwas  mehr  nach  unten  einschränken,  nach  oben  aber  durch 
die  Rücksicht  auf  Eutychios,  dem  zu  Folge  das  vierte  Jahr 
des  Georgios   nach   seiner  Wiedereinsetzung   im  April  628 

19  Heg.  «"  finde  October  640.  Also  hemmte  nur  das  höchste  Niveau 
der  üeberschwemmung  die  Kriegsoperationen  der  Araber.  Die  7  Monate 
der  Belagerung  von  Babylon  führen  aber  nicht  weiter  als  bis  mit 
Regeb  19  He^.  »  Epiphi  366  Diocl.  »  Juli  640  als  Termin  der  Ein- 
nahme, der  ganz  angemessen  ist:  vor  Mitte  August  nimmt  das  Aus- 
treten des  Nil  keine  grossen  Dimensionen  an.  Die  zwei  entgegen- 
stehenden Traditionen  über  die  Daner  der  Belagerung  erklären  sich 
daraus,  dass  die  Griechen  drei  Schlachten  zum  Entsätze  Babylons 
lieferten  und  Omar  genöthigt  war,  Verstärkungen  abzuwarten:  die 
7  Monate  sind  vom  ersten  Erscheinen  der  Araber  vor  der  Stadt,  der 
eine  Monat  vom  eigentlichen  Beginne  der  Einschliessung  der  Stadt 
gerechnet,  und  mit  letzterem  ist  das  Datum  12.  Payni  »>  9.  Djomäda  II 
im  Einklang. 


\ 


478  VERZEICHNISS 

wenigstens  angebrochen  gewesen  ist:  so  gewinnen  wir  den 
Termin  Mai  bis  August  631.  Bei  so  bewandter  Sachlage 
ist  man  wohl  berechtigt,  darin,  dass  sich  aas  einer  Angabe 
des  Abulberekät  (bei  Vansleb  p.  318)  ein  ganz  entsprechen- 
des, aber  noch  genaueres  Ergebniss  ableiten  lässt,  mehr  als 
blossen  Zufall  zu  sehen.  Abulberekät  lässt  fälschlich  den 
Benjamin  von  Mechir  325 — 8.  Tybi  364  im  Amte  sein,  und 
datirt  die  10  Jahre  seiner  Flucht,  die  er  confuserweise  durch 
die  arabische  Invasion  motivirt,  vom  Payni  333.  Mochte 
ihm  nun  356  für  den  Einfall  der  Araber  oder  347  für  die 
Flucht  Benjamins  überliefert  sein,  beide  Male  lag  für  ihn 
kein  Grund  zur  Aenderung  vor,  da  diese  Jahreszahlen  mit 
der  irrigen  von  ihm  dem  Benjamin  zugetheilten  Amtszeit 
ebenso  verträglich  sind  wie  mit  der  richtigen.  Der  Umstand, 
dass  das  falsche  Fluchtjahr  zu  der  falschen  Amtszeit  bei  Abul- 
berekät genau  in  derselben  Proportion  steht,  wie  das  richtige 
zu  der  richtigen  Amtszeit,  lässt  sich  gar  nicht  anders  er- 
klären, als  dadurch,  dass  ihm  dafür  der  Payni  des  neunten 
Jahres  des  Benjamin  überliefert  war  und  von  ihm  seinem 
verkehrten  chronologischen  Systeme  gemäss  berechnet  wuisde. 
Wir  setzen  also  die  Einsetzung  des  Eyros  in  den  Juni  631. 
Kyros  sass  10  Jahre  {XQovoyg,  6vvt.  Gr.  Montf.  Theoph. 
Anastas.).  Nach  Theoph.  p.  518, 11,  dessen  lückenhafter  Text 
schon  von  Sollier  p.  71  aus  der  Historia  miscella  wieder- 
hergestellt worden  ist,  verpflichtete  sich  Kyros  zu  der  Zeit, 
als  die  Araber  nach  Einnahme  Phöniciens  Aegypten  be- 
drohten, gegen  sie  zu  einem  jährlichen  Tribute  von  200000 
Denaren  für  Aegypten  und  versprach  ihnen  auch  Gold  für 
Abschliessung  eines  WafiFenstillstandes ,  durch  welche  Lei- 
stungen er  Aegypten  für  3  Jahre  vor  dem  Untergange 
sicherte.  Er  ward  aber  deshalb  beim  Kaiser  verklagt,  und 
von  diesem  seines  Amtes  als  Augustalis  enthoben  und  nach 
Constantinopel  zur  Verantwortung  geladen.  Theophanes, 
dessen  Chronologie  dieser  Periode  sehr  verwirrt  ist,  erzählt 
es  unter  dem  Jahre  634;  nach  den  zuverlässigsten  arabischen 
Quellen  bei  Weil,  Geschichte  der  Chalifen  I  S.  80  ßUt  die 
Unterwerfung  von   Jerusalem   in   den   Rabia   I    16  He^.  = 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  479 

April  637.  Jerusalem  hatte  aber  länger  widerstanden ,  als 
die  übrigen  Städte  von  Palästina  und  Phonicien.  Dies  be- 
stätigt diejenigen  Angaben^  nach  welchen  die  Einnahme  der 
Eüstenstädte  Bait-Gabrin,  Askalon^  Gaza  gegen  das  Ende 
des  Jahres  15  Heg.  (14.  Februar  636  —  2.  Februar  637) 
erfolgt  ist  (Caussin  de  Perceval  III  p.  500)..  Nikephoros 
Constantinop.  sagt^  Eyros  sei  des  Yerrathes  von  Aegypten 
an  die  Sarazenen  beschuldigt  worden,  weil  er  den  Kaiser  zu 
bestimmen  gesucht  habe,  sich  gegen  Omar  zu  einem  Tribut 
zu  verstehen  und  ihm  seine  Tochter  Eudokia  zur  Ehe  zu 
geben.  Der  letztere  Punkt  scheint  so  wenig  glaublich,  wie 
die  Angabe,  dass  der  Kaiser  darüber  in  solchen  Zorn  ge- 
rathen,  dass  er  den  Kyros  mit  dem  Tode  bedroht  und  ihn 
dem  Stadtpräfecten  zur  Folterung  überantwortet  habe.  Doch 
mag  man  von  dieser  mit  vielem  Detail  ausgeschmückten 
Erzählung  halten  was  man  will,  hinsichtlich  des  Zeitpunktes 
stimmt  Nikephoros  mit  Theophanes  überein,  indem  er  Brev. 
p.  18  die  Vorladung  des  Kyros  nach  Constantinopel  einige 
Jahre  (xQovoig  xidl  tcqoxbqov)  vor  die  Januar  639  erfolgte 
Ernennung  des  Pyrrhos  zum  dortigen  Patriarchat  setzt  Es 
ist  also  ganz  ungerechtfertigt,  mit  Clinton  F.  R.  II  p.  548 
die  Abberufung  des  Kyros  erst  nach  dem  wirklich  erfolgten 
Verluste  Aegyptens  zu  setzen;  auch  in  den  Worten  der  Hi- 
storia  miscella  ^quihus  praestitis  per  ires  annos  Aegyptum 
liberam  ab  exterminio  staiuit'  liegt  nicht,  dass  Kyros  selbst 
den  Tribut  3  Jahre  lang  bis  auf  die  Invasion  des  Landes 
durch  die  Araber  im  Jahre  639  entrichtet,  sondern  nur,  dass 
der  von  ihnen  erkaufte  Waffenstillstand  auf  3  Jahre  lautete: 
diese  kommen  richtig  heraus,  wenn  man  sie  von  636  an 
rechnet.  Eine  dritte  Version  über  denselben  Vorfall  haben 
wir,  wie  ich  nicht  zweifle,  in  der  Angabe  des  Eutychios 
(II  p.  386.  266)  vor  uns,  dass  der  Patriarch  Georg  im  dritten 
Jahre  Omars  (die  Parallelstelle  ergiebt  das  vierte)  auf  die 
Kunde,  dass  die  Moslemin  nach  Besiegung  der  Bömer  Palä- 
stina in  Besitz  genommen  hätten  und  gegen  Aegypten  zogen, 
zu  Schiff  von  Alexandrien  nach  Constantinopel  geflohen  sei, 
worauf  der  melchitische  Patriarchensitz  97  Jahre  lang  verwaist 


480  VERZErCHNISS 

gewesen  sei,  bis  auf  die  Wahl  des  Eosmas  im  siebenten  Jahre 
des  Hescham  :=  111  Heg.  Der  letztere  Synchronismus  ist 
falsch,  dient  aber,  wenn  man  die  97  Jahre  von  da  zurück- 
rechnet, dazu,  das  dritte  Jahr  Omars  =  15  Heg.  als  dem 
Eutychios  überliefert  sicherzustellen.  Es  ist  dies  dasselbe 
Jahr,  welches  sich  aus  den  Byzantinern  fiir  die  Abberufung 
des  Eyros  ergab.  Dass  der  Name  Georgios  unhaltbar  ist, 
hat  man  längst  erkannt.  Eutychios  hat  die  üble  Angewohn- 
heit, Nachrichten,  die  seinem  synchronistischen  Systeme 
widerstreiten,  durch  Aenderung  der  Eigennamen  diesem  an- 
zupassen.^) Hätte  aber  Le  Quien  H  p.  457  Recht,  dass  hier 
eine  Verwechselung  mit  Petros  IV.  vorläge,  so  bliebe  von 
der  ganzen  Angabe  nichts  übrig,  als  dass  ein  Patriarch  zu 
einer  unbestimmten  Zeit  aus  einem  unbestimmten  Anlass 
nach  Constantinopel  ausgewandert  sei.  Man  ersetze  den 
Namen  des  Georgios  durch  den  seines  Nachfolgers  Eyros, 
und  alles  Uebrige  bleibt  stehen.  Dass  das  Patriarchat  des 
Petros,  der  ohne  Zweifel  in  Constantinopel  residirte,  und 
die  ephemere  Amtszeit  des  wiedereingesetzten  Eyros  in  der 
Tradition  der  Melchiten  ganz  vergessen  worden  waren,  kann 
Niemand  Wunder  nehmen.  Der  Letztere  ward  nämlich  nach 
Theoph.  p.  519,  9  noch  von  Herakleios  selbst  nach  Aegypten 
zurückgeschickt,  in  der  Ho&ung,  durch  ihn  die  Araber  zu 
bewegen,  gegen  Entrichtung  des  früher  ausbedungenen  Tri- 
butes Aegypten  wieder  zu  räumen:  sie  gingen  aber  nicht 
darauf  ein.  Man  sollte  meinen,  dass  zu  einem  solchen  An- 
erbieten der  letzte  passende  Moment  die  Zeit  vor  der  Be- 
lagerung Alexandriens  gewesen  wäre,  ehe  noch  Muqauqis 
seinen  Frieden  mit  den  Eroberern  gemacht  hatte:  allein 
nach  Nikeph.  Gonstantinop.  p.  20  A  entliess  erst  Herakleonas 
während  seiner  kurzen  Regierung  (22.  Mai  641  —  Anfang 
October  641)  den  Eyros  wieder  nach  Alexandrien.  Und  so 
schwer  es  uns  ankommt,  die  Verblendung  des  byzantinischen 
Hofes  für  so  gross  zu  halten,  dass  er  sich  damals  noch  von 

1)  So  hat  er  z.  B.  gleich  in  den  eben  angeführten  Acten  des 
LateVanischen  Concils  dem  Papste  Martin  den  Joannes  IV.  substitairt, 
dem  Kaiser  Constons  die  Brüder  Constantinns  und  Herakleonas. 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  481 

Unterhandlungen  auf  der  erwähnten  Grundlage  Erfolg  ver- 
sprochen haben  sollte^  müssen  wir  doch  der  sehr  bestimmt 
auftretenden  Aussage  des  Nikephoros  grösseren  Glauben 
schenken;  wir  erfahren  nämlich  durch  Severus  (bei  Renaudot 
p.  183);  dass  der  unglückliche  Diplomat  sich;  als  die  Araber 
Alexandrien  einnahmen^  durch  Gift  todtete,  sicher  aus  Yer- 
zweifelung  über  das  Scheitern  seiner  Yermittelungspläne  und 
aus  Furcht;  deshalb  in  Gonstantinopel  ein  zweites  Mal  auf 
Hochverrath  angeklagt  zu  werden :  wäre  die  Sendung  des 
Eyros  an  Omar  und  ihr  Fehlschlagen  in  dem  früheren^  von 
Theophanes  angedeuteten  Zeitpunkte  erfolgt;  so  würde  er 
schwerlich  fünf  Vierteljahre  mit  dem  Selbstmorde  gewartet 
haben.  Wir  bestimmen  also  die  Abwesenheit  des  Eyros  yon 
Alexandrien  auf  Herbst  353  Diocl.  (636)  —  Sommer  357 
Diocl.  (641)  und  setzen  seinen  Tod  um  den  14.  Choiak  358 
Diocl.  oder  10.  December  641.  (Dass  der  1.  Moharrem  21; 
nicht  20  Heg.  das  wahre  Datum  des  Falles  von  Alexandrien 
ist;  hat  Weil;  Geschichte  der  Chalifen  I  S.  114flg.;  nach- 
gewiesen.) 

50.  Petros  IV.,  raonotheletischer  Patriarch,  sass  9  Jahre 
(Eutych.)  oder  10  Jahre  (Theoph.  Nikeph.).  Aus  Theophanes 
stellt  sich  nach  Beseitigung  einer  in  den  Ueberschriften  in 
Betreff  der  Jahre  des  Kyros  und  Petros  eingerissenen  Ver- 
wirrung das  Jahr  6144  der  alexandrinischen  Weltära  als 
letztes  Jahr  des  Petros  heraus;  im  XQOVoyg.  övvt.  ist  die 
Zahl  ausgefallen;  in  Graec.  Montf.  zu  8  Jahren  ergänzt,  mit 
welchen  man  an  der  Hand  der  Zahlen  des  XQOvoyg.  övvt. 
von  dem  als  ersten  des  Markos  gegebenen  Jahre  5568  d.W. 
zu  dem  Endjahre  6160  der  constantinopolitanischen  Weltära 
gelangt.  Beide  genannten  Weltjahre  entsprechen  dem  Jahre 
1.  September  651/31.  August  652;  das  somit  ah  überliefert 
angesehen  werden  darf.  Petros  f  also  im  Herbst  368  Diocl. 
=  31  Heg.  =  651  n.  Ch. 

Vacanz  31  Heg.  (Herbst  651)  -  124  Heg.  (742),  also 
nicht  97  Jahre;  wie  Eutychios  angiebt;  sondern  93  JahrC; 
während  welcher  die  Ordination  der  Bischöfe  durch  den 
monotheletischen  Metropoliten  von  Tyros  erfolgte  (Eutych. 

y.  GüTBCHMXD,  Kleine  Schriften.  IL  31 


482  VEBZEIGHNIS8 

II  p.  389).  Es  werden  die  Namen  von  folgenden  Vicaren 
genannt,  die  sich  später  den  Bischofstitel  beilegten: 

Theodoros  6  roÄoriypi^TiJg ,  auf  der  monotheletischen 
Synode  des  Jahres  655  (Makarios  von  Antiochien  in  den 
Verhandlungen  der  sechsten  Synode,  Act.  VIII). 

Petros,  als  XQSOßvreQog  xal  ro^torij^i^r^g  rov  ajtoötoXi- 
xov  d'Qovov  tilg  'jdke^avSQsiag  (isyaXoJCoksmg,  auf  der  sechsten 
Synode  von  Constantinopel,  November  680  (Brief  des  Photios 
an  Michael,  Fürsten  der  Bulgaren  ad  calcem  Nomocanonis 
p.  272),  für  deren  Zeit  die  Yacanz  des  alexandrinischen 
Patriarchats  von  Zonar.  XIV  p.  21  und  Eutych.  II  p.  349 
ausdrücklich  bezeugt  ist.  Derselbe  Petros  unterzeichnete  als 
ixLöxoTCog  tilg  '^Xs^ccvögeiag  (isyakoTColscag  die  Eanones  der 
Trullanischen  Synode,  Januar  691  —  eine  Erhöhung,  die  viel- 
leicht mit  der  von  Jezid  I.  im  Jahre  680  den  Melchiten  in 
der  Person  des  Theodoros,  Befehlshabers  der  Mareotis,  ver- 
liehenen Macht  zusammenhängt  (vgl.  Severus  bei  Renaudot 
p.  173). 

Theophiletos  oder  Theophylaktos  erscheint  als 
Bischof  auf  einer  695  in  Alexandrien  zusammenberufenen 
Synode  (Severus  bei  Renaudot  p.  183). 

Onoprosopos  (so  lässt  sich  der  mit  Hono  ....  an- 
fangende Zunam«  nach  Massgabe  der  Uebersetzung  Pfades 
asinV  wiederherstellen)  ward  um  das  Jahr  711  mit  Geneh- 
migung des  Emir  Qurra  ben  Scharik  zum  Patriarchen  der 
Melchiten  ordinirt,  ging  aber  bald  darauf  zu  den  Jakobiten 
über  (Severus  bei  Renaudot  p.  197). 

Eusebios,  Bischof  von  Alexandria,  dessen  handschrift- 
liche Predigten  Le  Quien  II  p.  461  erwähnt,  scheint  in  die- 
selbe Zeit  zu  gehören. 

Patriarchen  der  Melchiten. 

47.  Eosmas  I.  wird  von  den  Melchiten  mit  Erlaubniss 
des  Chalifen  Hischäm  (f  125  Heg.)  zum  Patriarchen  erwählt 
und  erhielt  die  von  den  Jakobiten  in  Besitz  genommene 
Kirche  im   Eaisarion   mit  anderen  zurück   unter  ^Abdallah 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  483 

ibn  al  -  G'ihän  al  -  Sakawi ,  wahrscheiDÜch  einem  Unter- 
statthalter des  Hanzalah  ben  (^^i^rka  (im  Amte  119  — 124 
Heg.),  mit  dem  er  von  Elmakin  p.  70  zusammengeworfen 
wird:  nach  der  verkehrten  Chronologie  des  Eutychios  im 
siebenten  Jahre  Hischäms  «==  111  Heg.  (nach  der  berich- 
tigten Rechnung  124  Heg.)  15.  November  741/3.  November 
742,  womit  es  ganz  stimmt,  dass  Severus  (bei  Renaudot 
p.  204  ff.)  die  Wahl  während  der  Yacanz  des  jakobitischen 
Patriarchats  (1.  Februar  742  — 15.  September  743)  zur  Zeit 
der  Abberufung  des  Qasim  ben  'Obeidallah,  eines  anderen 
Unterstatthalters  des  Hanzalah,  vor  der  Ankunft  des  neuen 
Statthalters  Hafj  ben  al-Walid^  also  124  Heg.  (vgl.  Elma- 
kin p.  81)  erfolgen  lässt'  und  Theophanes  p.  641,  9  die  Be- 
kehrung Alexandriens  von  der  monotheletischen  Ketzerei 
zur  Orthodoxie  mit  dem  Patriarchen  Eosmas  in  das  Jahr 
6234  d.  W.  (1.  September  741/31.  August  742)  setzt:  dass 
diese  Nachricht  ganz  glaubwürdig  ist  und  die  Bekehrung 
eben  in  der  Wahl  eines  rechtgläubigen  Patriarchen  bestand, 
ist  von  Le  Quien  II  p.  459  sehr  gut  auseinandergesetzt.  Es 
steht  darnach  vollkommen  fest,  dass  Eosmas  zwischen  Fe- 
bruar und  August  742  Patriarch  geworden  ist.  Er  sass  28 
Jahre,  starb  also  151  Heg.  =  768.  Hiermit  stimmen  die 
gelegentlichen  Erwähnungen  des  Eosmas:  Er  suchte  749 
oder  750  durch  den  Einfluss  des  antiochenischen  Patriarchen 
Theophylaktos  am  Hofe  Merwäns  IL  die  Eirche  des  heiligen 
Menas  in  der  Mareotis  den  Jakobiten  zu  entreissen,  drang 
jedoch  vor  dem  Statthalter  'Abdalmelik  ben  Müsä  mit  seinen 
Ansprüchen  nicht  durch  (Renaudot  p.  213 ff.);  als  Merwän  IL 
auf  seiner  Flucht  im  Juni  751  nach  Aegypten  kam,  ward 
Eosmas  auf  seinen  Befehl  eingekerkert  und  musste  sich 
mit  1000  Goldstücken  die  Freiheit  erkaufen  (Severus  bei 
Renaudot  p.  226).  Am  22.  Mai  763  excommunicirte  er  den 
eikonoklastischen  Bischof  Eosmas  Eomanites  von  Epiphania 
(Theoph.  p.  669,  17),  billigte  die  Synodika,  in  der  der  Patri- 
arch Theodoros  von  Jerusalem  den  Bilderdienst  vertheidigte, 
und  übersandjbe  sie  dem  Papste  Paulus  I.  (f  767),  mit  dem 
er   auch  sonst  in  Verkehr  stand   (Paulus'  Brief  7    an   den 

31* 


484  VERZEICHNISS 

Frankenkönig  Pipin):  sein  Schreiben  ward  aber  erst  von 
dessen  Nachfolger  Stephanus  III.  entgegengenommen  (Brief 
Hadrians  I.  an  Karl  den  Grossen). 

48.  Politianos  sass  46  Jahre  (f  197  Heg.  =  813); 
er  beschickte  das  am  24.  September  787  zusammenberufene 
zweite  Nikänische  Concil  (Neilos  von  Rhodos  in  der  Geschichte 
des  Concils  ad  calcem  Nomocanonis;  Ignatius,  Yita  Tarasii 
§  19)  und  erwirkte  durch  Heilung  einer  Lieblingssklavin  des 
Härün  al- Raschid  von  diesem  796  oder  797  ein  Decret, 
welches  die  Restitution  der  von  den  Jakobiten  usurpirten 
Kirchen  an  die  Melchiten  verfügte  (Eutych.  II  p.  409  f.,  vgl. 
£lmakin  p.  114).  Es  ist  mir  sehr  wahrscheinlich^  dass  der 
melchitische  Arzt  Jüsäb,  der  sein  Ansehen  am  Chalifenhofe 
zu  Intriguen  gegen  den  Jakobiteupatriarchen  Joannes  Y. 
(776  —  799)  benutzte  (Severus  bei  Renaudot  p.  242),  eine 
Person  mit  Politianos  ist. 

49.  Eustathios  sass  4  Jahre  (f  201  Heg.  =  817). 

50.  Christophoros  sass  2  (in  der  lateinischen  Ueber- 
setzung  richtig  32)  Jahre,  wurde  paralytisch  und  weihte 
deshalb  den  Petros  zum  Bischof^  um  bei  Ordinationen  seine 
Stelle  zu  vertreten;  er  f  im  Jahre  233  Heg.  =  848  (welches 
Eütychios  fälschlich  für  das  Todesjahr  des  Sophronios  ge- 
halten hat).  Er  machte  in  Gemeinschaft  mit  den  Patri- 
archen Job  von  Antiochien  und  Basileios.von  Jerusalem  dem 
Kaiser  Theophilos  Vorstellungen  zu  Gunsten  der  Heiligen- 
bilder (Constantin.  Porphyrogen.,  De  imagine  Edessena  nach 
der  Verbesserung  von  Le  Quien  II  p.  465);  Eutych.  II  p.  450 
hat  dies  auf  Sophronios  übertragen^  was  mit  der  richtigen 
Zeitrechnung  unvereinbar  ist^  aber  beweist,  dass  der  Schritt 
in  den  Jahren  221—233  Heg.  erfolgt  ist,  welche  Eütychios 
irrig  als  die  Amtszeit  des  Sophronios  ansieht  und  nicht,  wie 
SoUier  p.  82  meint,  um  das  Jahr  830:  dadurch  wird  das  von 
Le  Quien  III  p.  366  aus  unzureichenden  Gründen  angezweifelte 
Datum  April  836,  welches  Dositheos  von  Jerusalem  VII  p,  4 
einer  arabisch  geschriebenen  Kirchengeschichte  entnahm,  voll- 
kommen bestätigt. 

51.  Sophronios  I.  sass  13  Jahre  und  starb  nicht  233, 


PER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  485 

sondern  246  He^.  :=  860.  Er  war  mit  dem  am  20.  October 
849  verstorbenen  Jakobitenpatriarchen  Joseph  befreundet 
(Renaudot  p.  289)  und  exeommunicirte  den  Photios  am 
25.  December  857 ,  der  den  Patriarehen  Ignatios  von  Con- 
stantinopel  verdrängt  hatte  (Breviarium  synodi  VIII). 

52.  Michael  L  Ibn  Bakäm  aus  Bura  sass  nicht 
24  Jahre,  wie  Eutychios,  vielleicht  in  Folge  einer  Ver- 
wechselung mit  dem  Jakobitenpatriarchen  Michael  I. ,  an- 
genommen hat,  sondern  nur  10  Jahre  und  f  256  Heg.  «s 
870  (Eutych.).  Er  war  Patriarch,  als  der  fränkische  Mönch 
Bemardus  zur  Zeit  des  Papstes  Nikolaus  I.  und  des  Patri- 
archen Theodosios  von  Jerusalem,  also  zwischen  863 — 867, 
nach  Aegypten  kam  (cfr.  Le  Quien  II  p.  470.  III  p.  370), 
schickte  den  Leontios  um  Almosen  zu  erheben  nach  Con- 
stantinopel,  wo  sich  derselbe  auf  der  Synode  des  Jahres  867 
als  Werkzeug  des  Photios  gebrauchen  liess  (Acta  Latina 
synodi  octavae  act.  9),  ordnete  dann  zum  achten  Concil, 
5.  October  869,  auf  welchem  Photios  verdammt  ward,  den 
Archidiaconus  Joseph  ab  und  sprach  das  Anathema  über 
Photios  (Acta  Latina  synodi  VIII,  act.  9  sqq.,  Breviarium  sy- 
nodi VIII).  Wenn  trotzdem  sein  Nachfolger  in  einem  Briefe 
an  Photios  vorgeben  konnte,  dass  Michael  auf  Seiten  des 
Letzteren  gestanden  und  das  Auftreten  Josephs  gemiss- 
billigt  habe,  so  lässt  sich  dies  aus  dem  Umstände  erklären, 
dass  Michael  sehr  bald  nach  dem  Schiasse  des  Concils  starb. 

53.  Michael  11.  aus  Bümia  [d.  i.  Rom,  Th.  N.],  Dach 
einer  anderen  (richtigeren)  Angabe  aus  Gaza  (Eui),  nahm 
vermuthlich  bei  seiner  Ordination  seinem  Vorgänger  zu  Ehren 
dessen  Namen  an:  denn  er  ist  nach  Le  Quiens  schöner  Com- 
bination  (II  p.  473)  mit  dem  Joannes,  Bischof  von  Majuma 
(Hafen  von  Gaza)  identisch,  der  unter  Basileios  I.  (867 — 886) 
nach  Alexandrien  versetzt  wurde  (Nikeph.  EalLXIV,  39  p.  529  A. 
Iuris  Graeco-Romani  Lib.  IV  cap.  de  translationibus  episco- 
porum).  Er  sass  34  Jahre  und  -f  Sonntag,  den  25.  Ramadan 
290  Heg.  im  zweiten  Jahre  des  Al-Moktafi  =  21.  August  903 
(so  Eutych.  richtig  II  p.  489,  während  er  II  p.  470  die  34  Jahre 
fälschlich  von  258  —  292  berechnet).     Michael  H.  beschickte 


486  VEEZEICHNISS 

die  Synode^  welche  im  Jahre  879  die  Wiedereinsetzung  des 
Photios  verfQgte;  und  instruirte  seinen  Abgeordneten,  den 
Presbyter  Kosmas,  ganz  im  Sinne  des  Photios  (Acten  der 
Synode  act.  2).  In  der  Streitfrage  zwischen  Leo  VI.  und 
dem  Patriarchen  Nikolaos  von  Constantinopel  liess  er  miC 
Elias  von  Jerusalem  (f  907)  und  Simeon  von  Antiochien 
(t  904)  durch  Abgeordnete  ein  den  Wünschen  des  heiratha- 
lustigen  Kaisers  günstiges  Votum  abgeben  (Eutych.  II  p.  485). 
Die  Katastrophe  erfolgte  allerdings  erst  im  Winter  906,  wo 
Leo  seine  von  der  Kirche  nur  als  Concubine  betrachtete 
vierte  Frau  Zoe  zur  Augusta  krönen  liess  und  dafär  von 
Nikolaos  excommunicirt  wurde;  aber  der  Conflict  bestand 
schon  seit  etwa  902  und  es  lässt  sich  sehr  wohl  annehmen, 
dass  Leo  die  Gutachten  der  orientalischen  Kirchenfürsteh 
gleich  nach  Beginn  desselben  einholte. 
Yacanz  4  Jahre. 

54.  Christodulos  aus  Haleb,  in  Jerusalem  am  Sonn- 
abend  vor  Ostern  4.  Nisän  oder  7.  (sehr.  9.)  Pharmuthi  =^ 
4.  April  gewählt  und  ebenda  am  19.  G'omäda  II  294  Heg. 
im  fünften  Jahre  des  Moktafi  «==  Ostersonntag,  5.  April  907 
ordinirt,  diese  Ordination  aber  am  4.  Bamadän  294  Heg.  = 
17.  Juni  907  in  Alezandrien  wiederholt  (Eut.),  zur  Zeit 
während  der  Yacanz  des  Jakobitenpatriarchats  (Michael  von 
Tanis  bei>  Benaudot  p.  328),  sass  26  Jahre  6  Monate  und 
t  Mittwoch,  20.  Dhü'lqa  de  320  Heg.  oder  25.  Tishrin  II 
(hier  ungenau  dem  Athyr  gleichgesetzt)  649  Diocl.  »=  21.  No- 
vember 932  (Eut). 

55.  Eutychios,  vorher  Sa  td  ibn  Bätriq  aus  Fostät-Mi9r, 
ord.  Donnerstag,  13.  Mechir,  „das  ist  Shabät^',  649  Diocl. 
oder  8.  (^Vithr  321  Heg.  im  ersten  Jahre  des  Al-Qähir  = 
7.  Februar  933.  Im  Jahre  326  =  938,  mit  welchem  Euty- 
chios sein  Geschichtswerk  schliesst,  erbat  und  erlangte  der 
Patriarch  Theophylaktos  die  Erwähnung  des  constantinopoli- 
tanischen  Patriarchen  in  der  Liturgie  der  alexandrinischen 
Kirche  (II  p.  530).  Eutycbios  sass  7  Jahre  6  Monate  und 
t  Montag,  den  30.  Regeb  328  Heg.  =  11.  Mai  940  (El- 
makin  p.  208). 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  487 

56.  Sophronios  IL 

57.  Isaak. 

58.  lob. 

59.  Elias  war  Patriarch,  als  Joaones  YII.;  der  jakobiti- 
sehe  Patriarch  von  Antiochien,  in  Constantinopel  verhört 
ward,  9.  April  968  (Brief  des  Joannes  an  den  Jakobiten- 
Patriarchen  Menas  II.  von  Alexandrien). 

60.  Arsenios  ward  durch  den  Einfioss  seiner  Schwester, 
die  im  Harem  des  ^Aziz  Bi'llah  war  und  diesem  nach  El- 
makin  p.  247  eine  Tochter,  nach  Michael  von  Tanis  den 
Häkim  gebar,  uach  der  Geburt  desselben  (August  985)  zum 
Patriarchen  ernannt  nnd  entriss  den  Jakobiten  die  Marien- 
kirche in  Abu  ßusein  (Renaudot  p.  381). 

61.  Georgios  IL 

Möglicherweise  ist  hier  eine  Lücke  in  den  beiden  Ver- 
zeichnissen, in  welcher  folgende  Patriarchennamen  unter- 
zubringen sind: 

1)  Philo theos,  welcher  als  Schiedsrichter  zwischen 
dem  Kaiser  Basileios  IL  und  dem  Patriarchen  Sergios  von 
Constantinopel  (im  Amte  999  —  Juli  1019;  vgl.  Le  Quien  I 
p.  257)  dem  alexandrinischen  Patriarchen  den  Ehrentitel  xql- 
x^g  T^?  oixovfiivr^g  verschaffte  (Grosslogothet  Epiphanios  bei 
Dositheos  de  patriarch.  Hierosolym.  YII  p.  19, 9).  Le  Quien  U 
p.  481  bringt  dies  mit  einer  Differenz  zwischen  dem  Kaiser 
und  dem  Patriarchen  aus  dem  Jahre  1019  zusammen;  wahr- 
scheinlich aber  gehört  der  Vorfall  in  die  Jahre  999 — 1003, 
während  welcher  ein  Philotheos  noch  Patriarch  der  Jakobiten 
war;  und  der  Name  desselben  ist  durch  Verwechselung  auf 
den   gleichzeitigen  Melchitenpatriarchen  übertragen  worden. 

2)  Alexandres,  unter  dem  Jahre  1059  in  den  Scheden 
der  Gebrüder  St.  Marthe  als  Patriarch  aufgeführt  (ohne  An- 
gabe der  Quelle). 

3)  Kyrillos,  von  dem  eine  Beceptenlehre,  jambische 
Gedichte  und  ein  Lexikon,  im  elften  oder  zwölften  Jahrhundert 
verfasst,  handschriftlich  erhalten  sind  (vielleicht  absichtliche 
Vertauschung  obscurer  Autornamen  mit  einem  altberühmten, 
wie  eine  Predigt  des  Patriarchen  Christophoros  in  einigen 


488  VERZEICHNISS 

Handschriften    dem   Theophilos    zugeschrieben    worden    ist; 
vgl.  Le  Quien  II  p.  454.  465). 

4)  Eulogios,  von  dem  eine  Erzählung  von  der  Bogo- 
milischeu  Ketzerei  seiner  Zeit  und  von  dem  gottlosen  Basi- 
leios  (t  1118)  auf  uns  gekommen  ist  (vielleicht  ein  Pseudonym, 
gewählt;  weil  der  alte  Eulogios  als  Eetzerbestreiter  einen 
grossen  Namen  hatte). 

62.  Leontios. 

63.  Joannes  YI. 

64.  Sabas. 

65.  Theodosios  U. 

66.  Sophronios  III.  fungirte  mit  den  Patriarchen  von 
Gonstantinopel  und  Antiochien  bei  der  Yeipnählung  Kaiser 
Manuels  I.  und  der  Maria  von  Antiochien  Ende  1166  (Joann. 
Kinnamos  V  p.  7). 

67.  Eleutheros  (denn  das  ist  das  Alfterus  in  dem  einen 
der  beiden  Verzeichnisse ,  wenn  man  es  sich  arabisch  ge- 
schrieben denkt).  Einen  Elias  hatte  sich  Le  Quien  in  seinen 
Adversarien  als  Patriarchen  im  Jahre  1180  angemerkt,  konnte 
aber  die  Quelle  nicht  wiederfinden  (U  p.  487). 

68.  Markos  IL  richtete  im  Februar  1195  eine  Reihe 
von  Fragen  an  den  Kirchenrechtskenner  Theodoros  Balsamou, 
die  sich  vorwiegend  auf  die  Zulässigkeit  verschiedener,  der 
alexandrinischen  Kirche  eigenthümlicher  Gebräuche  bezogen: 
Balsamon  erklärte  alle  von  denen  der  constantinopolitanischen 
Kirche  abweichenden  fQr  unstatthaft  und  Markos  verpflichtete 
sich  während  eines  Besuches  in  der  Hauptstadt  formlich, 
sich  in  der  Liturgie  ganz  nach  Gonstantinopel  richten  zu 
wollen  (Balsamon  bei  Le  Quien  II  p.  488  f.).  Es  bezeichnet 
dies  den  Zeitpunkt,  in  dem  das  alexandrinische  Melchiten- 
Patriarchat  den  letzten  Rest  von  Bedeutung  für  Aegypten 
verlor. 

69.  Nikolaos  I.  unterhielt  Verbindungen  mit  Papst 
Innocentius  III.,  der  in  einem  Briefe  vom  23.  März  1210 
seine  Anhänglichkeit  an  die  romische  Kirche  rühmt  und 
ihm  auch  Januar  1211  und  im  Jahre  1213  schrieb  (vgl. 
Le  Quien  III  p.  1141);  sein  Brief  an  den  Papst  Honorius  III. 


DER  PATRIABCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  489 

ans  dem  Jahre  1223  enthält,  ausser  einem  Schmerzensschrei 
über  die  Lage  der  ägyptischen  Christen  nach  der  Wieder- 
eroberang  von  Damiette  durch  die  Moslems,  Nachweisungeu 
über  den  günstigsten  Landungsplatz  für  das  erwartete  Kreuz- 
fahrerheer.  Dieser  Nikolaos  L  muss  der  (von  Mauhüb  ben 
Mansür  bei  Renaudot  p.  593)  erwähnte  Melchitenpatriarch 
sein,  der  1243  in  grosster  Armuth  starb. 

70.  Gregorios  L  (in  einem  der  beiden  Verzeichnisse), 
1243—1263. 

71.  Nikolaos  11.  (in  einem  der  beiden  Verzeichnisse, 
während  das  andere  von  dem  ersten  auf  den  zweiten  Nikolaos 
übergesprungen  zu  sein  scheint),  muss  mit  dem  Augenarzte 
Raschid  identisch  sein,  den  Sultan  Beibars,  yon  Laskaris  in 
einem  Briefe  gebeten,  den  Melchiten  einen  Patriarchen  zu 
geben,  im  Jahre  661  Heg.  =  1263  zu  dieser  Würde  erhob 
und  in  Begleitung  des  Emir  Fareseddin  Aküsch  und  mehrerer 
Bischöfe  nach  Constantinopel  schickte,  von  wo  er  mit  Ge- 
schenken des  Kaisers  zurückkehrte  (Makrizi  bei  Quatrem^re, 
M^moires  sur  TlSgypte  II  p.  222).  Nikolaos  sagte  sich  von 
den  Gegnern  des  auf  Kaiser  Michaels  VIII.  Betrieb  ver- 
dammten Patriarchen  Arsenios  von  Constantinopel  gänzlich 
los  (Pachym.  Michael  IV,  9  p.  271,  20  Bonn.).  Le  Quien  11 
p.  491  hat  dies  irrthümlich  von  der  ersten  vorübergehenden 
Verdrängung  des  Arsenios  im  Jahre  1260  verstanden,  es  ist 
aber  vielmehr  von  der  zweiten  die  Rede,  die  einen  tief- 
gehenden Zwiespalt  in  der  griechischen  Kirche  verursachte: 
als  nämlich  Michael  seinen  Pflegebefohlenen  und  bisherigen 
nominellen  Mitkaiser  Joannes  Laskaris  (mit  welchem  Michael 
von  Makrizi  verwechselt  worden  ist)  geblendet  ins  Kloster 
schickte,  ward  er  von  Arsenios  in  den  Kirchenbann  gethan 
und  blieb  in  diesem,  bis  es  ihm  im  Laufe  von  drei  Jahren 
gelang,  einen  Theil  der  Geistlichkeit  zu  gewinnen  und  durch 
sie  auf  einer  Synode  am  30.  Mai  1266  den  Arsenios  absetzen 
zu  lassen  (vgl.  Petr.  Possini  Observat.  Pachymer.  p.  752  ed. 
Bonn.,  vgl.  Gibbon  XI  p.  281 S,).  Aus  der  Parteistellung 
des  Nikolaos  erklärt  sich  die  Bereitwilligkeit,  mit  der  er 
662  Heg.  ^  1264  auf  Verlangen  des  Beibars  mit  der  Ex- 


490  VEßZEICHNISS 

communication  gegen  Michael  vorging,  als  dieser  die  von 
Beibars  mit  Geschenken  an  den  Khan  von  Kiptschak  ge- 
schickten Gesandten  angehalten  und  beraubt  hatte  (Makrizi 
bei  Qaatrem^re  II  p.  223). 

72.  Athanasios  III.  aus  dem  Kloster  auf  dem  Sinai 
(Pachymer.  Andr.  YII  p.  8);  als  Nachfolger  des  Nikolaos  von 
Nikeph.  Kailist.  XIV,  39  p.  530  D  bezeugt,  kam  1276,  Rück- 
halt gegen  die  Ungläubigen  suchend,  nach  Constantinopel 
und  beobachtete  hinsichtlich  der  von  Michael  verfügten  Union 
mit  den  Lateinern  grosse  Zurückhaltung  (Pachym.  YI  p.  1), 
erhielt  vom  Kaiser  die  Klöster  zum  ^AQ%i6tQaxriy6g  und  vom 
Miyag  ^AyQog  für  die  alexandrinische  Kirche  geschenkt,  be- 
gleitete ihn  1282  auf  seinem  Zuge  gegen  die  Türken  in 
Lazika  (Pachym.  Michael  VI  p.  29)  und  blieb  auch  unter 
Andronikos  IL  in  Constantinopel.  1283  präsidirte  er  der 
Synode,  auf  welcher  der  Patriarch  Joannes  Bekkos  als  An- 
hänger der  Union  abgesetzt  wurde,  wohnte  1284  dem  GoUo- 
quium  bei,  welches  Bekkos  und  seinö  Anhänger  vor  dem 
Patriarchen  Gregorios  Kyprios  zu  bestehen  hatten,  schloss 
sich  aber  der  Formulirung  des  Dogmas,  die  der  Letztere  1285 
gab,  nicht  an  und  bewog  ihn  1289  zur  Abdankung;  um  die 
Wiedervereinigung  der  Arseniten  mit  der  Kirche  bemühte  er 
sich  ohne  Erfolg.  Um  den  Anfeindungen  des  neuen  Patri- 
archen Athanasios,  der  ihm  das  Kloster  vom  Miyag  ^AyQog 
entrissen  hatte,  auszuweichen,  ging  er  nach  Rhodos  und 
kehrte  erst  nach  der  Absetzung  seines  Namensvetters  (1293) 
nach  Constantinopel  zurück,  wo  der  Kaiser  ihm  das  Kloster 
zum  EvsQyitrig  anwies.  Seine  Gesandtschaftsreise  zum  Konig 
von  Armenien  schlug  fehl,  indem  sein  Schiff  bei  Phokäa  in 
die  Hände  von  Seeräubern  fiel.  Nach  Constantinopel  ent- 
kommen, nahm  er  1303  an  der  wegen  der  Abdankung  des 
Patriarchen  Joannes  Kosmas  aus  Sozopolis  berufenen  Synode 
Theil,  weigerte  sich  aber,  zur  Zurückberufung  des  Athanasios 
auf  den  Patriarchensitz  von  Constantinopel  die  Hand  zu 
bieten,  weshalb  sein  Name  aus  den  kirchlichen  Diptychen 
gestrichen,  die  Klöster  zum  ^AqxiöXQaxriyog  und  zum  EvB^ixriq 
der  alexandrinischen  Kirche  entrissen  und  er  selbst  1308  an- 


DEB  PATRIAECHEN  VON  ALEXANDRIEN.  491 

gewiesen  ward^  sieh  nach  Alezandrien  zu  begeben.  Auf  der 
Heimreise  hatte  er  auf  Euboa  und  in  Theben  verschiedene 
Fährlichkeiten  zu  bestehen  (vgl.  Pachym.  Andron.  YII,  8. 
Nikeph.  Gregor.  VII,  2). 

73.  Gregorios  II.,  aus  einem  ägyptischen  Bisthume  an 
Athanasios'  Stelle  nach  Alexandrien  versetzt  (Nikeph.  Kall. 
XIV,  39  p.  530  D). 

74.  Gregorius  III.  (in  einem  der  beiden  Verzeichnisse) 
scheint,  da  sein  Domesticus  einen  vom  Patriarchen  Eallistos 
von  Constantinopel  eingeführten,  von  dessen  Nachfolger 
Philotheos  aber  1354  abgeschafften  Hjmnos  absang,  zu  den 
Gegnern  des  Letzteren  gehört  zu  haben  (s.  die  Katechese 
des  Nikolaos  Bulgaros);  vielleicht  ist  es  derselbe  Gregorios, 
von  dem  ein  Brief  in  Jamben  an  den  ketzerischen  Bischof 
Theodoros  von  Mesopotamien  erhalten  ist. 

75.  Nephon  (in  einem  der  beiden  Verzeichnisse)  schrieb 
in  Gemeinschaft  mit  den  Patriarchen  von  Constantinopel  und 
Jerusalem  über  die  Wiedervereinigung  der  griechischen  mit  der 
römischen  Kirche  an  Papst  Urban  V.,  der  ihm  1367  antwortete. 

76.  Markos  III.  (in  dem  einen  Verzeichnisse). 

77.  Nikolaos  III.  (in  dem  einen  Verzeichnisse). 

78.  Gregorios  IV.  (in  dem  einen  Verzeichnisse,  während 
das  andere  von  dem  zweiten  auf  den  vierten  Gregorios  über- 
geglitten zu  sein  scheint). 

79.  Philotheos  I.  beschickte  das  Concil  von  Florenz, 
dessen  Beschlüsse  im  Jahre  1439  von  seinem  Stellvertreter, 
dem  Metropoliten  Antonios  von  Herakleia,  mit  unterzeichnet 
wurden,  sagte  sich  aber  1443  von  dem  Patriarchen  Metrophanes 
von  Constantinopel  als  einem  Anhänger  der  Kirchenunion 
los  und  betheiligte  sich  gegen  1450  an  der  Synode  von 
Constantinopel,  auf  welcher  das  Florentinische  Concil  ver- 
dammt ward. 

80.  Athanasios  IV. 

81.  Markos  IV. 

82.  Philotheos  IL,  identisch  mit  dem  Theophilos,  der 
1523  dem  Papste  Hadrian  VI.  in  einem  Briefe  seine  ünter- 
thänigkeit  bezeugte. 


492  VERZEICHNISS 

83.  Gregorios  V. 

84.  Joakeim,  1561  in  einem  Briefe  des  Patriarchen 
Joasaph  von  Gonstantinopel  erwähnt,  ward  in  demselben  Jahre 
vom  Grafen  Albrecht  von  Löwenstein  besucht  und  soll  da- 
mals 120  Jahre  alt  gewesen  sein  und  80  Jahre  lang  gefastet 
haben;  der  abgesetzte  Patriarch  Joasaph  appellirte  an  ihn  1564. 

85.  Silbestros,  im  October  1574  und  am  26.  November 
1575  von  Stephan  Gerlach  als  Patriarch  erwähnt,  war  1579 
auf  einer  Synode  in  Jerusalem  und  erklärte  1584  den  Pa- 
chomios  von  Lesbos,  der  das  Patriarchat  von  Gonstantinopel 
usurpirt  hatte,  für  abgesetzt. 

86.  Meletias  Ilijyäg  aus  Kreta,  fungirte  1584  bei  der 
Inthronisation  des  Theoleptos,  des  Nachfolgers  des  Pachomios 
(aus  dieser  Angabe  des  Leunclavius^  ergiebt  sich  das  Todes- 
jahr des  Silbestros,  und  ich  sehe  keinen  rechten  Grund,  sie 
mit  Le  Quien  II  p.  504  für  falsch  zu  erklären);  er  war  1593 
auf  einer  Synode  in  Gonstantinopel,  verfocht  in  zwei  Briefen 
1593  und  1594  die  rechtgläubige  Abendmahlslehre,  regierte 
während  derx  Verbannung  des  Patriarchen  Makarios  IL  ein 
Jahr  laug  (1595 — 1596)  die  constantinopolitanische  Kirche 
und  verwaltete  als  ''El^aQxog  derselben  auch  während  der 
zweiten  Amtszeit  des  Matthaios  1596 — 1600  das  Patriarchat 
(nach  dem  von  Bandurius  herausgegebenen  Patriarchenver- 
zeichniss,  wo  xQovovg  d'  statt  ;|^(»oi/ot;g  dexa  herzustellen  ist). 

87.  KyrillosII.  Lukaris  aus  Kreta,  sass  in  Alexandrien 
zuerst  mit  Meletios,  dann  allein  19  Jahre  19  Tage,  also  ordinirt 
Sonntag  27.  October  1602  n.  St.,  kam  während  der  Ver- 
bannung des  Patriarchen  Neophytos  (1611)  nach  Gonstanti- 
nopel^ wurde  wegen  seiner  Feindschaft  mit  dessen  Nachfolger 
Timotheos  ausgewiesen  und  floh  auf  den  Athos,  trieb  sich 
dann,  als  eine  Ausgleichung  mit  Timotheos  zu  Stande  ge- 
kommen war,  in  Polen  herum  und  ward  nach  dessen  Tode 
am  15.  November  1621  zum  Patriarchen  von  Gonstantinopel 
erhoben,  1623  aber  wieder  gestürzt. 

88.  Gerasimos  I.  Spartabiotes  aus  Kreta,  ord.  1621, 
unterstützte  im  ersten  Jahre  seines  Patriarchats  die  stark 
verschuldete  Kirche  von  Jerusalem  und  schrieb  am  18.  Juli 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  493 

1629  einen  Brief  gegen  die  Calvinisten,  deren  Schützling 
Eyrillos  Lukaris  war.  Er  sas^  nach  Demetrios  Prokopios 
bei  Le  Quien  U  p.  508  vtiIq  xä  büxoöl  hr]^  dankte  ab  und 
starb  bald  darauf;  wahrscheinlich  liegt  eine  Verwechselung 
der  zahlreichen  17'  und  x    vor,  und  er  war  bis  1630  im  Amte. 

89.  Metrophanes  Kritopulos,  vorher  Protosynkellos 

-des  Patriarchen  von  Constantinopel^  galt  für  einen  Protestanten, 

unterzeichnete  aber  trotzdem  in  seinem  Todesjahre  1638  die 

Erklärungen  der  constantinopolitanischen  Synode  gegen  Ky- 

rillos  Lukaris  und  seine  Gesinnungsgenossen. 

90.  Nikephoros,  vorher  Nikolaos  Isgsvg  xXccQOvt^dv'^g 
(d.  i.  wohl  Priester  aus  Glarenza),  in  Constantinopel  ordinirt 
am  8.  Juni  1638. 

91.  JoannikioSy  vorher  Metropolit  von  Berroia,  unter- 
schrieb 1643  das  vom  Patriarchen  Parthenios  II.  von  Con- 
stantinopel  erlassene  Glaubensbekenntniss  der  griechischen 
Kirche,  lag  1661  in  Streit  mit  den  Mönchen  vom  Sinai, 
denen  er  nicht  gestattete,  in  ihrem  Kloster  in  Alexandrien 
Gottesdienst  abzuhalten,  und  scheint  1665  gestorben  zu  sein. 

Joakeim,  vorher  Bischof  von  Kos  (fehlt  in  den  Ver- 
zeichnissen vermuthlich  wegen  der  Kürze  seiner  Amtszeit), 
ward  1665  vom  Patriarchen  Parthenios  Mogilalos,  dessen 
Genosse  in  allen  Gewaltthaten  er  war,  in  Constantinopel 
ordinirt:  sein  Sturz  erfolgte  vielleicht  gleichzeitig  mit  dem 
seines  Gönners,  abgesetzt  im  September  1665. 

92.  Paisios,  erhielt  1671  einen  Brief  von  Nektarios 
von  Jerusalem  über  die  Abendmahlslehre,  war  1672  in  Con- 
stantinopel, wo  er  die  Erklärung  des  Patriarchen  Dionysios 
gegen  die  Calvinisten  unterschrieb,  wird  noch  1678  von 
Ricalt  als  Patriarch  genannt  und  scheint  1685  gestorben 
zu  sein. 

93.  Parthenios,  vorher  Prochoros,  Bischof  von  Naza- 
reth,  ord.  1685,  kam  1689  in  Smyrna  bei  einem  Erd- 
beben um. 

94  Gerasimos  IL  Palidas,  war  1707  in  Constantinopel 

bei  der  Wahl  und  Inthronisation  des  Patriarchen  Neophytos. 

95.  Samuel   aus  Keos,   schrieb   1712   an   die  Königin 


494  VERZEICeNISS 

Anna  von  England  (Mich,  de  la  Boches,  Memoire  of  Lite- 
rature  III  p.  273)  und  war  noch  1721  im  Amte  (Le  Qaien  U 
p.  512). 

96.  Kosmas  II.  von  Chalkedon,  der  sich  vom  constan- 
tinopolitanischen  Patriarchat  auf  den  Sinai  zurückgezogen 
hatte,  war  im  Jahre  1730  Patriarch  von  Alexandrien. 

Bmclistücke 
gajanitischer  und  panlitisclier  Bischofsverzeichnisse. 

Elpidios  ward  von  den  Gajaniten  565  zum  Bischof 
ordinirt,  aber  ins  Geföngniss  nach  Constantinopel  geschickt 
und  starb  unterwegs  xatä  toi/  UiyQcv  (sehr.  v6  SCyQiVy  nach 
bekanntem  Vulgarismus),  au  der  Nordspitze  von  Lesbos. 
Theoph.  p.  372,  12.  Eutychios  und  aus  ihm  Makrizi  schalten 
nach  dem  melchitischen  Patriarchen  ApoUinarios  (550 — 569) 
folgende  Namenreihe  mit  Angabe  von  Jahren  ein,  die  sich 
nur  aus  der  bekannten  Amtszeit  des  Petros  annähernd  be- 
stimmen lassen: 

Joannes,  ein  Manichäer,  3  Jahre  (573 — 576). 

Petros,  ein  Jakobit,  2  Jahre  (576-578). 

Athanasios,  ein  Manichäer,  5  Jahre  (578 — 583). 

Joannes,  der  in  der  Wahrheit  Stehende  (el-Qäim  bi*l- 
haqq,  d.  i.  6  o^j-O-odogog),  5  Monate  (583 — 584),  nach  welchem 
Joannes  der  auf  (göttlichem)  Befehl  Stehende  11  Jahre  lang 
Patriarch  war,  nämlich  der  melchitische  Joannes  IV.  (569 — 
580).  So  Makrizi,  dem  augenscheinlich  ein  vollständigeres 
Exemplar  des  Eutychios  vorgelegen  hat;  in  unserem  Texte 
sind  die  fünfmonatliche  Amtsdauer  des  ersten  und  der  Name 
des  zweiten  Joannes  ausgefallen  und  so  die  zwei  Nummern 
in  eine  zusammengezogen  worden.  Die  Annahme,  dass  Jo- 
annes 6  OQ^oöoifig  ein  wegen  seiner  ephemeren  Amtsdauer 
von  den  übrigen  Chronographen  übergangener  und  vor  Jo- 
annes IV.  einzuschiebender  Melchitenpatriarch  gewesen  sei, 
wird  durch  Euagrios  und  durch  Leontios  in  der  Abhandlung 
über  die  Secten  unmöglich  gemacht,  welche  die  gewöhnliche 
Reihenfolge  bestätigen.    Es  bleibt  also  nichts  übrig,  als  dass 


DER  PATRIAECHEN  VON  ALEXANDRIEN.  495 

Eutychios  die  Notiz  einem  Glaubensgenossen  des  betreffenden 
Joannes  verdankt.  Unter  den  jakobitischen  und  paulitiscben 
Patriarchen  dieser  Zeit  ist  keiner  des  Namens.  Da  wir  hier 
nur  an  eine  der  Hauptparteien  denken  dürfen,  die  sich  noch 
in  die  spätere  Zeit  hinein  erhielten,  so  ist  die  Auswahl  nicht 
gross:  am  nächsten  liegt  es,  an  einen  gajanitischen  Patriarchen 
und  eine  gajanitische  Geschichtsquelle  zu  denken,  vielleicht 
dieselbe,  der  Severus  seinen  tendenziellen  Bericht  über  die 
Aussöhnung  zwischen  Theodosios  und  Gajanos  verdankt; 
Eutychios  wird  aus  ihr  das  ganze  Bruchstück  geschöpft 
haben,  welches  die  jeweilig  einflussreichsten  unter 
den  häretischen  Prätendenten  des  alexandrinischen 
Patriarchats  zusammenstellt.  Das  Anfangsjahr  stimmt 
in  bemerkenswerther  Weise  mit  dem  Zeitpunkte  der  Wieder- 
herstellung der  monophysitischen  Gemeinden  überein  (um  574; 
8.  die  Zeittafel  bei  Land  S.  196),  und  einer  der  vielen  Spal- 
tungen derselben  werden  wohl  auch  die  beiden  angeblichen 
Manichäer  Joannes  und  Athanasios  angehört  haben.  Mit  dem 
Namen  ^Manicbäer^  belegt  Eutychios  alle  möglichen  Secten, 
von  denen  eine  dunkle  Ahnung  ihm  sagte,  dass  ihre  Ketzerei 
besonders  arg  gewesen  sei.  Eine  besonders  missliebige,  ein- 
mal aber  in  Aegypten  sehr  einflussreiche  Secte  jener  Zeit 
waren  die  Tritheiten;  sie  erkannten  den  Theodosios  als  Patri- 
archen an,  dessen  Anhänger  jedoch  nichts  von  ihnen  wissen 
wollten  (vgl.  Land  S.  129).  Als  den  atQB^iaQxrig^  als  den 
eigentlichen  Stifter  dieser  Secte,  bezeichnet  Leontios  nsQl 
a[(fd0siov  5,  6  (in  Gallandi  Bibl.  patrum  XII  p.  641)  den  be- 
kannten Grammatiker  und  aristotelischen  Philosophen  Joannes 
Philoponos  von  Alexandrien;  und  wenigstens  ist  er  es  ge- 
wesen, der  die  Lehre  auf  ägyptischen  Boden  verpflanzte  und 
ihr  hier  eine  wissenschaftliche  Begründung  gab,  weshalb  er 
von  den  Alexandrinern  während  der  Yacanz  nach  Theodosios^ 
Tode  aus  der  Kirche  gestossen  ward  (Land  S.  108).  Sein 
Schüler  und  eifrigster  Verbreiter  seiner  Lehre  war  Athanasios, 
ein  Tochtersohn  der  Kaiserin  Theodora,  der  Führer  der 
eigentlichen  Tritheiten,  die  auch  Philoponiaker  oder  nach 
ihm   Athanasianer   genannt   werden  (Land  S.  124).     Dieser 


496  VERZEICHNISS 

Athanasios  war  es,  der  den  antioehenischen  Patriarchen 
Paulos,  von  dem  die  Pauliten  den  Namen  haben,  zwischen 
574 — 577  aus  Aegypten  vertrieb  (Land  S.  133).  Er  war  ein 
einflussreicher  Mann  und  der  Patriarch  Entychios  von  Con- 
stantinopel  (577  —  582)  galt  für  einen  Anhänger  seiner  Hä- 
resie (Land  S.  123).  Ich  halte  es  fQr  wahrscheinlich,  dass 
wir  in  diesen  beiden  Sectenhäuptern  den  Joannes  und  Atha- 
nasios des  melchitischen  Chronisten  wiederznerkennien  haben. 
Theodoros  ward  von  den  Pauliten  888  n.  Alex.  (1.  Oc- 
tober  576/30.  September  577)  noch  vor  dem  Jakobiten  Petros 
zum  Patriarchen  ordinirt  und  lebte  noch  896  n.  Alex.  ^= 
585.  Erst  durch  diesen  Bericht  des  Joannes  von  Epbesos 
(bei  Land  S.  131.  139)  werden  mehrere  vereinzelte  Angaben 
in  das  richtige  Licht  gesetzt,  aus  welchen  Le  Quien,  welcher 
nicht  wissen  konnte,  dass  ausser  den  Jakobiten  auch  noch 
andere  monophysitische  Theilungen  ein  Anrecht  auf  den 
Namen  Theodosianer  hatten,  die  Lückenhaftigkeit  des  jako- 
bitischen  Patriarchenverzeichnisses  folgern  zu  müssen  glaubte. 
Der  Dorotheos,  den  nach  Theoph.  p.  372, 16  die  Theodosianer, 
dem  Beispiele  der  Gajaniten  folgend,  heimlich  in  der  Nacht 
sich  zum  Bischof  ordinirten,  ist  ganz  unzweifelhaft  mit  dem 
paulitischen  Theodoros  identisch.  Theophanes  fährt  fort: 
^xal  dg  *iv  owBk%6vxeg  oi  xb  Fatavtrai  xal  of  Ssoäo6iavol 
xoivbv  intoxonov  iavxotg  ived'Qoviöav  xal  [ixBigoxövtjöav. 
'Icaävvr^v  {di)  XLva  (lova^ovy  ov  oi  FaVavtxai  öoXov  vxo- 
lie^vf^xivaL  voiiiöavxsg]  xov  xoiycDva  xov  äßßa  övv  xä  ddQ- 
liaxt  xal  xy  öaQxl  i^ddeigav*.  Die  eingeklammerten  Worte 
fehlen  in  der  Uebersetzung  des  Anastasius,  gewiss  bloss  aus 
Nachlässigkeit;  mehr  Glück  hat  die  Lesart  des  Symeon  Logo- 
thetes  (bei  Le  Quien  II  p.  438)  gemacht,  in  dessen  Annalen 
dd  ausgelassen  ist,  also  ein  Joannes  als  gemeinsamer  Bischof 
der  Theodosianer  und  Gajaniten  erscheint^  den  man  mit  dem 
Joannes  6  oQd'odo^og  bei  Makrizi  zu  identificiren  versucht 
sein  könnte.  Allein  der  Brief  des  Sophronios  an  Sergios 
von  Constantinopel  führt  den  Dorotheos  ausdrücklich  unter 
den  Verfechtern  des  Gajanismus  auf;  also  ist  die  Union 
zwischen  Theodosianern  und  Gajaniten  auf  ihn  zu  beziehen 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  497 

und  die  Streichung  von  de  erweist  sich  als  blosse  Gorrectur. 
Es  wird  vielmehr  ov  als  Wiederholung  der  letzten  Silbe  von 
[lovaxov  zu  tilgen  und  im  Folgenden  eine  anakoluthe  Con- 
struction  anzunehmen  sein,  dadurch  veranlasst^  dass  Theo- 
phanes  (lovaxov  nachträglich  durch  tov  dßßa  näher  bestimmen 
wollte.  In  der  von  Theophanes  gemeldeten  Anerkennung 
des  Paulitenbischofs  Dorotheos  durch  die  Gajaniten  erkenne 
ich  die  zur  Zeit  des  Melchitenpatriarchen  Eulogios  (580— 
607)  erfolgte  ^QOCTUcigog  avcoöig  der  Theodosianer  und  Gaja- 
niten ^  die  ebenfalls  Akephaler  sind^  wieder,  über  die  der 
heilige  Mann  einen  eigenen  Xoyog  ötriXttBwixog  von  unglaub- 
licher Albernheit  zu  schreiben  für  gut  fand  (Phot.  cod.  227 
p.  244',  9  Bekk.);  ihre  baldige  Wiederauflösung  wird  durch 
die  von  Theophanes  geschilderte  Scene  sehr  gut  illustrirt. 
Die  Union  kann  erst  nach  dem  Jahre  585  erfolgt  sein,  bis 
zu  welchem  die  Nachrichten  des  Joannes  von  Ephesros 
reichen;  vielleicht  hängt  die  Erneuerung  selbstständiger 
Bischofswahlen  durch  die  Akephaler  im  achten  Jahre  des 
Damianos  (Juli  585/ Juli  586),  von  der  Severus  (bei  Renau- 
dot  p.  145)  redet,  mit  der  Auflösung  jenes  Einverständnisses 
zusammen. 

Joannes^  6  vvv  ixCöKonog  rdov  ®Bo8o6iavAv  iv  ^AXb- 
^avdQsicCj  gegen  dessen  sechsten  Festbrief  das  fünfzehnte 
Capitel  des  böriyog  des  Anastasios  Sinaites  gerichtet  ist, 
muss  einer  der  paulitischen  Nachfolger  des  Theodoros 
gewesen  und  sein  mehr  als  fünfjähriges  Patriarchat  in  eine 
Zeit  der  Schwäche  des  kaiserlichen  Ansehens  in  Aegypten 
gefallen  sein^  da  nur  eine  solche  einem  häretischen  Patri- 
archen das  Residiren  in  Alexandrien  möglich  gemacht  haben 
kann.  Anastasios  schrieb  nach  dem  Auftreten  der  Moslems, 
aber  ehe  Aegypten  an  sie  verloren  ging,  also  zwischen 
622  —  641  (vgl.  die  umsichtige  Untersuchung  bei  Sollier 
p.  117*  f.);  mit  dieser  Zeitbestimmung  verträgt  sich  recht 
gut  die  Nachricht  des  Eutychios  II  p.  277,  dass  Anastasios 
derselbe  ist  wie  Vahän,  der  Feldherr  des  Herakleios,  der 
nach  dem  Verluste  der  Schlacht  am  Jarmük  634  in  das 
Kloster   auf  dem  Sinai   gegangen    sei.     Also  wird  Joannes 

y.  GüTBOHxiD,  Kleine  Schriften.   IL  32 


498  VERZEICHNISS 

wohl  nach  der  Abberufung  des  Eyros  und  vor  dem  Verluste 
Äegyptens  an  die  Araber,  zwischen  636—641,  der  Pauliten- 
gemeinde  in  Alexandrien  vorgestanden  haben. 

Von  Gajanitenbischofen  der  späteren  Zeit  werden  genannt: 
Menas  der  Alexandriner,  mit  dem  Jakobiten  Benjamin 
zugleich   im   Briefe   des   Sophronios    an   Sergios   verdammt 
um  633. 

Theodoros,  ordinirte  auf  Bitten  eines  indischen  Ge- 
sandten ohne  Vorwiesen  des  Emir  ^AbduTaziz  den  Indem 
einen  Bischof,  und  ward  dafür  nach  Entdeckung  der  Sache 
gekreuzigt  zwischen  695  —  698  (Sev.  bei  Renaudot  p.  184). 

Jakobitische  Patriarchen. 

Vacanz  10  Jahre  (Joannes  von  Ephesos  bei  Land  S.  132; 
in  der  Tradition  der  ägyptischen  Jakobiten  weggelassen), 
567  —  Ende  576. 

34.  Petros  IV.,  ord.  8  Jahre  vor  896  n.  Alex.  (Joann. 
Eph.  a.  a.  0.)  also  888,  wahrscheinlich  zu  Anfang  des  Jahres; 
als  Ja'qob  Bürd'äjä  am  30.  Juli  889  n.  Alex.^)  starb,  war 
bereits  sein  Nachfolger  im  Amte  (Joann.  Ephes.  S.  136). 
Nach  Eutych.  und  sämmtlichen  Jakobiten  sass  er  2  (fälsch- 
lich vom  Tode  des  Theodosios  gerechnete)  Jahre  und  starb 
nach  der  einstimmigen  Angabe  der  Letzteren  am  25.  Payni 
(siehe  oben).  Also  Ordination  im  Herbst  293  Diocl.  =  576, 
Todestag  im  zweiten  Amtsjahre  25.  Payni  294  Diocl.  = 
19.  Juni  578. 

35.  Damianos  (Dimannos  Peiresc),  gen.  der  Schlangen- 
tödter  (Kai.  Abulb.),  ord.  (Epiphi  294  Diocl.)  =  Juli  578, 
sass  nach  Sev.  Ebnr.  Elm.  Makr.,  welche  die  übergangenen 


1)  So  Dionys.  Telmahar.  ap.  Assem.  I  p.  242.  11  p.  65.  Die  kop- 
tische und  äthiopische  Kirche  feiert  einige  Tage  später,  am  17.  Mesori, 
das  Andenken  Jä.*q6b  des  Märtyrers  mit  seinen  Genossen  Johannes  und 
Abraham  (Ludolf,  Commentar.  p.  426),  obgleich  Joannes  von  Ephesos 
das  Gerficht,  als  hätten  Fauliten  den  Jakob  und  seine  Begleiter  mit 
Steinen  erschlagen,  mit  Entrüstung  abgewiesen  hatte  (bei  Land 
S.  96.  186). 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  499 

10  Jahre  der  Vacanz  hier  wieder  einbringen,  36  Jahre,  nach 
Abulb.  Bern.  24  Jahre  11  Monate  (was  nur  durch  Zufall 
der  wahren  Zahl  26  Jahre  11  Monate  naher  kommt),  und 
starb  18.  Payni  (521  Diocl.)  =  12.  Juni  605. 

36.  ^nastasios  6  ^j^no^vydgiog  (Brief  des  Sophronios 
an  Sergios  von  Gonstantinopel)  sass  12  Jahre,  f  22.  Ghoiak 
330  (Sev.  Elm.  Makr.),  schreibe  333  Diocl.  (siehe  oben)  = 
18.  December  616. 

37.  Andronikos  sass  6  Jahre  (Sev.  Makr.),  f?  S.  Tybi 
(339  Diocl.)  =  3.  Januar  623. 

38.  Benjamin  I.  aus  dem  Kloster  Deir  Kirjos  (d.  i. 
Kyrios)  in  der  Sharqija  (Sev.)  oder  aus  Mariüt  (Abulb.), 
sass  39  Jahre  (Sev.  Ebnr.  Makr.),  deren  erstes  von  Elmakin 
richtig  mit  1.  He^.  (16.  Juli  622/4.  Juli  623)  verglichen 
wird.  10  Jahre  davon,  von  der  Einsetzung  des  Kyros  (Payni 
347  Diocl.  =  Juni  621)  bis  zur  Ankunffc  der  Araber  vor 
Babylon  (vielmehr,  wie  oben  nachgewiesen  worden,  bis  zu 
ihrem  Vertrage  mit  Muqauqis,  Thoth  357  Diocl.  =  Sep- 
tember 640),  brachte  er  in  der  Verborgenheit  in  einem 
Kloster  bei  Kus  in  der  Theba'is  zu,  und  kehrte  im  dritten 
Jahre  nach  dem  Einfalle  der  Araber  mit  diesen  nach  Ale- 
zandrien  zurück  (14.  Choiak  358  Diocl.)  =  10.  December 
641.  Er  starb  nach  der  einstimmigen  Angabe  der  jakobiti- 
schen  Chronographen  8.  Tybi  (378  Diocl.)  «=  3.  Januar  662. 
Dass  dieser  Tag  der  wirkliche  Todestag,  und  nicht,  wie  es 
nach  dem  äthiopischen  zweiten  Synaxar  (bei  SoUier  p.  *75) 
und  dem  koptischen  Kalender  Abulberekäts  (bei  Renaudot 
p.  167)  scheinen  konnte,  der  Tag  der  Dedication  der  Ma- 
karios- Kirche  ist,  ergiebt  sich  aus  einer  anderen  Stelle  des 
Severus  bei  Renaudot  p.  269,  welche  uns  als  das  Datum 
derselben  den  1.  Pharmuthi  kennen  lehrt. 

39.  Agathon  (Sev.  Abulb.  Bern.  Ebnr.)  oder  Agathos 
(Peiresc),  Agathis  (Elm.),  Agäthü  (Makr.  Kai.  Copt.)  von 
Mariüt  (Abulb.),  sass  19  Jahre  (Sev.  nach  unserem  Texte, 
Abulb.  Bern.),  f  16.  Phaophi  (397  Diocl.)  (Sev.  Ebnr.  im 
Texte,  Elm.  Kai.  Copt.  Synax.)  =  13.  October  680.  Aga- 
thon kann  nicht  früher  gestorben  sein,  da  er  die  Einsetzung 

32* 


500  VERZEICHNISS 

des  Synoditen  Theodoros  zum  Präfecten  der  Mareotis  durch 
Jezid  I.  (regierte  seit  1.  Regeb  60  Heg.  =  7.  April  680)  um 
einige  Zeit  überlebte;  vgl.  Severus  bei  Renaudot  p.  173. 

40.  Joannes  III.  von  Semenüt^)  sass  9  Jahre  (Sev. 
Abulb.)  oder  8  Jahre  (Ebnr.  Elm.  Makr.).  Als  sefai  Todes- 
tag wird  von  den  jakobitischen  Historikern  einstimmig  der 
1.  Ghoiak  angegeben  (Sev.  Ebnr.  Elm.,  mit  einem  Schreib- 
fehler Abulb.)  und  an  diesem  ist  allerdings  im  äthiopischen 
Kalender  ein  Gedächtnisstag  angemerkt;  allein  im  Synaxar 
heisst  es  zu  dem  betreffenden  Tage  (nach  Ludolfs  Ueber- 
Setzung  bei  Sollier  p.  76*:  ^Saluto  Joannem,  officio  et  ortho- 
doxia  Patriarcham,  qui  tempore  administrationis  suae  ecclesiam 
aedificavit  in  nomine  S,  Marci,  et  ipso,  quo  ex  hoc  mundo 
migravit,  die  requiem  suam  cum  S.  Aihanasio  patriarcha  con- 
iunxit'.  Ich  kann  dies  nicht  anders  verstehen^  als  dass  er 
an  demselben  Tage  wie  Athanasios  gestorben  ist,  also  am 
7.  Fachen.  Und  richtig  erscheinen  an  diesem  Tage  im 
äthiopischen  Kalender  (bei  Ludolf,  Commentar.  p,  415)  an 
erster  Stelle  Athanasios,  an  zweiter  ein  Johannes,  von  dem 
es  im  Synaxar  heisst:  ^Erogando  stipem  poscentibus  consumpsit 
vestimenta  sua  omnia,  nee  reliqui  fecit  cilicium  suum,  ita,  ut 
in  spelunca  nudus  repertus  fuerii*  (Ludolf,  Commentar.  p.  289); 
die  grosse  Mildthätigkeit  gegen  die  Armen  während  einer 
Hungersnoth  wird  gerade  an  unserem  Joannes  gerühmt  von 
Severus  p.  176,  so  dass  an  der  Identität  Beider  wohl  kein 
Zweifel  sein  kann.^)     Dem   bestimmten  Zeugniss    des  Syn- 


1)  Ich  glaube,  dass  von  diesem  Joannes  die  von  Lndolf  (bei 
Sollier  p.  *61)  fölschlich  aaf  Joannes  Hemula  bezogene  Nachricht  des 
Synaxar  zu  verstehen  ist,  dass  er  ein  getaufter  Jude,  seiner  Heerde 
ein  g^ter  Hirt  gewesen  sei  und  die  Wunden  (Christi)  in  grosser  Trübsal 
an  seinem  Körper  erfüllt  habe.  Der  Emir  ^AbduTaziz  liess  ihn  nlLitl- 
lich  martern,  um  Geld  von  ihm  zu  erpressen,  und  drohte  überdies,  er 
werde  ihn  in  einem  Judenanzuge,  das  Gesicht  mit  Asche  beschmiert, 
schimpflich  durch  die  Stadt  fähren  lassen  (Severus  bei  Renaudot 
p.  176)  —  eine  Drohung,  auf  die  erst,  weun  man  sie  mit  der  Notiz 
des  Synaxars  combinirt,  das  rechte  Licht  fällt 

2)  Die  strenge  Mönchsregel  musste  auch  in  der  Zelle  des  Patri- 
archen beobachtet  werden  (cfn  Benaudot  S.  554). 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  501 

axars  gegenüber  sieht  man  sich  eu  der  Annahme  genothigt, 
dass  uns  in  dem  1.  Choiak  nicht  der  Todestag  des  Joannes, 
sondern  wohl  vielmehr  der  Jahrestag  der  Einweihung  der 
S.  Markoskirche  erhalten  ist.  Er  starb  also  am  7.  Pachon 
405  Diocl.  =a  2.  Mai  689.  Die  Ordination  des  jakobitischen 
Patriarchen  Julianos  II.  von  Antiochien  im  Jahre  999  n.  Alex. 
=  688  fallt  in  seine  Amtszeit  (Severus  bei  Renaudot  p.  196. 
Le  Quien  II  p.  1364). 

Yacanz  (ohne  Angabe  der  Dauer  von  Severus  bezeugt) 
689-699. 

41.  Isaak,  koptisch  tsäk  (Elm.  Makr.),  mit  dem  Bei- 
namen der  Gerechte  (Synax.),  aus  dem  Makarioskloster  (Sev.), 
aus  der  Landschaft  Gharbije  (Abulb.),  ord.  (Mechir  406  Diocl.) 
=  Februar  690,  sass  2  Jahre  9  Monate  (Sev.),  f  2.  Athyr 
(Sev.  Ebnr.  laut  Rechnung;  Elm.)  oder  9.  Athyr  (Ebnr.  im 
Texte,  Synax.;  verschrieben  7.  Athyr  Abulb.)  (409  Diocl.)  = 
29.  October  (5.  November)  692. 

42.  Simon  I.  (Sev.  Abulb.  Bern.  Ebnr.  Elm.  Makr.) 
oder  Simeon  (Peiresc.  Synax.  Kai.  Copt.),  der  Syrer,  aus 
dem  Kloster  ez  Zeggäg  (Sev.),  ord.  (Tybi  409  Diocl.)  = 
Januar  693,  sass  7  Jahre  6  Monate  (Sev.  Makr.),  f  24.  Epi- 
phi  416  Diocl.  (Sev.)  =  18.  Juli  708. 

Yacanz  3  Jahre  (Sev.  Ebnr.  Elm.  Makr.). 

43.  Alexandros  IL,  aus  dem  Kloster  El  Zegiage  (Sev.), 
von  Bene  (Abulb.),  ord.  Markustag  30.  Pharmuthi  420  Diocl. 
(Sev.  Ebnr.  Elm.)  =  25.  April  704,  sass  24%  Jahre  (Sev. 
Makr.),  f  ?•  Mechir  (445)  (Ebnr.  Elm.  Synax.)  =  1.  Fe- 
bruar 729. 

44.  Kosmas  L,  aus  dem  Kloster  des  Makarios  (Sev.), 
von  Bene  (Abulb.),  seit  Phamenoth  (445)  (Abulb.)  =  März 
729,  sass  1  Jahr  3  Monate,  f  30.  Payni  (446)  (Sev.  Ebnr. 
laut  Rechnung,  Elm.)  =  24.  Juni  730,  oder  1.  Payni  (Ebnr. 
im  Texte,  Synax.). 

45.  Theodoros,  aus  einem  Kloster  der  Mareotis  bei 
Temnua  (Abulb.),  seit  (Mesori  446)  =  August  730,  sass  11 
Jahre  6  Monate  (Sev.),  f  7.  Mechir  (458)  =  1.  Februar  742. 

Yacanz  1  Jahr  (Ebnr.). 


502  VEBZEICHNI8S 

46.  Michael  I.  (Ebnr.  Makr.  Synax.)  oder  Chail  (Peir. 
Sev.  Abulb.  Elm.),  aus  dem  Kloster  des  Makarios  (Äbulb.), 
durch  den  Statthalter  Haff  ben  al-Walid,  der  von  124  He^. 

=  VNoTäW  *>'«  125  Heg.  -  4.  November  742/24.  Oc- 
tober  743  regierte  (Elmakin  p.  81.  84),  bestätigt  am  14.  Thoth 
460  Diocl.  =  12.  September  743,  ordinirt  am  Ereozesfeste 
17.  Thoth  460  Diocl.  (Sev.  Ebnr.  Elm.)  =  15.  September 
743,  sass  23  Jahre  6  Monate  (Bern.  Ebnr.),  f  16.  Phamenoth 
(485)  «  12.  März  767. 

47.  Menas  I.,  aus  dem  Kloster  des  Makarios  von  Se- 
menüt  (Abulb.),  sass  9  Jahre  (Sev.  Elm.),  f  30.  Choiak 
(492)  (Kai.  Abulb.)  =  27.  December  775.^)  Die  Amtszeit 
dieses  Patriarchen  ist  durch  Synchronismen  der  Geschichte 
der  Araber  und  des  jakobitischen  Patriarchats  von  Antiochien 
hinlänglich  sichergestellt.  Als  Menas  schon  einige  Zeit  im 
Amte  war,  entwich  sein  Diaconus  Petros,  der  sich  wegen 
einer  Zurücksetzung  an  ihm  rächen  wollte,  nach  Syrien, 
entlockte  unter  falschen  Vorspiegelungen  dem  dortigen  Patri- 
archen Georgios  eine  bedeutende  Geldsumme  und  begab  sich 
mit  diesem  zum  Chalifen  Alman^ür.  Georgios  ward  von 
David,  einem  Günstling  Alman^ürs,  verdrängt  und  blieb 
nach  Barhebräus  9,  nach  Elmakin  10  Jahre  im  Kerker  bis 
auf  Alman9ürs  Tod,  der  in  das  Jahr  1087  der  Seleukiden- 
ära  fällt  (vgl.  Le  Quien  II  p.  1369),  muss  also  spätestens  vor 
Ablauf  des  Jahres  1078  Sei.  (1.  October  766/30.  September 
767)  gestürzt  worden  sein.  Petros  wusste  den  Almanfür 
ganz  für  sich  zu  gewinnen  und  überbrachte  einen  Befehl, 
ihn  als  Patriarchen  einzusetzen,  an  den  Statthalter  von 
Aegypten.     Letzterer,  der  noch  von  den  Zeiten  Michaels  L 


1)  Die  Angabe  der  Hietoriker  Sev.  Ebenr.  Elm.  und  des  äthiopi- 
schen Synaxarg,  dass  Menas  am  30.  Tybi  gestorben  sei,  muss  ein  Irr- 
thum  sein,  da  sein  Nachfolger  vom  16.  Tybi  an  bis  wieder  znm  16.  Tybi 
nach  dem  niedrigsten  Ansätze  genau  23  Jahre  sass,  fOr  eine  Vacani 
also  kein  Platz  ist.  Die  Deutung  der  23  Jahre  bei  Ebn  Rahib  als 
22  Jahre  l  Tag  hat  so  gut  wie  die  Nennung  des  3.  Tybi  bei  Abul- 
berekftt  nur  den  Werth  einer  Conjectur. 


DEE  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  503 

her  im  Amte  war  —  also  Jezid  ben  Hätim  (regierte  nach 
Elmakin  p.  98.  101  von  144—152  Heg.  «  761  —  769)  — , 
machte  einen  Versuch,  ihn  mit  Gewalt  einzusetzen ,  stand 
jedoch  wegen  des  heftigen  Widerstandes  der  Geistlichkeit 
davon  ab.  Da  aber  Menas  sich  weigerte,  die  vermutheten 
Kirchenschätze  auszuliefern,  ward  er  mit  seinen  Bischofen 
zu  Zwangsarbeiten  nach  den  Schi£fswerften  abgeführt.  Erst 
ein  volles  Jahr  darauf  kamen  sie  los,  da  Petros  sich  in- 
zwischen mit  dem  Statthalter  veruneinigt  hatte  und  in  das 
Gefangniss  geworfen  ward,  in  welchem  er  3  Jahre  blieb, 
bis  ein  neuer  Statthalter  kam  und  ihn  aus  seiner  Haft  ent- 
Hess,  damit  er  sich  behufs  Bevision  seines  Prozesses  an  den 
Hof  des  Ghalifen  begeben  konnte.  Der  letzte  Wechsel  in 
der  Statthalterschaft  unter  Alman9ür  erfolgte  im  Jahre  155 
Heg.;  die  3  Jahre  der  Gefangenschaft  des  Petros  fallen  mit  den 
3  Amtsjahren  des  ^Abdallah  ben  'Abdarrahmän  zusammen, 
152—155  Heg.  =  769-772  (Elmakin  p.  98),  und  die  Ab- 
fdhrung  des  Menas  ins  Bagno  gehört  in  das  Jahr  768.  Da 
nun  nach  Makrizi  im  Jahre  vorher,  nämlich  150  Heg.  «>  767, 
die  Kopten  einen  Aufstand  gemacht  hatten,  so  liegt  die 
VermuthuDg  nahe  genug,  dass  die  Bestrafung  de»  Patri- 
archen wohl  nicht  allein  in  den  Umtrieben  des  Petros  ihren 
Grund  hatte,  sondern  eine  Folge  der  Niederwerfung  jenes 
Aufstandes  war.  Petros  wusste  sich  in  der  Folge  beim 
Ghalifen  wieder  einzuschmeicheln,  trat  zum  Islam  über  und 
kehrte  mit  einem  Diplome  versehen,  welches  ihm  grosse 
Machtvollkommenheit  verlieh,  zurück,  um  sich  an  dem 
Patriarchen  zu  rächen.  Aber  noch  ehe  er  in  Aegypten  an- 
gelangt war,  kam  die  Nachricht  vom  Tode  Alman9Ürs,  der 
alle  seine  Anschläge  zu  nichte  machte;  von  den  Christen 
zurückgestossen,  starb  er  bald  nach  dem  Patriarchen  eines 
elenden  Todes  (vgl.  Severus  bei  Renaudot  p.  238).  Menas 
überlebte  also  den  Alman9ür,  der  nach  Tabari  bei  Weil, 
Geschichte  der  Ghalifen  H  S.  92 f.  eines  Sonnabends,  den 
6.  Dhu'ihiggah  158  Heg.  starb  =  7.  October  775. 

48.  Joannes  IV.,  von  Baua  (Sev.),  von  Bene  (Abulb.), 
ord.   16.  Tybi  (492)  (Sev.   Ebnr.   Elm.   Synax.)  =  Freitag, 


504  VEBZEICHNIßS 

12.  Januar   776,   sass   23   Jahre   (Makr.),   t   16.  Tybi  515 
Diocl.  (Sev.)  =  11.  Januar  799. 
Vacanz  15  Tage  (Ebnr.). 

49.  Markos  IL,  von  Alexandrien,  sass  20  Jahre  81  Tage 
(Ebnr.).  Seine  Amtszeit  wird  durch  die  Zahl  von  20  Fest- 
briefen (Epiphan.  800— Epiphan.  819)  sichergestellt,  welche 
Seyerus  bei  Renaudot  p.  257  überliefert  und  dadurch^  dass 
Markos  II.  von  Dionysios  I.,  der  seit  Sonntag,  1.  August 
1129  Seleuc.  «=818  jakobitischer  Patriarch  von  Antiochien 
war,  ein  Synodalschreiben  erhielt,  in  welchem  bereits  die 
dem  Letzteren  gelungene  Wiedervereinigung  der  Anhänger 
des  Gegenpatriarchen  Abraham  mit  seiner  Kirche  gemeldet 
war  (vgl.  Severus  bei  Renaudot  p.  256.  Le  Quien  II  p.  1373); 
ord.  Sonntag,  2.  Mechir  (515  Diocl.)  (Sev.  Elm.)  =  27.  Januar 
799,  t  Ostersonntag,  22.  Pharmuthi  535  Diocl.  (Elm.)  = 
17.  Aprü  819. 

50.  Jakob  (Elm.  Makr.)  oder  lakoboa  (Peiresc.),  Priester 
an  der  Makarioskirche,  seit  Payni  (535  Diocl.)  (Abulb.)  «=  Juni 
819,  sass  10  Jahre  8  Monate  (Sev.  Elm.  Makr.),  f  14.  Mechir 
(546  DiocL)  =  8.  Februar  830. 

51.  Simon  IL  (Sev.  •  Abulb.  Bern.  Elm.)  oder  Simeon 
(Peiresc.  Makr.  Synax.)  Mönch,  von  Alexandrien,  sass  5  Mo- 
nate 16  Tage  (Sev.  nach  unserem  Texte-,  auf  dieselbe  Lesart 
führen  die  5072  Monate  im  Synax.)  seit  22.  Pharmuthi  (546 
Diocl.)  =  Sonntag  17.  April  830),  f  3.  Phaophi  (547  Diocl.) 
—  30  September  830. 

Vacanz  1  Jahr  47  Tage  (Ebnr.). 

52.  Jöseb  (Peiresc)  oder  J6s§f  (Synax.)  aus  OberMenuf 
(Sev.)  aus  dem  oberen  Memphis  (Abulb.),  Praepositus  der  Ma- 
karioskirche im  Thale  Habib,  ord.  Sonnabend  (Elm.)  am 
21.  Athyr  nicht  547  DiocL,  wie  Severus  und  Elmakin  an- 
geben, sondern  548  Diocl.  (Abulb.)  =  18.  November  831, 
sass  18  Jahre  (Abulb.  Elm.  Makr.)  oder  genauer  17  Jahre 
338  Tage  (Ebnr.),  nicht  18  Jahre  11  Monate,  wie  Severus 
angiebt,  f  Sonntag  23.  Phaophi  566  Diocl.  -=  20.  October 
849.  —  Die  Synchronismen,  welche  uns  aus  der  ersten  Zeit 
seines   Patriarchats   erhalten   sind,   vertragen   sich    mit   der 


DEE  PATEIAECHEN  VON  ALEXANDRDEN.  505 

einen  Angabe  über  sein  Ordinationsjahr  so  gut  wie  mit  der 
anderen.  Nach  dem  in  die  Sammlung  des  Severus  auf- 
genommenen Leben  des  Patriarchen  Joseph  bei  Renaudot 
p.  279  und  nach  Ebn  Rahib  p.  130  empörten  sich  die  Basch- 
murischen  Kopten  zur  Zeit  des  Joseph^  der  einen  vergeblichen 
Versuch  machte,  sie  zur  Niederlegung  der  Waffen  zu  be- 
wegen^ und  dann  nach  der  Ankunft  des  Almamün  von 
diesem  mit  dem  Patriarchen  Dionysios  L  von  Antiochien, 
der  im  Gefolge  des  Chalifen  von  Aegypten  gekommen  war, 
zu  demselben  Zwecke,  aber  mit  ebensowenig  Erfolg  an  die 
Aufständischen  geschickt  ward:  diese  Hessen  es  auf  die  Ent- 
scheidung des  Schwertes  ankommen  und  unterlagen.  Der 
Aufstand  •  brach  nach  Makrizi  216  Heg.  (19.  Februar  831/ 
7.  Februar  832)  aus,  Almamüp  kam  nach  Aegypten  Freitag 
den  23.  (Ebn  Rahib  p.l30)  oder  9.Moharrem  217  Heg.  (Eutych. 
n  p.  430)  «=  1.  März  (16.  Februar)  832  und  zog  am  1.  Safar 
=s  9.  März  gegen  die  Rebellen.  Die  abweichende  Angabe  Re- 
naudots  a.  a.  0.,  dass  im  Leben  des  Jakob  der  Aufstand  unter 
diesen  Patriarchen  gesetzt  werde,  beruht  wahrscheinlich  auf 
blosser  Unachtsamkeit:  jener  Biograph  berichtet  nämlich 
(p.  270)  von  einem  Besuche  des  Dionysios  von  Antiochien 
bei  Jakob;  allein  dies  ist  ein  früherer,  der  eine  Besprechung 
mit  dem  Statthalter  'Abdallah  ben  Tähir  (825-828)  zum 
Zweck  hatte  (Elmakin  p.  140,  aus  ihm  Makrizi).  Für  die 
Richtigkeit  der  Zeitrechnung  des  Ebn  Rahib  gegenüber  der 
des  Severus  entscheidet  vor  allem  1)  der  Wochentag.  2)  weiss 
Severus  selbst  (p.  277)  von  einer  durch  heftige  Wahlkämpfe 
verursachten  längeren  Yacanz  vor  Josebs  Ordination.  3)  setzt 
er  p.  289  in  das  siebente  Jahr  nach  Jös^bs  Ordination,  welches 
das  Ö54.  der  Märtyrer  (aer.  Diocl.)  sjei,  die  Erscheinung  eines 
grossen  einem  Schwerte  gleichenden  Kometen  in  der  Richtung 
von  Morgen  gegen  Abend:  es  ist  dies  aller  Wahrscheinlich- 
keit nach  derselbe  Komet,  der  im  Frankenreiche  838  während 
des  Osterfestes  (das  in  diesem  Jahre  auf  den  14.  April  fiel) 
im  Sternbilde  der  Jungfrau  erschien,  sich  nicht  wie  die  sieben 
Planeten  nach  Morgen  bewegte  und  25  Tage  lang  sichtbar 
war,  ausführlich  geschildert  von  dem  sogenannten  Astronomen 


506  VERZBICHNISS 

im  Leben  Ludwigs  des  Frommen^  Cap.  58.  4)  erfolgte  nach 
Severus  p.  291  die  Erhebung  Joannes'  IIL  zum  jakobitischen 
Patriarchen  von  Antiochien  nach  Dionysios'  L  Tode  im  fünf- 
zehnten Jahre  Josephs,  dem  562.  der  Märtyrer,  während  £bn 
Rahib  p.  145  und  nach  ihm  Elmakin  in  das  fünfzehnte  Jahr 
vielmehr  den  Tod  des  Dionysios  setzen.  Die  Yergleichung 
nach  Diocletianischer  Aera  ist  ungenau,  da  Dionysios  am 
22.  August  845,  mithin  vor  Beginn  des  Jahres  562  DiocL 
starb,  die  Ordination  des  Joannes  aber  erst  (Sonntag)  den 
21.  November  846,  also  nach  Ablauf  desselben  erfolgte  (vgl. 
Le  Quien  II  p.  1374).  Wohl  aber  fällt  Letztere  nach  Ebn 
Rahibs  Rechnung  in  das  fünfzehnte  Jahr  Jösebs,  und  die 
falsche  Gleichung  beweist  wenigstens  so  viel,  dass  Severus 
selbst,  als  er  sie  anstellte,  nicht  547,  sondern  548  Diocl.  als 
erstes  Jahr  dieses  Patriarchen  voraussetzte. 
Vacanz  30  Tage  (Ebnr.    Elm.    Makr.). 

53.  Michael  IL  (Ebnr.  Elm.  Makr.  Synax.)  oder  Chaü 
(Peiresc.  Sev.  Abulb.),  Abt  des  Johannesklosters  im  Thale 
Habib,  ord.  24.  Athyr  (566)  (Ebnr.)  =  Mittwoch  20.  No- 
vember 849,  sass  1  Jahr  5  Monate,  f  22«  Pharmuthi  567  Diocl. 
(Sev.   Elm*)  =  17.  April  851. 

Vacanz  81  Tage  (Ebnr.    Elm.    Makr.). 

54.  Eosmas  IL  (Sev.  Bern.  Ebnr.)  von  Semenüt,  Dia- 
Conus  der  Makarioskirche,  ord.  12.  Epiphi  567  Diocl.  (Sev. 
Elm.)  =  Mittwoch  ^8.  Juli  851,  sass  7  Jahre  5  Monate  (Abulb. 
Bern.  Elm.  Makr.),  f  21.  Athyr  575  Diocl.  =  17.  Novem- 
ber 858. 

Vacanz  51  Tage  (Ebnr.    Elm.    Makr.). 

55.  Sanythios  I.  (Sev.  Ebnr.  Elm.  Makr.  Synax.)  oder 
Senodeos  (Peiresc.)  oder  Schenüda  (Abulb.  Bern.),  von  Betenün 
(Abulb.),  Oekonomos  der  Makarioskirche,  ord.  13.  Tybi  575 
Diocl.  (Sev.  Elm.)  «=  Sonntag  8.  Januar  859,  sass  21  Jahre 
3  Monate  (Sev.  Abulb.  Bern.),  f  24.  Pharmuthi  (596)  — 
19.  April  880  (Sev.    Ebnr.  im  Texte  Synax.). 

56.  Michael  IIL  (Ebnr.  Elm.  Makr.  Synax.)  oder  Chail 
(Mich.  Abulb.  Bern.),  sass  27  Jahre  (Mich.),  f  20.  Phamenoth 
(623)  (Abulb.  Synax.  Einige  bei  Elm.)  «=.  16.  März  907.  — 


DER  PATEIAECHEN  VON  ALEXANDRIEN.  507 

Die  Amtszeit  Michaels  III.  ist  der  Prüfstein ,  an  welchem 
sich  der  Vorzug  der  Zeitrechnung  der  Patriarchengeschichte 
(mit  der  Abulberekät  im  Wesentlichen  übereinstimmt)  vor 
der  sehr  abweichenden  des  Ebn  Rahib,  Elmakin  und  Makrizi 
für  den  ganzen  Zeitraum  von  Sanjthios  L  bis  auf  Menas  IL 
entscheidet     Die  sich  gegenüberstehenden  Ansätze  sind: 


Sanjthios  I.  sass  nach  der 

Patriarchengeschichte    .  859 — 880 

Michael  III 880-907 

Vacanz 907—910 

Gabriel  1 910—921 

Kosmas  III 921—933 

Makarios  1 933—953 

Theophanios    .....  953—956 


nach  Ebnr.  859—870 

870-895 
895—909 
909—920 
920—932 
932—952 
952-956. 


)}  f) 

77  ff 

7t  77 

)7  77 


Michael  III.  muss  länger  als  bis  895  gelebt  haben;  denn  ihm 
meldete  Dionysios  IL,  jakobitischer  Patriarch  von  Antiochien, 
in  hergebrachter  Weise  in  einem  noch  erhaltenen  Synodal- 
schreiben seine  im  April  1208  Sei.  «==  897  erfolgte  Ordination 
(vgl.  Renaudot  p.  291.  Le  Quien  II  p.  1375).  Hinsichtlich 
eines  Synchronismus  aus  der  Geschichte  der  Fatimidendynastie 
tritt  der  seltsame  Fall  ein,  dass  jede  der  beiden  Glassen 
durch  ihn  ihre  eigene  Zeitrechnung  Lügen  straft  und  die 
entgegengesetzte  zu  bestätigen  scheint.  Nach  Elmakin  p.  176^ 
aus  welchem  Makrizi  geschöpft  hat^  ward  Chumäraweih  er- 
mordet am  26.  Tybi  612  DiocL,  der  genau  dem  von  mos- 
lemischen Geschichtsschreibern  (vgl.  Elmakin  p.  177)  über- 
lieferten Datum  3.  Dhü'lhiggah  282  Heg.  und  dem  christ- 
lichen 22.  Januar  896  entspricht^  unter  dem  Patriarchate 
Michaels  III.,  der  doch  nach  denselben  Quellen  schon  am 
16.  März  895  gestorben  sein  sollte.  Dagegen  setzt  Michael 
von  Tanis  (p.  328)  yoraus,  dass  Chumäraweih  noch  während 
der  Vacanz  lebte,  die  nach  seinen  eigenen  Angaben  erst  am 
16.  März  907  eintrat.  Er  erzählt  nämlich,  gegen  das  Ende 
von  Michaels  Patriarchat  habe  der  Bischof  Pachomios  von 
Saka  (^oeg)  die  Gunst  Chumäraweihs  gewonnen,  weil  er  mit 
300  im  Speerwerfen  geübten  Knechten  nicht  bloss  die  Be- 


508  VERZEICHNISS 

Sitzungen  seiner  Kirche^  sondern  die  ganze  Landschaft  gegen 
arabische  Freibeuter,  die  sich  für  Nachkommen  der  Fatime 
ausgaben,  geschützt  habe.  Als  dann  die  Melchiten,  die  Ya- 
canz  des  Jakobitenpatriarchats  benutzend,  auch  einen  Patri- 
archen ordinirt  hätten  und  übermüthig  gegen  die  Jakobiten 
aufgetreten  seien,  habe  sich  Pachomios  mit  Geschenken  zum 
Chumaraweih  begeben  und  ihm  den  Argwohn  eingeflösst, 
dass  die  Melchiten,  wenn  man  sie  gewähren  liesse,  eine 
Landung  der  Griechen  in  Aegypten  begünstigen  würden.  Er 
sei  darauf  mit  einem  Briefe  Chumäraweihs,  durch  welchen 
der  Platzcommandant  zur  Ausführung  aller  Befehle  des 
Pachomios  angewiesen  ward,  nach  Alezandrien  zurückgekehrt 
und  habe  den  Melchitenpatriarchen  ergreifen  und  ihm  die 
Finger  der  rechten  Hand,  mit  denen  er  beim  Segnen  das 
Zeichen  des  Kreuzes  machte,  abschneiden  lassen;  nach  dieser 
That  habe  Pachomios  die  Bischöfe  zur  Wahlversammlung  in 
das  Habibsthal  berufen.  Renaudot  erklärt  diese  ganze  Er- 
zählung für  erdichtet  wegen  der  entgegenstehenden  Angabe 
über  Chumäraweihs  Tod  und  wegen  des  Stillschweigens  des 
Eutychios,  und  leugnet  sogar,  dass  damals  bei  den  Melchiten 
eine  Patriarchenwahl  stattgefunden  habe.  Letzteres  ist  nicht 
wahr:  nach  einer  mehrjährigen  Vacanz  ward  Christod ulos 
am  4.  April  907  in  Jerusalem  gewählt,  am  5.  April  eben- 
daselbst ordinirt  und  diese  Ordination  am  17.  Juni  in 
Alexandrien  wiederholt;  somit  fällt  die  Wahl  nach  der  Zeit- 
rechnung der  Patriarchengeschichte  19  Tage  nach  dem  Ein- 
tritt der  Vacanz  des  Jakobitenpatriarchats,  wodurch  der  von 
Michael  von  Tanis  angegebene  pragmatische  Zusammenhang 
mehr  als  wahrscheinlich  wird.  Da  Eutychios  beinahe  nur 
die  Namen  seiner  Vorgänger  nennt,  so  ist  es  sehr  misslich, 
ein  argumentum  a  silentio  aus  seinen  Annalen  abzuleiten, 
ganz  abgesehen  davon,  dass  Eutychios  hier  einen  triftigen 
Grund  hatte  zum  Schweigen;  denn  Christodulos  wurde  durch 
jene  Verstümmelung  zum  Priesterthum  untauglich  und  hätte 
nach  kanonischem  Rechte  nicht  Patriarch  bleiben  dürfen.  Dem 
Einwände  Renaudots:  ^neque  uüatenus  verisimU  est  iniuriam 
adeo  insignem  Patriarchae  suo  illaiam  ah  episcopo  sectae  con- 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  509 

irariae  taciturum  Eutychium  si  scivisset,  aut  nescivisse  st  fuisseC 
lässt  sich  die  ebenso  berechtigte  Frage  entgegenstellen^ 
welcher  denkbare  Grand  die  Jakobiten  bewogen  haben  konnte, 
einem  ihrer  Bischöfe  eine  so  niederträchtige  Handlung  an- 
zudichten. Die  Verstösse  gegen  die  Geschichte,  an  denen 
der  Bericht  des  Michael  von  Tanis  leidet,  beschränken  sich 
auf  Einzelheiten,  welche  die  arabischen  Beherrscher  Aegyptens 
angehen,  und  reichen  bei  der  grossen  Sorglosigkeit,  welche 
die  jakobitischen  Historiker  in  der  Geschichte  derselben  auch 
sonst  an  den  Tag  legen,  nicht  aus,  die  ganze  Erzählung  ver- 
dächtig zu  n^achen.  Der  eigentliche  Anfang  der  Fatimiden- 
dynastie  fällt  allerdings  erst  in  das  Jahr  909,  die  Wühlereien 
ihres  Stifters  'Obeidallah  hatten  aber  schon  viele  Jahre 
früher  begonnen,  und  da  er  von  Anfang  an  ein  Auge  auf 
Aegypten  geworfen  hatte  ^)  und  mit  den  Earmathen  die 
engsten  Beziehungen  unterhielt,  so  gehört  ein  Zusammen- 
hang zwischen  ihm  und  den  vom  Bischof  Pachomios  im 
Gebiete  von  Xo'is  bekämpften  Arabern  nicht  in  das  Reich 
der  Unmöglichkeiten.  Damals  war  nicht  Chumäraweih,  son- 
dern 'tsä  ben  Muhammed  al-Nüshari  Emir  von  Aegypten 
(t  10.  Sha  bau  297  Heg.  =  24.  April  910;  vgl.  Elmakin 
p.  187),  der  in  der  That  noch  von  den  Zeiten  Michaels  her, 
nämlich  seit 'Sha  bau  292  Heg.  =  Juni  905  (Eutych.  H  p.  497), 
im  Amte  war.  Durch  Beseitigung  dieses  falschen  Synchro- 
nismus wird  die  entgegenstehende  Angabe  Elmakins,  dass 
Chumäraweih  zur  Zeit  Michaels  HI.  umgekommen  sei,  damit 
aber  auch  gerade  die  von  Elmakin  verworfene  Zeitrechnung 
Michaels  von  Tanis  erst  recht  sicher  gestellt. 

Yacanz  nach  Ebn  Rahib,  Elmakin  und  Makrizi  14, 
richtiger  nicht  volle  4  Jahre. 

57.  Gabriel  I.,  Mönch  aus  dem  Dorotheoskloster,  sass 
l\  Jahre  (Mich.  Elm.  Makr.)  seit  Pachon  (626)  =  Mai  910; 
t  21.  Mechir  (637)  =  15.  Februar  921  (Abulb.  Ebnr.  Elm. 
Synax.). 

1)  Schon  im  Rab!*  II  800  He^.  =  November  912  unternahm  er 
einen  Handstreich  gegen  Alexandrien ,  das  vorübergehend  in  seine 
Hände  fiel  (Entychios  II  p.  602). 


510  VEEZEICHNISS 

58.  Eosmas  III.,   sass   12  Jahre  (Mich.    Elm.   Makr.), 
» t  3.  Phamenoth  (649)  =  27.  Februar  933.    Der  Amtsantritt 

dieses  Patriarchen  wird  dadurch  annähernd  bestimmt^  dass 
ein  Schreiben  des  jakobitischen  Patriarchen  Joannes  IV.  an 
Eosmas  IIL^  anscheinend  die  Antwort  auf  die  Notificirung 
seiner  Ordination^  erhalten  ist:  dieser  Joannes  starb  aber 
Sonnabend  30.  November  922  (vgl.  Le  Quien  II  p.  1376). 

59.  Makarios  I.  von  Shebra  (Chebra-Eebala  Sev.  Sei- 
obre  Abulb.  Sebrä  Synax.)  im  Bezirke  el-Rif,  Mönch  des 
Makariosklosters  im  Thale  Habib,  ord.  Pharmuthi  649  DiocI. 
(Mich.  Abulb.)  =  April  933,  sass  20  Jahre^  f  2^*  Phamenoth 
(Mich.  Ebnr.  laut  Rechnung,  Synax.)  669  Diocl.  (Mich.  Abulb.) 
=  20.  März  953.  Der  2.  Tybi,  den  Ebn  Rahib  im  Texte  als 
seinen  Todestag  nennt^  erklärt  sich  aus  dem  Synaxar,  welches 
den  1.  Tybi  als  seinen  zweiten  Gedenktag  aufführt 

60.  Theophanios  von  Alexandrien,  seit  25.  Payni  669 
Diocl.  (nach  Anleitung  des  Abulb.,  der  den  24.  Payni  zum 
Todestage  des  Makarios  statt  zum  Endtage  der  Yacanz  macht) 
=>  Sonntag  19.  Juni  953;  sass  nach  Michael  4  Jahre  (aus 
der  falschen  Angabe  4  Jahre  6  Monate  bei  Elm.  und  Makr. 
lässt  sich  die  Zahl  der  Monate  entnehmen);  ermordet  10.  Choiak 
(673)  (Mich.  Ebnr.  Elm.  Synax)  =  6.  December  956,  oder 
3.  Choiak  (nach  Anleitung  des  Abulberekät,  der  diesen  Tag 
in  Folge  einer  Verschiebung  zum  Todestage  des  Menas  II.  ge- 
macht hat). 

61.  Menas  n.  von  Sendala  (Sev.)  oder  aus  dem  östlichen 
Sodla  (Abulb.)^  Mönch  in  dem  Makarioskloster  im  Thale 
Habib,  ord.  673  Diocl.  (Mich.)  =  956  n.  Ch.,  sass  18  Jahre 
(Mich.),  t  15.  Athyr  (691)  (Ebnr.  Elm.  Synax.)  =  11.  No- 
vember 974. 

Yacanz  1  Jahr  (Ebnr.    Elm.    Makr.). 

62.  Ephraim  ben  Zor'a,  der  Syrer  (Mich.  Elm.  Makr. 
Ebnr.  Mari  Ephrem  Abulb.)  oder  Abraham  (Peiresc.  Bern. 
Synax.),  ord.  (21.  Thoth  692  =  Sonntag  19.  September  975), 
nach  Michael  und  Ebn  Rahib  unter  Mu'izz  (f  23.  November 
975),  sass  3  Jahre  75  Tage  (Ebn  Rahib,  der  aber,  das  1  Jahr 
Yacanz  zu  buchstäblich  nehmend,   vom   16.  Athyr  692  bis 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  511 

30.  Tybi  695  Diocl.  berechnet  hat),  f  6.  Choiak  (695)  (Abulb. 
Synax.)  «==  2.  December  978. 

Yacanz  y^  Jahr  (Elm.    Makr.). 

63.  Philotheos  oder  Theophilos  (Mich.  Synax.),  Mönch 
im  Makarioskloster,  seit  2.  Pharrauthi  (695)  (Ebnr.  Elm.) 
«=  Freitag  28.  März  979,  sass  24  Jahre  7  Monate  16  Tage 
(Ebnr.),  f  12.  Athyr  (720)  (Abulb.  Ebnr.  laut  Rechnung, 
Synax.)  =  9.  November  1003,  oder  2.  Athyr  (Mich.  Ebnr. 
im  berichtigten  Texte). 

Vacanz  67  Tage  (Ebnr.). 

64.  Zacharias  von  Alexandrien,  Presbyter  der  Michaels- 
kirche, ord.  Sonntag  (Elm.)  20.  Tybi  720  Diocl.  (Ebnr.  Abulb. 
Elm.)  oder  393  der  Kharägjahre  (Elm.  Makr.)  =  Sonntag 
16.  Januar  1004,  sass  28  Jahre,  nämlich  7  vor,  9  während 
und  12  nach  der  Christenverfolgung  des  Hakem  (1011 — 1021) 
(Mich.),  t  Dienstag  8.  Tybi  748  Diocl.  (Ebnr.  Elm.)  = 
4.  Januar  1032.  Der  3.  Athyr,  den  Abulberekät  als  Todestag 
nennt,  erklärt  sich  aus  dem  Synaxar,  das  am  13.  Athyr 
Zacharias'  Errettung  aus  der  Lowengrube  anmerkt.  Die  üb- 
liche Synodika,  welche  Zacharias  bei  seinem  Antritt  an  den 
jakobitischen  Patriarchen  von  Antiochien  Joannes  YIII. 
schickte,  ist  sammt  der  Antwort  noch  erhalten  (Le  Quien  II 
p.  1380).  Dieser  wurde  zwar  erst  nach  Zacharias,  nämlich 
Sonntag,  den  9.  Juli  1004,  ordinirt,  aber  Zacharias  konnte 
sie  erst  an  ihn  richten,  da  zur  Zeit  seiner  Ordination  die 
Kirche  von  Antiochien  vacant  war. 

Vacanz  74  Tage  (Ebnr.    Elm.    Makr.). 

65.  Sanythios  II.  (Mich.  Ebnr.  Elm.  Makr.)  oder  Xe- 
nodios  (Peiresc.)  oder  Schenüda  (Abulb.  Bern.)  von  Tenaua 
(Abulb.)  oder  Lebana  Adi  (Mich.),  Mönch  des  Makarios- 
klosters,  ord.  Sonntag  23.  Phamenoth  (Ebnr.  Makr.)  421 
Kharäg  oder  748  Diocl.  (Mich.  Ebnr.)  =  19.  März  1032 
n.  Gh.,  sass  14  Jahre  225  Tage  (Ebnr.),  f  Mittwoch  2.  Athyr 
733,  schreibe  763  «-  29.  October  1046. 

Vacanz  1  Jahr  5  Monate  (Elm.    Makr.). 

66.  Ghristodulos,  [sgofiovaxog  im  Kloster  des  Primos 
im  Thale  Habib,  gewählt  im  Choiak  764  Diocl.  (Elm.)  = 


512  VERZEICHNISS 

December  1047;  ord.  Palmensonntag  (];iach  Aoleitung  von 
Elmakin,  der  in  Folge  einer  Verwechselung  den>  Palmen- 
sonntag als  Variante  für  den  Ordinationstag  des  Eyrillos 
anführt),  1.  Pharmuthi  (Ebnr.)  439  Heg.  (Makr.),  d.  i.  764 
Diocl.  =  27.  März  1048^  sass  30  Jahre  (Manh.  Eim.  Makr.), 
verlegte  den  Sitz  des  Patriarchats  von  Alexandrien  nach 
Kahira  (Ebnr.  p.  136.  Vansleb,  Histoire  de  T^glise  d^Ale- 
xandrie^  p.  11)  und  f  Sonntag  (Ebnr.),  14.  Choiak  794  Diocl. 
(Manh.  Elm.)  —  10.  December  1077.  ManhCib  und  Elmakin 
machen  diesen  Tag  zu  einem  Sonnabend.  Dass  aber  der 
Tod  des  Christodulos  darum  nicht  in  das  Jahr  1076  zurück- 
geschoben werden  darf,  auf  welches  jener  Charakterismus  passen 
würde,  geht  daraus  hervor,  dass  die  übliche  Synodika  des 
Dionysios  V.,  jakobitischen  Patriarchen  von  Antiochien,  nach 
seinem  Amtsantritte  Freitag  vor  Palmarum  1388  Sei.  »= 
7.  April  1077  an  Christodulos  gerichtet,  da  dieser  aber  in- 
zwischen gestorben  war  795  Diocl.  (1028/1029),  von  seinem 
Nachfolger  Eyrillos  II.  in  Empfang  genommen  ward  (Manhüb 
bei  Benaudot  p.  451).  Gegen  das  zuletzt  genannte  Jahr 
spricht  zwar  nicht  der  von  Le  Quien  II  p.  1380  geltend  ge- 
machte Umstand,  dass  Dionysios  es  nicht  erlebt  habe  —  er 
scheint  vielmehr  erst  um  den  October  1078  gestorben  zu 
sein  — ,  wohl  aber  die  durch  nichts  motivirte  lange  Frist 
zwischen  der  Absendung  des  Schreibens,  zu  deren  Zeit 
Christodulos'  Tod  dem  Dionysios  noch  nicht  bekannt  war, 
und  der  Entgegennahme  durch  Eyrillos:  dieses  Bedenken  ist 
aber  für  unseren  Zweck  gleichgiltig. 

Vacanz  72  Tage  (Elm.    Makr.). 

67.  Eyrillos  11.  (vorher  Georgios  von  Aflake^  einem 
Dorfe  diesseits  von  Eairo,  Mönch  im  Eloster  Abu  Eema), 
gewählt  27.  Mechir  794  Diocl.  (Ebnr.  Elm.)  =  21.  Februar 
1078,  ordinirt  22.  Phamenoth  794  (Manh.  Elm.)  =  Sonntag 
13.  März  1078,  sass,  vom  Wahltage  an  gerechnet,  14  Jahre 
3  Monate  15  Tage,  f  Sonntag  12.  Payni  808  Diocl.  (Manh. 
Ebnr.  laut  Rechnung,  Elm.  Synax.)  oder  481  der  Helälischen 
(vielmehr  der  Eharäg-)  Jahre  (Manh.)  =  6.  Juni  1092. 

Vacanz  124  Tage  (Ebnr.    Elm.    Makr.). 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  513 

68.  Michael  IV.  (Peiresc.  Manh.  Bern.  Ebnr.  Elm. 
Makr.  Synax.)  oder  Chail  (Abulb.)  von  Singär  im  Gebiete 
Nesterüh.  Mönch  in  einem  Kloster  unweit  seines  Heimath- 
ortes,  inthronisirt  12.  Phaophi  809  Diocl.  oder  482  Kharag 
oder  im  58.  Jahre  Mustazhirs  (nach  ägyptischer  Zählung) 
(Elm,  Manh.)  =  9.  October  1092,  sass  9  Jahre  8  Monate, 
t  Pfingstsonntag,  30.  Pachon  818  Diocl.  (Manh.  Ebnr.  Elm.) 
=»  25.  Mai  1102.  In  seinem  zehnten  Jahre  starb  der  Chalif 
Mosta'li  (3.  December  1101)  (Manh.). 

Vacanz  167  Tage  (Ebnr.). 

69.  Makarios  IL,  genannt  der  Rechtschaffene  (Synax.), 
Priester  an  der  Makarioskirche,  ord.  Sonntag,  13.  Athyr  819 
Diocl.  oder  496  Heg.  im  zweiten  Jahre  des  Ämir  (Elm.)  oder 
492  Kharäg  (Manh.  Makr.)  =  9.  November  1102,  sass  26 
Jahre  41  Tage  (Ebnr.  Elm.  Makr.),  f  Mittwoch,  23.  Choiak 
845  Diocl.  (Ebnr.  Elm.)  =  19.  December  1128.  Abschaffung 
der  Rechnung  nach  Khara^'ahren  im  fünften  Jahre  des  Ma- 
karios, 22.  August  1107.  Einnahme  von  Farama  durch 
Balduin  im  fünfzehnten  Jahre  des  Makarios,  834  Diocl. 
(1118  nach  Wilhelm  von  Tyros). 

Vacanz  2  Jahre  2  Monate  (Elm.  Makr.). 

70.  Gabriel  IL,  vorher  Abu  l-'alä  ^ä'id  ben  Tarik,  aus 
einer  vornehmen  Familie  zu  Kairo,  Diaconus  an  der  Sergios- 
kirche daselbst,  gewählt  Dienstag,  9.  Mechir  (Makr.)  847 
Diocl.  zu  Anfang  des  Hafiz  (Ebnr.)  oder  525  Heg.  (Makr.) 
«=»  3.  Februar  1131;  reg.  14  Jahre  2  Monate  (Abulb.  Bern.), 
t  Donnerstag  nach  (vielmehr  vor)  Palmarum,  10.  Pharmuthi 
861  DiocL  (Ebnr.)  oder  539  Heg.  (Manh.)  =  5.  April  1145 
n.  Ch. 

Vacanz  bis  zur  Wahl  3  Monate  (Ebnr.  Makr.),  bis  zur 
Ordination  über  (vielmehr  gegen)  4  Monate  (Manh.). 

71.  Michael  V.,  Ebn-Dakalti  (Abulb.  Ebnr.)  oder  ben 
el-Faqdüsi  (Makr.),  Mönch  des  Makariosklosters  in  der  Zelle 
Demschiri,  gewählt  Donnerstag,  11.  Epiphi  861  Diocl.  im 
fünfzehnten  Jahre,  des  Hafiz  (Ebnr.)  =  5.  Juli  1145,  ordinirt 
Sonntag,  5.  Mesori  861  Diocl.  (Abulb.  Manh.)  «=  29.  Juli 
1145,  sass  seit  der  Wahl  9  Monate  (Makr.  Ebnr.),  seit  der 

▼.  OvTsCHXiD,  Kleine  Schrifton.   U.  33 


514  VERZEICHNISS 

Ordination  8  Monate  4  Tage  (Abulb.),  f  Charfreitag  (Ebnr.), 
3.  Pharmuthi  862  DiocL  (Abulb.)  =  29.  März  1146. 

72.  Joannes  V.,  ben  Abulfath  (Peiresc.  Manh.  Abulb. 
Bern.  Ebnr.  Synax.)  oder  Jünus  Abu'lfotüh  (Makr.),  Mönch 
des  Johannesklosters  (in  der  Wüste  des  heiligen  Makarios 
Abulb.),  ord.  Sonntag,  2.  Nisi  862  Diocl.  (Manh.  Abulb.)  = 
25.  August  1146,  sass  19  Jahre  8  Monate  (Abulb.  Bern.), 
t  Freitag,  4.  Pachon  882  (Abulb.  Ebnr.)  oder  27.  Djomäda 
II  551,  schreibe  561  Heg.  (Makr.)  =  29.  April  1166. 

Vacanz  43  Tage  (Ebnr.  Makr.). 

73.  Markos  HI.  (eigentlich  Abü'l  fardai  ben  AbÜ9ä'ad) 
ebn  Zor'a  el-Surjäni,  ordinirt  Pfingstsonntag,  18.  Payni  882 
Diocl.  (Ebnr.)  =  12.  Juni  li66,  sass  22  Jahre  6  Monate 
25  Tage  (Ebnr.  Makr.),  f  Sonntag,  6.  Tybi  905  Diocl.  (Ebnr. 
Manh.)  =  1.  Januar  1189.  Das  Jahr  der  Ordination  des 
Markos  ist  dadurch  sichergestellt,  dass  Michael  I.,  welcher 
Dienstag,  18.  October  1166  zum  jakobitischen  Patriarchen 
von  Antiochia  ordinirt  wurde,  gleich  nach  seinem  Amts- 
antritte die  übliche  Synodika  an  diesen  Patriarchen  schickte 
(Le  Quien  II  p.  1389). 

Vacanz  27  Tage  (Ebnr.  Makr.)  oder  1  Monat  5  Tage 
(Manh.). 

74.  Joannes  VI.  (Manh.  Abulb.  Bern.  Ebnr.,  vielleicht 
auch  Synax.)  oder  Jünus  (Makr.),  vorher  Abu'l  megd  ben 
Abi'l  ^ala  Ebn  Abigalib,  ord.  Sonntag,  4.  Mechir  905  DiocL 
(Abulb.  Ebnr.)  oder  10.  Dha'lhiggah  584  Heg.  (Makr.)  = 
29.  Januar  1189  oder  11.  Mechir  905  Diocl.,  4  Jahre  vor 
Saladins  Tode  (f  4.  März  1193)  (Manh.),  sass  26  Jahre 
11  Monate  13  Tage  (Ebnr.  Makr.),  f  a™  Nachmittage  des 
Donnerstages  nach  Epiphanias,  11.  Tybi  932  Diocl.  (Ebnr. 
Abulb.,  vielleicht  auch  Synax.)  oder  16.  Ramadan  612  Heg. 
(Manh.)  =  8.  Januar  1216. 

Vacanz  19  Jahre  5  Monate  10  Tage  (Ebnr.  Makr.). 

75.  Ky  rill  OS  III.  (vorher  Däüd  ben  Jühannä  Ebn 
Laqlaq  el-Fajjümi),  von  Fajjüm,  ord.  Sonntag,  23.  Payni 
951  Diocl.  (Manh.  Ebnr.  im  Texte),  oder  29.  Ramadan  633, 
schreibe  632  Heg.  (Makr.)  =  17.  Juni  1235,  sass   7  Jahre 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  515 

9  Monate  und  (sehr,  weniger)  10  Tage  (Makr.),  f  Dienstag, 
14.  Phamenoth  959  Diocl.  (Ebnr.)  oder  17.  Ramadan  640 
Heg.  (Makr.)  =  10.  März  1243. 

Yacanz  7  Jahre  6  Monate  26  Tage  (Makr.). 

76.  Athanasios  III.,  Sohn  des  Priesters  AbiMmekarim 
ben  Eelil,  Erzpriester  an  der  Kirche  Mo^allaqa  zu  Kairo 
(Ebnr.),  ord.  Sonntag,  5.  Phaophi  967  (Ebnr.)  oder  4.  Reg;eb 
648  Heg.  (Makr.)  =  2.  October  1250,  sass  11  Jahre  1  Monat 
26  Tage  (Abulb.),  f  Sonntag,  3.  Moharrem  660  Heg.  (Makr.) 
oder  1.  Choiak  978  Diocl.  (Abulb.)  =  27.  November  1261. 

Vacanz  85,  sehr.  35  Tage  (Makr.). 

78.  Joannes  VI.,  Abusa'id  von  Sokare,  wird,  den  vor 
ihm  rechtmässig  gewählten  (77.)  Gabriel  verdrängend,  ordi- 
nirt  am  6.  Tybi  978  Diocl.  =  Sonntag,  1.  Januar  1262 
(Abulb.  bei  Benaudot),  nach  6  Jahren  9  Monaten  ab- 
gesetzt und 

79.  Gabriel  HL,  Schwestersohn  des  Bischofs  Petros 
von  Tamidi,  ordinirt  24.  Phaophi  985  Diocl.  =  Sonntag, 
21.  October  1268  (Abulb.  bei  Renaudot  p.  601);  dieser  wird 
trotz  seiner  später  fallenden  Amtszeit  in  der  Reihe  der 
Patriarchen  vor  Joannes  gezählt.    Er  sass  2  Jahre  2  Monate 

10  (sehr.  14)  Tage  und  wurde  abgesetzt  7.  Tybi  987  Diocl. 
=  2.  Januar  1271. 

80.  Joannes  VI.,  zum  zweiten  Male,  sass,  seine  erste 
und  zweite  Amtszeit  zusammengerechnet,  29  Jahre  (1  Monat) 
und  7  Tage  (so  Abulb.  lückenhaft,  die  29  Jahre  5  Monate 
im  cat.  Bern,  rühren  von  einem  Corrector  her)  und  starb 
27.  Pharmuthi  1009  Diocl.  =  22.  April  1293. 

81.  Theodos ios  U.,  ben  Zuäbel  [?]  al-Feringi  (der 
Franke),  ord.  10.  Epiphi  1010  Diocl.  =  Sonntag,  4.  Juli 
1294,  sass  6  Jahre  6  Monate  (Abulb.  und  cat.  Bern.,  ver- 
rechnet für  5  Jahre  6  Monate),  f  5.  Tybi  1016  Diocl.  = 
1.  Januar  1300. 

82.  Joannes  VII.,  ben  Ishäq  al-qaddis  von  Moniet- 
Kufis  (Abulb.  bei  Renaudot  p.  602),  ord.  14.  Mechir  1016 
Diocl.  =  9.  Februar  1300,  sass  20  Jahre  3  Monate  20  Tage, 
t  4.  Payni  1036  Diocl.  «=  29.  Mai  1320. 

33* 


516  VERZEICHNISS 

83.  Joannes  VIII.,  ord.  1.  Phaophi  1037  Diocl.  «=  Sonn- 
tag, 28.  September  1320^  sass  7  Jahre  7  Monate  22  Tage 
(so  Abulb.,  wahrscheinlich  verrechnet  für  6  Jahre  6  Monate 
22  Tage;  die  6  Jahre  5  Monate  in  cat.  Bern.  Bclieinen  eine^ 
das  verstümmelte  Datum  2.  Pharmiithi  voraussetzende  Cor- 
rectur  zu  sein),  f  2.  (sehr.  22.)  Pharmuthi  1043  Diocl.  =■ 
17.  April  1327. 

84.  Benjamin  IL,  von  Democrad,  ord.  15.  Pachon  1043 
Diocl.  =  Sonntag,  10.  Mai  1327,  sass  11  Jahre  (8  Monate) 

1  Tag  (so  Abulb.,  aus  cat.  Bern,  er^nzt),  f  11.  Tybi  1055 
Diocl.  =  6.  Januar  1339. 

85.  Petros  V.,  ord.  7.  Tybi  1056  Diocl.  ««  3.  Januar 
1340,  sass  8  Jahre  6  Monate  (so  richtig  cat.  Bern,  statt 
der  7  Monate  bei  Abulb.)  und  8  Tage,  f  14.  Epiphi  1064 
Diocl.  =  8.  Juli  1348. 

86.  Markos  IV.,  von  Keliüb  (ord.  Mesori  1064  Diocl. 
SS  August  1348),  sass  14  Jahre  6  Monate  (cat.  Bern.), 
t  6.  Mechir  1079  Diocl.  =  31.  Januar  1363, 

87.  Joannes  IX.,  von  Damaskos,  ord.  5.  Pachon  1079 
Diocl.  «=s  Sonntag,   30.  April   1363  (Abulb.),   sass  6  Jahre 

2  Monate  (cat.  Bern.)  bis  (Epiphi  1085  Diocl.)  «  Juli  1369. 

88.  Gabriel  IV.,  vorher  Abt  des  Klosters  Moharrak, 
ord.  (spätestens  Epiphi  1087  Diocl.)  =»  Juli  1371,  sass 
4  Jahre  3  Monate,  f  (spätestens  Athyr)  1092  Diocl.  (Patri- 
archenverzeichniss  Cod.  Arkb.  Vaticanus  nach  Le  Qnien  II 
p.  499)  —  November  1375. 

89.  Matthaios  L,  ord.  (spätestens  Athyr  1092  Diocl.) 
=  November  1375,  sass  3  (sehr.  33)  Jahre  3  Monate  (cat 
Bern.),  schrieb  783  Heg.  «==  1381  im  Auftrage  des  Gross- 
emirs an  David  IL  von  Abyssinien,  dass  er  die  Feindselig- 
keiten gegen  die  Moslems  einstellen  mochte  (Makrizi  bei 
Quatremere,  Memoires  sur  TEgypte  II  p.  276),  virard  im 
Dhu'lhiggah  791  Heg.  =  December  1389  verhaftet  und  um 
100000  Dirhems  gestraft  (Makrizi  ibid.  II  p.  257),  starb 
spätestens  Phamenoth  1125  Diocl.  =  März  1409  (nach  An- 
leitung von  Makrizi). 

90.  Gabriel  V.  (vorher  Raphael,  Schreiber  aus  Djizeh), 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  517 

eingesetzt  9.  Safer  821  Heg.  =  17.  März  1418  (Makrizi  ibid. 
II  p.  260).  Dies  ist  nicht  bloss  mit  cat.  Bern,  unvereinbar^ 
wo  seine  Amtszeit  auf  17  Jahre  10  Monate  bestimmt  wird, 
sondern  auch  mit  dem  Jahre  1127  Diocl.  =  1411,  in  wel- 
chem das  verbesserte  Bitualbuch  der  Sacramente  nach  den 
Abschriften  desselben  von  Gabriel  sanctionirt  worden  ist 
(Ilenaudot  p.  513.  611).  Das  Hegrajahr  zu  ändern  ist  un- 
thunlich,  weil  Makrizi  die  Sache  im  Verlaufe  anderer  Er- 
eignisse desselben  Jahres  erwähnt  un(L  weil  im  Jahre  812 
der  9.  Safer  dem  22.  Juni  entspricht,  die  Uebereinstimmung 
mit  cat.  Bern,  hinsichtlich  der  10  Monate  also  wegfällt. 
Man  wird  vielmehr  annehmen  müssen,  dass  das  Datum  von 
Makrizi  verschrieben  vorgefunden  und  in  dieser  Gestalt  auf 
muhammedanische  Zeitrechnung  reducirt  worden  ist:  etwa 
21.  Phamenoth  6910  der  alexandrinischen  Weltära  statt  6901 
=  1125  Diocl.  =  Sonntag,  17.  März  1409.  Gabriel  V.  starb 
2.  Rabia  I  830  Heg.  (Makrizi  ibid.  II  p.  263)  =  6.  Tybi 
1143  Diocl.  =  1.  Januar  1427. 

91.  Michael  VI.,  aus  dem  Kloster  Scharan  im  Bezirke 
Tora,  eingesetzt  13.  Djomäda  I  830  Heg.  «=  16.  Phamenoth 
1143  Diocl.  =  12.  März  1427,  abgesetzt  im  Regeb  830  Heg. 
=  Pacbon  1143  Diocl.  =  Mai  1427  (in  den  Verzeichnissen 
übergangen  und  nur  aus  Makrizi  ibid.  II  p.  264  bekannt). 

92.  Joannes  X.  (vorher  Abu'lfarag),  von  Maks  (Makrizi 
II  p.  264,  Fortsetzer  des  Abulb.),  eingesetzt  im  Pachon  1143 
Diocl.  =  Mai  1427  (nach  Anleitung  von  Makrizi),  sass  25 
Jahre  (cat.  Bern.).  Er  ordinirte  im  Epiphi  1154  =  Juli 
1438  den  Amba  Michael  zum  Metropoliten  von  Aethiopien 
(koptische  Ordinationsformel  beiLeQüiennp.654);  beschickte 
das  Florentinische  Concil  und  schrieb  einen  Brief  an  Papst 
Eugen  IV.  unter  dem  12.  September  6940  d.  W.  oder  1157 
Diocl.  oder  1440  n.  Ch.  (Acten  des  Concils  bei  Le  Quien  II 
p.  500>    Er  starb  (1168  Diocl.  =  1452). 

93.  Matthaios  IL,  aus  Sa'id  (Fortsetzer  des  Abulb., 
cat.  Bern.),  sass  13  Jahre  (c.  1169—1182  Diocl.  =  c.  1453— 
1466).  Er  war  am  24.  November  1766  n.  Alex.  =  1454  im 
Amte  (Datum  des  Cod.  Arab.  Vatic.  40  bei  Le  Quien  II  p.  501). 


518  VERZEICHNIS 

94.  Gabriel  VI.,  vorher  Abt  des  Westklosters  (Fort- 
setzer des  Abulb.  bei  Renaudot  p.  611),  sass  8  Jahre  1  Monat 
(c.  Payni  1183-Epiphi  1191  Diocl.  =  c.  Juni  1467 -Juli 
1475). 

95.  Michael  VII.,  Semeluti  (Fortsetzer  des  Abulb.  bei 
Renaudot  p.  611),  sass  1  Jahr  3  Monate  (c.  Mesori  1191 — 
Athjr  1193  Diocl.  =  August  1475  —  November  1476). 

96.  Jonas  III.,  Nekkädi  (so  nach  dem  Fortsetzer  des 
Abulb.  bei  Renaudoi^  p.  611,  Joannes  cat.  Bern.-,  fehlt  cat. 
Peiresc),  sass  3  Jahre -4  Monate  (c.  Choiak  1193  —  Phar- 
rauthi  1196  Diocl.  =  December  1476  — April  1480). 

97.  Joannes  XL  von  Mi9r,  sass  4  (sehr.  44)  Jahre 
(c.  1197  —  1241  Diocl.  =  1481  — 1525).  Der  Ausfall  der 
40  Jahre,  die  irgendwo  zwischen  Matthaios  II.  und  Gabriel  VII. 
fehlen,  hat  hier  die  meiste  paläographische  Wahrscheinlich- 
keit für  sich. 

98.  Gabriel  VII.,  Monschari  (Fortsetzer  des  Abulb.  bei 
Renaudot  p.  611),  sass  43  Jahre  (c.  1243  —  1285  Diocl.  = 
1526  — 1569).  Er  schickte  1557  seinen  Agenten  Abraham 
den  Syrer  nach  Rom  und  unterhandelte  1561  — 1563  mit 
einer  Gesandtschaft  des  Papstes  Pius  IV.,  zu  welcher  Zeit 
er  ein  Greis  genannt  wird  (Sollier  p.  102*). 

99.  Joannes  XIL,  von  Monfalüt,  sass  15  Jahre  4  Mo- 
nate (c.  Payni  1286  — Thoth  1302  Diocl.  =  Juni  1570  — 
September  1585).  Papst  Gregor  XlII.  (f  10.  April  1585) 
schrieb  einen  Brief  an  Joannes,  dessen  Antwort  sein  Nach- 
folger Sixtus  V.  in  Empfang  nahm  (Le  Quien  II  p.  503). 

100.  Gabriel  VIIL,  von  Kahira^  sass  17  Jahre  (1302— 
1319  Diocl.  =  1585— 1602).  Er  schrieb  unter  dem  16.  Athyr 
1310  Diocl.  =  22.  November  1593  an  Papst  Clemens  VIIL 
und  Hess  durch  seinen  Botschafter  Barsos,  Archidiaconus  der 
Patriarchenkirche  zum  heiligen  Markos,  am  15.  Januar  1595 
in  Rom  ein  dem  Papste  genehmes  Glaubensbekenntniss  unter- 
zeichnen (Le  Quien  II  p.  505).  Mit  ihm  schliesst  nach  Dill- 
mann die  in  das  Buch  von  Aium  (Cod.  Bodlej.  Aethiop. 
XXVI  fol.  96  ff.)  aufgenommene  Liste,  die  offenbar  aus  der- 
selben Zeit   stammt  wie   das  zunächst  vorhergehende  Stück, 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  519 

eine   Chronik   der   Konige   von   Abyssinien   bis    auf  Sartza 
Dengel  (f  Ende  August  1597). 

101.  Markos  V.,  Beijädi  (Fortsetzer  des  Abulb.),  von 
Bajadi  (Bern.),  ordinirt  15.  Thoth  1319  Diocl.  =  Sonntag, 
22.  September  1602  (Fortsetzer  des  Abulb.),  sass  16  Jahre 
(Bern.),  f  30.  Tybi  1334  Diocl.  =  4  Februar  1618  (Forir 
Setzer  des  Abulb.).  Im  Jahre  der  Ankunft  des  Minoriten 
Bucberius  in  Aegjpten  (5.  August  1610),  also  Herbst  1327 
Diocl.^  wurde  nach  dessen  eigenem  Berichte  (bei  Le  Quien  II 
p.  507)  der  Patriarch  Antonios  ab-  und  Joannes  von  S.  Ma- 
kariös  eingesetzt.  Da  unsere  zwei  Hauptquellen  sowohl  unter 
sich,  als  mit  den  Zeitangaben  über  die  vorhergehenden  und 
die  folgenden  Patriarchen  völlig  im  Einklang  sind,  so  ist  es 
ungerechtfertigt,  sie  jener  vereinzelten  Angabe  wegen  hier 
zu  verlassen:  wenn  nicht  irgend  eine  Verwechselung  des 
Reisenden  vorliegt  (indem  er  z.  B.  Bischöfe  von  Mifr  für 
Patriarchen  hielt),  so  müssen  es  Gegenpatriarchen  gewesen 
sein,  welche  die  Amtszeit  des  rechtmässigen  Markos  V. 
unterbrachen  und  daher  in  den  Listen  übergangen  worden  sind. 

102.  Joannes  XIU.  Melawani  (Fortsetzer  des  Abulb. 
Bern.),  sass  9  Jahre  (c.  1335—1344  Diocl.  =  1619—1628). 

103.  Matthaios  IH.  (so  richtig  Peiresc.  Bern.)  Toukhi 
(Forts,  d.  Abulb.),  sass  16  Jahre  (c.  1345—1361  Diocl.  = 
1629—1645).  Er  sass  im  Jahre  1633,  bis  zu  welchem  das 
Yerzeichniss  des  Peirescius  reicht,  und  schrieb  1637  an  Papst 
ürban  VIU.  (Le  Quien  II  p.  508). 

104.  Markos  VI.  von  Bahjür,  aus  dem  Kloster  des 
heiligen  Antonius  (Forts,  d.  Abulb.  Bern.),  ord.  17.  Phar- 
muthi  1362  Diocl.  =  Sonntag,  22.  April  1646  (Forts,  d. 
Abulb.),  sass  11  Jahre  (Bern.),  f  (1773  Diocl.  =  1657). 

105.  Matthaios  IV.  von  Mi^r,  aus  dem  Marienkloster 
in  der  Eremos  (Forts,  d.  Abulb.  bei  Renaudot  p.  612),  ord. 
Athyr  1377  Diocl.  =  November  1660  (Forts,  d.  Abulb.),  sass 
14  Jahre  (Bern.)  f  (1391  Diocl.  =  1675).  unter  ihm  war 
Vansleb  1389  Diocl.  =  1673  in  Kairo. 

106.  Joannes  XIV.  el-Toukhi  (Bern.),  war  am  11.  April 
1706  =  5.  Pharmuthi  1422  Diocl.,  wo  Du  Bernat  schrieb. 


520  VERZEICHNISS 

30  Jahre  10  Monate  im  Amte  (bei  Sollier  p.  104*)  und  sass 
43  Jahre  2  Monate  (Brief  an  Le  Quien  aus  Eahira  vom  Jahre 
1730  bei  Le  Quien  II  p.  511),  also  ordinirt  im  Pachon  1391 
Diocl.  =  Mai  1675;  er  bereitete  1703  unter  grossen  Feier- 
lichkeiten Chrisma  (Sollier  p.  104*)  und  empfing  1706  den 
Maroniten  Gabriel  Eva,  Abt  von  S.  Maura  auf  dem  Libanon 
(Assemani  Bibl.  or.  I  praef.  §  VII);  er  starb  im  Juni  1718 
=  Payni  1434  Diocl.  (Le  Quien  II  p.  511). 

107.  Petros  VI  cl- Sinti,  ord.  20.  (sehr.  21.)  August 
1718  c=s  Sonntag,  17.  Mesori  1434  Diocl.,  sass  7  Jahre 
6  Monate  14  Tage,  f  4.  März  1726  =  27.  Mechir  1442  Diocl. 

Vacanz  1726—1727. 

108.  Joannes  XV.  el  Mellawi,  ord.  16.  Februar  1727 
=»  Sonntag,  11.  Mechir  1443  Diocl.,  sass  noch  im  Jahre  1730 
=  1446  Diocl.  (Le  Quien  II  p.  512). 

Die  Titnlarpatriarchen  der  Lateiner. 

Vgl.  die  unkritische  Liste  aus  Simonius,  Lexicon  bibli- 
cum,  Lyon  1703  bei  Sollier  p.  *105.  Le  Quien  Or.  Christ.  III 
(Paris  1740),  1141 — 1146.  —  Die  Ursprünge  des  alexandri- 
nischen  Patriarchats  lateinischen  Ritus'  sind  dunkel,  und 
Le  Quien  III  p.  1143  betrachtet  den  Aegidius  aus  dem  Jahre 
1310  als  den  ersten  gesicherten  Namen  der  Reihe.  Ueber 
den  ältesten  bekannten  Patriarchen  Athanasius  von  Clermont 
drückt  er  sich  so  eigenthümlich  aus,  dass  es  fast  scheint, 
als  halte  er  ihn  für  eine  Erdichtung  gewisser  Geschichts- 
schreiber des  Karmeliterordens.  Inwieweit  dieser  Verdacht 
begründet  ist,  weiss  ich  nicht;  allein  wir  haben  eine  andere 
hinlänglich  gesicherte  Hindeutung  auf  das  lateinische  Patri- 
archat aus  derselben  Zeit,  die  uns  zugleich,  wie  ich  meine, 
den  gewünschten  Aufschluss  über  dessen  Entstehung  giebt. 
Albericus  Trium  fontium  erzählt  nämlich  unter  dem  Jahr  1205, 
am  Johannisfeste  dieses  Jahres  sei  unter  den  Händen  des 
ehrwürdigen  Jonas,  eines  Patriarchen  surianischen  (d.  i.  mono- 
physitischen)  Ritus'  Un  civiiate  Susis,  m  partibus  Asiae  maioris 
versus  Mesopotamiam  et  Armetiiam\  ein  Wunder  zu  Gunsten 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  521 

des  lateinisclien  Abendmahlsritus  geschehen^  in  Folge  dessen 
sich  mehrere  surianische  Kirchen  ^  nämlich  die  Armenier^ 
Georgier,  Sabieni  (wohl  verschrieben  für  A4)es8inier),  Nubier 
mid  Jakobiten  (worunter  die  koptischen  vorzugsweise  ge- 
meint sein  müssen),  mehr  und  mehr  zum  romisch-katholischen 
Ritus  bekehrt  hatten  {^ad  consuetudinem  sanctae  caiholicae  et 
Romanae  ecclesiae  de  die  in  diem  per  hoc  miraculum  coeperunt 
converii^)]  jener  Jonas  aber  habe  dem  grossen  römischen 
Concil  (dem  Lateranischen  um  1215)  beigewohnt  und  sei 
nachher  zum  alexandrinischen  Patriarchen  befordert  worden. 
Le  Quien  II  p.  489  hat  diesen  Jonas  mit  dem  Jakobiten- 
Patriarchen  von  Alexandrien  Jonas  11.  identificirt,  was  schon 
darum  unmöglich  ist,  weil  dieser  bereits  1189  Patriarch 
wurde  und  1216  starb.  Unter  Susa  kann  nach  den  hinzu- 
gefügten geographischen  Bestimmungen  nur  Sis,  die  Haupt- 
stadt des  armenischen  Reiches  in  Eilikien  gemeint  sein,  und 
wirklich  war  von  1202— 1219  Joannes  VIT.  von  Sis,  genannt 
der  Erhabene,  Patriarch  (eigentlich  nur  Katholikos)  der  Ar- 
menier (vgl.  Mick  Ghamieh,  History  of  Armenia  II  p.  222. 
225).  An  der  Identität  Beider  ist  um  so  weniger  zu  zweifeln, 
da  die  Namen  Jonas  und  Joannes  auch  sonst  wechseln 
(Le  Quien  II  p.  1392),  und  die  armenische  Kirche  jener  Zeit 
in  Folge  der  politischen  Verbindungen  mit  den  Kreuzfahrern 
wenigstens  dem  Scheine  nach  die  Suprematie  des  Papstes 
anerkannt  und  sich  in  mehreren  Punkten  dem  lateinischen 
Ritus  anbequemt  hatte:  auf  diese  Bedingungen  hin  hatte  der 
damalige  Herrscher  Leo  II.  aus  den  Händen  des  Papstes  die 
Konigskrone  erhalten  (vgl.  Le  Quien  I  p.  1402.  Ghamieh  H 
p.  216).  Da  Joannes  YII.  1219  starb,  so  kann  er  mit  keinem 
gleichzeitigen  Patriarchen  von  Alexandrien,  weder  dem  mel- 
chitischen  noch  dem  jakobitischen,  identificirt  werden;  seine 
von  Albericus  angegebene  Beförderung  kann  sich  ebenso- 
wenig auf  das  armenische  Zweigpatriarchat  oder  richtiger 
Episkopat  in  Aegypten  beziehen,  selbst  wenn  dieses  damals 
noch  bestanden  haben  sollte^),  da  die  Annahme  desselben 

1)  Er  ist  UDS  nur  darch  die  Fatriarchengeschichte  bekannt,  in 
der  folgende  Namen  genannt  Werden:  Gregorios  L,  ein  Nachkomme 


522  VEBZEICHNISS 

seitens  des  Katholikos  von  Sis  ein  Herabsteigen ,  keine  Be- 
förderung gewesen  wäre:  folglich  kann  es  sich  nur  um  eine 
Tom  Papste  yolkogene  Erhebung  des  Jonas  zum  Titular- 
Patriarchen  von  Alexaudrien  lateinischen  Ritus'  handeln^  wie 
schon  Sollier  p.  85*  ganz  richtig  mitgetheilt  hat  Die  Ana- 
logie der  übrigen  lateinischen  Titularpatriarchate  im  Orient 
weist  fast  mit  Noth wendigkeit  darauf  hin,  dass  auch  den 
alexandrinischen  ursprünglich  wo  nicht  eine  reale  Basis,  doch 
wenigstens  die  bestimmte  Aussicht  auf  eine  solche  zu  Grunde 
gelegen  hat.  Im  Schoosse  der  jakobitischen  Kirche  Aegyptens 
hatte  sich  einige  Zeit  vorher  eine  Reformbewegung  ein- 
gestellt, die  bewusst  oder  unbewusst  auf  eine  Annäherung 
an  die  katholische  Eirche  hinauslief:  im  Jahre  890  Diocl. 
=s  1174  unter  dem  Patriarchate  des  Markos  III.  trat  Markos 
ebn  el- Eonbari  mit  seiner  abweichenden  Lehre  von  der 
Beichte  auf,  musste  aber  schliesslich  aus  der  jakobitischen 
Eirche  ausscheiden  und  ging  zu  den  Melchiten  über  (Patri- 
archengesch.  bei  Renaudot  p.  550  ff.).  Das  Fehlschlagen  der 
Bestrebungen  des  Markos  muss  mit  der  Trennung  der  Jako- 
biten  von  der  katholischen  Kirche  gemeint  sein,  welche  die 
Acten  des  Concils  von  Florenz  (bei  Sollier  p.  86*)  erwähnen 
und  in  das  Jahr  900  Diocl.  =  1184  setzen.  Der  von  ihm 
eingeschlagenen  Richtung  fehlte  es  aber  auch  nachher  nicht 
an  Vertretern  in  den  höchsten  Ereisen  der  jakobitischen 
Eirche.  Beim  Begräbnisse  des  Patriarchen  Jonas  II.  im 
Jahre  1216  war  keiner  seiner  Bischöfe,  sondern  nur  der 
Bischof  oder  Patriarch  der  Melchiten  anwesend,  ein  Umstand, 
den  Renaudot  p.  567  sehr  auffällig  gefunden  hat:  er  ist  es 
in  der  That  ebenso  sehr  von  seiner  negativen,  wie  von  seiner 

Sennacheribs  (also  aus  dem  Eönigsgeschlecbte  von  Vasparakan), 
SchweBtersohn  des  regierenden  armenischen  Patriarchen  (d.  i.  Gre- 
gorioB  Vikajaser,  Patr.  1065  — 1104),  kam  zwischen  1086  — 1088  nach 
Aegypten  (Renaudot  p.  460  £f.)  und  lebte  dort  noch  1117  (ib.  p.  491  f.). 
—  Gregorios  IL,  Verwandter  des  armenischen  Königshauses,  d.  h.  der 
Kubeniden,  Bruder  des  ägyptischen  Vezirs  Behräm,  kam  1185  nach 
Aegypten  und  starb  dort  (ib.  p.  505).  —  Ananias,  in  Aegypten  zu 
seinem  Nachfolger  ordinirt,  erschlagen  1187  (ib.  p.  607).  —  Ein  un- 
genannter Bischof  von  Atfija,  in  Aegypten  ordinirt  1187  (ib.  p.  507). 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  523 

positiven  Seite:  Melchitenpatriarch  war  aber  damals  jener 
Nikolaos  L,  der  durch  seine  intimen  Beziehungen  zu  den 
Päpsten  bekannt  ist.  Fügt  man  zu  dieser  Thatsaehe  noch 
hinzu,  dass  die  Erhebung  des  Jonas  zwischen  1215—1219 
erfolgt  ist,  also  mit  dem  Beginn  der  laugen  Yacanz  des 
Jakobitenpatriarchats  zusammenfallt,  so  liegt  die  Yer- 
muthung  nahe,  dass  der  Papst  an  das  Letztere  anknüpfte 
und  nach  1216  den  Versuch  machte,  der  monophysitischen 
Kirche  Aegyptens  in  der  Person  eines  unirten  Armeniers 
einen  Patriarchen  zu  geben  und  sie  durch  diesen  der  Curie 
zu  unterwerfen,  wie  dies  mit  der  armenischen  Kirche  bereits 
mit  Erfolg  unternommen  worden  war.  Durch  diese  Annahme 
würde  sich  auch  das  Bedenken  Le  Quiens  (III  p.  1143)  er- 
ledigen, wie  sich  die  Creirung  eines  lateinischen  Patriarchats 
mit  den  freundschaftlichen  Beziehungen  zwischen  den  Päpsten 
und  dem  damaligen  Melchitenpatriarchen  Nikolaos  I.  vertrage; 
denn  man  war  in  Folge  der  fast  siebenhundertjährigen 
Trennung  längst  gewohnt,  die  beiden  alexandrinischen  Patri- 
archen, nicht  jeden  einzeln  als  Haupt  der  ägyptischen  Christen- 
heit, sondern  nur  als  Patriarchen  der  betreffenden  Beligions- 
gemeinde  zu  betrachten.  Eine  passende  Gelegenheit,  jenen 
Plan  auszuführen,  und  ihm  den  nothigen  politischen  Rück- 
halt zu  sichern,  bot  die  Invasion  Aegyptens  durch  die  Franken 
und  die  Belagerung  von  Damiette  im  Juni  1218.  Im  folgenden 
Jahre  starb  Joannes  VIL,  und  in  demselben  erscheint  Atha- 
nasius  von  Clermont  zum  ersten  Male  als  Patriarch  latei- 
nischen Ritus',  ein  Zusammentreffen,  das  geeignet  sein  dürfte, 
die  Angaben  über  ihn  in  ein  besseres  Licht  zu  setzen:  die 
von  dem  Kreuzheere  in  Aegypten  gemachten  Erfahrungen 
mochten  die  Curie  belehrt  haben,  dass  sie  sich  hinsichtlich 
der  Stimmung  der  dortigen  Jakobiten  verrechnet  hatte;  sie 
wählte  deshalb  bei  der  Wiederbesetzung  der  erledigten  Stelle 
keinen  im  Schoosse  der  monophysitischen  Kirche  erzogenen 
Orientalen,  sondern  einen  geborenen  Lateiner  und  bezeichnete 
damit  unverhüllt  als  Zweck  des  Patriarchats  die  ägyptische 
Mission,  fdr  deren  Durchsetzung  die  Einnahme  Damiettes,  das 
zwei  Jahre  (1219 — 1221)  in  den  Händen  der  Franken  blieb, 


524  VEEZEICHNISS 

günstige  Chancen  zu  bieten  schien.  Als  inzwischen  die  lange 
Yacanz  des  Jakobitenpatriarchats  mit  der  Ordination  des 
Eyrillos  III.  1235  ihr  Ende  erreicht  hatte,  knüpfte  Gregor  IX. 
(t  1241)  mit  dem  neuen  Patriarchen  Verbindungen  an,  und 
dieser  ertheilte  den  an  ihn  geschickten  Predigermonchen  das 
trügerische  Versprechen,  er  wolle  zur  Eircheneinheit  zurück- 
kehren (Matthaeus  Parisius).  In  Folge  davon  mag  der  1237 
von  Kyrillos  widerrechtlich  ernannte  Metropolit  von  Jeru- 
salem durch  die  Franken  in  Schutz  genommen  worden  sein 
(Renaudot  p.  580).  Wahrscheinlich  um  diese  freundschaft- 
lichen Beziehungen  nicht  zu  stören,  sah  die  päpstliche  Curie 
nach  Athanasius'  Tode  von  einer  Wiederbesetzung  ihres 
alexandrinischen  Patriarchats  ab,  und  fast  möchte  man 
glauben,  dass  ihre  Propaganda  in  der  jakobitischen  Kirche 
sich  vorübergehend  eines  grossen  Erfolgs  erfreut  habe,  da 
der  Patriarch  Theodosios  II.  (1294  —  1300)  ein  Franke  ge- 
nannt  wird.  Papst  Clemens  V.  trug  sich  mit  neuen  Hoff- 
nungen einer  Union  der  Jakobiten,  über  die  Näheres  nicht 
bekannt  ist  (vgl.  SoUier  p.  85*).  Erst  als  die  Aussicht^  eine 
stehende  Eirchenprovinz  Aegypten  lateinischen  Ritus'  zu  ge- 
winnen, gänzlich  geschwunden  war,  scheint  die  Curie  den 
Namen  eines  alexandrinischen  Patriarchen  als  wohlfeiles  Ge- 
schenk für  titelsüchtige  Prälaten  wieder  hervorgesucht  und 
von  den  Zeiten  des  päpstlichen  Exils  in  Avignon  an  ohne 
Unterbrechung  vergeben  zu  haben. 

Die  Namen  der  Titularpatriarchen  aus  älterer  Zeit,  welche 
man  zur  Vermeidung  von  Verwechselungen  kennen  muss,  sind 
folgende: 

Jonas  oder  Joannes  I.  von  Bis,  nach  1215  ernannt,  f  1219. 

8.  Athanasius  von  Clermont,  1219.  1222. 

Fr.  Aegidius  aus  Ferrara,  ord.  Praedic,  ern.  1310. 

Oddo  de  Sala  aus  Pisa,  ord.  Praed.,  ern.  22.  Mai  1322, 
t  9.  November  1323. 

Joannes  IL,  Prinz  von  Aragon,  ern.  kurz  vor  14.  October 
1328,  t  19.  August  1334. 

Wilhelm  von  Chanac  aus  dem  Limousin,  ern.  1342, 
t  3.  Mai  1348. 


DER  PATRIARCHEN  VON  ALEXANDRIEN.  525 

Humberty  Dauphin  von  Viennois,  ord.  Praed.,  ern.  An- 
fang 1351,  t  22.  Mai  1355. 

Arnaldus  Bernardi  de  Montemajori,  ein  Franzose,  wird 
Cardinal  22.  September  1368  (f  1369). 

Joannes  IIL,  26.  Juli  1372.  i) 

Petrus  I.  Amelii  de  Brenaco  aus  dem  Narbonnais,  ord. 
Eremit.  S.  Augustini,  ern.  nach  3.  April  1393,  wo  er 
zuletzt  als  Patriarch  von  Grado  erwähnt  wird  (vgl. 
Ughellus,  Italia  sacra,  ed.  2.  Venedig  1720.  Tom.  V 
p.  1151),  t  gegen  1400. 

Petrus  II.  Alexander,  ern.  1400. 

Leonardus  Delfinus  aus  Venedig,  ern.  vor  27.  August 
1401. 

ügo  de  Robertis  de  Tripoli  aus  Reggio,  ern.  1402. 

Simon  de  Cremeaux,  ern.  1407  (vgl.  Sammarthanorum 
Gallia  christiana  I  p.  782). 

Petrus  III.  Aymericus  aus  Clermont,  am  20.  April  1405 
noch  als  Erzbischof  von  Bourges  erwähnt,  f  1409 
(vgl.  Sammarthanorum  Gallia  christiana  I  p.  183).'*') 


1)  Hier  schaltet  Simonius  einen  Segninua  I.  und  II.  ein,  die  Beide 
zugleich  Erzbischöfe  von  Tonrs  gewesen  sein  sollen.  Allein  es  ist  ein 
und  derselbe  Seguin  d*Authon  gemeint,  der  aber  Titnlarpatriarch  nicht 
von  Alexandrien,  sondern  von  Antiochien,  auch  nicht  Erzbischof  von 
Tours,  sondern  Administrator  perpetuus  ecclesiae  Turonensis  gewesen 
ist  und  als  solcher  gleichzeitig  mit  dem  Erzbischöfe  Guido  de  Boye 
(1382.  1386)  in  den  Jahren  1376.  1380  und  noch  1394.  1395  (in  welchem 
Jahre  er  zweimal  testirte)  genannt  wird.  Vgl.  Gallia  Christiana  cura 
fratrum  Sammarthanorum.   Paris  1666,  Tom.  I  p.  777  ff. 

*)  [Leider  habe  ich  diese  Abhandlung  nicht  im  Manuscript 
gelesen,  sondern  nur  successive  die  einzelnen  Druckbogen  durch- 
gesehen ,  zum  Theil  auf  dem  Lande.  In  Folge  dessen  ist  die 
Schreibung  der  orientalischen  Namen  ziemlich  ungleichförmig  ge- 
blieben. Die  ägyptischen  Ortsnamen  konnte  ich  nur  zum  kleinen 
Theil  verificiren;  so  auch  manche  Personennamen.    Th.  Nöldeke.] 


XIV. 

Recensionen  und  Anzeigen  zar  älteren  Kirchen  geschickte. 

1*) 

i877Zumpt,  A.  W.,  Das  Geburtsjahr  Christi.  Geschichtlich- 
chronologische  Untersuchungen.  Leipzig  1869.  Teubner. 
(XI,  306  S.   gr.  8«.)     2  Thlr. 

„Unser  Sinn  sträubt  sich  dagegen,  eine  Greuelthat,  wie 
es  die  Ermordung  der  Kinder  war,  als  geschichtliche  Thai- 
sache anzunehmen:  daher  kommen  die  Zweifel  so  vieler  Ge- 
lehrten. Dennoch  sind  die  Zeugnisse  unwiderleglich:  die 
jüdische  Geschichte  um  die  Zeit  von  Christi  Geburt  ist  voll 
von  Begebenheiten,  die  wir  uns  nur  schwer  als  möglich 
denken  können.  Es  bleibt  nichts  übrig  als  . . .  die  Geschicht- 
lichkeit von  Matthäus'  Berichte  anzuerkennen.^^  Obgleich 
diese  zusammenfassenden  Schlussworte  einer  Apologie  des 
Bethlehemitischen  Kindermordes  S.  229  zur  Kritik  dieses 
Buches  vollauf  genügen,  so  wird  es  doch  nothig,  auf  dessen 
Inhalt  näher  einzugehen,  da  sich  voraussichtlich  die  rabbini- 
sche  Exegese  auf  diese  Arbeit  eines  Nichttheologen  mit  ' 
Vorliebe  berufen  wird.  Mehr  als  dreihundert  Seiten  hat 
der  Verfasser  gebraucht,  um  schliesslich  genau  zu  denselben 
Resultaten  zu  kommen,  die  kurz  und  bündig  bereits  vor 
einigen  40  Jahren  Ideler  auseinandergesetzt  hatte.  In  einem 
einzigen  Punkte  weicht  er  von  Ideler  ab:  er  hat  es  möglich 
gemacht,  das  einzige  sichere  Datum  in  der  evangelischen 
Chronologie,  das  fünfzehnte  Jahr  des  Tiberius  als  Jahr  des 
Auftretens  Jesu,  wegzuinterpretiren.     Dies  sei  nothig,  weil 

*)  [Literarisches  Centralblatt  1869  S.  1877—1381.] 


ZÜMPT,  GEBURTSJAHR  CHRISTI.  527 

es  mit  drei  anderen  Zeugnissen  streite.  Erstens  mit  dem 
des  Tertulliao^  dass  Christus  am  25.  März  im  Jahre  des 
Consulats  der  beiden  Gemini  (29)  gekreuzigt  worden  sei: 
freilich  sei  der  Tag  gänzlich  unhaltbar^  aber  das  Jahr  müsse 
man  beibehalten,  das  Consulatsjahr  könne  nicht  durch 
Rechnung  gefunden ,  müsse  überliefert  sein:  ,,man  setze 
Mangel  an  allem  gesunden  Menschenverstände  voraus,  wenn 
ifian  annehmen  wollte,  die  Leute,  welche  an  Christi  Taufe 
in  Tiberius^  fünfzehntem  Regierungsjahre  glaubten,  hätten 
durch  irgend  eine  Berechnung  eben  dasselbe  Jahr  für  seinen 
Tod  gefunden/'  So  steht  S.  278,  und  daneben  auf  derselben 
Seite  die  kurze  Notiz,  es  sei  eine  weitverbreitete  Meinung 
der  Eirchenschriftsteller  gewesen,  dass  Christi  Lehramt  nur 
ein  Jahr  gedauert  habe.  Das  fünfzehnte  Jahr  des  Tiberius, 
nach  jüdischer  Weise  vom  1.  Nisan  28  gerechnet,  ist  eben 
der  ivtavTog  xvgiov  dsxrog^  und  nach  Ablauf  desselben  stirbt 
Jesus  am  15.  Nisan  29:  dieser  aber  fällt  in  das  Consulat  der 
Gemini  und  nach  römischer  Datirung  noch  in  das  fünfzehnte 
Jahr  des  Tiberius.  Weiter  ist  auf  derselben  Seite  zu  lesen, 
dass  jene  Ansicht  (von  der  der  Verfasser  nicht  weiss  oder 
nicht  wissen  will,  dass  sie  in  den  ersten  drei  Jahrhunderten 
der  Kirche  die  allein  herrschende  gewesen  ist)  auch  die  desl378 
Clemens  von  Alexandrien  ist:  Clemens  ist  aber  älter  als  ^ 
Tertnllian.  Und  doch  behauptet  der  Verfasser,  TertuUian 
stehe  unabhängig  da  und  sei  für  uns  Quelle  der  Ueber- 
lieferung  über  Christi  Todesjahr!  Zweitens  stimme  das 
fünfzehnte  Jahr  des  Tiberius  nicht  mit  dem  Johannes- 
evangelium, welches  beim  ersten  Passah  nach  Jesu  Auf- 
treten den  Tempel  46  Jahre  gebaut  sein  lässt.  Sehr 
richtig :  der  Tempelbau  begann  im  achtzehnten  Jahre  des 
Herodes,  Nisan  20/Nisan  19  v.  Ch.,  die  46  Jahre  liefen  also 
am  1.  Nisan  27  n.  Ch.  ab,  mithin  ist  nach  dieser  Rechnung 
Jesus  im  Jahre  vorher,  Nisan  26 /Nisan  27  aufgetreten, 
welches  nach  jüdischer  Rechnung  das  dreizehnte  des  Tiberius 
i.st.  Das  Johannesevangelium  hat  also  hier  genau  dieselbe 
Differenz  von  zwei  Jahren  in  Vergleich  zu  Lukas  3,  23,  wie 
in   der   angenommenen   dreijährigen   Wirksamkeit   Jesu   im 


528  EECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

Gegensatz  zu  der  einjährigen,  welche  die  älteste  Kirche  aus 
Lukas  4,  19  folgerte.  Da  der  Verfasser  des  vierten  Evan- 
geliums sich  gleichbleibt,  so  folgt,  dass  er  von  einer  jene 
herrschende  Auffassung  wiedergebenden  Tradition,  Jesus  sei 
im  Nisan  des  neunundvierzigsten  Jahres  des  Tempels  = 
29  n.  Gh.  gekreuzigt  worden,  ausgegangen  ist  und  von  dieser 
die  drei  Jahre  der  Lehre  zurückgerechnet  hat:  es  sollte  dies 
eine  Berichtigung  der  synoptischen  Evangelien  sein.  Der 
Widerspruch  ist  schlimm  für  das  Johannesevangelium ,  aber 
nicht  für  Lukas.  Drittens  soll  Lukas  sich  selbst  wider- 
sprechen, indem  er  Jesus  im  ftmfzehnten  Jahre  des  Tiberius 
'  ungeföhr  30  Jahre  alt  sein  und  doch  bei  Lebzeiten  des 
Herodes  oder,  wie  Herr  Zumpt  ausrechnet,  7  v.  Gh.  geboren 
werden  lässt.  Warum  die  ganz  unbestimmt  gehaltene 
Schätzung  m08l  iziSv  tQidxovta  mit  32  Jahren  vereinbar 
sein  soll,  mit  34  Jahren  aber  nicht,  ist  nicht  abzusehen. 
Aus  diesen  vermeintlichen  Schwierigkeiten  bilft  dem  Ver- 
fasser die  klägliche  Hypothese,  dass  Lukas  die  Jahre  des 
Tiberius  von  der  Uebernahme  der  proconsularischen  Gewalt 
im  Januar  12  gerechnet  habe.  Die  Selbstgenügsamkeit  des 
Verfassers  in  kritischen  Fragen  kennzeichnet  die  S.  283  ge- 
gebene Widerlegung  des  Einwandes,  dass  man  im  Alterthum 
keinen  anderen  Regierungsanfang  für  Tiberius  benutzt  hat, 
als  den  unmittelbar  nach  Augustua'  Tode:  „Man  kann  dies 
zugeben,  ohne  die  Folgerung,  dass  Lukas  nothwendigerweise 
von  Augustus'  Tode  an  gerechnet  haben  müsse,  als  richtig 
anzuerkennen.^'  Was  nun  die  Stelle  des  Lukas  über  Christi 
Geburt  und  die  Worte  avtr^  rj  anoyQcifpii  nQfozri  iyivBxo 
iiyeiiovsvovtog  r^g  IJvgiag  KvqIvov  betriflft,  so  wird  S.  188 
behauptet,  bei  der  Erklärung,  die  Schätzung  sei  die  erste 
gewesen,  welche  überhaupt  in  Judäa  gehalten  wurde,  lasse 
man  den  Evangelisten  unklar  sprechen,  und  viel  Staub  wird 
aufgewirbelt,  um  die  Verschiedenheit  dieser  Schätzung  von 
I379der  bekannten  des  Jahres  6  n.  Gh.  plausibel  zu  machen. 
S.  19ß  wird  sogar  ein  erheiternder  Beweis  dafür  aus  Jose- 
phos'  Berichte  über  Judas  den  Galiläer  abgeleitet:  „Quirinius' 
zweite  Schätzung  soll  nach  Josephus'  Schilderung  hart  gewesen 


ZUMPT,  GEBURTSJAHR  CHRISTI.  529 

sein  und  einen  Aufstand  der  Juden  verursacht  haben;  folg- 
lich war  die  erste,  mochte  sie  auch  an  sich  drückend  sein^ 
doch  milder  als  die  zweite/'  Natürlich  wird  weiter  yon  der 
Entdeckung  einer  früheren  Statthalterschaft  des  Quirinius, 
die  vom  Verfasser  zwar  mit  zum  Theil  falschen  Gründen 
bewiesen  wird,  die  aber  doch  nicht  zweifelhaft  ist,  Gapital 
gemacht.  Aber  Quirinias  war  in  den  Jahren  3  —  2  v.  Ch. 
Statthalter  von  Syrien,  während  Jesus  7  v.  Ch.  geboren  sein 
soll,  und  erstaunt  fragt  man,  was  denn  damit  für  Lukas 
gewonnen* sei?  Doch  der  Verfasser  weiss  auch  hier  Rath: 
das  von  Lukas  erwähnte  Gebot  des  Kaisers  Augustus,  sich 
schätzen  zu  lassen,  sei  bereits  im  Jahre  27  v.  Gh.  erlassen 
worden,  und  in  ähnlicher  Weise  bestehe  zwischen  der  Schätzung 
und  der  Geburt  Christi  nur  ein  Verhältniss  der  Veranlassung, 
nicht  der  Zeit.  „Hieraus  ergiebt  sich"  —  schliesst  er  S.  210 
—  ^die  HinßLUigkeit  des  Schlusses,  wenn  man  daraus,  dass 
Christus  zur  Zeit  der  Schätzung  geboren  worden  sein  soll 
und  diese  Schätzung  P.  Quirinius^  Statthalterschaft  zuge- 
schrieben wird,  folgert,  Christus  sei  unter  Quirinius'  Statt- 
halterschaft geboren.  Lukas,  der  diese  Verhältnisse  wohl 
kannte,  sagt  das  nicht,  und  daraus,  dass  er  es  nicht  sagt, 
darf  man  vermuthen,  dass  er  es  nicht  sagen  wollte,  dass 
eine  andere  Ausdrucksweise  ihm  zweckmässiger  erschien.  Er 
wollte  nicht  die  Zeit  der  Geburt  Christi  bestimmen,  sondern 
die  zu  jener  Zeit  gehaltene  Schätzung  näher  bezeichnen.^'  Ist 
das  Pietät,  wenn  man  die  eigene  Gewohnheit,  sich  verworren 
auszudrücken,  durch  exegetische  Gaukeleien  dem  Evangelisten 
andichtet?  Auf  diesem  Wege  kommt  der  Verfasser  glücklich 
zu  dem  Idelerschen  Resultate,  dass  Jesus  unter  Sentius  Satur- 
ninus  7  v.  Ch.  geboren  sei.  Dazu  muss  in  letzter  Instanz 
der  Stern  der  Magier  und  die  Wiederaufwärmung  des  Eep- 
lerschen  Einfalls  verhelfen,  dass  dieser  Stern  eine  Conjunction 
von  Jupiter  und  Saturn  im  Sternbilde  der  Fische  gewesen  sei. 
Bekanntlich  hatte  sich  auch  Ideler,  um  wenigstens  irgend  ein 
bestimmtes  Jahr  namhaft  machen  zu  können ,  jenen  nicht 
eben  sehr  kritischen  Ausweg  gefallen  lassen.  Neu  aber  und 
dem  Verfasser  durchaus  eigenthümlich  ist  die  chronologische 

T.  GuTBCHMiD,  Kleine  Schriften.  H.  34 


530  .         RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

Tüftelei  S.  804,  die  YoUig  sinnlos  sein  würde,  läge  ihr  nicht 
die  Voraussetzung  zu  Grunde,  dass  Jesus  an  keinem  anderen 
Tage,  als  am  25.  December  geboren  sein  könne.  Welche 
Tiefe  entweder  der  Gläubigkeit  oder  der  Unwissenheit!  In 
dem  endlosen  Gerede  des  Verfassers  über  die  Schätzung  beim 
Lukas  haben  wir  nur  ein  Goldkömchen  gefunden,  S.  181: 
„Wenn  er  sagt,  die  Schätzung  sei  geschehen  unter  Quirinius' 
Statth alter schafk,  so  ist  das  nicht  eine  blosse  Zeitbestimmung: 
sie  wäre  unzweckmässig,  wenn  Syriens  Statthalter  nichts  mit 
Judäa,  nichts  mit  seiner  Schätzung  zu  thun  geUabt  hätte, 
sondern  es  liegt  darin  die  Andeutung  einer  wesentlichen 
Theilnahme  des  Statthalters  an  derselben.^'  Ein  neuer  Be- 
weis dafür,  dass  Lukas  an.  keine  andere  Schätzung  als  die 
des  Jahres  6  n.  Ch.  gedacht  hat:  dem  Verfasser  freilich 
wird  jenes  richtige  Gefühl  nicht  ein  Mittel  zur  Erkenntniss 
des  wahren  Sachverhalts,  sondern  eine  Brücke,  um  auch  an 
anderen  Stellen  der  Evangelien  eine  Erwähnung  des  syri- 
schen Statthalters  zu  vermissen  und  S.  263  einen  Beweis 
a  silentio  anzutreten,  dass  Jesus  zu  einer  Zeit,  als  kein 
römischer  Statthalter  in  Syrien  gewesen,  gekreuzigt  worden 
sei,  also  zur  Zeit  des  in  Rom  residirenden  Aelius  Lamia 
und  vor  32.  Was  der  Verfasser  überhaupt  aus  den  Worten 
des  biblischen  Textes  heraus  und  in  diesen  hineinzulesen 
versteht,  streift  an  das  Unglaubliche:  die  Enthüllungen^  was 
alles  in  den  harmlosen  Worten  Lukas  3,  1  xal  jivöaviov  tfjg 
*j4ßiki]vrjg  TSXQaQxovvrog  liegen  soll  (S,  298)  lassen  auch  das 
Stärkste,  was  das  Seder  Olam  Rabba  in  diesem  Fache  ge- 
leistet hat,  hinter  sich. 

Man  erstaunt  über  den  grellen  Contrast  zwischen  dem 
Inhalte  des  Buches  und  dem  in  der  Widmung  vorangestellten 
löblichen  Grundsatze,  dass  bei  einer  solchen  Untersuchung 
die  volle  Freiheit,  wie  sie  die  Wissenschaft  fordert,  nur  durch 
I380die  Besonnenheit  der  Forschung  zu  beschränken  sei  (S.  VI), 
der  Klage,  dass  man  bei  der  Beurth eilung  den  geschicht- 
lichen Standpunkt  dem  dogmatischen  dienstbar  zu  machen 
gesucht  habe  (S.  14),  und  wiederholten  Aeussernngen  ähn- 
licher  Art.     Sieht   man  jedoch   näher   zu,    so   findet   man, 


ZÜMPT,  GEBURTSJAHR  CHRISTI.  531 

dass  dergleichen  auf  Strauss  gemüDzt  ist,  und  dass  der  Ver- 
fasser sein  Lieblings  wort  ,,  besonnen''  in  allen  den  Fällen 
verwendet^  wo  der  gewöhnliche  Sprachgebrauch  dafür  ,,un- 
kritiscV  sagt.  Im  Uebrigen  genüge  die  Bemerkung,  dass 
der  Verfasser^  der  nicht  Anmerkungen  genug  machen  kann, 
um  den  Gegensatz  seiner  „besonnenen^'  Forschungen  zu  den 
Mommsenschen  zu  constatiren,  dem  elenden  Machwerk  des 
Herrn  Gerlach  über  die  romischen  Statthalter  in  Syrien  und 
Judäa  das  Lob  spendet,  es  sei  „ein  Versuch,  die  Frage  auf 
das  Gebiet  der  rein  geschichtlichen  Forschung  zurückzuführen.'' 
Ein  Streben  nach  Gründlichkeit  und  Unparteilichkeit  ist  in 
dem  längsten  und  yerhältnissmässig  am  besten  gearbeiteten 
zweiten  Abschnitte  über  die  Schätzung  nicht  zu  verkennen, 
in  welchem  alle  möglichen  und  unmöglichen  Combinationen, 
mit  denen  man  eine  Schätzung  in  Judäa  bei  Lebzeiten  des 
Herodes  zu  rechtfertigen  gesucht  hat,  der  Reihe  nach  durch- 
genommen und  als  unhaltbar  dargethan  werden,  um  das  Feld 
für  seine  eigene,  freilich  ebensowenig  bewiesene,  Hypothese 
frei  zu  machen,  dass  die  Schätzung  nach  jüdischen  Grund- 
sätzen geschehen  sei  und  sich  auf  die  Kopfsteuer  bezogen 
habe.  Nur  Schade,  dass  dabei  das  Nächstliegende,  die  Vor- 
frage, ob  überhaupt  eine  solche  Schätzung  unter  Herodes 
stattgefunden  habe,  gar  nicht  erörtert  worden  ist.  Davon, 
dass  jeder  geschichtlichen,  ganz  besonders  jeder  chronologi- 
schen Untersuchung  die  Feststellung  des  Werthes  der  Quellen 
vorausgehen  muss,  hat  der  Verfasser  keine  Ahnung.  Hielt 
ihn  die  Pietät  vor  der  heiligen  Ueberlieferung  davon  zurück? 
Wir  haben  es  bisher  angenommen  und  hierin  eine  gewisse 
Entschuldigung  für  seine  vollendete  Kritiklosigkeit  gesehen. 
Blickt  man  jedoch  auf  andere  Seiten  seiner  Arbeit,  so  wird 
diese  Erklärung  sehr  problematisch.  Macrobius  hat  Sat.  II,  4 
Folgendes  aus  zwei  disparaten  Elementen  drollig  zusammen- 
geschweisste  Geschichtchen:  ^Cum  audissef  inter  pueros,  quos 
in  Syria  Herodes,  rex  ludaeorumy  inira  bimattim  iussit  inter- 
fici,  filium  quoque  eins  occisum,  ait:  melius  est  Herodis  per  cum 
esse  quam  filium,^  »Nur  dadurch"  —  erfahren  wir  S.  228  — 
^dass  man  Macrobius  unbegreifliche  Erdichtungen  aufbürdet, 

34* 


532  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

kann  man  die  von  Matthäus  anabhängige  Quelle^  aus  der  er 
schöpfte,  leugnen...  Dass  Herodes  nach  der  Sitte  orientali- 
scher Könige  ausser  den  uns  bekannten  Söhnen  noch  manche 
andere  hatte  und  einer  derselben  bei  der  allgemeinen  Er- 
mordung bethlehemitischer  Kinder  umkam,  ist  an  sich  nicht 
unwahrscheinlich."  Und  welche  Kindlichkeit  der  Auffassung 
prägt  sich  aus  in  dem  Grunde,  mit  dem  S.  151  die  Genauig- 
keit einer  unklaren  Notiz  Gassiodors  über  den  Augusteischen 
Census  bewiesen  werden  soll:  „weil  Cassiodor  alle  Wissen- 
schaften seiner  Zeit  umfasste  und  mit  besonderem  Eifer  die 
Geschichte  und  Alterthümer  seines  Volkes  trieb,  die  er  in 
den  Erlassen,  welche  er  im  Namen  des  Königs  Theodorich 
schrieb,  amtlich  verwendete!"  Nicht  genug.  S.  113  werden 
sogar  die  Censuslisten  Von  Servius  Tullius  an  gegen  Zweifler 
in  Schutz  genommen:  kurz,  überall  auch  auf  profanem  Gebiete 
dieselbe  Uokritik,  derselbe  Köhlerglaube  jeder  auch  noch  so 
schlechten  Ueberlieferung  gegenüber.  Und  die  absurde  Er- 
klärung, die  S.  182  von  den  Worten  contra  imbelles  regis 
copias  bei  Tac.  Ann.  VI,  41  gegeben  wird,  beweist,  dass  die 
Exegese  des  Verfassers  in  profanen  Texten  ebenso  Unglaub- 
liches zu  leisten  im  Stande  ist,  wie  da,  wo  es  gilt,  den 
Buchstaben  der  Evangelien  zu  retten. 

Dem  Inhalte  des  Buches  entspricht  die  Form.  Fast  die 
Hälfte  desselben  beschäftigt  sich  mit  Untersuchungen  über 
den  römischen  Census,  für  diese  eine  Bibelstelle  zum  Aus- 
gangspunkte nehmend,  die  im  günstigsten  Falle  Aufklärung 
von  jenen  Untersuchungen  erhalten  kann,  nicht  aber  um- 
gedreht: zum  eclatantesten  Beweise,  dass  auch  heute  die 
Philologie  noch  nicht  ganz  aufgehört  hat,  als  Magd  der 
Theologie  dienstwillig  die  Schleppe  zu  tragen.  Aber  jene 
iSSlUntersuchungen  allein  haben  das  Buch  nicht  so  dick  gemachi^ 
vielmehr  in  erster  Linie  eine  grenzenlose  Breite  und  zweck- 
lose Weitschweifigkeit,  die  der  Verfasser  für  Gründlichkeit 
zu  halten  scheint  Zum  Beispiel,  dass  Kappadokien  erst  17 
n.  Ob.  römisch  geworden  ist,  ist  eine  bekannte  Thatsache, 
die  noch  nie  Jemand  bestritten  hat:  trotzdem  verschwendet 
der  Verfasser  S.  56,  wo  er  apagogisch  beweisen  will,  dass 


ZÜMPT,  GEBÜETSJAHB  CHRISTI.  533 

nur  Syrien  die  Provinz  des  Quirinius  gewesen  sei,  eine  halbe 
Seite;  um  zu  zeigen ^  dass  er  nicht  Statthalter  von  Kappa- 
dokien  gewesen  sein  könne.  Die  Ansicht  einiger  Eirchen- 
yäter^  dass  zur  Zeit  Yon  Christi  Geburt  auf  der  ganzen  Welt 
Friede  geherrscht  habe,  wird  angeführt  und  als  unhistorische 
Erfindung  verworfen:  nachdem  dieses  Thema  auf  zwei  Seiten 
durchgesprochen  worden  und  der  Leser  zu  hoffen  anfangt, 
es  sei  nun  genag  leeres  Stroh  gedroschen,  wird  er  S.  234 
enttäuscht  durch  das  Aufwerfen  der  Frage,  ,,ob  nicht  trotz- 
dem um  die  wahrscheinliche  Zeit  der  Geburt  Christi  Friede 
im  romischen  Beiche  geherrscht  hat?'^  die  dann  auf  weiteren 
acht  Seiten  erörtert  wird.  Störender  noch  als  die  ermüdende 
Breite  und  zahlreiche  Wiederholungen  ist  das  Unvermögen 
des  Verfassers,  sich  klar  und  präcis  auszudrücken.  S.  26  und 
sonst  verbreitet  er  sich  wiederholt  und  mit  Wohlgefallen  über 
eine  Lücke,  die  gerade  um  Christi  Geburt  in  der  Geschichte 
des  Josephos  sei.  Entweder  ist  damit  nur  gesagt,  was  Jeder 
von  selbst  sieht,  dass  mit  dem  Ende  des  Jahres  4  v.  Ch. 
Josephos'  Nachrichten  von  grosser  Ausführlichkeit  zur  ausser- 
sten  Spärlichkeit  herabsinken:  dann  wird  eine  leere  Phrase 
breitgetreten,  die  nichts  erklärt;  oder  der  Ausdruck  ist  buch- 
stäblich zu  nehmen,  und  dann  ist  damit  eine  arge  Thorheit 
gesagt,  da  die  „Lücke''  sich  sowohl  in  den  Alterthümern  wie 
im  Jüdischen  Kriege  findet  Jene  Verschwommenheit  des 
Ausdrucks  hat  zur  Folge,  dass  der  Verfasser  nicht  selten 
trotz  seiner  demonstrirenden  Manier  gegen  die  Logik  zu 
Verstössen  scheint.  Oft,  wie  gesagt,  mag  dies  blosser  Schein 
sein;  es  bleiben  aber  genug  Stellen  übrig,  wo  mau  den  Ver- 
fasser von  dem  Vorwurfe  nicht  freisprechen  kann:  sich  in 
petitiones  principii  zu  bewegen  oder  sich  selbst  zu  wider- 
sprechen. Die  Beweise  sind  schon  in  den  oben  angeführten 
Beispielen  gegeben  worden,  zu  deren  Ergänzung  dieses  Eine 
genügen  möge:  S.  146  ist  der  ziemlich  unnöthige  Beweis 
geführt  worden,  dass  mit  olxov^avrj  bei  Lukas  das  römische 
Beich  gemeint  sei,  aber  schon  S.  150  wird  als  Grund  dafür, 
dass  eine  Notiz  Cassiodors  von  Lukas  unabhängig  sei,  gel- 
tend gemacht,  dass  Lukas  von  einer  Schätzung  der  bewohnten 


534  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

Erde,  Cassiodor  vom  römischen  Reiche  spreche.  Sollen  wir 
unser  Urtheil  zusammenfassen,  so  lautet  es  dahin ^  dass  das 
Buch  in  jeder  Beziehung  als  Muster  dienen  kann,  wie  man 
eine  chronologische  Untersuchung  nicht  fQhren  soll. 


2.*) 

279Lipsias,  Rieh.  Adalb.,  Die  edesseuische  Abgar-Sage 
kritisch  untersucht.  Braunschweig  1880.  Schwetschke 
und  Sohn.    (92  S.   gr.  8^)    M.  2,  40. 

Ein  weitverzweigter,  sehr  verschiedene  Elemente  in  sich 
aufnehmender  und  im  Laufe  seiner  Ausbildung  diese  Ele- 
mente in  mannigfachster  Yerschlingung  untereinander  auf- 
zeigender Sagenkreis  ist  es,  welchen  der  um  Aufhellung  der 
ältesten  christlichen  Legenden -Literatur  hochverdiente  Ver- 
fasser aus  Anlass  von  C.  A.  Hases  fünfzigjährigem  Professor- 
Jubiläum  kritisch  untersucht  hat:  die  Edesseuische  Abgar- 
Sage  und  die  mit  ihr  in  Verbindung  stehenden  Sagen. 
Die  Ergebnisse  seiner  umsichtigen,  durchweg  überzeugenden 
Prüfung  sind  die  folgenden.  Die  älteste  Legende  ist  die  von 
dem  Briefwechsel  zwischen  König  Abgar  üchama  und  Chri- 
stus,  und  die  mit  ihr  untrennbar  verbundene  von  der  Be- 
kehrung Abgars  durch  Addäus.  Am  vollständigsten  ist  sie 
erhalten  in  der  syrischen  Doctrina  Addaei,  am  ursprünglich- 
sten in  der  Eirchengeschichte  des  Eusebios,  der  aus  einer 
syrischen,  im  Edessenischen  Archive  aufbewahrten  Auf- 
zeichnung der  Legende  geschöpft  hat,  welche  letztere  nicht 
früher  ah  unter  dem  ersten  christlichen  Könige  Abgar  Se- 
verus  entstanden  sein  kann,  wahrscheinlich  aber  auch  nicht 
später,  da  das  Interesse,  die  ersten  Anfänge  des  Christen- 
thums  in  Edessa  an  die  Apostelzeit  anzuknüpfen,  natürlich 
alsbald  mit  der  Bekehrung  erwachen  musste  (S.  11).  Aber 
Eusebios  hat  jene  Aufzeichnung  direct  benutzt,  nicht  durch 

*)  [Literarisches  Centralblatt  1881  S.  279  -282.] 


LIPSIÜS,  DIE  EDESSENISCHE  ABGAK-SAGE.  535 

das  Medium  der  Docirina  Jdäaei.  Yielmehr  stellt  der  Text 
des  Briefes  in  der  Doctt^ina  eine  jüngere  Sagengestalt  dar: 
die  zuerst  in  einem  Briefe  des  Comes  Darius  an  Augustin 
(ep.  230)  bezeugte  Yerheissung  der  Uneinnehmbarkeit  der 
Stadt  Edessa  ist  hinzugetreten,  der  Schnellläufer  (tabellarius) 
ist  zu  einem  Archivar  (iabularius)  befördert^  die  schriftliche 
Antwort  Christi  aus  dogmatischen  Gründen  in  eine  münd- 
liche verwandelt  worden.  Zu  demselben  Resultate  führt  eine 
Yergleichung  der  Bekehrungsgeschichte,  die  von  Eusebios  nur 
auszugsweise  mitgetheilt  worden  ist,  mit  den  entsprechenden 
Abschnitten  der  JDoctrina  Addaei.  Was  diese  Eigenes  hat, 
sind  spätere  Erweiterungen  der  ursprünglichen  Legende:  die 
Sage  von  der  Mission  in  Assyrien  hat  ursprünglich  mit  der 
Abgar-Sage  nichts  zu  thun;  der  Briefwechsel  Abgars  mit 
Tiberius  ist  aus  der  Angabe  der  Acten,  wie  sie  dem  Eusebios280 
vorlagen,  ausgesponnen,  dass  Abgar,  um  nicht  römisches 
Gebiet  zu  verletzen,  von  seinem  Vorhaben,  die  Juden  für  die 
Kreuzigung  Christi  zu  bestrafen.  Abstand  genommen  habe, 
und  scheint  überdies  im  Texte  B  des  syrischen  Transitus 
Mariae  in  relativ  ursprünglicherer  Form  vorzuliegen  als  in 
der  Docirina  Addaei;  endlich  die  Sage  von  Aggäus  ist  nichts 
als  eine  Doublette  der  Sage  von  seinem  Lehrer  Addäus. 

Moses  von  Ehoren  hat  den  Eusebios  (durch  den  ihm 
auch  die  Angabe  TertuUians  von  dem  Antrage  des  Tiberius 
beim  Senate,  dass  Christus  gottliche  Ehren  erwiesen  würden, 
vermittelt  worden  ist)  und  die  armenische  Uebersetzung  der 
Docirina  Addaei  nebeneinander  benutzt;  was  er  noch  darüber 
hat,  beruht  theils  auf  Kunde  der  Legende  von  der  Predigt 
des  Apostels  Simon  in  Persien  ^  theils  ist  es  eigene  Com- 
position.  Zwischen  Eusebios  und  Moses  liegt  die  Docirina 
Addaei,  über  deren  Entstehungszeit  Genaueres  der  enge 
Zusammenhang  ergiebt,  in  dem  sie  mit  den  Acten  der 
heiligen  Scharbil  und  Barschamja  steht.  Entscheidend  für 
diesen  sind,  von  allen  anderen  Punkten  abgesehen,  nament- 
lich die  beiden  Schriften  gemeinsamen  Notizen,  erstens,  dass 
Palut  vom  Antiochenischen  Bischöfe  Serapion*  (c.  190 — 210), 
dem  Zeitgenossen  des  römischen  Zephyrinus,  zum  Bischöfe 


536  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

von  Edessa  ordinirt  worden  sei,  und  zweitens,  dass  trotzdem 
derselbe  Palut  zu  einem  Schüler  des  Apostels  Addäus  gemacht 
wird.  Der  gleiche  chronologische  Widerstreit  setzt  sich  in 
den  Acten  darin  fort^  dass  sie  Paluts  zweiten  Nachfolger 
Barschamja  in  den  Tagen  des  romischen  Bischofs  Fabianus 
(Märtyrers  unter  Decius  250)  leben  und  ihn  trotzdem  in  der 
Trajanischen  Verfolgung  Confessor  werden  lassen,  gerade  wie 
die  Doctrina  Addaei  ihn  noch  zum  Schüler  des  Addäus  macht. 
Treffend  hat  Lipsius  S.  8  ff.  nachgewiesen,  dass  die  Ordination 
des  Palut  durch  Serapion  von  Antiochia  eine  geschichtliche 
Thatsache  ist,  die  den  ersten  christlichen  Bischof  von  Edessa 
gerade  in  die  Zeit  des  nachweislich  ersten  christlichen  Königs 
Abgar  Severus  bringt,  und  dass  die  noch  sehr  durchsichtige 
Verbindung,  in  die  Palut  mit  dem  Apostel  Addäus  gesetzt 
wird,  sammt  dem  Einrücken  des  Abgar  Uchama  in  die  Stelle 
des  Abgar  Seyerus  nur  dem  bekannten  katholischen  Interesse, 
die  bischöfliche  Succession  bis  auf  die  Apostelzeit  zurückzu- 
führen, ihren  Ursprung  verdankt,  und  dass  im  Zusammen- 
hange damit  Barschamja  in  die  Verfolgung  des  Trajanus 
28lhinaufgeschoben  worden  ist,  während  er  in  die  des  Decius 
gebort  (sollte  hier  nicht  auch  mit  hineingespielt  haben,  dass 
Trajanus  einer  der  Namen  des  Decius  ist?).  So  einleuchtend 
das  ist,  so  ist  es  doch  nicht  minder  einleuchtend,  dass  eine 
solche  Verschiebung  erst  geraume  Zeit  nach  den  verschobenen 
Begebenheiten  möglich  wurde;  da  hinzukommt,  dass  die  Acten 
des  Scharbil  und  Barschamja  die  Diocletianische  Verfolgung, 
das  Nikänische  Symbol  und  in  der  Legende  von  der  ver- 
suchten Wegführung  d^r  Gebeine  des  Petrus  und  Paulus 
durch  Fremdlinge  aus  dem  Orient  sogar  den  Vatican  als  die 
einzig  legitime  Begräbnissstätte  des  Petrus  voraussetzen,  so 
ergiebt  sich,  dass  die  Acten  und  folglich  auch  die  Doctrina 
Addaei  nicht  vor  etwa  360  n.  Gh.  entstanden  sein  können: 
ansprechend  sucht  der  Verfasser  S.  51  ihre  Entstehung  in 
den  Kreisen  des  heiligen  Ephrem. 

Bei  Allen  ausser  Eusebios  ist  mit  der  Bekehrungs- 
geschichte des  Abgar  schon  verschmolzen  die  Sage  vom 
wahren  Bilde  Christi,  das  derselbe  dem  Könige  übersendet 


LIPSIUS,  DIE  EDESSENISCHE  ABGAR-SAGE.  537 

habe.  Sie  soll  den  Ursprung  eines  schon  im  vierten  Jahr- 
hundert vorhandenen  Edessenischen  Ghristusbildes  erklären, 
weiss  aber  in  ihrer  ältesten  Form  in  der  Doctrina  Addaei 
noch  nichts  von  einer  wunderthätigen  Heilkraft  desselben; 
von  dieser  und  dem  dadurch  nothwendig  werdenden  über- 
natürlichen Ursprünge  des  Bildes  berichtet  erst  die  jüngere 
Edessenische  Legende,  die  uns  am  frühesten  in  den  nicht 
vor  dem  fünften  Jahrhundert  entstandenen  griechischen  Acten 
des  TliaddäoS;  am  ausführlichsten  in  der  von  dem  Verfasser 
zuerst  analysirten  und  in  Auszügen  mitgetheilten  'E7Cc6tokii 
j4vyaQ0v  des  Cod.  Vindob.  315  entgegentritt  Aus  einer  Ver- 
schmelzung dieser  jüngeren  Form  der  Edessenischen  Sage  mit 
der  Geschichte  von  der  Bildsäule  Christi  in  Paneas  ist  die 
lateinische  Veronica-Sage  hervorgegangen,  deren  Entstehungs- 
zeit frühestens  in  das  fünfte,  vielleicht  erst  in  das  sechste 
Jahrhundert  zu  setzen  ist;  die  älteste  Gestalt,  in  der  sie 
auf  uns  gekommen  ist,  findet  sich  in  der  Mors  Pilati, 

Endlich  ist  mit  der  Abgar-Sage  in  der  Doctrina  Addaei, 
wennschon  ganz  äusserlich,  auch  noch  die  Sage  von  der  Auf- 
findung des  Kreuzes  Christi  durch  Protonike  verbunden.  Auch 
von  ihr  giebt.es  ein  lateinisches  Seitenstück  in  der  Sage  von 
der  Ereuzauffindung  durch  Helena;  diesmal  aber  ist  diese  die 
ursprünglichere.  Die  Sage  von  der  Kreuzauffindung  lässt  sich 
nicht  über  die  Mitte  des  vierten  Jahrhunderts  hinauf  ver- 
folgen; dafür,  dass  Helena  mit  ihr  in  Verbindung  gebracht 
wird,  ist  der  heilige  Ambrosius  in  der  Rede  auf  den  395 
verstorbenen  Theodosius  unser  ältester  Zeuge.  In  dieser 
Form  ist  sie  in  den  Orient  gedrungen  und  hat  hier  zwei 
verschiedene  Bearbeitungen  erfahren,  die  eine  in  den  (mit 
den  Acten  des  Silvester  eng  zusammenhängenden)  Acten  des 
Cyriacus  etwa  aus  dem  Anfange  des  fünften  Jahrhunderts, 
der  jüngsten  Form  der  Helena- Sage,  in  der  aber  die  histo- 
rische Persönlichkeit  der  Mutter  Constantins  noch  festgehalten 
worden  ist,  und  eine  zweite,  vielleicht  ein  wenig  ältere,  in 
welcher  Protonike  (oder  Petronike  oder  ähnlich),  die  Frau 
des  Kaisers  Claudius,  ihre  Stelle  eingenommen  hat.  Bei  dem 
noch  nicht  befriedigend  erklärten  Namen  denkt  der  Verfasser 


538  BECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

an  eine  symbolische  Bezeichnung  derjenigen,  an  der  sich 
zuerst  der  Sieg  des  Kreuzes  erprobt  habe:  sollte  nicht  viel- 
mehr eine  absichtliche  Verhüllung  der  historischen  Beziehungen 
vorliegen  und  IlQBxtavixri^)  der  wahre  Name  eein^  gewählt, 
um  die  Mutter  des  aus  Britannien  gekommenen  Constantin 
anzudeuten,  gleichwie  in  dem  ihres  Mannes  Claudius  sich  die 
Erinnerung  an  Claudius  IL,  den  Ahnherrn  des  Constantini- 
sehen  Hauses,  mit  der  an  den  ersten  Eroberer  Britanniens 
verschmilzt?  —  Diese  Analyse  wird  genügen,  um  einen 
Begriff  von  dem  reichen  Inhalte  der  vorliegenden  Schrift 
zu  geben,  die  nicht  bloss  um  der  Ergebnisse  selbst  willen, 
sondern  ebenso  sehr  wegen  der  musterhaften  kritischen 
Methode,  durch  welche  diese  gewonnen  worden  sind,  und 
282wegen  des  Lichtes,  das  durch  sie  auf  das  Ganze  der  älteren 
christlichen  Legenden -Literatur  fallt,  unsere  lebhafkeste  An- 
erkennung verdient. 


3.*) 

75Hamaok,  Adolf,  Die  Zeit  des  Ignatius  und  die  Chrono- 
logie der  autiochenischen  Bischöfe  bis  Tyrannus 
nach  Julius  Africanus  und  den  späteren  Historikern. 
Nebst  einer  Untersuchung  über  die  Verbreitung  der 
Passio  S.  Polycarpi  im  Abendlande.  Leipzig  1878. 
Hinrichs.     (III  und  92  S.    gr.  8^.)     M.  3.  — 

Die  Frage  nach  der  Echtheit  der  Briefe  des  heiligen 
Ignatios,  die  nicht  wohl  vor  Ende  der  Regierung  Hadrians 
geschrieben  sein  können,  deren  Schreiber  aber  nach  der 
kirchlichen  Tradition  unter  Trajan  Märtyrer  geworden  ist, 
führte  den  Verfasser  auf  eine  Prüfung  der  Grundlagen  dieser 
Tradition.     Als  durch  Zahn  erwiesen  setzt  er  dabei  voraus, 

1)  Das  späte  Imgebrauchsein  der  Form  mit  17  ist  durch  Marcian 
von  Herakleia  gesichert. 

*)  [Theologische  Literatnrzeitmig  1880  S.  76—86.] 


HAENACK,  DIE  ZEIT  DES  IGNATIÜS.  539 

dass  die  beiden  erhaltenen  Martyrien  des  heiligen  Ignatios 
Yon  Eusebios  abhängig  sind,  und  wendet  sich  sofort  der 
Untersuchung  der  von  Eusebios  im  Chronikon  gegebenen 
Chronologie  der  Antiochenischen  Bischöfe  zu. 

Auch  wir  können  deshalb  die  Frage,  ob  die  Daten  der 
Martyrien  aus  Eusebios  allein  erklärbar  sind,  hier  auf  sich 
beruhen  lassen,  vermögen  aber  unsere  Bedenken  dagegen 
nicht  zu  unterdrücken,  dass  der  Verfasser  auch  andere 
Behauptungen  Zahns  yon  vornherein  als  gegeben  nimmt, 
namentlich,  dass  er  den  Satz  aufstellt,  es  scheine,  als  habe 
Eusebios  für  den  Amtsantritt  des  Ignatios  ein  überliefertes 
Datum  besessen,  während  ihm  ein  solches  für  das  Jahr  des 
Martyriums  fehlte,  sich  dafür  auf  die  Worte  Zahns  berufend: 
„nur  im  Zusammenhange  der  Erwähnung  der  Verfolgung 
unter  Trajan  wird  das  Martyrium  des  Ignatius  neben  dem 
des  Simeon  angeführt,  aber  ebensowenig  zu  diesem,  als  zu 
dem  darnach  erwähnten  Berichte  des  Plinius  in  ein  chrono- 
logisches Verhältniss  gestellt ^^  (Ignatius  von  Antiochien 
8.  57  f.).  Der  zufällige  Umstand,  dass  unsere  Texte  zwi- 
schen der  Erwähnung  des  Martyriums  des  Simeon  und  den 
Worten  „itidem  [et  Ignatius]  Antiochensium  episcopus^^  statt 
eines  Kommas  einen  Punkt  setzen,  kann  doch  nicht  das 
Geringste  an  der  Thatsache  ändern,  dass  Eusebios,  über 
dessen  Auffassung  ein  Zweifel  nicht  möglich  ist,  die  dem 
Lemma  vorangestellten  Worte  „Traiano  adver sus  Ühristianos 
persecutionem  movente^*  auf  beide  Hälften  desselben  hat  be- 
zogen wissen  wollen.  Aber  auf  diese  vermeintliche  Lücke 
in  den  Angaben  des  Eusebios  kommt  der  Verfasser  wieder- 
holt zurück  und  setzt  sogar  in  der  aus  ihm  S.  11  zusammen- 
gestellten Bischofsliste  den  Amtsantritt  des  Heron  statt  2123  76 
9,post  2123'';  schon  dass  eine  solche  Ausnahme  nicht  bloss 
in  dieser  einen  Liste,  sondern  im  ganzen  Kanon  des  Eu- 
sebios einzig  dastehen  würde,  hätte  ihn,  meinen  wir,  an  der 
Richtigkeit  seiner  Prämisse  irre  machen  müssen.  Der  Sach- 
verhalt ist  hiermit  geradezu  auf  den  Kopf  gestellt  worden: 
Eusebios  macht  von  der  Regel,  bei  den  Antiochenischen 
Bischöfen   nichts    als  Namen,   Ordnungszahl   und  Jahr   der 


540  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

Einsetzung  zu  nennen^  nur  zwei  Ausnahmen,  bei  Heron  und 
Domnos.  Unter  dem  Jahre  2123  steht:  „Traiano  adversus 
Christianos  persecutionem  movente  .  .  .  Uidem  [et  Ignatius]  An- 
tiochensium  episcopus  martyrium  passus  est,  post  quem  IlL 
Antiochensium  episcopus  constitutus  est  Eron",  und  2283: 
„Polus  Samosatenus  sanos  canones  resciäit  et  Artemonis  haere- 
sim  renovavtt,  in  cuius  deiecti  locum  sufficitur  XVL  episcopus 
Domnus*',  Also  waren  ihm  gerade  über  den  Märtyrertod  des 
Ignatios  und  die  Absetzung  des  Paulos,  und  nur  über  diese, 
besondere  Angaben  überliefert.  Wenn  der  Verfasser  S.  12 
eine  weitere  Unsicherheit  in  Bezug  auf  den  Amtsantritt  des 
Fabius  findet,  von  dem  es  zum  Jahre  2270  heisst:  „Aniio- 
chenorum  ecclesiae  XII.  episcopus  constitutus  est  Babilas,  post 
quem  XII L  Fabianus",  so  scheint  mir  in  einer  Liste,  bei 
welcher  der  Schriftsteller  nicht,  wie  bei  der  der  Bischöfe 
Ton  Jerusalem,  auf  chronologische  Einreihung  der  einzelnen 
Namen  geradezu  verzichtet  hat,  nur  zwischen  zwei  Möglich- 
keiten die  Wahl  zu  sein:  soll  die  Liste  nichts  als  die  un- 
gefähre Blüthezeit  der  einzelnen  Bischöfe  vermerken,  so  muss 
hier  dem  Eusebios  ausnahmsweise  eine  Angabe  vorgelegen 
haben,  dass  Babylas  nur  kurze  Zeit  Bischof  gewesen  ist; 
macht  sie  dagegen  den  Anspruch,  die  wirklichen  Antritts- 
jahre zu  geben,  so  kann  die  Verzeichnung  des  Fabius  unter 
gleichem  Jahre  mit  Babylas  nach  stehender  Sitte  der  Ohro- 
nographeii  nichts  Anderes  bedeuten,  als  dass  des  Letzteren 
Amtszeit  weniger  als  ein  Jahr  gedauert  hat.  Die  Stelle 
enthält  also  über  das,  was  im  Sinne  des  Eusebios  die  Epoche 
des  Fabius  ist,  keine  Unsicherheit,  hingegen  eine  sehr  posi- 
tive Aussage  über  Babylas. 

Nicht  diese  von  einer  inneren  Kritik  der  Eusebiosschen 
Liste  hergenommenen  Bedenken,  wohl  aber  die  Widersprüche, 
welche  eine  Prüfung  derselben  an  sicheren  anderweitigen 
Angaben   aufdeckt^),   berechtigen   den   Verfasser  zu   seinen 

1)  Unter  diesen  würde  ich  jedoch  nicHt,  wie  S.  14  geßchehen  ist, 
die  Ansetzung  des  Asklepiades,  der  noch  während  der  Yerfolgang 
nnter  Severus  Bischof  geworden  iat,  unter  dem  ersten  Jahre  des  Cara- 
calla  aufgeführt  haben:  diesem  wird  zwar  das  Jahr  2228  Arm.  (2227 


HARNACK,  DIE  ZEIT  DES  IGNATroS.  541 

Zweifeln  an  ihrer  Anthenticitat.  Er  führt  nun  S.  15  ff.  den 
überraschenden  Nachweis ,  dass  in  der  Bischofsliste  des  Eu> 
sebios  bis  auf  Sarapion  und  Philetos  jeder  Antiochenische 
Bischof  vier  Jahre ,  d.  h.  eine  Olympiade,  nach  dem  ent- 
sprechenden römischen^  von  Asklepiades  und  Zebennos  an 
jeder  Antiochener  ein  Jahr  vor  dem  Römer  sein  Amt  an- 
tritt. Diese  schematische  Anordnung  könne  als  Ganzes 
nicht  das  Werk  des  Eusebios  sein,  weil  er  sich  dann  wohl 
mit  der  Aufstellung  eines  einzigen  Schemas  begnügt  haben 
würde  und  weil  seine  Bemerkung  über  die  Jerusalemische 
Bischofsliste  zum  Jahre  2200  auf  den  Besitz  chronologischer 
Ansätze  für  die  Antiochenische  schliessen  lasse;  vielmehr  sei 
das  zweite  Schema  sein  eigenes  Werk,  das  erste  sei,  da  der 
Antritt  des  Philetos,  des  letzten  Bischofs,  bei  dem  es  sich 
angewendet  finde,  in  das  Jahr  215  n.  Cb.  gesetzt  werde, 
aus  der  Chronographie  des  damals  schreibenden  Africanus 
herübergenommen.  Daraus  folge  weiter,  dass  auch  die  Reihe 
der  römischen  Bischöfe  bis  Callistus,  nach  der  die  Antio- 
chenische Liste  zurecht  gemacht  ist,  aus  Africanus  stammen 
müsse.  Der  Verfasser  macht  sich  hier  selbst  den  Einwurf, 
dass  die  Harmonie  beider  Listen  schwinde,  sobald  man  von 
den  Ansätzen  nach  Jahren  Abrahams  absehend  die  römische 
Bischofsliste  nach  den  Amtsjahren,  auf  welchen  jene  Ansätze  77 
beruhen,  reconstruirt,  aber  nur,  um  die  Consequenz  zu  ur- 
giren,  dass  Eusebios  aus  Africanus  nicht  bloss  die  Liste 
entlehnt,  sondern  auch  die  Ansätze  aus  den  seinigen  um- 
gerechnet haben  müsse.  Endlich  glaubt  der  Verfasser  auch 
eine  gewisse  Beziehung  zwischen  den  Antrittsjahren  der 
alexandrinischen  und  der  römischen  Bischöfe  nachweisen  zu 
können,  indem  beide  immer  durch  Zwischenräume  von  1,  Vf^ 
oder  2y2  Olympiaden  voneinander  getrennt  seien,  und  folgert 
daraus,  dass  auch  die  alexandrinische  Liste  aus  Africanus 
herübergenommen  sei.    Nur  bei  den  Bischöfen  von  Jerusalem 


Iiat.)  von  EnsebioB  und  Hieronymus  gleichgesetzt,  nacli  der  richtigen 
Gleichung  entspricht  es  aber  dem  nachchristlichen  210  oder  209, 
welche  beide  noch  unter  Seyerus  fallen. 


542  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

sei  keine  derartige  Beziehung  wahrzunehmen^  diese  sei  dem 
Eusebios  aus  anderer  Quelle  zugekommen. 

Die  Deductionen  des  Verfassers  sind  glänzend  und  wer- 
den als  anregendes  Ferment  ffir  jede  weitere  Forschung 
ihren  Werth  behalten,  auch  wenn  die  Entdeckung  in  mancher 
Hinsicht  der  Einschränkung  bedarf  und  von  den  weittragen- 
den Folgerungen,  die  an  sie  geknüpft  worden  sind,  kaum 
alle  die  Probe  bestehen  dürften. 

Am  misslichsten  sieht  es  aus  mit  der  Goncordanz  zwi- 
schen der  alexandrinischen  und  der  römischen  Bischofsliste. 
Auch  der  Verfasser  kann  sie  nur  dadurch  herstellen,  dass 
er  von  den  neun  in  Betracht  kommenden  Epochen  zwei 
ändert  und  ein  Mal  ein  Jahr  Abrahams  ergänzt,  das  weder 
mit  dem  des  Hieronymus,  noch  mit  dem  aus  der  Berechnung 
der  Amtsjahre  sich  ergebenden  stimmt.  Hält  man  sich  an 
die  überlieferten  Zahlen  des  armenischen  Textes,  nur  die 
Epoche  des  Markos  in  der  zuletzt  angegebenen  Weise  er- 
gänzend, und  vergleicht  man,  was  das  einzig  Zulässige  ist^ 
die  einander  am  nächsten  liegenden  Antrittsjahre  in 
beiden  Reihen,  so  ergeben  sich  die  Abstände  von  —  5, 
—  4,  +3,  +5,  —  4,  —  3,  +6,  +3,  —  4  Jahren, 
so  dass  jeder  Schimmer  eines  synoptischen  Schematismus 
schwindet.  Das  Schema  der  Zeitrechnung  der  alexandrini- 
schen Bischöfe,  wie  es  in  beiden  Werken  des  Eusebios  vor- 
liegt, ist,  wenn  man  sich  nur  erinnert,  dass  die  alten  Chrono- 
graphen in  einem  solchen  Schema  die  runden  Grundzahlen 
desselben  selten  in  ihrer  ganzen  Ursprünglichkeit  hinstellen, 
sondern  durch  Addition  und  Subtraction  von  ein,  zwei,  auch 
wohl  drei  Einern  so  zu  variiren  pflegen,  dass  sie  wie 
Klammern  übergreifen  und  ineinander  haken,  durchsichtig 
genug : 


HARNACK,  DIE  ZEIT  DES  IGNATIUS. 


543 


Arm. 

• 

Lat.' 

) 

2048. 

2047. 

2057. 

2069. 

(ist)  (soll  sein) 

(ist)  (soll  sein) 

2077. 

2078. 

2078. 

2077.*) 

2099. 

2100. 

2100. 

2099.'j 

2113. 

2113. 

2112. 

2124. 

2122. 

2123. 

2136. 

2186. 

2147.*) 

2146. 

• « .  • 

2160. 

2159. 

2171. 

2170. 

2169. 

2186. 

2184. 

2182. 

2183. 

2197. 

2196. 

2196. 

2206. 

2205. 

2260. 

2249. 

2247. 

2248. 

2266. 

2266. 

2264.») 

2282. 

2281. 

2302. 

2300. 

2299. 

•  •  •  • 

2319. 

2320. 

2318. 

(von  Christi  Kreu- 
zigung   9  J.) 

(von  der  Predigt 
Markos  d.  Evan- 
gelisten in  Ale- 
xandria   20  J.) 


61 


1.  AnianoB 22  J 

2.  Abilios 13  J.  l=-j 

3.  Kerdon 11 J.  i24l 

4.  Primos 12  J.  1  =  .i  47-U 

6.  JnstQB .... 

6.  Eumenes  ...13J.  l«" 

7.  Markos 10 J.  )23 

8.  Keladion  . .  .14J.  1  =    49-1 


12  J.  1  = 
llJ.  i23J 

1 

.  I26. 


9.  Agrippinos  .12J.  | 
10.  Julianos 10  J.  j 


100 


.43J. 
.16J. 
.17J. 
.18J. 


63- 


lOOi 


200 


70 


11.  Demetrios 

12.  Herakles 

13.  Dionysios 

14.  Mazimos  , 

16.  Theonas 19  J. 

16.  Petros  (Mär- 
tyrer im  9.  J. 
der  Verfolgung.) 


Die  Liste  erklärt  sich  selbst:  der  älteste  Theil  rechnet 
von  der  Kreuzigung  bis  auf  den  Tod  des  Demetrios  (31 — 
231)  200  Jahre,  unter  Markos  und  elf  Bischöfe  vertheilt, 
die  in  streng  symmetrischer  Anordnung  paarweise  gegliedert 
sind,  und  der  Fortsetzung,  welche  die  70  Jahre  bis  auf  den 
Amtsantritt  des  Petros  (231  —  301)  unter  vier  Bischöfe  zu 
vertheilen  hat,  liegt  ebenfalls  eine  schematische  Zahlenpro- 
gression zu  Grunde.  Kraft  des  Satzes  von  der  causa  sufficiens 
braucht  mithin  für  die  Liste  nach  einem  weiteren  ausserhalb 
ihr  gelegenen  Erklärungsgrunde  nicht  gesucht  zu  werden. 

1)  Hieronymus  hat  die  ganze  Reihe  um  ein  Jahr  zurückgeschoben, 
wohl  ans  Rücksicht  auf  die  Earchengeschichte ,  die  den  Anfang  der 
Verfolgung  (nach  Hieronymus  2320  Abr.)  in  das  laufende  dritte  Jahr 
des  Petros  setzt.  2)  Dies  hat  in  der  That  Codex  M.         3)  So  B, 

4)  So  JV,  der  hier,  wie  anderwärts,  die  echte  Lesart  des  Eusebios 
bewahrt  hat;  2148  G,  5)  So  A, 


78 


544 


RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 


Was  die  Liste  der  römischen  Bischöfe  betrifift,  so  hat 
schon  Lipsius  in  der  Jenaer  Literaturzeitung  von  1878, 
No.  14,  S.  202  die  Herleitung  aus  Africanus  für  unwahr- 
scheinlich erklärt,  weil  die  Zeitangaben  gerade  über  die 
Bischöfe  Victor,  Zephyrinus  und  Callistus  zu  sehr  ron 
Fehlern  wimmelten,  als  dass  sie  von  einem  Zeitgenossen 
herrühren  könnten.  Den  möglichen  Einwand,  dass  der 
Lrrthum  vielmehr  auf  Seiten  unserer  übrigen  Quellen  zu 
suchen  sei,  schneidet  eine  Einsicht  in  die  schematische  An- 
ordnung dieser  Papstliste  ab;  in  der  auch  allein  die  vielen 
Fehler  derselben  ihre  Erklärung  finden: 


Arm. 

Text.*) 

(ist)  (soll  sein) 

2056. 

2082. 

2080. 

2095. 

2094. 

2108. 

2102. 

2110. 

2211. 

2119. 

2180. 

2129.*) 

2140. 

2150. 

2151. 

2154. 

2155. 

2168. 

2170. 

2180. 

2181. 

2189. 

2202. 

2204. 

2216. 

2229. 

2228. 

2236. 

2287. 

2246. 

'81 


«=29 


46. 


=75 


[-100] 


'100 


Petras  der  Apostel  20  (sehr.  25)  J.  [Com- 

plement  zu  75] 

1.  Linus 14  J. 

2.  Gletas 8J. 

8.  Clemens 9J. 

4.  Euarestas 8  J. 

5.  Alexander 10  J. 

6.  Xystus  I llJ. 

7.  Telespboras 11 J. 

8.  Hygienns 4  J. 

9.  Pias 16J. 

10.  Anicetus 1 IJ. 

11.  Soter 8J. 

12.  Eleatherios 16  J. 

13.  Victor *12J.]»)| 

14.  Zephyrinus 12  J.      J 

15.  Callistus 9 J 

16.  Urbanus [*9J 

17.  Pontianus 9J. 

1)  Hieronymus  kommt,  als  eine  bis  auf  das  letzte  Drittel  yöllig 
verschiedene  Liste  gebend,  hier  nicht  in  Betracht. 

2)  So  Codex  N,  der  wieder  das  Richtige  bewahrt  hat. 

8)  Die  Zahlen  der  Amtsjahre,  welche  durch  den  Catalogus  lAbe- 
rianus  oder  Spuren  in  diesem  bestätigt  werden,  sind  mit  einem  Stern 
bezeichnet. 

4)  Diese  Zahl  ist  bei  möglichster  Anlehnung  an  die  überlieferten 
Intervalle  aus  dem  Cot.  Ltberianus  ergänzt. 


50" 


50. 


HAENACK,  DIE  ZEIT  DES  IGNATIüS. 


545 


Ann. 

Text 

(ist)  (soll  sein) 

2256. 

2256. 

2264. 

2268. 

2268. 

2271. 

2271. 

2278. 

2279. 

2284. 

2289. 

2293. 

2296. 

2298. 

16J.  IM. 


2313.  *) 


(2320.) 


(2329.) 


18.  Anteros *-J.lM. 

19.  FabianuB 13  J. 

20.  Cornelias *3J. 

21.  Lncias —  J.2M. 

22.  Stephanns 2  J. 

23.  Xystus  II IIJ.       I  22  J.  2  M. J 

24.  Dionysius *9J. ') 

25.  Felix  .    ...19(8chr.*5)J.^        ^ 

26.  Entychianns  ...  — J  ^  B^*  [  20  J.  2  M. 

27.  Gaius 15J.      ' 

28.  Marcellianus,  unter  ihm 
Aasbruch  d.  Verfolgung. 

Vom  Antritt  des  Marcellianus 

sassen  4  Bischöfe *16J  7M.«)_ 

bis  zum  Ende  der  Verfolgung. 


38  J.  3  M. 


36J.  9M.: 


76  J. 


Auf  die  14  Bischöfe  nach  Pontianus  his  zum  Ende  der 
Verfolgung  ist  die  runde  Snmme  Yon  75  Jahren  oder  drei 
Vierteln  eines  Jahrhunderts  gerechnet  (gegen  die  wirklich 
verflossene  Zeit  vier  Jahre  zu  viel);  gleich  getheilt  in  zwei  79 
Hälften,  auf  die  beide  Mal  gleich  viele  Bischöfe  kommen^ 
eine  grössere  von  38  Jahren  für  die  sieben  von  Anteros  bis 
Dionysius  und  eine  kleinere  von  37  Jahren  für  die  sieben 
von  Felix  bis  Miltiades.  Auf  die  18  Amtszeiten  vom  An- 
fange des  Petrus  bis  zum  Ende  des  Pontianus  sind  wiederum 


1)  Diese  Zahl,  welche  durch  die  Codices  ÄBPM  des  Hieronymus 
und  den  Cat  Liberianus  bestätigt  wird,  giebt  ^;  12  liest  G. 

2)  Aus  Hieronymus  ergänzt. 

3)  Soviel  rechnet  Hieronymus,  indem  er  den  Marcellus  auslässt, 
und  das  vierte  Jahr  des  Bischofs  Silvester  zum  Endjahr  der  Verfolgung 
macht.  In  Wahrheit  fSAlt  das  Ende  der  Verfolgung  (Januar  313)  in 
das  vierte  Jabr  seines  Vorgängers  Miltiades,  und  die  16  Jahre  7  Monate 
kommen  vom  Antritt  des  Marcellianus  (Juni  296)  bis  dahin  genau 
heraus.  Es  scheint  hier  eine  einfache  Verschiebung  der  Epochen  vor- 
zuliegen: das  Jahr  2321  ist  aus  dem  Antrittsjabre  des  Marcellus  oder 
eigentlich  dem  Todesjahre  seines  Vorgängers)  zu  dem  Antrittsjahre 
des  Eusebios  und  Miltiades,  das  Jahr  2326  aus  dem  des  Eusebios  und 
Miltiades  zu  dem  des  Silvester  gemacht  worden. 

y.  OuTBOHxzD,  Kleine  Schriften.    IL  35 


546         RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

in  runder  Summe  200  Jahre  gerechnet^  gleichmässig  ver- 
theilt,  so  dass  die  neun  Bischöfe  yon  Pius  bis  Pontianus 
gerade  ein  Jahrhundert  erhalten  und  bei  ihren  acht  Yor- 
gängern  von  Linus  bis  Hygienus  die  75  Jahre  des  letzten 
Abschnittes  sich  wiederholen,  welche  durch  die  25  Jahre 
des  Apostel  Petrus  abermals  zu  einem  Jahrhundert  ergänzt 
werden.  Es  fragt  sich,  ob  hier  ein  einziges  chronologisches 
System  vorliegt,  in  welchem  Falle  das  Ganze  erst  ganz  kurz 
vor  Eusebios  zurechtgemacht  sein  könnte,  oder  zwei  Sy- 
steme, eines,  das  bis  zum  Ende  des  Pontianus,  und  ein 
zweites,  das  von  da  bis  zum  Ende  der  Verfolgung  reichte. 
Der  Umstand,  dass  die  römischen  Bischofslisten  des  Chroni- 
kon  und  der  Eirchengeschichte,  die  bis  auf  Pontianus  aus- 
einander gegangen  sind,  von  Anteros  an,  abgesehen  von  den 
Monaten  des  Lucius  und  Eutychianus,  die  für  die  Gesammt- 
berechnung  nichts  austragen,  miteinander  übereinstimmen, 
macht  es  wahrscheinlich,  dass  ihnen  von  da  an  eine  gemein- 
same Liste  zu  Grunde  liegt  und  vor  Anteros  ein  Quellen- 
wechsel eingetreten  ist,  und  lässt  somit  die  Wagschale  zu 
Gunsten  der  zweiten  Alternative  sinken.  Aber  auch  dann 
kann  das  ältere  bis  auf  Pontianus  reichende  chronologische 
Schema  erst  geraume  Zeit  nach  dem  Ende  des  Pontianus 
entstanden  sein.  Dies  beweist  ausser  der  falschen  Angabe 
über  dessen  Amtsdauer  die  Hinabrückung  des  Anteros  und 
Fabianus  um  vier  Jahre,  die  einen  noth wendigen  Bestand- 
theil  des  ganzen  Systemes  bildet:  wird  der  200jährige  Zeit- 
raum von  Petrus  bis  Pontianus  in  die  Jahre  39  —  239  ein- 
gespannt, aber  auch  nur  dann,  trifft  der  Tod  des  Petrus  auf 
das  Jahr  der  Neronischen  Verfolgung  64  n.  Gh.,  was  selbst- 
verständlich Absicht,  nicht  Zufall  ist.  Yon  Africanus  als 
Quelle  des  ältesten  Theiles  dieser  römischen  Bischofsliste 
muss  also  ganz  abgesehen  werden. 

Wie  steht  es  weiter  mit  den  zwischen  der  römischen 
und  Antiochenischen  Bischofsliste  angenommenen  Wechsel- 
beziehungen? Für  die  auf  Eusebios  zurückgeführte  Concor- 
danz  der  Periode  von  Asklepiades  und  Callistus  an  hat  der 
Verfasser  drei  Ausnahmen  zugegeben,  die  Anfangsjahre  des 


HARNACK,  DIE  ZEIT  DES  IGNATlüS  547 

4 

Philetos,  Demetrianos  und  Domnos,  und  die  dadurch  von 
ihm  selbst  in  das  angenommene  Schema  gelegte  Bresche 
ist  durch  den  von  Lipsius  a.  a.  0.  geführten  Nachweis ^  dass 
nicht  bloss  Philetos  durch  einen  vierjährigen  Zwischenraum 
von  Callistus,  sondern  auch  Demetrianos  und  Domnos  durch 
denselben  Zwischenraum  von  Stephanus  und  Dionysius  ge- 
trennt sind;  nur  noch  erweitert  worden.  Statt  aber  mit 
Lipsius  anzunehmen^  dass  zwei  verschiedene  Schemas  in 
diesem  späteren  Theile  der  Bischofslisten  bei  Eusebios  durch- 
einander gehen,  gehe  ich  weiter  und  behaupte,  dass  hier  die 
angebliche  Römisch- Antiochenische  Goncordanz  gar  nicht  vor- 
handen ist.  Eine  der  vom  Verfasser  für  seine  Ansichten 
geltend  gemachten  Epochen  ist  zu  streichen:  das  S.  16  für 
den  Amtsantritt  des  römischen  Bischofs  Eutychianus  ge- 
gebene Datum  2298  Abr.  ist  das  des  lateinischen,  nicht  des 
armenischen  Textes,  der  vielmehr  2296  giebt,  —  vom  Stand- 
punkte des  Verfassers,  dem  der  armenische  Text  ohne  Wei-' 
teres  als  der  Text  des  Eusebios  gilt,  auf  jeden  Fall  eine 
durch  Nichts  motivirte  Inißonsequenz  und  vermuthlich  ein 
blosses  Versehen.  So  bleiben  von  den  zehn  zu  vergleichenden 
Epochen  nur  fünf  übrig,  die  sich  der  These  des  Verfassers 
fügen,  aber  auch  diese  nur,  wenn  man  nicht  das  Nächst- 
liegende mit  dem  Nächstliegenden  vergleicht.  Thut  man 
dies,  so  entspricht  die  Amtszeit  des  Antiochenischen  Bischofs 
Zebennos  der  der  vier  römischen  Pontianus,  Anteros,  Fabianus 
und  Cornelius,  die  des  Antiochenischen  Bischofs  Eyrillos  der 
der  drei  römischen  Eutychianus,  Gaius  und  Marcellianus,  als  80 
Entgelt  die  der  zwei  Antiochenischen  Bischöfe  Paulos  und 
Domnos  der  des  einen  römischen  Dionysius.  Die  so  corre- 
spondirenden  neun  Epochen  von  Asklepiades  (2228)  und 
Callistus  (2229)  bis  auf  Tyrannos  (2319)  und  Eusebios  oder 
vielmehr  Marcellus  (2321)  bewegen  sich  in  den  Abständen 
-  1,  -  3,  -  1,  +  2,  +  1,  -  1,  -  1,  +  1,  -  2. 
Da  in  diesem  Zeiträume  durchschnittlich  in  Antiochia  alle 
9,  in  Rom  alle  6 — 7  Jahre  ein  Bischofswechsel  stattgefunden 
hat,  so  ist  ein  Spielraum*  von  fünf  Jahren,  innerhalb  dessen 

die  beiderseitigen   Antrittsjahre   sich   nähern,   ebenderselbe^ 

35  • 


548  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

den  auch  eine  Wahrscheinlichkeitsrechnung  ergeben  wQrde: 
von  einem  synoptischen  Schema  bleibt  Nichts  übrig. 

Günstiger  stellt  sich  die  Sache  in  den  älteren  Partien, 
wo  die  Beobachtung  des  Verfassers^  dass  Eusebios  die  An- 
tiochenischen  Bischöfe  vier  Jahre  nach  den  römischen  an- 
treten lässt,  sich  unter  acht  Malen  fünfmal  bestätigt;  dass 
Theophilos  fünf  Jahre  nach  Soter  antritt,  führt  der  Verfasser 
auf  einen  Schreibfehler  zurück,  dass  der  Abstand  zwischen 
Euodios  und  Petrus,  Tgnatios  und  Linus  drei  Jahre  beträgt, 
bringt  er  S.  27  mit  Störungen  in  Verbindung,  zu  denen  eine 
in  der  Quelle  zwischen  Petrus  und  Linus  angesetzte  Sedis- 
yacanz  von  1 — 2  Jahren  Anlass  gegeben  habe:  ein  Ausweg, 
über  den  ich  die  von  Erbes  in  den  Jahrbüchern  für  pro- 
testantische Theologie  V  S.  468  erhobenen  Zweifel  völlig 
theile.  An  sich  würde  es  unbedenklich  sein,  auch  hier  die- 
selbe Erklärung  anzuwenden  wie  in  dem  ersten  Falle;  aber 
der  Verfasser  hat  einen  guten  Grund,  hier  so  ängstlich  con- 
servativ  zu  sein;  seine  ganzen  Annahmen  haben  zur  aus- 
schliesslichen Grundlage  die  zu  den  Jahren  Abrahams 
gemachten  Anschriften  des  armenischen  Textes,  also  gerade 
den  schon  aus  äusseren  Gründen  am  wem'gsten  zuverlässigen 
Theil  unserer  üeberlieferung.  Bei  der  römischen  Bischofs- 
liste gehen  die  Abweichungen  der  Anschriften  von  den  sich 
aus  der  Berechnung  der  Amtsjahre  ergebenden  Daten  bis  zu 
fünf  Jahren  hinauf,  und  man  sieht,  dass  an  der  betreffenden 
Stelle  der  erste  Anlass  zu  sich  steigernder  Verwirrung  da- 
durch gegeben  ward,  dass  zu  den  Antrittsjahren  2268  und 
2271  nicht  Stephanus  und  Xystus  Tl.,  sondern  ihre  Vor- 
gänger Cornelius  und  Stephanus  angeschrieben  wurden.  An 
derselben  Stelle  ist  im  armenischen  Texte  die  Antiochenische 
Liste  dadurch  in  Unordnung  gerathen,  dass  sich  der  Antritt 
des  Babylas'  und  Fabius  vom  ersten  Jahre  des  Decius  (2269) 
zum  ersten  Jahre  des  Gallus  (2270)  verschob,  während 
Hieronymus  das  Richtige  bewahrt  hat.  Innerhalb  einer 
Fehlerweite  von  1—2  Jahren  bewegen  sich  mehr  oder 
weniger  sämmtliche  Ansätze^  was  sich  nur  zum  Theil  daraus 
erklärt,  dass  Eusebios,  der  immer  nach  vollen  Jahren  rechnet, 


HARNACK,  DIE  ZEIT  DES  IGNATIüS.  549 

die  Amtswechsel  inconsequent  bald  beim  Antrittsjahre,  bald 
beim  Todesjahre  des  Vorgängers  angemerkt  hat.  Um  einen 
Massstab  dafür  zu  gewinnen,  was  dem  Eusebios,  was  seinen 
Abschreibern  zugetraut  werden  kann,  berücksichtige  man, 
dass  sich  dieselben  Schwankungen  in  den  ahnlich  über- 
lieferten Thalassokratien  bei  Eusebios,  aber  auch  in  der 
romischen  Bischofsliste  beobachten  lassen,  welche  Hierony- 
mus  an  die  Stelle  der  von  Eusebios  gegebenen  setzte,  und 
dass  so  viel  auch  die  Abweichungen  der  besten  Hand- 
schriften des  lateinischen  Textes  untereinander  und  vom 
armenischen  zu  betragen  pflegen.  Dass  Eusebios  die  den 
Zahlen  der  Amtsjahre  gegenüber  völlig  werthlosen  Antritts- 
daten, so  wie  sie  jetzt  dastehen,  aus  einer  älteren  Quelle 
herübergenommen  und  mühsam  umgerechnet  haben  sollte, 
halte  ich  für  einfach  unmöglich;  es  fehlt  aber  auch  jeder 
Beweis  dafür,  dass  so  grobe  Fehler  von  Eusebios  selbst 
begangen  worden  sind.  Es  ist  nun  ein  gutes  Zeichen  für 
die  Entdeckung  des  Verfassers,  dass  sich  für  den  ältesten 
Theil  der  Antiochenischen  und  römischen  Bischofsliste  kein 
wesentlich  ungünstigeres  Resultat  herausstellt,  wenn  man 
der  Vergleichung  statt  der  Jahre  Abrahams,  bei  denen  zu- 
fallig die  Anzeichnung  in  unseren  Texten  steht,  diejenigen 
Jahre  substituirt,  die  sich  aus  einer  Reconstruction  der  Liste  81 
nach  den  Amtsjahren  ergeben.  Bei  einer  solchen  kommen 
die  folgenden  Abstände  heraus:  zwischen  Euodios  und  Petrus 
+  3  Jahre  (5  Jahre  Lat.),  für  die  folgenden  Epochen  +  5, 
4-  4,  +  4,  -f  3,  +  4,  +  4,  -f  2  Jahre.  Mit  dem  ersten, 
scheinbar  dreijährigen,  Intervall  kann  es  seine  Richtigkeit 
haben,  da  Eusebios  die  Gewohnheit  hat,  bei  Beginn  neuer 
Regentenlisten  die  Ankündigung  derselben  und  Nennung  des 
Ersten  der  Reihe  nicht  bei,  sondern  vor  dem  ersten  Jahre 
anzumerken,  so  dass  nicht  2058,  sondern  2059  als  Anfangs- 
jahr des  Euodios  anzusehen  wäre;  und  das  Intervall  zwischen 
Sarapion  und  Victor  kann  leicht  Eusebios  selbst  auf  zwei 
Jahre  ermässigt  haben,  um  von  der  vierjährigen  Distanz  auf 
das  Zusammenfallen  der  Antrittsepochen  von  Asklepiades  und 
Callistus  überzuleiten.     So  würde  nur  in  zwei  Fällen,   bei 


550  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

Ignatios  and  Eros,  eine  Verschiebung  der  Anschrift  um  ein 
Jahr  angenommen  werden  müssen ,  was  keinem  Bedenken 
unterliegen  dürfte.  Wir  haben  also  festen  Boden  unter  den 
Füssen. 

Der  Africanussche  Ursprung  dieser  Synchronistik  föllt 
mit  der  Africanusschen  Herkunft  der  das  Vergleichungs- 
object  bildenden  romischen  Bischofsliste;  es  fragt  sich  aber, 
ob  es  überhaupt  uöthig  ist,  anzunehmen,  dass  Eusebios 
das  Schema  schon  vorgefunden  hat.  Der  Verfasser  folgert 
S.  10  f.  35flF.  aus  seiner  Bemerkung  über  die  J^usalemische 
Bischofsliste  zum  Jahre  2200^),  dass  er  für  die  Antiocheni- 
sehe  irgend  welches  chronologische  Material  vorgefunden 
habe,  und  zwar  seien  dies  nicht  die  Amtsjahre,  sondern  die 
Amtsantrittsjahre  gewesen.  Aber  dann  begreift  man  nicht, 
warum  er  sie  in  der  Kirchengeschichte,  nicht  eben  so  gut 
gab,  wie  die  Eaisergleichzeitigkeiten  der  Bischöfe  von  Rom 
und  Alexandria ;  kritische  Zweifel  an  der  Authenticitat  der 
Liste  sind  es  schwerlich,  die  ihn  davon  abgehalten  haben. 
Sowohl  im  Chronikon  als  in  der  Eirchengeschichte  (IV,  5)*) 
sagen  die  Worte  von  den  Bischöfen  von  Jerusalem  überhaupt 
aus,  aber  allerdings  beide  Male  in  einem  solchen  Znsammen- 
hange, dass  sie  sich  zunächst  nur  auf  die  älteste  Zeit,  im 
Chronikon  speciell  auf  die  bis  zur  zweiten  Amtszeit  des 
Narkissos,  beziehen;  von  Narkissos  an  sind  hier  die  An- 
trittsjahre der  Bischöfe  wirklich  eingetragen.  Die  Liste 
sieht  so  aus:  213  n.  Ch.  (210  n.  Ch.  Lai)  Alexander,  251 
(250  Lat.)  Mazabanos,  264  (265  Lat.)  Hymen äos,  299 
(298  Lat.)  Zabdas,  301  Hermon,  .  .  .  (312  Lat.)  Maka- 
rios.  In  der  Kirchengeschichte  VII,  14  sagt  uns  Eusebios, 
dass  Hymenäos  „sehr  viele  Jahre",  und  schon  bei  Lebzeiten 
des  Schreibenden,  Bischof  war,  Eirchengeschichte  VII,  32, 

1)  Tot  in  Hiemaälem  episcapis  constitutis  non  convenit  nobia 
singulorum  tempora  disponerej  eo  quod  non  invenimus  integros  annas 
praefecturae. 

2)  Tmv  ys  fiijv  iv  *JsQoaoXv(jLOLg  iitLanonmv  zovg  XQOvovg  ygatpy 
amiofiivovg  ovdufimg  evQOV  nofiidfj  yocQ  ovv  ßffaxvßCovg  avrovg  Xoyog 
Tiatixsir  ysvsad^ai. 


HARNACK,  DIE  ZEIT  DES  IGNATIüS.  551 

dass  des  Zabdas  Amtsdauer  ^^nicht  lange^'  währte^  und  dass  - 
unter  Hermon  die  Verfolgung  eintrat;  eine  Zeitgrenze  nach 
unten  Hess  sich  für  den  Antritt  des  Hymenäos  aus  seiner 
Theilnahme  an  der  Synode  entnehmen,  welche  die  Absetzung 
des  Paulos  von  Samosata  beschloss.  Der  Tod  des  Alexander 
im  Kerker  unter  Decius  war  ein  fester  Punkt.  Endlich  der 
Antritt  des  Alexander  ist  gerade  100  Jahre  vor  das  Ende 
der  Verfolgung  gesetzt,  schwerlich  mehr  als  eine  runde  Zeit- 
bestimmung in  Ermangelung  einer  genaueren.  Die  Liste 
enthält  somit  nichts,  was  nicht  der  in  Palästina  lebende 
Eusebios  aus  eigener  Kunde  wissen  konnte,  und  beweist, 
dass  sein  Zeugniss  über  das  Fehlen  von  Angaben  über  die 
Amtsdauer  der  Bischöfe  von  Jerusalem  buchstäblich  zu 
nehmen  ist«  Für  Antiochia  kann  aus  ihm  meines  Erachtens 
nichts  Anderes  folgen,  als  dass  es  hier  allerdings  eine 
Bischofsliste  mit  Jahren  gab,  die  aber  nicht  bis  zum  An- 
fange hinaufreichte:  und  das  ist  der  Grund,  warum  er  es 
weder  im  Chronikon  noch  in  der  Kirchengeschichte  für  der 
Mühe  werth  gehalten  hat,  ihre  Jahrreihe  gleich  der  römi- 
schen und  alexandrinischen  mitzutheilen;  denn  für  ihn  hatten  82 
diese  Listen  nur  insofern  Werth,  als  sie  den  Nachweis 
der  ununterbrochenen  apostolischen  Succession  der  Bischöfe 
lieferten.  Daraus  folgt  wiederum  mit  Nothwendigkeit,  dass 
die  ältesten  Ansätze  der  Antiochenischen  Bischofszeiten  von 
Eusebios  herrühren. 

Es  ist  von  Wichtigkeit,  zu  wissen,  wo  die  dem  Eusebios 
überlieferte  Liste  beginnt.  Die  Antwort  ist  durch  das  bisher 
Ermittelte  bereits  gegeben:  der  Abschnitt  ist  da^^wo  die  Syn- 
chronistik  mit  den  römischen  Bischöfen  aufhört,  also  zwischen 
Sarapion  und  Asklepiades.  Eine  sehr  bemerkenswerthe  Be- 
stätigung kommt  uns  von  Seiten  der  späteren  Listen,  die, 
wie  der  Verfasser  S.  60  richtig  bemerkt  hat,  bis  auf  Sara- 
pion von  Eusebios  abhängen,  von  da  ab  bis  zum  Schluss 
weit  auseinander  gehen:  nur  möchte  ich  dies  dahin  modi- 
ficiren,  dass  die  Uebereinstimmung  sich  bis  auf  Asklepiades 
erstreckt.  Um  die  Vergleichung  richtig  anstellen  zu  können, 
muss  zuvor  die  Liste  des  Eutychios  in  Ordnung  gebracht 


552  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

werden,  der  anderwärts  dem  XgovoyQafpetov  övvtofiov  am 
nächsten  steht ,  hier  aber  völlig  abzuweichen  scheint.  Es 
scheint  aber  nur  so:  indem  sein  Auge  von  Heron  auf  Eros 
abglitt,  erhielt  des  Ersteren  Nachfolger  Cornelius  die  Ajnts- 
zeit,  welche  Theophilos,  dem  Nachfolger  des  Eros,  zukam, 
und  die  Jahre  aller  folgenden  Bischöfe  wurden  so  um  zwei 
Stellen  verschoben;  als  er  bei  Fabius  angelangt  war,  waren 
keine  Amtszeiten  mehr  disponibel,  und  er  schaffte  solche  für 
ihn  und  seinen  Nachfolger  Demetrianos  durch  Wiederholung 
der  Jahre  ihrer  beiden  nächsten  Vorgänger,  elf  {eväsxa  statt 
ivvia)  und  acht,  wodurch  er  wieder  in  das  richtige  Geleis 
einlenkte.  Bei  Nikephoros  scheinen  die  23  Jahre  des  Euodios 
gegenüber  den  29,  welche  ihm  die  nächstverwandte  Liste  des 
Synkellos  giebt,  auf  ein  Gompromiss  mit  der  eigenthümlichen 
Antiochenischen  Tradition  bei  Jo.  Malalas  I  p.  325  Oxon. 
zurückzugehen,  wonach  Euodios  bis  zum  Weggange  des 
Petrus  unter  ihm  des  Bischofsamtes  waltete,  die  Anwesen- 
heit des  Petrus  daselbst  aber  in  die  Jahre  4 — 10  nach  der 
Himmelfahrt  fiel.  Die  übrigen  Schreibfehler  derselben  Liste 
sind  schon  vom  Verfasser  S.  57  berichtigt  worden.  Die  Listen 
vergleichen  sich  also  untereinander  in  folgender  Weise: 

Eusebios.  Synk.  und  Xqovüyq.  ovvx. 

Arm.     Lat.  Nikeph.  nnd  Eatjcb. 

2068  (2060).  1.  Euodios 27(25)J.     29  J.  (Petrua  11        27  J. 

2085.  2.  Ignatios 38  J. 

2123.  8.  Heron 21J. 

2144.  4.  Cornelius  ..  14  J. 

2168.  #Ero8 27  J. 

2185.  6.  TheophiloB.  8J. 

2193.  7.  Mazimos...  13  J. 

2206.  8.  Sarapion  ...  22  (21)  J. 
2228  (2227).  9.  Asklepiades. 

Die  Zahlen  des  Ignatios  und  des  Theophilos  beruhen 
auf  absichtlicher  Aenderung,  indem  dem  Ersteren  sechs  Jahre 
genommen  und  dem  Anderen  ebensoviele  zugelegt  worden 
sind;  die  übrigen  Differenzen  bei  den  Späteren  lassen  sich 
auf  abweichende  Anschriften   in   den  von   ihnen   benutzten 


u.  Euodios  23  J.) 

*30  J. 

*32J. 

20  J. 

20  J. 

18  J. 

14  J. 

26  J. 

26  J. 

♦13  J. 

*14  (16)  J. 

13  J. 

14(13)J. 

25  J. 

25  (21)  J. 

HAENACK,  DIE  ZEIT  DES  IGNATIUS.  .    553 

Exemplaren  des  Eusebios  zurückführen.  Von  Asklepiades 
an  gehen  Beide  völlig  eigene  Wege.  ^Die  bis  dahin  nach- 
weisbare üebereinstimmung  führt  darauf,  dass  auch  den 
Urhebern  der  späteren  Listen  für  die  Zeitrechnung  der 
Bischöfe  bis  mit  Sarapion  keine  andere  Quelle  zu  Gebote 
gestanden  hat  als  Eusebios. 

Es  leuchtet  ein,  dass  einer  Liste,  die  darauf  verzichtet, 
die  Chronologie  in  Zeiten  zurück  zu  verfolgen,  von  denen 
man  Sicheres  nicht  wohl  wissen  konnte,  ein  sehr  günstiges 
Yorurtheil  entgegenkommt.  Wenn  man  erwägt,  1)  dass  auch 
das  beste  nach  vollen  Jahren  abrundende  Verzeichniss,  so- 
bald die  Abrundung  nicht  planmässig  erfolgt  ist,  um  ein 
Jahr  ab  und  zu  gegen  die  richtige  Zeitrechnung  Verstössen 
kann,  2)  dass  nicht  der  geringste  Grund  vorliegt,  in  Fällen, 
wo  der  im  Cod.  Petavianus  vortrefiFlich  überlieferte  lateinische 
Text  gegenüber  dem  auf  eine  einzige  Handschrift  des  zwölften  83 
Jahrhunderts  zurückgehenden  armenischen  das  wahre  Datum 
bewahrt  hat,  immer  nur  an  eine  Correctur  des  Hieronymus 
zu  denken,  3)  dass  in  den  Ansätzen  einer  nicht  durch  eine 
nebenher  gehende  Verzeichnung  der  Amtsjahre  geschützten 
Liste  eine  Fehlerweite  von  1  —  2  Jahren  für  Abschreiber- 
versehen immer  offen  gelassen  werden  muss,  —  wenn  man 
dieses  Alles  erwägt,  wird  man  finden,  dass  die  Liste  allen 
billigen  Anforderungen,  die  man  an  sie  stellen  kann,  genügt. 
Die  Yeigleichung  ist  erst  möglich  geworden  durch  die  vom 
Verfasser  S.  42  —  55  gegebene  Herstellung  der  historischeu 
Zeitrechnung  der  Antiochenischen  Bischöfe,  eine  in  hohem 
Grade  anerkennenswerthe  Leistung  von  bleibendem  Werthe. 
Das  Ergebniss  ist  folgendes: 

Jahre  n.  Abr.        Jahre  n.  Gh.  Wahre 

Arm.         Lat.        Arm.      Lat.  Antrittszeit. 

(209).  9.  Asklepiades.  zw.  202—211. 

(216).  10.  Philetos. 

11.  Zebennos.  vor  231. 

(260).  12.  Babylas.  vor  249. 

(260).  13.  Fabius.  260. 

(261).  14.  Demetrianos.  252  oder  263. 


2228    (2227). 

210 

2238    (2234). 

216 

2246 

227 

2270 »)  (2268). 

262 

2270    (2268). 

262 

2272    (2269). 

264 

1)  Siebe  oben. 

554  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

Jahre  nach  Abr.  Jahre  n.  Gh.  Wahre 

Arm.  Lat  Arm.         Lat.  Anirittszeit. 

2278  od.  2277  *)    (2278).')  260  od.  269  (260).   16.  Paulos  v.  Samosata. 

2283              (2284).^)         265          (266).    16.  Domnoa.  zw.  266—268. 

(2288).            . . .          (270).   17.  TimaeoB. 

(2297).             . . .          (279).   18.  Kyrillos. 

(2319).             . . .          (801).   19.  TyrannoB.            303. 

fehlt             (2320).             —          (302).*)  unter  ihm  Ausbruch 

der  Verfolgung. 

Es  liegen  nur  zwei  wirkliche  Widersprüche  vor,  beim 
Antrittsjahre  des  Babylas  und  beim  Endjahre  des  Kyrillos. 
Das  Geschichtchen  des  Chronicon  Paschale  p.  503  Dind.^ 
dass  Baby  las  dem  christlichen  Kaiser  Philippas  wegen  des 
an  seinem  Vorgänger  begangenen  Mordes  den  Eintritt  in-  die 
Kirche  verwehrt  habe^  stammt  zwar  aus  einer  nicht  zu  ver- 
achtenden Quelle^),  enthält  aber  eine  so  handgreifliche  Un- 
möglichkeit;  dass  auf  den  daraus  abgeleiteten  Synchronismus 
schlechterdings  nicht  gebaut  werden  kann.  Das  Endjahr  des 
Kyrillos  beruht  auf  einer  Gombination  aus  der  Passio  SS.  IV 
Coronatorum,  nach  welcher  derselbe  unter  Diocletian  zur  Haft 
in  die  Bergwerke  abgeführt  worden  ist,  was  nur  beim  Aus- 
bruch der  Verfolgung  303  geschehen  sein  könne.  Gegen 
diese  Gombination  habe  ich  ernstliche  Einwendungen  zu 
machen.  Freilich  lassen  sich  mit  ihr  die  Worte  des  Eusebios 
,y(i€ta  d^  KvQillov  TvQavvog  trjg  ^Avxio%imv  ycaQOixiag  tiiv 

1)  2277  Abr.  hat  N.  2)  So  P.  3)  So  P. 

4)  Die  nur  im  lateiniBcheu  Texte  erhaltenen  Autrittsjahre  der 
letzten  Bischöfe  sind  in  der  Voraussetzung  directer  Herübemahme 
durch  Hieronymus  von  mir  nach  dem  in  diesem  Abschnitt  für  Eusebios 
geltenden  Verhältnisse,  wonach  von  den  Jahren  Abrahams  2018  ab- 
zuziehen ist,  reducirt  worden.  Trifft  die  Voraussetzung  nicht  zu,  so 
sind  alle  Daten  um  ein  Jahr  hinabzurücken;  für  das  Jahr  der  Ver- 
folgung ist  es  mit  Sicherheit  anzunehmen. 

5)  Der  nicht  genannte  Gewährsmann  der  Osterchronik  sagt:  xara 
Sia8o%riv  ^^  TjX^ey  bI^  rniäg  %al  xovto  nsgl  tov  ayCov  Baßvla^  mg 
9iTjYi^aaT0  totg  n^b  ruimv  6  fianplQiog  As6vxu)s  o  inicmonoq  'AvxioxiCag, 
Ihr  gewiss  gut  rechtgläubiger  Verfasser  hat  die  im  Grase  sich  ringelnde 
Schlange  nicht  bemerkt:  der  „selige"  Leontios  ist  kein  Anderer  als 
der  schlimme  Arianer,  der  349  —  358  den  Bischofssitz  von  Antiochia 
inne  hatte.    Der  Redende  kann  also  nur  Philostorgios  sein. 


HAßNACK,  DIE  ZEIT  DES  IGNATIÜS.  555 

inLiSxonriP  dudi^ato^  xa-ö*'  ov  i^xfiaösv  ^  täv  ixxXrj^iäv 
ÄoAtopxta"  (Kirchengeschichte  VII,  32)  dem  Wortlaute  nach 
vereinigen,  nicht  aber  dem  Geiste  nach:  der  Historiker  führt 
in  diesem  Capitel  die  Successionen  der  vier  Hauptkirchen 
bis  auf  den  Ausbruch  der  Verfolgung  herab  und  sagt  am 
Schluss  ausdrücklich,  er  schliesse  sie  hier  ab  (setzt  sie  auch 
in  der  That  in  den  drei  letzten  Büchern  nicht  weiter  fort); 
er  kann  also  mit  jenen  Worten  nichts  Anderes  gemeint 
haben,  als  dass  unter  Tyrannos  die  Verfolgung  eingetreten 
sei.  Eine  solche  positive  Aussage  des  Zeitgenossen  hat  ein 
ganz  anderes  Gewicht  als  eine  Schreibfehlern  ausgesetzte 
Anschrift  im  Gbronikon.  Kaum  minder  schwer  wiegt  aber 
hier  das  Argumentum  a  silentio :  in  einer  der  grossten 
Städte  der  damaligen  Welt  sollte  die  Verfolgung  damit  84 
erofiPnet  worden  sein,  dass  der  Bischof  in  die  Bergwerke 
abgeführt  wurde,  und  das  dollte  so  spurlos  an  der  Christen- 
welt vorübergegangen  sein,  dass  weder  Eusebios  noch  eine 
andere  Quelle  das  Geringste  davon  erfahren  hat?  Ich  meine, 
Kyrillos  ist  bei  einer  anderen  Gelegenheit  und  möglicher- 
weise aus  einem  Grunde,  aus  dem  von  christlicher  Seite 
Capital  nicht  geschlagen  werden  konnte,  zu  den  Bergwerken 
verurtheilt  worden ;~  eine  pracise  Zeitbestimmung  lässt  sich 
aus  der  Passio  SS.  IV  Coronatorum  dafür  nicht  ableiten. 

Für  die  ältere  Zeit,  aus  der  ihm  die  blossen  Namen 
überliefert  waren,  half  sich  Eusebios,  wie  gesagt,  durch  eine 
Synchronistik  mit  der  römischen  Bischofsliste.  Der  vier- 
jährige Abstand  bedarf  aber  einer  Erklärung,  da  ja  die 
völlige  Gleichsetzung  das  Natürliche  gewesen  wäre;  zu  dem 
Verdachte,  er  habe  durch  die  Differenzirung  nur  den  That- 
bestand  verdunkeln  wollen,  liegt  nicht  der  geringste  Grund 
vor.  Sie  fällt  um  so  mehr  auf,  als  gerade  bei  der  ersten 
und  der  letzten  Epoche,  in  denen  man  am  ersten  den  Grund 
der  durchgehenden  Verschiebung  zu  finden  erwarten  sollte, 
der  Antritt  des  Antiochenischen  und  des  römischen  Bischofs 
in  ein  Jahr  fallen:  nach  der  auch  dem  Eusebios^)  bekannt 


1)  Vgl.  die  Bemerkung  zum  Jahre  2065. 


556  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

gewordenen  Tradition  der  Äntiochener  trifift  der  Antritt  ihres 
ersten  Bischofs  zusammen  mit  dem  Weggange  des  Petrus 
nach  Rom,  und  der  erste  Antiochenische  Bischof,  über  dessen 
Zeit  Easebios  genauere  Kunde  hatte,  Asklepiades,  beginnt 
bei  ihm  im  gleichen  Jahre  mit  dem  romischen  Callistus. 
Es  bleibt  nur  die  Annahme  übrig,  dass  Eusebios  den  Ab- 
stand von  vier  Jahren  bei  einer  der  mittleren  Epochen  über- 
liefert gefunden  und  in  der  Meinung,  dem  Wahren  damit 
am  nächsten  zu  kommen,  als  Schablone  für  die  Recon- 
struction  der  früheren  und  späteren  Synchronismen  ver- 
werthet  hat.  Welche  Epoche  das  gewesen  ist,  kann  nicht 
zweifelhaft  sein,  wenn  man  sich  erinnert,  dass  abgesehen 
von  der  Namenliste  nur  zwei  Thatsachen  der  Antiocheni- 
sehen  Bischofsgeschichte  ihm  mit  jener  zugleich  überliefert 
worden  sind  und  eine  dieser  beiden  der  Märtyrertod  des 
Ignatios  ist  Es  darf  dies  als  um  so  sicherer  angesehen 
werden,  als  auch  in  der  Reihe  der  Bischöfe  von  Jerusalem 
ausser  dem  Ende  Jacobus'  des  Gerechten,  dessen  Zeitpunkt 
sich  aus  Josephos  entnehmen  liess,  der  Märtyrertod  des 
Simeon  unter  Trajan  das  einzige  Ereigniss  ist,  für  das  Eu- 
sebios ein  bestimmtes  Datum  zu  geben  gewagt  hat.  Er 
setzt  Beide  in  dasselbe  Jahr,  das  ihm  offenbar  als  Jahr  der 
Trajanischen  Verfolgung  überliefert  war  und  in  seinen  Augen 
einen  ebensolchen  Markstein  für  die  Chronologie  der  Bischofs- 
zeiten abgab,  wie  etwa  die  Verfolgung  des  Decius.  Es  ist 
das  Jahr  107  n.  Ch.,  dasselbe,  welches  das  Martyrium  Ignatii 
Colhertinum  c.  7  (p.  305,  31  ed.  Zahn)  durch  die  Consoln 
Sura  Senecio  IL  ausgedrückt  hat,  eine  Uebereinstimmung, 
die  sich  in  befriedigender  Weise  nur  daraus  erklären  lässt, 
dass  eben  diese  Zeitbestimmung  schon  dem  Eusebios  vor- 
gelegen hat.^) 


1)  Dass  dieses  Jahr  von  demselben  Martyrium  c.  2  (p.  802,  6) 
falschlich  mit  dem  neunten  Jahre  Trajans  statt  mit  dem  von  Eusebios 
richtig  angegebenen  zehnten  geglichen  wird,  ist  der  sicherste  Beweis, 
dass  seine  Daten  nicht  etwa  erst  durch  Rechnung  aus  diesem  gefunden 
sind.  Auch  die  Bolle,  welche  der  Aufenthalt  des  Trajan  in  Antiochia 
und  sein  Zug  gegen  Armenien  und  die  Parther  im  Mart,  Colbertinum 


HARNACK,  DIE  ZEIT  DES"  IGNATIUS.  557 

In  der  Erkläroiig,  die  ich  im  Vorstehenden  von  den 
vierjährigen  Intervallen  zu  geben  versncht  habe,  ist  schon 
ausgesprochen^  wie  ich  mich  zu  den  Folgerungen  stelle^  die 
der  Verfasser  von  S.  66  an  aus  seiner  schönen  Entdeckung 
für  die  Ignatiosfrage  gezogen  hat.  Sobald  die  Daten  für 
die  älteren  Antiochenischen  Bischöfe  sich  als  ein  künstlicher 
Schematismus  erweisen^  falle,  meint  der  Verfasser,  auch  der 
Synchronismus  zwischen  Ignatios'  Märtyrertod  und  Trajan;85 
ferner  scheine  die  Antiochenische  Bischofsliste,  da  sie  den 
Euodios  ohne  jede  nähere  Bestimmung  an  den  Anfang  stelle, 
nicht  mit  der  Absicht  construirt  zu  sein,  die  Geschichte  dieses 
Episkopats  bis  in  die  apostolische  Zeit  zurückzudatiren :  da 
nun  der  Zeitraum  von  etwa  75  Jahren  zwischen  dem  Tode 
des  Ignatios  und  dem  des  ersten  einigermassen  sicher  zu 
datirenden  Bischofs  Theophilos  (c.  185)^),  in  welchem  nur 
vier  Bischöfe  regiert  haben  sollen,  ein  auffallend  grosser  sei, 
so  sei  man  bei  der  Werthlosigkeit  der  überlieferten  Daten 
berechtigt,  die  Amtsdauer  der  vier  Bischöfe  auf  nur  etwa 

spielen,  verrathen  seine  Unabhängigkeit  von  Eusebios,  der  von  dem 
Allen  nicht  das  Geringste  weiss. 

1)  Der  Verfasser  glanbt  S.  43  f.  in  der  bei  Joannes  Malalas  wieder- 
holt angeführten  Chronographie  eines  Theophilos  die  Schrift  neifl  ferro- 
Qtav  wiedergefunden  zu  haben,  auf  die  der  Antiochenische  Bischof  an 
Tier  Stellen  der  BQcher  an  Autoljkos  verweist.  Hinsichtlich  dieser 
scheint  mir  aber  Erbes  in  den  Jahrbüchern  für  protestantische  Theo- 
logie V  8.  622 ff.  den  Beweis  geführt  za  haben,  dass  daranter  nichts 
als  das  jetzt  an  falscher  Stelle  stehende  III.  Bach  an  Autoljkos  zu 
verstehen  ist,  wenn  auch  sein  Versuch,  alle  zehn  Citate  des  Malalas 
ans  eben  diesem  uns  noch  erhaltenen  Werke  abzuleiten,  ganz  unhaltbar 
ist.  Selbst  an  den  beiden  Stellen,  zwischen  denen  die  Aehnlichkeit 
noch  am  grössten  zu  sein  scheint,  Theoph.  II,  81  und  Mal.  I  p.  71, 
ist  sie  lediglich  trügender  Schein:  Theophilos  hat  seinen  ersten  Pharao 
Kechaöth  aus  Jos.  B.  J.  V,  9,  4,  der  Narachö,  welchen  die  ägyptische 
Urgeschichte  bei  Malalas  und  seines  Gleichen  zum  Nachfolger  des 
Sesostris  ma«ht,  ist  identisch  mit  dem  Nencoreus,  Sohn  des  Sesosis 
bei  Plin.  N.  H.  XXXVI  §  74.  Der  Theophilos  des  Malalas  ist  ein 
später  Antiochenischer  Chronograph;  die  Possen  von  Demokrit,  der 
nach  I  p.  104  den  zukünftig  erscheinenden  Gott  Heiland,  Gottes  Sohn, 
Logos,  den  Leidlosen,  dem  Leiden  Unterworfenen,  geweissagt  haben 
soll,  scheinen  monophjsitische  Färbung  zu  tragen. 


558    RECENSION.  U.  ANZEIG.  HARNACK,  D.  ZEIT  D.  IGNATICS. 

48  Jahre  zu  berechnen,  und  komme  so  mit  dem  Tode  des 
Ignatios  hypothetisch  auf  c.  138,  unter  welcher  Voraus- 
setzung manche  gegen  die  Echtheit  der  Briefe  erhobene 
Bedenken  sich  erledigen  würden.  Die  Tradition  vom  Mar- 
tyrium des  Ignatios  im  zehnten  Jahre  Trajans  kann  echt 
sein  oder  auch  nicht  echt:  dass  aber  Eusebios  sie  gekannt 
haty  setzt  seine  Behandlung  der  Zeitrechnung  der  ältesten 
Antiochenischen  Bischöfe  mit  Nothwendigkeit  voraus. 

Ein  Excurs  S.  73  f.  behandelt  die  ältesten  römischen 
Bischofslisten  und  sucht  zu  zeigen,  dass  nicht  bloss  der 
vom  Verfasser  für  Africanus  genommene  Gewährsmann  des 
Eusebiosschen  Chronikon  eine  römische  Bischofsliste  bis  zum 
Tode  des  Eleutherus  besessen  habe,  die  mit  der  in  der 
Eirchengeschichte  verwendeten  wesentlich  identisch  gewesen 
sei,  sondern  auch  dass  überhaupt  er,  Eusebios  und  der  Cat. 
Liberianus  bis  zum  Amtsantritt  des  Victor  im  Wesentlichen 
übereinstimmen,  wodurch  das  Ergebniss  von  Lipsius  bestätigt 
wird,  dass  wir  in  der  ihnen  gemeinsamen  Liste  ein  zur  Zeit 
des  Victor  angefertigtes  Verzeichniss  der  römischen  Bischöfe 
zu  erkennen  haben.  Mit  diesem  Abschnitte  des  Baches  sind 
jetzt  die  neueren  Untersuchungen  zu  vergleichen^  die  Lipsius 
in  den  Jahrbüchern  für  protestantische  Theologie  VI  S.  80  fT. 
über  den  römischen  Bischofskatalog  der  Chronik  des  Philo- 
calus  angestellt  hat.  Den  Beschluss  macht  ein  Anhang 
S.  75  —  90,  welcher  Mittheilungen  giebt  über  einige  vom 
Verfasser  verglichene  Pariser  Handschriften  der  Passio  S, 
PolycarpU 


XV. 
lieber  die  Chronik  des  Josua  Stylites.'*') 

ClLToniqne  de  Josnö  le  Stylite,  ecrite  vers  Tan  515;  texte  eti4i7 
tradactioQ  par  Tabbe  Paulin  Martin.     Leipzig  1876. 
Brockhaus  in  Comm.    (2  Beilagen,  LXXXVI  und  82  S. 
gr.  8«.)    9  M. 

(Abhandinngen  für  die  Ennde  des  Morgenlandes  herausgegeben  von 
der  deutschen  morgenländischen  Gesellschaft  VI  No.  1.) 

Die  hier  zum  ersten  Male  herausgegebene  und  über- 
setzte Chronik  ist  von  Dionysios  von  Telmahr  (f  845) 
wortlich  und  allem  Anscheine  nach  unverkürzt  in  seine 
grosse  chronographische  Compilation  aufgenommen  worden; 
einzig  und  allein  in  einer  Vaticanischen,  aus  der  Nitrischen 
Wüste  stammenden  Handschrift  dieses  Werkes  aus  dem 
neunten  oder  zehnten  Jahrhunderte  hat  sie  sich  erhalten. 
Ihr  Verfasser  ist  der  Priester  Mar  Jeschrf,  Stylit  des  Klosters 
Zuqnin;  er  schrieb  das  den  anspruchslosen  Titel  ^^Becit  en 
forme  de  Chronique  des  mauz  qui  ont  assailli  Edesse,  Amid 
et  toute  la  M^sopotamie"  führende  Werkchen  auf  Aufforderung 
eines  Archimandriten,  an  den  es  auch  gerichtet  ist.  Seit  lange 
war  man  auf  diese  wichtige  Geschichtsquelle  aufmerksam 
geworden  y  und  wenn  die  neue  Ausbeute  aus  ihrer  nun- 
mehrigen vollständigen  Publicirung  nicht  so  bedeutend  ist, 
wie  man  vielleicht  hätte  meinen  sollen,  so  ist  das  lediglich 
dem  vom  Herausgeber  S.  IV  gebührend  anerkannten  Ver- 
dienste Assemanis  zuzuschreiben,  welcher  mit  dem  bewun- 
dernswürdigen Sinne  für  das  Wesentliche,  der  ihn  überall 
auszeichnet,   in   der  Analyse,   die   im   ersten  Bande   seiner 

*)  [Literarisches  Centralblatt  1876  S.  1417—1422.] 


560  UEBER  DIE  CHRONIK 

Bibliotheca  Orientalis  von  derselben  gegeben  ist,  bei  aller 
Kürze  doch  die  für  den  Historiker  wichtigsten  Nachrichten 
herauszuheben  verstanden  hat.  Immerhin  ist  das  erst  jetzt 
bekannt  Werdende  noch  wichtig  genug. 

Die  Chronik  hebt  mit  einer  Einleitung  an,  welche  die 
Gründe  des  Krieges  zwischen  Römern  und  Persern  zur  Zeit 
des  Anastasius  und  Qavad  auseinandersetzt  und  in  der 
Geschichte  beider  Reiche  bis  zum  Jahre  484  zurückgreift; 
diese  sachkundige  Erzählung  zeichnet  sich  vor  dem  ver- 
worrenen Gerede  des  Prokopios  über  dieselben  Dinge  vor- 
theilhaft  aus  und  gewährt  uns,  abgesehen  von  den  neuen 
Thatsachen,  wichtige  Einblicke  in  die  inneren  Zustände  des 
Sasanidenreiches;  wir  lernen  z.  B.,  dass  die  Ohnmacht  des 
Königs  BalascU  daher  kam,  dass  er  ausser  den  Soldaten 
auch  die  Magier  gegen  sich  hatte,  deren  Gebräuche  er  ab- 
schaffen wollte  (§  20),  und  erfahren  Näheres,  wie  es  in  der 
ersten  Regierungszeit  des  Qavad  drunter  und  drüber  ging, 
wie  verschiedene  Bergvölker  sich  gegen  ihn  erhoben,  wie 
sie  und  die  Araber  plündernd  das  Land  durchzogen  (§  23). 
Die  eigentliche  annalistische  Geschichtserzählung  beginnt  mit 
dem  Jahre  806  nach  Alexander  (495  n.  Gh.)  und  umfasst  die 
14l8dreizehn  Jahre  bis  818  (507);  verloren  ist  ein  Blatt  aus  der 
Geschichte  des  Jahres  817  (506).  Als  seine  Quellen  giebt 
Josua  §  26  an:  1)  Geschichtsbücher,  2)  Berichte,  die  er  von 
den  zwischen  beiden  Reichen  hin-  und  hergehenden  Gesandten 
vernommen,  3)  Erzählungen  von  Augenzeugen  der  Begeben- 
heiten. Einen  Einblick  in  die  Composition  des  Buches  ge- 
währen zwei  chronologische  Widersprüche.  §  28  ist  eine 
Notiz,  deren  Datirung  nur  für  Ostern  495  zutrifft,  unter 
dem  Jahre  496  eingetragen,  §  48  eine  andere,  deren  Zeit- 
charakterismus auf  den  22.  August  503  passt,  unter  502 
gestellt;  wenigstens  in  dem  letzteren  Falle  meint  der  Her- 
ausgeber, Josua  habe  sich  nicht  um  ein  ganzes  Jahr  irren 
können;  Referent  glaubt  aber,  man  hat  von  der  Regel  der 
chronologischen  Kritik,  dass  Zeitcharakterismen  bei  Weitem 
sicherer  sind  als  die  zufällige  Stellung  eines  Datums  in 
einem  Geschichtsbuche,  auch  hier  nicht  abzugehen,  vielmehr 


DES  JOSüA  STYLITES.  561 

anzunehmen^  dass  Josna  die  aus  verschiedenen  Quellen  als 
ihre  Umgebung  ihm  zugeflossenen  Notizen  in  beiden  Fällen 
in  einem  unrichtigen  Zusammenhange  untergebracht  hat. 
Einer  der  wichtigsten  Augenzeugen  ist  der  Autor  selbst;  er 
ist  Edessener,  den  Mittelpunkt  seiner  ganzen  Darstellung 
bildet  Edessa,  welches  während  des  ganzen  Krieges  der 
Hauptstützpunkt  der  romischen  Heere  war.  Der  Archi- 
mandrit  hatte  ihn  aufgefordert,  zu  schreiben  „sur  la  plaie 
des  sauterelles,  les  eclipses  de  soleü,  les  treniblements,  la  famine^ 
les  epidemies  et  la  guerre  des  Romains  avec  les  Perses*^  {%  1), 
und  nochmals  hebt  er  §  25  dessen  Bitte  hervor,  ihm  zu 
schreiben  „5wr  les  prodiges  qui  eureni  Heu  ä  cette  epoque,  sur 
la  plaie  des  sauterelles ,  sur  la  mortalite  et  sur  les  embrase- 
ments".  Diese  Dinge  nehmen  denn  auch  einen  breiten  Baum 
in  dem  Werkchen  ein,  das  dadurch  denselben  Stempel  auf- 
gedrückt erhalten  hat  wie  unsere  mittelalterlichen  Annalen 
oder  wie  die  Antiochenische  Stadtchronik  des  Joannes  Ma- 
lalas.  Dabei  ist  aber  Josua  doch  nicht  Stadtchronist  im 
engen  Sinne  des  Wortes,  sein  Horizont  ist  ein  ungleich 
weiterer  als  der  des  Malalas.  Aus  seinen  Schilderungen 
jener  Dinge  lernen  wir,  schon  weil  sie  sehr  ins  Detail 
gehen,  ungemein  viel  und  erfahren  mehr  vom  wirklichen 
Leben  des  romischen  Orientes  als  aus  irgend  einem  der  auf 
hohem  Kothurn  einherschreitenden  Geschichtswerke  jener 
Zeit;  beispielsweise  sei  daran  erinnert,  dass  Josua  vielfach 
den  Preis  für  den  Scheffel  Roggen,  den  Scheffel  Gerste  und 
das  Mass  Wein  angiebt,  und  zwar  nicht  bloss  in  Hunger- 
jahren. Besonders  werthvoU  ist  natürlich  seine  Darstellung 
des  Perserkrieges,  für  welchen  sein  Buch  unter  allen  Quellen 
den  ersten  Rang  einnimmt;  beiläufig  hat  sich  der  Heraus- 
geber durch  den  äusseren  Schein  täuschen  lassen,  wenn  er 
S.  II  die  Ansicht  ausspricht,  der  von  Josua  beschriebene 
Zeitraum  gehöre  zu  denen,  über  die  wir  aus  der  ganzen  alteni4l9 
Geschichte  am  besten  unterrichtet  seien.  Dies  ist  erst  von 
einer  etwas  späteren  Zeit  richtig;  unter  allen  von  ihm  dort 
aufgezählten  Historikern  kommen  nur  Marcellinus  Comes, 
Joannes  Malalas,  Prokopios  und  von  Späteren  Theophanes 

V.  QoTsoHMiD,  Klelno  Schriften.   II.  36 


:i 

■  I 


562  ÜBBER  DIE  CHRONIK 

neben  Josua  in  Betracht.  Ans  keinem  bekommt  man  ein 
so  anschauliches  Bild  von  dem  Belagerungskriege  jener  Zeit 
wie  aus  ihm,  nirgends  einen  besseren  Einblick  in  das  Ver- 
pflegungswesen der  römischen  Heere.  Wiederholt  wird  an- 
gegeben, wie  yiel  Tausend  Scheffel  Korn  die  Stadt  Edessa, 
mit  welcher  der  romische  Commandant  Contracte  darüber 
abgeschlossen  hatte,  zu  Paxamata  für  die  Soldaten  verbuk; 
auch  in  der  ganzen  Umgegend  wurden  die  Bäckereien  in 
Requisition  gesetzt;  einmal  ging  ein  höherer  romischer 
Officier  nach  Alexandrien,  um  von  dort  Paxamata  und  Brod 
kommen  zu  lassen  (§  71.  78).  Die  gothische  Einquartierung, 
welche  zu  sehr  auf  den  armen  arabischen  Bauern  lastete, 
wurde  später  den  Grundbesitzern  zugeschoben,  dabei  aber 
die  monatliche  Lieferung  für  je  zwei  Gothen  auf  ein  espodä 
(Bleigefass,  6novdBlov)  Oel,  200  Pfund  Holz,  ein  Bett  und 
eine  Matratze  normirt;  dies  hatte  eine  Meuterei  der  Gothen 
zur  Folge,  bei  welcher  der  römische  Dux  mit  genauer  Noth 
sein  Leben  rettete,  und  da  diese  nicht  bestraft  ward,  schal- 
teten die  Gothen  von  nun  an  nach  Belieben,  quartierten  sich 
in  den  Dörfern  und  den  Klöstern,  selbst  bei  den  Styliten  ein, 
tranken  den  Mönchen  ihren  Weinkeller  aus  und  trieben  in 
der  Trunkenheit  allerhand,  Anderen  und  ihnen  selbst  ver- 
derblichen Unfug  (§  95  ff.).  Auch  anderwärts  kommt  Josua 
auf  die  Zuchtlosigkeit  der  römischen  Soldaten  zu  sprechen, 
rügt  auch  einmal  die  Bestechlichkeit  der  Notabein  des  Ortes 
bei  der  Zutheilung  der  Quartierbillets  (§  87).  Den  Quell 
alles  Unheiles  sucht  Josua  in  den  Sünden  der  Menschen, 
namentlich  giebt  ihm  wiederholt  ein  „heidnisches'',  in  der 
Nacht  vom  Freitag  auf  den  Sonnabend  neun  Tage  vor  Ostern 
durch  Aufführung  von  Tänzen  im  Theater  und  Illumination 
von  den  Edessenern  gefeiertes  Fest  Aergerniss;  von  einem 
durch  den  Kaiser  gegen  die  Tänzer  ^ergangenen  Verbote  leitet 
er  den  Nachlass  der  Theuerung  ab  (§  47).  Unbeschadet 
dieses  frommen,  bei  einem  Geistlichen  sehr  erklärlichen 
Pragmatismus  verleugnet  er  doch  nie  den  gebildeten  Mann 
und  ist,  wie  man  schon  aus  der  Scheidung  der  drei  Arten 
von  Quellen,  die  er  benutzt  habe,  ersieht,  in  seiner  Weise 


DES  JOSÜA  STYLITES.  563 

ein  wirklich  kritischer  Geschichtsschreiber.  Angaben  wie 
diC;  dass  bei  einer  Hungerpest  aus  einem  Hospitale  in 
Edessa  fünf  Monate  lang  täglich  100,  120,  ja  130  Todte 
hinausgetragen  worden  seien  (§  44),  oder  wie  die  von  den 
Heuschrecken,  die  ein  kleines  Kind  gefressen  hätten  (§  39), 
stehen  durchaus  vereinzelt  da;  und  was  die  letztere  betri£Ft, 
so  werfe  unser  erleuchtetes  Jahrhundert  darum  keinen  Stein 
auf  den  armen  syrischen  Mönch :  seine  Heuschrecken  sind 
die  leibhaftigen  Geschwister  der  vor  etwa  drei  Jahren  in 
einem  geographischen  Unterhaltungsblatte  dem  deutschen 
Publikum  gebotenen  Papageien,  die,  von  einem  durch  Dar- 
wins Schule  gegangenen  Farmer  hinten  in  Neuseeland  sinn- 
voll dazu  angeleitet,  sich  zu  Carnivoren  umbildeten  und 
schliesslich  lebendigen  Schafen  Fetzen  Fleisches  aus  dem 
Leibe  rissen.  So  mancherlei  Prodigien  Josua  erzählt,  schwer- 
lich ist  es  zufällig,  dass  es  sich  das  einzige  Mal,  wo  er  einen 
Gewährsmann  namentlich  nennt  und  sein  Zeugniss  wortlich 
anführt  (§  69) ,  um  eine  Gans  handelt,  die  laut  Brief  der 
Geistlichkeit  von  Zengma  am  Charfreitage  504  ein  bekreuztes 
Ei  mit  der  Inschrift  iv  xovxfp  vioca  legte:  gewiss  soll  damit 
stillschweigend  die  Verantwortlichkeit  für  die  patriotische 
Handlung  der  Gans  den  geistlichen  Brüdern  überlassen 
werden.  Durchweg  macht  Josua  den  Eindruck  eines  wahr- 
heitsliebenden und  unparteiischen  Berichterstatters  von  hu- 
maner Gesinnung.  Es  liegt  eine  leise  Missbilligung  in  der 
Art,  wie  er  §  80  das  Umhauen  der  Fruchtbäume  auf  persi- 
schem Gebiete  durch  die  Römer  berichtet;  und  nachdem  er 
§  98  das  Schicksal  der  Gothen,  die  darauf  bestanden  hatten, 
sich  auf  dem  flachen  Dache  des  Klosters  einzuquartieren,l420 
und  von  denen  dann  Viele  in  der  Nacht,  sinnlos  trunken, 
vom  Dache  fielen  und  den  Hals  brachen,  mit  einer  keuschen 
Objectivität  berichtet  hatte,  die  nicht  errathen  lässt,  ob  sein 
Bedauern  mehr  dem  ausgetrunkenen  Weine  oder  den  ge- 
brochenen Hälsen  gilt,  fügt  er  gutmüthig  hinzu:  „//  y  avait 
neanmoins  dans  cette  armee  des  soldats  qui  vivaient  dune 
maniere  reglee.  Votre  Science  ne  Vignore  pas,  car  il  est 
impossible   que   dans   des   troupes   aussi  nomhreuses   il  ne   se 

36* 


564  UEBER  DIE  CHRONIK 

irouvät  pas  quelques  personnes  saffes".  Um  so  schwerer  wiegen 
aus  solchem  Munde  Aeusserungen  wie  die  §  87,  dass  die 
Romer  y  die  zu  ihnen  als  Befreier  gekommen  seien ,  sie 
beim  Kommen  und  Gehen  nicht  viel  anders  wie  Feinde 
ausgeplündert  hätten,  oder  §  80:  „Comme  je  sais  que  Votre 
Sainiete  examine  avec  soin  chaque  chose^  eile  comprendra 
facilement,  que  cette  guerre  fut  pour  les  Arabes  des  deux 
partis  vne  source  de  profit  et  qu'elle  re'alisa  leurs  de'sirs  dans 
les  deux  royaumes'^  Auf  solche  directe  Interpellationen  hat 
man  zu  achten,  sie  treten  bei  Josua  fast  immer  da  ein,  wo 
es  sich  um  herrschende  Ansichten  handelt,  für  die  der 
Adressat  gewissermassen  zum  Zeugen  aufgerufen  wird;  der 
Historiker,  der  die  Situation  und  die  Stimmungen  jener  Zeit 
studieren  will,  erhält  in  ihnen  sehr  werthvoUe  Winke.  Aus 
diesen  lernt  man,  dass  die  öffentliche  Meinung  in  Mesopota- 
mien im  Allgemeinen  den  Römern  ungünstig  und  dass  die 
Ansicht  sehr  verbreitet  war,  Kaiser  Anastasios  habe  den 
Krieg  mit  den  Persern  muthwillig  provocirt.  Dieser  Ansicht 
will  (und  das  ist  der  einzige  Punkt,  in  welchem  bei  dem 
ohne  Hass  und  Liebe  schreibenden  Chronisten  eine  bestimmte 
Tendenz  wahrzunehmen  ist)  Josua  durch  sein  Buch  entgegen- 
treten und  nachweisen,  dass  vielmehr  die  Perser  der  schuldige 
Theil  gewesen  seien.  Die  Apologie  ist  indess  bei  der  grossen 
Aufrichtigkeit  des  Mannes  so  ausgefallen,  dass  wir  aus 
den  angeführten  Thatsachen  eher  zu  dem  entgegengesetzten 
Schlüsse  gelangen  werden,  dass  nämlich  die  Perser  den 
Krieg  eröffneten,  nachdem  sie  von  den  Römern  in  eine 
Nothlage  versetzt  worden  waren.  Denn  wir  können  dem 
Grunde,  die  Perser  hätten  Nisibis  nach  Ablauf  der  120jährigen 
Frist,  auf  welche  es  von  Jovian  abgetreten  worden,  den 
Römern  nicht  zu]:ückerstattet,  das  Gewicht  nicht  beilegen, 
welches  Josua  ihm  beigelegt  hat;  es  ist  doch  schwerlich 
Zufall,  dass  kein  dem  Jovian  gleichzeitiger  Historiker  von 
einer  Abtretung  der  Stadt  auf  Zeit  etwas  weiss  und  dass 
die  120  Jahre  genau  in  dem  Jahre  ablaufen,  in  welchem 
König  Phirüz  in  der  Schlacht  gegen  die  weissen  Hunnen 
verschollen    und    das    persische    Reich    an    den    Rand    des 


DES  JOSÜA  STTLITES.  565 

Unterganges  gebracht  worden  war.  Josua,  der  allein  die 
Angabe  hat  (§  8),  hat  sicher  an  ihre  Richtigkeit  geglaubt; 
wir  können  darin  nur  eine  Behauptung  sehen,  die  erst  da- 
mals Ton  romischer  Seite  absichtlich  in  Umlauf  gesetzt 
worden  ist.  In  dem  ganzen  Buche  kommt,  was  bei  einem 
syrischen  Mönche  sehr  anzuerkennen  ist,  nichts  von  theo- 
logischem Gezänk  und  keine  Silbe  von  den  zwei  Naturen 
Yor,  was  es  Assemani  möglich  gemacht  hat^  ihn  als  Katho- 
liken zu  reclamiren;  der  Herausgeber  hat  vollkommen  Rechty 
dies  im  Hinblicke  auf  die  damaligen  kirchlichen  Zustände 
Syriens  für  sehr  unwahrscheinlich  zu  erklären  und  in  Josua 
einen  Monophysiten  zu  erkennen  (S.  V).  Unter  diesen  Um- 
ständen kann  die  grosse  Unbefangenheit,  mit  der  er  über 
die  Kaiser  Zeno  und  Anastasios,  die  beiden  Beschützer  der 
Monophysiten,  urtheilt,  nicht  genug  anerkannt  werden.  Von 
der  Schlechtigkeit  des  Zeno  redet  er  unverhohlen  (§  15); 
den  Anastasios  nimmt  er  zwar  in  Schutz  gegen  „quelques 
hommes  insenses",  welche  ihm  die  Verantwortlichkeit  für 
den  Perserkrieg  in  die  Schuhe  schöben  (§  6),  und  billigt 
es,  dass  er  die  weitere  Zahlung  der  zum  Zwecke  der 
Yertheidigung  der  Grenze  gegen  die  Kaukasusvölker  aus- 
gemachten Subsidien  an  die  Perser  verweigert  habe:  „que 
ceux  donc*^,  sagt  er  §  22,  „qui  le  hläment  (Tavoir  refuse  de 
donner  de  Vor,  bläment  plutöt  celui  qui  reclama  avec  violence 
ce  qui  ne  lui  appartenait  poinf^i  allein  er  verschweigt  nicht^l42i 
wie  schwer  es  Anastasios  fiel,  sich  vom  Gelde  zu  trennen, 
und  erzählt  Dinge  von  ihm,  die  wir  zwar  nur  in  der 
Ordnung  finden,  die  aber  von  den  Zeitgenossen  schwerlich 
gebilligt  wurden,  z.  B.  dass  er  einen  Bischof,  der  nach 
Gonstantinopel  gekommen  war,  um  vom  Kaiser  Erlass  der 
Abgaben  für  das  von  Krieg  und  Hungersnoth  schwer  heim- 
gesuchte Edessa  zu  erbitten,  hart  anliess,  wie  er  in  einem 
solchen  Augenblicke  seine  Heerde  habe  im  Stiche  lassen 
können,  dann  aber  durch  eine  andere  Mittelsperson  und 
hinter  dem  Rücken  des  Bischofs  den  ersehnten  Erlass  ver- 
kündigen Hess  (§  79),  und  am  Schlüsse  des  Buches  findet 
sich  der  merkwürdige  Passus:  „Si,  ä  la  fin  de  sa  vie,  Pem- 


566  UEBER  DIE  CHRONIK 

pereur  Anastase  s'est  montre  sous  un  autrc  aspect,  que  personne 
ne  s'offense  de  nos  eloges  et  qu'on  se  rappeile  ce  qtie  fit  Salo- 
mon  a  la  fin  de  ses  jours"  (§  103).  Trotz  desselben  hat  der 
Herausgeber  S.  IV  f.  aus  dem  Umstände,  dass  bei  der  Nennung 
des  Comes  Justinus  §  82  jeder  Hinweis  fehlt,  dass  dies  der 
spätere  Kaiser  sei,  gefolgert,  Josua  habe  bei  Lebzeiten  des 
Anastasios  zwischen  510  —  515  geschrieben.  Referent  hält 
dies  nicht  für  wahrscheinlich;  ein  so  rücksichtslos  die  Wahr- 
heit sagendes  Buch  musste,  unter  dem  frischen  Eindrucke 
der  Ereignisse  veröffentlicht,  nach  allen  Seiten  hin  verletzen 
und  dem  Verfasser  und  seinem  Kloster,  wo  nicht  Gefahr, 
doch  Unannehmlichkeiten  bereiten;  wozu  noch  kommt^  dass 
sich  in  der  Chronikenliteratur  der  späteren  Kaiserzeit  mehr 
und  mehr  die  anständige  Sitte  eingebürgert  hatte,  die  Ge- 
schichte nicht  über  den  Antritt  des  regierenden  Kaisers 
hinabzuführen.  Vielmehr  glaubt  Referent,  dass  das  Buch 
zwar  unter  dem  frischen  Eindrucke  der  Ereignisse,  also 
wohl ,  noch  507 ,  verfasst ,  aber  erst  nach  dem  Tode  des 
Anastasios  518  veröffentlicht  worden  ist;  zu  einer  Zeit,  wo 
in  Folge  des  eingetretenen  Systemwechsels  Alles  über  Ana- 
stasios herfiel,  musste  das  Buch  in  seiner  schlichten  und 
ehrlichen  Darstellungsweise  die  beste  Schutzschrift  für  den 
todten  Wohlthater  sein. 

Zu  der  Ausgabe  des  Textes  hat  der  Herausgeber  ausser 
einer  Liste  der  bei  Josua  vorkommenden  neuen  oder  wenig 
bekannten  Wörter  eine  möglichst  wörtliche  französische 
Uebersetzung  hinzugefügt  und  sehr  zweckmässiger  Weise 
eine  Paragrapheneintheilung  eingeführt,  welche  für  Text 
und  Uebersetzung  dieselbe  ist.  Die  in  der  letzteren  befolgte 
Transscription  der  Namen  ist  die  im  Französischen  übliche; 
dass  Qoph  durch  qu,  statt  durch  blosses  q,  wiedergegeben 
wird,  ist  eine  Neuerung,  die  keine  Nachahmung  verdient 
Der  Uebersetzung  sind  ganz  kurze  sachliche  Anmerkungen 
beigegeben,  welche  namentlich  Verweise  auf  die  Parallel- 
stellen der  übrigen  Historiker  und  besonders  auf  die  Werke 
von  Tillemont  und  Lebeau  enthalten;  das  nicht  Viele,  was 
seitdem  aus  Zacharias  von  Mytilene  u.  A.  neu  hinzugekommen 


DES  JOSUA  STYLITES.  567 

ist^  findet  sich  nachgetragen,  so  dass  für  den  bequemen 
Gebrauch  des  Historikers  gesorgt  ist.  Aufgefallen  ist  dem 
Referenten  die  Bemerkung  zu  S.  LVII,  die  Provinz  Beith 
Oromoi'e  sei  nicht  bekannt:  Beth  Armaje  (denn  so  ist  zu 
yocalisiren)  ist  die  mehrfach  vorkommende  Eernprovinz  des 
persischen  Reiches^  in  der  Seleukeia,  Ktesiphon,  Koche  und 
Mahüza  lagen;  vgl.  Nöldeke  in  der  Zeitschrift  der  deutschen 
morgenländischen  Gesellschaft  XXY  S.  113  ff.  Ein  Sprach- 
gebrauch ^  auf  den  der  soeben  genannte  Gelehrte  den  Re- 
ferenten aufmerksam  gemacht  hat,  liegt  wohl  §  40  vor,  wo 
der  Herausgeber  übersetzt:  „et  dispensa  les  hahitants  de  la 
ville  de  fournir  de  Veau  aux  Romains^' \  hier  und  in  vielen 
anderen  Fällen^  wo  das  Wort  in  dem  Buche  vorkommt,  lässt 
sich  Rhomoje  geradezu  durch  ,, Soldaten''  wiedergeben:  so 
sagt  man  in  Esthland  von  Einem  ^  der  zu  den  Soldaten 
genommen  worden  ist,  er  sei  Russe  geworden.  §  10  ist 
Kunoje  als  Name  der  Hunnen,  gegen  die  Phirüz  Krieg 
geführt  hat,  schwerlich  richtig,  sondern  in  Kushanoje  zu 
verbessern.  Sodann  ist  der  Eigenname  Metronin  §  18  wohl 
aus  Saturnin  entstellt.  Die  gänzlich  unbekannten  Tamuroj§, 
die  während  der  Wirren  unter  Qavad  von  ihren  Bergen 
herabstiegen,  um  zu  plündern,  kommen  allerdings  zweimal 
vor,  §  23  und  25,  so  dass  möglicherweise  Josua  selbst  denl422 
Namen  verlesen  oder  verhört  hat;  es  sind  aber  doch  wohl 
keine  Anderen  als  die  Bewohner  von  Taberistan  gemeint 
und  Tapuroje  ist  der  richtige  Name.  Referent  musste  sich 
der  Natur  der  Sache  nach  darauf  beschränken,  auf  die 
Wichtigkeit  der  neuerschlossenen  Geschichtsquelle  hinzu- 
weisen; eine  Kritik  der  Ausgabe  zu  geben  liegt  ausserhalb 
seiner  Gompetenz;  zudem  ist  soeben  eine  solche  von  sach- 
kundigster Seite  erschienen,  nämlich  von  Nöldeke  in  der 
Zeitschrift  der  deutschen  morgenländischen  Gesellschaft  XXX 
S.  351  ff. 


XVI. 
iDie  Nabatäische  Landwirthschaft  und  ihre  Geschwister.'^) 

Seitdem  es  bekannt  geworden  war,  dass  Herr  Professor 
Chwolson  das  von  Quatrem^re  nur  theilweise  und  oberfläch- 
lich untersuchte  Original  der  Nabatäischen  Laudwirthschaft 
und  anderer  von  Ibn  Wahshijjah  ans  Licht  gezogener  naba- 
taischer  Schriften  einer  genauen  Prüfung  unterzogen  habe 
und  für  die  Herausgabe  vorbereite,  herrschte  allgemein  das 
grösste  Interesse  fUr  dieses  unternehmen,  und  die  Erwar- 
tungen wurden  namentlich  durch  die  Yerheissungen  des 
künftigen  Herausgebers,  der  sich  durch  sein  Werk  „Die 
Ssabier  und  der  Ssabismus'^  der  Gelehrtenwelt  als  tüchtigen 
Forscher  über  die  Ausgänge  des  orientalischen  Heidenthums 
und  als  wohlbewanderten  Kenner  der  Literatur  dieser  Zeit 
empfohlen  hatte,  auf  das  Höchste  gespannt.  Auch  ich  habe 
diese  Auffassung  mit  anderen  Wohlmeinenden  getheilt  und 
ihr  in  meinen  „Beiträgen"  S.  52  Worte  geliehen.  Nach  dem 
Erscheinen  von  Chwolsons  Schrift  „üeber  die  üeberreste  der 
altbabylonischen  Literatur  in  arabischen  üebersetzungen^ 
(Petersburg  1859.  4^.)  ward  ich  allerdings  vollkommen  er- 
nüchtert, glaubte  es  aber  Fachmännern  überlassen  zu  können, 
die  über  diesen  Punkt  herrschenden  Illusionen  zu  zerstören. 
Da  aber  die  günstige  Auffassung  Chwolsons  ziemlich  viel 
Beifall  gefunden  hat,  da  Mähner  wie  Bunsen,  Ewald,  Spiegel, 
so  sehr  sie  auch  in  ihren  Ansichten  über  das  Alter  und  den 
Grad  der  Authenticität  jener  Schriftwerke  auseinandergehen, 
doch  darin  übereinstimmen,  dass  hier  wirkliche  Reste  einer 


*)  [Zeitschrift  der  deutschen  morgenländiachen  Gesellschaft  XV. 
Band  (1860)  S.  1—110.] 


DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAPT.  569 

eigenen  nabatäischen  Literatur  vorliegen  ^),  da  man  endlich, 
wie  ich  höre,  schon  anfangt,  Ihn  Wahshijjahs  Uebersetzungen  2 
als  Quelle  zu  citiren,  so  halte  ich  es  nicht  nur  für  sehr  an 
der  Zeit,  sondern  geradezu  für  Pflicht,  mit  dem  Urtheile, 
welches  ich  mir  in  dieser  Frage  gebildet  habe,  vor  die 
Oeffentlichkeit  zu  treten.  Ich  verhehle  es  mir  nicht,  dass 
ich  den  Kampf  unter  nicht  eben  günstigen  Auspicien  auf- 
nehme: abgesehen  von  jenen  schwerwiegenden  Präjudicieu, 
die  mir  hier  entgegenstehen,  abgesehen  von  der  Unzuläng- 
lichkeit des  Materials,  sieht  Chwolson  S.  3  den,  Grund  der 
Yon  ihm  erwarteten  heftigen  Opposition  darin,  dass  durch 
seine  Ansichten  eine  Unzahl  von  Hypothesen  und  allgemein 
recipirten  historischen  Annahmen  umgestossen  werden  würde, 
schiebt  somit  gleich  von  vomfaerein  seinem  Gegner  ein  un- 
wissenschaftliches Motiv  imter.^)  Und  da  derselbe  S.  44 
schon  im  Voraus  über  gewisse  biblische  Kritiker  spottet, 
die  das  Werk  in  die  Zeit  des  Nabopolassar  oder  Sanherib 
herabzurücken  geneigt  sein  könnten,  so  ist  wenig  Hoffnung 
vorhanden,  dass  die^von  mir  hier  zu  entwickelnde  Ansicht 


1)  Nur  Renan  theilt  in  seinem  in  der  Bevne  Germaniqne  X  (1860) 
p.  136—166  erBchienenen  Aufsätze  Chwolsone  Optimismus  hinsichtlich 
der  nabatäischen  Schriftwerke  durchaus  nicht.  Leider  habe  ich  die 
Arbeit  dieses  ausgezeichneten  Forschers  zur  Zeit  noch  nicht  erlangen 
können;  nach  einigen  Andentungen,  die  mir  über  sie  zugekommen 
sind,  ist  Renan  im  Frincip  zu  demselben  Ergebnisse  gelangt  wie 
Meyer,  der  in  dem  trefflichen  Abschnitte  seiner  „Geschichte  der 
Botanik"  III  S.  43 ff.  die  Nabat&ische  Landwirthschaft  für  ein  sich 
trflglich  in  eine  ältere  Zeit  yersetzendes  Machwerk  erklärt  hat.  Nur 
setzt  es  Renan  in  das  sechste,  Meyer  etwa  in  das  zweite  Jahrhundert 
n.  Ch. 

2)  In  einer  noch  entschiedeneren,  den  Leser  oft  peinlich  beräh- 
renden  Weise  hat  Chwolson  diese  Verdächtigungen  wiederholt  in  der 
Schrift  „Ueber  Tammüz  und  die  Menschenverehruog  bei  den  alten 
Babyloniem",  Petersburg  1860.  8^  Diese  Studie,  die  ich  erst  un- 
mittelbar nach  Vollendung  des  yorstehenden  Aufsatzes  erhielt,  hat 
mich  nicht  in  die  Nothwendigkeit  versetzt,  auch  nur  ein  Wort  an 
demselben  zu  ändern,  wohl  aber  eine  ganze  Reihe  der  erwünschtesten 
Bestätigungen  für  meine  Ansicht  geliefert,  von  denen  ich  die  haupt- 
sächlichsten noch  habe  nachtragen  können. 


570  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

vor  Chwolson  Gnade  finden  werde.  Doch  das  Bewusstsein, 
hier  eine  gewissenhaft  erworbene  Ueberzeugung  zu  vertreten^ 
hebt  mich  über  dergleichen  Bedenken  hinweg. 

I. 

Vorbemerkungen. 

Chwolson  wirft  im  Eingange  die  Fragen  auf,  ob  die 
Babylonier  (denn  das  sind  die  Nabatäer  des  Ibn  Wahshijjah) 
schon  in  alter  Zeit  eine  ausgebreitete  Literatur  besassen  und 
ob  diese  schon  zu  einer  Zeit  blühte,  als  die  Griechen  noch 
kaum  mit  den  Elementen  des  Wissens  bekannt  waren,  und 
bejaht  beide.  Versteht  man  darunter  eine  in  dem  Masse 
ausgebreitete  Literatur,  wie  es  die  anderer  alter  semitischer 
Culturvölker  ist,  der  Hebräer,  Phönicier,  Syrer,  und  präcisirt 
die  nur  scheinbar  unverfängliche  zweite  Frage  dahin,  ob  die 
Entwickelung  der  babylonischen  Literatur  über  das  Zeitalter 
der  Homerischen  Gedichte  hinaufreicht,  so  stimme  ich  Chwol- 
son unbedenklich  bei  und  zweifle,  dass  irgend  ein  mit  dem 
Entwickelungsgange  des  alten  Orients  vertrauter  Historiker 
jene  Frage  mit  „Nein"  beantworten  wird.  Allein  diese  Frage 
hat  mit  der,  welche  uns  hier  beschäftigt,  ob  das,  was  uns 
Ibn  Wahshijjah  als  Geistesprodukte  der  alten  Nabatäer  bietet, 
Sauch  wirklich  üeberreste  jener  altbabylonischen  Literatur 
sind,  nicht  das  Mindeste  zu  schaffen,  darf  daher  ganz  bei 
Seite  bleiben. 

Vier  Schriften  sind  es,  die  uns  in  der  arabischen  Ueber- 
setzung  des  Ibn  Wahshijjah  erhalten  sind:  1)  das  bei  Weitem 
wichtigste  Buch  über  die  Landwirthschaft  der  Nabatäer, 
dessen  Autor  Qüthsämi  nach  Chwolson  im  vierzehnten  Jahr- 
hundert V.  Ch,  lebte;  2)  das  Buch  von  den  Giften,  von  Jär- 
büqä  noch  vor  Qüthsämis  Zeit  verfasst;  3)  das  Buch  über 
die  Bilder  der  Grade  der  Sphären  und  über  das,  was  sie 
über  die  Umstände  der  in  denselben  Geborenen  anzeigen, 
von  Thenkelöshä  dem  Babylonier  herrührend,  den  Chwolson 
spätestens  in  das  erste  Jahrhundert  n.  Ch.  setzt;  4)  Frag- 
mente des  Buches  von  den  Geheimnissen  der  Sonne  und  des 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  571 

Mondes^  welches  nach  der  Yermuthang  desselben  Gelehrten 
eine  Verschmelzung  zweier  uralter  Schriften  des  Asqülebithsä 
nnd  des  Adami  war. 

IL 

Das  Yerhältniss  der  nabatäischen  Verfasser  zu  ihren 

Gewährsmännern. 

Hinsichtlich  des  Verhältnisses  aller  dieser  Schriften  zu 
ihren  Quellen  liegen  widersprechende  Angaben  vor.  Der 
Grundstock  der  Nabatäischen  Landwirthschaft  soll  nach  der 
Vorrede  des  arabischen  Uebersetzers  von  Dzaghriths  her- 
rühren. Janbüshäd  habe  gar  nichts  in  den  Worten  und 
der  Anordnung  seines  Vorgängers  geändert,  sondern  nur  zu 
einem  jeden  Capitel  Zusätze  gemacht,  Qüthsämi  endlich  habe 
in  derselben  Weise  das  Werk  zu  Ende  geführt  (S.  20):  aus 
dem  Werke  selber  stellt  sich  aber  heraus,  dass  dies  gar 
nicht  der  Fall,  Qüthsämi  vielmehr  der  einzige  Verfasser  ist, 
der  nur  von  seinen  Vorgängern  jene  beiden  am  häufigsten 
citirt  hat,  wie  dies  Ghwolson  S.  21  ff.  nachgewiesen  hat. 
Das  Buch  von  den  Giften  ist  nach  der  Vorrede  eine  Com- 
pilation  aus  zwei  chaldäischen  Schriften,  von  denen  die  ältere, 
weniger  vollständige  einen  gewissen  Sühäbsät  und  die  jüngere, 
aber  vollständigere  und  ausführlichere  Järbüqä  zum  Verfasser 
habe:  in  der  That  aber  besteht  der  Kern  des  ganzen  Buches 
aus  dem  Werke  Järbüqäs,  aus  der  anderen  Schrift  werden 
nur  einzelne  Stellen  mitgetheilt  (S.  118).  Endlich  deuten 
zwei  Stellen  an,  dass  das  Buch  über  die  Bilder  der  Grade 
der  Sphären  schon  lange  vor  Thenkelöshä  verfasst,  dieser 
bloss  der  Herausgeber  desselben  gewesen  sei,  dagegen  docu- 
mentirt  sich  Thenkelöshä  anderwärts  auf  das  Deutlichste  als 
einziger  Verfasser  (S.  149).  Ghwolson  sucht  diese  Wider- 
sprüche durch  die  Annahme  zu  heben,  dass  Ibn  Wahshijjah 
ein  Wort  wie  „Wissenschaft"  fälschlich  durch  „Buch"  wieder- 
gegeben habe;  allein  das  ist  nicht  eben  wahrscheinlich,  da 
der  Uebersetzer  seine  Originale  doch  zu  gut  kennen  musste, 
als  dass  er  in  einen  solchen  Irrthum  hätte  verfallen  können. 


572  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

^Die  nächstliegende  Erklärung  wäre  die^  dass  jene  Stellen 
gar  nicht  von  Ihn  Wahshijjah  herrührten,  sondern  Yon 
seinem  Schüler  Abü-Tälib  ez-Zajjath,  der  die  übersetzten 
Schriften  nach  dem  Tode  des  Lehrers  herausgab;  sind  sie 
aber  als  von  Ihn  Wahshijjah  herrührend  ausdrücklich  be- 
zeichnet, so  lässt  sich  bloss  annehmen ,  dass  derselbe  den 
Mund  Yollnahm  und  uralte  in  den  von  ihm  ans  Licht 
gezogenen  Werken  angeführte  Gewährsmänner  als  Mit- 
verfasser aufzählte,  um  seiner  Arbeit  eine  erhöhte  Wichtig- 
keit zu  verleihen.  Soviel  ist  durch  die  Untersuchungen 
Chwolsons,  welcher  hier  als  der  Einzige,  der  bis  jetzt  die 
Originale  der  Schriften  Ibn  Wahshijjahs  untersucht  hat, 
competenter  als  irgend  ein  Anderer  ist,  sichergestellt,  dass 
die  fraglichen  Schriften  sich  in  der  That  als  Werk  des 
Qüthsämi)  Jarbüqä,  Thenkelosha  ankündigen,  und  dass  jene 
widersprechenden  Angaben  der  Vorreden  zum  Beweise  für 
die  Berechtigung  einer  Scheidung  älterer  und  jüngerer  Be- 
standtheile  in  jenen  Schriften  unbrauchbar  sind.  Es  handelt 
sich  einfach  darum:  1)  ob  die  Zeit,  in  welche  sich  Qüth- 
sämi,  Jarbüqä,  Thenkelosha  versetzen,  von  Chwolson  richtig 
bestimmt  worden  ist?  2)  ob  sie  in  der  Zeit,  in  der  sie 
geschrieben  haben  wollen,  auch  geschrieben  haben  können? 

IIL 

Die  Verwandtschaft  der  nabatäischen  Schriften 

untereinander. 

Alle  diese  Schriften  zeigen  eine  grosse  Verwandtschaft 
untereinander:  es  kehren  dieselben  biblischen  Figuren  (Adami, 
Achnochä,  Sämä)  wieder,  dieselben  griechischen  (Ermisä),  es 
werden  dieselben  babylonischen  Autoritäten  (Dewänät,  Re- 
wähtä)  angezogen,  dieselben  Lieblingsthemas  werden  wieder- 
holt, z.  B.  die  Polemik  gegen  blutige  Opfer,  endlich,  was 
wichtiger  als  diese  Einzelheiten  ist,  überall  bewegen  wir 
uns,  wie  schon  Chwolsons  Analysen  hinreichend  zu  erkennen 
geben,  in  demselben  eigenthümlichen  Dunstkreise,  der  für 
mich   wenigstens   nichts   Erquickliches   hat   und   schwerlich 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  673 

geeignet  ist^  dem  Leser  Vertrauen  zu  erwecken.  Mich  däucht, 
als  könnten  selbst  die  Yertheidiger  der  Echtheit  aller  dieser 
Schriften  der  von  ihnen  vertretenen  Sache  nur  nützen^  wenn 
sie  eine  zu  einer  bestimmten  Zeit  vorgenommene,  sich  über' 
alle  vier  erstreckende  Ueberarbeitung  annähmen.  Trotzdem 
werden  wir  das  Buch  des  Thenkelösha  für  eine  abgesonderte 
Prüfung  aufsparen,  einerseits  weil  Ghwolson  zwischen  der 
Abfassungszeit  der  Nabatäischen  Landwirthschaft  und  des 
genethlialogischen  Buches  einen  Zwischenraum  von  anderthalb 
Jahrtausenden  annimmt,  uns  also  Parteilichkeit  gegen  Qüth- 
sämi  vorwerfen  konnte,  andererseits  weil  uns  umgedreht 
Thenkelöshäs  Sache  nicht  ganz  so  verzweifelt  zu  stehen 
scheint  wie  die  des  Qüthsämt  Wir  beschränken  also  vor- 
erst die  Untersuchung  auf  die  Landwirthschaft  und  die  5 
Bücher  von  den  Giften  und  von  den  Geheimnissen  der 
Sonne  und  des  Mondes,  welche  beide  in  derselben  citirt 
werden:  diese  drei  stehen  und  fallen  miteinander. 

IV. 

Ueber  die  kanaanäischen  Könige  von  Babylon  und 

die  Zeit  des  Qüthsämi. 

Qüthsämi  sagt,  er  schreibe  unter  der  Herrschaft  der 
kanaanäischen  Könige  von  Babylon,  nicht  zu  lange  nach 
Nemrüdä,  dem  Stifter  der  Dynastie.  Chwolson  giebt  sich 
S.  65  ff.  grosse  Mühe,  Andeutungen  für  die  Herrschaft  dieser 
Dynastie  in  guten  Quellen  wiederzufinden;  allein  weder  der 
angebliche  Gebrauch  von  Kanaan  als  Synonym  für  Chaldäa 
beim  Hesekiel,  noch  die  lediglich  durch  das  Vorkommen 
Bels  sowohl  in  Phönicien  als  in  Babylonien  hervorgerufenen 
Mythen  von  Wanderungen  des  Gottes  aus  dem  einen  Lande 
in  das  andere^  noch  die  uralte  Einwanderung  der  Phönicier 
vom  erythräischen  Meere,  noch  die  von  M.  v.  Niebuhr  vor- 
geschlagene bedenkliche  Deutung  des  Ki]q)svg  als  eines 
Heväers  geben  dafür  auch  nur  den  leisesten  Anhalt.  Die 
Notiz,  die  noch  am  ersten  hierher  zu«  gehören  scheinen 
könnte,  ^^Xakdatoi  xara   Ooivixav  iötgarsv^av^'  bei  Synk. 


574  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIBTHSCHAFT 

p.  290,'5  und  Eusebios  zum  Jahre  483  Abr.  =  1533  v.  Ch.*), 
war  ohne  Zweifel  von  einem  Apologeten  aus  Berossos  oder 
Menandros  zur  Bewahrheitung  der  Eroberung  Kanaans  durch 
Kusan  Risathaim  beigebracht  worden;  die  Chronographen, 
welche  mit  einziger  Ausnahme  des  Eusebios  die  Zwischen- 
zeit zwischen  Auszug  und  Tempelbau  nach  dem  Buche  der 
Richter  berechnen ,  setzen  den  Kusan  genau  in  diese  Zeit 
(Tempelzerstörung  587,  Tempelbau  430  Jahre  vorher  = 
1017,  Auszug  mindestens  584  Jahre  vorher  =  1601;  davon 
abgezogen  Moses'  40  und  Josuas  30  Jahre  giebt  für  Kusan 
das  Jahr  1531).  Allein  aus  dieser  Nachricht  lässt  sich  eine 
Herrschaft  der  Kanaanäer  über  Chaldäa  etwa  mit  demselben 
Rechte  ableiten,  wie  sich  aus  dem  Richterbuche  eine  Er- 
oberung Mesopotamiens  durch  Athniel  folgern  Hesse. 

Ich  kann  aber  die  verlangte  kanaanäische  Dynastie 
wirklich  nachweisen,  allerdings  in  einer  nicht  eben  lauteren 
Quelle,  dem  etwa  in  der  ersten  Hälfte  des  ersten  Jahr- 
hunderts V.  Ch.  verfassten  Buche  der  Jubiläen,  Cap.  46  (in 
Ewalds  Jahrbüchern  III  S.  64).  Dort  gebietet  Joseph  den 
Kindern  Israel,  bei  ihrem  einstigen  Auszuge  aus  Aegypten 
seine  Gebeine  mitzunehmen;  denn  er  wusste,  dass  die  Aegy- 
pter  ihn  nicht  in  Kanaan  begraben  würden,  „weil  der 
kanaanitische  Konig  Memkeron,  der  das  Land  Assur  inne- 
hatte, in  dem  Thale  mit  dem  Konige  von  Aegypten  kämpfte 
und  ihn  da  tödtete  und  die  Aegypter  verfolgte  bis  zum 
Thore  von  Eromon  (Hq(6(ov  xoXig)]  aber  er  konnte  nicht 
6 hineinkommen,  denn  es  kam  ein  anderer  neuer  König  über 
Aegypten  zur  Regierung  und  war  mächtiger  als  er:  und  er 
kehrte  zurück  ins  Land  Kanaan,  aber  die  Pforten  von  Aegy- 
pten wurden  verschlossen  und  Niemand  kam  nach  Aegypten'^. 
Dann  heisst  es,  der  König  von  Aegypten  sei  ausgezogen,  um 
mit  dem  Könige  von  Kanaan  zu  streiten,  im  siebenand vier- 
zigsten Jubiläum  in  der  zweiten  Woche  im  zweiten  Jahre, 
das  ist  nach  der  Rechnung  des  Buches  21  Jahre  nach 
Josephs  Tode,   147  Jahre  vor  dem  Auszuge  aus  Aegypten; 


# 
*)  [478  Abr.  nach  Schöne.    F.  R.] 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  575 

„und  der  König  von  Kanaan  besiegte  den  Konig  von  Aegy- 
pten  und  yerschloss  die  Thore  Aegyptens".  Die  Erzählung 
erinnert  sehr  an  die  Manethonische  bei  los.  c.  Ap.  I,  14, 
dass  der  erste  Hirtenkonig  Salatis  yorzüglich  den  Osten 
Aegyptens  befestigt  habe  in  der  Voraussicht^  dass  die  da- 
mals übermächtigen  Assyrer  Lust  zu  einem  Handstreiche 
auf  das  ägyptische  Reich  bekommen  würden.  Da  die  Hirten- 
könige  von  den  alexandrinischen  Juden  schon  frühzeitig  mit 
Joseph  und  seinen  Brüdern  in  Verbindung  gebracht  worden 
•sind,  so  haben  yermuthlich  beide  Nachrichten  eine  und  die- 
selbe Grundlage.  Die  Manethonische  Tradition  enthält  eine 
Goncession  an  die  sagenhafte  Erzählung  des  Ktesias:  nur 
nach  dieser,  nicht  aber  nach  der  beglaubigten  Geschichte 
konnte  zur  Zeit  des  Salatis  (etwa  2170  v.  Gh.)  von  einem 
assyrischen  Reiche  die  Rede  sein.  Das  Buch  der  Jubiläen 
rückt  zwar  den  Vorfall  seiner  biblischen  oder  quasibiblischen 
Zeitrechnung  zu  Liebe  herunter,  bietet  aber  auch  seinerseits 
eine  überraschende  Berührung  mit  der  Liste  des  Ktesias:  in 
dieser  findet  sich  Memkeron  als  Manchaleos  wieder.  Derselbe 
regierte  nach  Ktesias  von  1735 — 1705;  die  Zeitrechnung  des 
Buches  der  Jubiläen  hängt  in  der  Luft,  wir  wissen  nicht,  ob 
es  den  Auszug  mit  der  kürzeren  Rechnung  in  das  Jahr  1496 
setzte  oder  mit  der  längeren  in  1601  oder  noch  höher  hinauf- 
rückte: in  letzterem  Falle  würde  der  Vorfall  mit  dem  Könige 
Memkeron  etwa  in  das  Jahr  1748  gehöreo.  Die  Ueberein- 
stimmung  ist  gross  genug,  um  uns  zu  der  Vermuthung  zu 
berechtigen,  dass  der  Verfasser  des  Buches  den  assyrischen 
Synchronismus  aus  einer  auf  Ktesias  zurückgehenden  Quelle 
genommen  hat.  Benutzung  der  Ktesianischen  Liste  finden 
wir  auch  bei  dem  Samaritaner  Eupolemos,  der  den  Meder- 
könig  Astibares  mit  Nabuchodonosor  Jerusalem  belagern 
lässt  (bei  Müller,  Fragm.  bist.  Graec.  III  p.  229). 

Die  assyrische  Dynastie  für  kanaanäisch  zu  erklären 
ist  natürlich  weder  dem  Ktesias  noch  dem  Manethos  in  den 
Sinn  gekommen:  die  Ansicht  ist  eine  dem  Buche  der  Jubi- 
läen eigenthümliche.  Den  Schlüssel  dazu  giebt  eine  ver- 
wandte, nicht  minder  trübe  Quelle,  eben  jener 'im  zweiten 


576  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

Jahrhundert  vor  Christus  lebende  Eupolemos  (bei  MoUer  III 
p.  212),  welcher  nach  der  Tradition  der  Babylonier  (d,  h* 
babylonischer  Juden)  Chanaan,  den  Vater  der  Phonicier, 
7  nicht  zum  Bruder,  sondern  zum  Vater  des  Chus  macht ^): 
auf  diese  Art  wird  Nimrod,  der  Sohn  des  Chus,  zu  einem 
Enkel  Kanaans.  Eine  ähnliehe,  von  der  biblischen  ab- 
weichende  Genealogie  des  Nimrod  ist  von  den  Juden  den 
Muhammedanern  mitgetheilt  worden;  diese  macht  den  Nim- 
rod sogar  zum  Sohn  des  Kanaan  und  Bruder  des  Chus 
(Herbelot  s.  v.  Nemrod ;  El  -  Mas^üdis  Historical  encyclo- 
paedia,  translated  by  Sprenger  I  p.  80).  Juden  und  Christen 
fanden  den  biblischen  Nimrod  in  dem  assyrischen  Beichs- 
gründer  Ninos  wieder  (Clement.  B>ecognit.  IV,  29  p.  540; 
cf.  Chron.  Pasch,  p.  50,  17)*),  und  legten  den  Nachfolgern 
des  Nimrod -Ninos,  die  nach  der  unhistorischen  Darstellung 
des  Ktesias  Assyrien  und  Babylonien  zugleich  beherrscht 
haben  sollten,  eine  erst  aus  der  apokryphen  Genealogie  des 
Stifters  abstrahirte  kanaanäische  Herkunft  bei.  Auch  die 
Muhammedaner  reden  von  kanaanäischen  Konigen,  die  in 
Babylon  regiert  hätten,  und  diese  Tradition  cursirte  schon 
vor  Ibn  Wahsbijjah,  wie  Chwolson  S.  68  aus  dem  Ashkäl 
el-Boldän  des  Abu  Zaid  nachgewiesen  hat.  Dass  auch  diese 
Erwähnung  kanaanäischer  Konige  von  dem  Namen  Nimrod 
unzertrennlich  ist,  lehrt  die  von  Chwolson  ebendaselbst  aus 


1)  Da  die  Worte  des  Eupolemos  sehr  im  Argen  liegen,  so  setze 
ich  sie  hier  mit  den  nöthigen  YerbeBgeningen  her,  die  übrigens  den 
Inhalt  nicht  wesentlich  afficiren:  Baßvhoviovg  ya^  IsyBiv  icgATOv  ysvi- 
a^cti  B^lov,  ov  slvai  Kq6vov'  i%  tovzov  dh  ysvsa^ai  Bijlov  %al  Xu^ 
{Xavccäv  vulg.)*  tovzov  8\  zov  Xäfi  (deest  vulg.)  Xavaav  yewrjaat 
zbv  wazi^a  zav  ^oivUrnv  zovzov  8e  Xovg  {Xov(i  vulg.)  vtov  y^vioQ'at^ 
ov  vno  zciv  ^ElXiqvcjv  Xiysüd'at  "AaßoXoVy  nazigcc  dh  AlQ'ionmv,  aSsXtpov 
d\  zovzov  {zov  vulg.)  MsazQatfi,  notziga  Alyvntiatv,  Die  Namens- 
ähnlichkeit  von  Xovfk'*'Aa(^oXov  mit  dem  zweiten  babylonischen  Könige 
XcaiJkdapriXog  kann  nur  irreführen;  Bel-Kronos  ist  an  die  Stelle  des 
Koah,  der  zweite  Bei  an  die  des  Sem  getreten. 

2)  Andere  in  seinem  Vater  Belos,  wie  Alezander  Polyhistor  fr.  4 
(bei  Müller  III  p.  218)  und  Moses  von  Chorene  I,  4,  7  p.  13;  6,  1  p.  19 
(ed.  Whiston). 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  577 

einer  handschriftlichen  persischen  Geographie  mitgetheilte 
Angabe^  dass  Babylon  nach  Dzahhäk  die  Residenz  kanaanäi- 
scher  Eonige  gewesen  sei:  Dzahhak  wird  nämlich  von  Abü'l- 
fedä  und  im  Thärich  Guzideh  (bei  Herbelot  s.  y.  Nemrod) 
mit  Nemrüd  identificirt.  Dass  diese  Notizen  aus  anderen 
als  jüdischen  Quellen  geflossen  sein  sollten,  ist  nichts  weniger 
als  wahrscheinlich;  auf  keinen  Fall  sind  sie  authentischer 
als  die  des  Buches  der  Jubiläen.  Die  kanaanäischen  Könige 
▼on  Assur  oder  von  Babel  erklären  sich  also  zur  Genüge 
aus  dem  jüdischen  Sagensynkretismus  der  hellenistischen 
und  einer  noch  späteren  Zeit;  sie  unter  diesem  Namen  in 
dem  authentischen  Dynastienverzeichnisse  des  Berossos  wieder- 
finden zu  wollen,  kann  von  vornherein  als  ein  vergebliches 
Bemühen  bezeichnet  werden. 

Nach  der  berichtigten  Zeitrechnung  des  Etesias  würde 
die  Gründung  von  Ninive  in  das  Jahr  1913  v.  Ch.  fallen, 
also  in  die  Anfänge  der  Berossischen  Dynastie  von  49  chal- 
däischen  Eonigen,  die  458  Jahre  (1976  — 1518)  in  Babylons 
regierten;  sonach  liegt  es,  da  wir  aus  Genes.  10, 10  wissen, 
dass  der  Gründer  Ninives  von  Babel  ausging,  am  nächsten, 
jene  chaldäische  Dynastie  für  die  des  Nimrod  zu  erklären. 
Da  nun  Qüthsämi,  wie  S.  68  nachgewiesen  ist,  etwa  unter 
dem  sechsten  Eonige  dieser  Dynastie,  bald  nach  Abraham, 
geschrieben  haben  will,  so  ergäbe  sich  als  die  Abfassungs- 
zeit der  Nabatäischen  Landwirthschaft  das  neunzehnte  Jahr- 
hundert vor  Christus.  Ich  bin  nun  allerdings  der  Ansicht, 
dass  das  Buch  sich  in  diese  Zeit  versetzen  will;  da  aber  ein 
Zeitgenosse  nimmermehr  die  von  einer  unantastbaren  Auto- 
rität als  Chaldäer  bezeugten  Eönige  Eanaanäer  hat  nennen 
können ;  so  würde  meine  Annahme  implicirt  schon  das  ent- 
halten, was  hier  erst  bewiesen  werden  soll,  nämlich  dass  wir 
ein  apokryphes  Machwerk  vor  uns  haben:  ich  sehe  also  für 
jetzt  von  derselben  ab. 

Chwolson,  der  ohne  Grund  den  Abrühüm  der  Nabatäi- 
schen Landwirthschaft  für  eine  von  dem  biblischen  Abraham 
ganz  verschiedene  Persönlichkeit  erklärt,  identificirt  die 
kanaanäische  Dynastie  des  Nemrüdä  mit  der  arabischen,  die 

▼.  GuTBGHXiDf  Kleine  Sohrilten.   IL  37 


578  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

von  1518  — 1273  in  Babylon  regierte.  Die  Stützen  hierfür 
sind  schwach  genug:  Berossos  —  meint  er  S.  70  —  habe 
den  den  Griechen  bekannten  und  geläufigen  Namen  Araber 
statt  des  der  Eanaanäer  gebraucht,  weil  dieser  den  Griechen 
fast  ganz  unbekannt  war;  diese  Eanaanäer  aber  seien  Reste 
der  HyksoS;  welche  nach  Manethos  von  Einigen  für  Araber, 
von  Anderen  aber  für  Phönicier  erklärt  wurden.  Allein  die 
Eanaanäer  waren  den  Griechen  wohl  bekannt  als  OoCvixegj 
und  so  hat  denn  auch  Manethos  richtig  übersetzt;  eine 
Gleichsetzung  von  Phöniciern  und  Arabern  ist  nie  Jemandem 
in  den  Sinn  gekommen.  Man  sollte  meinen,  dass  das  Sprich- 
wort Genes.  10,  9,  durch  welches  Nimrod  in  eine  sehr  alte 
Zeit  hinaufgerückt  wird,  dieser  Deutung  im  Wege  stünde. 
Für  Chwolson  aber  zeigt  es  vielmehr,  dass  Nimrod  „eine 
echt, historische  Personlicheit  der  neueren  Zeit  war,  dessen 
Ruhm  im  Munde  aller  Welt  und  dessen  Andenken  frisch  im 
Gedächtniss  lebte.  Wir  (?)  sagen  z.  B.  ja  auch  von  einem 
ausserordentlich  kräftigen  und  unerschrockenen  Manne,  er 
sei  „ein  wahrer  Napoleon",  aber  nicht  „ein  wahrer  Friedrich 
Barbarossa''  oder  „ein  wahrer  Earl  der  Grosse",  weil  diese 
Männer  unserem  Zeitalter  zu  sehr  entrückt  sind  (S.  72)." 
Diese*  selbstgemachten  und  nicht  gerade  glücklich  gewählten 
Beispiele^)  und  das  ganze  Raisonnement^  welches  dem  Sprich- 
worte einen,  der  Natur  desselben  ganz  fremden,  historischen 
Charakter  beimisst,  zu  widerlegen  ist  nicht  nothig:  ich  berufe 
mich  einfach  auf  den  gesunden  Sinn  jedes  Lesers,  der  in  der 
9 fraglichen  Stelle  nichts  Anderes  finden  wird,  als  was  alle 
Ausleger  von  jeher  darin  gefunden  haben.  So  misslich  es 
auch  hiemach  um  die  Identificirung  der  Eanaanäer  Qüth- 
sämis  mit  der  arabischen  Dynastie  des  Berossos  steht, 
immerhin  ist  dieser  Ausweg,  in  welchem  Chwolson  durch 
Bunsen  wesentlich  bestärkt  worden  ist,  derjenige,  der  ver- 
hältnissmässig  noch  die  wenigsten  Unzuträglichkeiten  mit 
sich  bringt. 

1)  Chwolson  vergisst,  dass  wir  noch  hente  einen  eifrigen  Waid- 
mann „einen  wahren  Nimrod"  nennen,  ohne  dass  darans  folgte,  dass 
Nimrod  zu  den  Zeiten  Napoleons  gelebt  hat. 


\ 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  579 

Chwolson  hält  sich  aber  noch  eine  Rückzugslinie  offen, 
indem  er  die  Dynastie,  welche  von  1273  —  747  in  Babylon 
regierte,  als  anonym  betrachtet:  er  rechnet  die  herrschende 
Ansicht,  die  sie  für  assyrisch  erklärt,  S.  75  zu  der  „grossen 
Reihe  von  Yermuthungen,  an  denen  die  assyrisch-babylonische 
Geschichte  überreich  ist".  Im  Dynastienverzeichnisse  aus 
Qerossos  heisst  es:  „nach  den  Jahren  der  Araber,  erzählt 
er  auch,  habe  Semiramis  Assyrien  beherrscht,  und  wiederum 
zählt  er  genau  die  Namen  von  45  Königen  auf  und  giebt 
ihnen  526  Jahre;  nach  welchen,  sagt  er,  ein  Eonig  der 
Chaldäer  gewesen  sei,  dessen  Name  Phulos  war".  Da  ist 
es  nun  freilich  nicht  ausdrücklich  gesagt,  dass  die  Dynastie 
der  45  Eonige  die  der  Semiramis  ist,  ergiebt  sich  aber  doch 
für  Jeden,  der  sich  nicht  die  Augen  zuhält,  mit  Nothwendig- 
keit  aus  dem  Zusammenhange;  und  wenn  eine  Schlussfolge 
wie  die:  „nach  Herodot  herrschen  die  Assyrer  von  1256  — 
736  über  Asien  —  eine  Herrschaft  über  Asien  ohne  eine 
Herrschaft  über  Babylon  ist  ein  Unding*)  —  nach  Berossos 
herrscht  eine  Dynastie,  die  mit  der  Nennung  der  assyrischen 
Konigin  Semiramis  eingeleitet  wird ,  von  1273  —  747  über 
Babylon*)  —  folglich  ist  beide  Male  dieselbe  assyrische 
Dynastie  gemeint",  wenn,  sage  ich,  eine  so  einfache  logische 
Schlussfolge  für  eine  unerwiesene  Vermuthung  erklärt  wird, 
so  ist  schwer  zu  sagen,  welche  historische  Thatsache  auf 
diese  Manier  von  Chwolson  nicht  für  Hypothese  erklärt* 
werden  könnte. 

Es  wird  also  dabei  bleiben,  dass,  wenn  echte  kanaanäi- 
sehe  Eonige  jemals  über  Babylon  geherrscht,  Qüthsämi  je- 
mals geschrieben  hat,  dieses  noch  am  ersten  im  vierzehnten 
Jahrhundert  vor  Christus  der  Fall  gewesen  sein  kann;  Jar- 
büqa  und  die  Verfasser  des  Buches  von  den  Geheimnissen 
der  Sonne  und  des  Mondes  müssten  dann  noch  vor  dieser 
Zeit  gelebt  haben. 

1)  Auch  steht  eine  BeberrBchnng  Babylons  darch  die  Assyrer 
durch  viele  Zeugnisse  fest. 

2)  Es  lässt  sich  hier  wie  dort  höchstens  um  zwei  Jahrzehnte 
streiten. 

37* 


580  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

V. 

Die  nabatäische  Sprache. 

Hier  entsteht  nun  gleich  die  Capitalfrage:  konnte  Ibn 
Wahshijjah  die  Sprache  verstehen,  in  der  Bücher  mindestens 
2200  Jahre  vor  seiner  Zeit  geschrieben  waren?  Chwolson 
10  bejaht  die  Frage  und  beruft  sich  dabei  S.  80  auf  die  bekannte 
Stabilität  der  semitischen  Sprachen:  ungelehrte  Araber  aus 
Mekka  verständen  jetzt  noch  ganz  gut  vor  1000  Jahren  ver- 
fasste  altarabische  Gedichte.  Der  Vergleich  trifft  nicht  zu: 
abgesehen  davon,  dass  1200  Jahre  doch  keinen  kleinen 
Unterschied  ausmachen,  ist  erstens  durch  den  Koran  die 
Eenntniss  des  Altarabischen  immer  im  Volke  lebendig  er- 
halten worden,  zweitens  ist  die  arabische  Halbinsel  von 
fremder  Eroberung  verschont  geblieben.  Keines  von  beiden 
ist  bei  dem  babylonischen  Schriftthum  der  Fall:  mit  dem 
Untergange  des  babylonischen  Staates  war  auch  die  babylo- 
nische Religion  in  Verfall  gerathen,  mindestens  von  der 
Diadochenzeit  an,  und  seitdem  war  kein  religiöser  Mittel- 
punkt da,  der  der  Literatur  zum  Stützpunkte  hätte  dienen 
können;  Perser,  Griechen,  Parther,  Neuperser,  Araber  haben 
Babylonien  nicht  etwa  bloss  vorübergehend  überschwemmt 
und  erobert,  sondern  es  geradezu  zum  Mittelpunkte  ihrer 
Reiche  gemacht  (Babylon  Hauptstadt  unter  den  Achämeni- 
den,  Seleukeia  unter  den  Griechen,  Ktesiphon  unter  den 
Arsakiden  und  Sasaniden,  Küfah  unter  den  Arabern).  Solche 
ungünstige  politische  Verhältnisse  haben  anderswo  jede  Volks- 
sprache gründlich  zersetzt  und  zerstört;  wir  wissen  auf  das 
Bestimmteste,  dass  es  auch  hier  nicht  anders  gewesen  ist: 
zur  Zeit  des  Aufkommens  des  Christenthums,  vom  dritten 
Jahrhunderte   an,  und  wahrscheinlich  bereits  viel  früher^), 

1)  Nach  einer  interessanten  Notiz  des  Photios  (zu  cod.  94  p.  73 
Bekk.)  war  der  in  der  Mitte  des  zweiten  Jahrhunderts  nach  Christus 
lebende  babylonische  Romanschreiber  Jamblichos  von  Geburt  ein  Syrer 
und  lernte  erst  später  die  babylonische  Sprache.  Dieses  Babylonisch 
braucht  aber  nicht  ein  vom  Ostaramäischen  verschiedenes,  dem  West- 
aramäischen noch  femer  als  dieses  stehendes  Idiom  gewesen  zu  sein. 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  581 

ward  in  ganz  Babylonien  aramäiscli  gesprochen,  ja  bereits 
zur  Zeit  der  Achämeniden  war  dieses  Reichssprache ,  muss 
also  schon  damals  eine  grosse  Verbreitung  über  Syrien  hin- 
aus gehabt  haben.  Eben  so  sicher  aber  ist,  dass  das  Ost- 
aramäische des  Buches  Daniel  eine  von  dem  Chaldäischen 
der  Keilinschriften  ganz  verschiedene  Sprache  ist.  Es  ist 
also  nicht  daran  zu  denken,  dass  Ihn  Wahshijjah  die  2200 
Jahre  vor  seiner  Zeit  in  Babylonien  gesprochene  Sprache 
hätte  verstehen  können;  es  bleibt  nur  die  von  Chwolson 
eventuell  in  Aussicht  gestellte  Annahme  übrig,  dass  die 
Sprache  in  jenen  uralten  Schriften  allmählich  modernisirt 
worden  sei. 

Dieses  Auskunftsmittel  ist  an  sich  unbedenklich;  dann 
müsste  das  Nabatäische,  aus  dem  Ibn  Wahshijjah  übersetzte, 
ein  vielleicht  etwas  alterthüni lieberer,  aber  doch  von  dem 
uns  bekannten  Ostaramäischen  nicht  allzusehr  abweichender 
Dialekt  gewesen  sein,  und  so  schildert  das  Nabatäische  Abü'l- 
farag  (Chron.  dyn.  p.  17).*)  Leider  aber  machen  die  zahl- 
reichen aus  den  von  Ibn  Wahshijjah  übersetzten  Schriften  ii 
mitgetheilten  nabatäischen  Eigennamen  diese  Annahme 
geradezu  unmöglich:  in  diesen  wimmelt  es  von  Lauten,  die 
unter  allen  semitischen  Sprachen  nur  die  arabische  besitzt. 
Arabisches  ^  findet  sich  in  dem  Namen  der  Sprache  Chä- 
bütai  (S.  104),  der  Pflanze  Chubäzäjä  (S.  19),  des  Baumes 
Büchüshi  (S.  46),  in  dem  Personennamen  Achnöchä  (S.  62) 
oder,  wie  er  im  Buche  des  Thenkelöshä  heisst,  Hanöchä 
(S.  99).  Ein  Lieblingsbuchstabe  ist  arabisches  v^;  Beweis 
dafür  ist  gleich  der  nabatäische  Autor  Qüthsämi,  der  Eanaa- 
näer  Tämithsri  (S.  91),  der  Beiname  el-Hethsjäni,  den  Anühä 
führt  (S.  62),  der  Pflanzenname  Athsijälä  (S.  19),  die  Orts- 
namen  Küthsä  -  Rijjä   (S.  48)   und   Bäkürathsi  (S.  52) ,   der 

König  Garmäthsi  (S.  185),  der  Baum  Sükijäthsi  (S.  46),  alle 
drei  ebenso  auslautend,  die  alte  Frau  BBläthsijä  (S.  187),  der 


1)  Ich  citire  diesen  und  andere  Schriftsteller  stets  nach  den 
Seitensahlen  des  aral^chen  Textes,  die  in  den  Uebersetzungen  am 
Bande  bemerkt  sind. 


582  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

Eigenname  Malkathsä  (S.  9),  ferner  die  ähnlich  gebildeten 
Märinäthsä  (S.  120),  ginäthsä  (S.  52),  Beräthsä,  dieser  auf- 
falligerweise  zugleich  Name  eines  Hohenpriesters  (S.  91)  und 
einer  Stadt  (S.  9),  Serqäthsä,  ebeufalls  ein  Stadtname  (S.  9), 
die  Apostelnamen  tshithsä  und  Asqülebithsä  (S.  19),  der 
Pflanzenname  Jülürithsä  (S.  145),  endlich  die  Autorennamen 
Däbäths  (S.  121)  und  Dzaghriths.  Dieser  uralte  babylonische 
Weise,  der  mit  seiner  Schrift  die  erste  Grundlage  zur  Naba- 
täischen  Landwirthschaft  gelegt  haben  soll,  hat  in  seinem 
nur  fünf  Buchstaben  zählenden  Namen  nicht  weniger  als 
drei  specifisch  arabische,  ^,   &  (der  auch  im  Ednigsnamen 

*  Abed  -  Ferghilä  S.  40  vorkommt)  und  e».  Das  Bedenken 
Hesse  sich  leicht  durch  die  Annahme  heben,  dass  in  den  an- 
geführten Worten. die  Buchstaben  o  und       aspirirt,  ^  und 

c  aber  im  späteren  Nabatäisch  mitunter  grober  ausgesprochen 
wurden,  so  dass  der  arabische  Uebersetzer  sie  durch  arabisches 
^f  f}  U-^  und  d  wiedergeben  zu  müssen  glaubte:  es  Hesse 

sich  dafür  anführen,  dass  die  LXX  hebräisches  :p  öfters  durch 
griechisches  F  wiedergeben,  u.  A.  Allein  diesen  Ausweg 
macht  ein  Zeugniss  unmöglich,  das  schwerer  wiegen  muss 
als  irgend  ein  anderes:  in  den  „Ancient  alphabets  and  hiero- 
glyphic  characters  explained  in  the  Arabic  language  by  Ah- 
mad bin  Abubekr  bin  Wahshih  and  in  English  by  Joseph 
Hammer  (London  1806.  4«.)"  figurirt  II,  2  p.  10  auch  das 
alte  nabatäische  Alphabet  mit  seinen  nicht  mehr  und  nicht 
weniger  als  28,  den  arabischen  genau  entsprechenden  Buch- 
stabeiL  Ibn  Wahshijjah  sagt's,  fürwahr  ein  glaubenswerther 
Mann!  wir  müssen  uns  also  bescheiden,  hier  ein  Räthsel  zu 
constatiren,  das  alle  unsere  Ergebnisse  über  die  Entwickelung 
der  semitischen  Laute  umstosst. 

Unser  Erstaunen  wächst  durch  eine  vergleichende  Be- 
trachtung derjenigen  nabatäischen  Eigennamen,  die  uns 
auch  in  griechischen  und  arabischen  Formen  bekannt  sind. 
12  Griechisch  'Epft^g,  in  neugriechischer  Aussprache  Ermis^ 
nabatäisch  Ermisä  (S.  98) ;  griechisch  lAaxXriJCuidrig  (nach 
Ewalds  schlagender  Bemerkung  in   den  Gottinger  gelehrten 


UND  IHEE  GESCHWISTER.  583 

Ansseigen  1859  S.  1133),  mit  neugriechischer  zischender  Aus- 
sprache des  zf  AsklipiadsiSy  nabataisch  Asqülebithsä  (S.  19). 
Ferner  arabisch  Nasr,  nabataisch  Nesrä  (Chwolson,  Ueber 
Tammüz  S.  51);  arabisch  Nemrüd  (Nimrod),  nabataisch  Nem- 
rüdä;  arabisch  Sam^  seltener  im  Anschlüsse  an  die  syrische 
Form  Shäm  (Sem),  in  der  Nabatäischen  Landwirthschaft 
Shämä;  im  Buche  des  Thenkelöshä  Sämä  (S.  99);  arabisch 
Achnöch;  seltener  (z.  B.  bei  Abü'lfedä)  in  treuerem  An- 
schlüsse an  die  hebräische  Form  Hanöch  (Henoch),  in  der 
Nabatäischen  Landwirthschaft:  Achnöchä,  im  Buche  des 
Thenkelöshä  Hanöchä  (S.  62);  arabisch  Nüh  (Noah),  naba- 
täisch  Anühä  (S.  62);  arabisch  Shiths  (Seth),  nabataisch 
tshithsä;  arabisch  Adam  (Adam)^  nabataisch  Adami;  syrisch 
Thammüz,  nabataisch  Thammüzi  (S.  101).  Der  später  so 
gewohnliche  syrische  Name  Bar9ümä  kehrt  ganz  unverändert 
auch  bei  den  Nabatäem  wieder  (S.  9).  Der  Patriarch  Abra- 
ham wird  in  der  Nabatäischen  Landwirthschaft  meistens  mit 
der  unveränderten  arabischen  Form  Ibrahim  genannt,  einmal 
Abrühüm  (üeber  Tammüz  S.  85 f.),  was  Chwolson  für  die 
ursprüngliche  Form  hält.  Als  nabataisch  ist  aber  die  eine 
Form  so  verdächtig  wie  die  andere;  Abrühüm  ist  nämlich, 
wie  mich  Herr  Professor  Fleischer*)  belehrte,  weiter  nichts, 
als  die  gröbere  dumpfere  Aussprache  des  hebräischen  Abra- 
ham, eine  Aussprache,  von  der  uns  die  jüdischen  Autoritäten 
des  Abü'lfedä  zahlreiche  Beispiele  liefern.^)  Der  bekannte 
hebräische  Name  Immanuel  kommt  in  der  Form  'Emänübil 
als  nabatäischer'Name  vor  (Ueber  Tammüz  S.  86).  Wiederum 
eine  ganz  arabische  Form:  wie  wir  im  Buche  des  Thenke- 
löshä Qäbin  für  Kam  finden  werden,  wie  der  Kaiser  Faiog 
von  Eutych.  Ann.  I  p.  325  und  Hamzah  II,  2  p.  67  Ghäbiüs 


1)  Ich  benutze  diese  Gelegenheit,  um  den  verehrten  Herren  Pro- 
fessoren Fleischer  und  Brockhaus  für  die  vielfache  Unteratützang,  die 
sie  mir  bei  dieser  Arbeit  haben  angedeihen  lassen,  meinen  herzlichsten 
Dank  auszudrücken. 

2)  Folgende  Beinpieie  mögen  genügen :  Jishsöchor ,  Ithsämör, 
'Ammioödob,  JOphinnä,  *Andths,  Abshölom,  Nödob,  Bo'shö,  Ahöb, 
Ohozjö,  Beqohjd,  Jehöjähdz,  Jechonjö. 


584  DIE  NABATAKISCüE  LANDWlllTHSCHAFT 

('Abis)  genannt  wird  —  was  dann  in  Folge  irriger  Punc- 
tation  bei  Abü'lfedä  in  Ghaniüs,  bei  Abü'lfarag  in  Ghäijüs 
übergegangen  ist  — ,  so  wird  auch  hier  der  Buchstabe  \^ 
seinen  Ursprung  lediglich  der  arabischen  Scheu  Yor  dem 
Hiatus  verdanken.  Somit  erhielten  wir  denn  zwei  reine 
hebräische  Eigennamen  in  unveränderter  Form  als  naba- 
täische.  Ebenso  scheinen  —  heisst  es  S.  18  —  eine  grosse 
Menge  fremdartig  klingender  arabischer  Pflanzennamen  naba- 
täischen  Ursprung/as  zu  sein;  von  manchen  ^, weiss  ich  dies 
bestimmt''  (dieser  emphatischen  Formel  bedient  sich  Chwol- 
13  son  überall,  wo  er  etwas  Neues  aus  den  von  Ibn  Wahshijjah 
übersetzten  Schriften  mittheilt).  Die  Beispiele  sind:  arabisch 
el-Harshaf;  nabatäisch  Haräshafä;  arabisch  Sha'ar  el-habbär, 
nabatäisch  Sha'arä-Habbärä;  arabisch  Thsil,  nabatäisch  Ath- 
sijälä;  arabisch  Ghubäzä,  nabatäisch  Ghubäzajä;  arabisch 
Shehriz,  nabatäisch  Shehrizäi.  Welche  staunenswerthe  Regel- 
mässigkeit!  überall  ist,  um  von  den  drei  Fällen,  wo  das 
fremde  Wort  unverändert  geblieben  ist,  ganz  abzusehen,  das 
griechische  und  arabische  Wort  rein  (11  Mal  ganz  intact) 
in  dem  Nabatäischen  enthalten,  nur  die  Endung  |  (12  Mal), 
auch  ^  (in  Adami,  Thammüzi)  oder  ^t  (in  Shehrizäi),  an- 
gehängt, und  zweimal  ist  zu  dieser  Appendix  noch  ein  t  (in 
Anühä)  oder  ^t  (in  tshithsä)  als  Vorschlag  hinzugetreten; 
zweimal  (in  Haräshafä,  Ghubäzajä)  ist  ein  (  in  der  Mitte 
eingeschaltet  worden;  einmal  (in  Athsijälä)  ist  ein  anlauten- 
des, ein  inlautendes  und  ein  auslautendes  I  hinzugesetzt  wor- 
den. Ghwolson  nimmt  die  Priorität  des  Nabatäischen  an: 
allein  'EQfiijgj  das  dem  nabatäischen  Ermisä  zu  Grunde  liegt, 
ist  erst  eine  spätere  Gontraction  für  'EQfisas,  und  'AöxXti- 
auidrig  ist  eine  specifisch  griechische  Patronymbildung;  daraus 
folgt  mit  Nothwendigkeit,  dass  vielmehr  die  Nabatäer  die 
Entlehner  sind.  Die  arabischen  Formen  der  biblischen 
Patriarchennamen  weichen  im  Ganzen  so  bedeutend  von 
den  hebräischen  ab,  dass  die  genaue  Uebereinstimmung  des 
Nabatäischen  mit  dem  Arabischen  gerade  in  diesem  Punkte 
in  hohem  Grade  auffällig  ist.  Angenommen  einmal  das  nicht 
Erwiesene,  dass  jene  Figuren  bei  den  alten  Babyloniem  eine 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  585 

selbstständige  Existenz  gehabt  hätten  ^  angenommen  ferner 
das  höchst  Unwahrscheinliche ;  dass  die  Araber  zwar  die 
Erzählungen  über  die  Patriarchen  Yon  den  Juden^  die  Namen 
aber  von  den  Babyloniem  entlehnt  hätten^  was  für  einen 
bezaubernden  Sprachinstinkt  müssten  die  Araber  besessen 
haben y  um  die  Anhängsel^  Vorschläge  und  Einschiebsel, 
kurz  gerade  soviel  zu  beseitigen,  dass  die  neueren  arabischen 
Formen  sich  im  Umfange  mit  den  hebräischen  wieder  deckten! 
Die  Verkehrtheit  einer  derartigen  Annahme  leuchtet,  denke 
ich,  Jedem  ein;  man  mag  sich  noch  so  sehr  dagegen  sträuben, 
auch  hier  wird  man  genothigt,  die  Nabatäer  als  die  Ent- 
lehner anzusehen. 

Unter  den  Pflanzennamen  klingt  Shehriz  so  entschieden 
neupersisch,  dass  man  nicht  umhin  kann,  das  arabische  Wort 
für  den  Persern  abgeborgt  zu  erklären :  ein  Einfluss  der 
Perser  auf  die  Araber  ist  aber  vor  der  Zeit  des  Bahräm 
6ür  undenkbar,  der  Uebergang  dieses  Fremdwortes  aus  dem 
Arabischen  in  das  Nabatäische  muss  also  noch  geraume  Zeit 
später  fallen.  Auch  abgesehen  davon  steht  es  fest,  dass  ein 
Werk,  in  welchem  Namen  eine  Hauptrolle  spielen,  die  eine 
80  entschiedene  Abhängigkeit  vom  Arabischen  zeigen,  weder 
im  vierzehnten  Jahrhundert  vor  Christus  noch  unter  der 
Herrschaft  kanaanäischer  Eonige  von  Babylon  verfasst  sein 
kann,  sondern  im  allergünstigsten  Falle  im  fünften  Jahr- 
hundert nach  Christus,  wo  das  kleine  an  der  Grenze  Baby- 14 
loniens  gelegene  Reich  Hirah  unter  theilweise  christlichen 
Eonigen  zu  grösserem  Einflüsse  kam,  auch  eine  intimere 
Verbindung  der  Araber  mit  Persien  vermittelte. 

Die  Einkleidung  des  Buches  kann  also  nur  eine  fingirte 
sein,  mit  der  Einkleidung  fällt  aber  auch  der  Verfasser  Qüth- 
sämi.  Auch  dieser  Name  ergiebt  sich  als  die  nach  der  be- 
kannten Schablone  vorgenommene  Veränderung  eines  arabi- 
schen Namens:  der  alte  arabische  Name  Quthsam  kommt  in 
der  Familie  Muhammeds  zweimal  vor,  noch  mehr  nähert 
sich  der  nabatäischen  Form  der  von  Chwolson,  Ueber  Tam- 
müz  S.  40  angeführte  arabische  Eigenname  Qutämi.  Nach 
dem  Qämüs  bedeutet  Quthsam  Einen,  der  Schätze  sammelt. 


586  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIBTHSCHAFT 

um  damit  Gutes  zu  thun,  oder  aqch  einen  Geizhals:  also  ist 
„Schätzesammler''  die  Grundbedeutung^  und  ein  solcher  Name 
ist  für  den  Bearbeiter  der  Nabatäischen  Landwirthschaffc 
recht  passend  erfunden. 

Ibn  Wahshijjah  protestirt  einmal  gegen  die  Behauptung, 
seine  Uebersetzung  wäre  eine  leichte  Arbeit,  weil  die  Sprache, 
aus  der  er  übersetze,  dem  Arabischen  verwandt  sei  (S.  18); 
Chwolson  folgert  daraus  nur,  dass  die  Sprache  semitisch 
war,  allein  die  Abhängigkeit  derselben  von  der  arabischen 
in  Bezug  auf  die  Eigennamen  lässt  jene  Bemerkung  in  einem 
ganz  anderen  Lichte  erscheinen.  Namen,  die  ein  Volk  von 
dem  anderen  entlehnt,  werden  meistens  der  Flexionsendungen 
beraubt,  auch  wohl  verstümmelt  und  mundrecht  gemacht: 
eine  Verlängerung  durch  einfache  Anfügung  der  Casus- 
endungen an  das  pure  angenommene  Fremdwort  gehört 
schon  zu  den  Ausnahmen,  eine  Erweiterung  des  Fremdworts 
durch  Vorschlag  und  Einschiebung  von  Lauten  sogar  zu  den 
grössten  Seltenheiten:  hier  ist  dies  Alles  Regel!  Man  ist  wohl 
berechtigt  zu  der  Frage:  war  dasjenige  Nabatäisch,  in  welchem 
die  von  Ibn  Wahshijjah  gefundenen  Schriften  verfasst  gewesen 
sein  sollen,  eine  wirkliche,  zu  irgend  einer  Zeit  einmal  lebend 
gewesene  Sprache,  oder  verhielt  es  sich  zum  Arabischen  etwa 
so  wie  das  Asmani,  in  welchem  das  Buch  Desäthir  geschrieben 
ist,  zum  Neupersischen?  d.  h.  ist  es  eine  von  einem  oder 
mehreren  Individuen  durch  Verdrehung  des  Arabischen  will- 
kürlich erfundene  Sprache?  In  dem  Buche  über  die  Gifte 
kommen  nach  S.  18  einige  ziemlich  lange  nabatäische  Be* 
schworungsformeln  vor,  deren  Sprache  nach  Chwolson  dem 
Syrischen  ziemlich  nahe  steht;  wenigstens  eine,  kurze  wird 
S.  123  mitgetheilt.  Es  ist  sehr  zu  wünschen,  dass  auch  die 
übrigen  möglichst  bald  zugänglich  gemacht  werden  und  so 
die  Frage  nach  der  Echtheit  des  nabatäischen  Schriftthums 
festen  Ankergrund  gewinnt.  Einstweilen  sind  alle  Sprach- 
forscher auf  jene  anderthalb  Zeilen  nabatäischen  Textes  auf- 
merksam zu  machen;  ich  besitze  nicht  die  Sprachkenntniss, 
um  an  eine  derartige  Untersuchung  zu  gehen,  bin  aber  fest 
15  überzeugt,  dass  unsere  semitische  Sprachwissenschaft  voll- 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  587 

kommen  im  Stande  ist,  folgende  Fragen  sicher  zu  beant- 
worten: ist  die  Sprache  jener  Zauberformeln  ein  aus  ver- 
zerrten arabischen,  verzerrten  nenpersischen ,  hebräischen, 
syrischen  und  aus  beliebigen  utopischen  Wörtern  zusammen- 
gebettelter Jargon,  oder  kennzeichnet  sie  sich  als  eine  sei 
es  lebendige,  sei  es  lebendig  gewesene  Sprache?  in  letzterem 
Falle,  ist  sie  so  bescha£fen,  dass  sie  dem  vierzehnten  Jahr- 
hundert V.  Ch.  oder  überhaupt  nur  der  vorhellenistischen 
Zeit  angehören  kann,  oder  trägt  sie  den  Stempel  eines 
späten  ostaramäischen  Dialektes?^) 

VI. 
Die  Doppelreime  des  Dzaghriths. 

Ebenso  wichtig  wie  die  Sprache  selbst  ist  auch  die 
äussere  Form,  in  der  eine  Sprache  sich  ausdrückt:  die 
Schriften,  welche  Ihn  Wahshijjah  entdeckte,  waren  prosaisch 
abgefasst;  aber  die  älteste  Quelle  der  Nabatäischen  Land- 
wirthschaft,  das  Buch  des  Dzaghriths,  war  ein  Gedicht,  in 
welchem  jeder  Vers  einen  doppelten  Reim  enthielt,  einen 
auf  das  erste  und  einen  auf  das  letzte  Wort  Schon  Meyer 
in  seiner  „Geschichte  der  Botanik"  III  S.  49  hat  hieran  An- 
stoss  genommen:  „Perser  und  Araber  späterer  Zeit  reimten, 
aramäische  Völker,  soviel  ich  von  sachkundigen  Männern 
erfahren  habe,  niemals,  weder  Hebräer  noch  selbst  der 
Syrer  Ephraim  aus  dem  vierten  Jahrhundert  unserer  Zeit- 
rechnung."    Es   ist   kaum    glaublich,   wie   leicht  Ghwolson 


1)  Herr  Professor  Fleisclier  hat  sich  auf  meine  Bitte  die  Stelle 
angesehen  und  theilte  mir  mit,  einen  zusammenhängenden  Sinn  ver- 
möge er  nicht  herauszubringen,  doch  sei,  um  von  dem  dreimal  wieder- 
holten ämin,  ämtn,  fimin  am  Schlüsse  ganz  abzusehen,  das  zweimalige 
shölem  als  Hebraismns  dringend  verdächtig:  es  ist  die  neuere  hebräi- 
sche Aussprache  für  shalöm,  „Heil";  das  Aramäische  )^^V^  ^.  weicht 
in  der  Bedeutung  gänzlich  ab.  Desgleichen  liege  es,  da  es  sich  um 
die  Besprechung  eines  Otterbisses  handelt,  nur  zu  nahe,  in  dem  vier- 
mal wiederkehrenden  märt  das  Neupersische  märi,  „Schlange 'S  ^^ 
erkennen. 


588  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

über  diesen  gewichtigen  Verdacfatsgrund  hinweggeht:  ,,Aber 
was  —  sagt  er  S.  81  —  beweist"  dies?  Hebräer  und  Syrer 
haben  wirklich  den  Reim  nicht  gebraucht,  aber  die  Baby- 
lonier  können  ihn  dennoch  eben  so  gut  wie  die  semitischen 
Araber  wohl  gekannt 'und  gebraucht  haben;  ist  denn  der 
Reim  etwa  bloss  ein  Product  der  Wüste  ?^'  Glaubt  derselbe 
denn  durch  die  Postulirung  einer  Ausnahmestellung  für  die 
Babylonier  jedes  Gegenargument  ohne  Weiteres  zu  entkräften? 
Würde  dereinst  eine»  etruskische  Inschrift  in  Leoninischen 
Versen  producirt;  und  machte  Jemand  dagegen  geltend,  dass 
weder  Römer  noch  Griechen  den  Reim  gekannt  hätten,  dieser 
vielmehr  erst  in  den  lateinischen  Kirchenhymnen  aufgekommen 
16  sei,  was  würde  man  wohl  zu  dem  Kritiker  sagen,  der  die 
Echtheit  mit  der  Bemerkung  zu  retten  vorgäbe:  „so  gut  wie 
die  romanischen  Volker  können  auch  die  Etrusker  den  Reim 
gehabt  haben;  ist  der  Reim  etwa  bloss  ein  Product  der 
Kirche?'*  —  Meyers  Bedenken  wiegt  um  so  schwerer,  als 
uns  in  Dzaghriths'  künstlichen  Doppelreimen  ein  neues  Ju- 
dicium für  die  völlige  Abhängigkeit  des  wirklichen  oder 
angeblichen  nabatäischen  Schriftthums  von  dem  arabischen 
begegnet.  Hat  die  Schrift  des  Dzaghriths  jemals  existiri^ 
so  kann  sie  unter  der  günstigsten  Voraussetzung  im  sechsten 
Jahrhundert  n.  Gh.  entstanden  sein,  die  aus  ihr  schöpfende 
Nabatäische  Landwiiffischaft  muss  demnach  in  eine  noch 
spätere  Zeit  fallen. 

VII. 
Die  nabatäische   Schrift 

Ewald  hat  in  dem  Göttinger  gelehrten  Anzeiger  1859 
S.  1129  die  mit  der  Frage  der  Sprache  zusammenhängende 
über  die  Schrift  der  von  Ihn  Wahshijjah^  übersetzten  Bücher 
angeregt  und  in  dem  Umstände,  dass  nach  Chwolsons  Ver- 
sicherung (S.  105)  in  den  nabatäischen  Eigennamen  alle 
Vocale  mit  Ausnahme  des  e  durch  ä,  ü  und  i  ausgedrückt 
werden,  eine  stumme  Hinweisung  auf  die  aramäische  Schrift 
entdeckt,  wie  sie  sich  seit  etwa  dem  ersten  christlichen 
Jahrhundert  gestaltet   hat.     Ewald   erhebt   das   gegründete 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  589 

Bedenken^  ob  dies  dieselbe  Schrift  gewesen  sei;  welche  über 
zwei  Jahrtausende  früher  gebraucht  ward,  und  wie  der 
Araber  diese  noch  so  leicht  habe  lesen  können. 

Darauf  giebt  Ibn  Wahshijjah  selbst  reichlichen  Auf- 
schluss,  reichlicheren,  als  seinen  Freunden  lieb  sein  kann. 
In  den  ,,Ancient  alphabets'^  führt  er  nicht  ein,  sondern 
dreizehn  alte  Alphabete  der  Nabatäer  und  der  Chaldäer 
an,  von  denen  eines,  ein  hieroglyphisches,  nur  beschrieben, 
zwölf  aber  mitgetheilt  werden, 

1)  II,  2.     Bas  alte  nabatäische  Alphabet  (p.  10): 
a.        b.      ^.        d.        h.'     w.      z.        h.         t.         j. 

k.  1.       m.         n.       8.       ^a.     f.        9.         q.      r. 

sh.    th.     ths.        eh.         ds.        dz.        ts.     gh. 

2)  IV,  T.    Das  alte  nabatäische  Alphabet  der  berühmtesten 

m 

Philosophen  und  Gelehrten  (p.  29). 

3)  VI,  8.  Das  Alphabet  des  Skorpions  (p.  61).  Dieses  17 
Alphabet  ward  sehr  viel  gebraucht  von  den  Chaldäern  bei 
der  Beschwörung  verborgener  Schätze  und  in  den  Büchern 
und  Inschriften  derselben,  die  sich  auf  den  geheimen  Ein- 
fluss  des  Planeten  Mars  bezogen.  Es  ward  von  Märshiminä 
durch  übersinnliche  Eingebung  dem  Wahrsager  Arbijäsijüs 
dem  Nabatäer  überliefert.*) 


1)  Arbijäsijüs  ist  vielleicht  mit  dem  Armä8ijä,mt  des  Thenke- 
lösbä  (S.  99)  identisch,  Mftrshimtnä  sicher  mit  dem  in  der  Nabatäi- 
sehen  Landwirthschaft  erwähnten  Heiligen,  dessen  unpnnktirten  Namen 
Chwolson,  Ueber  Tammüz  S.  82.  91  Afsimtoä  liest.  Ich  argwöhne, 
dass  ans  der  Verbindnng  beider  Lesarten  sich  die  richtige  Form  M&qsi- 
mlnä.  ergiebt,  was  eine  äusserst  durchsichtige  Nabatäisirang  des  römi- 
schen Mazimin  sein  dürfte. 


590  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

4)  VI,  10.  D(xs  Alphabet  vom  Steinbock  unter  dem  Ein- 
flusse  Saturns  (p.  63).  Dieses  Alphabet  war  eigens  bestimmt 
für  den  Gebrauch  der  babylonischen  und  persischen  Philo- 
sophen, die  es  als  ein  grosses  Geheimniss  bewahrten.  Es 
ward  nach  ihrem  Untergänge  in  ihren  von  den  Griechen  fort- 
geschleppten Büchern  aufgefunden.  Die  ägyptischen  Philo- 
sophen bedienten  sich  desselben  später  in  ihren  astronomischen 
Werken. 

5)  VI,  11.  Das  Alphabet  vom  Zeichen  des  Wassermanns 
unter  dem  Einflüsse  Saturns  (p.  64).  Es  ward  besonders  Ton 
den  Chaldäern  und  Sabiern  in  ihren  Zauberbüchem  gebraucht, 
desgleichen  in  ihren  Inschriften,  die  auf  die  Wissenschafb  der 
Geisterwelt  Bezug  hatten. 

Das  siebente  Kapitel  ist  überschrieben  „Die  Alphabete  der 
alten  Könige,  nämlich  der  Konige  von  Syrien,  der  Hermeti- 
schen Könige  von  Aegypten  und  der  Pharaonen,  im  Gebrauch 
bei  den  Kanaanäem,  Chaldäern,  Nabatäern,  Kurden,  Casdäern, 
Persem  und  Kopten'*.  6)  No.  1  ist  „das  Alphabet  Königs 
Berdowis  des  Syrers  (p.  68).  Mit  diesem  Alphabete  schrieb 
derselbe  alle  seine  Bücher  über  die  Minutien  der  Gottheit 
und  über  das  Naturgesetz."  (Die  folgenden  Nummern  be- 
ziehen sich  bloss  auf  Aegypten.) 

Ein  eigener  Anhang  handelt  von  den  „vorsintflnthlichen 
Alphabeten,  die  von  den  Nabatäem,  Chaldäern  und  Sabiern 
aufbewahrt  worden  sind."  7)  Das  erste  sogenannte  Shishim- 
Alphabet^)  (p.  114)  wendete  man  an,  um  auf  den  „Lehm  der 
Philosophen"  zu  schreiben,  der  gebrannt  zu  Backstein  ward. 

8)  Das  folgende  Alphabet  (p.  115)  ward  auch  von  den 
Pharaonen  gebraucht,  die,  von  der  vorsintfluthlichen  Her- 
kunft desselben  überzeugt,  damit  die  Gebet-  und  liturgischen 
Bücher  zu  schreiben  pflegten,  welche  sie  in  ihren  Tempeln 
vor  ihren  Göttern  gebrauchten.  Ich  selbst  habe  in  Ober- 
ägypten Tafeln   und  Steine  mit  Inschriften  gesehen,  die  in 

1)  S.  de  Sacy  im  Magasin  encyclopädique  VI  (1810)  p.  152  ver- 
muthet,  dass  Shtshtm  eine  Corruptel  von  Shtths  *a.  m.  (d.  h.  über  ihn 
Heil)  sei.  Sollte  nicht  Shithsim  das  Richtige  und  dies  eine  hebräisirende 
Nebenform  zur  Bezeichnung  der  Anhänger  des  Isbithsä  sein? 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  591 

dieser  Schrift   gemeisselt  waren.     Die   Pharaonen   glaubten  18 
fest  an  deren   Alterthum,  und  die  Nabatäer  und  Ohaldäer 
beharrten  bei  derselben  Ansicht. 

Von  dem  Shishim- Alphabet:  „Es  ward  durch  gottliche 
Offenbarung  eingegeben  und  in  vier  verschiedenen  Arten  von 
den  Völkern,  die  sich  dessen  bedienten,  modificirt,  nämlich 
den  Hermesianem,  den  Nabataern,  den  Sabiern  und  den 
Chaldäem.  Dies  sind  die  vier  ältesten  Völker,  von  denen 
alle  Nationen  der  Neuzeit  ihre  Schrift  entlehnt  haben." 
9)  Veber  die  nahatäische  Form  der  Shishim -Schrift  heisst  es 
dann:  „Die  Nabatäer  zogen  Thierbilder  vor,  die  ihrer  natür- 
lichen Reihenfolge  gemäss  angeordnet  waren^  und  jedes  dieser 
Bilder  hatte  seine  geheime  Bedeutung.  Zum  Beispiel,  wollten 
sie  einen  mächtigen,  tapferen,  verschlagenen  und  habsüchtigen 
König  ausdrücken,  so  malten  sie  das  Bild  eines  Mannes  mit 
einem  Löwenkopfe,  der  mit  einem  Finger  auf  einen  Fuchs 
vor  ihm  wies.  Wollten  sie  die  Eigßnschaften  Einsicht,  Scharf- 
sinn und  Weisheit  ausdrücken,  so  stellten  sie  einen  Mann 
mit  einem  Elephantenkopfe  dar,  der  mit  einem  Finger  auf 
einen  dasitzenden  Affen  zeigte.  Wollten  sie  dem  Menschen 
die  Eigenschaften  Gerechtigkeit,  Grossmuth  und  Freigebig- 
keit beilegen,  so  zeichneten  sie  einen  Mann  mit  einem 
Vogelkopf  und  vor  ihm  eine  Wage  und  Sonne  und  Mond. 
Gedachten  sie  ihn  als  grausam,  treulos  und  unwissend  dar- 
zustellen, so  gaben  sie  ihm  den  Kopf  eines  Hundes,  wilden 
Schweines  oder  Esels,  mit  einem  Feuertopfe  und  einem 
Schwerte  vor  ihm.  Ein  kranker,  schwacher  und  abgelebter 
Mann  ward  dargestellt  durch  das  Bild  eines  Menschen  in 
Begleitung  gewisser  Charaktere  (siehe  p.  123),  und  vor  ihm 
das  Bild  Saturns,  zuweilen  mit  gewissen  Charakteren  (siehe 
ebenda).  Ein  gewaltsamen  Todes  verstorbener  Mann  ward 
versinnbildlicht  durch  das  Bild  eines  Menschen  mit  dem 
Kopfe  einer  Eule  oder  einer  Fledermaus,  und  hinter  ihm 
einen  Skorpion  mit  einem  gewissen  Zeichen  (siehe  p.  124), 
und  hinter  diesem  das  Bild  des  Teufels  mit  bestimmten 
Charakteren  (siehe  ebenda).  War  derselbe  vergiftet  worden, 
so   ward   er  dargestellt   mit   dem   Kopfe    eines   Käfers    oder 


592  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAPT 

einer  Schildkröte  und  einem  Gefasse  oder  Becher  von  Glas 
vor  ihm  und  den  Charakteren: 

/WVVV\        1^         \l 

Tod  verursacht  durch  Seuche,  hitziges  Fieber  oder  Verderb- 
niss  des  Blutes  und  der  Säfte,  ward  dargestellt  durch  einen 
19  Mann,  der  auf  einem  Sessel  sitzt,  in  der  Hand  einen  Pfeil, 
mit  einem  Drachen  über  seinem  Kopfe,  der  sich  um  den 
oberen  Theil  des  Schemels  schlingt,  und  vor  ihm  gewisse 
Charaktere  (siehe  p.  125).^)  Ehrenämter,  Ansehen  und  eine 
behagliche  Stellung  ward  ausgedrückt  durch  einen  Mann,  der 
in  der  Hand  einen  Ball  oder  Reif  hält,  auf  dem  Haupte  eine 
Krone,  vor  ihm  ein  Babe,  und  hinter  ihm  ein  Hund,  mit  be- 
stimmten Charakteren  in  einem  Kreise  um  dieselben  (siehe 
ebenda).  Ein  Mann  von  vollendeter  Weisheit  und  Einsicht, 
vollkommen  auf  allen  seinen  Wegen  und  ohne  den  mindesten 
Makel,  ward  abgebildet  mit  schönem  Antlitz  und  Fittichen 
wie  ein  Engel,  in  den  Händen  ein  Buch,  in  welches  er  blickt, 
ein  Schwert  und  eine  Wage  haltend,  hinter  ihm  zwei  Ge- 
fasse, das  eine  voll  Wasser,  das  andere  voll  loderndem  Feuer; 
unter  seinem  rechten  Fusse  hat  er  eine  Kugel,  auf  der  eine 
Schildkröte  abgemalt  ist,  unter  seinem  linken  einen  grossen 
Topf  voll  von  Schlangen,  Skorpionen  und  verschiedenem  Ge- 
würm, dessen  Deckel  die  Form  eines  Adlerkopfes  hat  — 
Siehe,  mein  Sohn,  das  sind  die  Geheimnisse  dieses  Volkes, 
in  welche  Niemand  eingeweiht  war,  als  sie  selbst.'^  Hieran 
knüpft  Ihn  Wahshijjah   die  Beschreibung  und  Deutung  von 


1)  Das  beachriebene  Bild  und  die  pben  abgebildeten  Charaktere 
sind  nichts  weniger  als  nabatäisch,  sondern  echte  Hieroglyphen,  die 
Ibn  Wahshgjah  irgendwo  in  Oberägypten  copirt  haben  mius:  deatlich 
ist  darin  die  Grappe  Gheper-ka  Hik- nuter -amun  zu  erkennen.  Auch 
die  vorher  beschriebenen  Männer  mit  Thierköpfen  waren  gewiss  nichts 
Anderes  als  ägyptische  Götterfiguren. 

2)  Die  Uebersetzung  dieses  von  Hammer  sehr  mangelhaft  wieder- 
gegebenen Passus  verdanke  ich  der  Güte  des  Herrn  Professor  Fleischer. 


UND  IHRE  QESCHWISTEE.  593 

Hieroglyphenreihen,  die  er  in  Oberägypten  gesehen  zu  haben 
angiebt. 

Dann  folgt  10)  y,eines  der  oben  erwähnten  Geheimalphabete 
(p.  129)".  Nachdem  das  vorsintfluthliche  Alphabet  der  Sabier 
mitgetheilt  worden,  kommt  ganz  zum  Schluss  folgende  uns 
sehr  nahe  angehende  Stelle:  „Die  Ghaldäer  waren  die  weisesten 
Männer  ihrer  Zeit,  wohl  bewandert  in  jeglicher  Kunst  und 
und  Wissenschaft.  Die,  welche  ihnen  noch  am  nächsten 
kamen  und  mit  ihnen  wetteiferten,  waren  die  Kurden.  Dem- 
ungeachtet  aber  ist  zwischen  diesen  beiden  Nationen  ein 
ebenso  grosser  Unterschied  wie  zwischen  den  Plei'aden  und 
einem  Irrwisch.  Die  wesentlichste  üeberlegenheit  der  Kurden 
über  sie  bestand  in  der  Landwirthschaft  und  Botanik.  Sie 
gaben  vor,  von  den  Kindern  des  Janbüshäd  abzustammen 
und  im  Besitze  der  Bücher  des  Adam  über  die  Landwirth- 
schaft zu  sein,  sowie  der  Bücher  des  Dzaghriths  und  des 
Qüthsämi;  sie  gaben  vor,  alle  sieben  vorsintfluthlichen  Bucher 
durch  himmlische  Eingebung  erhalten  zu  haben;  sie  gaben 
vor,  die  Kunst  der  Magie  und  der  Talismane  zu  besitzen. 
Dem  ist  aber  nicht  so;  denn  alle  diese  Wissenschafben  sind 
ihnen  Seitens  der  Ghaldäer  überliefert  worden,  welche  sie 
zuerst  civilisirten.  Diese  Ansprüche  auf  die  Priorität  ihres 
Wissens  sind  der  Grund  des  eingewurzelten  Hasses  zwischen 
den  Ghaldäern  und  den  Kurden." 

11)  Das  älteste  chaldäische  Alphabet  (p.  132). 

12)  Ein  anderes  chaldäisches  Alphabet  (p.  133). 

13)  Ein  anderes  altes  unbekanntes  Alphabet  (p.  134).  Dieses  20 
erklären  die  Kurden  fälschlich  für  das  Alphabet,  in  welchem 
Janbüshäd  und  Mäsi  el-Süräni  alle  ihre  Schriften  über  Künste 
und  Wissenschaften  verfasst  hätten.  Wir  wissen  nicht,  zu 
was  für  einem  Alphabete  diese  Buchstaben  gehören,  da  wir 
die  Sprache,  welche  sie  ausdrücken,  nie  zu  ermitteln  ver- 
mocht haben;  doch  sah  ich  in  Bagdad  33  Inschriften,  A\k  mit 
diesem  Alphabet  geschrieben  waren. 

Statt  aller  Kritik  genügt  es,  auf  die  abenteuerlichen, 
keiner  anderen  semitischen  Schriftart  irgendwie  ähnlichen 
Schnörkel   zu   verweisen,   aus   denen   diese    zum  Theil  sehr 

Y.  OüTSOHMiDf  Kleine  Schriften.   II.  38 


594  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

kosmopolitischen  Alphabete  bestehen.  Gelangen  ist  namentlich 
das  Alphabet  des  Skorpions,  in  dessen  Buchstaben  Tom  ersten 
bis  zum  letzten  das  Hintertheil  eines  Skorpions  nebst  Stachel 
als  Grundelement  festgehalten,  aber  durch  allerhand  bald  der 
Quere,  bald  der  Länge,  bald  in  schräger  Richtung  angebrachte 
Striche  und  Auswüchse  28  Mal  variirt  ist  Von  diesen  Alpha- 
beten sind  die  der  Philosophen,  Könige  und  Gelehrten,  nämlich 
die  drei  unter  Nr.  2,  6,  8  aufgeführten,  nach  der  neuen,  mit 
der  Neschischrift  eingeführten  Reihenfolge  der  arabischen 
Buchstaben  geordnet  und  enthalten  ausser  den  28  Buchstaben 
des  arabischen  Alphabets  noch  einen  neunundzwanzigsten, 
welcher  dem  .arabischen  Lam-Elif  entspricht.  Bei  weitem 
die  meisten  schliessen  sich  an  die  ältere  Ordnung  des  arabi- 
schen Alphabets  an  und  haben  die  28  arabischen  Buchstaben 
mit  unerheblichen  Abweichungen:  in  dem  jüngeren  vorsint- 
fluthlichen  Geheimalphabet  Nr.  10  fehlt  das  Je  —  ob  aus 
Laune  des  Erfinders  oder  durch  Nachlässigkeit  der  Abschreiber, 
ist  schwer  zu  sagen  — ;  das  Shishim- Alphabet  Nr.  7  hat 
zwischen  Nun  und  Sin  noch  ein  zweites  Zeichen  für  Dsal; 
das  Alphabet  des  Wassermannes  ist  am  Schluss  um  zwei 
Buchstaben  vermehrt,  welche  Ni  und  Rim  heissen.  Am  er- 
staunlichsten ist  der  Reichthum  des  „alten  unbekannten 
Alphabets^'  Nr.  13,  in  welchem .  unsere  alten  Bekaimten  Jan- 
büshäd  und  Mäsi  el-Süräni  nach  Behauptung  der  Kurden  ihre 
Bücher  geschrieben  haben  sollen.  Ibn  Wahshijjah  sagt  selbst, 
er  kenne  weder  die  Sprache  noch  das  Alphabet,  und  doch 
hat  der  scharfsinnige  Mann  in  ihm  nicht  nur  alle  28  arabische 
Buchstaben  genau  verificirt,  sondern  auch  noch  zwei  Zeichen 
für  die  neupersischen  Buchstaben  v  und  ^  herausgefunden 
(sehr  begreiflich,  weil  die  jetzigen  Kurden  sich  des  neu- 
persischen Alphabets  bedienen):  nur  sechs  Buchstaben  sind 
unerklärt  geblieben.  Bloss  zweimal  scheint  dem  Erfinder 
selbft  eine  dunkele  Ahnung  aufgestiegen  zu  sein,  dass  die 
haarscharfe  Uebereinstimmung  mit  dem  arabischen  Alphabete 
ein  Anachronismus  sei:  die  beiden  vorsintfiuthlichen  chaldäi- 
schen  Alphabete  Nr.  11  und  12  haben  nur  die  alten  22  semi- 
tischen Buchstaben,  letzteres  sogar  nur  21,  da  das  Nun  fehlt. 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  595 

Möglich^  dass  Ibn  Wahshijjah  für  diese  zwei  eine  jüdische 
Vorlage  benutzte,  wie  Silvestre  de  Saey  im  Magasin  encyclo- 
pedique  VI  (1810),  p.  168  vermuthet  hat. 

Fragen  wir  nun,  in  welchem  von  diesen  Alphabeten  die  21 
von  Ibn  Wahshijjah  gefundenen  nabataischen  Werke  ge- 
schrieben waren,  so  concurriren  nach  Ausschluss  des  nicht 
mitgetheilten  hieroglyphischen  und  des  „alten  unbekannten*' 
immer  noch  11  um  diese  Ehre.  Dass  hier  Schwindeleien 
vorliegen,  dürfte  auch  dem  blödesten  Auge  klar  sein;  wir 
können  uns  nur  an  das  an  erster  Stelle  aufgeführte  Alphabet 
halten,  welches  Ibn  Wahshijjah  für  das  gewöhnliche  alt- 
nabatäische  erklärt.  Es  bietet  weder  mit  der  hebräischen 
noch  mit  der  syrischen  Schrift  die  geringsten  Analogien  dar, 
wohl  aber  fallen  die  Zeichen  für  ^e.  Nun,  Fe,  Re  mit  den 
betreffenden  kufischen  Buchstaben,  die  für  He,  Je,  Eef,  Qaf 
mit  den  entsprechenden  der  Neschi-Schrift  beinahe  zusammen 
In  der  Hauptsache  trägt  es,  wie  schon  S.  de  Sacy  im  Magas. 
encypl.  VI  p.  151  ausdrücklich  bemerkt  hat,  den  Stempel 
absichtlicher  Erfindung  auf  der  Stirn. 


vm. 

Geographische  Anachronismen. 

Von  einer  Betrachtung  der  Form  wenden  wir  uns  zu 
einer  Betrachtung  des  Inhalts  der  Nabataischen  Landwirth- 
Schaft  und  der  verwandten  Schriften.  In  einem  sehr  wesent- 
lichen Punkte  hat  es  uns  Ibn  Wahshijjah  unmöglich  gemacht, 
ihm  auf  die  Finger  zu  sehen:  er  giebt  zwar  die  Personen- 
namen so  wieder,  wie  er  sie  im  Originale  fand,  statt  der 
alten  Länder-,  Städte-  und  Völkernamen  dagegen  setzt  er  die 
zu  seiner  Zeit  gangbaren  Benennungen,  wie  er  ausdrücklich 
bemerkt  (S.  16).  Ghwolson  glaubt  in  der  That,  dass  man 
sich  auf  Ibn  Wahshijjahs  Deutung  wenigstens  der  Namen 
mesopotamischer  und  babylonischer  Städte  ziemlich  sicher 
verlassen  könne.    Zum  Glück  kommen  aber   doch  vereinzelt 

Namen  vor,  die  uns  als  Controle  dienen  können. 

38* 


596  DIR  NABATAEISCHE  LANDWIBTHSCHAFT 


§1- 

Pehlewi-Volk  und  Pehlewi-Sprache. 

S.  40  heisst  es:  „Ein  Volk  Namens  Pehlewier  wird 
allerdings  erwähnt;  aber  man  weiss  bis  jetzt  nicht,  dass  es 
ein  Volk  gab;  welches  diesen  Namen  führte^  und  wir  wissen 
auch  nicht  genau;  in  welche  Epoche  und  in  welche  Gegend 
wir  die  Existenz  dieses  Volkes  zu  setzen  haben.  Es  ist  übrigens 
auch  möglich;  dass  dieser  Name  von  Ibn  Wahshijjah  statt 
eines  anderen  älteren  Namens  substituirt  wurde/'  Dass  zu 
Ibn  Wahshijjahs  Zeit  kein  Volk  der  Pehlewier  existirte,  steht 
fest;  der  Name  ist  also  seiner  Aussage  gemäss  als  dem  Ori- 
ginale angehorig  zu  betrachten.  In  welcher  Richtung  wir 
das  Volk  zu  suchen  haben ^  darüber  kann  die  Existenz  der 
Pehlewisprache  keinen  Zweifel  lassen.  Nun  ist  es  eine  sehr 
annehmbare  Vermuthung  bedeutender  Iranisten  (z.  B.  Lassens 

22  in  der  Ind.  Alterthumk.  I  S.  434  [S.  515f.  der  2.  Aufl.]);  dass 
die  Pahlawi-Sprache  eigentlich  die  Sprache  des  Grenzvolkes, 
der  Pahlawa;  sei;  und  dass  diese  mit  Herodots  Paktyern 
identisch  seien.  DaraU;  dass  pahtu  die  ältere  Form  ist;  aus 
der  pahlu  erst  entstanden  ist;  kann  freilich  kein  Zweifel  sein; 
da  aber  das  Alter  der  Zendsprache  so  bestritten  ist;  so  kann 
man  hier  zugeben;  dass  beide  Formen  schon  vor  Alters  neben- 
einander bestanden  haben,  kann  auch  zur  Noth  zugeben,  dass 
dies  schon  im  vierzehnten  Jahrhundert  v.  Gh.  der  Fall  ge- 
wesen —  dass  aber  das  Volk,  welches  die  Pahlawi-Sprache 

'  gesprochen^  jemals  Pahlawier  geheissen  habe;  das  kann  nicht 
zugegeben  werden:  es  ist  sichtlich  ein  erst  aus  dem  Namen 
der  Sprache  abstrahirtes  Volk. 

Auch  die  Pehlewisprache  kommt  bei  Qüthsämi  Tor 
(ebenda):  „aber  —  sagt  Chwolson  —  einerseits  können  wir 
nicht  die  Z'eit  bestimmen,  wann  dieser  Dialekt  sich  gebildet 
hat,  andererseits  aber  muss  ich  bemerken,  dass  die  Stelle 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  eine  Glosse  von  späterer  Hand 
ist.''  D.a8  Verdächtige  dieser  Erwähnung  hat  bereits  Ewald 
[in  den  Göttinger  gelehrten  Anzeigen]  1859  S.  1135  hervor- 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  597 

gehoben  und  den  üngmnd  der  zuletzt  ausgesprochenen  Ver- 
muthuDg  nachgewiesen;  das  ,,einerseits''  ist  gar  nicht  wahr: 
die  sehr  starke  Einwirkung  des  Semitischen  auf  das  Pehlewi 
ist  anerkannt,  anerkannt  auch,  dass  eine  derartige  Misch- 
sprache jünger  sein  muss  als  die  Ächämenidenzeit,  anerkannt 
endlich,  dass  in  den  sehr  zahlreichen  bei  den  Classikern  er- 
haltenen persischen  Eigennamen  sich  vor  Strabon  und  Tacitus 
von  Pehlewiformen  keine  Spur  findet. 

§2.  ^ 

Euka  und  Sura. 

Chwolson  scheint  den  Nachweis  geliefert  zu  haben,  dass 
Qüthsämis  Vaterstadt  nicht  Qüfän  hiess  (wobei  man  nur  mit 
Ewald  in  den  Göttinger  Nachrichten  1857  S.  160  an  das 
Küfah  oder  Küfän  der  Araber  denken  könnte),  sondern  Qüqä, 
und  dass  dies  die  aus  syrischen  Quellen  bekannte  Stadt  am 
Tigris  ist,  welche  die  Classiker  Xcoxv  nennen  (S.  32),  Zu 
Ihn  Wahshijjahs  Zeit  bestand  diese  Stadt  nicht  mehr,  son- 
dern war  damals  in  der  Doppelstadt  Madäin  völlig  auf- 
gegangen: der  Name  kann  also  nicht  unter  die  modernen 
von  Ihn  Wahshijjah  für  ältere  substituirten  gehören.  Chwolson 
glaubt,  man  könnte  aus  der  Bedeutung  der  Stadt  Qüqä  in 
der  christlichen  Zeit  als  eines  der  Hauptcentren  der  orienta- 
lischen Kirche  vielleicht  auf  die  geistige  Bedeutung  derselben 
in  der  heidnischen  Zeit  schliessen.  Allein  die  Stadt  kommt 
in  der  älteren  Zeit  gar  nicht  vor^),  zuerst  in  der  Eaiserzeit2a 
als  die  syrische  Vorstadt  von  Seleukeia  (vgl.  Kiepert,  Er- 
läuterungen zum  Atlas  der  alten  Welt,  §  40  [§  39  der  elften 
Auflage]),  je  später  desto  häufiger;  wenn  es  vor  Seleukeia 
überhaupt  existirt  hat,  so  ist  es  doch  nur  ein  unbedeutender 
Ort  gewesen:  noch  zu  Trajans  Zeiten  kennt  es  Arrian  (Fr.  8 


1)  Die  Conjectar  von  Salmasius,  der  Xcaxi^v  in  ein  Fragment  des 
Hellanikos  bei  Steph.  b.  v.  XaXSatbi  [Fr.  160  Müll.]  bringen  wollte,  ist 
längst  als  anstatthaft  erkannt  worden:  Meineke  hat  das  verderbte  t^v 
Xoyriv  in  t^v  yr^v  verwandelt;  vielleicht  liegt  eine  missverstandene 
Abkürzung  für  t^v  XaXdaitov  yijv  zu  Grunde. 


598  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAPT 

bei  Müller,  Fragm.  bist.  Graec^  III  p.  588)  als  einen  blossen 
Flecken.  Die  grosse  Kolle,  die  Qüqä  in  der  Nabatäisehen 
Landwirthscfaaft  spielt,  macht  für  diese  eine  frühere  Ab- 
fassungszeit als  das  zweite  Jahrhundert  V.  Ch.  nicht  eben 
wahrscheinlich. 

Nicht  minder,  auffällig  ist  die  hervorragende  Stellung, 
welche  die  genannte  Schrift  der  Stadt  Sürä  am  Euphrat  zu- 
weist Zwar  wissen  wir  aus  jüdischen  Quellen,  dass  diese, 
zu  Ende  der  Arsakidenzeit  zuerst  genannte,  Stadt  noch  zu 
Ibn  Wahshijjahs  Zeit  bestand:  es  konnte  also  zugegeben 
werden,  dass  derselbe  den  Namen  für  einen  älteren  substi- 
tuirte.  Aber  Sürä  erscheint  als  Gelehrtenschule.  Freilich 
Chwolson  „weiss  es  bestimmt,  dass  diese  Stadt  in  der  früheren 
und  selbst  in  der  frühesten  Zeit  ein  Hauptsitz  der  chal- 
däischen  Cultur  und  Gelehrsamkeit  war"  (S.  33).  Auch  ver- 
muthet  er,  dass  Orchoe,  wo  nach  Strabon  eine  chaldäische 
Schule  war,  mit  Sürä  identisch  ist.  Die  Vermuthung  ist 
falsch:  wir  wissen,  dass  das  babylonische  Sürä  ursprünglich 
Mata-Mechassia  hiess  (Grätz,  Geschichte  der  Juden  lY  S.  306). 
Was  mich  anbelangt,  so  weiss  ich  nur  soviel  „bestimmt", 
dass  Sürä  vom  dritten  bis  in  die  Mitte  des  zehnten  Jahr- 
hunderts der  Sitz  einer  berühmten  jüdischen  Gelehrtenschule 
war,  die  erst  bald  nach  Ibn  Wahshijjahs  Tode  einging 
(Grätz  a.  a.  0.  V  S.  336).  Wer  Optimist  ist,  dem  bleibt  es 
unbenommen,  auch  hier  den  Rückschluss  aus  der  Bedeutung 
in  der  jüdischen  Zeit  auf  die  Bedeutung  in  der  heidnischen 
Zeit  zu  wagen.  In  dem  Ausdrucke  „die  syrischen  Suraner", 
dessen  sich  Qüthsämi  bedient,  fand  Ewald  ([Gottinger  Nach- 
richten] 1857  S.  161)  eine  Anspielung  auf  griechische  Zeiten. 
Chwolson  meint  allerdings,  im  Originale  werde  etwa  Armoje 
dafür  gestanden  haben;  die  Sache  bleibt  aber  auch  so  höchst 
auffällig.  Wer  von  „syrischen  Suranern*'  liest,  muss  noth- 
wendig  zunächst  auf  den  Gedanken  kommen,  dass  damit  die 
Bewohner  der,  aus  classischen  Quellen^)  bekannten,  ebenfalls 
am  Euphrat  gelegenen  syrischen   Stadt  Sura  zum  Unter- 

1)  Plin.  N.  H.  V,,26,  21  §  89;   Ptol.  V,  15,  26;  Lucian.  de  con- 
Bcrib.  bist.  29. 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  599 

schied  von  der  babylonischen  bezeichnet  werden.  Dass  dies 
jedoch  nicht  der  Fall,  vielmehr  wirklich  von  der  babylo- 
nischen Stadt  dieses  Namens  die  Rede  ist,  lehrt  theils  der 
Zusammenhang;  theils  andere  Stellen  der  Nabatäischen  Land- 
wirthschaffc.  Wie  die  Vertheidiger  ihrer  Echtheit  sich  hier 
zu  helfen  wissen  werden,  ist  mir  gleichgiltig :  mir  ist  es 
klar,  dass  Pseude-Qüthsämi  von  einer  syrischen  Stadt  Sura 
gelesen,  diese  mit  der  babylonischen  vermengt  und  den 24 
Widerspruch  durch  Annahme  einer  syrischen  Bevölkerung 
der  letzteren  auszugleichen  versucht  hat. 

§3. 

Antiochien. 

» 

„Antiochien  —  heisst  es  S.  36  —  wird  zwar  erwähnt, 
aber  dieser  Name  rührt  sicher,  wie  so  viele  andere  neue 
Städte-  und  Ländernamen,  von  Ibn  Wahshijjah  her/'  So 
glatt  kommt  man  über  diesen  Stein  des  Anstosses  nicht 
hinweg.  Antiochien  ist  bekanntermassen  erst  von  Seleukos  L 
gegründet:  entweder  also  ist  das  Buch  des  Qüthsämi  jünger 
als  300  V.  Chr.  oder  man  muss  zugeben,  dass  Ibn  Wahshijjah 
bei  der  Ersetzung  der  alten  Ortsnamen  durch  neue  mit  solcher 
Unwissenheit  oder  Willkür  verfahren  ist,  dass  auf  alle  der- 
artige Angaben  bei  ihm  nicht  das  geringste  Gewicht  gelegt 
werden  kann.  Vielleicht  wird  sich  aber  Chwolson  auf  die 
Fabeleien  der  Antiochenischen  Chronisten  beim  Malala  be- 
rufen, dass  schon  vor  der  Existenz  des  späteren  Antiochiens 
auf  dem  nahen  Berge  Silpion  eine  Stadt  Namens  'JcosroAtg 
gestanden  habe,  eine  Gründung  des  Triptolemos  und  der 
Argeier,  welche  die  lo  suchten:  ihre  Einwohner  seien  von 
Seleukos  nach  Antiochien  verpflanzt  worden  und  hiessen 
noch  zu  seiner  Zeit  bei  den  Syrern  ^Imvttai  (pp.  33.  257 
ed.  Oxon.).  Bei  der  geistreich  lässigen  Manier,  wie  man 
heut  zu  Tage  Untersuchungen  über  griechische  Urgeschichte 
zu  führen  liebt,  kann  man  nicht  dafür  stehen,  dass  dieses 
apokryphe  Histörchen  nicht  noch  einmal  als  Argument  für 
eine  uralte  Niederlassung  der  lonier  an  der  syrischen  Küste 


600  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIKTHSCHAFT 

verwerthet  wird.  Was  mich  betriflt,  so  führe  ich  sie,  ab- 
gesehen von  der  Eitelkeit  der  Antiochener,  einfach  auf  die 
syrischen  Benennungen  Jünoitho  (die  griechische)  und  Javon 
(Grieche)  für  die  neue  Stadt  und  ihre  Bewohner  zurück,  zu 
deren  Erklärung  die  Griechen  in  ihrer  Weise  einen  etymo- 
logischen Mythos  ersannen;  und  ich  glaube  kaum,  dass  metho- 
dische Geschichtsforscher  mir  hierin  widersprechen  werden.*) 

§4. 

Die  lonier,  ihr  Wohnen  neben  Kanaan  und  in 

Britannien. 

Dies  führt  uns  auf  die  famosen  Stellen  über  die  lonier. 
Mäsi  der  Suraner,  der  nach  gewissen  von  Chwolson  vor-^ 
genommenen,  freilich  sehr  unsicheren,  Reductionen  der  über- 
lieferten Zahlen  um  2500  v.  Chr.  lebte,  schreibt  an  Tamithsri 
den  Kanaanäer  bei  Gelegenheit  eines  Streits  über  die  Schäd- 
lichkeit des  reinen  Westwinds:  „Das,  was  ich  dir,  Tamithsri, 
ßage,  gilt  auch  deinen  Nachbarn,  den  loniern,  von  denen  ich, 
wenn  ich  nicht  einen  Widerwillen  dagegen  hätte,  irgend 
Jemand  zu  beleidigen,  gesagt  hätte,  dass  sie  wie  das  Vieh 
wären;  und  wenn  auch  manche  vortreffliche  Männer  aus 
26  ihrer  Mitte  hervorgegangen  sind,  so  überheben  sie  sich  doch 
Einer  nach  dem  Andern  gegen  die  Babylonier.''  Spiegel  hat 
im  „Ausland"  XXXII  (1859),  S.  1012  mit  Recht  bemerkt, 
dass  der  Ton  dieser  Stelle  einen  höchst  zweideutigen  Ein- 
druck zurücklässt:  „So  spricht  man  nicht,  wenn  man  über 
ein  rohes  und  ungebildetes  Volk  unbefangen  aburtheilt,  wohl 
aber  in  einer  leidenschaftlichen  wissenschaftlichen  Streit- 
schrift, die  sich  des  Paradoxen  ihrer  Behauptungen  wohl 
bewusst  ist.  Es  sollte  mich  keineswegs  wundern,  wenn  sich 
dergleichen  Aeusserungen  als  Produkt  der  Zeit  herausstellen 
würden,  welche  den  Eroberungen  Alexanders  folgte,  in  der 
die  griechische  Bildung  mehr  und  mehr  nach  Asien  vor- 
drang."    Chwolson  ist  freilich  anderer  Ansicht:   „Vor  etwa 


*)  [Vgl.  Band  I  S.  226.     F.  R.] 


rao  IHRE  GESCHWISTER.  601 

zwanzig  Jahren  —  sagt  er  S.  91  f.  — ,  als  eine  negatiye 
Kritik  noch  im  Flore  war,  hätte  man  aus  dieser  Stelle 
gewiss  gefolgert,  dass  Mäsi  nach  Alexander  dem  Makedonier 
gelebt  hat;  jetzt  aber  wird  dies  Niemand  thun/'  Wäre 
wirklich  jetzt,  wie  Chwolson  insinuirt,  die  positive  Unkritik 
allmächtig,  so  wäre  es  möglich,  dass  er  mit  seinen,  zuver- 
sichtlicher als  rathsam  war  hingestellten,  Behauptungen  Bei- 
fall fände;  wir  sind  weniger  pessimistisch  und  wagen  zu 
prophezeien,  dass  er  hierin  sehr  allein  stehen  wird.  Wie  zu 
erwarten  war,  macht  Chwolson  von  den  AUerweltsioniem  für 
seinen  CUenten  Qüthsämi  Capital:  „Wir  können  es  jetzt  — 
sagt  er  S.  85  —  nach  den  Forschungen  E.  Curtius',  ungeachtet 
aller  dagegen  erhobenen  Einwendungen,  als  eine  ausgemachte 
Thatsache  annehmen,  dass  die  griechische  Bevölkerung  in 
Eleinasien  nicht  erst  seit  dem  elften  Jahrhundert  v.  Ch.  sich 
daselbst  augesiedelt,  sondern  dass  sie  im  Gegentheil  hier 
ihre  Ursitze  hatte/'  Als  das  einzige  positive  Argument,  das 
gegen  diese  total  veränderte  Stellung  des  ionischen  Stammes 
angeführt  werden  könnte,  betrachtet  er  die  „Gott  Lob  besei- 
tigte naive  Chronologie  der  ehemaligen  Tertia  mit  den  Daten 
1697  für  Phoroneus,  137?  für  Deukalion  u.  s.  w."  (S.  85.  92). 
In  welchem  Zusammenhange  die  mythische  Chronologie  der 
Alexandriner  mit  der  vorliegenden  Frage  stehen  soll,  gestehe 
ich  nicht  zu  begreifen;  die  Sache  steht  im  Gegentheil  so, 
dass  die  asiatischen  und  ägyptischen  Einwanderer  Pelops, 
Danaos,  Eekrops,  Peteos,  Erechtheus,  die  man  für  immer 
beseitigt  glaubte,  von  E.  Curtius  aus  der  Rumpelkammer 
hervorgeholt  und  als  orientalisirte  lonier  oder  ionisirte 
Orientalen  verwerthet  worden  sind.  Die  vornehm  ablehnende 
Haltung,  welcher  der  Urheber  der  Hypothese  allen  Einwürfen 
gegenüber  vor  einem  Widerlegungsversuche  den  Vorzug  giebt, 
und  die  Dringlichkeit,  mit  der  enthusiastische  Philologen  in 
den  Jahnschen  Jahrbüchern  von  den  Lesern  für  die  E.  Curtius- 
schen  Studien  über  ältere  griechische  Geschichte  Bewunde- 
rung heischen,  kann  allerdings  den  ferner  Stehenden  auf  den 
Gedanken  bringen,  dass  es  sich  hier  um  eine  „ausgemachte 
Thatsache'^  handelt,  der  nur  vereinzelte  Böswilligkeit  ihre 


602     .        DIE  NABATAEISCHE  LANDWIBTHSCHAFT 

26  Anerkennung  vorenthält:  in  Wahrheit  aber  haben  sich  ge- 
rade diejenigen,  die  hier  vorzugsweise  competent  sind,  Histo- 
riker und  Geographen  (ich  erinnere  nur  an  Duncker  in  der 
griechischen  Geschichte  und  Kiepert  in  der  Untersuchung 
über  die  Yolkertafel  der  Genesis) ,  sehr  entschieden  gegen 
die  lonierhypothese  erklärt,  und  diese  gilt  jetzt  ziemlich  all- 
gemein als  beseitigt  Bei  jeder  Hypothese  muss  die  erste 
Frage  sein  nicht  ,yist  sie  gut?%  sondern  ,,ist  sie  nothig?''  — 
,,ist  sie  die  verhältnissmässig  befriedigendste  Losung  vor- 
handener Schwierigkeiten?^^  Gerade  bei  der  hier  in  Frage 
kommenden  ist  es  eine  der  schwächsten  Seiten,  dass  sie  die 
einzige  wenigstens  nach  dem  Urtheile  von  Lepsius  feststehende 
Thatsache,  das  Vorkommen  der  lonier  in  Äegypten  auf  den 
Denkmälern  der  achtzehnten  und  neunzehnten  Dynastie,  bei 
Licht  besehen  ebenso  unerklärt  lässt  wie  die  sehr  constante 
griechische  Tradition:  dass  man  jene  lonier  von  dem  schmalen 
Küstenstriche  Kleinasiens,  der  ihren  Namen  führt,  statt  der 
Tradition  gemäss  von  dem  europäischen  Festlande  kommen 
lässt,  macht  den  Weg  nach  Äegypten  um  nichts  kürzer;  wie 
überhaupt  in  so  alter  Zeit  Griechen  nach  Äegypten  gekom- 
men sind,  das  würde  das  grosse  Problem  sein,  wenn  die 
hieroglyphische  Lesung  des  loniernamens  über  alle  Zweifel 
erhaben  wäre.  Da  aber  unter  den  namhaftesten  unserer 
Aegyptologen,  Lepsius,  Bansen,  Brugsch,  nichts  weniger  als 
Uebereinstimmung  über  die  Deutung  der  betreffenden  Gruppe 
herrscht,  so  hat  der  Nichtägyptolog  einfach  zu  constatiren, 
dass  die  Sache  noch  nicht  so  sicher  steht,  um  einer  totalen 
Umwälzung  der  griechischen  Urgeschichte  als  Grundlage  zu 
dienen.*)  Gesetzt  aber  selbst  einmal,  die  Curtiusschen  lonier 
wären  in  der  äussersten  Ausdehnung,  die  man  mit  diesem 
Begriffe  verbinden  kann,  eine  Realität,  was  wäre  damit  ftLr 
die  Authenticität  der  Stelle  des  Mäsi  gewonnen?  Nicht  das 
Mindeste;  ich  will  nicht  davon  reden,  dass  dessen  lonier 
2500  V.  Ch.  eine  Theorie  über  die  nachtheiligen  Folgen  des 


*)  [^gl-  »Beiträge  zur  Geschichte  des  alten  Orients**  S.  124 ff. 
F.  R] 


UND  IHEE  GESCHWISTER.  603 

reinen  Westwindes  gehabt  haben  sollen  und  dass  diese 
Theorie  in  Babylon  bekannt  gewesen  und  kritisirt  worden 
sein  soll,  aber  noch  mehr:  diese  lonier  sind  Nachbarn  der 
Eanaanäer!  Chwolson  riskirt  mit  Hülfe  der  dardanisch- 
lelegisch- karisch -lykischen  Brücke,  die  Classen  geschlagen 
hat^  ein  Salto  mortale  an  die  kanaanäische  Grenze.  Die 
Molluskennatur^  die  den  modernen  loniem  seit  ihrer  Erfin- 
dung anklebte,  hat  uns  in  der  That  auf  solche  Einfalle  hin- 
reichend vorbereitet;  Chwolson  macht  sich  die  Sache  aber 
doch  etwas  zu  leicht,  wenn  er  von  zwei  Hypothesen  die 
ungehenerlichere  ohne  Weiteres  als  Beweismittel  für  die 
minder  ungeheuerliche  verwerthet:  „lonier  —  sagt  er  S.92  — 
kann  hier  einen  viel  weiteren  Begriff  haben  als  bei  uns, 
wofür  übrigens  auch  der  Umstand  spricht,  dass  Mäsi  die 
lonier  als  Nachbarn  der  Eanaanäer  nennt,  was  von  den  an 
den  Meeresküsten  ansässigen  Griechen  doch  durchaus  nicht 
gesagt  werden  kann.''  Zwischen  Lykien  und  Kanaan  liegend? 
noch  Eilikien  und  Syrien,  Länder,  deren  Bevölkerung  zu 
einer  ionischen  zu  stempeln  auch  der  erhitztesten  Phantasie 
schwer  fallen  möchte:  darum  also  müssen  sich  die  lonier 
Mäsis  in  Nichtionier  verwandeln  lassen!  Wir  konnten  uns 
füglich  darauf  beschränken,  das  Bodenlose  dieser  ganzen 
Annahme  einfach  zu  signalisiren,  sind  aber  in  der  Lage, 
ihre  positive  Unmöglichkeit  nachzuweisen:  entweder  der 
Name  Javan  kam  den  griechischen  loniern  ursprünglich  zu 
und  wurde  von  den  Orientalen  auf  andere  Völker  über- 
tragen —  dann  könnten  dies  nur  hinter  den  loniern,  also 
westlich  von  ihnen,  wohnende  Völker  gewesen  sein;  oder 
der  Name  Javan  kam  einem  östlicheren,  nichtgriechischen 
Volke  ursprünglich  zu  und  wurde  erst  später  in  den  orien- 
talischen Sprachen  auf  die  griechischen  lonier  übertragen  — 
dann  hätten  diese  Letzteren  sich  nicht  selbst  mit  diesem 
Namen  nennen  können.  Jene  Worte  Mäsis  haben  nur  zu 
einer  Zeit  einen  Sinn,  als  die  Griechen  erstens  thatsächlich 
Nachbaren  der  Eanaanäer,  d.  h.  im  Besitze  von  Syrien  waren, 
zweitens  als  sie  den  Babyloniern  ihre  Ueberlegenheit  in  einer 
für   deren   Nationalstolz   demüthigenden   Weise   hatten   em- 


604  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

pfinden  lassen  ^  mit  einem  Worte  seit  dem  Beginn  der  helle- 
nistischen Periode.  Vor  dieser  Wahrheit  schützt  alles  Pro- 
testiren gegen  eine  negirende  Kritik  nicht. 

Die  Stellen,  an  denen  Qüthsämi  in  seinem  eigenen 
Namen  von  den  loniern  spricht,  sind  darum,  dass  sie  bloss 
ein  um  ein  Jahrtausend  niedrigeres  Älter  beanspruchen,  nicht 
weniger  verdächtig.  S.  88  heisst  es,  die  lonier  wären  der 
Ansicht,  dass  die  Malve  nicht  kalt;  sondern  heiss  sei. 
Chwolson  selbst  hat  nicht  verschwiegen,  dass  die  Einthei- 
lung  der  Pflanzen  in  kalte  und  warme  Theophrastisch  ist, 
erklärt  aber  trotzdem,  jene  Ansicht  könne  auch  von  Wurzel- 
gräbern und  Pharmakopoen  getheilt  worden  sein,  die  schon 
im  fünfzehnten  Jahrhundert  in  lonien  existirt  haben  können, 
wenn  man  das  griechische  Alterthum  überhaupt  hinaufrückt. 
Eine  Kritik  dieses  Einfalls  ist  überflüssig:  mit  „wenn''  und 
„aber",  mit  „möchte,  könnte,  dürfte"  kann  man  weder  Un- 
möglichkeiten beweisen,  noch  den  auf  der  Hand  liegenden 
Verdacht,  dass  hier  plumpe  Fälschung  aus  spätester  Zeit 
vorliegt,  ersticken. 

Es  kommt  aber  noch  ärger.  Qüthsämi  führt  ein  ioni- 
sches Sprichwort  an:  Du  bist  noch  verständiger  als  ein 
jemenischer  Zauberer.  „Diese  Stelle  —  erfahren  wir  S.  89  — 
beweist  gleichfalls  nichts  gegen  das  hohe  Alter  des  Qüthsämi: 
denn  wenn  einmal  das  Alterthum  der  Griechen  in  Klein- 
asien höher  hinaufgerückt  wird,  als  man  dies  bis  jetzt  ge- 
wöhnlich thut,  und  wenn  man  annimmt,  dass  der  Name 
lonier  bei  den  Orientalen  einen  weiteren  Begriff  hatte  als 
bei  den  Griechen  der  späteren  Zeit,  so  ist  jenes  Sprichwort 
in  Kleinasien  in  der  von  uns  angenommenen  Zeit  für  Qüthsämi 
28 nicht  unmöglich.'^  Zwischen  Kleinasien  und  Jemen  liegen 
noch  etliche  Stunden  Wegs,  und  billig  darf  man  fragen,  wie 
bei  den  loniern  Bewohner  eines  Landes  sprichwörtlich  werden 
mochten,  das  ihnen  kaum  vom  Hörensagen  bekannt  sein 
konnte.  In  dem  grossen  Schatz  von  Sprichwörtern,  welche 
die  Griechen  besitzen,  findet  sich  das  angeführte,  wie  zu  er- 
warten war,  nicht  vor;  ich  kenne  nur  zwei  ähnliche,  freilich 
minder  schmeichelhafte,  ^Agaßcog  ayyekog  von  einem   uner- 


UND  IHRE  GESCHWISTER.         •  605 

müdlichen  Schwätzer  und  'A^äßiog  avXrixrig  von  einem  Plöten- 
bläser,  dem  man  eine  Drachme  giebt,  dass  er  bläst,  und 
Tier,  dass  er  nur  wieder  aufbort  (Apostol.  Paroem.  cent.  III 
p.  70.  71.  Zenob.  cent,  II  p.  39.  58):  die  Araber  galten  als 
LQgner  und  Schwindler,  denen  kein  wahres  Wort  auf  der 
Zunge  sitzt  (Babrios  I,  57  v.  12  ff.).  Natürlich  kommen 
diese  Sprichwörter  erst  in  der  Zeit  nach  Alexander  auf: 
Babrios  schrieb,  wie  mir  am  wahrscheinlichsten  vorkommt, 
in  der  Mitte  des  zweiten  Jahrhunderts  v.  Ch.  in  Syrien  unter 
Antiochos  VI.  Epiphanes  Dionysos  (Babr.  11,  prooem.  v.  1).*) 
Aber  niemals  hat  in  der  griechischen  Sprache  ein  Wort 
existirt,  das  dem  arabischen  Landesnamen  Jemen  entsprochen 
hätte;  und  vor  Homer,  im  vierzehnten  Jahrhundert  v.  Ch. 
sollte  ein  solches  Wort  existirt  haben  und  dann  spurlos  ver- 
loren gegangen  sein?  Um  dieser  absurden  Consequenz  zu 
entgehen,  wird  man  sich  ohne  Zweifel  wieder  auf  die  Yolu- 
bilität  des  lonierbegriffes  berufen  und  zu  Lassens  auf  die 
sanskritische  Benennung  des  Weihrauchs,  jävana,  begründeter 
Ansicht  seine  Zuflucht  nehmen,  dass  bei  den  Indern  Javana 
in  der  älteren  Zeit  nicht  die  Griechen,  sondern  ein  arabisches 
Volk  bezeichne.  Allein  Lassen  selbst  hat  dies  nur  als  eine 
beiläufige  Vermuthung  ausgesprochen  (Ind.  Alterthumjsk.  I 
S.  729  [S.  722f.  der  zweiten  Auflage]),  die  meines  Wissens 
keine  allgemeine  Anerkennung  gefunden  hat-,  und  wäre  dies 
selbst  der  Fall,  so  macht  Qüthsämt  selbst  diese  wohlwollende 
Deutung  seiner  lonier  unmöglich,  indem  er  S.  89  Ephesos 
eine  Stadt  der  lonier  nennt.  Es  liegt  also  die  Erfindung 
irgend  eines  Nichtgriechen  vor,  dem  der  Name  Jemen  ein 
ganz  geläufiger  war:  zunächst  fällt  der  Verdacht  auf  einen 
Araber. 

Von  der  Getreideart  Athsrümjashä  oder  Therümjasä 
heisst  es  S.  87:  „Diese  ist  durch  Handel  zu  Hinäfä  dem 
Könige  gebracht  worden  aus  dem  Lande  der  lonier,  welches 
Bei-tänijä  heisst."  „Was  für  eine  Stadt  oder  Gegend  — 
sagt  Chwolson  —  hier  gemeint  ist,  kann  ich  nicht  angeben; 


*)  [Vgl.  Band  I  S.  17  f.    P.  R.l 


606  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAPT 

an  Britannien  kann  hier  schwerlich  gedacht  werden,  obgleich 
die  Phönicier  schon  sehr  früh  dieses  Land  gekannt  haben.'' 
Durch  Bertänija  ist  Bgazzüvla  (das  inlautende  a  ist  lang, 
wie  man  aus  Dionys.  Perieget.  v.  284  sieht)  so  gewissenhaft 
wiedergegeben,  wie  es  der  arabischen  Sprache  überhaupt 
möglich  ist;  dass  ein  anderes  Land  als  Britannien  gemeint 
sein  könnte,  ist  eine  leere  Ausflucht,  die  damit,  dass  andere 
Handschriften  mit  veränderter  Punctation  Bertäjinä  lesen, 
nicht  gestützt  werden  kann.  Eine  Ausfuhr  von  Getreide 
29  aus  dem  getreidearmen  Britannien  ist  ungereimt  genug; 
aber  an  ungereimten  Erfindungen  ist  ja  in  den  von  Ibn 
Wahshijjah  entdeckten  Büchern  kein  Mangel.  Ein  Handels- 
verkehr zwischen  Britannien  und  dem  Orient  ist  fiir  den 
Anfang  des  siebenten  Jahrhunderts  n.  Ch.  bezeugt  durch 
die  Vita  8.  loannis  Eleemosynarii  in  den  Acta  Sanctorum, 
23.  lanuar.  II  p.  501.  Der  Vertheidiger  Qüthsämis  darf 
natürlich  hieran  nicht  anknüpfen ,  sondern  '  muss  Bertanijä 
in  die  Kategorie  der  von  Ibn  Wahshijjah  modernisirten 
Namen  stellen  und  sich  an  die  uralten  Fahrten  der  Phö- 
nicier nach  den  Zinninseln  halten.  Also  damals  war  Bri- 
tannien ionisches  Land?  o  des  grossen  Wunders!  Wie  schön 
klärt  sich  nun  das  Dunkel  der  alten  irischen  Geschichte  auf! 
Der  Anfangsbuchstabe  von  „  Irland ''  ist  ein  I,  ja  in  der 
griechischen  Form  ^lovsgvia  haben  wir  sogar  noch  eine 
ganz  deutliche  Spur  des  Digammas:  braucht  es  mehr  zum 
Beweise,  dass  es  altes  Eigenthum  der  "Icovsg  oder  ^IdJ^ovag 
ist?  Ja  noch  mehr,  sind  nicht  die  Donnerstag,  den  1.  Mai 
1070  V.  Ch.  eingewanderten  Milesischen  Könige  der  grünen 
Insel  sprechende  —  nein,  schreiende  Beweise  einerseits  für 
den  lonismus  der  Irländer,  andererseits  für  das  hohe  Alter- 
thum  des  lonierbegriffs?  hatte  nicht  Adrianus  lunius  längst 
dargethan,  dass  der  lonier  lason  und  seine  Argonauten  nach 
Irland  gefahren  sind?  Haben  nicht  später  irländische  Hi- 
storiker die  intimen  Beziehungen  zwischen  den  Gesetzen 
Königs  Ollamh  Fodhla  und  den  Lykurgischen  nachgewiesen 
(vgl.  Moore,  The  history  of  Ireland  I  p.  6.  18.  115)?  — 
den  Lykurgischen,  sage  ich,   deren  ionischen  Ursprung   zu 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  607 

entdecken  der  modernsten  griechischen  Historik  vorbehalten 
blieb.  Die  in  Folge  dieser  unerhörten  Entdeckung  gänzlich 
veränderte  Stellung  der  lonier  als  Gliedes  eines  nunmehr  ^ 
keltisch  -  pelasgisch  -  lelegischen  Yölkercomplexes  weiter  zu 
begründen  und  der  Würde  des  Stoffes  entsprechend  zu 
schildern y  will  ich  Anderen  überlassen.  Doch,  Scherz  bei 
Seite:  das  Land  der  lonier  Bertänijä  ist  eine  der  ver- 
rätherischesten  Angaben  des  ganzen  Buches.  Ehe  der  Name 
Franken  für  alle  Europäer  aufkam,  bezeichnete  der  Orient 
die  Altgriechen  als  Jünoje,  el-Jünän,  die  Römer  und  späteren 
Griechen  oder  Byzantiner  als  Rhümoje,  er-Rüm;  diesen  Unter- 
schied halten  Syrer  sowohl  als  Araber  streng  fest.  Offenbar 
wusste  das  derjenige^  der  unter  der  Maske  des  Qüthsämi 
schrieb y  und  hütete  sich,  ein  verfängliches  er-Rüm  zu  ge- 
brauchen,  that  aber  des  Guten  zu  viel  und  beehrte  auch  ein 
so  speciell  römisches  Land  wie  Britannien  mit  dem  Prä- 
dicate  ^^ioDisch'*,  das  ihm  in^  vierzehnten  Jahrhundert  v.  Gh. 
so  wenig  wie  im  siebenten  Jahrhundert  n.  Ch.  zukam. 

IX.  30 

Persönlichkeiten  der  hebräischen  Tradition. 

In  Bezug  auf  die  zahlreichen  in  der  Nabatäischen  Land- 
wirthschaft  vorkommenden  Namen  biblischer  Patriarchen  hatte 
Quatrem^re  Entlehnung  aus  der  Bibel  durch  jüdische  Yer- 
mittelung  angenommen;  Ghwolson  aber  erklärt  es  für  ^^ihm 
völlig  unbegreiflich,  wie  man  auf  den  Gedanken  kommen 
kann  zu  glauben,  dass  die  erwähnten  babylonischen  und 
kanaanäischen  Persönlichkeiten,  die  allerdings  zum  Theil  einige 
schwache  Züge  der  gleichnamigen  biblischen  Patriarchen 
haben,  aber  im  Ganzen  und  Grossen  diesen  ganz  unähnlich 
sind,  aus  der  Bibel  entlehnt  seien"  (S.  44).  Nemrüdä  zwar 
wird  von  Ghwolson  für  identisch  mit  dem  biblischen  Nimrod 
erklärt  (S.  73),  in  Bezug  auf  Anühä  aber  heisst  es  S.  62,  sein 
Gharakter  unterscheide  sich  sehr  wesentlich  von  dem  biblischen 
Noah,  und  vor  der  Verwechselung  Abrühüms  des  Kanaanäers 
mit  dem  Patriarchen  Abraham  wird  S.  43  ausdrücklich   ge- 


608  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

warnt.  Allein  in  dieser  Weise  jeden  Fall  einzeln  nacli  sub- 
jektivem Ermessen  zu  entscheiden  ist  baare  Willkür:  was 
von  einer  dieser  Personen  gilt,  mnss  auch  von  allen  gelten. 
Dass  nun  Ihn  Wahshijjah  selbst  sie  für  identisch  mit  den 
gleichnamigen  biblischen  gehalten  wissen  wollte,  scheint  dar- 
aus herrorzugehen,  dass  hinter  den  Namen  Adami,  tsluthsä, 
Achnöchä,  Anühä  und  Abrühüm  die  Worte  „der  Prophet, 
über  den  Heil  sei^',  hinzugefügt  werden;  Chwolson  erklärt 
allerdings  S.  95  diese  dem  Codex  B  eigen thümliche  Formel 
für  eine  Zuthat  der  Abschreiber,  weil  sie  in  anderen  Hand- 
schriften grosstentheils  fehle:  doch  mag  sich  dies  selbst  so 
verhalten,  Alles,  was  über  jene  Persönlichkeiten  berichtet 
wird,  spricht  so  laut  für  ihre  Identität  mit  den  entsprechenden 
biblischen  Patriarchen,  dass  der  Gedanke  einer  bloss  zuföUigen 
Namensähnlichkeit  ganz  ausgeschlossen  bleiben  muss.  Will 
man  von  der  Quatrem Preschen  Erklärung  absehen,  so  bleibt 
nur  eine  Möglichkeit  übrig:  Adam,  Seth,  Henoch,  Noah, 
Sem,  Nimrod,  Abraham  sind  Gestalten,  die  in  der  Urzeit  der 
hebräischen  und  chaldäischen  Tradition  gemeinsam  waren 
und  nach  der  Auswanderung  der  Hebräer  nach  Kanaan  bei 
beiden  Völkern  selbstständig  fortgebildet  wurden.  Etwas 
Anderes  meint  wohl  auch  Chwolson  nicht,  der  sich  nirgends 
bestimmt  über  diesen  Punkt  ausspricht.  Hätte  es  hiermit 
seine  Richtigkeit,  so  erhielten  wir  in  der  Nabatäischen  Land- 
wirthschaft  als  einem  angeblich  gegen  drei  Jahrhunderte  vor 
der  Genesis  verfassten  Buche  eine  hochwichtige  Controle  der 
hebräischen  Tradition.  Wir  wollen  zuvor  sehen,  ob  die  Nach- 
richten Qüthsämis  auch  ihrerseits  bei  einer  Yergleichung  mit 
dem  alten  Testament  oder  auch  nur  mit  dem  Koran  die 
Feuerprobe  bestehen. 

8t  §  1. 

Adam. 

Der  Nahatäisclien  Landwirthschaft  zufolge  trat  Adami  nach 
DewänM,  ^  Akehüthsä  und  Anderen  als  Verkündiger  des  Mono- 
theismus und  agronomischer  Schriftsteller  auf.  Die  Existenz 
von  Präadamiteu  ist  eine  schiitische  Ansicht:   Ga  far  9^diq, 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  609 

einer  der  zwölf  Imäms,  hatte  erklärt,  vor  Adam  habe  es  schon 
drei  andere  Adams  oder  Stammväter  der  Menschen  gegeben 
(Herbelot  s.  y.  Adam).  Der  biblische  Adam  ist  nach  muham- 
medanischer  Lehre  der  erste  der  sechs  grossen  Propheten; 
von  Büchern  Adams  wissen  nicht  bloss  die  späteren  Juden 
und  die  Christen  zn  reden,  auch  die  Muhammedaner  lassen 
ihn  durch  Eingebung  10  Bücher  schreiben  (Herbelot  ibid.). 
Adami  durchreiste  weite  Länder ,  brachte  Pflanzen,  aus  fernen 
Gebenden  nach  Bahylonien  und  lehrte  sie  daselbst  cultiviren 
(S.  174).  In  den  Erzählungen  über  ihn  wird  das  Sonnenland 
öfters  erwähnt,  von  dem  es  heisst,  dass  es  südlich  von  Indien 
liege  und  von  diesem  Lande  durch  eine  Wüste  getrennt  sei, 
Adami  soll  dieses  Sonnenland  besucht  und  verschiedene  merk- 
würdige Dinge  von  hier  nach  Babylonien  gebracht  haben,  dar- 
unter auch  den  Fenchel,  „DaJier,  sagen  sie  (die  Anhänger  des 
Ishtthsäjy  hätten  sie  diese  Pflanze  nach  einem  der  Namen  des 
Jupiter  Barhilijä  (Variante  Bazhilijä)  genannt  (Chwolson,  Ueber 
TammüZj  S.  87).  Nach  Maimonides  (bei  Chwolson,  die  Ssabier 
und  der  Ssabismus  II  S.  460)  erzählte  Qüthsdmi  von  Adam,  von 
der  Schlange  und  von  dem  Baume  der  Erkenntniss  des  Guten 
Bösen:  wobei  ich  gleich  erwähnen  will,  dass  Thenkelöshä  einen 
Lebensbaum  kennt,  der  von  zwei  Engeln  bewacht  wird  (S.  181). 
Während  Adamis  Vorgänger  die  Art,  wie  Pflanzen  von  selbst 
entstehen  können,  nicht  gehörig  erforscht  hatten,  brachte  dieser 
in  seinem  „Buche  von  den  Geheimnissen  des  Mondes'^  oder 
„Buche  der  Erzeugungen'^  die  Erzeugung  der  Pflanzen  aus 
gegebenen  Stoff'en  in  ein  förmliches  System  (S.  166).  Da  die 
am  dritten  Schöpfungstage  von  Gott  aus  Nichts  erschaffenen 
Kräuter  und  Bäume  (Gen.  1,  12)  erst  drei  Tage  alt  waren, 
als  Gott  den  ersten  Menschen  in  den  Garten  Eden  setzte, 
dass  er  ihn  bauete  und  bewahrte  (Gen.  2,  15),  so  war  aller- 
dings Adam,  wenn  überhaupt  Jemand,  competent,  Unter- 
suchungen über  die  Generatio  aequivoca  der  Pflanzen  an- 
zustellen. Der  Aufenthalt  Adams  im  Paradiese,  der  Baum 
des  Lebens  und  der  Baum  der  Erkenntniss,  der  Sündenfall 
kommen  auch  im  Koran  vor  (Sure  2  S.  4,  Sure  7  S.  113  der 
Uebersetzung   von    Ullmann);   von    der   Schlange   weiss    die 

y.  OüTscHMii),  Kleine  Schriften.    II.  39 


610  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

muhammedaBische  Legende  nach  dem  Vorgange  der  Rabbinen 
zu  erzählen,  dass  sie  ihre  einst  schöne  und  an  Hohe  mit  dem 
Kamele  wetteifernde  Gestalt  zur  Strafe  eingebüsst  habe. 
Auch  die  wissenschaftlichen  Reisen  Adams  werden  durch  die 
muhammedanische  Legende  (bei  Herbelot  s.  v.  Adam)  auf  das 
32  Erfreulichste  bestätigt,  nach  welcher  Adam  aus  dem  Para- 
diese auf  die  Insel  Zeilan  herabstürzte  und  dann  über  200 
Jahre  lang  verzweifelt  umherirrte,  bis  er  sich  zur  Pilgerfahrt 
nach  Mekka  entschloss  and  darauf  die  Eya  auf  dem  Berge 
'Arafath  wiederfand.  Und  richtig  muss  auch  der  nabatäische 
Adam!  nach  Indien  reisen:  das  „Sonnenland''  erklärt  Chwolson 
wahrscheinlich  richtig  für  das  Dekkhan^).  Zu  dem  wunder- 
lichen Einfalle  der  Muhammedaner,  den  Adam  nach  Zeilan 
zu  versetzen,  hat  wahrscheinlich  die  Namensähnlichkeit  des 
in  den  singhalesischen  Sagen  hochgefeierten  Räma  mit  Adam 
den  ersten  Anstoss  gegeben:  auch  wurden  Beide  als  Riesen 
gedacht.  Da  auch  das  Dekkhan  zahlreiche  Erinnerungen  an 
Rämas  Anwesenheit  aufzuweisen  hat,  so  ist  es  kein  Wunder^ 
dass  auch  Adam  zu  einer  Zeit,  wo  sich  die  muhammedanische 
Sage  noch  nicht  auf  dem  Adamspik  in  Zeilan  fest  localisirt 
hatte,  mit  dem,  dem  Dekkhan  entsprechenden,  Sonnenlande 
in  Verbindung  gebracht  wird.  Erst  Abu  'Abdallah  ben 
Ohafif,  ein  jüngerer  Zeitgenosse  des  Ihn  Wahshijjah,  wall- 
fahrtete,  zuerst  unter  allen  Moslems,  auf  den  Adamspik 
(Gildemeister,  Scriptorum  Arabum  de  rebus  Indicis  loci  et 
opuscula  inedita,  p.  54).  Was  den  Fenchel,  den  Adam  aus 
dem  Sonnenlande  nach  Babylon  verpflanzt  haben  soll,  und 
seinen  angeblich  chaldäischen  Namen  betrifft,  so  wird  durch 

VuUers,   Lexicon   Persico- Latinum  I  p.  230  s.  v.  UI^jA   die 

Form  Barhilijä  sicher  gestellt;  in  dem  Borhän-i-Qäti'  wird 
dieses  Wort  für  griechischen  Ursprungs  erklärt:  „was  aber 
sicherlich  unrichtig  ist'*  fügt  Chwolson  (üeber  Tammüz,  S.  78) 


1)  Mit  Indien  —  meint  er  —  könne  nur  nach  alter  Weise  das 
Pengab  gemeint  sein;  die  Wüste  sei  die  von  Bägasthän.  Letzteres 
lasse  ich  gelten;  im  Uebrigen  liegt  es  viel  n&her,  Indien  in  dem  Sinne 
von  „Hindustan**  zu  fassen. 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  611 

hinzu.  Obgleich  der  gewöhnliche  Fenchel  bei  den  Griechen 
einen  anderen  Namen  führt^  so  ist  doch  nicht  zu  leugnen, 
dass  das  Wort  eine  entschieden  griechische  Physiognomie 
trägt.  .Da  nun  in  dem  Worte  wirklich  der  Name  eines  grie- 
chischen Gottes  —  '^HXvog  —  enthalten  sein  kann  und  di^ 
Entlehnung  aus  dem  Sonnenlande  ausdrücklich  als  Grund  der 
Benennung  angegeben  wird,  so  ist  es  in  hohem  Grade  wahr- 
scheinlich, dass  xaQYiXtov,  „der  Sonne  nahe",  in  der  That,  wie 
das  persische  Lexikon  angiebt,  der  griechische  Name  einer 
Fenchelart  gewesen  ist.  Der  Ghaldäer  Adam  benannte  also 
eine  indische  Pflanze  mit  einem  griechischen  Namen:  ein 
schönes  Zeugniss  für  die  Universalitat  der  babylonischen 
Wissenschaft!  Auf  seiner  zweihundertjährigen  Wanderschaft 
muss  Adam  ein  schätzbares  Material  über  die  Flora  Indiens, 
Persiens  und  Arabiens  zusammengebracht  haben,  welches  ihn, 
die  früher  von  ihm  als  praktischer  Gärtner  im  Paradiese 
gesammelten  Erfahrungen  hinzugenommen,  zum  wissenschaft- 
lichen Botaniker  in  so  eminenter  Weise  befähigen  musste,33 
dass  wir  den  Verlust  seiner  Werke  nur  aufs  Tiefste  beklagen 
können.  Einigermassen  ersetzt  ihn  uns  jedoch  die  vorsorg- 
liche arabische  Tradition,  welche  uns  zu  guter  Stunde  von 
Mas'üdi  (S.  60  f.  bei  Sprenger)  aufbewahrt  worden  ist.  Die 
Worte  desselben  lauten :  „Als  Adam  aus  dem  Paradiese  herab- 
stieg, nahm  er  ein  Weizenkorn  mit  und  dreissig  Absenker 
von  den  Fruchtbäumen  des  Paradieses.  Zehn  von  ihnen 
haben  Schalen,  nämlich  die  Nuss,  die  gemeine  Mandel,  die 
Lampertsnuss,  die  Pistazie,  der  Mohn,  die  Kastanie,  der 
Granatapfel,  die  Banane  (oder  der  Pisang),  die  syrische  Eichel, 
die  Pinie.  Zehn  von  ihnen  haben  Kerne:  die  Pfirsiche,  die 
Aprikose,  die  Damascenerpflaume,  die  Dattel,  die  Ruellia 
guttata,  der  Lotus,  die  Mispel,  die  Jujuba,  die  Lontaris  do- 
mestica,  die  Kirsche.  Einige  von  ihnen  haben  weder  eine 
Schale,  noch  irgend  eine  andere  Hülle  neben  dem  essbaren 
Theile,  noch  einen  Kern:  nämlich  der  Apfel,  die  Quitte,  die 
Weinbeere,  die  Birne,  die  Feige,  die  Maulbeere,  die  Orange, 
die  Gurke,  die  Gurkenart  Cassia  fistula,   die  Melone.'^     Dies 

wäre  also  der  erste  Versuch  einer  Classificirung  der  Frucht- 

39* 


612  DIE  NABATAKISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

bäume  —  welch'  ein  ehrwürdiges  üeberbleibsel  aus  den 
Einderzeiten  der  Menschheit!  wie  begründet  ist  demnach  die 
Behauptung  der  Nabatäischen  Landwirthschafk,  Adami  sei  der 
erste  wissenschaftliche  Botaniker  gewesen!  wie  schön  fügt 
sich  nun  die  für  die  oberflächliche  Betrachtung  isolirt  da- 
stehende Nachricht,  Adami  habe  Pflanzen  aus  fernen  Landen 
nach  Babylonien  verpflanzt,  als  Glied  in  eine  Kette  von 
Traditionen!  —  von  Traditionen,  die  freilich  Böswillige  für 
arabische  Phantasiegebilde  erklären  werden.  Adami  war  ferner 
der  eigentliche  Begründer,  Beförderer  und  Verbreiter  eines 
rationellen  Ackerbaues  und  schrieb  eines  der  geschätztesten 
Werke  über  den  Ackerbau  (S.  174.  27).  Nach  Gen.  3,  23 
muss  der  erste  Mensch  nach  der  Vertreibung  aus  dem  Para- 
diese das  Feld  bauen  (das  Buch  der  Jubiläen  cap.  3  in  Ewalds 
Jahrbb.  11  S.  239  fügt  hinzu:  „wie  er  gelehrt  worden  war 
im  Garten  Eden"):  sehr  begreiflich,  dass  er  der  Begründer 
einer  rationellen  Landwirthschaft  ward  und  sich  gedrungen 
fühlte,  seine  agronomischen  Erfahrungen  in  einer  eigenen 
Schrift  niederzulegen.  Ich  erinnere  daran,  dass  griechische 
Euhemeristen  uns  zu  erzählen  wissen,  dass  Endymion,  durch 
seine  zarten  Beziehungen  zur  Selene  dazu  vorzugsweise  be- 
fähigt, mit  einer  Theorie  des  Mondlaufs  vor  das  Publikum 
trat,  dass  Atlas,  der  Träger  der  Himmelssäulen,  in  gleicher 
Weise  ein  Lehrbuch  der  Astronomie  schrieb,  und  Aehnliches. 
Von  Adamis  umfassender  Thätigkeit  legt  namentlich  eine  Stelle 
Qüthsdmis  über  den  Ladanumbaum  (S.  44)  Zeugniss  ab,  die 
Herr  Professor  Fleischer  mir   zu  übersetzen  die   Güte  gehabt 

hat,  Sie  lautet  wie  folgt:  „Die  Gerämiqah  aber  nennen  ihn 
Ndshermd,  und  mit  diesem  Namen  drücken  sie  eine  Idee  aus, 
in  der  ein  Gegensatz  gegen  die  Chaldäer  liegt:  nie  haben  die 

r 

34  Gerdmiqah  aufgehört  für  Jeden,  der  sie  kennt,  offenkundige 
Neider  der  Chaldäer  zu  sein,  Bas  heisst  nämlich,  die  Chaldäer 
nennen  ihn  Bdqermcti.     Wenn  nun  Jemand  sagt,  die  Chaldäer 

haben  angefangen  auf  die   Gerämiqah  zu  sticheln,   so  hat  er 

darin  nicht  Becht;  denn  die  Gerdmiqah  gehören  nicht  zu  den 
Nachkommen  Adams,  die  Chaldäer  aber  gehören  dazu:  und  die 


UND  IHRE  GESCHWISTEfl.  613 

Sprache  der  Gerämiqah  und  die  Namen,  welche  sie  den  von 
ihnen  benannten  Dingen  gehen,  müssen  vor  Adam  gewesen  sein, 
welcher  jedem  Dinge  einen  Namen  gegeben  hat,   den  er  zuerst 

gebrauchte  und  einführte.  Also  haben  die  Gerämiqah  sich  nicht 
in  Opposition  gegen  die  Chaldäer  gesetzt,  sondern  gegen  Adam 
—  denn  Adam  hat  diesen  Baum  Bäqermdi  genannt:  alle 
Menschen  aber  stimmen  darin  überein^  dass  dasjenigcy  was 
Adam  vorgeschrieben  hat,  das  Wahre  und  Rechte  ist,  was  hin- 
gegen Andere  vorgeschrieben  haben,  falsch  istJ*  Um  dies  zu 
erklären,  brauchen  wir  nicht  auf  Gen.  2,  19  zurückzugehen; 
auch  im  Koran  2  S.  4  heisst  es,  dass  Adam,  von  Gott  unter- 
wiesen, alle  Dinge  mit  Namen  genannt  habe.  Wie  wenig 
sich  dieser  Zug  uralter  Sage  mit  der  sonstigen,  so  durchaus 
modernen  Schilderung  Adams  in  der  Nabatäischen  Land- 
wirthschaft  verträgt,  ist  schon  von  Ewald  (in  den  Gottinger 
Nachrichten  1857  S.  163)  hervorgehoben  worden:  hat  sich 
Qüthsämi  überhaupt  etwas  dabei  gedacht,  so  hat  er  logischer- 
weise die  Sprache,  wenigstens  die  Sprache  der  sogenannten 
Nabatäer,  für  eine  schriftstellerische  Erfindung  Adamis  er- 
klären müssen:  ein  Einfall,  der  für  ihn  ganz  charakteristisch 
ist  und  auf  die  Entstehung  der  Sprache,  in  der  die  oben  be- 
sprochenen Zauberformeln  abgefasst  sind,  ein  bedenkliches 
Licht  wirft.  Adami  erzeugte  —  heisst  es  S.  49  —  nach  den 
Angaben  der  Genealogen  64  Kinder,  und  zwar  22  weibliche 
und  42  männliche;  von  den  letzteren  hinterliessen  nur  14  Nach- 
kommen (zwei  davon  tourden  die  Stammväter  der  Chaldäer  und 
ICanaanäerJ,  von  den  übrigen  dagegen  habe  sich  keine  Nach- 
kommenschaft erhalten.  Die  Angabe  Gen.  5,  4,  dass  Adam 
nach  dem  Seth  noch  Sohne  und  Tochter  gezeugt  habe,  ist 
von  späteren  Juden  präcisirt  worden:  nach  dem  Buche  der 
Jubiläen  cap.  4  (in  Ewalds  Jahrbüchern  II  S.  239)  erzeugte 
Adam  den  Eain  und  seine  Zwillingsschwester,  den  Abel  und 
seine  Zwillingsschwester,  den  Seth  und  neun  andere  Söhne; 
nach  muhammedanischen  Sagen  bei  Herbelot  gebar  Eva  dem 
Adam  20  Mal  Zwillinge;  Synkellos  (p.  18,  21  ed.  Bonn.),  der 
auch  aus  einem  Apokryphon  geschöpft  hat,  nennt  sogar 
33  Knaben  und  27  Mädchen.    Diese  14  oder  40  oder  60  Kinder 


614  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

erinnern  so  stark  an  die  von  Qüthsämi  dem  Adam  gegebenen 
64  Kinder,  darunter  42  Knaben,  von  denen  14  Nachkommen- 
schaft haben^  dass  ein  Zufall  ganz  ausgeschlossen  wird.  Es 
ist  klar,  hier  liegt  ein  preiswürdiger  harmonistischer  Versuch 
des  angeblichen  Qüthsä|ni  vor.  Als  Wohlthäter  seiner  Zeit 
erhielt  Adami  den  Beinamen  „Vater  der  Menschheit^'  (S.  174). 
36  Von  diesem,  freilieh  aus  der  biblischen  Tradition  sehr  be- 
greiflichen, Beinamen  weiss  die  Bibel  nichts,  wohl  aber  die 
arabische  Legende,  die  Adam  Abü'l-Bashar,  Vater  aller 
Menschen,  nennt  (Herbelot).  Wie  seltsam,  dass  gerade  die 
Ghaldäer  dem  Adami  diesen  Beinamen  gaben,  die  seine  Vater- 
schaft auf  den  nabatäischen  Namen  beschränkten  und  z.  B. 
die  Assyrer  nicht  von  Adami  abstammen  Hessen!  Also, 
dass  Adam  Erde  bedeutet^  daher  ein  für  den  ersten  Menschen 
sehr  angemessener  Name  ist,  ist  eine  der  „Hypothesen'^,  die 
in  die  Rumpelkammer  spazieren  müssen?  also  Berossos,  der 
den  ersten  Ghaldäer  Aloros,  nicht  Adam,  nennt,  folgt  einer 
jungen,  schlechten  Tradition?  Gegen  solche  Bedenken  wird 
man  sich  auf  Hippolyt.  Haeres.  V,  7  p.  97  (ed.  Miller  [p.  136 
ed.  Duncker  et  Schneidewin])  berufen,  nach  welchem  die 
Ghaldäer  den  aus  der  Erde  gebildeten,  aber  erst  später  be- 
seelten Menschen  Adam  nannten:  ich  selbst  habe  früher  mit 
der  Autorität  der  Nabatäischen  Landwirthschaft  die  Hippoly- 
tische  Angabe  gegen  Bansen  zu  decken  gesucht  (Beiträge 
S.  52)',  was  ich  freilich  nach  genauerer  Kenntniss  der  ersteren 
nicht  gethan  haben  würde.  Ist  die  Nachricht  echt,  so  giebt 
sie  den  Angaben  Qüthsämis  ein  vollständiges  Dementi,  indem 
auch  sie  zwar  von  einem  Adam  als  erstem  Menschen,  aber 
nicht  von  einem  Adam  als  agronomischem  Schriftsteller  weiss ; 
erweist  sie  sich  als  von  der  jüdischen  Erzählung  abhängig, 
so  ist  sie  als  Stütze  nicht  zu  gebrauchen. 

§2. 

Seth. 

„Ischit^ä  —  heisst  es  S.  27  —  ist  der  Mann,  dem  die 
Menschheit,  direct  oder  tndirect,  eine  Jahrtausende  lange  Ver- 
finsterung vorzugsweise  zu  verdanken  hat;  er  war  Religions- 


UND  IHRE  GESCHWISTEE.  615 

Stifter,  und  wenn  er  nicht  der  Erfinder  des  Sterndienstes,  der 
Astrologie  und  der  groben  abergläubischen,  zauberariigen  Lehren 
war,  so  hat  er  dieses  Alles  weiter  entwickelt  und  in  ein  reli- 
giöses System  gebracht,  und  die  von  ihm  gestiftete  Religion,  mit 
einer  Art  von  Papstthum  oder  geistlichem  Chalifat  an  der  Spitze, 
war  die  herrschende  in  Babylonien,  und  breitete  sich  allmählich 
über  ganz  Mesopotamien  und  Syrien  aus,'*  Doch  gesteht  Ishithsäs 
Gegner  Qütfisdmi  selbst  zu,  dass  seine  Religion  eine  hohe  Moral 
predigte  (S.  174).  Von  Seth  heisst  es  in  der  Genes.  4,  26: 
„Zu  derselbigen  Zeit  fing  man  an  zu  predigen  von  des  Herren 
Namen/^  Das  Gesetz  des  Patriareben  Seth  —  heisst  es  bei 
Herbelot  s.  v.  Scheit  — ,  welchen  die  Moslems  in  die  Zahl 
der  Enbiah  oder  Propheten  (aber  nicht  der  sehr  grossen) 
setzen^  war  in  einem  Buche  enthalten^  welches  seinen  Namen 
trug  und  als  Sefer  Shiths  bekannt  ist.  Nach  der  christlichen 
Auslegung,  wie  sie  Synkell.  p.  16,  14  (ed.  Bonn.),  Eutych. 
I  p.  21.  26,  Abü'lfarag  Chron.  Syr.  p.  4  und  Hist.  dynast. 
p.  7  f.,  und  Andere  wiedergeben,  sind  die  Kinder  Gottes,  die 
nach  Genes.  6,  4  mit  den  Töchtern  der  Menschen  Kinder 
zeugten,  die  Nachkommen  Seths,  die  sich  auf  den  Berg 
Hermon  zurückgezogen  hatten,  um  dort  ein  beschauliches  36 
Leben  zu  führen,  aber  durch  den  Anblick  der  Tochter  Kains 
ihrem  Gelübde  abwendig  gemacht  wurden.  Die  Muhamme- 
daner   erklären    zwar   die   Egregoren   für  Nachkommen   der 

(jrinn,  mit  denen  vor  Adam  die  Welt  bevölkert  war,  bemerken 
aber  ausdrücklich,  dass  sie  sich  zur  Religion  des  Seth  be- 
kannten (Herbelot).  Hierdurch  wird  die  von  Haus  aus  gute 
und  für  die  Zeitgenossen  heilsame  Natur  der  Religion  tshithsäs, 
die  unter  seinen  Nachkommen  immer  mehr  ausartete,  vor- 
trefflich illustriri  Jene  Ausdeutung  der  Kinder  Gottes  als 
Kinder  Seths  ist  purer  Euhemerismus ;  es  liegt  daher  auf 
der  Hand,  welcher  Grad  von  Authenticität  den  von  ihr  ab- 
hängigen Angaben  des  vermeintlichen  Qüthsämi  beizumessen 
ist.  In  seinen  religiösen  Schriften  hatte  Ishithsä  mancherlei 
agronomische  Lehren  vorgetragen  (S.  27);  ein  Verbot  des  Fisch- 
genusses wird  auf  ihn  zurückgeführt  (S.  95).  Eine  Sage  bei 
Abü'lfarag  Hist.  dynast.  p.  7  macht  den  Seth  zum  Erfinder 


616  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

der  Schreibkunst^  und  p.  10  führt  derselbe  als  Ansicht  der 
Sabier  an^  dass  Seth,  Adams  Sohn,  der  ägyptische  Agatbo- 
dämon  sei^  der  Lehrer  des  Hermes.  Da  nun  Qüthsami  selbst 
anderswo  (S.  93)  sagt,  Ermisä  und  vor  ihm  Agathodämon 
hätten  ihren  Landsleuten  den  Genuss  von  Fischen  und  Bohnen 
verboten,  so  ist  klar,  dass  er  nach  sabischer  Doctrin  Ishithsä 
und  Agathodämon  gleichsetzt:  ein  neues  Zeichen  des  aller- 
spätesten  Sageusynkretismus.  Ishithsä  selbst  soll  die  Schriften 
seines  Vaters  Adami  vernachlässigt,  seine  Nachfolger  sie  geradezu 
verfälscht  haben  (S.  27.  167).  Diese  Behauptung  Qüthsamis 
erinnert  sehr  an  die  im  Koran  (3  S.  41)  gegen  Juden  und 
Christen  vorgebrachte  Beschuldigung,  sie  hätten  die  Bibel 
verfälscht  und  die  auf  Muhammed  bezuglichen  Prophezeiungen 
unterdrückt. 

§3. 

Henoch. 

Achnöchä  und  Anühä  werden  in  den  Handschriften 
fortwährend  verwechselt,  sind  aber  unzweifelhaft  zwei 
verschiedene,  jener  dem  Henoch,  dieser  dem  Noah  ent- 
sprechende Personen,  was  auch  Chwolson  S.  99  bemerkt 
hat.  Der  Erstere  erscheint  bei  Qüthsdmi  als  ein  Weiser  der 
Vorzeit,  in  Uebereinstimmung  mit  der  Angabe  Genes.  5,  24, 
Henoch  habe  ein  gottliches  Leben  geführt.  Auch  im  Koran 
19  S.  2^5  erscheint  Henoch  unter  dem  Namen  Idris  (der 
Studienbeflissene)  als  gerechter  Mann  und  Prophet.  S.  93 
heisst  es  von  Anühä,  er  habe  den  Genuss  der  Bohnen  verboten; 
nach  S.  95  hat  aber  Codex  B  an  dieser  Stelle  Achnöchä,  und 
diese  Lesart  verdient  unbedingt  den  Vorzug.  Hier  kommt 
uns  nämlich  die  schon  einmal  von  Nutzen  gewesene  Parallel- 
stelle zu  Hülfe,  nach  welcher  Ermisä  und  vor  ihm  Agatho- 
dämon ihren  Landsleuten  den  Genuss  von  Fischen  und  Bohnen 
untersagt  haben.  Nach  Abü'lfara^  Chron.  Syr.  p.  5;  Hist 
STdynast  p.  9  erklärten  nämlich  die  alten  Griechen  den  Ach- 
nöch  für  Hermes  Trismegistos;  Hermes  aber  ist  der  Schüler 
des  Agathodämon-Seth.  Der  augebliche  Qüthsami  bleibt  sich 
somit  durchweg  gleich. 


UND  fflRE  GESCHWISTER.  617 


§4. 
N  o  a  h. 

Anühä  führt  bei  Qüthsämi  die  Beinamen  el-Kanaäni  el- 
Hethsjänij  nach  Chwolsons  Vermuthung  (S.  62)  von  einer  alten 
kanaanäischen  Stadt  Heth^'än  oder  Hethsjä;  mir  scheint  es  aber 
keinem  Zweifel  zu  unterliegen,  dass  das  Beiwort  den  Noah  als 
vom  Stamme  der  Hethiter  bezeichnet,  und  dass  mit  leichter  Ver- 
änderung der  Punktation  el-Hithsänl  herzustellen  ist.  Dass  Noah 
zu  einem  Hethiter  gemacht  wird,  ist  seltsam ,  hat  aber  eine 
gewisse  Stütze  in  der  späteren  jüdischen  Tradition^  die  unter 
gröblicher  Yerkennung  des  juristischen  Charakters  der  Er- 
zählung der  Genesis  23,  3  ff.  schon  Adam  und  Eva  in  der 
Doppelhöhle  im  Hethiterlande,  wo  später  Abraham  die  Sara 
begrub,  beigesetzt  sein  lässt  (Beer,  Leben  Abrahams,  S.  75). 
Die  christliche  Tradition  bei  Eutych.  I  p.  18,  37  nennt  die 
Höhle,  in  der  Adam  bestattet  ward,  el-Kanüz  und  lässt  auch 
alle  folgenden  Patriarchen  in  derselben  beigesetzt  werden; 
Noah  selbst  begrub  darin  nach  I  p.  33,  35  seinen  Vater  und 
Grossvater.  Anühä  schrieb  über  den  Ackerbau,  und  zwar 
speciell  über  den  Weinstock  (S.  28.  180).  „Noah  —  heisst  es 
in  der  Gen.  9,  20  —  ward  ein  Ackersmann  und  pflanzte 
Weinberge,  und  da  er  des  Weines  trank,  ward  er  trunken.*' 
Wie  bedauerlich,  dass  die  Schriften  eines  Mannes  verloren 
gehen  mussten,  der  sich  in  dieser  Branche  gewiss  als  ebenso 
sachkundig  bewährt  haben  wird,  wie  Adami  in  der  Gärtnerei! 
Aber  so  geht  es  in  der  Welt.  Auch  die  rhetorische  Aus- 
arbeitung, in  welcher  der  trojanische  Prinz  Paris  die  Vorzüge 
der  Göttinneu  Hera,  Athene  und  Aphrodite  abgewogen  und 
dan  Preis  der  Schönheit  der  Aphrodite  zuerkannt  hatte,  ist 
leider  verloren,  dieselbe,  die  den  epischen  Dichtem,  un- 
gebildeten, mit  einem  Ishithsä  und  Consorten  in  Aberglauben 
wetteifernden  Dunkelmännern,  Gelegenheit  gab,  von  dem  be- 
kannten Schiedssprüche  des  Paris  zu  fabeln  (vgl.  Anon.  de 
incredibb.  10  in  den  Paradoxographi  ed.  Westermann  p.  323). 
Auch  Anühä  trat  als  Apostel  des  Mondes  auf  (S.  173),   ver- 


618  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTflSCHAFT 

kündete  edlere  Religionsbegriffe  und  trat  mit  Entschiedenheit 
gegen  den  zu  seiner  Zeit  herrschenden  Cultus  der  Anhänger 
des  Ishithsä  auf  (S.  43);  muthvoll  litt  er  auch  für  diese  edlen 
Bestrebungen  (S.  174).  Von  dieser  prophetischen  Thätigkeit 
des  Noah  weiss  das  alte  Testament  nichts,  desto  mehr  die 
uachbiblische  Tradition:  schon  das  Buch  der  Jubiläen  cap.  7 
(bei  Ewald,  Jahrbücher  II  S.  248)  enthält  lange  Ermahnungs- 
reden Noahfi  an  seine  Söhne,  und  IL  Petri  2,  5  wird  Noah 
der  Prediger  der  Gerechtigkeit  genannt.  Bei  den  Moslems 
ist  Noah  der  zweite  der  sechs  grossen  Propheten  und  der 
erste,  der  nach  Henochs  Sendung  wieder  erschien,  um  den 
88 Glauben  an. einen  Gott  zu  verkündigen  (vgl.  Säle,  Einleitung 
in  den  Alkoran  S.  96,  und  Anmerkung  zu  Sure  7  S.  173  von 
Arnolds  deutscher  üebersetzung).  Nach  einer  ebenfalls  mu- 
hammedanischen  Tradition  (bei  Herbelot  s.  v.  Nouh  al-Nabi) 
schrieb  Noah  10  Bücher,  in  denen  er  die  von  Gott  erhaltenen 
Offenbarungen  und  Gebote  niederlegte.  Die  jüdische  Tradition 
(Buch  der  Jubiläen  cap.  10  in  Ewalds  Jahrbüchern  II  S.  254) 
kennt  ein  von  Noah  nach  der  von  den  Engeln  erhaltenen 
Unterweisung  verfasstes  Buch  über  jegliche  Art  von  Heil- 
mitteln. Auf  das  im  Beth-ha-Midrasch  erhaltene  Fragment 
eines  ähnlichen  Noahbuches  hat  Chwolson  S.  187  aufmerk- 
sam gemacht.^)  Da  der  Götzendienst,  gegen  den  Noah  eiferte, 
durch  die  Verführungskünste  der  Egregoren,  der  Kinder  Seths, 
eingerissen  war,  so  ist  seine  Stellung  vollkommen  analog  der 
des  Anühä,  der  gegen  die  Ishithianer  eifert;  auch  darin  bleibt 
sich  die  Nabatäische  Landwirthschaffc  gleich,  dass  sie  Noah, 
den  zweiten  grossen  Propheten,  einen  Apostel  des  Mendes 
nennt:  dasselbe  Prädikat  hatte  sie  oben  Adam,  dem  ersten 
grossen  Propheten,  beigelegt.  Auch  das  „Leiden'^  Anühäs  für 
seine  Religion  erklärt  sich  zur  Genüge  aus  dem  Eoran;  das 
Volk  sagte  nach  Sure  26  S.  314  (übers,  von  ÜUmann)   zu 


1)  Nach  einer  ansprechenden  Vcrmuthung  desselben  Gelehrten 
(S.  186)  findet  sich  der  Kenked^  dem  nach  der  Nabatäischen  Land- 
wirthschaft  sein  Vater  Mäsi  ein  Gedicht  zueignete,  in  dem  Qenger 
ben  Ur  ben  Eeszed  wieder,  der  laut  jenem  Noahbuche  ein  chaldäisches, 
von  den  Aegjptem  benutztes,  Ba6h  verfasste. 


UND  raEE  GESCHWISTER.  619 

ihm:  „Wahrlich,  wenn  du,  o  Noah,  nicht  aufhörst  zu  predigen, 
so  wirst  dja  gesteinigt"  Und  zu  Sure  54  S.  461  (Er  aber 
rief  zu  seinem  Herren  und  sagte:  „man  überwältigt  mich; 
darum  rette  mich!")  bemerken  die  Ausleger,  es  habe  Einer 
den  Noah  angefallen  und  beinahe  erwürgt.  Diesen  thätlichen 
Angriffen  gingen  literarische  Angriffe  voraus,  von  denen  uns 
zivei  Proben  erhalten  sind  (S.  61),  deren  Uebersetzung  ich 
wiederum  der  Güte  des  Herrn  Professor  Fleischer  verdanke. 
„Tämithsri  el-Kanaäni  el-Häbqiishi  sagt  in  seinem  Sendschreiben 
an  Anühä  el-Kana  äni  Hethßjänt,  welches  er  an  ihn  geschrieben 
hat,  um  ihn  darüber,  dass  er  Offenbarungen  erhalten  zu  haben 
behaupte,  hart  anzugreifen,  indem  er  in  Beziehung  auf  dessen 
Behauptung,  dass  das,  was  er  gethan,  aus  Jener  Offenbarung 
geflossen  sei,  ihn  mit  Gründen  zu  ividerlegen  sucht,  —  Tämithsri 
sagt  also:  Wir  haben,  bloss  durch  Erforschung  vermittelst  unseres 
Verstandes^  Dinge  erkannt,  die  grösser  und  wunderbarer  sind 
als  das,  was  du  gethan  hast,  wovon  du  behauptest,  dass  du  es 
durch  Offenbarung  und  durch  göttliche  Unterstützung  des  Mercur 
erk&nnt  habest.  Wir  nehmen  aber  diese  deine  Behauptung,  dass 
du  Offenbarungen  erhalten  habest,  nicht  von  dir  an,  sondern 
schreiben  das,  was  du  gethan  hast,  deiner  eigenen  Erforschung 
und  Erfindung  zu:  du  hast  dich  durch  dein  Vorgeben  nur  auf 
eine  Stufe  erheben  wollen,  die  du  in  der  That  nicht  erreicht ^^ 
hast.*'  Nachdem  hierauf  weitläufig  nachgewiesen  wird,  dass  der 
Milchzauber  eine  Erfindung  der  Kanaanäer  sei,  sagt  Tämithsri 
an  der  zweiten  Stelle:  „So  hast  du  die  Früchte  aus  den  Wein- 
gärten in  deinem  Lande  durch  Zauberei  zu  dir  gezogen  —  eine 
Zauberei,  die  du  bloss  durch  deinen  Verstand  erfunden  liast, 
—  so  dass  du  durch  sie  die  Früchte  der  Weinberge  aus  ihnen 
zogst,  während  du  ruhig  dasassest  und  standest.  Bei  meinem 
Leben,  du  hast  eine  treffliche  Erfindung  gemacht  und  etwas 
Grosses  zu  Tage  gefördert,  und  dein  Verstand  hat  dir  einen 
hohen  Platz  angewiesen,  dergestalt  dass  du,  mit  der  Stellung 
gewöhnlicher  Erfinder  nicht  zufrieden,  über  deine  Sphäre  hin- 
ausgegangen bist*'  Beide  Stellen  erinnern  auf  das  Frappanteste 
an  zwei  Episoden  im  Koran.  Sure  7  S.  118  heisst  es:  „Wir 
sandten  schon  vordem  den  Noah  zu  seinem  Volke,   und  er 


620  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

sprach:  0  mein  Volk,  verehret  nur  Gott,  ihr  habt  ja  keinen 
anderen  Gott  als  ihn;  denn  sonst  ftlrchte  ich  für  euch  die 
Strafe  des  grossen  Tages.  Die  Häupter  seines  Volkes  aber 
erwiderten  ihm:  Wahrlich  wir  sehen,  dass  du  in  einem  offen- 
baren Irrthume  dich  befindest.  Er  aber  antwortete:  Nein, 
mein  Volk,  ich  bin  in  keinem  Irrthume,  sondern  ich  bin 
vielmehr  ein  Bote  vom  Herrn  der  Welten.  Ich  bringe  euch 
die  Botschaft  meines  Herrn,  und  ich  rathe  euch  nur  gut; 
denn  ich  weiss  von  Gott,  was  ihr  nicht  wisst.  Wundert  es 
euch,  dass  euch  eine  Mahnung  von  euerem  Herren  kommt 
durch  einen  Mann  aus  euerer  Mitte,  euch  zu  warnen,  auf 
dass  ihr  auf  euerer  Hut  seid  und  Barmherzigkeit  erlanget? 
und  sie  beschuldigten  ihn  des  Betrugs."  Sure  HS.  177  ist 
der  Eingang  gleichlautend;  auf  Noahs  Busspredigt  erwidern 
die  ungläubigen  Häupter  seines  Volkes:  „Wir  sehen  dich  für 
nichts  Anderes  an  als  einen  Menschen,  der  uns  ganz  gleich 
steht,  und  wir  sehen  Niemand  weiter  dir  folgen  als  nur  die 
Niedrigsten  unter  uns,  und  zwar  nur  aus  Voreiligkeit  und 
Unbesonnenheit.  Wir  bemerken  durchaus  keinen  Vorzug  in 
euch;  darum  halten  wir  euch  für  Lügner.  Er  aber  sagte: 
0  mein  Volk,  saget  mir  doch,  da  mir  deutliche  Beweise  von 
meinem  Herrn  geworden  und  er  mir  seine  Barmherzigkeit 
erzeigt,  welche  ihr  zwar  nicht  einsehet,  sollte  ich  diese  euch 
wohl  aufzwingen,  da  sie  euch  zuwider  sind?"  Der  offene 
Brief  des  Tämithsri  an  seinen  Landsmann  Anühä  sieht  frappant 
wie  eine  Glosse  auf  das  im  Koran  überlieferte  Thema  aus. 
Es  dürfte  nicht  unerspriesslich  sein,  einen  der  sehr  zahl- 
reichen analogen  Fälle  aus  der  griechischen  Literaturgeschichte 
herauszugreifen.  Jedermann  weiss  aus  Herodot,  wie  Perian- 
dros  seine  Gattin  Melissa  im  Jähzorn  todtete,  wie  er  ihr 
Todtenopfer  zu  einer  Beraubung  der  Korinthierinnen  benutzte, 
wie  Prokies  von  Epidauros,  Melissens  Vater,  seinen  Enkel 
Lykophron  dem  Vater  abwendig  machte,  wie  Periandros  aus 
Rache  den  Prokies  stürzte.  Hierüber  ist  folgender  Brief  er- 
halten (bei  Diog.  Laert.  I  p.  7,  Nr.  8  [I,  7, 100]):  „Periandros 
40  an  Prokies.  Ich  habe  den  Mord  meiner  Gattin  unabsichtlich 
begangen;  du  aber  thust  Unrecht,  wenn  du  absichtlich  meinem 


UND  IHEE  GESCHWISTER.  621 

Sohne  mich  verhasst  machst.  Entweder  also  beseitige  die 
Abneigung  des  Knaben^  oder  ich  werde  mich  an  dir  rächen. 
Ich  selbst  habe  ja  auch  längst  schon  deiner  Tochter  das 
schuldige  Sühnopfer  gebracht,  indem  ich  die  Gewänder  aller 
Eorinthierinnen  mit  ihr  verbrannt  habe."  Dergleichen  x\cten- 
stQcke  hat  die  negierende  Kritik  unserer  Tage  für  plumpe 
Fälschungen  erklärt.  In  dem  vorliegenden  Falle  mit  Tämithsris 
Briefe  wird  sie  um  so  zuversichtlicher  dasselbe  thun,  als  er 
eine  bedenkliche  Ausdeutung  eines  koranischen  Satzes  enthält. 
Das,  was  Noah  von  Gott  wusste,  „was  ihr  nicht  wisst"  ist, 
wie  man  aus  dem  Folgenden  sieht^  die  Ankündigung  der 
Sintfluth;  der  angebliche  Tämithsri  will  aber  darunter  die 
Erfindung  des  Weines  verstanden  wissen.  Die  Sintfluth  wird 
dadurch  freilich  beseitigt;  seltsam  bleibt  es  aber,  dass  unter 
Allem,  was  die  hebräische  Tradition  von  Noah  berichtet, 
gerade  nur  die  Sintfluth  auch  als  echte  babylonische  Tradition 
durch  Berossos  bezeugt  ist  und  dass  der  babylonische  Noah 
nicht  Anühä,  sondern  Xisuthros  hiess.^)  Allerdings  lässt  es 
sich  Chwolson  angelegen  sein,  den  Zustand,  in  welchem  die 

1)  Die  Sache  würde  noch  auffälliger,  wenn  es  richtig  wäre,  dass 
sich  eine  Erinnerung  an  Xisuthros  bis  in  eine  verhftltnissmässig  späte 
Zeit  erbalten  hätte.  In  seinem  Buche  „Die  Ssabier  und  der  Ssabis- 
mus"  II  S.  278  hat  nämlich  Chwolson  vermuthet,  dass  der  sabische 
Qöstir,  „der  auserwählte  Greis"  oder  richtiger  „der  auserwählte  Gelehrte", 
Xisuthros  sei.  Im  Texte  des  Fihristh  al-*ulüm  cap.  6  (bei  Chwolson 
11  p.  89)  geht  unmittelbar  vorher  Fosfor,  „der  vollkommene  Schrift- 
gelehrte", den  Chwolson  nicht  übel  Lust  hat  in  einen  Misor  zn  ver- 
wandeln. Aber  es  liegt  am  Tage,  dass  die  beiden  Namen  sich  gegen- 
seitig decken  und  dass  aus  Qöstir  und  der  Variante  Föstfn  im  Codex  L 
das  Sichtige,  Föstir  herzustellen  ist:  und  ^toGtpoQoq  und  ^oxrr^^  sind 
zwei  ganz  späte  Personificationen  der  durch  die  Wissenschaft  hervor- 
gebrachten Erleuchtung.  Chwolson  hat,  wie  man  sieht,  auch  hier 
seinem,  schon  in  jenem  früheren  Werke  bedenklich  zu  Tage  tretenden 
Hange,  in  späten  Quellen  aller  Evidenz  zum  Trotz  möglichst  viel  als 
echt  retten  zu  wollen,  zu  sehr  nachgegeben.  So  sehr  ich  auch  den 
von  ihm  gelieferten  Nachweis,  dass  die  Religion  der  Sabier  in  ihrem 
£eme  auf  das  syrische  Heidenthum  zurückgeht,  zu  schätzen  weiss,  so 
kann  ich  doch  nicht  verhehlen,  dass  mir  das  Echte  darin  von  anderen 
Bestandtheilen,  die  gar  sehr  nach  der  Studierlampe  riechen,  mehr,  als 
Chwolson  zugeben  will, -überwuchert  zu  sein  scheint. 


622  DIE  NABATAEISCUE  LANDWIRTHSCHAFT 

Fragmente  des  Berossos  überliefert  sind,  als  möglichst  trostlos 
darzustellen  (S.  72),  und  wird  diesen  Einwand  auch  hier  vor« 
bringen:  mit  welchem  Rechte,  davon  weiter  unten. 

§5. 

Sem. 

Sämd  erscheint  in  der  Nahatäischen  Landwirthschafi  als 
agronomischer  Lehrer  mit  dem  Beinamen  „der  Wahrhafte'^  (S.  99), 
und  im  Buche  des  Thenkelöshä  als  Weiser  der  Urzeit.  Diese 
41  Schilderung  entspricht  der  von  der  moslemischen  Tradition 
(bei  Herbelot  s.  v.  Sam  ben  Nouh)  dem  Sem  angewiesenen 
Stellung  eines  Stammvaters  aller  Propheten,  sowohl  arabischer 
wie  nichtarabischer. 

§6. 

Die  Eanaanäer. 

Bei  Gelegenheit  der  Polemik  gegen  Tämithsri  erwähnt 
Qüthsämi  S.  60,  die  Kanaanäer  hätten  die  Kunst  erfunden^  die 
Leichen  zu  conserviren.  Diese  Nachricht  findet  Chwolson 
S.  62  f.  neu  und  überraschend;  mich  hat  sie  nicht  über- 
.rascht.  Qüthsämi  macht,  wie  wir  gesehen  haben,  den  Noah 
zu  einem  Kanaanäer;  von  ihm  aber  meldet  die  christliche 
Sage  bei  Eutych.  I  p.  33.  34.  45,  dass  er  seinen  Vater  Lamech 
und  seinen  Grossvater  Methusalah  nach  ihrem  Tode  ein- 
balsamirt  habe  und  seinerseits  wiederum  von  Sem,  Harn  und 
Japheth  eiubalsamirt  worden  sei.  Eutychios  lässt  schon  die 
Leiche  Adams  eiubalsamirt  werden  und  fugt  (I  p.  18)  aus- 
drücklich hinzu,  es  seien  dazu  Myrrhen,  Weihrauch  und 
Kassia  verwendet  worden:  Adams  dergestalt  über  1300  Jahre 
conservirten  Körper  habe  Noah  mit  in  die  Arche  genommen 
(I  p.  38).  Da  in  der  Nahatäischen  Landwirthschaft  auch 
Abraham  ein  Kanaanäer  genannt  wird,  so  liegt  der  Verdacht 
sehr  nahe,  dass  daselbst  Vieles,  was  eigentlich  den  Hebräern 
zukommt,  auf  die  Kanaanäer  übertragen  worden  ist;  und 
unter  dieser  Voraussetzung  verliert  auch  Anderes,  was  von 
den  Kanaanäem  gemeldet  wird,  seine  Auffälligkeit    So  wird 


UND  IBRE  GESCHWISTER.  623 

es  erlaubt  sein,  bei  der  Behauptung  Qüihsämls  (S.  60),  dass 
die  Kanaanäer  die  geheimen  Namen  der  Götter  erforscht  und 
dadurch  einen  Vorzug  vor  allen  Völkern  erlangt  hätten ,  an 
die  nach  dem  Glauben  der  Juden  dem  Gottesnamen  Jahve 
innewohnende  magische  Kraft  zu  erinnern  —  ein  Glaube^ 
welcher  die  Ursache  ward,  die  wahre  Aussprache  des  Namens 
geheim  zu  halten.  Von  Wundern,  die  durch  den  wahren 
Namen  Gottes  bewirkt  worden  seien,  wissen  nicht  bloss 
judische,  sondern  auch  moslemische  Sagen  zu  berichten  (vgl. 
Jujnboll  zum  Liber  Josuae  p.  201.  268):  Moses  soll  durch 
seinen  Stab,  der  eine  Inschrift  mit  dem  Namen  Jahve  trug, 
Wunder  gethan,  und  Noah  einen  Stein  besessen  haben,  auf 
welchem  der  „grosse  Name^'  eingegraben  war,  mit  Hülfe 
dessen  er  im  Stande  war,  Kegen  vom  Himmel  herabzurufen 
und  die  Arche  ohne  Ruder  und  Segel  zu  lenken.  Authen- 
tischer sieht  eine  andere  Angabe  Qüthsamis  über  die  Kanaa- 
näer aus.  Er  sagt  nämlich  S.  49,  dieselben  würfen  den  Chat- 
däern  vor:  „Ihr  Chaldäer  habt  uns  aus  dem  Lande  unseres 
Vaters  (d,  h.  aus  Babylonien)  nach  den  äussersten  Grenzen 
Syriens  vertrieben*' ;  diese  Angabe  bringt  Chwolson  S.  66  mit 
der  Herodoteischen  zusammen,  dass  die  Phönicier  vom  per- 
sischen Meerbusen  her  eingewandert  seien.  An  sich  wäre 
es  ja  nicht  unmöglich,  dass  Pseudo-Qüthsämi  auch  einmal  42 
eine  echte  Tradition,  dergleichen  ihm  aus  syrischen  Geschichts- 
quellen zukommen  konnten,  in  sein  Werk  verwebt  hätte: 
allein  in  diesem  Falle  liegt  es  wenigstens  ebenso  nahe,  an- 
zunehmen, dass  Qüthsämi,  wie  anderwärts,  nur  eine  Stelle 
der  Genesis  ausgebeutet  hat.  In  dieser  fand  er  die  Nach- 
richt vor,  dass  die  Völkerzerstreuung  von  Sinear  ausgegangen 
sei;  folglich  mussten  auch  die  Kanaanäer  aus  Babylonien 
ausgewandert  sein. 

§7. 

Nimrod  und  seine  Goldmünzen. 

Nemrüdä  erscheint  in  der  Näbatäischen  Landwirthschaft 
als  Eroberer  von  Babylon  tmd  Stifter  einer  kanaanäischen 
Dynastie,   welche   den   Reiclissitz   nach  Kitthsä-Rijjd   verlegte. 


624  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

Zu  diesem  Residenzwechsel  bietet  die  Angabe  der  Gen.  10, 11, 
dass  Nimrod  von  Babel  nach  Assur  gezogen  sei  nnd  dort 
Ninive  und  andere  Städte  gegründet  habe,  eine  passende 
Analogie.  Eüthsä-Rijjä  kommt  ohne  das  Beiwort  auch  in 
der  jüdischen  Tradition  (vgl.  Beer,  Leben  Abrahams  S.  98) 
und  bei  den  Koranerklärern  Beidzawi  und  Sojüti  zur  einund- 
zwanzigsten Sure  (s.  Säle  S.  377  der  deutschen  Uebersetzung) 
als  Wohnsitz  Nimrods  vor.  Abrühüms  Vorfahren  und  andere 
kanaanäische  Priester  wurden  von  liemrüdä  nach  Babylonien 
übergesiedelt  (S.  49).  Die  jüdische  Sage  macht  Abrahams 
Vater  Tharah  zu  einem  der  Grossen  an  Nimrods  Hofe  (Beer, 
Leben  Abrahams  S.  1.  9G);  nach  R.  Gedalja  im  Schalscheleth 
ha-Kabala  p.  94^)  war  er  Priester  und  der  Vornehmste 
seines  Ordens;  die  arabische  Sage  (bei  Herbelot  s.  v.  Abra- 
ham) nennt  ihn  Azar,  Sohn  des  Therah,  und  macht  ihn  sogar 
zu  Nimrods  Eidam.  Qüthsämi  erwähnt  (S.  53.  73)  von  Nem- 
rüdä  geprägte  goldene  Dinare.  Chwolson  sagt  S.  73,  dieser 
Umstand  könne  nicht  als  Beweis  angeführt  werden,  dass 
Nemrüdä  nicht  im  sechzehnten  Jahrhundert  v.  Ch.  gelebt 
haben  könne:  „denn  es  muss  erst  bewiesen  werden,  dass 
man  um  diese  Zeit  noch  kein  geprägtes  Geld  hatte,  was, 
glaube  ich,  nicht  bewiesen  werden  kann".  Aus  Stellen  wie 
Gen.  23,  16  lässt  sich  nicht  mit  Sicherheit  erweisen,  dass 
daselbst  geprägte  Silbermünzen,  nicht  zugewogene  Stücke 
rohen  Silbers  gemeint  seien.  Chwolson  beruft  sich  freilich 
hierfür  auf  Movers,  vergisst  aber,  dass  das  Alter  der  Silber- 
münzen noch  nichts  für  das  Alter  der  Goldmünzen  beweist, 
und  verschweigt,  dass  Movers  selbst  (Phönizier  III,  1  S.  28) 
anerkennt,  dass  sich  vor  der  persischen  Zeit  keine  Spur 
davon  findet,  dass  Gold  als  Tauschmittel  gedient  hätte.  Für 
die  ziemlich  allgemein  als  richtig  erkannte  Angabe  Herodots 
(I,  94),  dass  die  Ljder  zuerst  Gold-  und  Silbermünzen  ge- 
43  prägt  haben,  ist  nicht  die  schwächste  Bestätigung  die,  dass 


1)  Daas  Gedalja  aus  der  Nabatäischen  Landwirthschaft  geschöpft 
haben  sollte,  ist  zwar  nicht  unmöglich,  viel  wahrscheinlicher  aber  doch, 
dass  er  einer  jüdischen  Tradition  folgte. 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  625 

sich  keine  Münze  erhalten  hat ,  die  mit  Sicherheit  über  das 
siebente  Jahrhundert  hinaufgerückt  werden  konnte.  Man  be- 
greift nicht,  wenn  sich  Münzen  aus  dieser  Zeit  erhalten  haben, 
warum  sich  nicht  auch  Münzen  aus  früheren  Jahrhunderten 
erhalten  haben  sollten,  wenn  die  Kunst  des  Münzprägens 
wirklich  ein  Jahrtausend  älter  war.  So  etwa  würde  die 
negative  Kritik  argumentiren,  sie  muss  aber  beschämt  ver- 
stummen vor  dem  Zeugnisse  des  B.  Gedalja  im  Schalscheleth 
ha-Kabala,  dass  Abrahams  Vater  Tharah,  der  an  Nimrods 
Hofe  lebte,  die  Münzprägung  erfunden  habe  (Beer,  Leben 
Abrahams  S.  96).  Und  sollte  man  diesen  nicht  als  unab- 
hängigen Zeugen  gelten  lassen,  so  ist  doch  Abü'lfarag  Chron. 
Syr.  p.  10  mit  der  Versicherung  da,  dass  schon  zu  den  Zeiten 
Serugs  Münzen  aus  Ophirgolde  geprägt  wurden  und  dass 
der  dritte  Chaldäerkönig  Sämirüs  damals  Masse  und  Gewichte 
erfand  —  Zeugnisse,  welche  den  glänzendsten  Commentar 
zu  den  Nimrodschen  Goldmünzen  liefern.  Der  Jerusalemer 
Talmud  versetzt  uns  in  die  angenehme  Lage,  die  Entwick- 
lung der  Numismatik  seit  Nimrod  Schritt  vor  Schritt  durch 
schätzbare  Belege  illustriren  zu  können.  Bei  Isaaks  Hoch- 
zeit liess  Abraham  eine  Medaille  prägen  mit  dem  Bildnisse 
eines  Greises  und  einer  Greisin  auf  der  Vorderseite,  eines 
Jünglings  und  einer  Jungfrau  auf  der  Rückseite  (Beer,  Leben 
Abrahams  S.  91).  Abigail  weigerte  sich  zum  David  zu 
kommen,  weil  die  Münze  mit  Sauls  Bildnisse  noch  cursirte; 
David  verewigte  die  Erhebung  Salomons  zum  Konige  durch 
Denkmünzen  (Eckhel,  Doctr.  num.  vet.  HI  p.  458).  Schon 
vorher  wird  Josua,  später  Mardochai  als  Münzherr  aufge- 
führt (Beer,  Leben  Abrahams  S.  209).  Diese  Angaben  sind 
bedenkliche  Fingerzeige  über  die  Herkunft  der  von  Qüthsämi 
erwähnten  Dinare  Nimrods:  die  angeführten  Documente 
dürften  etwa  ebenso  echt  sein  wie  die  Gold-  und  Silber- 
münzen mit  dem  Namen  des  Pandukönigs  'A9vamSdhadatta 
(unter  dem  iäas  Mahäbharata  verfasst  ward)  und  den  Bild- 
nissen des  Brahma  und  ^iva,  die  der  persische  Verfasser  des 
Tedzkerat  as-Salatin  (bei  Anquetil  du  Perron,  Recherches 
sur  rinde  p.  XXXH  sqq.)  gesehen  haben  will. 

V.  QuTsOHiiZD,  Kleine  Schriften.  IL  40 


626  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAPT 

§8. 
Abraham. 

Abrühüm  oder  Ibrahim  (mit  welcher  rein  arahiscJien  Form 
er  in  der  Nahatäischen  Landwirthschaft  in  der  Regel  genannt 
wird)  war  ein  kanaanäischer  Imam,  in  Küthsä-Rijjä  geboren 
(S.  48).  Nämlich  die  rabbinische  Sage  lässt  Abraham  iu 
Kutha  geboren  werden  (Beer,  Leben  Abrahams  8.  1);  Baba 
Bathra  91*  wird  Ur-Easdim  geradezu  für  Kutha  erklärt 
(Beer,  ebenda  S.  98).  Er  trat  als  Gegner  der  Landesreligion 
des  ishithsd  auf,  leugnete  die  Göttlichkeit  der  Sonne  und  be- 
kannte sich  zu  der  Lehre,  dass  selbst  die  Sonne  erst  von  einer 
4Aüber  ihr  siehenden  höheren  Gottheit  geleitet  und  regiert  werde 
(S.  43).  Die  Genesis  schildert  uns  Abraham  als  treuen  Ver- 
ehrer des  einzigen  Gottes,  es  findet  sich  aber  in  ihr  noch 
keine  Spur  von  einer  Opposition,  in  die  derselbe  gegen  den 
Götzendienst  seiner  Heimath  getreten  sei.  Desto  mehr  weiss 
die  spätere  jüdische  Tradition  hierüber  zu  erzählen,  das  Buch 
der  Jubiläen  (in  Ewalds  Jahrbüchern  III  S.  2),  rabbinische 
Quellen  (bei  Beer,  Leben  Abrahams  S.  12),  und  ihnen  fol- 
gend der  Koran  (Sure  21  S.  272).  Diese  Angaben  lassen 
den  Abraham  schon  als  Knaben  die  Götzenbilder  seines 
Vaters  zertrümmern,  die  Religion  seiner  Landsleute  auf  alle 
Weise  verhöhnen  und  dafür  von  Nimrod  zum  Feuertode  ver- 
urtheilt  werden,  dem  er  durch  ein  Wunder  entgangen  sei.^) 
Im  Koran  (Sure  6  S.  100)  heisst  es  von  Abraham:  „Als  die 
Dunkelheit  der  Nacht  ihn  beschattete,  sah  er  einen  Stern, 
und  er  sprach:  das  ist  mein  Herr.  Als  dieser  aber  unter* 
ging,  sagte  er:  Ich  liebe  die  Untergehenden  nicht.  Und  als 
er  den  Mond  aufgehen  sah,  da  sagte  er:  Wahrlich,  das  ist 
mein  Herr.  Als  aber  auch  dieser  unterging,  da  sagte  er: 
Wenn  mein  Herr  mich  nicht  leitet,  so  bin  .auch  ich  wie 
dies  irrende  Volk.     Als  er  nun  sah  die  Sonne  aufgehen,  da 


1)  Cbwolson  selbst  hat  früher  (Die  Ssabier  II  S.  723)  darauf  auf- 
merksam gemacht,  daaa  die  Sage  von  Abrahams  Leben  in  Entha  und 
Kämpfen  gegen  den  Götzendienst  ursprünglich  von  den  Juden  herrühre. 


UND  raRE  GESCHWISTER.  627 

sagte  er:  Siehe,  dies  ist  mein  Gott;  denn  das  ist  das  grösste 
Wesen.  Als  aber  auch  die  Sonne  unterging ,  da  sagte  er: 
0  mein  Volk,  ich  nehme  keinen  Antheil  mehr  an  euerem 
Götzendienste ,  ich  wende  mein  Angesicht  zu  dem ,  der 
Himmel  und  Erde  geschaffen,  ich  werde  rechtgläubig  und 
will  nicht  'mehr  zu  den  Götzendienern  gehören."  Diese 
wunderbar  schöne  Erzählung,  deren  jüdisches  Vorbild  man 
bei  Beer  S.  3  mitgetheilt  findet,  erläutert  die  Angabe  Qüth- 
sämis,  Abrühüm  habe  gelehrt,  dass  die  Sonne  nicht  Gott 
sei,  sondern  von  einem  über  ihr  stehenden  Gott  regiert 
werde.  Noch  viel  auffälliger  aber  stimmet,  was  die  mos- 
lemische Tradition  (bei  Herbelot  s.  v.  Abraham)  erläuternd 
zu  jener  Eoranstelle  hinzufügt,  es  habe  damals  im  Reiche 
Nimrods  verschiedene  Arten  von  Götzendienern  gegeben, 
Sonnenanbeter,  Mondanbeter  und  Stemeverehrer,  tiberein  mit 
der  Darstellung  des  ja  bald  nach  Nimrod  schreibenden  Qüth- 
samt,  die  Religionen  der  Sonne,  des  Saturn,  des  Jupiter  und 
anderer  Planeten  hätten  in  Babylonien  gleichzeitig  neben- 
einander bestanden  (S.  155).  Wir  wagen  die  Behauptung, 
dass  die  Auffassung  der  babylonischen  Religion  als  einer 
Verehrung  der  Sonne  und  aller  Planeten  auch  fernerhin 
trotz  dieser  Enthüllungen  Qüthsämis  ebenso  als  eine  aus- 
gemachte Thatsache  gelten  wird,  wie  sie  bisher  gegolten 
hat.  Ahruhüm  schrieb  über  einzelne  Gebiete  der  Ackerbau- 
kunsf  (S.  28);  in  seinen  Schriften  hatte  er  den  Baum  Rüchüshi, 
weichen  er  den  Priesterbaum  nannte,  sehr  gelobt  (S.  48);  einen  ^f» 
anderen  Baum,  der  eigentlich  Sükifäthst  hiess,  von  ihm  aber 
den  Namen  Ibrahimbaum  erhielt,  verdankte  er  einst  seine 
Bettung  vor  einem  Löwen  in  der  Wüste  von  Thadmör^)  (S.  4G). 
Unter  Abrahams  Namen  cursirten  bei  den  späteren  Juden 
verschiedene  Appkrypha  (Beer,  Leben  Abrahams  S.  91);  am 
bekanntesten  ist  das  Buch  Jezira,  welches  eine  auf  mystisches 
Buchstabenspiel  gegründete  Metaphysik  und  Eosmogonie  ent- 
hält und  wahrscheinlich  gegen  700  n.  Ch.  verfasst  ist  (Beer 


1)  Welches,   beiläufig  bemerkt,   erst  von  Salomo  erbaut  wurde 
(II.  Chron.  8,  4). 

40  ♦ 


628  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

S.  208);  die  Araber  schreiben  dem  Ibrahim  ebenfalls  ein 
Sefer  za  (Herbelot  s.  v.  Abraham).  In  der  Genesis  heisst 
es  21,  33:  „Abraham  aber  pflanzte  Bäume  zu  Bersaba,  und 
predigte  daselbst  von  dem  Namen  des  Herrn,  des  ewigen 
Gottes/'  Die  rabbinische  Tradition  (bei  Beer  S.  56)  malt 
dies  dahin  aus,  dass  Abraham  zum  Labsal  für  die  Wanderer 
einen  grossen  Garten  angelegt  und  mit  Weinstöcken,  Feigen- 
bäumen, Granatbäumen  und  anderen  Obstbäumen  bepflanzt 
habe;  die,  so  ihm  für  die  Bewirthung  danken  wollten,  habe 
er  auf  den  Herrn  des  Gartens  verwiesen,  nämlich  auf  den 
Gott,  der  über  Himmel  und  Erde  herrscht  und  Pflanzen  und 
Bäume  wachsen  lässt.  Daraufhin  Abraham  in  der  Land- 
wirthschaft  der  Nabatäer  als  Schriftsteller  über  Bäume  auf- 
treten zu  sehen,  könnte  uns,  die  wir  die  agronomischen 
Schriftsteller  Adami  und  Anühä  bereits  kennen  gelernt 
haben,  nicht  eben  wundern.  Aber  auch  hier  wird  die  Kluft 
zwischen  der  Bibel  und  der  Nabatäischen  Landwirthschaft 
ausgefüllt:  noch  kennen  wir  die  Brücke^  welche  vom  Patri- 
archen Abraham  zum  agronomischen  Schriftsteller  Abraham 
geführt  hat.  Im  Buche  der  Jubiläen  cap.  11  (in  Ewalds 
Jahrbüchern  III  S.  3)  erscheint  Abraham  als  rationeller 
Ackerbauer,  dem  die  Erfindung  eines  Ackerbaugei^thes  zu- 
geschrieben wird:  „Und  im  ersten  Jahre  der  fünften  Woche 
lehrte  Abram  die  Holzkünstler  ^  welche  das  Geschirr  der 
Ochsen  machen,  sie  sollten  ein  Geräthe  über  der  Erde, 
gegenüber  an  dem  Erummholze  des  Pfluges  machen,  um 
den  Samen  darauf  zu  legen  uud  ihn  von  da  aus  in  die 
Samenfurche  fallen  zu  lassen,  dass  er  sich  in  der  Erde  ver- 
berge und  sie  sich  nicht  mehr  vor  den  Raben  zu  fürchten 
hätten.  Und  sie  machten  also  an  allen  Krummhölzern  der 
Pflüge  etwas  über  der  Erde,  und  sie  besäeten  und  bebaueten 
das  ganze  Land,  ganz  wie  ihnen  Abraham  befohlen  hatte, 
und  fürchteten  sich  nicht  mehr  vor  den  Raben.''  Eben- 
daselbst III  S.  4  beobachtet  Abraham  die  Sterne  vom  Abend 
bis  zum  Morgen  am  Neumond  des  siebenten  Monats,  „um 
zu  sehen,  wie  es  in  diesem  Jahre  mit  der  Witterung  sein 
werde.''    An  der  schon  angeführten  Stelle  S.  46  sagt  Qülhsdmiy 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  629 

Abruhüm  habe  weite  Reisen  nach  verschiedenen  Ländern  gemacht, 
und  zwar  wegen  der  grossen  ffungersnoth,  die  zur  Zeit  Königs 
Calbdmä  des  Unglückseligen  in  Mesopotamien  stattgefunden  habe.  46 
Abraham  wandert  in  der  Genesis  ans  Chaldäa  nach  Haran, 
▼on  da  nach  Kanaan,  von  da  nach  Aegjpten  und  zurück, 
und  ins  Philisterland  und  wieder  nach  Kanaan;  der  Koran 
(Sure  2  S.  13)  bringt  ihn  auch  noch  nach  Mekka  und  lässt 
ihn  daselbst  die  Ka^abah  erbauen.  Das  sind  allerdings  weite 
Reisen.  Die  weiteste  ^  die  nach  Aegypten,  wird  schon  Gen. 
12^  10  durch  eine  Hungersnoth  motivirt^  und  diese  Hungers- 
noth  spielt  auch  in  der  muhammedanischen  Tradition  eine 
Rolle;  Baidzäwi  und  andere  Ausleger  zur  vierten  Sure  (bei 
Säle  zum  Alkoran  S.  107  der  deutschen  üebersetzung;  Her- 
belot s.  y.  Abraham)  knüpfen  an  sie  eine  Geschichte,  die 
Abrahams  Beinamen  ;,Freund  Gottes^'  erklären  soll. 

§9. 

Die    Stellung    der    biblischen    Figuren    im    nabatäi- 

schen   Schriftthum. 

Ziehen  wir  nun  das  Resultat  aus  der  vorstehend  gege- 
benen Zusammenstellung;  so  muss  es  gleich  von  vornherein 
im  höchsten  Grade  auffallen,  dass  in  der  Nabatäischen  Land- 
wirthschaft  gerade  alle  diejenigen  Patriarchen  —  es  fehlt 
kein  einziger  —  auftreten,  von  denen  im  alten  Testament 
und  in  der  von  demselben  abhängigen  Tradition  mehr  als 
der  blosse  Name  vorkommt,  von  den  viel  zahlreicheren  aber, 
bei  denen  sich  die  Genesis  auf  die  Nennung  der  Namen 
beschränkt,  nicht  ein  einziger:  ein  umstand,  der  bei  einer 
unabhängigen  parallelen  Entwickelung  der  semitischen  Stamm- 
sage bei  Babyloniern  und  Hebräern  so  gut  wie  undenkbar 
sein  würde.  Nun  stellt  es  sich  aber  heraus,  dass  sich  für 
alle  nur  irgend  wesentlichen  Umstände,  die  in  den  nabatäi- 
schen Schriften  von  jenen  Patriarchen  berichtet  werden, 
Anknüpfungspunkte  in  der  Bibel  und  in  der  zum  Theil  erst 
durch  Ausdeutung  von  Bibelstellen  entstandenen  jüdisch- 
christlichen Sage  nachweisen  lassen  (ich  erinnere  namentlich 


630  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIETBSCHAFT 

an  die  Kinder  Seths  statt  der  Beni  Elohim).    Und,  was  noch 
gravirender  ist,  es  finden  sich  zahlreiche  Anklänge  an  den 
Koran  and  die  nebenhergehende,  zum  Theil  gewiss  erst  nach- 
koranische,  moslemische  Tradition:   der  Brief  des  Tämithsri 
an  Anüha  enthält  sogar  eine  directe  Bezugnahme  auf  eine 
Koranstelle.     Die  Facta,  die  Qüthsämi  Ton  jenen  Persönlich- 
keiten anführt,  lassen  sich  insgesammt  aus  der  jüdischen  und 
der  moslemischen  Tradition  erklären,  nur  ihre  Stellung  ist 
eine  wesentlich  veränderte.     Dies  ist  aber  nur  eine  Frucht 
des  crass    euhemeristischen   Systems,    dem   die  Nabatäische 
Landwirthschaft  huldigt   und    das   mit  der  Behandlung  der 
griechischen  Sage  durch  Leute  wie  Paläphatos  die  frappanteste 
Aehnlichkeit  hat.    Das  Wenige,  was  hiernach  noch  zu  erklären 
übrig  bleibt^  wie  die  Verwandlung  der  grossen  Propheten  der 
Muhammedaner  in  Apostel  des  Mondes,  sind  absichtliche  Ver- 
47  änderungen,   wie  sie  durch  die  von  der  Nabatäischen  Land- 
wirthschaft angenommene  Maske   eines  bald  nach  Abraham 
verfassten  Buches  mit  Noth wendigkeit  geboten  waren:  wäre 
diese  Rücksicht  nicht  zu  beobachten  gewesen,  so  würde  uns 
der  angebliche  Qüthsämi  das,  was  er  über  Jüsuf,  über  Müsä 
und  andere  biblische  Personen  wusste,  schwerlich  vorenthalten 
haben.    Die  Berührungspunkte  mit  der  rabbinischen  Tradition 
und  dem  Koran  einer  Ueberarbeitung  zuzuschreiben  ist,  wie 
Jeder  sieht,  unmöglich;  so  in  Fleisch  und  Blut  übergegangen, 
wie  jene   Patriarchen    bei   dem  Verfasser   der  Nabatäischen 
Landwirthschaft  erscheinen,    können   sie  nur  sein  in  Folge 
längeren  tief  einschneidenden  Einflusses  der  Araber  auf  das 
alte  Babylonien,  also  erst  längere  Zeit  nach  der  Anlage  von 
Küfah:  der  angebliche  Qüthsämi  schrieb  hiernach  frühestens 
700  n.  Ch.     Hier  hat  also  einmal  Quatremere  das  Richtige 
gesehen,  freilich  ohne  die  gehörigen  Consequenzen  aus  der 
gewonnenen  Einsicht  zu  ziehen;  was  er  über  die  Abhängig* 
keit   der    bei    Qüthsämi    auftretenden   Patriarchensagen    von 
der  Bibel  sagt,  mag  „undelicat^^  sein,  gewiss  aber  nicht  so 
„kritiklos",  wie  Chwolson  8.  44  ihm  vorwirft.     Und  lange 
vor  Quatremere  hatte  schon   der  treffliche  Maimonides  das 
Richtige  gesehen.    „Es  sind  dies  —  lauten  seine  beherzigens- 


UND  IHRE  GKSCeWISTER.  631 

werthen  Worte  (bei  Chwolsoiiy  Die  Ssabier  II  S.  460)  — 
lauter  Erdichtungen,  und  eine  auch  nur  oberflächliche  Ueber- 
legung  wird  dich  von  der  Unwahrheit  aller  dieser  Erzählungen 
überzeugen  und  dir  klar  machen ,  dass  sie  von  ihnen  (den 
Heiden)  selbst^  und  zwar  mit  Benutzung  der  heiligen  Schrift, 
ersonnen  wurden,  nachdem  diese  den  Volkern  bekanntgeworden/' 

X. 

Persönlichkeiten  der  hellenistischen  Mythologie. 

Wir  gehen  zu  den  griechischen  Gottheiten  über,  die  in 
der  Nabataischen  Landwirthsch^ft  eine  Rolle  spielen. 

§  1. 

Asklepiades. 

Da  ist  vor  Allen  Asqülebithsä,  ein  uralter  babylonischer 
Arzt  und  Stifter  der  Sonnenreligion,  der  nach  seinem  Tode 
in  den  Tempeln  göttlich  verehrt  wird  (S.  19).  Ibn  Wahshijjah 
kennt  sein  „Buch  der  Geheimnisse  der  Sonue^';  auch  schrieb 
er  eine  Eosmogonie  und  „ward  besonders  durch  seine  medi- 
zinischen Schriften  der  Wohlthäter  der  folgenden  Generationen'' 
(S.  174).  Chwolson  sieht  in  ihm  8.  19  die  Urgestalt  des 
abendländischen  Asklepios;  allein  Ewald  hat  bereits  in  den 
Göttinger  gelehrten  Anzeigen  1859  S.  1153  f.  schlagend  dar- 
gethan,  dass  vielmehr  der  aus  dem  Asklepios  erst  abgeleitete 
'AöxXfiniddfig  die  Urgestalt  des  Asqülebithsä  ist.  Den  Euhe- 
meristen  der  spätesten  Zeit  genügte  es  nämlich  nicht,  dass 
die  Götter  vermenschlicht  wurden,  sie  suchten  auch  die  Götter- 
namen als  nicht  modern  genug  zu  beseitigen  und  durch  48 
Namen  des  gewöhnlichen  Lebens  zu  ersetzen,  die  aus  den 
Götternamen  erst  abgeleitet  waren.  So  wird  aus  dem  Gott 
Poseidon  ein  ätolischer  Staatsrath  noöeidcivLog  (Malala  p.  208 
Ox.),  aus  Dionysos  ein  Prinz  Nvölos  (Malala  p.  48),  aus  dem 
Himmelsgotte  Zeus  ein  kretischer  König  'Aötigiog  (Synkell. 
p.  289,  3  Bonn.),  aus  Herakles  ein  'HQaxXsiog  (Exe.  Lat.  barb. 
p.  67  ed.  Seal.  [ed.  II  =  p.  199  Schöne]  und  Eutych,  I  p.  62),  u.  s.  w. 
In  ähnlicher  Weise  ist  in  den  spätesten  griechischen  und  den 
daraus   abgeleiteten  syrischen   Quellen   Asklepiades   ganz  an 


632  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIBTHSCHAFT 

die  Stelle  des  Asklepios  getreten.  Bei  Abü'lfarag  Ghron.  Syr. 
p.  6;  Hist.  dynast.  p.lO  ist  Asqlibiädis  ein  Schüler  des  Hermes, 
der  sich  nach  dessen  Tode  ein  Bild  seines  Lehrers  macht, 
um  ihn  immer  vor  Augen  zu  haben,  dasselbe  im  Tempel 
aufstellt  und  ihm  dieselbe  Ehre  wie  dem  lebenden  Hermes 
erweist;  dies  sei  der  Anlass  zur  Verehrung  der  Götterbilder 
gewesen:  denn  in  späterer  Zeit  hätten  die  Griechen- das  Bild 
für  das  des  Asqlibiädis  gehalten  und  ihm  als  solchem  gott- 
liche Ehren  erwiesen.  Hier  haben  wir  es,  warum  Asqüle- 
bithsä  in  der  Nabataischen  Landwirthschaft  als  Apostel  einer 
neuen  Religion  erscheint:  und  zwar  der  Sonnenreligion,  weil 
Asklepios  Sohn  des  Sonnengottes  ist  und  von  der  späteren 
Speculation,  z.  B.  bei  Euseb.  Praep.  ev.  HI,  13,  geradezu 
fdr  die  Sonne  erklärt  wird  (vgl.  Ewald  a.  a.  0.).  Beiläufig 
bemerkt,  ist  es  für  die  schulmeisterliche  Euhemeristik  jener 
Schrift  charakteristisch,  dass  der  Gotterarzt  nicht  wegen  seiner 
Wunderkuren,  sondern  wegen  seiner  Bücher  gottlicher  Ver- 
ehrung theilhaftig  wird.  Dem  Ibn  Wahshijjah  ist  Asklepiades 
ein  alter  Bekannter;  in  den  Ancient  alphabets  p.  92  kommt 
er  als  Asqlibiänüs  (wohl  nur  Schreibfehler  für  Asqlibiädsüs), 
Bruder  des  Hermes  und  Stammvater  der  zweiten  Hermesianer 
vor,  die  den  langathmigen  Namen  el-Harämisah  el-Pinäwa- 
lüzijah  führen. 

Asklepios  hat  auch  bei  der  Costümirung  des  grossen 
Weisen  Dewänäi  als  Modell  sitzen  müssen.  Chwolson,  Ueber 
Tammüz  S.  77  f.  theilt  nämlich  eine  Beschreibung  seines  in 

den  Tempeln  der  Gerämiqah  (d.  h.  der  Assyrer)  aufgestellten 
Standbildes  mit,  die  ich.  Dank  der  Güte  des  Herrn  Professor 
Fleischer,   hier  in  deutscher  Uebersetzung   mittheilen  kann: 

„Deswegen  hat  also  Shebähi  den  Söhnen  der  Gerämiqah,  seinen 
Landsleuten,  geboten,  in  ihren  Tempeln  das  Bild  des  Dewänäi, 
des  Herren,  abzubilden,  und  zwar  stehend,  wie  er  durch  Um- 
legung der  Finger  seiner  rechten  Hand,  während  drei  Finger 
aufrecht  stehen,  die  Zahl  acht  ausdrückt.^)    Er  selbst  lehnt 


1)  Siehe  Rödiger,  Jahresbericht  der  deatschen  morgenländischen 
Gesellschaft  für  1846  S.  114  Z.  16. 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  633 

sich  auf  einen  Stamm  des  Strauches  Altfaäa,  an  welchem 
Strauche  die  Knoten  abgebildet  sind,  welche  sich  an  den 
Stammen  des  Strauches  Althäa  befinden.  Um  diesen  Stab  49 
schlingt  sich  eine  grosse  Schlange,  und  auf  der  Spitze  des 
Stabes  ist  ein  Andreaskreuz  von  Gold;  und  die  Schlange, 
welche  sich  um  den  Stab  schlingt,  ö&et  ihren  Schlund  nach 
dem  Gesichte  des  Dewänäi  hin/^  Ghwolson  bemerkt  hierzu, 
die  Aehnlichkeit  der  Statue  mit  der  des  Asklepios  sei  augen- 
scheinlich. Fügen  wir  hinzu,  die  Aehnlichkeit  mit  den  aller- 
spätesten  Darstellungen  des  Asklepios.  Dass  Asklepios  stehend 
dargestellt  wird,  mit  der  Schlange  und  gestützt  auf  einen 
Stab,  ist  alte  Ueberlieferung  (vgl.  Preller,  Griechische  Mytho- 
logie I  S.  326  [S.  430  der  3.  Aufl.]).  Dass  aber  dieser  Stab 
eine  Althäa  ist,  um  durch  die  zugleich  kalte  und  warme 
Natur  dieser  Pflanze  die  gleichmässig  milde  Natur  des  Gottes 
symbolisch  auszudrücken,  wird  zwar  auf  Hippokrates  zurück- 
geführt (Galenos  bei .  Abü'Ifara^,  Ghron.  Syr.  p.  6;  cf.  Hist 
dynast.  p.  11);  ob  mit  Recht,  ist  aber  sehr  die  Frage, 
wenigstens  dürfte  es  schwer  halten,  aus  älterer  Zeit  ein 
Zeugniss  dafür  beizubringen.  Was  nun  vollends  die  mysti- 
sche Acht  betrifft,  die  dem  Asklepios  als  Symbol  beigegeben 
ist,  so  ist  dies  eine  Erfindung  der  allerspätesten  Zeit  Die 
oyöoarixri  q>vötg  spielt  nämlich  in  gewissen  gnostischen  Sy- 
stemen eine  grosse  Bolle  und  kommt  richtig  auch  in  den 
aus  dieser  Quelle  geflossenen^)  Unterredungen  des  Hermes 
Trismegistos  mit  seinem  Schüler  Tat  vor  (Abhandlung  I. 
notiidvdgrig^  §  26;  Abb.  XIII.  Aoyog  a%6xQvq>ogy  §  15). 
Von  diesem  vielgeleseuen  Buche  aber  gab  es  eine  syrische 
Uebersetzung  (Abü'lfarag,  Hist.  dynast.  p.  10):  woraus  man 
entnehmen  kann,  auf  welchem  Wege  der  assyrische  Dewänäi 
in  den  Besitz  jenes  Symbols  gekommen  sein  mag. 


1)  Dies  habe  ich  zn  zeigen  gesucht  in  meinen  Anmerkungen  zu 
Sam.  Sharpes  Geschichte  Egyptens  11  S.  165  (deutsche  Uebersetzung). 


634  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIETHSCHAFT 

§2. 
Hermes  und  Agathodämon. 

Janbüshäd,  der  lange  vor  Qüthsämi  schrieb,  erörtert  S.  93 
ausführlich  die  Nachtheile  des  Genusses  von  Bohnen  und 
Fischen.  „Aus  diesem  Grunde,  wird  darauf  bemerkt,  haben 
Ermisä  und  vor  ihm  Aghathsadimün  ihren  Landsleuten  den 
Genuss  von  Fischen  und  Bohnen  verboten  und  dieses  Verbot 
sehr  eingeschärft;  denn  Fische  und  Bohnen  sind  beide  schädlich 
für  das  Gehirn  und  erzeugen  in  den  Körpern  der  sie  Ge- 
niessenden schlechte  Säfte.'^  Dann  ergeht  sich  Janbüshäd 
noch  weiter  über  die  Schädlichkeit  des  Bohnengenusses  und 
wiederholt  zum  Schlüsse:  „und  aus  diesen  Ursachen  haben 
ihn  Aghathsadimün  und  Ermisä  verboten/'  Chwolson  sagt, 
er  habe  die  Stelle  ausführlich  mitgetheilt,  „um  zu  zeigen, 
dass  hier  von  einem  Pythagoreischen  Verbot,  Bohnen  zu  ge- 
niessen,  nicht  die  Rede  sein  kann''.  Gegen  Ewald,  der  schon 
50  in  den  Göttinger  Nachrichten' 1857  S.  159  mit  Recht  in  dieser 
Stelle  neuplatonische  Reminisceuzen  erkanpt  hatte,  bemerkt 
Chwolson  Folgendes:  „Gab  es  denn  in  der  alten  heidnischen 
Welt  keine  Gesetze  und  religiöse  Vorschriften,  deren  Ur- 
sprung auf  irgend  einen  Gott  zurückgeführt  wurde?  ...  Es 
könnte  doch  also  sein,  dass  auch  jene  Verbote  bei  den 
asiatischen  Griechen  schon  in  frühen  Zeiten  existirt  haben, 
und  dass  sie  auf  Hermes  und  Agathodämon  zurückgeführt 
wurden.  Es  ist  aber  auch  ein  anderer  Fall  möglich.  Die  Neu- 
platoniker  nämlich  berufen  sich  bekanntlich  unzählige  Male 
auf  uralte  Weisen,  namentlich  auf  Hermes,  Agathodämon, 
Asklepios  und  zuweilen  auch  auf  Tat.  Haben  die  Neu- 
platoniker  diese  alten  Götter  in  ihrer  specifischen  An- 
schauungsweise etwa  zu  menschlichen  Weisen  umgestaltet? 
. . .  nichts  stand  dem  Neoplatonismus  so  fern  wie  der  Euhe- 
merismus»)  . . .  jene  erwähnten  Götter  dagegen  sind  bei  ihnen 


1)  Die  Neuplatoniker  fanden  aber  den  EuhemeriBmns  vor,  und 
es  konnte  ihren  Tendensen  nur  willkommen  sein,  dass  durch  jene 
tiichtung  die  untergeordneten  Götter  längst  im  Glauben  der  Gebildeten 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  635 

cousequent  und  durchgeheuds  uralte  Weise  und  Gesetzgeber. 
Dies  muss  doch  irgend  einen  historischen  (!)  Grund  haben 
und  ist  sicher  (!)  nicht  als  eine  neuplatonische  Grille  an- 
zusehen . . .  Wer  kann  es  beweisen  ^  dass  Hermes,  Asklepios 
und  dergleichen  Andere  nicht  wirklich  Weise  der  Urzeit  waren^ 
die  in  einer  relativ  jüngeren  Zeit  göttliche  Verehrung  ge- 
nossen und  erst  in  der  historischen  Zeit  in  dem  Olymp  der 
Götter  einen  Platz  fanden,  wo  ihnen  eine  bestimmte  Stellung 
und  bestimmte  Functionen  angewiesen  und  sie  in  alle  Fabeln 
und  Mythen  der  wirklichen  Götter  aufgenommen  wurden?  . . . 
In  den  altgriechischen  und  altitalischen  Religionen  gab  es 
auch  eine  grosse  Menge  von  religiösen  Vorschriften,  Cere- 
monien  und  Gebräuchen,  ja  sogar  auch  Geheimlehren  von 
Sühnungen  u.  s.  w.  und  es  muss  (?)  doch  in  irgend  einer, 
sicher  vorhistorischen  Zeit  Männer  gegeben  haben,  welche 
dieses  Alles  gelehrt  und  eingeführt  haben  .  .  .  Vielleicht  (?) 
haben  Männer  wie  Orpheus  und  dergleichen  Andre,  deren 
Namen  wir  nicht  mehr  kennen,  in  der  That  eine  Rolle  gespielt, 
welche  der  ähnlich  ist,  die  in  der  historischen  Zeit  Orpheus 
zugeschrieben  wird.  Sei  es  nun,  dass  Hermes  und  Agatho- 
dämon  Götter  oder  uralte  Weise  waren,  auf  welche  ver- 
schiedene religiöse  Gebräuche  und  religiöse  Vorschriften 
zurückgeführt  wurden:  ich  finde  nach  dem  Gesagten  in  der 
Sache  an  und  für  sich,  dass  in  unserem  Buche  gewisse  reli- 
giöse Vorschriften  auf  Hermes  und  Agathodämon  zurück- 
führten, nichts,  was  gegen  das  hohe  Alter  des  Qüthsami 
beweisen  könnte;  das  einzige  (!)  Auffallende  darin  ist  eigentlich 
nur  die  Form  'Ayad-odaiiimv  für  6  ayad'bg  daiiiwv,  .  .  .  Ich 
glaube  übrigens,  dass  unsere  Stelle  auf  folgende  Weise  ihre  61 
Erklärung  findet.  Die  Muhammedaner  schreiben  immer  den 
Namen  Hermes  fast  so  wie  die  Griechen,  nämlich  Hermis, 
}iier  aber  heisst  er  Armisä.  Dieser  Armisä  kommt  auch  in 
dem  oben  erwähnten  altbabylonischen  Werke  des  Tenkelüschä 
vor,  wo  er  aber  nicht  als  Ausländer,  sondern  als  ein  uralter 

so  menschlichen  Weisen  herabgedrückt  waren:  so  hatten  sie  es  nar 
mit  den  grossen  Göttern  zu  thon,  die  sie  durch  L&ntemng  der  mytho- 
logischen Anschauungen  zu  retten  suchten. 


636  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

eiBheimischer  Weise  auftritt  . .  .  Was  aber  Agathodamon  be* 
trifiFt,  dessen  Name  an  den  beiden  erwähnten  Stellen  ebenso 
geschrieben  ist,  wie  bei  den  mnhammedanischen  Schriftstellern, 
so  haben  wir  nachgewiesen  .  .  .  dass  der  Ursprung  ver- 
schiedener heidnischer  religiöser  Gebote  und  Vorschriften  auf 
Hermes  und  Agathodamon  gemeinschaftlich  zurückgeführt 
wurde.  Die  Yermuthung  liegt  daher  (I)  sehr  nahe,  dass  die 
Worte  „und  vor  ihm  Agathodamon''  als  eine  Interpolation 
von  späterer  Hand,  wahrscheinlich  erst  nach  Ibn  Wahshijjah, 
anzusehen  sind:  die  zweite  Stelle  dagegen,  in  der  gleichfalls 
Armisä  und  Agathodamon  erwähnt  werden  und  welche  keinen 
rechten  Zusammenhang  mit  dem  Vorhergehenden  hat,  scheint 
ganz  interpolirt  zu  sein:  jedenfalls  kann  der  Name  Agatho- 
damon von  späterer  Hand  eingeschoben  worden  sein/'  Grosserer 
Sicherheit  halber  wagt  Chwolson  in  einer  Anmerkung  S.  95 
schüchtern  den  Versuch,  den  verrätherischen  Ermisä  ganz 
aus  der  Welt  zu  schaffen,  und  geht  dabei  von  der  falschen 
Punctation  Ermishä  aus,  die  eine  Handschrift  aufweist:  „ob 
—  sagt  er  —  Armisä  zu  lesen  ist,  muss  dahingestellt  bleiben; 
der  babylonische  Eigenname  Tenkelüschä  endigt  gleichfalls 
auf  schä.  Es  könnte  übrigens  auch  sein,  dass  dieses  scha 
aus  bit'ä  entstanden  ist."  —  Wir  haben  es  für  nöthig  ge- 
halten, diese  Pointen  eines  nicht  weniger  als  öy^  Quartseiten 
füllenden  Baisonnements  treu  wiederzugeben.  Denn  wo,  wie 
im  vorliegenden  Falle,  der  Leser  die  Eenntniss  des  Autors 
einzig  und  allein  aus  den  Mittheilungen  eines  nur  zu  be- 
geisterten Herausgebers  zu  schöpfen  hat,  wird  es  unumgänglich 
nöthig,  sich  zu  vergewissem,  inwieweit  dem  Herausgeber 
in  Fragen  der  historischen  Kritik  ein  Urtheil  zuzutrauen  ist. 
Ein  Forscher,  bei  dem  der  Enthusiasmus  den  kritischen  Sinn 
überflügelt,  kann  auch  bei  dem  redlichsten  Willen,  bei  seinen 
Mittheilungen  objectiv  zu  verfahren,  Notizen  bei  Seite  lassen^ 
die  ihm  selbst  unverfänglich  oder  gleichgiltig  erscheinen, 
aber  für  die,  welche  in  der  historischen  Kritik  geübter  sind, 
zu  gewichtigen  Entscheidungsgründen  gegen  ihn  werden 
können.  Wenn  Chwolson  sogar  in  dem,  was  über  Hermes 
und  Agathodamon  gesagt  ist,   nichts  findet,  was  gegen  das 


UND  IHRE  GESCHWISTEB.  637 

hohe  Alter  des  Qüthsämi  beweisen  könnte,  so  mochten  wir 
in  der  That  wissen,  wie  die  Stelle  aussehen  müsste,  die  ge- 
eignet wäre,  ihm  seine  Vorurtheile  zu  benehmen. 

Dem,  was  Ewald  [in  den  Gottinger  gelehrten  Anzeigen] 
1859  S.  1130  und  ihm  beistimmend  Spiegel  im  Auslande 
XXXII  (1859)  S.  1012  über  unsere  Stelle  gesagt  haben,  bleibt 
nichts  Wesentliches  hinzuzufügen  übrig.  Ich  bemerke  nur, 
dass  nicht  bloss  das  Verbot  des  Bohnengenusses,  sondern  52 
auch  das  des  Fischgenusses  pythagoreisch  ist  (Plut.  Quaest. 
conyiv.  VIII,  8,  I  p.  728);  femer  dass  die  Angabe  über  Aghä- 
thsädimün  und  Ermisä  und  die  schon  besprochenen  über 
tshithsä  und  Achnöcha  sich  gegenseitig  gegen  jede  Bearg- 
wohnnng  schützen,  uud  dass  von  Ihn  Wahshijjah  selbst  in 
den  Ancient  alphabets  p.  176  Aghädimün  zusammen  mit 
Chanüchä,  also  nach  der  Lehre  der  „alten  Griechen''  mit 
Hermes,  als  Gewährsmann  fQr  die  drei  Uralphabete  an- 
geführt wird. 

§3. 

Thammüz. 

Thammüz  erscheint  als  Thammüzi,  der  die  Planeten- 
religion gestiftet  und  für  dieselbe  den  Märtyrertod  erlitten 
habe,  wofür  er  auch  von  den  jüngsten  Geschlechtern  in 
fernen  Ländern  beweint  und  betrauert  worden  sei  (S.  175). 
Die  allgemeine  Annahme,  dass  Thammüz  der  Adonis  ist, 
wird  wohl  auch  femer  die  allgeipeine  bleiben,  trotzdem  dass 
Chwolson  versichert,  dass  man  für  sie  nicht  den  geringsten 
haltbaren  Beweis  gehabt  habe,  und  in  einer  besonderen 
Schrift  sich  bemüht  sie  zu  widerlegen.  Er  behauptet,  die 
Angaben  der  Kirchenväter,  welche  beide  gleichsetzen,  beruhten 
auf  willkürlichem  Synkretismus,  die  Mythen  vom  Adonis 
seien  auf  den  Thammüz  erst  übertri^en  worden«  Chwolson 
stützt  sich  vornehmlich  darauf,  dass  die  im  Festkalender 
der  Harranischen  Sabier  gegebene  Erzählung  vom  Tode  des 
Thammüz  von  der  griechischen  über  den  Tod  des  Adonis 
stark  differirt  (lieber  Tammüz  S.  39);  allein  erstens  giebt 
es  auch  bei  den  Griechen  abweichende  Versionen  über  den 


638  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

Tod  des  Adonis,  zweitens  weicht  auch  die  Harranische  Tra- 
dition in  ^ehr  wesentlichen  Punkten  von  der  in  der  Naba- 
täischen  Landwirthschaft  in  Betreff  des  Martyriums  des 
Thamraüzi  zum  Besten  gegebenen  ab.  Beide  Culte,  des 
Thammüz  wie  des  Adonis^  sind  in  Syrien  zu  Hause;  da  nun 
auch  die  Ceremonien  beider  Culte  zusammenfallen,  so  kann 
es  nichts  unhaltbareres  geben,  als  jene  Zeugnisse,  von  denen 
namentlich  das  des  Bar  Bahlül  ganz  positiv  ist^),  zu  ver- 
werfen und  zwei  identische  Culte  nebeneinander  anzunehmen. 
Die  Identität  wird  freilich  von  Chwolson  a.  a.  0.  bestritten, 
aber  nur  mit  dem  ganz  unzureichenden  Grunde,  dass  beim 
Adonisfeste  auf  die  Klage  die  Wiederfindung  des  Adonis 
gefolgt  sei,  von  welcher  unsere  Quellen  über  Thammüz  nichts 
wüssten:  dabei  wird  vergessen,  dass  auch  die  Griechen  die 
Adonien  wesentlich  als  ein  Trauerfest  auffassen,  an  dem  die 
Klage  um  den  todten  Adonis  die  Hauptsache  ist.  Man  weise 
53  uns  einmal  einen  anderen  semitischen  Cultus  nach,  in  dem 
eine  Todtenklage  so  entschieden  den  Mittelpunkt  bildet! 
Chwolson  freilich  meint,  die  Todtenklage  habe  bei  keinem 
Begräbnisse  im  Oriente  fehlen  dürfen,  Thammüz!  aber  sei, 
wie  die  Nabatäische  Landwirthschaft  ausweise,  nur  ein  aus- 
gezeichneter Mensch  der  babylonischen  Urzeit  gewesen,  den 
man  nach  seinem  Tode  vergpttert  habe,  wofür  ja  Dewänäi 
und  Janbüshäd  Präcedenzfalle  abgäben:  bei  dem  Cultus  eines 
verstorbenen  Menschen  sei  aber  die  Todtenklage  gar  nichts 
Ausserordentliches.  Ich  dächte  doch,  durch  die  erbaulichen 
Proben  von  Qüthsämis  Abhandlung  der  griechischen  Mytho- 
logie wären  wir  auf  eine  derartige  euhemeristische  Auffassung 
des  Thammüz  genügend  vorbereitet  worden;  zum  Ueberfluss 
sind  Griechen  der  spätesten  Zeit  darin  seine  Vorgänger: 
Kedrenos  I  p.  29,  10  (ed.  Bonn.),  der  aus  dem  verlorenen  An- 
fange von  Malalas  Chronographie  schöpfte,  macht  den  Adonis 

1)  Inwiefern  seine  Erzählung  einen  euhemeriBtischen  Charakter 
tragen  soll,  wie  Chwolson  (Ueber  Tammüz  S.  8)  behauptet,  ist  nicht 
abzusehen;  man  kann  höchstens  zugeben,  dass  der  christliche  Bericht- 
erstatter seinen  Unglauben  an  der  Göttlichkeit  der  Ba*alt!  durch- 
schimmern lässt. 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  639 

za  einem  Philosophen.  Das  Martyrium  des  Thammüz  ist 
natürlich  aus  dem  durch  die  Eifersucht  des  Ares  veranlassten 
gewaltsamen  Tode  des  Adonis  herausgeklügelt  worden;  die 
Details  werden  sich  uns  weiter  unten  als  ein  ergetzliches 
Plagiat  aus  der  den  Muhammedanern  wohlbekannten  Legende 
vom  heiligen  Georg  erweisen. 

Nicht  bloss  der  Monat  Thammüz,  der  diesem  babyloni- 
schen Märtyrer  seinen  Namen  verdankt,  sondern  auch  die 
elf  übrigen  Monate  haben  nach  der  Versicherung  der  Naba- 
täischen  Landwirthschaft  von  ausgezeichneten  Männern  der 
Vorzeit  ihre  Namen  erhalten.  Chwolson,  der  wie  immer 
Qüthsämis  Sache  zu  der  seinigen  macht,  findet  das  ,^gar 
nicht  unwahrscheinlich,  im  Gegentheil  sogar  sehr  glaublich^ 
und  macht  dafür  geltend,  dass  ein  Theil  der  romischen 
Monate  nach  historischen  Persönlichkeiten  benannt  worden 
sei  (üeber  Tammüz  S.  61  f.).  In  dem  Abschnitte  dieser 
letzteren  Schrift,  welcher  über  die  Menschenverehrung  bei 
den  alten  Babyloniern  handelt  (von  S.  69  an),  bemüht  sich 
Chwolson,  den  Euhemerismus  wieder  zu  Ehren  zu  bringen, 
obschon  er  selbst  gegen  das  ihm  schon  von  Movers  (s.  „Die 
Ssabier''  II  S.  805)  beigelegte  Prädicat  eines  Euhemeristen 
wiederholt  protestirt.  Allein  gerade  jenes  aus  den  römischen 
Monatsnamen  Julius  und  Augustus  hergenommene,  für  den 
ersten  Anblick  ja  sehr  scheinbare,  Argument  beweist,  wie 
sehr  derselbe  sich  in  den  Ideenkreis  des  Euhemerismus  hinein- 
gelebt hat:  was  in  Zeiten  raffinirtester  Cultur,  wenn  ein 
Volk  sich  bereits  überlebt  hat,  als  Compliment  für  die 
Mächtigen  möglich  ist,  ist  darum  noch  nicht  für  die  Zeiten 
der  frühesten  Kindheit  eines  Volkes,  in  denen  sich  dieses 
seine  Götter  und  seinen  Kalender  schafft,  als  möglich  er- 
wiesen. Das  ist  eben  das  xgcitov  il^svdog  des  Euhemerismus, 
dass  er  nicht  mit  historischem  Verständniss,  sondern  mit 
vermeintlichen  Postulaten  des  gemeinen  Menschenverstandes  54 
operirt,  dass  er  also  die  Urzeit  mit  dem  Massstabe  des 
modernen  Alltagslebens  misst. 


640  DIE  NABATABISCHE  LANDWIRTR8CHAFT 

§4. 
Die  Stellung  der  hellenistischen  Gottheiten  im 

nabatäisehen  Schriftthum. 

Ueberblicken  wir  nun  die  zwar  minder  zahlreichen,  aber 
darum  nicht  minder  verrätherischen  Bezugnahmen  Qüthsämis 
auf  die  griechische  Mythologie,  so  tritt  in  ihnen  genau  die- 
selbe crass  rationalistische  Methode  zu  Tage,  wie  in  seinem 
Verhältnisse  zur  jüdisch -moslemischen  Tradition;  sie  führt 
uns  mit  der  Abfassungszeit  zwar  nicht  in  eine  so  ganz  späte 
Zeit  wie  diese,  doch  ist  die  Wahl  der  mythischen  Figuren 
und  ihre  Auffassung  eine  derartige,  dass  sie  es  unmöglich 
macht,  den  angeblichen  Qüthsämi  über  das  dritte  Jahrhun- 
dert n.  Gh.  hinaufzurücken. 

§5. 
Konig  Eaukasos. 

Hierher  gehört  auch  eine  Angabe  des  Järbüqä  (S.  40), 
dass  ein  gewisser  Eükäsh  von  Bailaqän  (bei  Derbend)  einen 
alten  babylonischen  Eonig  Namens  ^Abed-Ferghilä  mit  Erieg 
überzogen  habe.  Dieser  einer  kaukasischen  Gegend  ange* 
hörige  Eükäsh  ist  sicherlich  kein  Anderer  als  der  von  den 
Giganten  abstammende  nordische  Machthaber  Knvxaöogj 
welcher  nach  Malala  (Ecl.  bei  Gramer,  Anecd.  Paris.  II  p.  235) 
und  Eedrenos  (I  p.  30,  9  ed.  Bonn.)  im  Eriege  mit  dem 
assyrischen  Eönige  Ares  oder  Thuras  erschlagen  ward.  Da 
der  Machthaber  Eaukasos  natürlich  erst  des  Berges  wegen 
erfunden  ist,  so  liegt  hier  ein  neues  Beispiel  vor,  wie  eine 
noch  dazu  sehr  junge  Sage  in  den  Ton  Ihn  Wahshijjah 
producirten  Schriften  historisirt  worden  ist. 

XL 

Persönlichkeiten   der  persischen   Sage   und 

Geschichte. 

§1. 

Die  persischen  Märchen. 

Nach  S.  41  kennt  Qüthsämi  persische  Märchen.  Spuren 
von   Erzählungen,   die   der   persischen  Heldensage   entlehnt 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  641 

sind,  finden  sich  schon  in  der  Achämenidenzeit,  erstens  die 
Liebesgeschichte  von  Zariadres  (nenpersisch  Zarir)  und  Odatis 
bei  einem  Geschichtsschreiber  Alexanders,  Ghares  von  Myti- 
lene  fr.  17  p.  119  (ed.  Müller  ad  calcem  Arriani),  deren  Held 
bei  Firdüsi  des  Zariadres  berühmterer  Brader  Hystaspes 
(Gushthäsp)  ist^  sodann  die  unleugbaren  Beziehungen  zwi- 
schen der  Sage  von  Eyros  und  der  von  Kai  Khosrü  (die 
Aussetzung  der  Kinder  im  Walde  auf  Befehl  des  durch  66 
Träume  gewarnten  mütterlichen  Grossvaters,  die  wunderbare 
Erhaltung  des  Kindes  und  sein  Aufwachsen  unter  Hirten,  die 
Wiedererkennung  durch  den  Grossvater  und  dessen  Ent- 
thronung) —  Beziehungen,  bei  denen  es  freilich  schwer  zu 
entscheiden  ist,  ob  Perser  oder  Baktrer  die  Entlehner  waren. 
Und  dass  die  persische  Heldensage  früher,  als  man  insgemein 
annimmt,  auch  in  semitischen  Landen  verbreitet  war,  lehrt 
der  Name  ^Podavrjg,  den  der  Held  des  vom  Babylonier  Jam- 
blichos  im  zweiten  Jahrhundert  n.  Gh.  verfassten  Bomans 
BaßvX(Dviaxa  führt:  Hrodan  kennen  wir  nämlich  aus  Mos. 
Choren.  I,  append.  §  2  p.  77  (ed.  Whiston)  als  eine  den  Ar- 
meniern bekannte,  zwischen  zendischem  Thraetöna  und  neu- 
persischem Feridün  in  der  Mitte  stehende,  Form  des  bekannten 
Pischdadiernamens.^)   Ob  dagegen  im  vierzehnten  Jahrhundert 

V.  Ch.,  als  das  Zendavesta  kaum  entstanden  war^  jene  Sagen 
sich  schon  gebildet,  noch  mehr,  ob  sie  schon  eine  über  das 
arische  Volk  hinausreichende  Berühmtheit  erlangt  hatten, 
darf  füglich  bezweifelt  werden.  Ihre  rechte  Beziehung  er- 
hält jene  Erwähnung  der  „persischen  Erzählungen^'  bei  dem 

1)  Dieses  Znsammentreffen  hat  schon  Anqn^til  du  Perron  im 
XL.  Bande  der  Histoire  de  Tacad^mie  des  inscriptions  bemerkt;  die 
Aehnlichkeit  aber,  welche  er  auch  in  der  Handlung  zwischen  Jam* 
blichos  und  der  iranischen  Sage  finden  will,  ist,  wenn  überhaupt  vor- 
handen, nur  eine  sehr  entfernte.  Der  Verfolger  des  Hrodan,  der  dem 
Aj'dah&k  entsprechen  würde,  ist  der  König  Garmos  von  Babylon, 
gewiss  eine  Personification  des  assyrischen  Volkes  der  Garamäer  (Ptol. 

VI,  1,  2),  der  Bewohner  von  Beth-Garm§  oder  Bägermä  (vgl.  Chwolson 
S.  17g)  _  ein  Stamm,  der  in  der  späteren  Zeit  so   hervortrat,  dass 

die  Araber,  z.  B.  Ibn  Wahshijjah,  die  Assyrer  geradezu  Gerämiqah 
nennen. 

▼.  GüTSCHiOD,  Kleine  Schriften.    IL  41 


642  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

angeblichen  Qüthsämi  erst,  wenn  man  weiss,  das  die  persischen 
Sagen  Ton  Busthem  und  Isfendiär  Ton  Nadzr  ihn  al-Hareths 
zu  Muhammeds  Zeit  nach  Arabien  gebracht  und  daselbst 
unter  grossem  Beifall  der  Koraischiten  vorgetragen  wurden, 
die  daran  mehr  Geschmack  fanden  als  an  den  im  Koran  ent- 
haltenen; Muhammed  eifert  Sure  31,  8.  349  dagegen,  aber, 
wie  sich  bald  zeigte,  ohne  Erfolg:  das  Fehle wi-Buch,  welches 
die  persische  Heldensage  enthielt  und  von  Sa' ad  ihn  Abi'l- 
Wakkas  erbeutet  ward,  fand  selbst  beim  Chalifen  'Omar 
grossen  Beifall,  der  die  Uebersetzung  nur  aus  religiösen  Mo- 
tiven einzustellen  befahl. 

§2. 

König  Gämäsp. 

Bei  Qüthsämi  kommt  nach  S.  19  ein  uralter  persischer 
König  Namens  Kämäsh  vor,  der  seine  Eroberungen  bis  an 
die  babylonische  Grenze  ausgedehnt  habe.  Herr  Professor 
Brockhaus  macht  mich  darauf  aufmerksam,  dass  in  den  M^- 
langes  Asiatiques  UI  p.  356   von   dem  Namen   des    sasani- 

dischen  Königs  Gämäsp,  der*  zu  Ende  des  fünften  Jahrhunderts 
56  regierte,    eine  Nebenform  Gämäsp  angeführt  wird,   und  be- 

merkt  dazu:   „Da  nach  Vullers  s.  v.  statt  Gämäsp  auch  die 

Form  Gämäs  vorkommt,  so  darf  man  auch  annehmen,  dass 
man  Gämäs  gesagt  habe:  dies  wäre  also  der  persische  König 
Kämäsh,  den  die  Nabatäische  Landwirthschaft  erwähnt/'  Zum 
Glück  sind  wir  durch  die  allertoUsten  Anachronismen  in 
dieser  bereits  so  abgehärtet,  dass  wir  nicht  eben  sehr  dar- 
über erschrecken,  einem  uralten  Perserkönige  mit  der  ab- 
genutztesten neupersischen  Namensform  zu  begegnen,  die  sich 
nur  denken  lässt. 

§  3. 
Gämäsp  der  Weise. 

Lässt  sich  über  diesen  König  Kämäsh  nichts  weiter  sagen, 
so  weiss  man  um  so  mehr  von  seinem  Namensvetter  und 
gewiss  auch  Landsmanne  Kämäsh  al-Neheri^  einem  uralten 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  643 

Weisen,  der  nach  S.  19.  175  ein  Werk  in  drei  Büchern  über 
den  Ackerbau  unter  dem  Titel  Shijäsheq  verfasst  hatte.    In 

der  persischen  Heldensage  erscheint  nämlich  Gämäsp  mit 
dem  Beinamen  ;,der  Weise'^  als  Gushthasps  in  allen  Wissen- 
schaften erfahrener  Bruder.  Seinen  Namen  trägt  ein  apo- 
kryphes Buch,  das  ins  Arabische  übersetzt   worden  ist  und 

betitelt  ist  „Buch  des  Weisen  Gämäsh,  das  da  enthält  die 
Ausrechnungen  der  grossen  Planetenconjunctionen  und  der  von 
ihnen  hervorgebrachten  Ereignisse"  (Herbelot  s.  v.  Giamasb.). 

§4. 

S  ä  m. 

Ein  anderer  uralter  babylonischer  Heiliger  ist  Sämäi  al- 
Neheri,  welcher  ebenfalls  über  den  Ackerbau  schrieb  (S.  174); 
die  Sage  rechnet  ihn  zu  denen,  deren  Körper  nach  dem  Tode 
niemals  in  Verwesung  übergegangen  sei  (S.  99).  Der  Bei- 
name lässt  auf  einen  Landsmann  des  Kämäsh  schliessen;  da 
wir  die  stereotype  Manier  kennen,  nach  der  fremde  Eigen- 
namen nabatäisirt  werden,  und  wissen,  dass  z.  B.  aus  arabi- 
schem Shehriz  ein  nabatäisches  Shehrizäi  wird,  so  lässt  sich 
in  der  That  jener  Sämui  mit  Leichtigkeit  auf  einen  ursprüng- 
lichen Säm  zurückführen.  Von  Säm,  Nerimäns  Sohn,  erzählt 
die  Parsensage,  dass  er  nicht  todt  ist,  sondern  bloss  schläft 
und  zur  Zeit  der  Todtenauferstehung  wiedererwachen,  die 
Geschöpfe  Ahrimans  vertilgen  und  das  Reich  des  9^^^^^^^ 
fordern  helfen  wird.  Im  Minokhired  heisst  es  nach  Spiegel 
(in  der  Zeitschr.  d.  d.  M.  G.  HI  S.^248):  „Der  Körper  Säms 
befindet  sich  in  der  Ebene,  die  Pusht-Gu9tä9pän  genannt 
wird,  nahe  am  Berge  Demäwend  . . .  Und  die  Yazatas  und 
Amschaspands  haben  Säms  Körper  wegen  99,999  Farvers 
der  Heiligen  zum  Schutze  bestellt";  und  diese  Sage  ist  nach 
einer  Nachweisung  A.  Webers  auch  unter  den  Secten  des 
Islam  bekannt  und  verbreitet  gewesen.  Den  Beinamen  al- 
Neheri,  welchen  mit  Kämäsh  und  Sämäi  noch  ein  Dritter, 
der  weise  Feljämä  (S.  176),  theilt,  lässt  Chwolson  unerklärt;  57 
ich  vermuthe,  dass  er  von  der  babylonischen  Stadt  Nahar- 

41* 


644  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIBTHSCHAFT 

Pakor  (ygl.  Grätz,  Geschichte  der  Juden  lY  S.  305)  abgeleitet 
ist;  deren  Einwohner  nach  dem  Untergänge  der  ebenfalls  mit 
nahar  zusammengesetzten  Stadt  Nahar-Dea^  ohne  dass  ein 
Missverstandniss  zu  befurchten  gewesen  wäre^  durch  al-Nahari 
bezeichnet  werden  konnten.  Da  sich  Nahar-Pakor  durch  seinen 
Namen  als  Gründung  des  Partherkonigs  Pakor  yerräth^  so 
wäre  es,  sollte  jene  Vermuthung  sich  bestätigen,  sehr  er- 
klärlich, warum  bei  Qüthsämi  in  Nabatäer  umgewandelte 
Perser  gerade  aus  ihr  hergeleitet  werden. 

§5. 
B  ä  b  e  k. 

Jurbüqä,  der  ja  noch  älter  sein  will  als  Qüthsämi,  citirt 
8.  121  „einen  unserer  Alten,  Namens  Bäbeksu'^:  sichtlich  eine 
Nabatäisirung  des  nichts  weniger  als  alten  Namens  Bäbek. 
Dieser  Name  ward  nicht  nur  von  dem  bekannten  Yater  des 
ersten  Sasaniden  geführt,  sondern  blieb  auch  noch  nach  der 
Sasanidenzeit  üblich:  berühmt  ist  namentlich  der  Ketzer  Bäbek 
Ghorremt,  der  nicht  lange  vor  der  Zeit  Ibn  Wahshijjahs 
einen  äusserst  geföhrlichen  Aufstand  erregt  und  sich  Jahre 
lang  gegen  die  Heere  des  Chalifen  Mo'thafem  behauptet  hatte 
(Herbelot  s.  v.  Babek). 

§  6. 
Andere  neupersische  Anklänge. 

Auch  sonst  finden  sich  in  den  Namen  der  allerältesten 
babylonischen  Weisen  zahlreiche  Anklänge  an  das  Neupersische 
(z.  B.  Kermänä  S.  99,  Lälä  S.  156);  am  auffalligsten  ist  dies 
der  Fall  mit  dem  von  Qüthsämi  zwar  nicht  erwähnten,  aber 
vorausgesetzten  (s.  S.  159)  Saturnapostel  Azdahi  —  man  kann 
auch  aussprechen  Azdahä  — ,  wie  er  im  Urtexte  des  Thenke- 
loshä  (S.  136)  heisst.^)  Dies  ist  genau  das  Neupersische 
aj'dahä,   Schlange;   wer  unter  dieser  Schlange  gemeint  ist, 

1)  Chwolson  nezmt  ihn  stets  Azädä  —  die  Fonn,  die  der  Name 
in  der  persischen  Uebersetzung  hat 


UND  IHEE  GESCHWISTER.  645 

werden  wir  weiter  unten  sehen.  Ghwolson  mochte  S.  19 
Namen  wie  Eämäsh  al-Neheri  u.  a.  einer  vorsemitischen 
Cultarepoche  Babyloniens  zuweisen;  wie  wunderbar  wäre  es 
doch  dann,  dass  die  sämmtlichen  Namen  dieser  mehrere  Jahr- 
tausende vor  Christi  Geburt  blühenden  Iranier  sich  auf  das 
Frappanteste  mit  dem  Neupersischen  berühren,  dem  Neu- 
persischen, welches  nicht  älter  ist  als  das  fünfte  Jahrhundert 
n.  Ch.  und  an  Abgeschliffenheit  der  Formen  mit  dem  Eng- 
lischen wetteifert! 

Xn.  68 

Der  nabatäische  Kalender. 

Als  einen  schlagenden  Beweis  späteren  Ursprungs  hatte 
Meyer,  Geschichte  der  Botanik  HI  S.  52  f.  das  Vorkommen 
der  syrischen  Monate  als  Sonnenmonate  bei  Qüthsämi  hervor^ 
gehoben,  da  diese  erst  in  der  Eaiserzeit  ihren  ursprünglichen 
Charakter  als  Mondmonate  eingebüsst  haben.  Diesen  Ein- 
wurf sucht  Chwolson  durch  die  Bemerkung  zu  entkräften, 
dass  die  Chaldäer  schon  in  viel  älterer  Zeit  ein  Sonnenjahr 
gehabt  zu  haben  scheinen,  und  verweist  dafür  auf  Ideler: 
allein  das  ist  ja  hier  vollkommen  gleichgiltig,  es  handelt  sich 
nur  darum,  ob  die  alten  Babylonier  die  neusyrischen  Juliani- 
schen Sonnenmonate  gehabt  haben  können,  welche  nur  andere 
Namen  für  die  römischen  sind.  Ueber  den  Kalender  der 
Nabatäer  macht  Chwolson  S.  82 f.  folgende  Mittheilungen: 
„Soviel  weiss  ich  bestimmt,  dass  sie  zwei  nebeneinander- 
laufende und  von  einander  unabhängige  Jahres- 
rechnungen hatten.  Sie  hatten  ganz  bestimmt  Mond- 
monate, die  bald  29,  bald  30  Tage  hatten.  Ob  sie  dieses 
Mondjahr  mit  dem  Sonnenjahr  auszugleichen  suchten,  weiss 
ich  nicht.  Sie  hatten  aber  schon  in  der  ältesten  Zeit  reine 
Sonnenmonate,  die  immer  nach  dem  Eintritt  der  Sonne  in 
ein  neues  Zeichen  des  Thierkreises  gerechnet  wurden.  Die 
Mondmonate  sowohl,  so  wie  auch  die  Sonnenmonate  führten 
dieselben  Namen:  Nisän,  Ijjar  u.  s.  w.  Diese  beiden 
Monate  fielen  natürlich  selten  zusammen  .  .  .  Der  religiöse 
und   vielleicht   auch   der   politische   Jahresanfang   fand   den 


646  DIE  NABATAEISCHE  LaNDWIRTHSCHAFT 

1.  Nisän  statt,  an  welchem  Tage  eines  der  beiden  grossten 
Feste  der  Babylonier,  das  Geburtsfest  des  Jahres,  d.  h. 
das  Neujahrsfest,  gefeiert  wurde;  das  zweite  jener  beiden 
grossen  Feste  wurde  den  24.  des  ersten  Eänün  (24.  December) 
gefeiert  und  wurde  das  Geburtsfest  der  Sonne  genannt 
. .  .  Ausser  dem  erwähnten  Neujahr  gab  es  noch  ein  anderes 
Neujahr  am  ersten  Tesehrin  (October),  aber  keins  am  ersten 
des  2.  Känün  (Jatiuar).  Dieses  Neujahr  am  ersten  Tesehrin 
hat  aber  vielleicht  nur  eine  agronomische  Bedeutung/^  Letztere 
VermuthuDg  ist  indess  nicht  wohl  vereinbar  mit  einer  anderen 
Stelle  der  Nabatäischen  Landwirthschaft  (S.  113),  an  welcher 
ein  Landwirthschaftskalender  gegeben  wird,  der  mit  dem 
Monat  Adär  beginnt  und  mit  dem  Monat  Shobät  endigt,  mit 
der  ausdrücklichen  Augabe,  die  Ursache  davon  sei  rein  agro- 
nomisch. Hierdurch  wird  dieses  Jahr  deutlich  als  ein  selbst- 
gebildetes,  vom  politischen  und  vom  religiösen  Jahre  un- 
abhängiges Bauernjahr  hingestellt.  Es  ist  nun  freilich  nicht 
abzusehen,  wie  dies  mit  folgender  Nachricht  Ihn  Wahshijjahs 
sich  verträgt,  die  Chwolson,  üeber  Tammüz  S.  54  f.  mitgetheilt 
hat:  „Desgleichen  sagen  sie  in  Bezug  auf  alle  ihre  Monate, 
dass  dieselben  nach  Männern  der  Vergangenheit  benannt, 
69dass  femer  der  erste  und  zweite  Tesehrin  nach  zwei 
Brüdern  benannt  seien,  die  sich  in  den  Wissenschaften  aus- 
gezeichnet hätten,  dass  es  sich  mit  dem  ersten  und  zweiten 
Känün  ebenso  verhalte,  und  dass  endlich  Schebäth  der 
Name  eines  Mannes  sei,  der  tausend  Jungfrauen  beigewohnt 
habe,  ohne  Nachkommen  zu  hinterlassen  und  ein  Kind  er- 
zeugt zu  haben;  wegen  seines  Mangels  an  Nachkommenschall 
aber  setzten  sie  den  (nach  ihm  benannten)  Monat  Schebäth 
als  letzten  Monat  ein  und  derselbe  wurde  auch  der  verkürzte 
in  der  Zahl  (seiner  Tage)/'  Da  die  Legende  für  die  Stellung 
des  Shobät  am  Ende  des  Jahres  einen  Grund  angiebt,  so 
wird  dieses  damit  auch  als  ein  kirchliches  Jahr  hingestellt, 
was  es  doch  nach  der  ersten  Angabe  nicht  ist.  Das  reime 
zusammen,  wer  da  will !  Chwolson  freilich  versichert  (Ueber 
Tammüz  S.  62),  wir  hätten  gar  keine  Ursache  anzunehmen^ 
dass  Ibn  Wahshijjah  dies  erdichtet  haben  sollte,  „und  zwar 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  647 

deshalb,  erstens  weil  uns  überhaupt  nichts  daza  berechtigt, 
Erdichtung  bei  Ibn  Wahshijjah  vorauszusetzen  (eine  kühne 
petitio  prlncipiü),  und  zweitens  weil  derselbe,  wenn  er  das 
von  ihm  hier  Gesagte  erdichtet  hätte,  durchaus  nicht  den 
Monat  Schebäth  (Februar),  sondern  den  Adar  (März)  als 
letzten  Monat  bezeichnet  hätte,  da  es  in  verschiedenen 
Stellen  der  „NabatäischenLandwirthschaft'' ausdrücklich 
gesagt  ist,  dass  die  alten  Babylonier  am  ersten  Tage  des 
Monats  Nisän  ihr  Neujahrsfest  feierten/'  Ich  dächte 
doch,  es  gäbe  eine  näher  liegende  Erklärung,  die  nämlich, 
dass  hier  den  Lügner  sein  Gedächtniss  zur  Unzeit  ver- 
lassen hat. 

Chwolson  lebt  in  der  seltsamen  Illusion,  durch  seine 
Mittheilungen  falle  der  vermeintliche  schlagende  Beweis 
Meyers  in  nichts  zusammen:  sie  bestätigen  aber  vielmehr 
in  grellster  Weise,  dass  wirklich  die  angeblich  altbabjloni- 
sehen  Sonnenmonate  sich  mit  den  neusjrischen  Julianischen 
vollkommen  decken:  die  verkürzte  Tagzahl  des  Februar  oder 
Shobät  weist  unzweideutig  auf  diesen  hin,  von  Chwolsons 
eigenen  Gleichsetzungen,  für  die  er  ohne  Zweifel  bei  Qüth- 
sämi  Anhaltepunkte  gefunden  haben  wird,  ganz  zu  schweigen« 
Nun  liegen  die  Julianischen  Monate  so  unbequem  und  un- 
natürlich zu  den  Jahrpunkten,  dass  es  vollkommen  undenkbar 
ist,  dass  irgend  ein  anderes  altes  Volk  seine  Sonnenmonate 
mit  demselben  Datum  begonnen  haben  sollte  wie  der  Juliani- 
sche Kalender.  Und  sollte  sich  selbst  der  Julianische  Charakter 
des  altbabylonischen  Sonnenjahres  weginterpretiren  lassen,  so 
bleiben  doch  die  Monatsnamen  Theshrin  L  und  II.,  Känün  I. 
und  IL  stehen  als  ein  untrügliches  Merkmal  späterer  Er- 
findung. Es  ist  uns  nämlich  zum  Glück  der  ältere  syrische 
Kalender  der  Stadt  Heliopolis  erhalten  (siehe  Ideler,  Hand- 
buch der  Chronologie  I  S.  440),  in  welchem  bei  sonst  voll- 
ständiger Uebereinstimmung  an  der  Stelle  des  ersten  Theshrin 
ein  Ag,  an  der  des  ersten  Känün  ein  Gelön^)  erscheint.    Die  60 

1)  Dieser  Name  verhält  sich  zu  Eislew  genau  so  wie  Thorin  in 
demselben  Kalender  zu  Thishri,  und  ich  zweifle  nicht,  dass  die  Namen 
identisch  sind;  dann  verhalten  sich  der  jüdische,  der  Heliopolitische 


648  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

Yeränderang  des  Ag  in  einen  ersten  Theslirin  scheint  erst 
durch  den  Einfluss  des  jüdischen  Kalenders  veranlasst  worden 
zu  sein^);  gewiss  ist  diese  Neuerung  erst  in  der  hellenischen 
Zeit  vor  sich  gegangen. 

Dass  ein  Volk  ein  Sonnenjahr  und  ein  Mondjahr  zu 
Terschiedenen  Zwecken  nebeneinander  gebraucht,  ist  nichts 
unerhörtes;  dass  es  aber  die  sich  natürlich  fast  nie  deckenden 
Monate  der  beiden  concurrirenden  Jahresformen  mit  denselben 
Namen  benannt  haben  sollte ;  ist  geradezu  unmöglich:  so 
etwas  bei  den  alten  Chaldäem  voraussetzen,  die  doch  gewiss 
nicht  so  ohne  Grund  im  Rufe  grosser  Weisheit  gestanden 
haben,  heisst  sie  zu  den  confusesten  Köpfen  der  Welt  machen. 
Der  hirnverbrannte  Einfall  Qüthsämis  erklärt  sich  in  der  ein- 
fachsten Weise  von  der  Welt  daraus,  dass  derjenige,  welcher 
unter  dieser  Maske  schrieb,  die  zu  seiner  Zeit  in  Babylonien 
herrschenden  zwei  Jahresrechnungen,  das  jüdische  Mondjahr 
und  das  Sonnenjahr  der  syrischen  Christen,  deren  Monats- 
namen zu  zwei  Drittheilen  miteinander  identisch  sind ,  im 
Auge  hatte  und  beide  unbedenklich  den  alten  Babyloniern 
zuschrieb.  Nun  aber  war  den  Juden  das  Bewusstsein,  dass 
ihr  heiliges  Jahr  ursprünglich  mit  dem  Nisän  begonnen 
hatte,  nie  verloren  gegangen;  um  also  keinen  Anachronismus 
zu  begehen,  setzte  Pseudo - Qüthsämi  auch  bei  den  alten 
Babyloniern  den  religiösen  Jahresanfang  in  den  Nisän,  schob 
aber  daneben  auch  das  syrische  Neujahr  vom  1.  October  in 
die  Urzeit  hinauf. 

Aber  nicht  genug,  die  alten  Babylonier  sollen  auch  noch 

xmd  der  neue  syrische  Kalender  in  Bezug  anf  die  ersten  vier  Monate 
so  zn  einander: 

J.  H.  8, 

Thishri,  Ag,  Theshrin  L, 

Marheshwan,       Thorin  (Thishri),       Theshrin  II., 
Eislew,  Gelön  (Eislew),  Eänün  I., 

Tebeth,  Ghana  (E&nün),         Eänün  IL 

1)  Schwerer  ist  es  zn  erklären,  wamm  der  Gelön  in  einen  ersten 
E&nün  verändert  ward ;  ich  denke,  dass  eine  zwischen  Eislew  {XawUv) 
und  Gelön  in  der  Mitte  liegende  Form  E[alün  wegen  ihrer  leichten 
Verwechselung  mit  Efinün  den  Anlass  dazu  gegeben  hat. 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  649 

ein  drittes  Jahr  daneben  gehabt  haben^  das  mit  dem  Shobät 
(Februar)  schloss.  ;,Auf  Schebäth  als  letzten  Monat  —  sagt 
Chwolson^  lieber  Tammüz  S.  62  —  hätte  Ibn  Wahshijjah 
niemals  kommen  können ,  wenn  er  seine  Angaben  über  den 
Ursprung  der  Monatsnamen  nicht  in  einer  alten  Quelle 
gefunden  hätte^  welche  eine  eigenthümliche^  der  altrömischen 
ähnliche  Ealenderrechnung  hatte/'  Sehr  wahrl  also  waren 
die  alten  Römer  mit  ihrem  Kalender  die  Copisten  der  Baby- 
lonier?  Das  glaube  wer  da  will:  wir  können  einen  näheren  61 
Weg  nachweisen,  auf  dem  Ibn  Wahshijjah  zu  jener  kost- 
baren Kenntniss  gelangt  ist.  Die  byzantinischen  Chrono- 
graphen, darunter  auch  der  Syrer  Malala,  haben  noch  einige 
verworrene  Nachrichten  über  den  älteren  römischen  Kalender, 
in  welchem  das  Jahr  mit  dem  März  anfing,  erhalten.  Dass 
Ibn  Wahshijjah  aus  einer  solchen  Quelle  geschöpft,  ihre 
Angaben  nur  seinen  Zwecken  gemäss  verfälscht  hat,  macht 
die  innere  Aehnlichkeit  seiner  Erzählung  vom  Shobät  mit 
einer  albernen  Geschichte,  die  sich  bei  Malala  (YII  p.  233 — 
239  ed.  Oxon.)  über  den  Februar  findet,  höchst  wahrschein- 
lich. Februarius,  erzählt  dieser,  sei  der  Name  eines  Feindes 
des  Manlius  Capitolinus  (der  aber  nur  durch  eine  Ver- 
wechselung an  der  Stelle  des  Camillus  genannt  wird);  der- 
selbe habe  im  Senate  die  Verbannung  des  Manlius  durch- 
gesetzt. Als  nach  dem  Unglückstage  am  15.  Sextilis^)  Manlius 
zurückberufen  forden  war  und  die  Gallier  aus  Rom  ver- 
trieben hatte,  liess  er  den  Februarius,  der  nicht  bloss  sein 
Gegner,  sondern  auch  ein  schlechter  Mensch  und  ein  xivai- 
dog  war  —  Letzteres  erinnert  au  die  Impotenz  des  Shobät  — , 
aus  der  Stadt  hinauspeitschen  und  nannte  nach  ihm  den 
Unglücksmonat  Sextilis  Februarius,  uud  strafte  diesen  Monat 
auch  dadurch,  dass  er  seine  Tagzahl  verkürzte.  Später  habe 
Augustus  den  sechsten  Monat  vom  ersten  (also  vom  März 
an  gerechnet)  Augustus  genannt  und  den  Februar,  der  als 
Unglücksmonat  nicht  in  der  Mitte  bleiben  dürfte,  an  das  Ende 
des  Jahres  verwiesen. 

1)  Eine  VermenguDg  des  Dies  ÄUiensis  a.  d.  XV.  Kai.  SeztileB 
und  der  Lnpercalien  am  16.  Febniar. 


650  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

Inwiefern  nach  Chwolsons  oben  angeführter  Ansicht  die 
Unkenntniss  eines  Januar  -  Neujahrs  das  am  24.  December 
gefeierte  Geburtsfest  der  Sonne  in  einem  unschuldigeren 
Lichte  erscheinen  lassen  soll;  ist  nicht  abzusehen:  auch  der 
böswilligste  orientalische  Fälscher  hatte  zur  Erfindung  eines 
Januar  -  Neujahrs  keine  Veranlassung,  da  ein  solches  weder 
bei  den  Syrern^)  noch  bei  den  Byzantinern  im  Gebrauch 
war.  Dass  jener  Festtag  in  der  bedenklichsten  Weise  an 
yydas  am  24.  December^  in  Italien  gefeierte  Fest  Dies  natalis 
Solis  invicii"  erinnert,  hat  Chwolson  selbst  anerkannt,  scheint 
aber  darin  einen  Zufall  zu  sehen.  Was  jedoch  die  Sache 
Qüthsamis  zu  einer  verzweifelten  macht,  ist  seine  Angabe 
(bei  Chwolson,  Die  Ssabier  II  S.  911),  das  Sonnenfest  habe 
auch  den  Namen  „Das  Geburtsfest  der  Zeit^^  geführt.  Offenbar 
62  ist  dies  verunglückte  Uebersetzung  des  griechischen  Kpovia, 
d.  i.  Satumalia,  welches  ein  Orientale,  mit  dessen  Griechisch 
es  nicht  weit  her  war,  mit  Xgovia  verwechselte:  die  Satur- 
nalien gingen  dem  Natalis  Solis  invicti  unmittelbar  vorher. 
Die  Sache  wird  dadurch  nur  noch  verdächtiger,  dass  das  in 
der  späteren  Eaiserzeit  immer  mehr  in  Aufnahme  kommende 
Geburtsfest  des  unüberwindlichen  Sonnengottes  bekanntlich 
die  Ursache  geworden  ist,  dass  das  christliche  Weihnachten 
im  fünften  Jahrhundert  auf  den  25.  December  verlegt  ward. 
Die  Aehulichkeit  des  babylonischen  'Aid  miläd  el-shams  und 
des  christlichen  'Aid  el-milad  ist  so  frappant,  dass  sie  selbst 
einem  arabischen  Schreiber  Chwolsons  nicht  entgangen  ist, 
der  (wie  der  Letztere,  üeber  Tammüz  S.  107  erzählt)  es  sich 
nicht  nehmen  lassen  wollte,  dass  der  24.  Eänün  I.  in  den 
25.  Kunün  I.  zu  ändern  wäre.     Das  eine  der  beiden  Haupt- 

1)  Die  Behauptung  Chwolsons  (Ueber  Tammüz  S.  62),  die  Syrer 
hätten  später  ihr  Jahr,  wie  wir,  mit  dem  Januar  angefangen,  ist  voll- 
kommen grundlos;  auch  ist  an  den  Stellen,  auf  die  er  sich  dafür  beruft, 
bei  Ideler  so  wenig  wie  in  seinem  eigenen  Werke  über  die  Ssabier, 
eine  Spur  davon  zu  finden. 

2)  Dies  scheint  ein  Versehen  zu  sein:  der  Natalis  Solis  invicti 
fällt  auf  den  26.  December  (Preller,  Römische  Mythologie  S.  766  [ü 
S.  409  der  3.  Aufl.]).  Die  Aehnlichkeit  beider  Feste  ist  aber  auch  so 
noch  frappant  genug. 


UND  IHRE  GESCHWIbTEB.  651 

feste  der  christlichen  Kirche  fallt  also  bis  auf  einen  Tag  mit 
dem  einen  der  beiden  babylonischen  Hauptfeste  zusammen, 
während  der  Tag^  an  welchem  das  zweite  babylonische  Haupt- 
fest gefeiert  wird,  der  1.  Nisän  (April),  mitten  in  die  Grenzen 
fallt,  innerhalb  deren  das  zweite  christliche  Hauptfest,  Ostern, 
gehalten  werden  kann.  Darin  sehe  einen  Zufall,  wer  es  mit 
sich  verantworten  kann;  für  mich  ist  dieser  nach  allerhand 
occidentalischen,  nichts  weniger  als  alten  Vorbildern  gemodelte 
Kalender  ein  neuer  zwingender  Grund,  die  Nabatäische  Land- 
wirthschafi)  unter  das  fünfte  Jahrhundert  n.  Ch.  hinabzurücken. 

xin. 

Anspielungen  auf  das  Ghristenthum. 

Hiermit  ist  der  Nachdruck,  der  auf  den  monotheistischen 
Glauben  eines  Adami,  Anüha  und  anderer  ältester  babylo- 
nischer Weisen  gelegt  wird,  die  Uebereinstimmung  mit  jenen 
Männern,  die  Qüthsami  gern  durchschimmern  lässt,  in 
schönster  Harmonie.  Schon  Ewald  ([Göttinger  Nachrichten] 
1857  8. 158  f.)  hat  hervorgehoben,  dass  solche  Bemerkungen, 
wenn  sie  auch  nicht  nothwendig  das  schon  Bestehen  des 
Christenthums  oder  gar  des  Islams  voraussetzen,  doch  un- 
leugbar erst  seit  der  Ausbreitung  monotheistischer  Religio- 
nen ihre  volle  Bedeutung  haben.^) 

Was  soll  man  nun  aber  vollends  zu  der  Polemik 
Qüthsämis  gegen  gewisse  heidnische  Einsiedler  in  Babylonien 
sagen,  die  schwarze  wollene  Kleider  tragen,  ihr  Aeusseres 
verwildern  lassen,  niemals  in  die  Badestuben  gehen,  Nägel 
und  Haare  wachsen  lassen,  spärliche  ^robe  Kost  geniesseu, 
allen  Genüssen  der  Welt  entsagen  und  abgesondert  von  den  68 
Menschen   in  Wüsten   und  Haiden   leben?     Qüthsami    sagt, 

1)  Bezeichnend  in  dieser  Hinsicht  ist  namentlich  S.  158  die  den 
alten  Babyloniem  beigelegte  Ansicht,  „dass  die  Religionen  und  die 
Gesetze  nicht  für  ewige  Zeiten  bestimmt  seien  und  dass  sie  daher  von 
Zeit  zu  Zeit  durch  neue  religiöse  Anschauungen  und  Begriffe  und  durch 
neue  Institutionen  aufgehoben  und  ausser  Kraft  gesetzt  werden'*  — 
eine  Ansicht,  die  für  das  yierzehnte  Jahrhundert  v.  Ch.  noch  mehr 
Verdacht  als  Bewunderung  erregt. 


652  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

dass  sie  nur  an  den  beiden  grossten  Feiertagen^  am  Geburts- 
feste  der  Sonne  und  am  Neujahrsfeste^  die  Tempel  besuchten, 
und  dass  sie  vorgäben ,  mit  den  Göttern  in  Verbindung  zu 
stehen  und  durch  Vermittlung  der  Götterbilder  die  Zukunft 
zu  kennen.  Schon  Adam!  habe  sie  Feinde  ihrer  selbst, 
Anühä  Unglückselige  genannt,  Qüthsämi  selbst  lässt  sich 
ausführlich  und  in  den  ärgsten  Schmähungen  über  sie  ans 
(S.  112.  159).  Aus  dem  Buche  des  Thenkelöshä  (S.  156) 
erfahren  wir,  dass  diese  Anachoreten  Anhänger  des  Satnm- 
apostels  Azdahä  waren,  der  seine  asketische  Religion  durch 
nach  Osten  und  Westen  ausgesendete  Missionäre  yerbreitete; 
Thenkelöshä  fügt  sogar  hinzu  (S.  160),  dass  sie  Hals-  und 
Armbänder  mit  Todtenknochen  trugen,  um  durch  den  Anblick 
derselben  an  die  Todten  erinnert  zu  werden.  In  der  Schil- 
derung des  Thenkelöshä  kommt  übrigens  ein  ärgerlicher 
Anachronismus  vor,  indem  von  schwarzwollenen  Turbanen 
der  Jünger  Azdahäs  die  Rede  ist,  während  aus  Herodot  be- 
kannt ist,  dass  die  alten  Babylonier  keine  Turbane  trugen; 
Chwolson  hat  daher  versucht,  den  Turbanen  Mäntel  zu 
substituiren,  was  Prof.  Fleischer  in  den  Zusätzen  S.  189 
widerlegt  hat.  Man  braucht  nur  für  „heidnische  Einsiedler^ 
„christliche  Einsiedler",  für  „Götterbilder"  „Heiligenbilder" 
zu  substituiren  und  man  hat  eine  vollkommen  zutreffende 
Schüderung  des  Anachoretenwesens,  wie  es  sich  im  Orient 
gestaltete:  alle  einzelnen  Züge  treffen  zu,  die  härenen  Ge- 
wänder, das  Tragen  von  Todtengebeinen  (Reliquien),  die  Gabe 
der  Prophezeiung,  der  auf  die  beiden  christlichen  Hauptfeste, 
Weihnachten  und  Ostern,  beschränkte  Eirchenbesuch,  vor 
Allem  der  Schmutz  der  Mönche  und  ihre  Wasserscheu  —  ein 
Lieblingsthema  der  Neuplatoniker  des  fünften  und  sechsten 
Jahrhunderts.  Die  Schilderungen  Qüthsämis  erinnern  un- 
willkürlich an  die  erbaulichen  Auslassungen  des  Eunapios 
(Vit  Sophist,  p.  472  ed.  Didot.)  über  die  „sogenannten  Mönche, 
die  ihrer  Gestalt  nach  Menschen,  in  ihrer  Lebensart  aber 
Schweine  seien  und  vor  aller  Welt  unsäglich  viel  Schimpf- 
liches thäten  und  über  sich  ergehen  Hessen".  „Jeder  —  fügt 
Eunapios   hinzu  —  der   ein   schwarzes  Kleid  trägt  und  es 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  663 

über  sich  vermag^  öffentlich  in  einem  skandalösen  Aufzuge 
zu  erscheinen,  erlangt  tyrannische  Machtvollkommenheit/'  — 
—  —  ,;  Knochen  und  Schädel  von  Leuten ;  die  ihrer  vielen 
Missethaten  wegen  vom  strafenden  Arme  der  Gerechtigkeit 
ereilt  und  hingerichtet  worden  sind,  lesen  sie  zusammen, 
erklären  sie  für  Gotter,  wälzen  sich  vor  ihnen  im  Staube 
und  glauben  an  Verdienst  zuzunehmen,  wenn  sie  sich  durch 
die  Berührung  der  Gräber  verunreinigen/'  Der  Geist  in  diesen 
Schilderungen  ist  derselbe  feindselige  wie  bei  Qüthsami  und 
Thepkelöshä;  es  ist  doch  sehr  seltsam,  dass  der  Gegenstand 
ihres  Hasses  ein  ganz  verschiedener  sein  soUI  Doch  wir 
werden  ja  durch  Chwolson  wiederholt  daran  erinnert,  dass  64 
Alles  schon  einmal  dagewesen  ist,  und  zwar  im  alten  Babylon: 
also  warum  nicht  auch  Mönche?  Der  Stifter  der  asketischen 
Religion  heisst  Azdahä,  worin  wir  oben  das  neupersische 
aj'dahä,  Drache,  grosse  Schlange,  erkannt  haben:  wie  seltsam 
ist  es  doch,  dass  christliche  Sekten,  die  Ophiten  (deren  es 
noch  im  sechsten  Jahrhundert  gab)^),  Christus  o<pLs  nannten 
und  für  die  Schlange  erklärten,  welche  den  ersten  Menschen 
bewogen  hatte,  vom  Baume  der  Erkenntniss  zu  essen 
(Hippolyt.  Haeres.  V,  9  p.  119.  16  p.  133  [p.  170.  192  ed. 
Dunck.  et  Sehn.];  Irenaeus  adv.  haeres.  I,  30,  15;  Epiphan. 
Haeres.  XXXVII,  2.  3  p.270.  6  p.273  Petav.)*),  und  wie  selt- 
sam, dass  dieser  Beligionsstifter  Azdahä  wie  Christus  seine 
Lehre  durch  Apostel  verbreitet,  die  er  nach  Osten  und  Westen 
aussendet!  Wir  werden  weiter  unten  im  Buche  des  Thenke- 
loshä  noch  einer  zweiten  Spur  ophitischer  Lehren  begegnen. 
In  einer  nabatäischen  Geschichte  von  Thammüz  will 
Ibn  Wahshijjah  Folgendes  gelesen  haben:  „Tammüz  habe 
einen  Eonig  aufgefordert,  die  sieben  Planeten  und  die  zwölf 
Zeichen  des  Thierkreises  göttlich  zu  verehren;  dieser  Eonig 
habe  ihn  hingerichtet,  worauf  Tammüz  aber  am  Leben  blieb: 
dann  habe  jener  ihn  einigemal  hintereinander  schändlich 
hingerichtet,  wobei  Tammüz  aber  immer  am  Leben  blieb, 

1)  Vgl.  Cod.  Jostinian.  lib.  I  tit.  V  §  19. 

2)  Diese  Nachweisongen  verdanke  ich  meinem  Freunde  Professor 
LipsiuB. 


654  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAPT 

bis  er  endlich  starb"  (Chwolson,  Ueber  Tammüz  S.  57). 
Auch  ohne  die  ausdrückliche  Bemerkung  Ibn  Wahshijjahs, 
dass  das  vom  heiligen  Georg  Erzählte  mit  dem^  was  von 
Thammüz  berichtet  wird,  vollkommen  übereinstimme^  würde 
die  Identität  beider  Legenden  Jedem  auffallen.  Von  Greorg 
heisst  es  nämlich^  er  habe  einen  König  aufgefordert,  zum 
Christenthum  überzugehen,  und  sei  dafür  von  jenem  König 
dreimal  (oder  mehrere  Mal)  hintereinander  getödtet  worden, 
aber  immer  am  Leben  geblieben,  bis  er  zuletzt  dennoch  starb. 
Die  Hauptsache  aber  hat  Ibn  Wahshijjah  verschwiegen:  dass 
nämlich  der  Gegner  des  heiligen  Georg,  wie  der  des  Tammüz, 
ein  König  im  Euphrat-  und  Tigrisgebiete  (König  von  el- 
Mau9il)  ist,  und  dass  auch  ihn  der  König  zuletzt  verbrennen 
und  seine  Asche  in  den  Tigris  werfen  liess  (Massud!  S.  129 
bei  Sprenger).  Da  ein  derartiges  Abenteuer  doch  nicht  alle 
Tage  vorfällt,  noch  dazu  in  demselben  Lande  und  unter 
denselben  Umständen,  und  da  die  Geschichte  des  heiligen 
Georg  bei  den  Muhammedanern  eine  noch  viel  grössere  Rolle 
66  spielt  als  bei  den  Christen*),  so  gehört  viel  Gutmüthigkeit 
dazu,  dem  Ibn  Wahshijjah  hierin  auf  das  Wort  zu  glauben: 
die  angebliche  Parallele  dürfte  vielmehr  das  Original  der  von 
ihm  zum  Besten  gegebenen  Legende  vom  Thammüz  sein. 
Die  Möglichkeit,  ja  sogar  Wahrscheinlichkeit,  dass  St  Georg 
jener  eigenthümlichen  Stellung  wegen  als  ein  metamorpho- 
sirter  Gott  des  alten  Orients  anzusehen  ist,  soll  darum  nicht 
bestritten  werden:  dass  aber  die  christliche  Legende  nicht 
nur  den  Kern  der  heidnischen,  sondern  sogar  alle  weniger 
wesentlichen  Nebenumstände  festgehalten  haben  sollte,  wie 
es  nach  Ibn  Wahshijjahs  Enthüllungen  der  Fall  gewesen  sein 
müsste,  ist  nicht  recht  glaublich.*) 

1)  „So  —  lauten  Mas*üdi8  Worte  —  wird  die  Geschichte  berichtet 
von  den  Schriftgläubigen  (den  Christen)  und  in  den  Büchern  vom 
Anfange  und  vom  Leben  (Muhammads),  von  Wahb  ben  Monabbih  und 
anderen  VerfasBern.**    Auch  Tabarl  behandelt  im  dritten  Buche  seines 

Geschichtswerkes  die  Geschichte  des  Girgis  (vgl.  Rosen  in  der  Zeit- 
schrift der  deutschen  morgenländischen  Gesellschaft  II  S.  164). 

*)  [Vgl.  Gutschmids  Abhandlung  über   die  Sage   vom   heiligen 


UND  IBRE  GESCHWISTER.  655 

XIV. 

Neuplatonische  Reminiscenzen. 

Qüthsämi  betont  eS;  dass  sich  die  ältesten  babylonischen 

Weisen,  ein  Mäsi^  ein  Gernanä;  ein  Janbüshäd,  gegen  Thier- 
opfer  ausgesprochen  hätten  (S.  57);  und  Thenkelosha  führt 
das  Verbot,  lebende  Wesen  zu  opfern,  auf  die  von  Sharmidä 
gepredigte  Jupiterreligion  zurück  (S.  160).  Die  Verwerfung 
der  Thieropfer  gehört  wiederum  zu  den  Hauptsätzen  des 
geläuterten  Heidenthums,  wie  es  die  Neuplatoniker  predigen: 
Porphyrios  hat  ein  eigenes  Werk  geschrieben,  um  nach- 
zuweisen, dass  das  Todten  der  Thiere  ein  Missbrauch  jüngerer 
Zeiten  sei  Wir  sehen  also,  dass  Alles  schon  einmal  da- 
gewesen ist.  —  Qüthsämi  erwähnt  einen  babylonischen  „Tempel 
der  vernänftigen  Gestalten"  (Chwolson,  Die  Ssabier  II  S.  913). 
Chwolson  sagt,  man  sähe  daraus,  dass  es  in  Babylon  wirklich 
Tempel  solcher  abstracten  Wesen  gab,  wie  die  von  Mas'üdi, 
Dimeshqi  und  Anderen  erwähnten  „Tempel  der  Vernunft'^, 
„der  Weltordnung"  und  dergleichen  andere;  man  sähe  ferner, 
dass  diese  Tempel  nicht  (wie  er  selbst  früher  vermuthet 
hatte)  Ausgeburten  eines  Harranischen  Neuplatonikers  sind: 
welche  Folgerungen  man  aus  dieser  Thatsache  hinsichtlich 
des  Ursprungs  und  des  Alters  gewisser  neuplatonischer  Lehren 
ziehen  könne,  will  er  einstweilen  unerörtert  lassen.  Wer  ge- 
schichtlichen Sinn  hat  und  nicht  gesonnen  ist,  den-Ent- 
wickelungsgang  philosophischer  Jdeen  auf  den  Kopf  stellen 
zu  lassen,  wird  vielmehr  darauf  sehen,  welche  Folgerungen 
man  aus  der  Erwähnung  eines  Tempels  der  vernünftigen 
Gestalten  hinsichtlich  des  Ursprungs  und  des  Alters  der 
Nabatäischen  Landwirthschaft  ziehen  nicht  kann,  sondern 
muss:  die  Antwort  wird  dahin  ausfallen,  dass  die  Zeit,  in 
der  sie  entstand,  von  der  Zeit,  in  welcher  die  neuplatonischep 
Harranier  floriren,  also  vom  neunten  Jahrhundert,  schwerlich 
sehr  auseinanderliegen  wird.  —  In  der  Nabatäischen  Land- 


Georg   in  den  Berichten  der  königlich  Bächsischen  GesellBchaft  der 
Wissenschaften  1861  S.  175  ff.    F.  B.] 


656  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAPT 

wirthschaft  werden  drei  tagliche  Gebete  erwähnt^  wie  bei 
den  Sabiem,  und  das  zweite  Gebet  wurde  von  den  Babyloniem 
zu  derselben  Tageszeit  wie  bei  den  Sabiern  verrichtet  (Chwolson, 
Die  Ssabier  II  S.  912).  Die  Sabier  haben  diesen  Gebrauch 
66  vermuthlich  von  den  Neuplatonikern  angenommen;  wenigstens 
empfiehlt  lulian.  Fragm.  p.  302  A  drei  Gebete  täglich  (vgl. 
die  Nachweise  bei  Chwolson ,  Die  Ssabier  II  S.  63  flF.).  Von 
den  Berührungen  der  Nabatäischen  Landwirthschaft  mit  den 
Neuplatonikern,  speciell  den  sabischen,  habe  ich  ein  paar 
Beispiele  gegeben,  die  sich  mir  gerade  darboten;  ich  zweifle 
aber  nicht,  dass,  wer  beim  Durchlesen  von  Chwolsons  Mit- 
theilungen darauf  sein  Augenmerk  richtet,  die  Verwandtschaft 
beider  Quellen  in  viel  umfassenderer  Weise  zu  belegen  im 
Stande  sein  wird:  der  Gesichtskreis  des  Qüthsämi  und  der 
der  späteren  Neuplatoniker  ist  ganz  derselbe. 

XV. 

Moderner  Charakter  des  nabatäischen  Schriftthums. 

Ein  Verdachtsgrund  allgemeinerer  Natur,  der  aber  darum 
nicht  minder  schwer  wiegt,  als  die  speciellen,  welche  wir 
bereits  geltend  gemacht  haben,  ist  der  erstaunlich  moderne 
Charakter,  welchen  Alles  trägt,  was  bisher  von  der  Naba- 
täischen Landwirthschaft  und  den  verwandten  Schriften  be- 
kannt geworden  ist.  Ueber  den  Hauptinhalt  jener  sagt  Meyer, 
Geschichte  der  Botanik  III  S.  52:  „Es  ist  ein  System  der 
Baumzucht  und  des  Ackerbaues,  errichtet  auf  physikalischer 
Grundlage,  ausgehend  von  allgemeinen  Principien,  allmählich 
fortschreitend  bis  in  das  feinste  Detail  der  Behandlung  jeder 
besonderen  Culturpflanze  und  ihrer  Benutzung."  Der  Geist, 
der  in  den  Schriften  weht,  ist  einerseits  der  entschiedenste 
Rationalismus,  der  sich  in  einer  feindseligen  Haltung  gegen 
die  anerkannten  Religionen  manifestirt,  andererseits  ein  ebenso 
ausgesprochener  Hang  zu  allem  möglichen  Aberglauben.  Es 
ist  dies  ganz  und  gar  die  Richtang  des  untergehenden  Heiden- 
thums,  namentlich  in  seinen  letzten  orientalischen  Ausläuferni 
Um  diese  anstossige  Aehnlichkeit  in  einem  harmloseren  Lichte 


UND  lERE  GESCHWISTER.  657 

erscheinen  zu  lassen  ^  hat  Chwolson  sich  eine  förmliche  ge- 
schichtsphilosophische  Theorie  zurechtgelegt ,  die  er  im  Ein- 
gange S.  3fif.  entwickelt  und  dann  bei  den  zahlreich  sich 
bietenden  Anlässen  wieder  vorbringt:  jedes  Volk  wachse^ 
blühe^  sterbe  ab^  nachdem  es  in  seiner  geistigen  Entwickelung 
es  je  nach  seinen  Fähigkeiten  zu  einem  grösseren  oder  ge- 
ringeren Grade  von  Vollkommenheit  gebracht  habe;  dann 
fange  ein  anderes  Volk  genau  denselben  Entwickelungsprozess 
wieder  von  vorn  an,  ohne  von  der  untergegangenen  Cultur 
des  vorangehenden  Volkes  mehr  als  höchstens  einzelne 
Bausteine  sich  anzueignen,  bringe  es  dann  seinerseits  wieder 
zu  einer  gewissen  Stufe  der  Vollendung,  und  so  fort:  was 
uns  also  in  dem  nabatäischen  Schriftthum  modern  scheine, 
sei  nur  modern  im  Vergleich  zu  einer  vorausgegangenen 
jahrtausendelangen  babylonischen  Entwickelung,  aber  immer 
noch  alt  im  Vergleich  zu  der  ganz  jungen  hellenischen  Ent-  67 
Wickelung.  Wenn  z.  B.  —  sagt  Chwolson  —  die  ganze  grie- 
chische Cultur  für  uns  verloren  wäre  und  jetzt  die  araJbischen 
Uebersetzungen  eines  Piaton,  Aristoteles,  Hippokrates,  Galenos 
und  Anderer  wieder  aufgefunden  würden,  so  würde  man  diese 
vielleicht  wegen  der  aus  ihnen  hervorleuchtenden  hohen 
BUdungsstufe  der  Griechen,  verglichen  mit  der  Bohheit 
unseres  Mittelalters,  für  untergeschobene  Machwerke  erklären: 
ganz  derselbe  Fall  aber  sei  es  mit  den  von  Ibn  Wah- 
shijjah  producirten  nabatäischen  Schriftwerken.  Statt  mich 
in  eine  unfruchtbare  Erörterung  einzulassen,  ob  Chwolsons 
Behauptungen  übertrieben  sind  oder  nicht,  das  gewählte 
Beispiel  schief  ist  oder  nicht,  verweise  ich  einfach  auf  die 
erhaltenen  Ueberbleibsel  altsemitischer  Wissenschaft.  Machen 
die  Schriften  eines  Volks,  dessen  Entwickelung,  gleich  der 
babylonischen,  der  griechischen  um  ein  Jahrtausend  voraus- 
geht, nämlich  des  israelitischen,  machen,  frage  ich,  auch  die 
spätesten,  in  der  Zeit  des  ausgesprochensten  VerfaUs  yer- 
fassten  Schriften  des  alten  Testaments  dem  griechischen 
Schriftthum  gegenüber  einen  modernen  oder  nicht  vielmehr 
einen  sehr  alterthümlichen  Eindruck?  Doch  wir  haben  einen 
noch  viel  näher  liegenden  Massstab.    Aus  \^elcher  von  beiden 

y.  6T7T8CHKID,  Kleine  Schriften.  II.  42 


658  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAPT 

Quellen  weht  uns  ein  frischerer,  urwüchsigerer  Hauch  ent- 
gegeU;  aus  den  Bruchstücken  des  Berossos  mit  ihrer  mythischen 
Naturgeschichte,  ihrer  Eosmogonie,  ihren  Erzählungen  vom 
Ursprünge  der  heiligen  Schriften  durch  den  Fischmenschen 
Oannes,  von  den  zehn  ältesten  Yölkerhirten,  von  der  Sint- 
fluth  unter  Xisuthros,  in  diesen,  frage  ich,  oder  in  den  an- 
gelblich  1100  Jahre  und  mehr  vor  Berossos  yerfassten  Büchern 
Qütbsämis  und  seines  Gleichen  mit  ihren  überaus  tugend- 
haften, überaus  aufgeklärten  und  überaus  schreibseligen  prä- 
adamitischen  Stubengelehrten,  mit  ihrem  wegen  der  von 
Obscuranten  erlittenen  Verfolgungen  heilig  gesprochenen  und 
den  Gebeten  der  Rechtgläubigen  einverleibten  babylonischen 
Voltaire  Janbüshäd,  mit  ihrem  zu  Noahs  Zeit  üppig  florirenden 
Literatengezänk,  und  anderen  raren  Dingen?  Es  gehört  Muth 
dazu,  diese  Frage  zu  Qüthsämis  Gunsten  zu  beantworten. 
Und  nun  halte  man  einmal  dessen  Angaben  neben  die  sabi- 
schen  Nachrichten,  die  uns  durch  Chwolsons  Bemühungen 
zugänglich  gemacht  worden  sind:  sind  sie  einander  nicht  so 
täuschend  ähnlich,  dass  jeder  mit  den  historischen  Voraus- 
setzungen der  Nabatäischen  Landwirthschaft  Unbekannte  ge- 
neigt sein  würde,  sie  einem  in  Bagdad  lebenden  Sabier  zu- 
zuschreiben? Dieses  von  des  Gedankens  Blässe  in  hohem 
Grade  angekränkelte  sabische  Heidenthum  erinnert  mich 
immer  lebhaft  an  das  Heidenthum  des  Pomponius  Laetus; 
und  mit  dem  Deismus  der  nabatäischen  Rationalisten  ist  es 
ganz  derselbe  Fall. 

68  XVI. 

Der  kosmopolitische  Gelehrtenverkehr. 

Angenommen  aber  selbst  einmal,  die  babylonische  Lite- 
ratur des  vierzehnten  Jahrhunderts  v.  Gh.  dürfte  mit  der 
griechischen  des  vierten  n.  Gh.  auf  eine  Linie  gestellt  werden, 
ein  Stein  des  Anstosses  bleibt  übrig,  der  schon  allein  ge- 
nügen würde,  Qüthsämi  und  Genossen  zu  Falle  zu  bringen: 
es  ist  der  schon  in  uralten  Zeiten  vorausgesetzte,  alle  sprach- 
lichen und  staatlichen  Grenzen  kühn  überspringende  Ge- 
lehrtenverkehr.   ,^Die  lebendige  geistige  Verbindung  der  ver- 


UND  IHEE  GESCHWISTER.  659 

schiedensten  Volker  —  sind  Ghwolsons  eigene  Worte  S.  5  — 
und  der  beständige  Ideenaustauch  der  Nationen^  wie  es  in 
der  neueren  Zeit  geschieht,  fand  im  Alterthum  überhaupt, 
besonders  aber  vor  Alexander  dem  Makedonier,  in  einem 
sehr  geringen  Grade  statt/'  Es  bedarf  nicht  erst  der  Er- 
wähniu^,  dass  dieser  Satz  ebenso  unumstösslich,  wie  zur 
Aufrechterhaltung  von  Ghwolsons  oben  erwähnter  Theorie 
nothwendig  ist.  Wie  reimt  sich  dazu  der  wunderbar  lebhafte 
Verkehr  chaldäischer,  kanaanäischer,  syrischer  Gelehrter  der 
Urzeit,  die  Bekanntschaft  der  alten  Chaldäer  mit  persischen, 
indischen,  ägyptischen,  ja  selbst  griechischen  Lehren  (vgl. 
namentlich  S.  90)?  und  dieser  Verkehr  soll  nicht  etwa  erst 
durch  die  von  Nimrod  datirende  politische  Verbindung  Baby- 
loniens  mit  Kanaan  hervorgerufen  sein:  schon  Mäsi  der  Suraner, 
der  nach  Ghwolsons  kühnen  Reductionen  um  2500  v.  Gh. 
blühte,  hatte  einen  Prioritätsstreit  mit  Tämithsri  dem  Eanaa- 
näer^),  und  veröffentlichte  eine  Streitschrift  gegen  ihn,  in  der 
er  auch  für  die  damaligen  ionischen  Gelehrten  einige  Grob- 
heiten einfliessen  Hess  (S.  90).  Und  lange  vor  Mäsi  hatte 
schon  Dewänäi  eine  Streitschrift  an  den  Syrer  Mardäjäd  ge- 
richtet (S.  91).  Hier  sind  Wechselbeziehungen  zwischen  den 
Schriftstellern  verschiedener  Völker  vorausgesetzt,  etwa  wie 
sie  zur  Zeit  des  Ghalifats  zwischen  arabischen  und  neu- 
persischen Gelehrten  bestanden.  Was  aber  der  Universalität 
der  alten  babylonischen  Literatur  die  Krone  aufsetzt,  ist  der 
Besitz  allgemeiner  Weltgeschichten  (S.  68).  Nun  wohl,  die 
Fiction  eines  kosmopolitischen  literarischen  Verkehrs  ist  er- 
wiesenermassen  ein  Lieblingsthema  gelehrter  Betrüger:  daher 
die  zahlreichen  Gelehrten  aus  aller  Herren  Ländern,  die  sa- 
pientissimi  Gothorum  philosophi,  u.  s.  w.,  die  sich  beim  Kos- 
mographen  von  Bavenna  herumtummeln,  daher  die  skythischen. 


1)  Dem  Tämithsri  und  seinen  ebenso  alten  Landsleuten  Anfth& 
nnd  Qardäjä.  könnte  man  versucht  sein  in  der  Person  des  Eanaanäers 
Arud,  welchen  Abü'lfarag  im  Ghron.  Syr.  p.  10;  Eist,  dynast.  p.  19 
citirt,  einen  Collegen  zu  geben;  doch  macht  der  Inhalt  des  Fragments 
(über  die  Zeit,  in  der  Hiob  gelehrt  habe)  es  wahrscheinlicher,  dass  es 
ein  aus  Palästina  gebürtiger  späterer  syrischer  Chronograph  gewesen  ist. 

•42* 


660  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

69  griechischen,  indischen  und  anderen  Antoritaten,  mit  denen 
der  angebliche  Aethicus  (der  überhaupt  merkwürdig  oft  an 
unseren  Qüthsami  erinnert)  disputirt  haben  will.  Sehr  natür- 
lich! in  Zeiten  einreissender  Unwissenheit  sind  die  wenigen 
Gelehrten  von  Profession  von  einem  Hochmuthe  besessen, 
der  zu  ihrem  Wissen  in  keinem  Verhältnisse  steht^  und  nur 
zu  geneigt,  diesen  Mangel  durch  falschen  Schein  ersetzend, 
mit  erlogenen  Autoritäten  zu  imponiren:  und  begreiflicher- 
weise sagt  hierbei  nichts  ihrer  Eitelkeit  mehr  zu,  als  die 
Voraussetzung  einer  über  alltägliche  Hemmnisse  erhabenen 
Gelehrtenrepublik.  Wir  finden  dies  bei  den  letzten  Ausläufern 
der  altrömischen  Literatur  im  sechsten  und  siebenten  Jahr- 
hundert; beim  Untergänge  der  altorientalischen  Cultur  nach 
dem  Aufkommen  des  Islams  wird  es  an  ähnlichen  Symptomen 
nicht  gefehlt  haben:  schon  die  kosmopolitischen  Autoritäten 
Hermes,  Agathodämon,  Asklepios,  auf  welche  die  Sabier  sich 
berufen,  lassen  dies  ahnen. 

XVII, 

Ein  Gedächtnissfehler  Qüthsämis. 

Mit  den  Entlastungsbeweisen,  die  Ghwolson  fOr  Qüthsami 
anführt,  sieht  es  höchst  misslich  aus.  Freilich,  so  lange  man 
festhält,  dass  derselbe  wirklich  unter  einer  kanaanäischen 
Dynastie  schrieb,  und  nur  dagegen  polemisirt,  dass  diese 
Dynastie  nicht  in  eine  jüngere  Zeit  herabgerückt  werden 
dürfe,  als  es  geschehen,  hat  man  gewonnenes  Spiel:  aber 
gegen  den  Nachweis,  dass  ein  Betrüger  aus  spätester  Zeit 
unter  dem  Namen  von  Qüthsami  und  Consorten  schrieb  und 
dabei  die  Fiction  aufrecht  erhielt,  dass  diese  bald  nach 
Abraham  und  noch  früher  gelebt  hätten,  fallen  alle  Argumente 
in  Nichts  zusammen.  Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  die  Ana- 
chronismen, welche  wir  einem  derartigen  Fälscher  nachzuweisen 
im  Stande  sind,  in  der  Hauptsache  nur  indirecte  sein  können, 
d.  h.  dass  Kenntnisse,  Ansichten,  politische  Verhältnisse  seiner 
Zeit  von  ihm  in  eine  Zeit  versetzt  werden,  welche  jene  Kennt- 
nisse, Ansichten,  Zustände  noch  nicht  hatte.  Doch  ist  wirklich 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  661 

eine  Stelle  da^  in  welcher  der  Fälscher  seinen  sonstigen 
Voraussetzungen  direct  widerspricht  und  die  sich  gar  nicht 
anders  erklären  lässt,  als  dass  er  hier  einmal  aus  der  Bolle 
gefallen  ist.  S.  64  erzählt  nämlich  der  vermeintliche  Qüth- 
sämi,  ein  nach  Babylonien  gekommener  Eanaanäer  habe  ihm 
mitgetheilt;  dass  die  Eanaanäer  zu  ihrer  Zeit  die  Kirsche 
so  und  so  zuzurichten  pflegten.  Chwolson  folgert  daraus^ 
dass  die  Eanaanäer  zur  Zeit  Qtthsämis  nicht  mehr  die 
alleinigen  Besitzer  von  Eanaan  gewesen  seien,  Qüthsämi 
demnach  nach  der  israelitischen  Occupation  dieses  Landes 
gelebt  haben  müsse.  Allein  erstens  wird  jeder  Unbefangene 
zugeben,  dass  die  Fassung  jener  Worte  nicht  einen  ge- 
schmälerten Besitz,  sondern  einen  völligen  Untergang  der 
kanaanäischen  Cultur  voraussetzt,  also  auf  eine  Zeit  hinweist,  70 
die  mindestens  viel  später  ist  als  der  Sturz  des  Jabin  von 
Hazor.  Sodann  will  Qüthsämi  bald  nach  Abraham  schreiben 
—  und  wie  grundlos  die  Annahme  ist,  er  sei  von  dem 
Abraham  der  Bibel  verschieden,  ist  oben  gezeigt  worden; 
zwischen  diesem  und  Josua  liegen  aber,  wollte  man  selbst 
(wozu  kein  Grund  vorliegt)  die  biblischen  Zahlen  für  diesen 
Zeitraum  ganz  preisgeben,  doch  sieben  Generationen,  also 
mehr  als  200  Jahre:  somit  kann  Qüthsämi  weder  den  Einfall 
Josuas  und  noch  viel  weniger  den  170  Jahre  späteren  Sturz 
des  Reiches  Hazor  erlebt  haben.  Gestehen  wir  es  ehrlich 
zu:  es  liegt  ein  verrätherischer  Gedächtnissfehler  vor,  der 
den  alten  Satz  bestätigt,  dass  ein  Lügner  ein  gutes  Gedächt- 
nisB  haben  muss. 

XVIII. 
Der  Werth  der  historischen  Reticenzen. 

Um  nun  auf  die  soeben  berührten  Argumente  Ghwolsons 
zu  kommen,,  so  haben  wir  gesehen,  wie  es  um  die  angebliche 
Unbekanntschaft  Qüthsämis  mit  dem  Christenthume  steht. 
Das  Judenthum  nicht  bloss,  sondern  auch  der  Islam  ist  ihm 
so  wenig  etwas  Fremdes,  dass  vielmehr  die  eigentlichen 
Träger  seines  Buches  lauter  Figuren  der  rabbinischen  und 
koranischen  Tradition  sind.    Eine  directe  Erwähnung  mos- 


662  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

lemischer  Dinge  kann  man  yemünftiger%eise  nicht  erwarten; 
wohl  aber  verräth  sich  ein  Araber  als  Verfasser  durch  Be- 
rührung von  Sachen,  die  dem  Araber  geläufig  waren,  die 
aber  ein  Nichtaraber  nicht  wissen  konnte.  Mehreres  der  Art 
(z.  B.  das  Sprichwort  vom  jemenischen  Zauberer)  haben  wir 
schon  anzuführen  Gelegenheit  gehabt;  zwei  recht  eclatante 
Fälle  seien  hier  nachgetragen. 

Während  der  vierjährigen  Regierung  des  „vierfach  Un- 
glückseligen" wurde,  wie  Qüthsämi  (S.  46)  berichtet,  Baby- 
lonieii  von  der  schrecklichen  Invasion  eines  mächtigen  Königs 
aus  Jemen  heimgesucht,  der  unter  Anderem  auch  die  Aus- 
lieferung des  grossen  goldenen,  mit  Perlen  behangenen  Götzen- 
bildes der  Sonne  verlangte.  Dies  erhält  durch  die  Annalen 
des  Reiches  Himjar  —  die  schlechtest  bezeugten,  dir  mir 
vorgekommen  sind  —  eine  sehr  zweideutige  Bestätigung. 
Nach  Hamzah  Buch  VIII  S.  125  (ed.  Gottwaldt)  zog  der 
jemenische  Eonig  Hareths  al-Räish  nach  Indien  und  vertrieb 
die  Türken  aus  Adserbaigän ;  nach  demselben  Historiker 
(ebenda  S.  127)  zog  ein  späterer  Eonig  Shamir  gen  Osten, 
eroberte  Choräsän  und  kam  bis  Samarkand,  welches  von  ihm 
den  Namen  haben  soll,  bis  endlich  Rusthem  ihn  todtete. 
Auf  einem  in  Samarkand  von  Shamir  erbauten  Palaste  soll 
eine  himjaritische  Inschrift  gefunden  worden  sein,  die  mit 
den  Worten  anhob:  „Im  Namen  Gottes.  Dies  Gebäude  er- 
baute Shamir  dem  Herren,  der  Sonne.^'  Hier  haben  wir  den 
Commentar  dazu,  warum  der  jemenische  Eönig  sich  von 
71  seinem  vierfach  unglückseligen  Gegner  gerade  das  Sonnen- 
bild ausliefern  lässt«  Mas'üdi  (S.  362  f.  bei  Sprenger)  führt 
die  Himjariten  sogar  bis  nach  Tübet,  welches  von  der  An- 
siedelung (thsobbith)  der  Himjariten  den  Namen  erhalten 
habe:  in  alten  Zeiten  hätten  die  Eönige  dieses  Landes  den 
Titel  Thobba'  geführt,  in  Nachahmung  des  jemenischen 
Eönigstitels ,  und  erst  nach  dem  Untergange  der  himjari- 
tischen  Sprache  in  jenen  Gegenden  seien  sie  Chäqän  genannt 
worden.  Von  Eroberungszügen  jemenischer  Eönige  in  das 
innere  Asien  weiss  ausser  arabischen  Historikern  Niemand 
zu  berichten;  sie  müssen  aus  zwei  Gründen  als  leere  Fabeln 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  663 

angesehen  werden:  1)  weil  eine  mächtige  Dynastie  in  Jemen 
ein  natürliches  Feld  für  ihre  Eroberungen  im  He^az  und  in 
den  gegenüberliegenden  Ländern  von  Afrika  findet,  nicht 
aber  in  den  Enphratländern  oder  gar  in  Iran:  um  diese 
Länder  zu  erreichen,  wäre  ein  Marsch  quer  durch  das  wüste 
Arabien  nothig;  2)  weil  die  Erzählungen  von  jenen  himja- 
ritischen  Eroberungen  auf  das  Innigste  mit  der  anerkannter- 
massen  ungeschichtlichen  persischen  Heldensage  verwebt  sind 
und  diese  voraussetzen :  was  speciell  die  Eroberungen  Königs 
Shamir  betrifft,  so  schreiben  sich  diese  eingeständlich  aus 
der  von  falschem  Patriotismus  eingegebenen  Identificirung 
Shamirs  mit  dem  koranischen  Dsü'lqarnain  her  —  eine  Iden- 
tificirung, welche  die  Uebertragung  der  Thaten  Alexanders 
auf  den  jemenischen  König  zur  Folge  hatte,  die  man  durch 
eine,,  abgeschmackte  Etymologie  des  Namens  Samarkand  und 
die  vermeintliche  Identität  des  Titels  der  Könige  von  Tübet 
und  der  himjaritischen  Thobbas  ^)  zu  stützen  suchte.  Augen- 
scheinlich haben  die  Südaraber  in  Folge  der  steten  zwischen 
ihnen  und  den  Nordarabern  herrschenden  Eifersucht  diese 
Eroberungszüge  ihrer  alten  Könige  erdichtet,  um  in  diesen 
ein  den  Ueberhebungen  der  Nordaraber  gegenüber  brauch- 
bares Seitenstück  zu  den  historischen  Eroberungszügen  der 
Letzteren  zu  besitzen.  In  dem  Gitate  Mas'üdis  aus  dem  Ge- 
dichte des  Di'bil  ben'Ali  el-Chozai  ist  dies  bestimmt  genug 
angedeutet.  Was  hieraus  für  die  Anthenticität  der  von  diesen 
jemenischen  Fabeleien  abhängigen  Erzählung  Qüthsämis  folgt, 
wird  Jeder  sich  selbst  sagen. 

An  einer  von  Chwolson,  üeber  Tammüz  S.  51  f.  mit- 
getheilten  Stelle  der  Nabatäischen  Landwirthschaft  wird  er- 
zählt, Nesrä,  das  Götterbild  von  Thehämah,   habe  bei  der 


1)  Ganz  auB  der  Luft  gegriffen  ist  die  Sache  nicht:  nach  Deguignes, 
Geschichte  der  Hannen  V  S.  208  (übersetzt  von  Dähnert)  hiess  bei  dem 
tübetanischen  Volke  der  Si-Hia  der  herrschende  Stamm  Topa,  und 
dieser  Name  bedeutete  in  Tübet  wahrscheinlich  soviel  als  Typa,  d.  i. 
Regent  des  Landes:  die  Topas  der  Si-Hia,  deren  Dynastie  im  Jahre 
881  n.  Ch.  gestiftet  ward,  sind  später  unter  dem  Namen  der  Chäqäne 
von  Tangut  bekannt. 


664  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

Todtenklage  aller  Götter  um  Tammüz  so  geweint^  dass  seit- 
72  dem  seine  Augen  in  alle  Ewigkeit  thränten  und  flössen: 
dieser  Nesrä  sei  der  Gott,  der  den  Arabern  die  Wahrsage- 
kunst eingegeben  habe.  Diese  Notiz  würde  bei  einem  Er- 
klärer der  Stelle  des  Koran ,  wo  Nesr  unter  anderen  Götzen 
der  alten  heidnischen  Araber  erwähnt  wird  (Sure  71  S.  505); 
nicht  auffallen,  im  Munde  des  vierzehn  Jahrhunderte  vor 
Christi  Geburt  schreibenden  Qüthsami  nimmt  sie  sich  sehr 
wunderlich  aus.  Doch,  wer  sie  verfasste,  war  ja  ganz  sicher, 
keinen  Anachronismus  zu  begehen:  versetzt  doch  Muhammed 
selbst  an  der  angeführten  Stelle  den  Gultus  des  Nesr  in 
Noahs  Zeit! 

Ghwolson  betont  femer  die  Nichterwähnung  der  Arsa- 
kiden,  der  Seleukiden,  ja  selbst  der  Achämeniden.  Dafür 
giebt  es  eine  sehr  einfache  Erklärung:  jene  drei  Dynastien 
sind  der  grossen  Menge  der  Araber  so  gut  wie  unbekannt 
geblieben.  Von  den  Seleukiden  wissen  sie  buchstäblich  gar 
nichts;  die  Geschichte  der  Aschganier,  deren  Existenz  sie 
aus  persischen  Quellen  kennen  lernten,  besteht  in  einem 
verstümmelten  Namen verzeichniss,  von  den  ganzen  früheren 
asiatischen  Erinnerungen  sind  ihnen  vier  Namen  geblieben, 
welche  im  Chodai-Nämeh  unmittelbar  an  den  letzten  der  im 
Zendavesta  erwähnten  Könige  angeknüpft  waren:  Hom^ 
oder,  wie  sie  in  den  älteren  Quellen  heisst,  Chomäni,  unter 
welcher  ich  die  Göttin  von  Komana  vermuthe,  da  sie  aus- 
drücklich mit  Samirän,  der  assyrischen  Königsgöttin  Semira* 
mis,  identificirt  wird,  ferner  Därä  der  Grosse,  nach  den 
spärlichen  Nachrichten  über  ihn  zu  urtheilen  Dareios,  Sohn 
des  Hystaspes,  endlich  Därä  der  Kleine  und  Iskander, 
die  den  späteren  Orientalen  aus  dem  Alexanderromane  be- 
kannt waren.  Ein  Nabatäer  also,  der  unter  arabischer 
Herrschaft  schrieb  und  seine  Geistesproducte  in  die  Zeit 
bald  nach  Nimrod  und  Abraham  versetzen  wollte,  erfreute 
sich  hinsichtlich  der  Vermeidung  geschichtlicher  Anachronis- 
men eines  Gefühles  von  Sicherheit,  um  das  ihn  ein  griechischer 
Fälscher  beneidet  haben  würde. 

Aber  —  macht  Ghwolson  S,  42  geltend  —  nirgends  ist 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  665 

Ton  den  grossartigen  Wasserbauten  Nebukadnezars  die  Rede^ 
was  doch  jedenfalls  sehr  auffallend  wäre,  wenn  Qüthsämi 
nach  jenem  Konige  geschrieben  hätte.  Es  giebt  auch  hier 
die  näher  liegende  Erklärung,  dass  der  angebliche  Qüthsämi 
von  jenen  Werken  Nebukadnezars  nichts  wusste:  in  der  That 
kennen  die  Araber  ihren  6uchthna9r  nur  aus  der  Bibel,  in 
der  Bibel  aber  steht  nichts  von  seinen  Canalanlagen.  Wenn 
endlich  Babylon  und  Ninive  in  den  von  Ibn  Wahshijjah  ans 
Licht  gezogenen  Schriften  als  bestehend  vorausgesetzt  sind, 
so  ist  dies  nichts  Besonderes,  es  war  durch  die  angenommene 
Maske  bedingt:  die  einstmalige  Existenz  der  betreffenden 
Städte  war  den  Arabern  durch  die  biblischen  Nachrichten 
bekannt  genug. 

XIX.  73 

Der  Widerspruch  des  Berossos. 

Ein  sehr  bedenklicher  Umstand  ist  es,  dass  zwischen 
den  nabatäischen  Autoren  und  der  zuverlässigsten  und  reich- 
lichsten babylonischen  Geschichtsquelle,  den  Auszügen  des 
Berossos,  auch  nicht  die  leiseste  Berührung  stattfindet  und, 
wo  die  Nachrichten  beider  sich  vergleichen  lassen,  die  Naba- 
täer  von  Berossos  fortwährend  in  eclatanter  Weise  Lügen 
gestraft  werden.  Berossos  erkennt  keine  kanaanäische  Dy- 
*  nastie  in  Babylon  an,  er  weiss  von  einem  Aloros,  aber  nicht 
von  einem  Adami,  von  einem  Xisuthros,  aber  nicht  von 
einem  Anühä;  er  weiss  so  gut  wie  die  Genesis  von  einer 
Sintfluth  zu  erzählen:  und  gerade  diese  Hebräern  und  Baby- 
loniem  gemeinsame  altsemitische  Erinnerung  erkennt  Qüth- 
sämi nicht  an.  Berossos  sieht  die  heiligen  Schrifken  des 
Fischmenschen  Oannes  und  seiner  Nachfolger,  der  Annedoten, 
als  die  Quelle  der  gesammten  Wissenschaft  der  Ghaldäer  an: 
keine  Spur  davon  bei  Qüthsämi,  der  doch  endlose  Register 
uralter  babylonischer  Literaten  giebt. 

Nach  der  Nabatäischen  Landwirthschaft  trat  Dzaghriths 
im  siebenten  Jahrtausend  des  7000jährigen  Satumcyclus  auf, 
Janbüshäd  lebte  am  Ende  desselben  Jahrtausends,  Qüthsämi 
endlich  schrieb  nach  Ablauf  von  4000  Jahren  des  7000jährigen 


666  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTH8CHAFT 

Sonnencyclus;  für  die  Zwischenzeit  zwischen  den  beiden  erst- 
genannten Weisen  und  Qüthsämi  rechnet  Ibn  Wahshijjah  die 
Dauer  von  mehr  als  18000  Jahren  aus  (S.  20):  ohne  Zweifel 
richtig;  da  auch  Qüthsämi  den  Janbüshäd  ^^Jahrtausende''  vor 
sein«  Zeit  setzt  (S.  92).  Folglich  lagen  zwischen  dem  Satum- 
cyclus  und  dem  Sonnencyclus  zwei  andere  Cyklen,  jeder  zu 
ebenfalls  7000  Jahren;  und  es  lässt  sich  mit  Sicherheit 
schliessen,  dass  nach  nabataischer  Theorie  der  ganze  Welt- 
lauf aus  sieben  7000jährigen  Cyklen  bestehen  sollte ,  die 
nach  den  sieben  Planeten  benannt  waren  und  diejenige 
Ordnung  derselben  einhielten ,  die  wir  als  die  der  Aegypter 
und  als  die  des  Ptolemäischen  Systemes  kennen ,  dieselbe, 
nach  welcher  Dimeshqi  und  Shahrasthäni  die  sabischen 
Tempel-  aufzählen  (vgl.  die  Nachweisungen  bei  Ghwolson^ 
üeber  Tammüz  S.  51):  nämlich  Saturn,  Jupiter,  Mars, 
Sonne,  Venus,  Mercur,  Mond.  An  einer  anderen  Stelle 
der  Nabatäischen  Landwirthschaft  dagegen,  wo  die  Todten- 
klage  der  Götter  um  Thammüz  erzählt  wird  (Ghwolson 
a.  a.  0.),  ist  die  Ordnung  der  Planeten  die  uns  geläufige, 
romische:  Sonne,  Mond,  Mars,  Mercur,  Jupiter,  Venus,  Saturn. 
Ghwolson  findet  diese  Uebereinstimmung  bemerkenswerth; 
ich  finde  es  viel  bemerkenswerther ,  dass  sonach  ein  und 
dasselbe  Volk  zwei  ganz  verschiedene  Planetenordnungen 
nebeneinander  gehabt  haben  soll:  wie  gesagt,  ein  Lügner 
muss  ein  gutes  Gedächtniss  haben!  Die  planetarischen  Zeit- 
74  bestimmungen  bei  Qüthsämi  setzen  voraus,  dass  fOr  gewohn- 
lich nach  den  einzelnen  Jahrtausenden  der  Gyklen  gerechnet 
worden  sei.  Dieses  chronologische  System  ist  mit  der  aus 
Berossos  bekannten  Rechnung  nach  Saren,  Neren  und  Sos- 
sen,  die  auf  der  Vervielfältigung  der  Grundzahlen  6  und  10 
beruht,  nicht  weniger  unvereinbar  wie  mit  der  Parallelstelle 
Qüthsämis;  beide  Zeitmessungen  können  nicht  nebeneinander 
bestanden  haben,  und  welche  die  echt  babylonische  ist,  dar- 
über kann  nicht  wohl  ein  Zweifel  obwalten:  der  Sossos  ist 
in  mehrfacher  Hinsicht  als  ein  sehr  altes  Zeitmass  sicher- 
gestellt, die  Planetencyklen  dagegen  sind  mit  der  sieben- 
tägigen Woche   eng  verbunden,   die   zwar   altsemitisch  ist^ 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  667 

aber  erst  durch  die  Astrologie  der  Kaiserzeit  grössere 
Wichtigkeit  erlaogt  hat.  Die  ausschweifenden  Zahlen  der 
Nabatäischen  Landwirthschaft  weisen  auf  eine  Zeit  hin,  wo 
sich  zwar  noch  dunkele  Erinnerungen  an  das  fabelhafte 
Alter  des  chaldäischen  Schriftthums  erhalten  hatten,  die 
echte  chaldäische  Zeitrechnung  aber  langst  ausser  Gebrauch 
gekommen  und  der  Vergessenheit  anheimgefallen  war. 

Chwolson  spricht  sich  einmal  (S.  72)  dahin  aus,  es  sei 
einerseits  nicht  ausgemacht^  dass  Alexander  Polyhistor  seine 
Auszüge  unmittelbar  aus  Berossos  gemacht  habe;  dann  sei 
es  andererseits  ebensowenig  erwiesen ,  dass  Eusebios  seine 
Mittheilung  unmittelbar  aus  Alexander  Polyhistor  geschöpft 
hat:  die  Fragmente  des  Berossos  bei  Eusebios  und  Synkellos 
befanden  sich  überhaupt  in  einem  trostlosen  Zustande;  dabei 
wisse  man  nicht  immer  recht  die  Worte  des  Alexander  Poly- 
histor Yon  denen  des  Eusebios  zu  unterscheiden.  Doch  will 
Chwolson  S.  69  den  Angaben  des  Berossos  im  Ganzen  volles 
Vertrauen  schenken,  namentlich  in  den  Fällen,  wo  wir  keine 
Ursache  hätten  anzunehmen,  dass  Eusebios  die  Angaben 
desselben  aus  bekannten  Gründen  willkürlich  geändert  und 
modificirt  habe.  Das  heisst  doch  ziemlich  unumwunden 
gesagt:  „ich  will  den  Berossos  überall  da  gelten  lassen,  wo 
er  mir  nicht  im  Wege  ist!"  Dass  Eusebios  Polyhistors 
Bücher  noch  vor  sich  hatte,  geht  daraus  hervor,  dass  er 
einen  sehr  grossen  Theil  seines  Werkes  über  die  Juden  in 
seine  Praeparatio  evangelica  aufgenommen  hat;  die  Annahme, 
dass  Polyhistor  den  Berossos  nicht  unmittelbar  benutzt  haben 
soll,  ist  ebenso  bodenlos,  wie  die  beliebte  Insinuation,  Eusebios 
habe  die  Auszüge  aus  Polyhistor  vermischt.  Im  Uebrigen 
hätte  Chwolson  besser  gethan  zu  sagen:  „ich  weiss  die 
Worte  Beider  nicht  zu  unterscheiden'';  bei  der  dem  Eusebios 
eigenen  Sauberkeit  und  Klarheit  kann  selbst  der  oberfläch- 
liche Betrachter  nie  ernstlich  im  Zweifel  sein,  ob  er  oder 
sein  Gewährsmann  spricht;  auch  wüsste  ich  nicht,  dass  irgend 
einer  von  denen,  die  sich  mit  den  Berossischen  Auszügen 
bisher  beschäftigt  haben,  dergleichen  Skrupel  empfunden 
hätte.     Darum  weg  mit  diesen  Ausflüchten! 


668  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIETHSCHAPT 

76  XX. 

Das  Fehlen   aller  Berührungspunkte  mit  echten 

Quellen. 

Gesetzt  aber  selbst,  die  argen  Dementis  Seitens  des 
Berossos  Hessen  sich  bestreiten,  so  müsste  ein  echtes  alt- 
babylonisches Schriftthum  doch  irgend  einmal  von  andern 
authentischen  Quellen  über  den  alten  Orient;  wie  dem  alten 
Testament  oder  Herodot,  bestätigt  werden,  es  müsste  doch 
irgend  einmal  etwas  enthalten,  wodurch  Andeutungen  jener 
Urkunden  erläutert,  in  ein  helleres  Licht  gesetzt  würden, 
wie  dies  durch  Erschliessung  neuer  Quellen  über  das  alte 
Asien,  z.  B.  der  persischen  Eeilinschriften,  ja  selbst  durch 
das  Bekanntwerden  einzelner  älterer,  treuherzig  was  sie 
wussten  wiedergebender,  arabischer  Autoren,  z.  B.  des 
Mas'üdi'),  immer  im  ausgedehntesten  Masse  der  Fall  ist. 
Hiervon  findet  sich  aber  trotz  der  emphatischen  Betheue- 
rungen Chwolsons  über  die  unabsehbaren  Aufschlüsse,  welche 
jene  Schriften  enthalten  sollen,  in  den  zahlreichen  von  ihm 
mitgetheilten  Proben  nicht  die  leiseste  Spur.  Bei  Strab. 
XVI,  1,  6  p.  739;  Plin.  N.  H.  XXX,  1,  2  §  5  ist  uns  eine 
Reihe  alter  babylonischer  Astrologen  und  Zauberer  erhalten: 
keiner  kommt  in  der  Nabatäischen  Landwirthschaft  und  den 
verwandten  Schriften  vor.  Wir  kemien  eine  stattliche  Menge 
babylonischer  Eigennamen,  die  im  Romane  des  Jamblichos 
vorkommen  und  von  denen  wenigstens  ein  Theil  gewiss  echt 
babylonisch  ist:  nirgends  auch  nur  der  geringste  Anklang 
an  die  Namen,  die  bei  Qüthsämi  auftreten!  Wir  kennen 
zwar  von  den  ältesten  babylonischen  Königen  nur  etwa  f&nf 

1)  Ich  beziehe  mich  hier  aaf  die  beiden  Capitel  des  Morüg  el- 
dgahah  über  Assyrien  nnd  Babylonien,  deren  Mittheilnng  ich  der  Qfite 
meines  Freandes  Dr.  Krebl  verdanke.  Das  erste  bringt  die  Frage  nach 
den  Quellen  des  Moses  von  Cborene  in  ein  ganz  neues  Stadium,  das 
zweite  enthält  eine  Liste  von  52  (nicht,  wie  Chwolson,  Die  Ssabier  II 
S.  621  angiebt,  42)  babylonischen  Königen,  durch  welche  allein  eine 
sichere  Herstellung  der  echten  Eönigsliste  des  Ktesias  mOglich  ge- 
macht wird. 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  669 

Nameii;  die  spateren  aber  in  seltener  Yollständigkeit;  man 
sollte  doch  denken  ^  bei  der  Stabilität^  die  gerade  in  Namen 
herrscht^  müssten  sich  einzelne  Bestandtheile  der  echten 
Eonigsnameu  aach  bei  den  alten  in  der  Nabatäischen  Land- 
wirthschaft  Yorkomme^den  Eonigen  wiederfinden  lassen:  ver- 
gebliche Hoffnung!  sie  tragen  eine  total  verschiedene  Phy- 
siognomie. Unsere  Zeit  hat  den  Beweis  in  der  Hand^  dass 
die  Keilschrift  zu  öffentlichen  Zwecken  und  zum  Privat- 
gebrauche noch  bis  in  die  Diadochenzeit  hinein  bei  den 
Babyloniern  in  allgemeinem  Gebrauche  blieb:  gerade  diese 
Schrift  kennt  Ibn  Wahshijjah  nicht^  der  erstaunlich  gelehrte 
Mann,  der  uns  ein  ganzes  Dutzend  babylonischer  vorsint- 
flnthlicher;  Hermetischer  und  anderer  rarer  Alphabete  zum 
Besten  gegeben  hat  Wir  kennen  die  Hauptgötter  Belos 
und  Mylitta,  kennen  den  Beltempel,  kennen  das  Sakäenfest^  76 
lauter  im  Alterthume  berühmte  Dinge,  die  in  einem  echten 
babylonischen  Werke  des  Inhalts  wie  die  Nabatäische  Land- 
wirthschaft  nothwendig  erwähnt  werden  mussten:  von  alle- 
dem nicht  die  leiseste  Spur!  Die  Eärglichkeit  und  ünbe* 
deutendheit  der  classischen  Nachrichten  über  den  Orient,  die 
Chwolson  mit  Vorliebe  ausmalt  und  gelegentlich  stark  über- 
treibt (z.  B.  S.  171),  kann  nicht  daran  Schuld  sein:  woher 
kämen  denn  dann  die  ununterbrochenen  Berührungen  der 
Nachrichten  Qüthsämis  und  Consorten  mit  den  spätesten,  für 
Eenntniss  des  alten  Babyloniens  doch  noch  viel  weniger 
bietenden  Quellen,  wie  dem  Eoran,  der  rabbinischen  Tradi- 
tion, den  Neuplatonikern  und  byzantinischen  Chronographien 
der  schlechtesten  Sorte?  — 

XXL 

Pharao  Sephuris  als  Entlastungszeuge. 

Doch  Chwolson  glaubt  in  der  That  eine  Stelle  ausfindig 
gemacht  zu  haben,  durch  die,  wie  er  sich  ausdrückt,  Mane- 
thos'  Eönigslisten  bedeutend  an  Authenticität  gewinnen. 
S.  104  ff.  wird  nämlich  die  Behauptung  des  Dzaghriths,  der 
Bau  des  Enoblauchs  habe  in  Babylonien  zur  Zeit  des  Eönigs 


670  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAPT 

Qerü9äi  (oder  Qerü9äDi)  begonnen  ^  von  Qütlisämi  mit  der 
Thatsache  widerlegt,  dass  der  ägyptische  König  Seqöbäs 
nacli  Babylonien  gesendet  habe,  um  sich  von  hier  den  zacki- 
gen Knoblauch  zu  holen  und  ihn  in  Aegypten  zu  bauen; 
diese  Sendung  aber  habe  zur  Zeit  des  Königs  Tibäthäbä^) 
stattgefunden,  der  gegen  900  Jahre  oder  noch  mehr  vor 
QerÜ9äi  regiert  habe. 

Da  nun  kein  Pharao  Seqobäs  vorkommt,  so  zieht  Chwol- 
son  die  Lesart  einer  weniger  guten  Handschrift,  Sef&ras, 
vor,  und  diesen  Sefüräs  hat  Bunsen  mit  dem  Manethonischen 
St^tpovQLg  identificirt,  dem  achten  Könige  der  dritten  Dynastie. 
Derselbe  regierte  nach  Bunsen  von  3272—3254,  nach  Lepsius 
von  3180-3150,  nach  Brugsch  von  3742—3712.  Nun  stellt 
auch  Chwolson  es  als  das  Resultat  seiner  lediglich  vom 
Standpunkte  der  babylonischen  Geschichte  aus  gemachten 
Berechnungen  hin,  dass  Tibäthäba  und  sein  ägyptischer  Zeit- 
genosse um  3200  gelebt  hätten.  Man  höre,  wie  er  zu  diesem 
Resultate  gelangt  ist.  Qüthsämi  lebte  spätesten^  am  Anfange 
des  dreizehnten  Jahrhunderts  v.  Gh.;  Janbüshäd  lebte  18,000 
Jahre,  also  wenigstens  300—400  Jahre,  vor  Qüthsämi,  und 
Dzaghriths  mehrere  Jahrhunderte,  also  wenigstens  200  Jahre, 
77  vor  Janbüshäd:  Dzaghriths  lebte  also  spätestens  1800—1900 
V.  Ch.  Ferner  sei  der  Irrthum  des  Dzaghriths  hinsichtlich 
einer  so  gewöhnlichen  Pflanze  wie  des  Knoblauchs  nur  dann 
möglich,  wenn  jener  König  Qerüfäi,  unter  welchen  er  die 
Einführung  desselben  in  Babylonien  setzte,  sehr  lange,  d.  h. 
wenigstens  gegen  300—400  Jahre,  vor  ihm  gelebt  habe; 
dieser  König  lebte  also  spätestens  2100—2300  v.  Ch.  „Da 
aber  um  2100  die  medische  Dynastie  in  Babylonien  regierte, 
Qerü9äni  dagegen,  so  wie  auch  sein  Nachfolger  Schemüt'ä 
offenbar  semitische  Könige  waren,   so  muss  er  wenigstens 


1)  Dies  ist  wenigstens  die  überlieferte  Panctation ,  fOr  deren 
Richtigkeit  der  ähnliche  nabatäische  Name  Bürätabä  (S.  8)  spricht. 
Benü  Tabäthabä  ist  der  Name  eines  Zweiges  der  Aliden,  von  denen 
Jahjä  al-Hädi  genau  zu  der  Zeit,  als  Ibn  Wahshijjah  schrieb,  im  Jahre 
901,  ein  Reich  im  sQdlichen  Arabien  gründete.  Chwolson  schreibt 
Tlb&t&nfi. 


UND  IHRE  GESCHWISTEß.  671 

einer  der  letzten  86  Eonige  der  ersten  einheimischen 
Dynastie  des  Berossos  gewesen  sein;  er  lebte  also  demnach 
spätestens  gegen  die  Mitte  des  23.  Jahrhunderts  y.  Gh/^ 
(S.  107).  Da  femer  Tibäthäbä  und  dessen  Zeitgenosse  Se- 
qöbäs  gegen  900  Jahre  vor  Qerü^äi  lebten,  so  müsse  für 
dieselben  ungefähr  das  Datum  3200  angenommen  werden. 
So  werde  durch  diese  Nachricht  das  hohe  Alter  der  ägypti- 
schen sowohl  als  der  babylonischen  Geschichte  glänzend  be- 
stätigt; ebenso  wichtig  sei  sie  für  die  Zeitbestimmungen 
nach  unten.  ^^Wenn  nämlich  Thibätänä  —  sagt  Ghwolson 
S.  111  —  nach  Bunsens  und  meinen  Berechnungen  in  der 
zweiten  Hälfte  des  33.  oder  in  der  ersten  Hälfte  des  32.  Jahr- 
hunderts lebte,  so  nehmen  die  beiden  semitischen  Eonige 
der  ersten  chaldäischen  Dynastie  QerÜ9äni  und  dessen  Nach- 
folger Schemüt'ä;  welche  900  Jahre  später  regiert  haben,  die 
zweite  Hälfte  des  24.  oder  die  erste  Hälfte  des  23.  Jahr- 
hunderts für  sich  in  Anspruch;  folglich  kann  der  Anfang 
der  medischen  Dynastie  nicht  vor  dem  23.  Jahrhundert  ge- 
setzt werden.  Dadurch  wird  die  Annahme  Bunsens,  sowie 
auch  die  meinige  bestätigt,  nach  der  der  Anfang  der  medi- 
schen Dynastie  in  die  zweite  Hälfte  des  23.  Jahrhunderts 
zu  setzen  ist,  dagegen  erweist  sich  die  Annahme  der  Herren 
A.  y.  Gutscbmid,  Brandis  und  Anderer,  welche  den  Anfang 
jener  Dynastie  bis  auf  2458  oder  2447  hinaufrücken,  als 
unrichtig;  denn  nach  dieser  Angabe  müsste  man  QerÜ9äni 
entweder  in  die  erste  Hälfte  des  25.  oder  in  die  des  22.  und 
Thibätänä  entweder  in  die  erste  Hälfte  des  34  oder  in  die 
des  31.  Jahrhunderts  setzen;  in  beiden  Fällen  aber  konnte 
Letzterer  nach  Bunsens  und  Lepsius'  Berechnungen  nicht  mit 
Sephuris  gleichzeitig  sein.^'  Hier  hat  Ghwolson  ganz  yer- 
gessen,  dass  er  seinen  Ansatz  erst  durch  Berücksichtigung 
des  Umstandes,  dass  um  2100  die  Meder  in  Babylon  ge- 
herrscht haben  sollen,  gewonnen  hatte:  yier  Seiten  weiter 
wird  der  so  gewonnene  Ansatz  bereits  als  Argument  dafür 
geltend  gemacht,  dass  seine  Zeitbestimmung  der  Mederherr- 
schaft  die  richtige  sei.  Ghwolson  kann  sich  nicht  einmal 
damit  ausreden,   dass  er  sich  nur  unklar  ausgedrückt  und 


672  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAPT 

die  Richtigkeit  seiner^  die  Unrichtigkeit  meiner  babylonischen 
Zeitrechnung  lediglich  aus  dem  von  den  beiden  Aegypto- 
logen  für  Sephuris  angegebenen  Datum  habe  nachweisen 
wollen;  denn  er  spricht  sich  überall  in  seinem  Buche  mit 
78grösster  Entschiedenheit,  mitunter  selbst  SchroflPheit^  gegen 
die  Chronologie  der  Aegyptologen  aus  (namentlich  S.  71. 
183  fif.)  und  verwirft  sie  in  den  wesentlichsten  Punkten,  rückt 
z.  B.  mit  Biot  Tutmes  lU.  und  somit  die  ganze  achtzehnte 
Dynastie  um  150  Jahre  herunter.  Und  hier  erklart  Chwol- 
son  plötzlich  eine  Bestimmung  der  Aegyptologen  aus  der 
ältesten  Zeit  für  die  Richtschnur  der  babylonischen  Chrono- 
logiC;  gleich  als  hätten  jene  Männer  das  Gebäude  ihrer  Zeiir 
rechnung  von  oben  zu  bauen  angefangen.  Welche  Kette 
von  Widersprüchen!  — 

Hält  man  sich  an  die  einzige  bestimmte  Angabe,  die 
uns  aus  der  Periode  der  ägyptischen  Geschichte,  welcher 
König  Sephuris  angehört,  überliefert  ist^  an  die  Diodorische, 
dass  der  Erbauer  der  ersten  Pyramide,  des  Sephuris  dritter 
Nachfolger,  3400  Jahre  vor  seiner  Zeit  (60  v.  Ch.)  gelebt 
habe,  so  ergeben  sich  als  ungefähre  Zeit  des  Sephuris  die 
Jahre  3545^3515  v.  Ch.,  und  der  900  Jahre  spätere  QerÜ9äi 
fiele  demnach  gegen  2630,  somit  180  Jahre  vor  dem  Jahre 
2448y  welches  nicht  nach  einer  Hypothese  von  mir  und 
Brandis,  sondern  nach  bestimmter  Ueberlieferung  bei  Berossös 
(s.  meine  Beiträge  S.  18)  als  das  Anfangsjahr  der  Meder 
anzusehen  ist.  Ich  verwahre  mich  gegen  den  Verdacht,  als 
dächte  ich  ernstlich  daran,  jene  apokryphen  Angaben  und 
ihre  völlig  willkürliche  Auslegung  durch  Chwolson  zur  Er- 
gänzung der  beglaubigten  Geschichte  zu  benutzen:  doch 
musste  ich  hierauf  eingehen,  damit  man  mir  nicht  vorwerfen 
kann,  ich  erklärte  die  nabatäischen  Schriften  deshalb  für 
einen  Betrug,  weil  durch  sie  Hypothesen  von  mir  umge- 
stürzt würden. 

Es  giebt  nichts  Subjectiveres  und  darum  Verwerflicheres 
als  Reductionen  fabelhafter  Jahresangaben;  wer  sie  aber 
unternimmt,  muss  sich  wenigstens  gleich  bleiben  und  nicht 
das  eine  Mal  „mehrere  Jahrhunderte'^  in  „200  Jahre'',  das 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  673 

andere  Mal  „18,000  Jahre"  in.  „300—400  Jahre"  verwandeln. 
Es  ist  lächerlich,  von  Uebereinstimmung  zu  reden,  wenn  ein 
Eonig^  den  ägyptische  Quellen  um  3530  v.  Gh.  setzen,  nach  naba- 
täischen  900  Jahre  +  ^  +  mehrere  Jahrhunderte  +  18,000 
Jahre  +  c.  1850,  also  etwa  21,650  Jahre  vor  Christi  Gfcburt 
regiert.  Und  noch  obendrein  ist  die  Aehnlichkeit  zwischen 
SefClräs  und  2}^q)ovQis  nichts  weniger  als  gross;  die  Gründe 
aber,  mit  welchen  Chwolson  sich  zu  beweisen  bemüht,  dass 
zwar  aus  dem  ^Lyu^  der  schlechten  Handschrift  das  ^b^ju^ 

der  guten  habe  entstehen  können,  nicht  aber  umgedreht, 
haben  genau  denselben  Werth  wie  die,  mit  denen  auch  in 
der  classischen  Philologie  unmethodische  Herausgeber  oft 
die  schlechtere  Ueberlieferung  in  Schutz  genommen  haben. 
Seqobäs  ist  UxoTtagy  so  genau  wiedergegeben,  wie  es  im 
Arabischen  nur  irgend  möglich  ist^  dieser  gut  griechische 
Name  schickt  sich  freilich  für  einen  uralten  Pharao  schlecht 
genug :^  aber  bei  einem  Manne,  der  Asklepiades  für  babylo- 
nisch erklärt,  kann  uns  ein  solcher  Anachronismus  nicht  79 
eben  in  Verwunderung  setzen.  Hiernach  sieht  es  um  das 
gute  Leumundszeugniss,  das  Manethos  dem  Qüthsämi  aus- 
stellen sollte,  sehr  misslich  aus. 

xxn. 

Das  genethlialogische  Buch  des  Thenkelöshä. 

Die  Acten  wären  beisammen;  ehe  wir  nach  ihnen  über 
Qüthsämi,  Jarbüqä  und  Adami  das  Urtheil  sprechen,  müssen 
wir  das  Buch  des  Babyloniers  Thenkelöshä  aus  Qüqä  unter- 
suchen, welches  den  Titel  führt  „Ueber  die  Bilder  der  Grade 
der  Sphären  und  über  das,  was  sie  hinsichtlich  der  Umstände 
der  in  denselben  Geborenen  anzeigen^^ 

§1. 

Chwolsons  Zeitbestimmung  für  Thenkelöshä. 

Chwolson  setzt  das  Buch  spätestens  in  das  erste  Jahr- 
hundert n.  Gh.  (S.  136):  1)  weil  darin  ein  geköpfter  König 
Richänä  erwähnt  wird,  der  in  Abhängigkeit  von  den  Persem 

Y.  GuTBOHMiD ,  Eleioe  Schriften.   II.  43 


674  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

in  Babylon  regiert  habe:  er  gehöre  wahrscheinlich  der  Zeit 
der  Arsakiden  an,  unter  deren  Oberhoheit  in  Mesopotamien 
verschiedene  kleinere  Eonige  regiert  hätten,  während  es  in 
der  Sasanidenzeit,  allen  historischen  Indicien  zufolge,  in 
Babjlonien  keine  selbständigen  Könige  gegeben  habe,  die 
Perser  vielmehr  damals  dieses  Land  unmittelbar,  d.  L  durch 
ihre  Satrapen,  regiert  hätten;  2)  weil  Babylon  bei  Thenke- 
löshä  als  noch  bestehend  oder  doch  vor  sehr  kurzer  Zeit 
noch  bestanden  habend  vorausgesetzt  wird:  Babylon  aber, 
welches  schon  um  130  v.  Ch.  der  parthische  Satrap  Himeros 
gründlich  ruinirt  hatte  (S.  36),  sei  im  ersten  Jahrhundert 
n.  Gh.  bereits  ganz  verödet  gewesen. 

Diese  Gründe  sind  nichts  weniger  als  stichhaltig.  Erstens 
konnte  das  skythische  Volk  der  Parther  nimmermehr  von 
einem  Zeil^enossen  als  Perser  bezeichnet  werden:  selbst 
unter  den  femer  stehenden  Griechen  und  Römern  werfen 
erst  diejenigen  Schriftsteller  beide  Namen  durcheinander,  die 
längere  Zeit  nach  dem  Untergange  des  Arsakidenreiches 
schreiben;  man  müsste  also  wenigstens  eine  Modernisirung 
des  Ibn  Wahshijjah  annehmen.  Zweitens  wissen  wir  aus 
Athen.  XII  p.  513,  dass  Babylon  die  Winterresidenz  der 
parthischen  Könige  war:  es  kann  folglich  unter  diesen  so 
wenig  wie  zur  Zeit  der  Achämeniden  unter  einem  eigenen 
Könige  gestanden  haben;  und  in  der  That  findet  sich  bei 
den  Classikern  nirgends  die  leiseste  Spur  von  Königen  von 
Babylon  zur  Arsakidenzeit:  wenn  je  ein  argumentum  a  silentio 
Gewicht  hat,  so  ist  es  hier  der  Fall,  da  doch  die  Könige 
der  viel  unbedeutenderen,  den  Griechen  und  Römern  ferner 
liegenden  Provinzen  Gharakene'  und  Persis  sehr  häufig  erwähnt 
werden.  Ghwolson  beruft  sich  dafür  auf  eine  Gapitelüber- 
80  Schrift  der  türkischen  Uebersetzung  von  Belämis  persischem 
Auszuge  aus  Tabari  (s.  Zeitschr.  d.  d.  M.  G.  II  S.  163),  welche 
lautet:  „Nachrichten  von  den  arabischen  Königen  von  ^Iräq 
und  Babel  aus  den  Benü  Isma'il  und  den  Benü  Ma'add  ben 
*Adnän  in  der  Zeit  zwischen  Alexander  und  Ardeshir'^;  allein 
damit  sind  die  Könige  von  Hirah  gemeint,  und  dass  diese 
Babel  gehabt  haben  sollten,  wird  sonst  nirgends  überliefert. 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  675 

Die  interessante  Erzählung  des  Hamzah  Buch  VI  S.  97  von 
dem  Kriege  Ardeshirs  mit  den  beiden  Nabatäerkönigen  Ar- 
dawän  Ton  ^Iräq  und  Babä  dem  Aramäer  spielt  zwar  in 
Iräq,  aber  nach  Babylon  weist  nichts  hin:  Bäba  ist  ohne 
Zweifel  der  in  jüdischen  Quellen  als  Zerstörer  von  Nahardea 
Yorkommende  Papa  ben  Nazar,  welcher  der  Palmyrenischen 
Dynastie  angehört,  wahrscheinlich  sogar  mit  Odenathos  iden- 
tisch ist,  den  Ardawän  aber  würde  man,  sollte  er  in  der 
That  vom  letzten  Arsakiden  verschieden  sein,  am  ersten  in 
Charakene  zu  suchen  haben.  Mit  mehr  Recht  hätte  Chwol- 
son  sich  auf  den  von  Moses  von  Chorene  II,  30,  16flF.  (p.  140 
ed.  Whiston)  mitgetheilten  Brief  des  Königs  Abgar  berufen 
können,  in  welchem  dieser  den  Knaben  Nerseh,  König  von 
Assyrien,  der  zu  Babylon  residirte,  einen  Sohn  des  Parther- 
königs Artashis  IL,  auf  den  Apostel  Simon  (Petrus)  ver- 
tröstet: der  Name  Nerseh  ist  nämlich  nicht  fingirt,  sondern 
kommt  wirklich  um  diese  Zeit  in  dem  Aschganierverzeich- 
nisse  des  Chodäi-Nämeh  vor*);  allein,  um  von  dem  sonstigen 
apokryphen  Charakter  des  Briefes  ganz  abzusehen,  wurde 
die  Angabe  lediglich  zeigen,  dass  der  Partherkönig  einmal 
seinem  Thronfolger  Babylon  als  Apanage  gegeben  hat,  ähn- 
lich wie  zweimal  Grossmedien  mit  Ekbatana  zur  Abfindung 
von  Prätendenten  benutzt  worden  ist,  würde  somit  gerade 
gegen  die  Existenz  eines  besonderen  Yasalleureiches  in 
Babylon  beweisen.  Drittens  ist  allerdings  das  Streben  der 
Sasanidenkönige  nach  einer  strengeren  Centralisation  des 
Reichs  durch  Einziehung  der  Yasallenreiche  deutlich  genug, 
auch  bestimmt  bezeugt;  dass  aber  die  Praxis  der  Theorie 
nicht  immer  entsprochen  hat,  lehrt  die  durch  Münzen  be- 
zeugte Existenz  von  Nebenlinien  in  Kabulistan,  ferner  das 
Fortbestehen  nicht  bloss  des  dem  Arsakidenstamme  verblie- 
benen Armeniens,  sondern  auch,  was  noch  bedeutsamer  ist, 
des  kleinen  ehedem  von  den  Parthern  abhängigen  Reiches 
Adiabene:  Artashir,  König  von  Hadjab,  wird  unter  den 
Jahren  348  und  380  n.  Ch.  in  den  sehr  zuverlässigen  Acta 
martyrum  Syriae  auct.  Marutha  I  p.  99.  153  (ed.  Assemani) 

*)  [Vgl.  oben  8.  366  f.  871  f.     F.  R.] 

43* 


676  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAPT 

als  Christenverfolger  erwähnt.  Und  von  den  kleinen  Eonigen 
von  ühorasän  heisst  es  bei  Mas'üdi  (8.  403  bei  Sprenger) 
ausdrücklich^  Ardeshir  I.  habe  jedem  seinen  Rang  angewiesen 
und  die  Grenzen  ihrer  Gebiete  geregelt  —  eine  Nachricht, 
deren  Richtigkeit  durch  Andeutungen  bei  Moses  von  Chorene 
bestätigt  wird.  Endlich  bezeugen  zwei  Angaben,  die  jede 
für  sich  geringe  Autorität,  vereint  aber  ein  respectables  Ge- 
81  wicht  haben,  nämlich  der  Brief  des  Eadusierkonigs  Velenus 
(bei  Trebellius  PoUio,  Valerian.  5)  und  Chondemir  (bei  Dom, 
Die  Geschichte  Tabaristans  S.  68),  das  Fortbestehen  eigener 
Dynastien  in  den  Uferländern  des  kaspischen  Meeres  unter 
Oberhoheit  der  Sasaniden.  Da  nun  Babylon  unter  den  Sa* 
saniden  den  Rang  einer  Residenz  an  Madäin  hatte  fiber- 
lassen müssen,  so  wäre  unter  ihnen  die  Existenz  eines  eige- 
nen von  Persien  abhängigen  Königs  in  Babylon  wo  nicht 
wahrscheinlicher  als  unter  den  Arsakiden,  doch  auch  nicht 
unwahrscheinlicher.  Viertens  ist  es  falsch,  dass  Babylon 
im  ersten  Jahrhundert  n.  Ch.  nicht  mehr  ezistirt  haben  soll. 
Es  wird  noch  zur  Zeit  Trajans  von  Cass.  Dio  LXYIII,  30 
erwähnt,  zwar  als  sehr  verfallen,  doch  nicht  in  dem  Masse, 
dass  nicht  Trajan  daselbst  im  Jahre  116  sein  Hauptquartier 
hätte  aufschlagen  und  in  dem  Hause,  wo  Alexander  der  Grosse 
gestorben  war,  ein  Todtenopfer  hätte  bringen  können.  Die 
Notiz  des  Photios  über  Jamblichos  (zu  cod.  94  p.  73  ed.  Bekk.) 
bestätigt  dies  nicht  nur,  sondern  lehrt  auch,  dass  die  Baby- 
lonier  noch  in  der  Mitte  des  zweiten  Jahrhunderts  n.  Ch.  im 
Besitz  einer  eigenen  Märchenliteratur  waren. 

§2. 

Thenkelöshä  ist  ein  entstellter  griechischer  Name. 

Somit  beruht  an  sich  die  Zeitbestimmung  Ohwolsons 
auf  einer  nichts  weniger  als  soliden  Basis;  ein  Umstand 
jedoch,  der  ihm  zwar  entgangen,  yon  Ewald  aber  richtig 
hervorgehoben  worden  ist,  dass  nämlich  Thenkelöshä  YoUig 
das  Gepräge  eines  entstellten  griechischen  Namens  trägt, 
würde  hinsichtlich  der  Zeit  etwa  auf  dasselbe  Resultat  führen. 
Nach  den  Erfahrungen,  die  wir  über  die  Art  und  Weise  ge- 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  677 

macht  haben^  wie  fremde  Eigennamen  nabataisirt  werden, 
müssten  wir  als  Urbild  des  Thenkelöshä  einen  Thenkeldsh 
voraussetzen :  und  richtig  kommt  ein  Astrolog  dieses  Namens 
in  mehreren  Nachrichten  der  Muhammedaner  vor,  die  Chwolson 
sorgfaltig  zusammengestellt  und  als  unabhängig  von  den 
durch  Ihn  Wahshijjah  erschlossenen  Quellen  nachgewiesen 
hat.  1)  Im  Thärich  el-Hukamä  des  Vezirs  el-Qifti  bei  Chwolson 
S.  132  (vgl.  Fihristh  el- ulüm  in  der  Ztschr.  d.  d.  M.  G.  XIII 
S.  628)  heisst  es,  Thinkelosh,  weniger  richtig  Thenkelöshä 
genannt,  sei  einer  der  sieben  Weisen,  denen  Dzohhäk  die 
sieben,  den  sieben  Planeten  geweihten  Tempel  übergeben 
hätte;  er  sei  einer  der  Weisen  Babels  gewesen  und  habe  ein 
Buch  verfasst,  betitelt  das  Buch  der  Physiognomien  und 
der  Horoskopien,  welches*  Werk  bekannt  und  verbreitet 
sei.  2)  Die  Angaben  des  persischen  Wörterbuchs  Borhän-i- 
Qätr  (bei  Chwolson  S.  146)  lassen  sich  nach  Abzug  alberner 
Etymologien  aus  dem  Neupersischen  auf  Folgendes  reduciren: 
Thengelösh  oder  Thengelöshä  sei  nach  den  Einen  der  Name 
eines  Gemäldebuches  von  einem  griechischen  Weisen,  der 
ein  ausgezeichneter  Maler  war;  Andere  dagegen  behaupteten, 
es  sei  der  Name  eines  babylonischen  Weisen,  welcher82 
Kenner  der  Lehren  von  natürlicher  Magie,  der  Alchymie  und 
dem  Steine  der  Weisen  und  zugleich  in  der  Kunst  der  Malerei 
ein  zweiter  Man!  war.  3)  Hä^  Chalfah  sagt  (nach  der  mir 
sehr  wahrscheinlichen  Erklärung  Chwolsons  S.  133):  Kanz- 
el-asrär,  ein  Buch  des  Hermes  der  Hermesse,  welches  Thenke- 
löshä el- Babel!  mit  einem  vortrefflichen  Commentare  ver- 
sehen hai  Man  sieht  hieraus,  dass  bei  den  Orientalen  ein 
Grieche  oder  Babylonier  Thenkelösh  ein  gefeierter  Name  war, 
dem  mancherlei  Werke  astrologischen  Inhalts  zugeschrieben 
wurden. 

Das  griechische  Urbild  dieses  Thenkelösh  glaubte  Sal- 
masius  (De  annis  climactericis,  praef.  fol.  c.  3^)  in  dem  aus 
griechischen  Quellen  kekannten  Babylonier  TsvxQog  wieder- 
gefunden zu  haben  ^),  und  Ewald  in  den  Gottinger  gelehrten 

1)  Er  kannte  das  Buch  des  Thenkelöshä  aas  dem  Astronomen 
Nfi^ir  eddin  et -Tust. 


678  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

Anzeigen  1859  S.  1141  hat  dies  gebilligt.  Dieser  Identi- 
ficirung  steht  aber^  abgesehen  davon,  dass  griechisches  T 
sonst  nicht  durch  v::;  ausgedrückt  zu  werden  pflegt ,  das 
ernsthafte  Bedenken  entgegen ,  dass  eine  andere  von  den 
Arabern  genannte  Persönlichkeit  viel  gegründetere  An« 
Sprüche  hat,  für  Teukros  den  Babylonier  gehalten  zu 
werden.  Nämlich  im  Fihristh  el-'ulüm  (bei  Flügel  in  der 
Zeitschrift  der  deutschen  morgenländischen  Gesellschaft  XIII 
S.  628)  wird  unter  den  Astronomen  aufgeführt  Tinqerüs 
(j^j^Lut)  der  Babylonier,  Oberaufseber  über  den  Tempel 
des  Mars,  einer  der  sieben  mit  der  Oberaufsicht  der  Tempel 
betrauten  Weisen,  schrieb  ein  „Buch  der  Nativitäten 
nach  den  Bildern  {jtQoöama)  und  den  Graden^'.  Un- 
mittelbar vor  diesem  Tinqerüs  war  Thinkelüs  der  Babylonier 
als  einer  der  sieben  Tempelhüter  namhaft  gemacht  und  von 
ihm  dasselbe  berichtet  worden  wie  im  Thärich  el-Hukama. 
Nun  wäre  es  allerdings  nicht  undenkbar,  dass  Thinkelüs 
lediglich  eine  weitere  Verderbung  von  Tinqerüs  wäre  und 
aus  ihm  nur,  um  die  Siebenzahl  der  Tempelhüter  voll  zu 
machen,  zwei  verschiedene  Personen  gemacht  worden  wären 
—  und  um  nichts  zu  versäumen,  was  möglicherweise  zur 
Aufhellung  der  Frage  über  den  Ursprung  des  Buches  „über 
die  Bilder  der  Grade  der  Sphären"  beitragen  könnte,  werde 
ich  in  einem  Excurs  die  Nachweisungen,  die  sich  über  Teukros 
den  Babylonier  erhalten  haben,  vollständiger  als  dies  bei 
Müller,  Fragm.  bist.  Graec.  IV  p.  508  geschehen  ist,  mit- 
theilen. Allein  es  giebt  nicht  weniger  als  drei  griechische 
Eigennamen,  die  dem  Thinkelüs  ganz  nahe  kommen,  QsdyyeXog^ 
&ioxlog^  &sv7c6Xog,  und  darunter  ist  der  mittelste  sehr  häufig, 
der  zuletzt  genannte  aber,  der  auch  als  Amtsname  vorkommt 
und  „Götterverehrer,  Priester"  bedeutet,  würde  als  Appella- 
tivum  eine  gaiiz  passende  Benennung  für  einen  chaldäischen 
Himmelskundigen  und  Tempelhüter  sein.  Dadurch  wird  die 
83  Wahrscheinlichkeit,  dass  es  vielmehr  Verstümmelung  eines 
ferner  liegenden  Eigennamens  sein  sollte,  beträchtlich  ver- 
ringert, und  es  liegt  wenigstens  ebenso  nahe,  in  Thinkelüs, 
dem  Urbilde  des  Thenkeloshä,  einen  anderen  obscuren  helle- 


UND  fflRE  GESCHWISTER.  679 

nistischen  Chaldäer  zu  sehen,  der  in  griechischer  Sprache 
Astrologisches  verfasste. 

Ist  nun,  fragen  wir,  das  angeblich  von  Ihn  Wahshijjah 
aus  dem  Nabatäischen  übersetzte  genethlialogische  Werk  des 
Thenkeloshä  so  beschaffen ,  dass  es,  wie  Chwolson  will,  im 
ersten  Jahrhundert  n.  Ch.  verfasst,  demnach  wirklich  aus 
einem  griechischen  Originale,  möge  dessen  Verfasser  nun 
Teukros  oder  ein  unbekannter  Theukolos  gewesen  sein,  ab- 
geleitet sein  kann? 

§3. 

Thenkeloshäs  Gewährsmänner.. 

Unter  seinen  Quellen  nennt  Thenkeloshä  S.  144  einen 

j|j^-«.^i=vJI  LoU5>jj,    in    welchem   Ewald   ([Göttinger   gelehrte 

Anzeigen]  1859  S.  1139)  mit  überzeugendem  Scharfsinn 
aramäische  Bildung  der  Worte  „der  Brahmane^'  erkannt  hai 
Eine  ähnliche  Figur,  Brahmiüs,  kommt  in  einer  anderen  Schrift 
Ibn  Wahshijjahs  (Ancient  alphabets  p.  74)  als  ägyptischer 
König  und  Erfinder  eines  Alphabets  vor,  welches  von  den 
Zauberern  und  Pharaonen  Aegyptens  gebraucht  wurde  imd 
von  ihnen  zu  den  Weisen  Indiens  und  Chinas  überging. 
Das  Beiwort  soll  nach  Chwolson  einen  Einwohner  der  Stadt 
Chosrawaijah  am  Tigris  bedeuten;  allein  man  sieht  nicht  ein, 
wie  ein  Brahmane  dorthin  gerathen  sein  sollte.  Die  nächst- 
liegende Bedeutung  jenes  Beinamens  ist,  wie  mich  Herr 
Professor  Fleischer  belehrte,  „der  Chosro'ische",  was  hier  nur 
in  der  nietaphorischen  Bedeutung  „der  Herrliche*'  einen  Sinn 
hätte;  ich  glaube  aber  nicht,  dass  Ibn  Wahshijjah  seinem 
Thenkeloshä  einen  solchen  Ausdruck  in  den  Mund  gelegt 
haben  wird.  Wahrscheinlich  ist  anders  zu  vocalisiren.  Bei 
Abü'lfarag,  Chron.  Syr.  p.  11  ist  der  Parther  Khesarvanüs 
(p.  10  Besärvanüs,  sehr.  Khesarvanüs)  der  vierte  König  von 
Babylon,  welcher  das  Schriftthum  und  die  Weisheit  der 
Chaldäer  den  Aegyptern  mittheilt:  Parther  steht  nach  einem 
barbarischen  Sprachgebrauche,  der  sich  z.  B.  bei  Malala  imd 
Jordanes  findet,  für  Perser.    Der  Name  des  Königs  muss  im 


680  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIETHSCHAFT 

griechischea  Originale  S^cQovavog  gelautet  haben,  das  ist  mit 
einem  häufig  vorkommenden  Lautwechsel,  fQr  welchen  gleich 
der  Name  des  nächsten  Königs  Arphäzad  für  ^Jgtpa^aS  einen 
Beleg  giebt,  Zarwan,  die  (ursachlose)  Zeit,  das  oberste  Princip 
des  späteren  Magismus,  der  Vater  der  Gotter  (des  Ormuzd 
und  des  Ahriman),  ein  Wesen,  welches  von  Moses  von  Cho- 
rene  I,  5,  6  p.  16  (ed.  Whiston)  geradezu  mit  Zradasht  dem 
Magier  identificirt  wird«*)  Brahmänijä  el-Chesarwäni  bedeutet 
also  den  Brahmanischen,  von  Chesarwän  Entsprossenen  und 
84  ist  eine  fingirte  Persönlichkeit,  in  deren  Namen  die  Ver- 
einigung Brahmanischer  und  Zoroastrischer  Weisheit  aus- 
gedrückt ist.  Beide  wurden  durch  einen  ziemlich  alten  Syn- 
kretismus aus  gemeinsamer  Quelle  abgeleitet;  bei  Ammian. 
XXni,  6,  33  studiert  Hystaspes  in  Indien  die  Weisheit  der 
Brahmanen  und  theilt  sie  den  Magiern  mit;  der  als  Urheber 
apokrypher  Orakel  gefeierte  Mederkonig  „Hystaspes,  von  dem 
der  Fluss  Hydaspes  den  Namen  hat"  (Lact  Div.  inst  VII,  15), 
wird  von  Mas'üdi,  wie  ich  aus  Chwolson,  Die  Ssabier  I 
S.  207  ff.  lerne,  aus  Indien  hergeleitet,  von  wo  er  den  Stern- 
dienst nach  Persien  gebracht  habe.^) 

Was     den     zweiten     Gewährsmann     des     Thenkeloshä, 


»     »    .-^    --  cS 


y^jJj^Lk^.l,  betrifft,  so  giebt  sich  Chwolson  S.  144 f.  ver- 
gebliche Mühe,  die  überlieferte  Lesung  Arsatajülüs  zu  retten, 
polemisirt  dann  umständlich  gegen  die  Vermuthung  —  auf 
die  nicht  leicht  Jemand  kommen  dürfte  — ,  dass  Aristoteles 
gemeint  sei,  sieht  sich  aber  doch  zum  Schluss  zu  dem  6e- 
ständniss  gezwungen,  dass  man,  wollte  man  durchaus  an- 
nehmen, dass  darin  ein  griechischer  Name  steckte,  eher  an 
^j4QL0t6ßovlog  als  an  'jig^ötoviXijg  denken  konnte.    Es  bedarf 


*)  [Vgl  oben  S.  870.    F.  R.] 

1)  loh  zweifle  nämlich  nicht,  dass  der  dort  erwähnte  Büdäsp 
nrsprüDglich  kein  Anderer  als  Hydaspes  oder  Hystaspes,  und  erst 
später  wegen  der  Namensähnlichkeit  mit  Buddha  vermengt  worden 
ist.  Die  Namen  sind  vollkommen  identisch:  auch  Hystaspes  heisst 
bei  deDJeoigen  Arabern,  deren  Nachrichten  auf  PehlewiqueUen  zurück- 
gehen, z.  B.  Abü'lfedä,  nicht  Eishthäsh,  sondern  Bushthfisf. 


UND  IHRE  GESCHWISTEE.  681 

keines  Beweises^   dass  Aristäbülüs  zu  lesen  nnd  dass  damit 
ein  sonst  unbekannter  griechischer  Astrolog  gemeint  ist. 

§4. 
Die  Griechen. 

Aus  dem  Vorkommen  von  Griechen  bei  Thenkeloshä 
glaubt  Chwolson  folgern  zu  konneu,  dass  zu  seiner  Zeit  der 
Hellenismus  in  Babylonien  noch  nicht  untergegangen  war. 
S.  139  wird  nämlich  ein  Weiser  des  Westens  erwähnt  und 
damit  eine  Anspielung  auf  die  Verlogenheit^  Schamlosigkeit 
und  Treulosigkeit  der  Griechen  verbunden.  Allein  der  Orien- 
tale hatte  doch  sicher  von  griechischer  Gelehrsamkeit  gehört 
und  muss  diese  nicht  nothwendig  in  seiner  nächsten  Nähe 
gesehen  haben;  und  bei  der  ^^griechischen  Treulosigkeit''  liegt 
es  auf  jeden  Fall  näher  an  die  Byzantiner  zu  denken,  denen 
gegenüber  sich  allerdings  die  Araber  ihrer  sittlichen  Ueber- 
legenheit  bewusst  waren,  als  an  die  Makedonier  der  helle- 
nistischen Staaten,  denen  die  gänzlich  verkommenen  alten 
Nationen  des  Orients  in  diesem  Punkte  gewiss  nichts  vor- 
zuwerfen hatten.  Noch  jetzt  cursirt  unter  den  Moslems  die 
Sage,  einst  hätten  die  Dämonen  sieben  Beutel  voll  Lügen 
auf  die  Erde  heruntergeworfen,  und  die  Neugriechen  hätten 
sechs  davon  erhascht.  85 

Noch  bedenklicher  ist  die  Erwähnung  von  Griechen,  die 
dem  Mars  eine  junge  Euh  opfern  (S.  140).  Stiere  sind 
wenigstens  bei  den  Römern  dem  Mars  geopfert  worden 
(Preller,  Römische  Mythologie  S.  299  [I  S.  338  der  3.  Aufl.J), 
bei  den  Griechen  kommt  ein  derartiges  Opfer  nicht  vor:  eine 
Euh  hat  aber  niemals  ein  für  den  Ares  bestimmtes  Opfer- 
thier  abgeben  können,  da  der  Grundsatz  galt,  einer  männ- 
lichen Gottheit  nur  ein  männliches,  einer  weiblichen  nur 
ein  weibliches  Thier  zu  opfern  (K.  P.  Hermann ,  Lehr- 
buch der  griechischen  Antiquitäten  Theil  II,  §  26,  An- 
merkung 22).  Die  Stelle  bew|^st  also  gerade  das  Gegen- 
theil  von  dem,  was  Chwolson  damit  beweisen  will,  nämlich, 
dass  Thenkeloshä  zwar  wusste,  dass  die  Griechen  den  Göttern 


682  DIE  NABATAEISCHE  LANDWlRTflSCHAFT 

opferten  (oder  geopfert  hätten),  aber  ohne  jede  nähere  Kennt- 
niss  über  die  Beschaffenheit  ihrer  Opfer  war. 

§5. 

Griechische   Gottheiten   in    nabatäischem   Gewände. 

Nicht  minder  anstossig  ist  die  Nabatäisirang  griechischer 
Gottheiten  und  sogar  Gottemamen  im  Buche  des  Thenke- 
losha.  Hermes  erscheint  unter  dem  Namen  Ermisä  als  baby- 
lonischer Weiser.  Das  ist  die  apokryphe  syrische  (wahr- 
scheinlich sabische)  Tradition  bei  Abü'Ifarag  Hist.  dynast.  p.  9, 
nach  welcher  der  zweite  der  drei  Hermesse ,  Hermes  el-Babeli 
nach  der  Sintfluth  in  der  chaldäischen  Stadt  Kalwads^)  ge- 
blüht und  zuerst  nach  Nemnid  die  Stadt  Babel  erbaut  habe. 
Die  Unterscheidung  dreier  Hermesse  ist  erst  aus  des  Hermes 
Beinamen  Tgis^sytözog  abgeleitet,  welcher  selbst  wiederum 
erst  im  zweiten  Jahrhundert  n.  Ch.  aufgekommen,  ist  — 
Ferner  wird  S.  187  eine  heilige  Frau  erwähnt,  von  der  es 
heisst,  dass  sie  in  allen  Sprachen  und  Zungen  und  auch  „in 
unserer  Sprache ''-  Hilathsija  heisse  und  seit  tausend  Jahren 
auf  ihrem  Fusse  sitze.  Die  kosmopolitische  Natur  des  Namens 
legt  die  Yermuthung  nahe,  dass  es  sich  mit  dieser  baby- 
lonischen Hilathsija  nicht  anders  verhalten  wird  wie  mit  dem 
babylonischen  Ermisa;  ich  zweifle  nicht,  dass  die  einen  echt 
griechischen  Namen  fuhrende  Geburtsgöttin  EiXsCd^via  ge- 
meint ist,  die  auf  den  Knien  liegend  dargestellt  ward  (Preller, 
Griechische  Mythologie  I  S.  320  [S.  422  der  3.  Aufl.]). 

§  6. 
Jüdisch -ehr  istliche  Anspielungen. 

Die  drei  Kerübin  S.  142  sind,  wie  Ewald  ([Göttinger 
gelehrte  Anzeigen]    1859  S.  1137)  bemerkt  hat,    unleugbar 


1)  Doch  wohl  EalwfiD,  entsprechend  syrischem  Ehalawän,  griechi- 
schem XaX(6vri  oder  KaXXtovri,  Namensformea ,  welche  Kiepert  (Er- 
läuternde Bemerkungen  zum  Atla#der  alten  Welt  §  40  [§  39  der  elften 
Auflage])  fdr  das  auch  von  den  Muhammedanem  uoter  die  ältesten 
Städte  der  Welt  gezählte  nordbahjloniBche  Holwän  anfflhri 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  683 

eine  jüdische  Reminiscenz.  Weit  weniger  unverfaDglich  ist 
die  S.  99  erwähnte  ^^fromme  Jungfrau,  welche  keinen  Mann  86 
gesehen  hat,  die  heilig,  reinigend,  edel  und  gross  ist  und 
welche  das Eind  so  lange  erzogen  hat,  bis  es  in  49000  Jahren^) 
das  Mannesalter  erreicht  hat,  worauf  dann  die  bekannten 
Geschichten  und  Ereignisse  (dieses  Kindes)  erfolgten,  welche 
Ermisä  und  Dewänai  erzählt  habeu.'^  Wir  kennen  es  nämlich 
als  Lehre  ophitischer  Secten,  dass  Christi  Mutter  die  prima 
femina  ist  oder  —  wie  ein  Zweig  derselben,  die  Barbelioten, 
sich  ausdrückt  ~  ein  Aeon  nunquam  senescens  in  virgioali 
spiritu  (Irenaeus  adv.  haeres.  I,  30,  1.  2;  cf.  I,  29,  1).^)  Es 
liegt  also  der  dringende  Verdacht  vor,  dass  die  babylonische 
heilige  Jungfrau  ihren  Ursprung  lediglich  der  absichtlichen 
Verzerrung  christlicher  Tradition  verdankt.  Und  was  S.  156  £F. 
von  den  asketischen  Anhängern  des  Satumapostels  Azdahä 
gesagt  ist,  passt  ohne  Weiteres  auf  christliche  Anachoreten; 
die  Beschreibung  derselben  und  die  S.  160  S,  dem  Jupiter- 
apostel Sharmidä  in  den  Mund  gelegte  Polemik  gegen  Tfaier- 
Opfer,  dieses  Lieblingsthema  der  Neuplatoniker,  sind  dem 
Thenkelöshä  mit  Qüthsämi  gemeinsam. 

§  7. 

Kain  und  andere  Persönlichkeiten  der  hebräischen 

Tradition. 

Diese  Anspielungen  kann  man  als  zußLUige  Anklänge 
wegleugnen.  Nicht  wegleugnen  aber  lassen  sich  die  beiden 
Schriftstellern  ebenfalls  gemeinsamen  Patriarchen  Hanökhä, 
Sämä,  Adami  (S.  99)  mit  ihren  in  bekannter  Manier  naba- 
täisirten  arabischen  Namen.  Zu  den  Dreien  gesellt  sich  als 
vierter  Qäbil,  der  Sohn  des  Adami.  Von  ihm  heisst  es  S.  142, 
dass  er  im  dreizehnten  Grade  des  Schützen  erscheint  und 
bei  sich  einen  langen  Stein  in  Form  einer  Tafel  hat,  auf  dem 
untereinander    ringende,    singende    und    spielende    Mädchen 


1)  Also  nach  nabatäischer  Theorie,  wie  wir  oben  gezeigt  haben, 
in  einer  ganzen  Weltdauer. 

2)  Dieee  Nachweisangen  verdanke  ich  wiederum  Profeseor  Lipsins. 


684  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

abgebildet  sind.  Die  muhammedanische  Form  Qäbil  fdr  den 
biblischen  Eain  mag,  wie  Chwolson  meint,  von  einem  Ab- 
schreiber herrühren,  und  die  persische  Uebersetzung  mit 
ihrem  Qäbin  (was  durch  Qüthsämis  'Emänübil  gesichert  wird) 
das  Richtige  bewahrt  haben;  Chwolson  erklärt  aber  auch 
das  Vorkommen  dieser  biblischen  Figur  in  einem  babyloni- 
schen Buche  für  ganz  unbedenklich,  „besonders  da  nusere 
Stelle  ausser  dem  Namen  nichts  Biblisches  enthält^'.  Bibli- 
sches freilich  wenig,  aber  um  so  mehr  nachbiblische  Dichtung! 
Warum  erscheint  denn  Qabin  im  Schützen  mit  einem  langen 
Steine?  weil  er  seinen  Bruder  Abel  durch  einen  Steinwurf 
todtete,  wie  die  christliche  Tradition  bei  Eutychios  I  p.  17 
und  die  moslemische  bei  Herbelot  s.  v.  Cabil  meldet.  Und 
warum  sind  denn  ringende,  singende  und  spielende  Mädchen 
auf  dem  Steine  abgebildet?  Darauf  antwortet  auf  das 
87  Befriedigendste  Abü'lfara^  Hist.  dynasi  p.  8  mit  der  An- 
gabe, dass  die  Töchter  Kains  zuerst  musikalische  Instrumente 
gefertigt  und  dazu  gesungen  hätten.  Den  Ursprung  dieser 
Tradition  fQgt  Abü'lfarag  selbst  hinzu:  die  Araber  nennen 
ein  singendes  Mädchen  Qainah.  So  wäre  denn  das  Emblem 
des  Qäbin  von  einem  arabischen  Wortspiele  abhängig,  und 
es  ist  nach  allem  dem  nicht  daran  zu  denken,  dass  das 
jetzige  Buch  des  Thenkelöshä  wirklich  der  Zeit  angehörte, 
in  welcher  es  die  Miene  annimmt  geschrieben  zu  sein. 

§8. 

Die  absichtliche  Dunkelheit. 

Diesen  aus  dem  Inhalte  des  Buches  geschöpften  Ver- 
dacht bestätigt  nicht  wenig  ein  äusserer  Umstand:  ich  meine 
die  Albernheiten,  die  Thenkelöshä  in  der  Einleitung  zum 
Besten  giebt  (S.  148  f.).  Die  alten  Ghaldäer  —  sagt  er  — 
hätten  ihre  Wissenschaften  geheim  gehalten  und  seien  dabei 
auf  zwei  verschiedene  Arten  verfahren:  nämlich  Entweder  sie 
verheimlichten  dieselben  gänzlich  und  schrieben  gar  Nichts 
darüber,  oder  sie  fassten  die  betreffenden  Bücher  in  allegori- 
schen Ausdrücken  ab,  deren  innerer  Sinn  von  dem  natür- 
lichen verschieden  ist    Thenkelöshä  tröstet  uns  damit,  dass 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  685 

wenigstens  das  vorliegende  Buch  in  leicht  verständlichen 
Allegorien  abgefasst  sei,  deren  Sinn  der  kundige  Leser  ver- 
stehen werde.  Diese  Sucht,  durch  etwas  recht  Apartes  zu 
imponiren,  ist  das  selten  trügende  Merkmal  eines  Betruges: 
ein  ehrlicher  Schriftsteller  schreibt  ein  Buch,  um  verstanden 
zu  werden,  nicht  in  der  Absicht,  von  der  grossen  Menge 
der  Leser,  einige  Auserwählte  abgerechnet,  nicht  verstanden 
zu  werden.  Man  wird  wieder  lebhaft  an  den  angeblichen 
Kosmographen  Aethicus  erinnert,  der  auch  sein  Buch  ab- 
sichtlich in  dichterischem,  dunklem  Räthseltone  verfasst 
haben  will. 

§  9. 

Tabaris  Zeitangabe. 

Unter  diesen  Umständen  liegt  es  sehr  nahe,  die  am 
Schlüsse  der  persischen  Uebersetzung  des  Thenkelöshä  be- 
findliche Notiz,  dass  dieses  Buch  „nach  dem  Tharich  Tha- 
bari"  80  Jahre  vor  der  He^rah  geschrieben  worden  sei,  für 
authentisch  zu  halten;  aus  den  Fingern  gesogen  hat  sie  der 
Schreiber  gewiss  nicht,  und  auf  keinen  Fall  wird  man  — 
was  schon  von  Spiegel  im  „Ausland"  XXXII  (1859)  S.  1013 
hervorgehoben  worden  ist  —  so  leicht  mit  ihr  fertig,  als 
Chwolson  meint,  der  das  ihm  unbequeme  Zeugniss  unter 
dem  nichtigen  Vorwande  verdächtigt,  der  Schreiber  habe 
den  Namen  Tabari  nicht  einmal  orthographisch  geschrieben. 
Allerdings  aber  hat  Chwolson  meines  Erachtens  den  Beweis 
geliefert,  dass  Thenkelöshä  einer  älteren  Zeit  angehören  will, 
in  der  Babylon  noch  blühte  und  die  Griechen  noch  Heiden  * 
waren:  über  die  wirkliche  Abfassungszeit  eines  sich  in  eine  88 
ganz  andere  Zeit  versetzenden  Pseudepigraphons  kann  man 
aber  der  Natur  der  Sache  nach  kaum  jemals  eine  auf  das 
Jahr  genaue  Angabe  erwarten,  am  allerwenigsten  in  einem 
arabischen  Geschichtswerke.  Dazu  kommt,  dass  die  aus  dem 
Arabischen  abgeleiteten  Patriarchennamen  und  vor  Allem 
beim  Qäbin  die  Anspielung  auf  das  arabische  Wort  Qainah 
im  Grunde  genommen  im  sechsten  Jahrhundert  nach  Christi 
Geburt  kaum  erklärlicher  sind  als  im  ersten.    Meine  Ansicht 


686  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIETHSCHAPT 

über  Tabaris  Zeagniss  ist  nun  diese.  Das  von  ihm  angegebene 
Jahr  542  fallt  in  die  Regierung  des  Chosrü  Anüshirwan,  der 
bekanntlich  viele  griechische  und  andere  Bücher  ins  Persische 
übersetzen  liess.  Nun  weist  unter  den  wenigen  Traditionen, 
die  sich  unabhängig  von  Ibn  Wahshijjah  über  Thinkelüs  er- 
halten haben,  die  älteste  und  wichtigste  im  Fihristh  el-'ulüm 
bestimmt  auf  Persien  hin,  indem  sie  ihn  mit  dem  der  irani- 
schen Mythologie  angehörigen  Dzohhäk  in  Verbindung  bringt. 
Ich  glaube  also,  dass  das  griechische  Original  des  Thinkelüs 
frühzeitig,  eben  in  jenem  Jahre  542,  in  das  Persische  über- 
setzt und  diese  Uebersetzung  von  Späteren  geradezu  für  das 
Original  gehalten  worden  ist:  alle  jene  Angaben  über  Thin- 
kelüs dürften  aus  persischen  Quellen  geflossen  sein. 

§  10. 

Die   Entstehungszeit   des   nabatäischen    Buches    des 

Thenkeloshä. 

In  Bezug  auf  das  Verhältniss,  in  welchem  das  nach  Ibn 
Wahshijjahs  Aussage  von  ihm  aus  dem  Nabatäischen  über- 
setzte Buch  des  Thenkeloshä  zu  dem  echten,  einst  in  persi- 
scher Uebersetzung  erhaltenen  Werke  des  Thinkelüs  steht^ 
sind  drei  Annahmen  möglich.  Entweder  es  ist  ein  und 
dasselbe  Buch:  dann  muss  eine  gründliche  Interpolation  und 
Nabatäisirung  desselben  angenommen  werden,  die  arabischen 
Patriarchennamen,  Ermisä  und  alle  die  Themas,  welche  in 
den  übrigen  nabatäischen  Schriften  eine  so  grosse  Bolle 
spielen,  müssten  absichtlich  hineingebracht  und  Thinkelüs 
bei  dieser  Gelegenheit,  um  zu  einem  Originalschriftsteller 
gestempelt  werden  zu  können,  in  einen  Thenkeloshä  yer- 
wandelt  worden  sein.  Und  allerdings  ist  die  Erwähnung 
jener  Figuren  in  diesem  Buche  nicht  so  innig  mit  dem  In- 
halte desselben  verwachsen,  wie  dies  in  der  Nabatäischen 
Landwirthschaft  der  Fall  ist.  Damit  würde  dieser  genethlia- 
logischen  Schrift  im  Verhältniss  zu  den  übrigen  nabatäischen 
Schriften  etwa  die  Rolle  zugewiesen,  welche  die  Hermas- 
haudschrift  unter  den  Schätzen  des  Simonides  gespielt  hat: 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  687 

das  eine  bescheidene  echte  Product  sollte  andere  anspruchs- 
vollere unechte  decken.  In  diesem  Falle  würde  man  voll- 
kommen berechtigt  sein,  die  Frage  aufzuwerfen,  ob  nicht 
das  ganze  nabataische  Original  von  Ibn  Wahshijjah  aus  übel 
verstandenem  Patriotismus  erlogen,  das  Buch  vielmehr  ein- 
fach aus  dem  Persischen  übersetzt  worden  ist  und  vom  89 
Uebersetzer  absichtlich  etwas  nabataisches  Costüm  erhalten 
hai  Die  zweite  Möglichkeit  stützt  sich  auf  die  bestimmte 
Ueberlieferung,  dass  das  echte  Werk  des  Thinkelüs  ein  Bilder- 
buch war;  zur  Aufnahme  von  Bildern  ist  aber  auch,  wie 
Chwolson  aus  der  Beschaffenheit  der  Meshheder  Handschrift 
nachgewiesen  hat,  das  von  Ibn  Wahshijjah  producirte  Buch 
des  Thenkelöshä  bestimmt  gewesen.  Es  ist  sehr  wohl 
denkbar,  dass  im  Laufe  der  Zeit  der  persische  Text  wegen 
der  zu  Grunde  liegenden,  einer  älteren  Periode  angehorigen 
Terminologie  unverständlich  geworden,  bei  Seite  gelassen 
worden,  endlich  ganz  verloren  gegangen  war  und  nur  das 
Bilderbuch  sich  durch  Copien  bis  auf  Ibn  Wahshijjahs  Zeit 
erhalten  hatte.  Das  nabataische  Buch  über  die  Bilder  der 
Grade  der  Sphären  könnte  also  ein  den  trügerischen  Schein 
eines  Originalwerkes  annehmender  Versuch  sein,  den  ver- 
lorenen Urtext  nach  den  astrologischen  Kenntnissen  einer 
jüngeren  Zeit  wiederherzustellen:  es  wäre  also,  ähnlich  wie 
die  Scholien  zu  Ovids  Ibis,  eine  falsche  Glosse  auf  ein  echtes 
Thema.*)  Endlich  ist  auch  noch  die  dritte  Möglichkeit 
vorhanden,  dass  das  vorliegende  Buch  des  Thenkelöshä  ausser 
jedem  Connex  mit  den  echten  Schriften  des  Thinkelüs  steht 
und  einfach  als  ein  einem  berühmten,  halb  mythisch  gewor- 
denen Autor  untergeschobenes  Machwerk  anzusehen  ist. 

So  lange  nicht  das  Buch  des  Thenkelöshä  vollständig 
bekannt  gemacht  und  namentlich  die  Teukrosfrage  erledigt 
worden  ist,  wage  ich  nicht,  mich  für  eine  dieser  Annahmen 
bestimmt  zu  entscheiden,  wenn  ich  auch  nicht  verhehlen 
will,  dass  ich  bis  auf  Weiteres  die  dritte  fär  die  wahrschein- 
lichste halte.     So  viel  aber  steht  mir  fest,  dass  Chwolsons 


*)  [Vgl.  Band  1  S.  7.    F.  R.] 


688  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIBTHSCHAPT 

Versuch y  die  Abfassung  des  Buches  in  der  Gestalt,  in 
der  es  jetzt  vorliegt,  dem  ersten  Jahrhundert  n.  Ch.  zu 
yindiciren,  hoffnungslos  ist;  darin  schliesse  ich  mich  Ewalds 
Urtheile  völlig  an.  Und  sollte  sich  selbst  die  Echtheit  durch 
Annahme  sehr,  starker,  im  Interesse  der  Nabatäisirung  vor- 
genommener Interpolationen  retten  lassen,  so  wird  man  sich 
doch  sagen  müssen,  dass  die  Schilderungen  des  Thenkeloshä 
einen  wesentlich  kosmopolitischen  Charakter  tragen  und  man 
nicht  berechtigt  ist,  ihm  für  die  Eenntniss  echt  babylonischer 
Culturzustände  auch  nur  denjenigen  Werth  zuzuschreiben, 
auf  den  der  in  Babylon  spielende,  aber  ebenfalls  sehr 
denationalisirte  Roman  des  Babyloniers  Jamblichos  An- 
spruch machen  kann. 

XXIII. 

Die   nabatäischen   Schriften   sind   ein    gelehrter 
Betrug   aus   muhammedanischer   Zeit. 

Es  stellt  sich  also  als  das  Resultat  unserer  bisherigen 
Untersuchungen  heraus,  dass  die  nabatäischen  Schriften, 
welche  die  Namen  des  Qüthsami,  Järbüqä,  Adam!  tragen, 
90 nicht  vor  700  n.  Ch.  verfasst  sein,  das  dem  Thenkeloshä 
zugeschriebene  Buch  wenigstens  nicht  vor  dieser  Zeit  seine 
jetzige  Gestalt  erhalten  haben  kann.  Aus  dieser  Erkenntniss 
folgt  aber  mit  logischer  Nothwendigkeit  das  zweite  Ergeh- 
niss,  dass  sowohl  die  angebliche  nabataische  von  aramäi- 
schen Dialekten  ganz  verschiedene  Sprache  mit  eigenen, 
wunderbar  isolirt  dastehenden  Alphabeten  als  das  in  dieser 
Sprache  verfasste  Schiriftthum  eine  Erfindung  sind.  Denn 
hätten  nabataische  Sprache,  Schrift,  Literatur  in  der  an- 
gegebenen Zeit,  also  im  hellsten  Mittagslichte  der  Geschichte, 
wirklich  existirt,  so  hätte  nicht  jede  sonstige  Spur  ihrer  Exi- 
stenz verschwinden  können,  zumal  da  das  angeblich  naba- 
taische Schriftthum  sich  um  die  praktischen  Wissenschaften 
und  um  abergläubische  Praktiken  dreht,  also  um  Dinge, 
welche  die  Araber  ganz  besonders  interessiren  mussten.  Die 
letzte  unerbittliche  Consequenz  hiervon  ist  die,  dass  das  Vor- 
geben Ibn  Wahshijjahs,  er  habe  die  betreffenden  Schriften 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  689 

aus  dem  Nabatäischen  in  das  Arabische  übersetzt,  ein  trü- 
gerisches ist.  Somit  fallt  der  nächste,  der  dringendste  Ver- 
dacht, die  nabatäischen  Schriften  geschmiedet  zu  haben,  auf 
ihren  Herfiusgeber,  auf  Abübekr  Ahmed  ben  "Ali,  den  Chal- 
däer  aus  Qassin,  mit  dem  Beinamen  Ibn  Wahshijjah. 

XXIV. 

Die  politischen  und  religiösen  Voraussetzungen  der 
nabatäischen  Schriften  passen  auf  die  Zeit  des  Ibn 

Wahshijjah. 

Die  politischen  und  religiösen  Zustände,  unter  denen  Ibn 
Wahshijjah  lebte,  entsprechen  bis  ins  Kleinste  der  für  die 
AbfassuDgszeit  der  Nabatäischen  Landwirthschaft  fiugirten 
Situation.  Qüthsämi  (Ibn  Wahshijjah)  schrieb,  als  eine 
Fremdherrschaft,  die  der  Eanaanäer  (Araber),  auf  Babjlonien 
lastete.  Einige  der  kanaanäischen  Könige  (die  Chalifen  von 
MoHha9em^bis  MoHhamed)  hatten  Babylonien  sogar  der 
Ehre  beraubt,  Sitz  des  Reiches  zu  sein,  und  residirten  in 
Küthsä-ßijja  (Surmarraa).  Die  Kanaanäer  hassten  die  Na- 
batäer  oder  Chaldäer,  wie  Qüthsämi  S.  53  meint,  aus  Neid 
über  deren  geistige  üeberlegenheit:  bei  den  Arabern  zu  Ibn 
Wahshijjahs  Zeit  war  „Nabatäer"  ein  Schimpfwort  (S.  9). 
Qüthsämi  hat  Mühe,  seine  Abneigung  gegen  die  Kanaanäer 
zu  unterdrücken  und  verleugnet  nicht  im  Geringsten,  dass 
er  sein  Volk  für  hoch  erhaben  über  die  Kanaanäer  hält, 
äussert  sich  aber  doch  überall  sehr  vorsichtig  über  die 
fremden  Beherrscher  Babyloniens:  „ich  will  —  sagt  er 
S.  49  — ,  obgleich  selbst  Chaldäer,  die  Kanaanäer  nicht 
beleidigen  und  ihnen  auch  nichts  vorwerfen;  denn  seit  sie 
uns  beherrschen,  haben  sie  sich  gut  gegen  uns  betragen.^' 
Von  anderen  Gefühlen  konnte  auch  ein  unter  arabischer 
Herrschaft  lebender,  unter  dem  Einflüsse  arabischer  Bildung 
stehender  Nachkomme  der  Ureinwohner  nicht  beseelt  sein:  91 
die  Verschmelzung  zwischen  Herrschern  und  Beherrschten 
mochte  der  Nationaleitelkeit  der  Letzteren  noch  so  wenig 
zusagen,  sie  war  eine  vollendete  Thatsache,   die  auch  der 

T.  OuTBCHKiD,  Kleine  Schriften,   n.  44 


690  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAPT 

entschiedenste  Feind  der  Araber^  nicht  andern;  ja  kaum 
ernstlich  wegwünschen  konnte.  „Vor  unserer  Zeit  —  sagt 
Qüthsämi  S.  57  —  und  bevor  die  Eanaanäer  Babylonien  in 
Besitz  genommen  haben  ^  gab  es  in  den  meistoa  Städten 
dieses  Landes  Künstler ,  welche  sich  mit  der  künstlichen 
Ausarbeitung  der  (den  Göttern  zu  weihenden)  Thierfiguren 
beschäftigt  hatten;  nachdem  aber  die  Eanaanäer  zur  Herr- 
schaft gelangt  waren,  hörte  dieses  auf;  denn  die  Masse  des 
Volkes  bekennt  sich  zur  Religion  der  Könige."'  Allerdings 
war  zu  Ibn  Wahshijjahs  Zeit  die  Mehrzahl  der  Babylonier 
zum  Islam  bekehrt,  dein  alle  Abbilder  lebender  Wesen  ein 
heidnischer  Greuel. waren:  die  massenhafte  Annahme  einer 
neuen  Religion  in  Folge  einer  fremden  Eroberung  ist  etwas 
dem  ganzen  Alterthume  Unbekanntes^  der  Islam  steht  darin 
ganz  einzig  da.  Die  herrschende  Religion  zur  Zeit  des  Jär- 
büqa  und  Qüthsämi  (d.  i.  zu  Ibn  Wahshijjahs  Zeit)  war  die 
des  tshithsä  (der  Islam),  eine  auf  groben  Aberglauben  basirte 
Religion  mit  einer  Art  von  Papstthum  oder  geistlichem 
Chalifat  (d.  h.  mit  dem  wirklichen  Ghalifat)  an  der  Spitze, 
welche  nicht  auf  Babylonien  beschränkt  blieb,  sondern  sich 
allmählich  über  ganz  Mesopotamien  und  Syrien  verbreitete 
(S.  27).  Die  Ishithianer  übten  nach  S.  125  durch  ihre  Cen- 
tralisation  in  der  Person  ihres  Ghalifen,  der  als  Nachfolger 
oder  Stellvertreter  des  Ishithsä  (Muhammads)  angesehen  ward, 
eine  grosse  intolerante  Gewalt  aus:  Freidenker  setzten  sich 
ihren  Verfolgungen  aus  (Anspielung  auf  die  Ketzerverfolgungen 
mehrerer  Abbasiden,  vor  Allen  des  bigotten  Mothawakkel). 
Und  wohl  nicht  unabsichtlich  ist  gerade  Ishithsä  zum  Träger 
der  den  Islam  vorstellenden  Religion  gewählt  worden:  nach 
persischen  Mystikern  war  Seths  Wohnung  das  Baith -Allah, 
dessen  irdisches  Abbild  die  Ka^abah  ist  (Herbelot  s.  v.  Scheit). 
Der  freisinnige  Qüthsämi  ist  ein  entschiedener  Gegner  der 
Ishithianer  und  lässt  keine  Gelegenheit  vorbeigehen,  um  ver- 
steckte Angriffe  gegen  ishithsä  und  dessen  Religion  zu 
machen,  ja  er  findet  zuweilen  nicht  genug  Schmähworte  für 
die  Anhänger  derselben  (S.  27);  Järbüqä  äussert  sich  in 
demselben  Sinne,  wenn  auch  behutsamer  (S.  125).  Die  Tendenz 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  ^  691 

der  gesammten  angeblich  nabatäischen  Schriften  ist  eine 
entschiedene  Feindseligkeit  gegen  die  geoffenbarten  Religionen 
und  ein  entschiedener  Rationalismus  ^  dem  eine  Art  von 
Deismus  (mit  etwas  atheistischer  Färbung)  als  Ideal  vor- 
schwebt. Die  Heiden,  welche  noch  bis  ins  neunte  Jahrhundert 
unter  der  Herrschaft  der  Araber  dem  Glauben  ihrer  Väter 
treu  geblieben  waren,  konnten  die  herrschende  Religion  natür- 
lich nur  versteckt  angreifen  und  waren^  um  ihr  abgeblasstes 
Heidenthum  dem  Islam  gegenüber  überhaupt  halten  zu  können, 
darauf  angewiesen,  es  im  Lichte  einer  Yernunftreligion  er- 92 
scheinen  zu  lassen;  wie  verbreitet  diese  Ansichten  waren, 
sehen  wir  aus  der  einflussreichen  Stellung  der  Sabier  in 
Bagdad;  und  wie  feindselig  sich  namentlich  die  Bevölkerung 
am  unteren  Euphrat,  auch  nachdem  sie  äusserlich  den  Islam 
angenommen  hatte,  diesem  gegenüber  verhielt,  zeigen  die 
gerade  in  Ibn  Wahshijjahs  Zeit  fallenden  grossen  Erfolge 
der  Karmaten,  die  ihren  Hauptsitz  in  der  Gegend  von  Ba9rah 
und  Eüfah  hatten. 

Die  Stimmung,  welche  die  Nabatäische  Landwirthschaft 
als  die  der  alten  Babylonier  ihren  Beherrschern  gegenüber 
schildert,  kennen  wir  nun  gerade  als  die  ihres  Herausgebers. 
„Ibn  Wahshijjah  —  sagt  Chwolson  S.  9  — ,  beseelt  von 
einem  grimmigen  Hasse  gegen  die  Araber  (wie  dies 
auch  häufig  bei  neubekehrten  Persern  der  Fall  war)  und  voll 
Erbitterung  über  die  von  denselben  gehegte  Verachtung 
gegen  seine  Stammgenossen,  entschloss  sich,  die  unter  den- 
selben noch  erhaltenen  Ueberreste  der  altbabylonischen  Lite- 
ratur zu  übersetzen  und  zugänglich  zu  machen,  um  dadurch 
zu  zeigen,  dass  die  Vorfahren  seiner  von  den  Arabern  so 
tief  verachteten  Stammgenossen  eine  hohe  Cultur  besessen 
und  durch  ihre  Kenntnisse  viele  Völker  des  Alterthums  über- 
troffen hätten/'  Hierdurch  ist  die  Entstehung  des  Betrugs 
erschöpfend  motivirt:  der  Haupthebel  desselben  war  die 
Nationaleitelkeit  eines  gelehrten  Nabatäers  oder  Nachkommen 
der  alten  Babylonier,  dazu  gesellte  sich  die  Tendenz,  im 
Stillen  die  islamische  Orthodoxie  durch  Verbreitung  ratio- 
nalistischer Ideen,  auch  wohl  Parodierung  der  moslemischen 

44* 


692  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIllTHSCHAFT 

Tradition^  zq  unterwühlen,  was  natürlich  nur  der  ohne  Ge- 
fahr wagen  konnte,  der  solche  Gedanken  alten  Aatori1»ten 
in  den  Mund  legte,  denen  kein  Ghalif  mehr  etwas  anhahen 
konnte.  Es  ist  interessant  zu  sehen,  dass  gerade  zu  Anfang 
des  zehnten  Jahrhunderts,  als  Ihn  Wahshijjah  schrieb,  auch 
unter  den  Juden  eine  rationalistische  Auffassung  der  Bibel 
zahlreiche  Vertreter  fand:  ihren  Höhepunkt  erreichte  dieselbe 
in  der  frivolen,  geradezu  bibelfeindlichen  Kritik  des  Ketzers 
Hiwi  el-Balchi,  die  mit  der  Auffassungsweise  der  biblischen 
Tradition  in  der  Nabatäischen  Landwirthschaft  grosse  Ver- 
wandtschaft hat  (vgl.  Qrätz,  Geschichte  der  Juden  V  320  f. 
537  ff.).  Hiwi  deutete  z.  B.  Moses'  strahlendes  Antlitz  beim 
Herabsteigen  vom  Berge  Sinai  als  eine  homartige  Ver- 
trocknung  der  Gesichtshaut.  Der  Unglaube  war  epidemisch; 
der  arabische  Dichter  Abü'l- Alä  sang  damals:  „Moslemin, 
Juden,  Christen,  Magier  sind  in  Irrthum  und  Wahn  befangen; 
die  Welt  hat  nur  zwei  Gattungen  von  Menschen,  die  Einen 
haben  Einsicht,  aber  keinen  Glauben,  die  Anderen  sind 
gläubig,  aber  ohne  Verstand."  Ibn  Wahshijjah  war  ein  Kind 
seiner  Zeit. 

93  XXV. 

Das  zur  Schmiedung  des  Betrugs  erforderliche  Mass 
von  Kenntnissen  übersteigt  nicht  Ibn  Wahshijjahs 

Kräfte. 

Es  fragt  sich  nur:  Setzt  die  Nabatäische  Landwirthschaft 
und  die  mit  ihr  verwandten  Schriften  Kenntnisse  voraus, 
welche  einem  arabischen  Betrüger,  speciell  dem  Ibn  Wah- 
shijjah nicht  zugetraut  werden  können? 

Was  die  historischen  Kenntnisse  anlangt,  die  sich  in 
ihnen  manifestiren,  so  ist  zur  Genüge  dargethan  worden, 
dass  diese  gerade  nur  das  Niveau  des  Wissens  der  arabischen 
Schriftsteller  vom  gewohnlichen  Schlage  erreichen.  Die  Basis 
derselben  ist  die  dunkele  Erinnerung  an  die  ehemalige  Grosse 
und  Weisheit  der  Chaldäer,  ihr  Angelpunkt  die  moslemische 
Legende;  doch  verräth  jenes  Schriftthum  auch  Bekanntschaft 
mit  rabbinischen  und  selbst  mit  echten  biblischen  Traditionen, 


UND  IHRE  QESCHWISTEE.  693 

die  sich  ein  Araber  sehr  leicht  durch  Verkehr  mit  Judea 
verschaffen  konnte.  Die  Stellen  über  Hermes^  Agathodamoo, 
u.  s.  w.  verrathen  eine  oberflächliche  Kenntniss  von  occiden* 
talischer  Wissenschaft;  andere  Spuren  machen  es  wahr- 
scheinlich, dass  er  eine  byzantinische  Chronographie  oder 
ein  ahnliches  Buch,  welches  einige  Brocken  über  den  älteren 
romischen  Kalender  enthielt,  benutzt,  aber  wegen  mangel- 
hafter Kenntniss  des  Griechischen  nicht  immer  richtig  ver- 
standen hat.  Von  anderen  griechischen  Sachen  konnte  er 
sich  mittelbar  durch  die  Arbeiten  der  Sabier  unterrichten. 
Anspielungen  auf  vergangene  Zustände  finden  sich,  wenn 
überhaupt,  nur  sehr  selten  und  nothigen  nirgends  zur  Annahme 
von  Quellen,  die  über  das  neuplatonische  Zeitalter  zurück- 
reichten: sollte  sich  meine  Yermuthung  bewahrheiten,  dass 
sich  Ausfälle  gegen  das  Ghristenthum  unter  der  Maske  des  * 
Ophismus  finden,  so  würde  sich  dies  durch  eine  Benutzung 
älterer  von  syrischen  Heiden  herrührender  Vorlagen  ge- 
nügend erklären  lassen.  Jeden  Versuch,  ihm  in  geographi- 
scher Beziehung  auf  den  Zahn  zu  fühlen,  hat  Ibn  Wahshijjah 
ein  für  alle  Mal  durch  die  Behauptung  abzuschneiden  ge- 
wusst,  dass  er  alle  älteren  geographischen  Namen  durch  die 
zu  seiner  Zeit  gebräuchlichen  ersetzt  habe  —  ein  Beginnen, 
dessen  Vermessenheit  er  wahrscheinlich  selbst  am  wenigsten 
ahnte,  und  das  er  augenscheinlich  nur  vorgeschützt  hat,  um 
seine  Lügen  mit  grösserer  Sicherheit  vorbringen  zu  können. 
Dagegen  bekunden  die  Nabatäische  Landwirthschaft  und  das 
Buch  von  den  Giften  nicht  geringe  naturwissenschaftliche 
Kenntnisse,  die  ein  gründliches  Studium  syrischer,  an  grie- 
chische Quellen  sich  anlehnender,  fachwissenschaftlicher  Werke, 
wahrscheinlich  sogar  der  griechischen  Originale  selbst  voraus- 
setzt. Allenthalben  findet  der  competenteste  Beurtheiler, 
Meyer  (Geschichte  der  Botanik  III  S.  54  ff.),  schon  allein 
nach  den  magern  Auszügen  bei  Ibn  el-Awwäm  und  Ibn  94 
Baithar,  Uebereinstimmung  mit  den  Lehren  des  Abendlandes; 
überall  begegnet  uns  längst  Bekanntes.  Ausser  Arabisch 
nnd  Syrisch  verräth  der  Fälscher  auch,  dass  er  Neupersisch 
verstanden  hat-,  ausgebreitetere  Sprachkenntnisse  braucht  er 


694  DIE  NABATAEISCHE  LANDWlßTHSCHAFT 

nicht  gehabt  zu  haben  ^  um  seine  nabatäische  Sprache  zu 
erfinden  und  ausser  einer  Reihe  unerhörter  Nomina  propria 
einige  Zauberformeln  darin  zu  componiren,  von  denen  noch 
abzuwarten  ist,  ob  sie  geschickt  componirt  sind. 

Dergleichen  Betrügereien  sind  im  Orient  nichts  weniger 
als  selten .  Sind  doch  ganze  Sprachen,  wie  das  von  Silyestre 
de  Sacy  entlarvte  Baläibalan,  vollständig  erdichtet  worden; 
in  einer  anderen  erfundenen  Sprache,  dem  Asmäni,  hat  die 
persisch-indische  Secte  der  Sipasier  ein  ganzes  Buch  auf- 
zuweisen, das  Desäthir,  mit  einer  ebenfalls  erfundenen  Ge- 
schichte ihrer  in  uralte  Zeiten  versetzten  Patriarchen,  der 
sogenannten  Mähäbäds  (vgl.  The  Dabistan  by  Shea  and 
Troyer  I  p.  5  S,),  —  Gerade  die  hier  verlangten  Kenntnisse 
finden  wir  alle  bei  Ibn  Wahshijjah.  Nach  Chwolson  S.  9 
verstand  er  Persisch  und  vielleicht  auch  Griechisch:  „er  war 
ferner  ein  Mann  von  bedeutender  philosophischer  Bildung 
und  besass  vielseitige  naturhistorische  Kenntnisse,  was  ihm 
wahrscheinlich  später  den  Ruf  eines  Zauberers  zuzog.  Er 
machte  auch  viele  Reisen,  besuchte  Aegypten,  Persien  und 
Indien,  und  war  ein  Mitglied  der  Süfis,  in  deren  Versamm- 
lungen er  zuweilen  die  philosophischen  und  auch  manche 
der  theologischen  Lehren  der  alten  Chaldäer  mit  Beifall 
vortrug.'^  Als  Kenner  der  medicinischen  Literatur  fremder 
Völker  documentirt  sich  Ibn  Wahshijjah  in  der  Vorrede  zu 
dem  Buche  über  die  Gifte  (S.  129). 

XXVL 

Die  Reminiscenzen  aus  indischen  medicinischen 
Schriften  werden   für  Ibn  Wahshijjah 

verrätherisch. 

Der  Verdacht  wird  noch  dringender  dadurch,  dass  in 
den  nabatäischen  Schriften  Sachen  vorkommen,  deren  Kennt- 
niss  von  einem  gewöhnlichen  Araber  nicht  vorausgesetzt 
werden  kann,  von  denen  wir  aber  wissen,  dass  gerade  Ibn 
Wahshijjah  sie  kannte.  Die  Nabatäische  Landwirthschaft 
giebt  dem  chaldäischen  Arzte  Rewähtä  einen  Temüshän  zum 


UND  IHRE  GESCHWISTEß.  695 

Yater  (S.  121),  der  verdächtig  an  den  Inder  Tamosheh  an- 
klingt, eine  der  von  Ibn  Wahshijjah  in  der  Vorrede  zum 
Giftbuche  (S.  129)  namhaft  gemachten  medicinischen  Auto- 
ritäten. 

Schlagender  noch  ist  ein  zweites  Beispiel.  Unter  den 
abenteuerlichen  Geschichten,  von  denen  schon  Chwolsons 
kurze  Mittheilungen  eine  reiche  Blumenlese  bieten,  findet 
sich  auch  die  Fabel  von  einem  Mädchen,  das,  wenn  es  von 
der  Geburt  an  eigens  präparirt  wird,  Jeden,  der  ihm  bei- 
wohnt, augenblicklich  tödtet  (S.  119).  Dies  ist  offenbar  eine  96 
indische  vishakanjä  oder  Giftmädchen,  eine  in  der  sanskriti- 
schen Literatur  ziemlich  häufige  Erscheinung.^  Von  den 
Indern  haben  die  Araber  diese  Fabel  kennen  gelernt.  Eine 
classische  Stelle  darüber  findet  sich  in  Qazwinis  Geographie 
(bei  Gildemeister,  Scriptorum  Arabum  de  rebus  Indicis  loci 
et  opuscula  inedita,  p.  219 — 276),  welche  die  Erzählung  des 
Järbüqä  trefflich  illustrirt:  „Unter  den  Wundern  Indiens  ist 
ferner  das  Kraut  el-bish*),  welches  nur  in  Indien  gefunden 
wird  und  ein  todtliches  Gift  ist  ....  Die  indischen  Könige, 
wird  erzählt,  nehmen,  wenn  sie  Einem  nach  dem  Leben 
trachten,  neugeborene  Mädchen  und  streuen  jenes  Kraut 
einige  Zeit  hindurch  erst  unter  ihre  Bettstellen,  darauf  unter 
ihre  Streu,  dann  unter  ihre  Kleider.  Endlich  geben  sie  es 
ihnen  in  Milch  zu  gemessen,  so  lange  bis  das  Mädchen, 
wenn  es  gross  geworden  ist,  el-bish  zu  essen  anföngt,  ohne 
Schaden  davon  zu  tragen.  Dann  schicken  sie  dieses  Mädchen 
mit  Geschenken  an  den  Konig,  dem  sie  Nachstellungen  be- 
reiten; wenn  er  ihr  nämlich  beiwohnt,  stirbt  er."  Unter  den 
Fällen,  wo  nach  der  Behauptung  der  Inder  diese  Theorie 
ihre  praktische  Probe  bestanden  haben  soll,  geht  uns  einer 


1)  Nach  einer  Mittheilang  des  Herrn  Professor  Brockhaas  kommen 
solche  yishakanjäs  nicht  nur  in  der  Märchensammlung  des  Sömad^va 
Bhatta,  sondern  auch,  was  für  uns  wichtig  ist,  in  dem  medicinischen 
Werke  des  Sn9rata  vor,  von  dem  es  eine  arabische  Üebersetzung  gab. 

2)  Nach  Gildemeister  napellus,  die  Arfc  Sturmhat  (aconitum),  die 
wir  Venuswagen  nennen;  derselbe  verweist  auf  Qazwinis  Naturgeschichte 
bei  Chezj  in  Sacjs  Chrestom.  arabe  III  p.  178. 


696  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIBTHSCHAFT 

besonders  nahe  an^  der  in  dem  Drama  Mudräräkshasä  er- 
zählt wird  (vgl.  Wilson,  Theatre  of  the  Hindus  II  p,  146, 

ed.  2).  Räkshasa,  heisst  es,  der  Feind  des  Candragupta^ 
versuchte  diesen  durch  ein  Giftmädchen  aus  dem  Wege  zu 
räumen,  welches  er  durch  Zauberkunst  hergerichtet  hatte. 
Nach  der  Märchensammlung  Purushaparikshä  (bei  Lassen, 
Indische  Alterthumskunde  II  S.  205  [S.  214  der  2.  Aufl.]) 
war  dieses  Giftmädchen  so   giftig,  dass  sogar  die  Fliegen, 

welche  sie  berührten,  starben.  Aber  Candraguptas  weiser 
Ilathgel)er   Eautilja   (der  Verschlagene,    stehender   Beiname 

des  Gänakja)  entdeckte  den  arglistigen  Anschlag  und  lenkte 
ihn  auf  das  Haupt  des  Parvate^a  ab,  so  dass  dieser  Neben- 
buhler des  Candragupta  ihm  zum  Opfer  fiel.  Canakja,  dessen 
berühmten  Namen  mehrere  Sanskritwerke  tragen,  ist,  wie 
Jeder  sieht,  identisch  mit  dem  Inder  Shänäq,  dessen  Buch 
von  den  Giften  von  Ibn  Wahshijjah  in  der  Vorrede  zu 
Järbüqiis  Buche  (S.  129)  aufgeführt  wird ;  es  war  von  dem 
Inder  Mankah  (wohl  sansk,  Mänikja)  unter  Aufsicht  des 
Abu  Häthim  von  Balch  für  den  Barmekiden  Jahjä  ben 
Chälid   ins  Persische,   dann   für   den   Ghalifen  Mämün   von 

dessen  Freigelassenen  Gauhari  ins  Arabische  übersetzt  worden 

(Flügel   in    der  Zeitschrift  der   deutschen  morgenländischen 

96  Gesellschaft  XI  S.  325).    Es  ist  kaum  zu  zweiieln,  dass  jene 

vom  weisen  Canakja  entdeckte  und  von  seinem  Schützlinge 
abgewendete  eigenthümliche  Art  der  Vergiftung  in  der  ihm 
zugeschriebenen  Schrift  vorkam,  und  dass  Ibn  Wahshijjah 
sie  aus  dieser  Quelle  kannte  und,  wie  gewöhnlich,  die  zweifel- 
hafte Ehre,  Giftmädchen  hergestellt  zu  haben,  seinen  Naba- 
täern  vindicirte. 

xxvn. 

Der  vermeintliche  Entlastungsbeweis;   die  Inten- 
tionen des  Betrügers. 

Diesen  in  hohem  Grade  gravirenden  Indicien  gegenüber 
fallen  die  von  Chwolsou  S.  14  für  Ibn  Wahshijjahs  Treue 
und   Gewissenhaftigkeit    angeführten   Argumente    in   Nichts 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  697 

zusammen  —  nämlich  für  seine  Treue  im  Uebersetzen:  denn 
auf  die  Eventualität;  dass  Jemand  ihn  für  den  Verfasser  er- 
klären könnte^  ist  als  auf  eine  gar  zu  arge  Ketzerei  nirgends 
die  mindeste  Rücksicht  genommen.  Dass  Ibn  Wahshijjah 
zu  seinen  angeblichen  Originalen  erläuternde  Zusätze  macht 
und  als  solche  bezeichnet^  ab  und  zu  über  ünverständlich- 
keit  oder  Unleserlichkeit  seiner  Quelle  klagt^  ist  die  noth- 
wendige  Folge  der  festgehaltenen  Fiction:  ebenso  gut  konnte 
man  aus  demselben  Umstände  beweisen^  dass  der  Don  Quixote 
von  Cervantes  wirklich  aus  dem  Arabischen  des  Sidi  Hamed 
ben  Engeli  übersetzt  v^orden  sei.  Uebrigens  hat  es  sich  im 
Laufe  der  Untersuchungen  Chwolsons  (s.  üeber  die  Ueber- 
reste  der  altbabylonischen  Literatur  S.  179.  Ueber  Tammüz 
S.  111)  herausgestellt;  dass  sich  auch  mitten  im  Texte  öfters 
Zusätze  von  Ibn  Wahshijjahs  Hand  finden,  die  sich  nicht 
ausdrücklich  als  solche  geben.  Diese  Wahrnehmung  wird 
zwar  die  Annahme  von  Interpolationen  sehr  erleichtern,  trägt 
aber  nicht  eben  dazu  bei^  die  Authenticität  der  nabatäischen 
Schriften  zu  erhohen:  es  ist  ein  altes  Manöver  der  Betrüger, 
den  angeblichen  Funden  ihre  Gommentare  beizugeben  und 
die  Grenzlinien  zwischen  beiden  absichtlich  verschwimmen  zu 
lassen;  es  ist,  um  ein  recht  eclatantes  Beispiel  anzuführen, 
immer  schwer,  häufig  unmöglich,  den  Text  des  Pseudoberosus 
und  den  Gommentar  des  Annius  von  Yiterbo  auseinander 
zu  halten. 

Jenen  einseitigen  Standpunkt  hält  Chwolson  auch  in 
seiner  neuesten  Schrift  noch  fest  und  behauptet,  die  ganze 
Haltung  und  der  ganze  Charakter  des  Buches  müssten  in 
der  Frage  nach  seiner  Authenticität  den  Ausschlag  geben. 
„Betrachtet  man  aber  —  sagt  er  „Ueber  Tammüz"  S.  108  flf.  — 
das  Buch  mit  vorurtheilsfreien  (!)  Augen  auf  diese  Weise, 
so  zeigen  sich  überall  die  deutlichsten  und  sichersten  Spuren 
des  hohen  Alters  desselben;  und  die  zahlreichen  Stellen,  wo 
z.  B.  Qüt^ämi  sich  für  einen  Zeitgenossen  einer  in  Baby- 
lonien  herrschenden  kanaanäischen  Dynastie  ausgiebt,  oder 
wo  er  den  Glanz  und  die  Herrlichkeit  Babyloniens  zu  seiner  97 
Zeit  schildert,   von  den  Tempeln  daselbst  im  Vorbeigehen 


698  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIETHSCHAPT 

spricht^  die  Sitten  und  Gebrauche  der  in  den  späteren  Zeiten 
längst  verschwundenen  und  yerschoUenen  Volker  beschreibt^ 
von  Anhängern  uns  völlig  unbekannter  Religionen  spricht 
und  seine  Sympathien  für  dieselben  oder  seine  Antipathien 
gegen  sie  mit  dem  lebendigsten  Nachdruck  äussert,  und  von 
der  immer  ausgedehnteren  Verbreitung  der  Religion  des  tshit'a 
redet  und  dabei  seine  Befürchtung  kund  giebt,  dass  dieselbe 
noch  eine  sehr  lange  Dauer  haben  würde  ^  und  dem  Aehn- 
liehen:  solche  Stellen,  sagen  wir,  entscheiden  über  das  Alter 
des  Buches,  nicht  aber  ein  einziges  Wort,  ein  einziger  Name 
wie  Jünän,  dessen  Bedeutung  in  einem  alten,  in  Babylon 
abgefassten  Buche  wir  nicht  kennen,  oder  irgend  ein  Städte- 
name,  den  Ibn  Wahshijjah  statt  des  alten  Namens  seines 
Originals  zu  setzen  für  gut  befunden  hat  und  dabei  einen 
grossen  Irrthum  begangen  haben  kann.''  —  Gelänge  es  Chwol- 
son,  seiner  Auffassung  Geltung  zu  verschaffen,  so  wäre  damit 
die  Streitfrage  vom  Gebiete  der  Thatsachen  glücklich  auf 
das  Gebiet  der  subjectiven  Ansichten  und  Empfindungen  ver- 
legt, wo  eine  Verständigung  der  Natur  der  Sache  nach  nicht 
zu  erwarten  ist;  denn  es  lässt  sich  mit  Bestimmtheit  voraus- 
setzen, dass  Chwolson  seine  vier  nabatäischen  Mohren  in 
allen  den  Fällen,  wo  sie  dem  vorurtheilsfreien  Betrachter 
sehr  schwarz  erscheinen  werden,  sehr  weiss  finden  wird. 
Wie  können  die  von  Chwolson  geltend  gemachten  umstände 
gegen  die  Annahme,  dass  sich  Qüthsämi  nur  unter  beab- 
sichtigter Täuschung  der  Leser  in  eine  sehr  alte  Zeit  zurück- 
versetzt, das  Geringste  beweisen?  Chwolson  brauchte  nur 
das  Buch  Desäthir  einzusehen,  um  sich  zu  überzeugen,  dass 
die  angenommene  Maske  eines  in  der  Urzeit  schreibenden 
Verfassers  von  anderen  Orientalen  mit  ungleich  mehr  Takt 
und  Geschick  durchgeführt  worden  ist,  als  in  den  von  Ibn 
Wahshijjah  producirten  Machwerken. 

Mehr  hat  ein  anderes  von  Chwolson  für  Ibn  Wahshijjah 
geltend  gemachtes  Argument  auf  sich,  dass  er  nämlich 
Dinge  mittheile,  die  in  den  Augen  der  Muhammedaner  bald 
höchst  lächerlich  und  abgeschmackt,  bald  höchst  gottlos  er- 
scheinen müssen  und  durch  welche  er  seinem  Streben,  den 


UND  IHEE  GESCHWISTER.  699 

Ruhm  der  alten  Babylonier  bei  seinen  Zeitgenossen  ins  beste 
Licht  zu  setzen ;  gerade  entgegenarbeitet.  Abgeschmackt 
genug  ist  freüich  das  System  der  Zauberei,  welches,  wie 
Meyer  richtig  ahnte,  einen  integrirenden  Bestandtheil  des 
nabatäischen  Schriftthums  bildet,  viel  abgeschmackter  sogar^ 
als  Chwolson  zugeben  will.  Dieser  versichert,  unter  der 
babylonischen  Zauberei  habe  man  etwas  anderes  als  ver- 
nunftlose  Hexereien  zu  verstehen,  was  wir  damit  meinen;  es 
sei  vielmehr  gewissermassen  ein  rationelles,  auf  bestimmte 
Principien  basirtes  Zaubersystem  gewesen:  der  babylonische 
Zauberer  habe  nur  die  geheimen  Kräfte  der  Natur  kennen 
und  bei  seinen  Manipulationen  den  Naturprozess  nachahmen 
wollen.  Er  habe  nicht  in  unserem  Sinne  die  Hülfe  des  98 
Teufels  in  Anspruch  genommen  und  weder  mit  bösen  noch 
mit  guten  Geistern  in  Verbindung  gestanden;  seine  Be- 
schwörungen hätten  nicht  den  Charakter  von  zauberartigen 
Beschwörungen  in  unserem  Sinne,  sondern  es  seien  An- 
rufungen der  Götter  bei  ihren  grossen  und  geheimen  Namen, 
wie  sie  auch  der  abendländische  Priester  und  der  neuplato- 
nische Theurg  vorgenommen  hätten,  ohne  dadurch  in  die 
Kategorie  des  Zauberers  zu  treten  (S.  59.  124  f.).  Anwei- 
sungen zur  Bereitung  von  Talismanen  würden  allerdings  in 
der  Nabatäischen  Landwirthschaft  hier  und  da  nach  älteren 
Autoren  mitgetheilt;  aber  unter  Talismanen  sei  hier  etwas 
Anderes  zu  verstehen  als  das,  was  wir  damit  meinen:  mit 
Talismanen  sei  jedes  Mittel  gemeint,  dessen  Wirksamkeit  aus 
rationellen  Gründen  nicht  zu  erklären  ist;  weshalb  auch  die 
Talismane  oft  einen  rein  religiösen  Charakter  hätten.  Solche 
Talismane  fönde  man  aber  auch  oft  bei  griechischen  und 
römischen  Georgikem  (S.  114  f.).  In  der  praktischen  Anwen- 
dung des  an  und  für  sich  in  gewisser  Beziehung  richtigen 
Satzes,  dass  der  Mensch  die  Natur  nachahmen  und  selbst 
Dinge  schöpferisch  produciren  könne,  seien  die  alten  Baby- 
lonier allerdings  zu  weit  gegangen,  indem  sie  behaupteten, 
dass  man  nicht  bloss  Pflanzen  und  Metalle,  sondern  sogar 
lebende  Wesen  künstlich  erzeugen  könne,  wenn  man  nur  die 
dazu  nöthigen  Stoffe  besitze  und  die  Behandlung  derselben 


700  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIBTflSCHAPT 

verstehe.  Ihre  Annahme,  fQgt  Ghwolson  beschönigend  hinzu, 
sei  leicht  erklärlich,  wenn  man  bedenke,  dass  erst  die  neuere 
Wissenschaft  nachgewiesen  zu  haben  glaube,  dass  es  keine 
Generatio  aequivoca  mehr  gebe:  etwas  aus  Nichts  erzeugen 
zu  können,  habe  dagegen  kein  Babjlonier  behauptet  (S.  165  f.). 
Ghwolson  erörtert  dieses  Thema  mit  vielem  Aufwände  von 
Worten,  kommt  mehrmals  darauf  zurück  und  legt  sichtlich 
besonderen  Werth  darauf.  Prüft  man  nun  aber  die  mitge- 
theilten  Proben,  so  wird  jeder  Unbefangene  zugestehen  müssen, 
dass  diese  mit  dem  tollsten  Zeuge,  was  sich  von  diesem 
Genre  bei  Plinius  und  in  den  Geoponicis  findet,  nicht  bloss 
wetteifern,  sondern  dieses  Alles  weit  hinter  sich  lassen;  man 
vergleiche  nur  z.  B.  die  Erzählung  S.  166,  wie  'Ankebüthsä 
nicht  nur  eine  weisse  Ziege,  sondern  selbst  einen  Honiunculus 
zu  Stande  brachte,  und  wie  ein  späterer  Zauberer  ^inäthsä, 
dem  'Ankebüthsas  Lorbeeren  keine  Ruhe  Hessen,  ihm  dies 
ganz  gewiss  nachgemacht  haben  würde,  wenn  ihm  der  regie- 
rende Eonig  nicht  aus  politischen  Gründen  das  Handwerk 
gelegt  hätte.  Ghwolsons  „Rectificirung^^  von  Meyers  Ansicht 
läuft  im  Grunde  darauf  hinaus,  dass  die  babylonischen 
Zaubereien  nicht  genau  einer  der  Kategorien  entsprechen, 
die  nach  dem  Malleus  maleficarum  ihren  Urheber  dazu  quali- 
ficiren,  als  Hexenmeister  an  die  Gerichte  abgegeben  zu  werden. 
Dies  ist  aber  gerade  der  Punkt,  der  auch  in  den  Augen  der 
muhammedanischen  Orthodoxie  Ihn  Wahshi,jjahs  Mitthei* 
99lungen  als  minder  verfänglich  erscheinen  lassen  musste:  die 
Sache  selbst  ist  gewiss  nur  von  wenigen  Moslems  mit  den 
Augen  angesehen  worden,  mit  welchen  wir  sie  ansehen,  wird 
vielmehr  bei  der  herrschenden  Geschmacksrichtung  den  Bei- 
fall der  meisten  Leser  gefunden  haben.  Ibn  Wahshijjah 
schlug  mit  diesen  Zaubergeschichten  eine  schwache  Seite 
seiner  Zeitgenossen  an,  und  wer  darauf  speculirt,  speculirt 
selten  falsch.  In  der  That  ist  die  Nabatäische  Landwirth- 
schaft  gewiss  nicht  trotz,  sondern  wegen  der  zahlreichen 
abergläubischen  Praktiken,  die  darin  abgehandelt  sind,  bei 
den  Muhammedanem  ein  so  viel  gelesenes  Buch  geworden. 
Was  den  zweiten  von  Ghwolson  ^r  Ibn  Wahshijjahs 


UND  IBRE  GESCHWISTER.  701 

Treue  angeführten  Punkt  angeht^  die  Erwähnung  von  Dingen^ 
die  dem  Muhammedaner  gottlos  erscheinen  mussten^  so  haben 
wir  gesehen,  dass  Ihn  Wahshijjah  gerade  das  Gegentheil 
eines  guten  Moslems  war  und  sich  allem  Anscheine  nach 
der  von  ihm  den  Nabataern  untergeschobenen  Schriften  als 
eines  Vehikels  für  die  Verbreitung  seiner  ketzerischen  An- 
sichten bediente.  Wir  wissen,  dass  es  damals  unter  den 
Augen  des  Chalifen  selbst  ein  zahlreiches  Publikum  gab, 
welches  dergleichen  Ansichten  mit  grossem  Behagen  auf- 
nahm: die  Süfis  fanden  an  den  Enthüllungen  ihres  Ordens- 
bruders Vergnügen,  was  nicht  zu  verwundern  ist,  da  ent- 
schieden sufitische  Dogmen  darin  vorkommen,  wie  das,  dass 
Gott  von  seinem  Lichte  den  Frommen  und  Weisen  des 
Alterthumes  mitgetheilt,  sie  mit  demselben  umgeben  habe^) 
(Chwolson,  Ueber  Tammüz  S.  94).  Welche  Kreise  Ibn 
Wahshijjahs  Productionen  besonders  verbreiteten ,  können 
wir  vielleicht  auch  aus  dem  Umstände  entnehmen,  dass 
eine  sehr  alte  Abschrift  seiner  Ancient  alphabets  von  dem 
Harranier  Hasan  ben  Farag,  einem  Nachkommen  des  be- 
rühmten Thsäbith  ben  Qorrah,  herrührt  (Äncient  alphabets 
p.  136).  Indem  Ibn  Wahshijjah  dergleichen  incorrecte  An- 
sichten uralten  babylonischen  Persönlichkeiten  in  den  Mund 
legte,  deckte  er  sich  selbst  und  schmälerte  die  Glorie  seiner 
Ahnen  in  den  Augen  der  Moslems  gewiss  nicht  erheblich: 
bei  Heiden,  die  in  den  Zeiten  der  Unwissenheit  lebten,  trug 
etwas  Gottlosigkeit  mehr  oder  weniger  nichts  aus.  Und  es 
ist  wohl  zu  beachten,  dass  Ibn  Wahshijjah  vorsichtig  und 
planmässig  verfahren  ist:  die  ersten  drei  grossen  Propheten 
von  den  sechs,  welche  die  Muhammedaner  anerkennen,  Adami, 
Anühä,  Abrühüm,  werden  durchweg  mit  dem  grössten  Respect 
behandelt;  der  angebliche  Qüthsämi  weist  mit  Vorliebe  nach, 
dass  diese  seine  eigenen  Ansichten  getheilt  hätten.  Die 
Hauptsache  bleibt  aber  immer  die,  dass  der  Verfasser  der 
Nabatäischen  Landwirthschaft  in  dem  Lichte  eines  Gegners 


1)  So  nach   einer  Berichtigung   des   Herrn   Professor  Fleischer. 
Siehe  unten  dessen  Anhang  [S.  715]. 


702  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIETHSCHAPT 

lOOder  herrschenden  Religion,  des  Heidenthums,  und  als  An- 
hänger  einer  reineren  Gottesverehrung  erscheint. 

Noch  konnte  Jemand  gegen  die  Autorschaft  des  Ibn 
Wahshijjah  anführen,  dass,  wer  so  solide  naturwissenschaft- 
liche und  medicinische  Kenntnisse  besitzt,  wie  der  Verfasser 
der  Nabatäischen  Landwirihschaft  sie  doch  besessen  haben 
muss,  sie  lieber  in  einem  eigenen  Buche  niederlegen  wird, 
statt  sich  durch  einen  derartigen  Betrug  muthwillig  zu  einem 
blossen  Uebersetzer  zu  degradiren.  Allein  dieser  Schein- 
grund würde  auf  einer  völligen  Verkennung  des  Wesens 
des  arabischen  Schriftthums  beruhen.  Ich  verweise  auf  die 
meisterhafte  Charakteristik  desselben  in  Meyers  Geschichte 
der  Botanik  III  S.  102  ff.  und  theile  eine  Stelle  daraus  mit, 
die  nicht  auf  Ibn  Wahshijjah  Bezug  hat,  aber  zur  Com- 
mentirung  unseres  Falles  wie  geschaffen  ist.  S.  107  f.  heisst 
es:  „Selbst  originelle  Schriftsteller,  an  denen  es  doch  nicht 
ganz  fehlt,  suchten  ihren  Ruhm  weniger  in  der  Originalität 
als  in  der  Belesenheit,  und  affectirten  wohl  gar  den  Schein 
blosser  Compilatoren,  indem  sie  ihr  Eigenthümliches  so  dar- 
zustellen suchten,  als  wäre  es  längst  ausgesprochen,  und 
von  ihnen  nur  vermöge  umfassender  Gelehrsamkeit  aus  dem 
Dunkel  der  Vergessenheit  aufs  Neue  hervorgezogen.  Nicht 
ohne  Einfluss  auf  diese  Form  der  Darstellung  war  vielleicht 
der  Druck  des  Despotismus.  Einen  eigenen  Gedauken  keck 
hinzustellen  konnte  oft;  gefahrlicher  sein,  als  ihn  mit  den 
Worten  eines  anerkannten  längst  verstorbenen  Meisters  nur 
zu  wiederholen,  oder  aus  demselben  zu  entwickeln.  Dem 
urtheilslosen  Despoten  galten  solche  Worte  unstreitig  mehr 
als  die  schlagendsten  Gründe  eines  Zeitgenossen,  den  er  als 
Spielball  seiner  Laune  betrachtete."  Dass  Ibn  Wahshijjabs 
Unternehmen  in  diesem  Sinne  aufgefasst  ward,  er  sich  somit 
nicht  verrechnete,  lehrt  der  Umstand,  dass  er  sehr  häufig 
geradezu  als  Verfasser  der  von  ihm  angeblich  aus  dem  Na- 
batäischen übersetzten  Schriften  angeführt  wird  (Chwolson 
S.  169):  wobei  die  Möglichkeit  offen  bleibt,  dass  ein  Gerücht 
Über  den  wahren  Sachverhalt  transpirirte  oder  der  Betrug 
selbst  für  muhammedanische  Begriffe  von  Kritik  zu  plump  war. 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  703 

XXVIIL 

Ibn  Wahshijjah  ist  ein  längst  entlarvter  Betrüger. 

Die  Yermuthung^  dass  die  Nabatäisclie  Landwirthschaft, 
das  Buch  von  den  Giften  und  das  von  den  künstlichen  Er- 
zeugungen Werke  des  Ibn  Wahshijjah  selbst  sind,  das  Buch 
des  Thenkeloshä  mindestens  von  ihm  überarbeitet  ist^  wird 
zur  Gewissheit  durch  die  Thatsache,  dass  Äbübekr  Ahmed 
ibn  Wahshijjah  ein  längst  überführter  Betrüger  ist.  Dass 
die  von  Hammer  1806  herausgegebenen  und  übersetzten 
Ancient  alphabets  eine  Fälschung  der  allergrobsten  Art  sind^ 
darüber  wird  nach  den  oben  von  uns  mitgetheilten  Probenioi 
kein  Verständiger  in  Zweifel  sein,  und  schon  Silvestre  de  Sacy 
hat  in  der  Anzeige  jener  Ausgabe  im  Magasin  encyclopedique 
Tom.  VI  (1810)  p.  145 — 175  mit  unumstosslicher  Evidenz 
nachgewiesen,  dass  der  Verfasser  der  Ancient  alphabets  ein 
Betrüger  ist.  Wenn  de  Sacy  Zweifel  hegte,  ob  Ibn  Wahshijjah 
der  Verfasser  sei,  so  sind  diese  Zweifel  mittlerweile  beseitigt 
worden  (vgl.  Chwolson,  Die  Ssabier  I  S.  823).  Seit  der 
Sacyschen  Untersuchung  wird,  wie  ich  mir  von  sachkundiger 
Seite  habe  versichern  lassen,  die  Sache  allgemein  als  erledigt 
angesehen;  wer  ja  noch  Skrupel  haben  sollte,  ob  diese  herr- 
schende Ansicht  berechtigt  ist,  den  bitten  wir,  die  erste  beste 
Seite  der  Aucient  alphabets  aufzuschlagen,  und  er  wird  von 
seinen  Skrupeln  gründlich  curirt  sein.  Chwolson  selbst  hat 
in  seinem  Werke  „Die  Ssabier"  II  S.  845  flF.  alle  einzelnen  in 
den  Bereich  seiner  damaligen  Untersuchungen  fallenden  Alpha- 
bete als  verdächtig  anerkannt,  aber  trotzdem  die  Erklärung 
abgegeben,  das  Werk  schiene  neben  vielem  Phantastischen 
auch  viel  Wahres  zu  enthalten,  de  Sacys  Ansichten  über 
dasselbe  wären  in  vieler  Beziehung  nicht  stichhaltig  und 
eine  neue  Bearbeitung  der  Ancient  alphabets  mit  Hilfe  von 
Aegyptologen  wäre  wünschenswerth.  Wenn  es  Aufgabe  der 
Kritik  wäre,  nicht  eher  zu  ruhen,  bis  ihre  negativen  Resultate 
von  Chwolson  anerkannt  würden,  so  wäre  ihr  eine  Sisyphos- 
arbeit  zu  Theil  geworden!  Was  übrigens  die  Zumuthung  an 
die  Aegyptologen  betrifft,  so  will  ich  zu  Chwolsons  Beruhigung 


704  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

bemerken^  dass  meine  Kenntnisse  in  der  Hieroglyphenlesung 
ausreichten,  um  hier  die  bestimmte  Versicherung  zu  geben, 
dass  sich  unter  den  vielen  in  den  Ancient  alphabets  zum 
Besten  gegebenen  hermetischen,  nabatäischen  und  pharaoni- 
schen  Hieroglyphen  als  rari  nantes  in  gurgite  yasto  einige 
wirkliche  Hieroglyphengruppen  finden,  die  Ibn  Wahshijjah 
während  seines  Aufenthaltes  in  Oberägypten  des  Spasses 
halber  von  den  Berbäs  copiert  zu  haben  scheint,  dass  aber 
die  Erklärung  derselben  ohne  Ausnahme  in  läppischen  Lügen 
besteht:  mindestens  neunzehn  Zwanzigstel  der  angeblichen 
Hieroglyphen  sind  dagegen  reine  Phantasiehieroglyphen. 

Wir  behaupten  nach  allem  diesem  mit  Toller  Ent- 
schiedenheit: die  angeblich  aus  dem  Nabatäischen  ins 
Arabische  übersetzten  Schriften  altbabylouischer 
Gelehrten  sind  Fälschungen  des  Ibn  Wahshijjah. 

XXIX. 

Ueber  die  von  Chwolson  für  die  Vertheidigung 

beanspruchte  Stellung. 

Wer  Schriften,  die  bald  nach  Nimrod  und  Abraham 
verfasst  zu  sein  vorgeben,  nun  auch  wirklich  dieser  uralten 
Zeit  vindiciren  will,  hat  die  Verpflichtung,  dafür  einen  soliden 
Beweis  beizubringen.  Statt  dessen  stellt  sich  Chwolson  ohne 
l02Weiteres  auf  den  Boden  jener  Machwerke  und  schiebt  den 
Gegnern  der  Echtheit  die  Beweislast  zu,  ohne  das  schon  von 
Meyer  ausgesprochene  Bedenken,  dass  die  Einkleidung  fingirt 
sein  könne,  auch  nur  der  Erwähnung  zu  würdigen:  wie  denn 
überhaupt  die  meisten  Einwände,  die  er  gegen  Meyers  klare 
und  umsichtige  Untersuchung  vorgebracht  hat,  ganz  nichts- 
sagend sind  und  nur  den  Erfolg  haben,  das  Gewichtige  von 
Meyers  Argumenten  recht  hervortreten  zu  lassen.  Nicht 
zufrieden  mit  der  von  ihm  beanspruchten  günstigen  Position 
verdächtigt  Chwolson  auch  noch  den  Text  des  Berossos, 
unterschätzt  die  Zeugnisse  der  Griechen  und  erklärt  nach 
Belieben  ihm  lästige  Resultate  der  neueren  Forschungen  für 
leere  Hypothesen;  ferner  construirt  er  ein  eigenes  System^ 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  705 

in  welchem  alles  Moderne,  das  bei  Ibn  Wahshijjah  vorkommt, 
als  nur  modeiH  im  Gegensatze  zu  einem  vorausgegangenen 
babylonischen  Alterthume  untergebracht  wird;  er  schlägt 
alle  durch  die  massenhaften  Anachronismen  hervorgerufenen 
Zweifel  mit  dem  triumphirenden  Zurufe  nieder:  ;,Wer  kann 
beweisen,  dass  das  und  das  im  vierzehnten  Jahrhundert  v.  Gh. 
nicht  wirklich  gewesen  ist?^'  —  er  schwingt  die  Fahne  des 
längst  abgethan  gewähnten  Euhemerismus  hoch;  postulirt 
für  seine  Clienten  einen  neuen  und  ganz  besonderen  Massstab 
der  Beurtheilung  und  stellt  Betrachtungen  an  über  die  negie- 
rende Kritik  der  dreissiger  Jahre  —  und  der  vierziger  und 
der  fünfziger,  hätte  er  hinzufügen  sollen,  und,  so  Gott  will, 
auch  der  sechziger  —  in  der  Art,  wie  sie  der  Pharisäer  über 
den  Zöllner  anstellte.  Von  einem  so  völlig  incommensurablen 
Standpunkte  aus  getraute  ich  mir  die  Echtheit  der  Producte 
des  Annius  von  Viterbo  und  jeder  beliebigen  anderen  Fälschung 
aufrecht  zu  erhalten:  und  ich  glaube  gern,  dass  es  weder 
mir  noch  einem  Anderen  gelingen  wird,  Chwolson  in  solcher 
Weise  zu  widerlegen,  dass  er  selbst  sich  für  widerlegt  be- 
kennt Auf  diese  Art  aber  wird  es  ihm  zwar  gelingen,  wie 
bisher  durch  seine  originelle  ^  scharfsinnige  und  beinahe 
fanatisch  warme  Darstellung  viele  Leser  zu  einer  vorüber- 
gehenden Gläubigkeit  zu  verleiten,  aber  nicht,  die  gelehrte 
Welt  dauernd  von  der  Richtigkeit  seiner  Ansichten  zu  über- 
zeugen. 

XXX. 

Was  ist  von  einer  Herausgabe  der  Geistesproducte 

Ibn  Wahshijjahs  zu  erwarten? 

Ueber  den  Werth  der  nabatäischen  Schriften  äussert  sich 
Ghwolson  in  einer  mit  dem  Eindrucke,  den  die  bisherigen 
Mittheilungen  auf  mich  und  auf  andere  nüchterne  Beurtheiler 
gemacht  haben,  im  grellsten  Gontraste  stehenden  Weise, 
z.  B.  S.  170:  „Das  Werk  des  Babyloniers  Tenkelüschä  ist  ein 
Schatzkästlein,  voll  von  Edelsteinen  und  Perlen:  ich  habe 
hineingegriÖ'en  und  einige  wenige  derselben  ausgestreut;  die 
Nabatäische  Landwirthschaft  dagegen  ist  ein  ga\)zes  Gebirge,l03 

▼.  OuTsCHMiD,  Kleine  Sohriften.   II.  45 


706  DIE  NABATAEISCBE  LANDWIRTE  SCHAFT 

gefüllt  mit  Gold,  Silber  und  Edelsteinen:  ich  habe  dieselben 
unberührt  gelassen,  nnd  beschränke  mich  darauf  . . .  einige 
Schachte  zu  eröffnen."  Sehen  wir  von  diesen  wahrhaft  orienta- 
lischen  Hyperbeln  ab,  so  ist  es  wohl  nicht  zu  bezweifeln, 
dass  sich  aus  den  nabatäischen  Schriften,  auch  wenn  wir  sie 
einfach  als  Producte  des  Ihn  Wahshijjah  behandeln,  durch 
Vergleichung  mit  der  Religion  der  Mendäer  und  den 
Lehren  der  Earmathen  mancher  interessante  Aufschluss 
über  die  culturgeschichtlichen  und  religiösen  Zustande  Baby- 
loniens  in  den  ersten  Jahrhunderten  der  muhammedanischen 
Herrschaft  wird  ableiten  lassen,  und  dass  es  einer  ver- 
gleichenden Kritik  vielleicht  selbst  gelingen  wird,  einzehie 
Stücke  auf  ältere  echte  Quellen  aus  vorislamischer  Zeit 
zurückzuführen:  aber  für  die  Eenntniss  des  wirklichen  baby- 
lonischen Alterthums  ist  der  Werth  jener  Schriften  voll- 
kommen Null.  Von  meinem  vorwiegend  historischen  Stand- 
punkte aus  kann  ich  es  nur  auf  das  Tiefste  beklagen,  dass 
Zeit,  Kosten,  Fleiss,  Mühe  aller  Art  auf  ein  derartiges  Mach- 
werk verwandt  werden  sollen,  so  lange  noch  die  beiden 
Fundamental  werke  der  arabischen  Historik,  so  lange  Tabari 
und  Massud!  gar  nicht  oder  doch  nur  zum  kleinsten  Theil 
veröffentlicht,  geschweige  denn  durch  Uebersetzungen  einem 
grosseren  Kreise  von  Gelehrten  zugänglich  gemacht  worden 
sind.^)    Allerdings  aber  hat  die  Frage  noch  eine  andere  Seite. 

1)  WSjre  nur  wenigstens  bei  den  zahlreichen  Pnblicationen  späterer 
orientalischer  Geschichtsbüclier  etwas  planmässiger  zu  Werke  gegangen 
worden!  Man  würde  z.  B.  von  dem  trotz  seines  späten  Zeitalters  durch 
seine  Benutzung  unzugänglicher  älterer  Quellen  recht  brauchbaren 
Mirchond  eine  fortlaufende  Geschichte  aller  persischen  Dynastien  von 
den  Pischdadiern  bis  zu  den  Ghuriden  im  Urtext  und  in  der  Ueber- 
setzung  besitzen,  wenn  nicht  die  vier  Seiten,  auf  welchen  die  Geschichte 
von  Iskanders  Tod  bis  auf  Ardeshir  abgehandelt  ist,  noch  heute  ihres 
Herausgebers  oder  doch  üebersetzers  harrten.  Wollte  sich  doch  ein- 
mal ein  Orientalist  die  kleine  Mühe  nehmen,  diese  störende  Lücke 
auszufüllen I  Das  Material  ist  leicht  zugänglich:  besitzt  die  Pariser 
Bibliothek  drei  Manuscripte  des  Raudzath  e\'(}&f&,  so  hat  auch  die 
Bibliothek  der  deutschen  morgenländischen  Gesellschafb  ihre  zwei  auf- 
zuweisen, die  den  betreffenden  Passus  enthalten,  Nr.  272  und  278,  von 
denen  die  erste,  vollständigere  auch  die  bessere  ist;  auch  enthält  die 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  707 

So  werthlos  aach  die  abergläubische  Pflanzenphysiologie  der 
Nabataiscten  Landwirthscbaft  ist^  so  verdient  doch  nach  dem 
ürtheile  Meyers,  der  hierin  vor  Allen  competent  ist,  das, 
was  bisher  von  ihrer  speciellen  Pflanzenkunde,  ihren  an 
Brauchbarkeit  mit  denen  des  Dioskorides  wetteifernden 
Pflanzenbeschreibungen ,  ihrer  ausgedehnten ,  durch  ihren 
Reichthum  die  der  Griechen  ergänzenden  Heilmittellehre  be- 
kannt geworden  ist,  die  vollste  Beachtung  und  lässt  aus  dem 
Originale  bedeutende  Aufschlüsse  über  die  arabische  Botanikl04 
erwarten.  Und  in  dieser  Hinsicht  muss  auch  ich  den  schon 
von  Meyer,  Geschichte  der  Botanik  ITI  S.  59  ausgesprochenen 
Wunsch,  dass  das  vielbesprochene  Werk  endlich  herausgegeben 
werden  möchte,  als  nicht  unberechtigt  anerkennen;  nur  möchte 
ich,  da  der  Werth  von  Ihn  Wahshijjahs  Schriftstellerei 
lediglich  in  seinen  botanischen  und  medicinischen  Mit- 
theilungen zu  suchen  ist,  den  Wunsch  aussprechen,  dass  der 
künftige  Herausgeber  sich  bei  seiner  Arbeit  des  Beistandes 
eines  gelehrten  Naturforschers  versicherte.**)  Man  darf  nicht 
zweifeln,  dass  sich  zum  Herausgeber  Herr  Professor  Chwolson 
einerseits  durch  seine  eingehende  Kenntniss  der  Ausgänge 
des  orientalischen  Heidenthums,  andererseits  durch  seine  an- 
dauernde Beschäftigung  mit  Ibn  Wahshijjahs  Schriften  vor 
Allen  qualifiziren  würde,  wollte  er  nur  seinem  Autor  gegen- 
über eine  unbefangenere  Stellung  einnehmen  und  die  un- 
dankbare Rolle  eines  Advocatus  diaboli  mit  der  angemesseneren 
eines  vomrtheilsfreien  Untersuchers  und  Richters  vertauschen. 


Bombayer  Ausgabe  den  Mirchond  wobl  vollständig  (die  gedruckte 
türkische  Uebersetzung  nmfasst  bloss  den  ersten  Theil,  die  Geschichte 
der  Propheten).*) 

*)  [Vgl.  Müblau  and  Gatschmid,  Zur  Geschichte  der  Arsakiden 
in  der  Zeitschrift  der  deutschen  morgenländischen  Gesellschaft  Band  XV 
S.  664-689.     F.  R.] 

**)  [Vgl.  unten  S.  718.    F.  R.] 


45 


708  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

E  X  c  u  r  s. 

üeber  Teukros  den  Babylonier. 

Das  längste  Fragment  des  Babyloniers  Teukros  ist  von 
dem  im  elften  Jahrhundert  lebenden  Michael  Psellos  auf- 
bewahrt in  dem  Buche  IIsqI  ^agado^&v  ävayvcaöfid' 
rmv  (bei  Westermann,  Paradoxographi  p.  147  f.)  und 
lautet  in  deutscher  Uebersetzuug,  wie  folgt:  „Aus  den  Büchern 
Teukros'  des  Babyloniers  kann  man  viele  höchst  wunderbare 
Dinge  lernen  und  sich  mit  Hilfe  der  darin  befindlichen^) 
ThierkreiszeicheD,  der  bei  jedem  derselben  aufgehenden  Gegen- 
stände (xiäv  naQavarskXovtcDV  ixdöto}  xovteav)  und  der  so- 
genannten Dekane  vielfache  Chancen  bei  verschiedentlichen 
Verrichtungen  verschaflfen.  Es  sind  nämlich  in  jedem  Thier- 
kreiszeichen  drei  Dekane  auserwählt,  mannigfaltig  gestaltet^ 
der  eine  als  Beilträger,  der  andere  mit  dem  Attribute  einer 
anderen  Figur  versehen;  gravirst  du  nun  deren  Figuren 
und  Attribute  in  den  zur  Aufnahme  des  Steines  bestimmten 
Kingkasten,  so  werden  sie  Unheil  von  dir  abwenden.  So, 
wie  gesagt,  Teukros  und  die,  welche  nach  seiner  Art  die 
himmlischen  Zeichen  studiert  haben/'  Kürzer  lauten  die 
Worte  des  älteren  Porphyrios  in  der  Introductio  in 
Ptolemaei  librum  de  effectibus  astrorum  (p.  200  ed. 
l05Basi].):  „Dargelegt  sind^)  die  Einwirkungen  {za  dxotsXdö^ta) 
der  Dekane,  der  bei  ihuen  aufgehenden  Gegenstände  (täv 
nttQavazBkXovrov  avrotg)  und  der  Bilder  (nSv  nQ06&7tmv) 
von  Teukros  dem  Babylonier/'  Stücke  aus  dem  Buche  des 
Teukros  sind  handschriftlich  erhalten,  aber  noch  nicht  ge- 
druckt Am  wichtigsten  ist  die  Notiz  des  Catalogus  codd. 
Graecc.  bibl.  Laurentianae  (ed.  Bandini)  II  p.  61:  Plui 


1)  So  etwas  verlangt  der  Sinn  mit  Noth wendigkeit;  Salmasius* 
Aenderung  iv  ovgavm  für  das  überlieferte,  allerdings  verderbte  h 
avz€o  ist  unpassend:  ich  zweifle  nicht,  dass  xmv  ivovrmv  ^mdüov  za 
schreiben  ist. 

2)  Für  iynsivtai,  ist  schon  in  der  Baseler  Ansgabe  richtig  ^xnsivtai 
vermuthet  worden. 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  709 

XXYIIIy  cod.  34  continens  ^Eq^lov  largov  ^a&rj^attxd  etc. 
(Codex  Graecus  membranaceus  ms.  in  4.  saec.  XL):  p.  134^ 
IIsqI  täv  xaQttvarekXovrav  xotg  ß'  ipdioig  xatic  TevxQOv. 
Inc.  Tp  XQi^  naQavatikXovftiv  aXiBvg  etc.  Des.  xlriQovo^ünv 
driloL  Subuectitur  p.  136^  observatio  horarum  uniuscuiusque 
diei  et  dieram  ipsorum  secundum  Septem  planetas.  Weniger 
genau  ist  eine  Nachweisung  bei  Ph.  Labb^,  Nova  biblio- 
theca  mss.  librorum  (Paris.  1653^  4.)^  p.  278^  die  ich  aber 
doch  ganz  mittheilen  will,  theils  um  weitere  Nachforschungen 
zu  erleichtern^);  theils  weil  man  aus  den  Umgebungen  des 
Teukros  sieht ,  wess  Geistes  Eind  er  ist  Labbe  führt  nach 
den  Gatalogi  bibliothecae  Regiae,  qui  a.  1622  opera  N.  Rigaltii, 
Gl.  Salmasii  et  lo.  Hautini  primum  perfecti^  a.  1645  opera 
fratrum  P.  et  lac.  Puteanorum  denuo  recogniti  et  aucti  fue- 
runt,  als  No.  460^)  folgenden  Godex  an:  Astrologica  ex 
Leone  Philosopho,  Theodosio^  Yalente,  Demetrio,  Rhetorio; 
DorotheO;  Maximo^  Hephaestione^  Zoroastre,  Manethone,  Paulo 
Alexandrino,  Theophilo^  GritodemO;  Zeuchro  (sive  Teucro)  et 
luliano;  Alphabetum  Lidicum;  unde  fiant  cometae,  ex  Posi- 
donio;  xegl  dötigayi/  Siaxxovxmv  (sie);  de  lapidibus  ad  sedandas 
tempestates;  remedia  physica  ex  Damostrato  et  Timotheo; 
theoriae  lunares;  canonia  apotelesmatum  lunarium;  nBql  aifuia- 
6i£v noXsvovxmv  Kai  dtsnovxmv döxigtov]  Decades;  de  effectibus 
stellarum^  quum  in  eadem  mansione  concurrunt,  et  plura  alia. 
Ueber  die  Zeit;  der  Teukros  der  Babylonier  angehört,  steht 
nur  so  viel  durch  die  Anführung  bei  Porphyrios  sicher,  dass 
er  vor  dem  dritten  Jahrhundert  n.  Gh.  gelebt  hat 

Weiter  käme  man,  wenn  man  ihn  nach  dem  Vorgänge 
K.  Müllers,  dem  Ewald  beigestimmt  hat,  mit  einem  gleich- 
namigen Historiker  aus  Kyzikos  identificiren  dürfte.  Es  lässt 
sich  hierfür  anführen,  theils  dass  der  Letztere  ein  Buch  ,^über 
goldhaltige  Erde''  geschrieben  hat,  Alchymie  und  Astrologie 
aber  Schwesterdiscipliuen  sind,  theils  dass  eine  Verbindung 

1)  Es  ist  mir  nicht  gelungen,  in  dem  gedrackten  Kataloge  die 
Handschrift  wiederzufinden. 

2)  360  erweist  sich  dnrch  die  Reihenfolge  der  Nummern  als 
blosser  Druckfehler. 


710  DIE  NABATAEISCHE  LANDWIRTHSCHAFT 

zwischen  Babylon  und  Kyzikos  anch  sonst  nachweisbar  ist: 
der  Historiker  Agathokles  heisst  bald  Babylonier,  bald  Eyzi- 
loekener.  Wäre  diese  Gleichsetzung  so  sicher,  wie  man  wünschen 
möchte,  so  wäre  damit  die  Zeit  unseres  Astrologen  ermittelt 
Obgleich  nämlich  Teukros  der  Eyzikener  in  die  Kategorie 
der  Autoren  aus  unbekannter  Zeit  gestellt  zu  werden  pflegt, 
so  lässt  sich  doch  aus  dem  Charakter  seines  Schriftthums 
ein  sehr  bestimmter  Rückschluss  auf  sein  Zeitalter  machen. 
Er  schrieb  ausser  jenem  metalleutischen  Buche  noch  Folgendes: 
lieber  Byzanz;  5  Bücher  Thaten  des  Mithridates;  5  Bücher 
über  Tyros;  5  Bücher  Arabische  Nachrichten;  eine  Jüdische 
Geschichte  in  6  Büchern;  3  Bücher  Gymnastische  Ausbildung 
der  Epheben  in  Eyzikos:  und  Anderes,  wovon  uns  aus 
Fragmenten  die  ,,Definitionen^  (Räthsel  in  Hexametern)  und 
ein  etymologisches  Werk  bekannt  sind.  In  diese  scheinbar 
ganz  diffuse  Schriftstellerei  kommt  sofort  Einheit,  wenn  man 
annimmt,  dass  der  Verfasser  bald  nach  den  Thaten  des 
Pompejus  schrieb.  Dass  Teukros  sich  eingehend  mit  vater- 
ländischer Geschichte  beschäftigt  hatte,  lehrt  seine  Schrift 
über  Gymnastik.  Für  Kyzikos  hatte  der  dritte  Mithridatische 
Krieg  durch  die  lange  Belagerung,  welche  es  Seitens  des 
Mithridates  aushielt,  eine  ganz  besondere  Bedeutung  erhalten: 
ihn  zu  beschreiben,  lag  also  einem  Kyzikenischen  Historiker 
vor  Allen  nahe.  An  den  dritten  Mithridatischen  Krieg  reihte 
sich  die  Unterwerfung  der  Juden,  an  diese  der  Zug  gegen 
das  arabische  Volk  der  Nabatäer:  mit  diesen  beiden  merk- 
würdigen Völkern  wurden  die  Römer  damals  zuerst  näher 
bekannt,  ihre  Geschichte  dem  griechisch-römischen  PubUkum 
zu  erschliessen  hatte  gerade  damals  besonderes  Interesse. 
Das  Werk  über  Byzanz  lässt  sich  als  ein  Beiwerk  der  Unter- 
suchungen über  Kyzikos  auffassen  —  beide  Städte  standen 
zu  einander  im  Verhältnisse  der  biiovoia,  die  hier  einen  wirklich 
politischen  Charakter  hatte  (vgl.  Marquardt,  Cyzicus  und  sein 
Gebiet,  S.  141)  —  das  über  Tyros  als  nothwendige  Ergänzung 
der  jüdischen  Geschichte.  Ich  zweifele  also  nicht,  dass  der 
Kyzikener  Teukros  in  der  Mitte  des  ersten  Jahrhunderts  v.  Ch. 
schrieb;  zu  jeder  anderen  Zeit  würde  die  Wahl  des  so  aus- 


UND  IHRE  GESCHWISTER.  711 

einander  liegenden  Stoffes  seiner  Schriften  ganz  unerklärlich 
sein  und  diesen  jeder  leitende  Gesichtspunkt  fehlen.  So  viel 
ist  aus  griechischen  Quellen  über  Teukros  bekannt.*) 


Nachschrift. 

Als  von  der  vorliegenden  Abhandlung  bereits  fiinf  Bogen 
gedruckt  waren  ^  erhielt  ich  zwar  nicht  die  S.  1  angeführte 
Arbeit  Renans,  wohl  aber  eine  Nummer  des  Journals  lln- 
stitut  (Avril-Mai  1860,  p.  37—44),  welches  eine  eingehende 
Analyse  des  von  Benan  in  der  Akademie  gelesenen  Memoires 
über  die  Nabatäische  Landwirthschaft  enthält.  Ich  ersehe 
daraus,  dass  derselbe  die  wesentlichsten  Beweisgründe,  warum 
dieses  Werk  einer  sehr  späten  nachchristlichen  Zeit  ange- 
hören muss,  früher  als  ich,  und  kürzer  und  sauberer,  als  esl07 
vielleicht  mir  möglich  gewesen  ist,  zusammengestellt  hat. 
Abgesehen  von  den  schon  von  Ewald  und  Anderen  gegen 
Chwolson  geltend  gemachten  Argumenten  sind  es  namentlich 
folgende  Punkte,  die,  theils  um  die  Priorität  des  berühmten 
Gelehrten  zu  constatiren,  theils  als  werthvolle  Ergänzungen 
meiner  Beweisführung,  werth  sind,  hervorgehoben  zu  werden. 

Renan  hat  betont,  dass  das  Buch  des  Thenkeloshä  geiiau 
dieselbe  Physiognomie  hat,  wie  die  des  Qüthsämi  und  Jär- 
büqä;  „es  ist,  sagt  er,  dieselbe  Wissenschaft,  derselbe  reli- 
giöse Zustand,  es  sind  dieselben  Celebritäten,  dieselben  apo- 
kryphen Traditionen,  es  ist  mit  einem  Worte  dieselbe  Schule." 
Es  sei  undenkbar,  dass  Schriften,  die  sich  so  ähnlich  sehen, 
1500  Jahre  auseinander  liegen  sollten.  —  Ferner  hat  schon 
Renan  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  die  Ableitung  des 
Nimrod  von  Kanaan  bei  arabischen  Historikern  und  Geo- 
graphen vorkommt,  die  kanaanäische  Dynastie  in  Babylon 
aus  dieser  Genealogie  gefolgert,  also  biblischen  Ursprungs 
ist.  —  Sehr  richtig  hat  er  das  Schiefe  in  dem  von  Chwolson 
versuchten  Vergleiche  der  vorgegebenen  Stabilität  der  baby- 
lonischen Sprache  mit  der  Fortdauer  des  Verständnisses  der 
alten  Mo'allaqat  unter  den  Arabern  aufgedeckt:  „die  politi- 

*)  [Vgl.  Band  I  S.  15.    F.  R.] 


712  DIE  NABATAEISCHB  LANDWIRTflSCHAFT 

sehen  und  religiösen  Umwälzungen  Chaldäas  waren  zu  tief 
einschneidend  gewesen,  als  dass  die.  Sprache  eine  solche 
Identität  hätte  bewahren  können^^  —  Renan  hat  sich  zuerst 
das  Verdienst  erworben,  es  auszusprechen,  dass  die  in  den 
nabatäischen  Schriften  auftretenden  hebräischen  Patriarchen 
(unter  die  er  auch  den  Lot  rechnet)  nicht  bloss  der  Bibel, 
sondern  noch  mehr  jüdischen  apokryphen  Traditionen  ihren 
Ursprung  verdanken.^)  Ebensowenig  ist  es  ihm  entgangen, 
dass  der  babylonische  Hermes  eine  Erfindung  der  Sabier  ist: 
„die  arabischen  Polygraphen,  sagt  er,  stellen  dm  Hermes 
auch  als  Chaldäer  dar,  und  halten  fQr  Zfige  der  babyloni- 
schen Mythologie  eine  Masse  von  Zügen  der  späten  griechi- 
schen Mythologie,  welche  der  Synkretismus  der  ersten  Jahr- 
hunderte unserer  Zeitrechnung  in  Ghaldäa  eingeführt  hatte.^ 
—  Den  Zusammenhang  der  nabatäischen  Lehren  mit  Dogmen 
gnostischer  Secten  scheint  Renan  auf  einem  anderen  Wege 
wie  ich,  nur  in  viel  umfassenderer  Weise  nachgewiesen  zu 
haben;  nicht  minder  hat  er  gezeigt,  dass  der  Gesichtskreis 
der  Nabatäischen  Landwirthschaft  der  der  späteren  Neu- 
platoniker  ist.  Den  modernen  Charakter  derselben  schildert 
er  trefiend  mit  folgenden  Worten:  „Da  ist  keine  Grossartig- 
keit in  der  Exposition;  ein  subtiler  Gedankengang,  an  das 
Kindische  streifend  —  mit  einem  Worte,  sehr  analog  dem 
losder  arabischen  Polygraphen,  überall  der  breite  und  weit- 
schweifige Stil  der  Zeiten,  wo  man  viel  schreibt,  weil  das 
Papier  oder  die  Schreibmaterialien  allgemein  verbreitet  sind. 
Daher  im  ganzen  Werke  ein  wesentlich  persönlicher  und 
reflectirter  Charakter.  Im  geraden  Gegensatze  zu  Werken 
des  hohen  Alterthums,  wo  der  Verfasser  völlig  verschwindet, 
um  nur  die  Lehre,  welche  er  auseinandersetzt,  und  die  That- 
sache,  welche  er  erzählt,  hervortreten  zu  lassen,  befinden  wir 
uns  hier  kleinlichen  Streitigkeiten  polemischer  Natur  gegen- 
über, Schriften  gegenüber,  welche  Gattungen  der  Literatur 

1)  Soeben  macht  mich  Herr  Professor  Anger  auf  einen  neuen 
starken  Beweis  für  die  Abhängigkeit  Qüthsämis  von  der  Bibel  auf- 
merksam;  der  von  ihm  erwähnte  Name  Immanuel  ist  ein  von  Jesaja 
erfundener. 


UND  IBRE  GESCHWISTER.  713 

angehören,  die  das  Sinken  des  menschlichen  Geistes  be- 
zeichnen/^ —  Auch  Renan  ist,  wie  ich,  frappirt  durch  den 
Mangel  aller  Berührungspunkte  mit  echten  Quellen;  von  den 
babylonischen  Königsnamen  bei  Qüthsämi  sagt  er:  ,,es  ist 
schwer  eine  Namenreihe  zu  finden,  die  den  Philologen,  den 
Historiker  weniger  anregte  wie  diese^^  —  Die  Identität  des 
TsvxQog  =  Tinqerüs  mit  dem  Thenkelosha  hält  Renan  für 
sicherer,  als  ich  anzunehmen  gewagt  habe:  und  diese  An- 
nahme ist  es  wohl  vornehmlich  gewesen,  welche  den  fran- 
zösischen Gelehrten  abgehalten  hat,  mit  der  Abfassungszeit 
der  nabataischen  Schriften  über  das  sechste  Jahrhundert 
hinauszugehen.  Von  dem  betrügerischen  Charakter  derselben 
ist  er  übrigens  ebenso  überzeugt  wie  ich,  hat  auch  nicht 
verfehlt,  auf  analoge  Machwerke,  wie  das  Buch  Desäthir, 
und  ein  noch  schlagenderes,  mir  entgangenes  Beispiel  —  die 
literarischen  Betrügereien  der  Mendäer  —  aufmerksam  zu 
machen. 

Soviel  über  den  reichen  Inhalt  jenes  kurzen  Aufsatzes. 
Ueber  den  Standpunkt,  den  die  Vertheidigung  jener  Schrift- 
stücke bisher  eingenommen  hat,  äussert  sich  Renan  in  wenig 
Worten,  die  meinen  vollen  Beifall  haben  und  die  um  ihrer 
epigrammatischen  Kürze  willen  besonders  bemerkt  zu  werden 
verdienen:  „La  critique  qui  se  retranche  obstinement  dans  des 
possibilit^s,  peu  soucieuse  d'accumuler  contre  eile  les  invrai- 
semblances,  est  irrefntable  sans  doute;  mais  eile  n'est  plus 
la  critique/^ 


Als  Anhang  zu  vorstehender  Abhandlung  giebt  der  Unter- 
zeichnete einige  Nachträge  zu  den  in  den  „Zusätzen  und  Ver- 
besserungen'^ zu  Professor  Ghwolsons  Schrift:  „Ueber  die 
Ueberreste  der  altbabylonischen  Literatur'^  S.  178  ff.  von  ihm 
herrührenden  Bemerkungen. 

S.12,  Anm.l2,  Z.3  „v^^o>l^^"  1.  yM^  J^Lj  jj. 

fui,  Plural  von  SjmJ,   sind  kurze  Sätze  aus  einer  Wissen- 
schaft, kurze  Stücke  aus  einer  Schrift  u«  s.  w.;  siehe  H.  Gh. 


714  DIE  NABATAE18CHE  LANDWIBTHSCHAFT 

109VI  S.  330  flf.  die  mit  ^  (nicht  „radii'O  anfangenden  Bücher- 

titel.     OjL,  Plural  von   SLSjL,    sind   Curiosa;   interessante 

wissenschaftliche  oder  literarische  Einzelheiten  (s.  Dietericis 
Mutanabbi  und  Seifuddaula  S.  148  Anm.  **),   wie  in   dem 

Buchtitel  bei  H.  Ch.  VI  S.  297  drittletzte  Z.  J)al\j  v^l. 

Endlich  v.^,    Plural  von   Rikci^   sind  Excerpte^   aus  einer 

Wissenschaft  oder  Schrift  ausgehobene  Stücke;  s.  die  Bücher- 
titel  bei  H.  Ch.  VI  Nr.  13560,  13561,  13564  und  13565.  — 
S.  14,  Anm.  15,  Z.  3  „^Ls:^!"  1.  j^^l.  —  S.  21,  Anm.  29, 

Z.  8  fehlt  hinter  Jf.  das   Wort  tJ^,  oder  man  muss  sAil 

lesen.  Z.  11  ist,  wenn  man  mit  Cod.  L.  a  (s.  S.  180,  Col.  1, 
Z.  15)  %^yf  v-./.ÄtL  liest,  zwischen  j^^l  und  J^^J!  tJ^ 
noch  jyi\  ^  einzusetzen.  —  S.  53,  Anm.  96,  Z.  2  „»;a£" 
1.  \j>jxt.  —  S.  54,  Anm.  96,  letzte  Z.  „sue^LaJf"  1.  sub^UJI. 
Professor  Chwolson  meint  zwar  S.  182,  su^.ÜuJt  sei  auch 
nicht   unpassend,    denn    nach   Golius   bedeute   dieses   Wort 

dasselbe  wie   &3.LaJ|,   was  bei  Freytag  fehle.     Aber   y^.Cb 

ist  hier  nicht,  wie  Professor  Chwolson  angenommen  hat, 
„digladiatus  fuit,  pugnavit^  sondern  „mercaturam  exercuit 
accepta  ab  alio  pecunia,  ut  certa  conditione  lucrum  illi 
commune   esset'',   und   diese   Bedeutung   hat  Freytag-  unter 

(jb.Lä   allerdings   in  den   Worten:  „mutuo   creditoque   dedit, 

ut  lucri  ex  mercatura  redeuntis  certam  partem  cum  sorte 
reciperet."     Der   Kämüs   verweist   unter  (^jl3  ausdrücklich 

auf  diese  von  ihm  unter  ^jLa  gegebene  Begriffsbestimmung; 

auch  bildet  die  SbjL^  in  diesem  Sinne  ein  besonderes  Capitel 

des  muhammedanischen  Rechts,  s.  von  Tomauw,  Das  mos- 
lemische Recht  S.  118  ff.  —  S.  58,  Anm.  103,  Z.  5  von  unten 
„jO^''   1.   vS^  (das  J  als  J^UJt  S^^JiÄi  ^^1  vom  Infinitiv 

Jk4x.  regiert)  und  vor  SL^J^t  setze  man  ^  oder  sXac  ein: 
„und  so  wahr  ich  lebe,  die  Verfertigung  dieser  Bilder  durch 


DKD  IHEE  GESCHWISTEB.  715 

den  Menschen  selbst,  welcher  das  Opfer  darbringen  will, 
sichert   ihm   eine   grössere   Belohnung   von    (oder   bei)   den 

Göttern'^     Jaci  ist,  wie  diese  Elative  oft,  von  der  Causativ- 

form  des  Verbums  gebildet,  soviel  als  ULLcl  JU^I .  —  S.  62, 

Anm.  107,  Z.  2  „IJ^"  1.  »Sj>.  —  S.  88,  Anm.  171,  letzte  Z. 
„>3rj«   >A.j.   —   S.  94,  Anm.  185,   Z.  20   „XSj*'   zu 

streichen.  —  S.  99,  Anm.  198,  Z.  4    „^^JÜLä-j"   und  Z.  5ilo 

t«  ut  ut 

,^JJL^"   1.  ^»^JUbfcj   und   JJLp  :    „Gott  umkleidete  sie  mit 

seinem  Lichte,  welches  die  Eigenschaft  hat,  dass,  wenn 
Jemand  damit  umkleidet  ist,  er  nie  stirbt/'  Bei  dem 
Versuche  8.  187,  das  .  durch  Hinweisung  darauf  zu  retten, 

dass  in  der  Nabatäischen  Landwirthschaft  wirklich  von 
gewissen  Frommen  und  Heiligen  des  babylonischen  Alter- 
thumes  die  Rede  sei,  denen  Gott  sein  Licht  habe  in  wohnen 
lassen,  übersieht  Professor  Chwolson,  dass  dazu  weder  die 

IM 

Construction  noch  die  fünfte  Form  JJL^MS  passt;  es  mfisste 
heissen:    2j\  «lo  J*^  ^  ^j<>^^  »j^  q-«  I«4t9  «JJI  JJb»-^.    — 

Z.  6   „sL.^'  SLJu^.  —  S.  132,  Z.  15    „^UäjJ)"   oUä^.    — 

S.  134,  Z.  13  ist  statt  „über  das  —  hinzeigen''  zu  schreiben: 
über  die  Verhältnisse  der  in  denselben  Geborenen,  auf  welche 
sie  hinzeigen.  —  S.  140,  Z.  2  statt  „einige  —  treiben"  schreibe: 
ein  Grieche  erfasst  sie  und  treibt.  —  S.  147,  Anm.  325,  Z.  1 
„^oUj"   !•  ^^Uj.   —  S-  154,  Anm.  355,  Z.  6  von  unten 

„u3y;l"    1.    ol/;l.      Z.  4  von  unten    „J^lj"    1.    lyd!^, 

Infinitiv  von  y^yj;  „»OJ^'^  1.  »«^1^,  seiner  (körperlichen) 
Stoffe.  —  S.  181,  Col.  2,  Z.  8  von  unten  „*^f"  zweimal, 
1.  ^Lfeill.  -  S.  188,  Col.  1,  Z.  20  „(jisÄ^"  1.  uAi^.     Z.  4 


G  #  G 


von  unten  „v..,-uu«a3"  und  „Luuyöä"  1.  v^/uuß3  und  Luuhä.    Col.  2, 


716  DIE  NABATAEiSCHE  LANDWIRTHSCHAFT. 

Z.  20  und  21  ist  zu  schreiben:  ;,Pag.  135,  Antn.  289,  Z.  1 
1.  !L».^JJi  statt  &s>-^JJi;  l«ö  statt  «ji;  Z.  2  1.  ^Ls.|  statt 
^Ls»!."  —  S.  189,  Col.  2,  Z.  13  „v^x/j"  I.  v,**/^  .  Dritt- 
letzte Z.  „saLs-"  1.  »3L^.  —  S.  194,  Col.  1,  Z.  17  ^!y;>J{ 

1.  ^\yZ"3\,     Col.  2,  Z.  18  „in  ^j^'^  1.  aus  ^j*,.  —   Ich  kann 

diese  immer  noch  nicht  ganz  vollständige  Berichtigung  von 
Schreib-,  und  Druckfehlern  nicht  schliessen,  ohne  Herrn  Pro- 
fessor Chwolsoh  zu  bitten^  er  möge  bei  der  Herausgabe  der 
Nabatäischen  Landwirthschaft  doch  ja  für  eine  recht  genaue 
Correctur  Sorge  tragen,  um  sich  selbst  und  Anderen  das 
unangenehme  Nachhelfen  in  dieser  Beziehung  zu  ersparen 
oder  wenigstens  zu  erleichtem. 

Fleischer. 


XVII. 
War  Ibn  Wahshüjali  ein  nabatäisclier  Herodot?*)^) 

Meine  Abhandlung  „Die  Nabatäische  Landwirthschaft 67 
und  ihre  Geschwister^'  (Zeitschrift  der  deutschen  morgen- 
ländischen Gesellschaft  XV  S.  1£P.  [oben  S.  568  ff.])  hat  Herrn 
Professor  Ewald,  der  zuerst  (Göttinger  Nachrichten  1857 
S.  141  ff.)  in  den  nabatäischen  Schriften  eine  reiche  Quelle 
von  Erkenntniss  des  babylonisch  -  assyrischen  Alterthumes 
entdeckt  und  dadurch  mehr  noch  als  Chwolson  durch  sein 
übertriebenes  Lob  das  Urtheil  der  gelehrten  Welt  über  Ihn 
Wahshijjahs  Uebersetzungen  fürs  Erste  bestochen  hatte, 
Gelegenheit  gegeben,  in  einer  Abhandlung  ,,Zur  weiteren 
Würdigung  der  nabatäischen  Schriften '^  in  den  Gottinger 
Nachrichten  vom  15.  Mai  1861  auf  die  betreffende  Frage 
zurückzukommen.  Er  redet  da  von  ,,grundlosen  allgemeinen 
Verdächtigungen"  und  wiederholt  diesen  Vorwurf,  um  ihn 
recht  glaubhaft  zu  machen,  fast  mit  denselben  Worten  nicht 
weniger  als  fünf  Mal  (S.  93.  94.  95.  111.  113):  wer  meine 

*)  [Berichte  über  die  VerhandlüDgen  der  kgl.  B&chBischen  Gesell- 
schaft der  Wissenschaften  zn  Leipzig.  Philologisch-historische  Classe. 
1862  8.  67 — 99.  Statt  der  Uebersohrift  heisst  es  dort:  „Herr  von  Gut- 
schmid  beantwortete  die  Frage:  War  Ibn  Wahshijjah  ein  nahatäischer 
Herodot?] 

1)  Vorstehenden  Aufsatz  hatte  ich  im  October  1861  der  Bedaction 
einer  mir  vorzagsweise  geeignet  scheinenden  Zeitschrift  zugestellt  nnd 
erfahr  erst  fast  nach  Jahresfrist,  dass  Zweckmässigkeitsgründe  die  Auf- 
nahme in  dieselbe  unmöglich  machten.  In  der  von  mir  nicht  ver- 
schuldeten Verspätung  konnte  ich  um  so  weniger  einen  Grund  zur 
Unterdrückung  des  Aufsatzes  finden,  als  nur  zu  leicht  in  wissenschaft- 
lichen Fragen,  über  die  Ewald  sein  Wort  gesprochen  hat,  Verstummen 
als  Furcht  gedeutet  werden  kann. 


718  WAR  IBN  WAHSHIJJAH 

Schrift  gelesen  hat,  hat  sich  überzeugen  können^  dass  ich 
mich  durchaus  nicht  auf  Gemeinplätzen  bewegt,  soudern  für 
jede  Behauptung  genaue  Beweise  beigebracht  habe.  Ueber- 
68  dies  erklärt  er  meine  Untersuchung  als  ,,für  die  Wissenschaft 
leicht  sehr  schädlich  wirkend^',  und  wiederholt  auch  diese 
Insinuation  des  Nachdrucks  halber  zweimal  (S.  93.  95):  in- 
wiefern aber  eine  durchaus  bei  der  Sache  bleibende  Dar- 
legung einer  ehrlichen  wissenschaftlichen  Ueberzeugung  der 
Wissenschaft  schädlich  sein  soll,  erfahren  wir  nicht.  Am 
Schlüsse  S.  113  sprach  Herr  Professor  Ewald  allerdings  die 
Besorgniss  aus,  die  Veröffentlichung  dieser  Schriften  konnte 
durch  solche  grundlose  allgemeine  Verdächtigungen  leiden, 
und  bemerkte  deshalb:  „Hätte  die  Nabatäische  Landwirth- 
Schaft  auch  nur  für  die  Naturwissenschaften  den  nicht  ab- 
zuleugnenden Nutzen,  welchen  ihr  ein  so  fachkundiger  Mann 
wie  der  Eonigsberger  Ernst  Meyer  in  seiner  Geschichte  der 
Botanik,  trotz  seiner  Vorurtheile  gegen  die  älteren  nicht 
griechisch-römischen  Werke  zuschrejbt,  so  würde  sich  ihre 
Herausgabe  vielfach  lohnen."^)  Sechs  Zeilen  vorher  aber 
fand  derselbe  Gelehrte,  hätten  Renan  oder  ich  das  Recht 
für  sich,  „so  wäre  es  in  der  That  kaum  der  Mühe  werth, 
auch  nur  an  die  Nabatäische  Landwirthschaft  als  das  Haupt- 
werk dieses  gesammten  Schriftthums  die  grosse  Mühe  einer 


1)  Diese  von  mir  (Zeitscbrifl  XV  S.  103  [oben  S.  707])  getheilte 
Auffassung  ist  nach  den  Bemerkungen  von  Jessen  und  Steinschneider 
kaum  noch  haltbar:  wenn  Ibn  Wahshijjah  auf  allen  möglichen  anderen 
Gebieten  gefälscht  hat,  warum  sollte  er  nicht  auch  Beschreibungen 
von  Pflanzen,  die  gar  nicht  existiren,  erschwindelt  haben?  Mit  Recht 
führt  Steinschneider  (Zur  pseudepigraphischen  Literatur  insbesondere 
der  geheimen  Wissenschaften  des  Mittelalters,  aus  hebräischen  und 
arabischen  Quellen.  Berlin,  in  Commission  bei  Asher,  1861,  8^)  S.  5.  10 
zwei  andere  viel  schwerer  wiegende  Gründe  fSr  eine  Herausgabe  der 
Nabataischen  Landwirthschaft  an,  dass  man  erst  so  die  aus  ihr  in 
spätere  Schriften  übergegangenen  Angaben  kennen  lernen  und  die 
Spreu  vom  Weizen  wird  scheiden  können,  und  dass  sie  für  Pseudepi- 
graphie  und  somit  für  die  Nachtseite  im  Geistesleben  der  arabischen 
und  jüdischen  Literaturkreise  des  neunten  Jahrhunderte  erhebliche 
Resultate  verspricht. 


EIN  NABATAEISCHER  HERODOT?    ^  719 

• 

Herausgabe  und  Uebersetzung  zu  wenden/^  Da  demnach 
Herr  Professor  Ewald  selbst  noch  nicht  recht  zu  wissen 
scheint,  worin  der  von  mir  der  Wissenschaft  zugefügte 
Schaden  eigentlich  besteht,  so  wird  man  es  uns  nicht  ver- 
argen^ wenn  wir  uns  aller  Grübeleien  über  die  Wechsel- 
beziehungen zwischen  meiner  Arbeit,  Herrn  Professor  Ewalds 
Aerger  und  dem  der  Wissenschaft  erwachsenden  Schaden 
enthalten  und  vielmehr  zu  einer  näheren  Prüfung  der  Gründe 
übergehen,  mit  welchen  die  Göttinger  Yertheidigung  den 69 
Ibn  Wahshijjah  über  dem  Wasser  zu  halten  sucht. 

I. 

Ihr  nächstes  Streben  ist  natürlich  auf  die  Beseitigung 
des  verrätherischen  Zeugnisses  der  von  Hammer  heraus- 
gegebenen Ancient  alphabets  gerichtet.  Darin,  dass  Hammer 
dieses  Buch  für  ein  echtes  Ibn  Wahshijjahs  hielt,  sieht 
Ewald  nur  eine  Probe  seines  schwer  wiegenden  Leichtsinns 
und  kann  es  noch  weniger  billigen,  „dass  noch  jetzt  in  der 
D.  M.  G.  Z.  auf  sein  Zeugniss  einer  der  gewichtigsten  Gründe 
zur  Verwerfung  aller  nabatäischen  Schriften  gestützt  wird." 

Letzteres  ist  unrichtig:  wer  meine  Arbeit  gewissenhaft 
geprüft  hat,  wird  gefunden  haben,  dass  ich  dem  Zeugnisse 
des  Shauq  el-Mustahäm  auf  die  Untersuchung  über  Echtheit 
oder  Unechtheit  des  nabatäischen  Schriftthums  nicht  den 
geringsten  Einfluss,  sondern  nur  dafür  entscheidende  Beweis- 
kraft eingeräumt  habe,  dass  Ibn  Wahshijjah  nicht  der  Be- 
trogene, sondern  der  Betrüger  gewesen  ist.  Gelänge  es 
Ewald  selbst  zu  erweisen,  dass  das  Shauq  el-Mustahäm  dem 
Ibn  Wahshijjah  untergeschoben  worden  ist,  so  würde  dieser 
Letztere  nur  etwas  minder  gravirt  dastehen,  an  meinem 
Ergebnisse  selbst,  dass  die  nabatäischen  Schriften  nicht  vor 
700  n.  Ch.  geschmiedet  worden  sein  können,  würde  nicht 
das  Geringste  geändert.  Uebrigens  dürfte  ich  auf  eine 
glimpflichere  Auffassung  meiner  Ansicht  von  den  Ancient 
alphabets  von  Seiten  Ewalds  um  so  begründeteres  Anrecht 
haben,  als  dieser  grosse  Gelehrte  hier  ganz  vergisst,  dass  er 
selbst  nur  vier  Jahre  früher  in  den  Göttinger  Nachrichten 


720  WAR  IBN  WAHSHIJJAH 

18«57  S.  150  die  in  dem  Shauq  el-Mustafaäm  (p.  131)  ent- 
haltene Notiz  von  Janbüshäd  als  Stammyater  und  Lehrer 
der  Kurden ;  ohne  auch  nur  den  leisesten  Zweifel  an  der 
Echtheit  der  Quelle  zu  äussern,  unter  die  „yielen.  Gründe'^ 
gerechnet  hatte^  die  „för  ein  hohes  oder  gar  ganz  ungemein 
hohes  Älter  wenigstens  sehr  vieler  Theile  des  Werkes  (der 
Nabataischen  Landwirthschaft)  sprechen'^ 

Unter  den  schon  von  Silvestre  de  Sacj  im  Magasin 
encyclop^dique  VI  (1810),  p.  149  dagegen,  dass  das  Shauq 
el-Mustahäm  ein  Werk  des  Ihn  Wahshijjah  sei,  geltend  ge- 
machten Gründen  hat  Ewald  den  einen,  die  Betonung  der 
religiösen  Bedenken,  die  in  so  früher  Zeit  der  Abfassung 
eines  so  viele  Thierbilder  enthaltenden  Buches  hätten  ent- 
70  gegenstehen  müssen,  mit  Recht  fallen  lassen:  abgesehen  davon, 
dass  Sacy  den  Ibn  Wahshijjah  für  älter  hielt,  als  er  ist,  und 
dass  derselbe,  wie  wir  jetzt  wissen,  Alles  eher  war  als  ein 
rechtgläubiger  Moslem,  darf  auch  nicht  übersehen  werden, 
dass  in  der  Hieroglyphenreibe  p.  85,  die  sich  laut  Ueber- 
schrift  eigens  auf  lebende  Wesen  beziehen  soll,  von  108  Hiero- 
glyphen nur  7  wirkliche  Thierbilder  sind:  also  war  wenigstens 
das  Alleranstössigste  möglichst  zu  vermeiden  gesucht. 

Wenn  dagegen  Sacy  hervorhob,  dass  die  Autorschaft 
Ibn  Wahshijjahs  nur  auf  der  Unterschrift  des  Schreibers  be- 
ruht und  dass  in  dieser  überdies  der  Name  nicht  genau  aus- 
gedrückt ist,  so  geht  Ewald  noch  viel  weiter  nnd  erklärt 
geradezu  die  Nennung  des  Verfassers  am  Schlüsse  der  Unter- 
schrift „hinke  bloss  nach,  als  wagte  sie  sich  dennoch  nicht 
recht  ins  volle  Licht,  und  stehe  hier  überhaupt  am  Ende  so 
unvorbereitet  und  so  völlig  abgerissen,  dass  Jeder,  der  die 
Abfassung  echter  arabischer  Bücher  besser  versteht,  dennoch 
sehr  leicht  ihr  wahres  Wesen  merket"  (S.  96).  Als  ich 
hierüber  Männer  befragt,  denen  die  gelehrte  Welt  ein  Ver- 
ständuiss  über  die  Abfassung  echter  arabischer  Bücher  nicht 
bestreitet,  erhielt  ich  zu  meinem  grössten  Erstaunen  die 
übereinstimmende  Versicherung,  dass  diejenige  Fassung  der 
Unterschrift,  wie  sie  sich  unter  dem  Shauq  el-Mustahäm 
fiudet,  gerade  die  in  älterer  Zeit  ganz  gewöhnliche  ist    Ahmed 


EIN  NABATAEISCHEE  HERODOT  ?  721 

ben  Abu  (sie)  -Bekr  ben  Wahsliijjah,  wie  die  Unterschrift 
hat,  ist  allerdings  nicht  der  richtige  Name  des  Verfassers: 
allein  fehlerhaftes  Hinzusetzen  oder  Weglassen  des  Wörtchens 
ben  kommt  unzählige  Mal  vor:  die  unter  der  (durch  den 
fehlerhaften  Nominativ  besonders  gerechtfertigten)  Annahme 
eines  solchen  Copistenfehlers  übrigbleibende  geringe  Un- 
genauigkeit  in  der  Stellung  der  Namen  Ahmed  Abu- Bekr 
statt  Abü-Bekr  Ahmed  kann  hier,  wo  es  sich  nicht  um  Text- 
worte, sondern  um  eine  durch  mehrere  Handschriften  fort- 
gepflanzte Unterschrift  handelt,  unmöglich  etwas  gegen  die 
Richtigkeit  ihres  Inhalts  beweisen. 

Viel  ernsthafter  ist  der  dritte  der  von  Sacy  vorgebrachten 
Yerdachtsgründe:  der  grobe  Anachronismus  am  Schluss  des 
Buches  y  p.  135.  Dabei  ist  aber  wohl  zu  erwägen,  erstens, 
dass,  wie  mich  zwei  über  die  Stelle  zu  Rathe  gezogene 
Orientalisten  belehrt  haben,  gerade  in  jenem  letzten  Ab- 
schnitte der  syntaktische  Zusammenhang  sehr  gestört  ist 
(einmal  stehen  die  beiden  Fürwörter  „dieses,  jenes''  dicht  71 
nebeneinander,  ein  anderes  Mal  begegnen  wir  dem  unmög- 
lichen Satze  „es  kam  ...  in  das  Beabsichtigte''),  zweitens, 
dass  zweimal  hintereinander  ein  grober  Vulgarismus  im  Ge- 
brauche der  Negation  mit  unterläuft:  hierdurch  erhält  schon 
von  vornherein  die  Annahme,  dass  hier  ein  gewissenloser 
Abschreiber  sein  Wesen  getrieben  hat,  mindestens  ebensoviel 
Berechtigung  als  die  einer  Utiechtheit  des  ganzen  Buches* 
Geht  man  auf  das  Sachliche  ein,  so  ersieht  man  aus  den 
Schluss  Worten,  dass  die  Schwierigkeit  des  von  den  Kurden 
für  ihr  Eigenthum  ausgegebenen  Alphabets  vom  Verfasser 
als  Grund  der  späten  Herausgabe  seiner  Schrift  angegeben 
wird:  anfangs  habe  er  die  Sprache,  zu  der  dieses  Alphabet 
gehört,  gar  nicht  ermitteln  können,  später  aber  habe  er  in 
Damaskus  zwei  in  ihr  geschriebene  Bücher  entdeckt  und 
diese  vor  der  Vollendung  der  anderen  Arbeit  aus  dem  Kur- 
dischen in  das  Arabische  übersetzt;  nun  erst,  im  Verlaufe 
von  21  Jahren,  lege  er  die  letzte  Hand  an  das  Buch  über 
die  Alphabete  und  mache  es  zu  einem  Kleinode  für  d^n 
Bücherschatz  des  regierenden  Ghalifen  Abdulmelik  ben  Mer- 

Y.  GuTBOBiiiD,  Kleine  Sohriften.   II.  46       . 


722  WAR  IBN  WAHSHIJJAH 

wän :  Datum  241  Heg.  Es  ist  dies,  wie  ich  von  competenter 
Seite  erfahren  habe,  eine  gar  nicht  seltene  Form  der  Dedi- 
cation,  mithin  ein  recht  angemessener  Schluss.  Ewald  aber 
wirft  diesen  Schluss  des  Verfassers  mit  der  darauffolgenden 
Subscription  des  Schreibers  zusammen  und  redet  von  einer 
„dummdreist  langen  Unterschrift",  die  den  Verdacht  gegen 
das  Ganze  verstärke.  Die  Subscription  enthält:  1)  den  Namen 
des  Schreibers  der  ürhandschrift,  2)  deren  Datum  nach 
muhammedanischer  Zeitrechnung,  3)  das  muhammedanische 
Datum  ^es  Tages,  an  dem  die  Abschrift  begonnen  wurde, 
4)  den  Tag  der  Vollendung  derselben  nach  dem  muhamme- 
danischen  Mondjahre,  5)  denselben  Tag  nach  dem  türkischen, 
dem  vorgregorianischen  christlichen  nachgebildeten  Sonnen- 
jahre (vgl.  Ideler,  Handb.  d.  Chronol.  II  S.  561),  6)  den  Titel 
des  abgeschriebenen  Buches,  7)  den  Namen  seines  Verfassers. 
Dieses  Alles  ist  durchaus  sachgemäss,  und  von  der  Richtigkeit 
der  mir  von  erprobten  Kennern  orientalischer  Handschriften 
ertheilten  Versicherung,  dass  ungleich  längere  Unterschriften 
nichts  weniger  als  selten  sind,  habe  ich  mich  durch  den 
Augenschein  selbst  überzeugt.  In  diesem  Falle  liegt  noch 
obendrein  der  Grund,  warum  die  Subscription  der  Ürhand- 
schrift 80  genau  wiederholt  worden  ist,  auf  der  Hand:  der 
72  Schreiber  legte  begreiflichen  Werth  darauf,  dass  die  von 
ihm  copierte  Handschrift  eine  so  alte,  noch  dazu  von  dem 
Mitgliede  einer  berühmten  Gelehrtenfamilie  herrührende  war. 
Ewald  freilich  macht  es  sich  sehr  bequem,  indem  er  S.  96 
die  ganze  Namenreihe  Hasan  ben  Fara^  ben  ^Ali  ben 
Däüd  ben  Sinän  ben  Thäbit  unterdrückt,  die  Ürhand- 
schrift „von  dem  bekannten  Thäbit  ihn  Qorrah'^  geschrieben 
sein  lässt  und  hieraus  einen  neuen  Verdacht  gegen  die 
Authenticität  derselben  ableitet  In  dem  Stammbaum  des 
Hasan  kennen  wir  ausser  Thäbit  ben  Qorrah  noch  dessen 
Sohn  Sinän  als  einen  namhaften  Gelehrten,  dessen  vier  Nach- 
kommen sind  aber  obscure  Privatleute  gewesen.  Weit  ent- 
fernt, etwas  Verdächtiges  :su  enthalten,  trägt  die  Angabe  ein 
starkes  Zeugniss  der  Echtheit  in  sich  selbst:  Sinän  war 
spätestens  um  260  Heg.  (874)  geboren   (vgl.  Chwolson,  Die 


EIN  NABATAEISCHER  HERODOT?  723 

Ssabier  I  S.  569),  wir  erhalten  somit,  wenn  wir  die  Gene- 
rationen nach  dem  gewohnlichen  Ansätze  zu  30  Jahren  be- 
rechnen, die  ungefähren  Daten:  Däüd  geb.  904,  'Ali  geb.  934, 
Fara^  geb.  964,  Hasan  geb.  994,  der  demnach  im  Jahre  413 
Heg.  (1022)  im  Alter  von  etwa  28  Jahren  gestanden  haben 
würde,  was  ganz  angemessen  ist.  Ist  ferner  die  Subscription 
echt,  so  müssen  zwei  Daten,  das  der  Vollendung  der  Copie 
und  das  der  Vollendung  der  Urhandschrift ,  in  sich  über- 
einstimmend sein,  da  die  Schreiber  in  Bezug  auf  das  Datum 
und  den  Wochentag,  an  welchem  sie  die  betreffenden  Worte 
niederschrieben,  natürlich  nicht  irren  konnten.  Es  ist  gewiss 
ein  gutes  Zeichen,  dass  gerade  diese  beiden  Angaben  die 
Probe  bestehen:  der  7.  Rabi'  el-ächir  413  Heg.  war  wirklich 
ein  Dienstag,  und  der  10.  Gumädha  el-ächir  1166  Heg.  war 
nicht  nur,  wie  angegeben,  ein  Freitag,  sondern  wird  auch 
richtig  mit  dem  2.  Nisän  (April)  des  am  1.  März  1753  be- 
ginnenden türkischen  Sonnenjahrs  verglichen.  Viel  leichter 
konnte  der  Schreiber  fünf  Monate  später  hinsichtlich  des 
Wochentages,  an  welchem  er  seine  Arbeit  begonnen,  ein 
Versehen  begehen,  sei  es  bei  der  Zurückrechnung,  sei  es  im 
Gebrauche  einer  Handtabelle :  der  2.  Muharram  1166  war  nicht, 
wie  angegeben  wird,  ein  Sonntag,  sondern  ein  Mittwoch.^ 
Dass  vollends  in  den  Schlussworten  des  Aut(^s  der  Donners-  73 
tag^)  nicht  zu  dem  unmöglichen  Datum  3.  Ramadan  241 
Heg!  stimmt,  ist  eher  ein  gutes  Zeichen.  Man  hat  das  volle 
Recht  zu  fragen:  wie  war  es  möglich,  dass  ein  Fälscher,  der 
sich  in  Bezug  auf  das  Datum  der  Urhandschrift  so  wohl 
vorgesehen,  der  in  der  Chronologie  der  einem  vor  60  oder 
100  Jahren  lebenden  Kopten*)  doch  wahrhaftig  fern  genug 
liegenden  Gelehrtenfamilie  der  Bahü  Qorrah  sich  so  wohl 
orientirt  hatte,  um  jeden  Anachronismus  zu  vermeiden,  dass 
—  sagen  wir  —  dieser  so  umsichtige  Fälscher  sich  einen  so 

1)  Warum  Hammer  in  der  Uebersetznng  „Montag"  gesetzt  hat, 
ist  schwer  zu  begreifen. 

2)  Hammer  hat  in  der  Uebersetzung  ,,Dien8tag**  interpoliri 

3)  Ein   solcher  .soll   nämlich   nach   Ewald    S.  97    der  Fälscher 
gewesen  sein. 

46* 


724  WAR  IBN  WAHSHIJJAH 

plumpen^  für  jeden  auch  nur  mittelmässig  Gebildeten  sofort 
in  die  Augen  springenden  Schnitzer  zu  Schulden  kommen 
lassen  konnte,  wie  den,  den  Chalifen  ^  Abdulmelik  ben  Merwän, 
der  von  64 — 86  Heg.  regierte ,  um  fast  zwei  Jahrhunderte 
zu  spät  zu  setzen?  Die  Unvereinbarkeit  beider  Umstände 
ist  gerade  ein  starker  Beweis  dafür,  dass  die  Schwierigkeiten 
in  den  Schlussworten  des  Verfassers  anders  als  durch  eine 
Verdammung  des  ganzen  Buches  zu  heben  sind.  Ich  hatte 
Gelegenheit;  vier  auf  der  königlichen  Bibliothek  zu  Dresden 
befindliche  Handschriften  von  Muhammed  Munshis  Tärich 
Montecheb  zu  vergleichen:  in  den  zwei  besten  unter  ihnen 
aus  den  Jahren  981  und  982  Heg.  sind  sämmtliche  Eigen- 
namen und  Zahlen  durch  rothe  Schrift  hervorgehoben:  in 
der  dritten  vom  Jahre  1094  Heg.  fehlen  diese  von  Anfang 
bis  zu  Ende,  indem  die  Ausfüllung  der  Lucken  mit  Zinnober- 
tinte unterblieben  ist;  in  einer  vierten  vom  Jahre  1004  Heg. 
ist  zwar  Alles  rubricirt,  aber  die  Zahlen  erweisen  sich  in 
solcher  Menge  als  falsch  und  reichen,  paläographisch  be- 
trachtet, so  gänzlich  von  denen  der  guten  Handschriften,  und 
den  geschichtlich  beglaubigten  ab,  dass  man  mit  der  An- 
nahme blosser  Schreibfehler  nicht  ausreicht:  ohne  Zweifel 
fand  der  Schreiber  in  der  von  ihm  zu  Grunde  gelegten 
Handschrift  viele  Lücken  vor,  deren  Ausfüllung  unterblieben 
war,  und  ergänzte  sie,  um  nicht  durch  Lückenhaftigkeit  den 
Werth  seiner  Copie  herabzusetzen,  willkürlich  nach  eigenem 
Gutdünken.  Dass  nun  im  Shauq  el-Mustahäm  nach  der  Ab- 
sicht des  Verfassers  Einzelnes  durch  rothe  Tinte  hervor- 
gehoben werden  sollte,  dafür  haben  wir  sein  eigenes  Zeugniss 
74  in  der  Vorrede  p.  2.  Es  ist  somit  eine  ganz  nahe  gelegte 
Erklärung,  dass  es  am  Schlüsse  unseres  Exemplars  des 
Shauq  el-Mustaham  ebenso  hergegangen  ist,  wie  in  dem 
zuletzt  beschriebenen  des  Tärich  Montecheb :  das  Original 
aus  dem  Jahre  413  Heg.  war  gegen  das  Ende  hin,  wie  man 
wohl  aus  dem  hier  so  zerrütteten  Zustande  des  Textes  in 
der  Abschrift  zurückschliessen  kann,  sehr  flüchtig  geschrieben, 
und  die  Ausfüllung  des  für  den  Namen  des  Chalifen  und  das 
Datum  freigelassenen  Raumes  mit  Zinnobertinte  war  über- 


EIN  NABATAEISCEIER  HERODOT?  725 

sehen  worden:  der  unwissende  Abschreiber  des  Jahres  1166 
Heg.  füllte  aus  eigener  Weisheit  den  leeren  Raum  in  der 
Weise  aus^  die  bis  heute  soviel  Anstoss  gegeben  hat,  gewiss 
nur  um  seine  Copie  nicht  als  unvollständig  erscheinen  zu 
lassen,  die  zum  Verkauf  an  einen  Europäer  bestimmt  sein 
mochte.  Letzteres  ist  darum  nicht  unwahrscheinlich,  weil 
sich  die  Türken  bei  ihrem  Sonnenjahre  der  christlichen  Jahres- 
zahl in  der  Regel  nur  im  Verkehr  mit  Christen  bedienen. 
Wenn  aber  Ewald  doch  nur  auf  diese  Stelle  hin  vermuthet, 
der  wahre  Verfasser  sei  ein  koptischer  Christ  gewesen,  der 
kaum  vor  100  Jahren,  vielleicht  erst  nach  der  Vertreibung 
der  Franzosen  aus  Aegypten  geschrieben  habe,  so  hängt 
dieser  Einfall  ganz  in  der  Luft;  ein  Kopte  würde  natürlich 
nicht  die  Monatsnamen  des  türkischen  Sonnenjahres,  sondern 
die  koptischen  in  arabischer  Form  gebraucht  haben. 

Den  von  Sacy  gegen  die  Echtheit  des  Shauq  el-Mustahäm 
vorgetragenen  Gründen  fügt  Ewald  S.  95  einen  einzigen  neuen 
hinzu:  den  umstand,  dass  das  Werk  „voran  als  seinen  Haupt- 
gegenständ  —  man  merke  wohl!  70—72  verschiedene  Alpha- 
bete, nicht  mehr  und  nicht  weniger'',  enthalte.  Ganz  ab- 
gesehen von  der  Berechtigung  dieses  Arguments,  über  die 
sich  bei  dem  Alter  der  Spielerei  mit  der  Zahl  70  unter  den 
Semiten  denn  doch  noch  streiten  Hesse,  ist  es  leicht  zu 
widerlegen:  Ewald  hat,  weil  es  ihm  so  gefällt,  die  Zählung 
mit  dem  siebenten  Capitel  abgebrochen,  obgleich, 
wenn  überhaupt  ein  Abschnitt  mitten  im  Buche  seine  Be- 
rechtigung hätte,  dieser  doch  höchstens  zwischen  dem  achten 
Capitel  und  dem  Anhange  gemacht  werden  dürfte:  die  Summe 
der  im  Ganzen  mitgetheilten  Schriftarten  beträgt  80  oder, 
wenn  man  die  Abarten  mitzählt,  86. 

Mit  der  äusseren  Bezeugung  des  Buches  wird  Ewald 
schnell  fertig:  eine  nachträglighe  Anmerkung  genügt  ihm 
zur  Beseitigung  ihrer  Beweiskraft  In  einem  Punkte  aller- 
dings behalten  Ewald  und  vor  ihm  schon  Sacy  Recht,  dass 
die  Identität  des  von  Athanasius  Kircher  benutzten  Buches  75 
des  Ibn  Wahsbijjah  und  des  Shauq  el-Mustahäm  zweifelhaft 
ist.     Man  urtheile   selbst  nach   den  fünf  Erwähnungen  des 


726  WAR  IBN  WAHSflIJJAH 

arabischen  Schriftstellers  in   Eirchers  Obeliscus  Pamphilius 
(Rom.  1650.    fol.)^: 

Pag.  113.  Ex  Arabibus  post  Christum  vero  Salamas, 
GelaldinuBy  Alfaig,  et  prae  ceteris  Abenephius  et  Abenuachsia, 
qui  omnium  scripta  sdorum  iarium  facientes,  exacte  et  feli- 
citer  nonnullas  Aegyptiacae  philosophiae  partes  attigerunt: 
ex  quorum  fundamentis  traditis,  nos  primum  verum  primaevae 
doctrinae  sensum  subolfacientes  ^  veluti  ad  Ariadnae  filum 
ductiy  non  parem  nos  profecisse  confitemur.  Nam  Aben- 
uachsia,  quem  saepe  citat  Rambam,  primus  Aegyptios  libros 
in  linguam  Arabicam  transtulit,  quem  nos  Melitae,  inter 
spolia  Turcarum  repertum,  singulari  Dei  Providentia  Arabi- 
cum reperimus. 

Epist.  paraenet.  fol.  G^  Ex  Arabibus,  quos  passim 
citamus,  sunt  Gelaldinus^  Salamas  .  .  .  cum  aliis  innumeris, 
quos  passim  allegamus,  quos  inter  principem  sane  locum 
obtinet  Abenuaschia  de  cuitu  et  religione  veterum  Aegy- 
ptiorum,  quem  citatum  reperies  apud  Rambam  in  More 
Nebuchim;  alter  est  Abenephi. 

Pag.  109.  Horum  eorundem  librorum  (de  cultura  Aegy- 
ptiorum)  mentionem  faciunt  Arabum  scriptores  Salamas  libro 
intitulato  ,,Hortus  mirabilium  mundi^',  Gelaldinus  in  tractatu 
de  historia  veterum  Aegyptiorum,  Abenephi  et  Aben  Vachasia 
de  cultura  Aegyptiorum  et  libro  de  antiquitate,  vita,  mori- 
bus,  literis  veterum  Aegyptiorum,  quos  penes  me  habeo,  ex 
quibus  haud  exiguum  ad  hieroglyphicam  institutionem  sub- 
sidium  allatum  est. 

Pag.  p2.  Alii  eum  (Trismegistum)  tot  annos  vixisse 
existimant,  quot  prior  ille  ante  dilu vium  Hermes,  quem  Enoch 
diximus,  videlicet  CCCLXV  diebus;  ita  Abenuaschia  de  agri- 
cultura  Aegyptiorum:   ^J^Jo\  ^  o^^tv^j^  (»U^t  U^i-^  a'^^J 

^^^U^ÄÄ   «aLÄll   i^l^ft  y^^    »i^    O^^J    U'^'^J    NiU^*    «moäJI 

1)  Die  von  Hammer  Praef.  p.  XVII  auf  Ibn  Wafasbijjah  gedeutetea 
EiDgangBworte  der  Epistola  paraenetica  beziehen  sich  vielmehr  auf 
Kirchers  Hauptquelle,  eine  Schrift  des  Abenephi  (vielleicht  Ibn  *Afif, 
dessen  Buch  über  die  Wunder  Aegyptens  von  Vattier  übersetzt  wor- 
den ist). 


EIN  N ABATAEISCHER  HERODOT  ?  727 

Jjl  jw^ol^  r^^  s^^\j  e)^-r"-0     «Et  fuerunt  anni  (1.76 
omnes)  dies  Hermis^  ipse  est  Adris  secundus,  trecenti  sexa- 
ginta  quinque  anni^  qnibus  aequayit  annos  et  tempus  Henoch^ 
ipse  Adris  primus." 

Pag.  400.  In  quo  (obelisco  Pamphilio)  arcanioris'  theo- 
logiae  et  philosophiae  veterum  sacramenta  ita  graphiee  ex- 
hibentur,  ut  non  a  gentilibus,  sed  orthodoxis  magistris  ad- 
umbrata  yideantur;  neque  enim  posteri  unquam,  nisi  Hermeti 
ingenio  pares^  tarn  sublimia  excogitare  poterant;  ut  bene 
notat  Abenvaschia  in  libro  de  cultu  Aegyptiorum  bis  verbis: 

jajui  ij^  nJL  jj^  u  oy'j^y  od^  \j^  y^i  o^j^  ab 
y^  ^^  r^XjsxJI  ^  ijjA^  ^LTj  ^^  jcj\  ^  y^^ 

^Lmj     2ÜUJb     ^«         JLuMj^L     2UmwXJL4JIj      «^Lsm^J^L      Jo^LmkwJL 

L^  ii^y^\  »sXi^!^  ftT^\Mi\  }^\yi\  L^Uww  ^1  »JjijüuJI  j.y«JI 
nJUL.')     ^^Utique   multi   e   populo   huius   regionis   ignorant^77 

1)  Der  Freundlichkeit  eines  Orientalisten,  dem  ich  die  Texte  bei 
Kircber  vorlegte,  verdanke  ich  diese  und  die  folgende  Anmerkung.  „Mit 
Beseitigung  der  Sprachfehler,  die  offenbar  giÖsstentheiU  von  Kircher 

selbst  herrühren,  würde  dies  so  heissen:  /j^uy«^  ^IpJ  ».a»:^  ^IjEsj 
NüLo^  jLAß  ^^   JLLw    ^^^AÄ^j  LT^^j  &^U±ä   ^LÜI  ^j^jOS  ^ 

2)  „Mit  Beseitigung  der  Sprachfehler:  \6^  J^I  ^  ^^S  ^jL 
^j^  (?)  ^UxJI  ^!  ^.^^  jJOJI  IJ^  Ut  Jo^i  L  ^yy^.  y  OJJI 
vk^  ^Uj  J^  Lä>  Jo.^  Jo  (vulg.  statt  L^^y)  j^^yS  ^  >l 

Jj  ÜLy  ^^1  5ÄiJ>  ^vXi3>f^  (•-^JLjtiJI  J^fj^t.  Und  viele  von  den 
Einwohnern  dieses  Landes  wissen  nicht,  was  diese  Symbolik  bedeutet, 
und  zwar  deswegen,  weil  nicht  die  Einwohner  Aegyptens  die  ta*ä,l!m 
(mathematischen  Figuren)  Gott  weihten ,  sondern  ein  Mann ,  aus- 
gezeichnet in  der  Weisheit  (alten  Philosophie),  in  der  Grammatik, 
Messkunst ,    Rechenkunst ,    angewandten    Geometrie ,    in    der  Musik, 


728  WAR  IBN  WAHSHIJJAH 

quid  significent  huiusmodi  aenigmata,  atque  hoc,  quia  indi- 
geuae  nou  consecrarunt  illa,  sed  vir  quidam  ad  nos  se  re- 
cepit  olim  ex  terra  CaoaaD,  is  erat  eximius  in  sapieatia  et 
in  grammatica;  geometria,  musica,  arithmetica,  philosophia, 
et  reliquis  scientiis  significatis,  quas  antiqui  notant  disci- 
plinas,  e;^  hie  dono  obtulit  has  figuraS;  ut  Deo  essent 
sacrae/' 

Aus  den  an  dritter  Stelle  angeführten  Worten  lässt  sich 
nicht  erweisen,  dass  Kirchem  mehr  als  ein  Buch  Ibn  Wah- 
shijjahs  vorgelegen  hat:  die  beiden  Buchtitel  beziehen  sich 
auf  Abenvachsia  und  Abenephi,  scheinen  aber  durch  Kirchners 
Nachlässigkeit  umgestellt  worden  zu  sein,  da  ,,de  cultura 
Aegyptiorum"  als  Titel  von  Ibn  Wahshijjahs  Buch  durch 
die  Parallelstellen  sicher  gestellt  ist.  Aus  diesen  ergiebt 
sich,  dass  das  Buch  sich  für  eine  Uebersetzung  alter  ägypti- 
scher Werke  über  den  Ackerbau  ausgab  und  in  seiner  An- 
lage eine  täuschende  Familienähnlichkeit  mit  der  Nabatai- 
schen Landwirthschaft  hatte,  indem  es  wie  diese  das  analoge 
Thema  zu  analogen  Abschweifungen  de  omni  scibili  et 
quibusdam  aliis  verwerthete.  Kircher  hält  es  für  dasselbe 
Buch,  welches  Rambam  (Rabban,  d.  i.  Maimonides)  anfuhrt 
—  das  ist  aber  eben  die  Nabatäische  Laudwirthschaft  — , 
und  will  sogar  p.  110  ha -Nabati  im  Texte  des  Maimonides 
in  ha-Gübti  ändern.  Man  könnte  daher  auf  den  Gedanken 
kommen,  dass  das  von  Kircher  benutzte  Buch  kein  anderes 
als  die  Nabatäische  Landwirthschaft  mit  verschriebenem  Titel 
gewesen  und  von  ihm  nur  oberflächlich  eingesehen  worden 
sei.  Viel  wahrscheinlicher  aber  ist  es  doch,  dass  es  ein 
anderes  Werk  gewesen  ist  und  ein  und  dasselbe  mit  dem, 
über  welches  Chwolson,  Altbabylonische  Literatur  S.  12  f. 
die  Nachweise  zusammengestellt  hat.  Bisher  war  der  Ver- 
fasser nicht  bekannt:  dass  als  solcher  jetzt  Ibn  Wahshijjah 
auftaucht,  ist  ein  böses  Vorzeichen. 

76  (neueren)  PhüoBOpbie  und  den  übrigen  gangbaren  Wissenschaften, 
welche  die  Alten  al-ta*älim  {xä  fia&iqfiaTa)  nannten,  vor  langer  Zeit 
plötzlich  aus  dem  Lande  Kanaan  zu  uns  kam  und  diese  Figuren  Gott 
als  Opfergabe  darbrachte." 


^ 


Em  NABATAElSCHEa  HEBODOT?         729 

Wenn  Ewald  berechtigt  war,  den  auf  Kircher  gegrOn- 
deten  Beweis  für  die  Echtheit  des  Shanq  el-Mustaham  ab- 
zuweisen, so  ist  er  doch  dazu  gewiss  nicht  berechtigt,  das 
Stillschweigen  des  Hä^  Ghalfah  für  die  Unechtheit  geltend 
zu  machen:  als  wenn  jedes  Bach,  das  in  dessen  Encyclopädie 
nicht  aufgeführt  ist,  darum  unecht  sein  müsste!  Dabei  yer- 
gisst  er  unbegreiflicherweise  ganz,  dass  sich  von  den  21 
dem  Ibn  en-Nedim  bekannten  Werken  Ihn  Wahshijjahs  bei 
Ha^  Chalfah  sicher  nur  3  (Nr.  9183.  10178.  10311)  und  78 
vermuthungsweise  2  (Nr.  7065.  7976)  wiederfinden  lassen! 
Umgekehrt  hat  Eä^  Chalfah  4  Buchtitel  (Nr.  650.  8508. 
10,194.  10,896),  die  bei  Ibn  en*Nedim  fehlen;  das  noch  er- 
halteue,  unzweifelhaft  Yon  Ibn  Wahshijjah  veröffentlichte 
Buch  des  Tenkeloshä  ist  weder  bei  Ibn  en-Nedim  noch  bei 
Hä^  Ghalfah  verzeichnet. 

Das  Yerdriesslichste  ist  aber,  dass  ein  so  alter  Schrift- 
steller wie  Ibn  en-Nedim  „allerdings  ein  ähnliches  Buch 
(Ibn  Wahshijjahs)  über  Alfabete  anführt^;  Ewald  tröstet  sich 
mit  dem  Nachsatze  „aber  doch  mit  einem  ganz  anderen 
Namen'^  Wenn  jedes  Buch,  welches  Suidas  unter  einem 
anderen  Namen  aufführt  als  unsere  Handschriften,  darum 
von  dem  in  diesen  erhaltenen  verschieden  sein  sollte,  so 
würde  die  griechische  Literatur  mit  Doppelgängern  über- 
schwemmt werden!  Um  zu  erhärten,  dass  auch  in  der  orien- 
talischen Literaturgeschichte  Fälle,  wo  Bücher  unter  ver- 
schiedenen Titeln  citirt  werden,  nichts  weniger  als  selten 
seien,  braucht  man  nicht  erst  z.  B.  auf  Abü'l- Hasan  'Alis 
Geschichte  des  Maghrib  hinzuweisen,  die,  wie  ich  höre,  fast 
in  jeder  Handschrift  einen  verschiedenen  Titel  trägt:  wir 
haben  einfach  die  Verzeichnisse  der  Schriften  Ibn  Wahshij- 
jahs bei  Ibn  en-Nedim  und  Hägi  Chalfah  untereinander  zu 
vergleichen,  um  uns  zu  überzeugen,  dass  das  alchjmische 
Werk,  das  Hagi  Chalfah  (Nr.  10311)  unter  dem  Titel  Kitab 
el-'Ishrin  kennt  und  von  dem  er  bemerkt,  dass  Ibn  Wah- 
shijjah ag|^t  ihm  den  zweiten  Titel  el-Fewäid  gegeben  habe, 

^\m  nach  der  Form,  in  die  ea  eingekleidet 
jnannt  worden  ist    Das  Zeugnißs 


730  WAR  IBN  WAHSHÜJAH 

des  Ibn  en-Nedim  lautet  wörtlich  so^):  ,ydie  abschriftliche 
79  Darstellung  der  Alphabete  (Nuschet  el-Aqläm),  mit  denen 
alchymische  und  magische  Bücher  geschrieben  werden.  Es 
erwähnt  dieses  Buch  Ibn  Wahshijjah,  und  ich  habe  es  ge- 
lesen in  seiner  Handschrift,  und  habe  auch  gelesen  die  Ab- 
schrift derselben  Aqlam  unter  mehreren  anderen  Schriftheften 
Yon  der  Hand  des  Abu' 1- Hasan  ibn  ul-KüH,  worunter  sich 
Adversarien  lexikalischen ,  grammatischen ,  geschieh tlichen^ 
poetischen  und  traditionellen  Inhalts  befanden,  welche  aus 
der  Bibliothek  der  Banü'l-Furät  in  den  Besitz  des  Abü'l- 
Hasan  ben  el-Tanah  (el-Fath?)  gek7>mmen  waren.^)  Es  ist 
eines  der  am  zierlichsten  geschriebenen  Bücher,  die  ich  von 
der  Hand  Ibn  ul-Eüfis  gesehen  habe/'  Auch  hier  hat  Ibn 
en-Nedim  offenbar  den  eigentlichen  Titel  Shauq  el-Mustahäm, 
„das  Verlangen  des  Sehnenden^  der  erst  durch  einen  langen 
Zusatz  näher  bestimmt  wird,  durch  eine  allgemeinere,  den 
wahren  InhaU  und  Charakter  des  Buches  kürzer  und  besser 
treffende  Bezeichnung  ersetzt,  deren  sich  möglicherweise 
Ibn  Wahshijjah  selbst  in  jenem  nicht  näher  bezeichneten 
anderen  Werke  bedient  hatte,  welches  Ibn  en-Nedim  in  erster 
Reihe  als  Quelle  seiner  Kenntniss  von  dem  Buche  über  die 
Alphabete  anführt.  Aus  dem  Zeugnisse  Ibn  en-Nedims  geht 
doch  zweierlei  mit  Sicherheit  hervor,  dass  die  echten  Alpha- 
bete Ibn  Wahshijjahs   kein  rein  paläographisches,   sondern 

1)  Ich  verdanke  die  VerbeBBerangen  der  von  Hammer,  Literatur- 
geschichte der  Araber  Y  S.  404  gegebenen  UeberBetzung  Herrn  Flügel 
in  Dresden,  nach  dcBsen  gütiger  Mittheilung  der  Urtext  folgendermassen 

lautet:  ^1  i^jSdj^y^ij  JülmaU  v^  W^  v^  ^I  (^ib'3\  JLs^UmJ 


O^  ^  I^JUju  j.^^1  «J^  Jüfev-^  cy|^^  »L^.  \4i\/j    ?UÄ^^ 

^  v^  ^^  (?  gJJÜI)  gOxJI  ^^  ^^^-^-js^l  ^-i  v:>*3^  ^iJl^  ^LuÄl^ 

2)  Ohne  Zweifel  die  Familie  des  312  Heg.  (924)  hingerichteten 
Ibn  Furät,  Vezirs  des  Chalifen  el-Muqtadir  (vgl.  Weil,  Geschichte  der 
Chalifen  II  S.  565  f.). 


EIN  NABATAEISCHEß  HEEODOT?        731 

ein  trübes,  abergläubisches  Interesse  verfolgten;  und  dass 
eine  Abschrift  dieses  Buches  nicht  gewöhnliche  Geschicklich- 
keit erforderte.  Beides  trifft  genau  auf  das  uns  erhaltene 
Shauq  el-Mustahäm  zu,  von  dessen  80  Schriftarten  73  jenen  . 
von  Ibn  en-Nedim  angegebenen  Charakter  tragen,  und  deren 
Abschreiber  allerdings  einer  gewissen  Fertigkeit  im  Zeichnen 
nicht  entrathen  kann. 

Jede  Seite  des  Shauq  el-Mustahäm  weist  Analogien  mit 
den  anerkannt  echten  Werken  des  Ibn  Wahshijjah  auf:  dessen 
bekannte  Liebhaberei  für  geheime  Wissenschaften  und  allerlei 
astrologischen  Aberglauben  ist  gleich  in  der  Vorrede  (p.  2) 
auf  das  Bestimmteste  ausgesprochen  und  geht  noch  unzwei- 
deutiger aus  dem  Inhalte  selbst  hervor.  Vorwiegende  Be- 
schäftigung mit  den  Naturwissenschaften  verräth  die  Wahl 
der  Hieroglyphen,  die  ohne  Ausnahme  aus  den  Gebieten 
einerseits  der  Himmelskunde  (p.  82),  andererseits  der  Botanik  80 
(p.  101)  und  Mineralogie  (p.  108)  entlehnt  sind:  Kunstpro- 
dukte, Werkzeuge  u.  s.  w.  suchen  wir  vergebens.  Die  Kräuter, 
mit  denen  die  zweiten  Hermesianer  ihre  Opferthiere  füttern, 
Hashishat  ez-Zohrah  und  Tag  el-Mulük,  in  ihrer  Sprache 
aber  Shikrek  genannt  (p.  98),  tragen  ganz  den  Fabrikstempel 
der  Nabatäischen  Landwirthschaft.  Wie  der  wirkliche  Ibn 
Wahshijjah  documentirt  sich  auch  der  Verfasser  des  Shauq 
el-Mustahäm  als  Uebersetzer  ausländischer  Bücher  natur- 
geschichtlichen und  magischen  Inhalts  ins  Arabische:  er  will 
(p.  135)  zwei  in  Damaskus  gefundene  Bücher  „Ueber  die 
Zucht  des  Weinstocks  und  des  Palmbaums^^  und  „Ueber  das 
Wasser  und  die  Mittel,  es  in  unbekanntem  Boden  ausfindig 
zu  machen'^,  aus  dem  Kurdischen  übersetzt  haben,  und  p.  91 
verweist  er  auf  das  von  ihm  „aus  unserer  nabatäischen 
Sprache''  ins  Arabische  übersetzte  Buch  mit  dem  Titel  „Sonne 
der  Sonnen  und  Mond  der  Monde'',  welches  die  Erfindung 
der  Hermesianischen  Alphabete  erläutere.  Es  ist  dies  ohne 
Zweifel  identisch  mit  den  „Geheimnissen  der  Sonne  und  des 
Mondes,  die  Ibn  Wahshijjah  aus  dem  Nabatäischen  übersetzt 
hat"  (Worte  des  Sachäwi  bei  Chwolson,  üeberreste  der  alt- 
babylonischen Literatur  S.  168  f.),  einem  Buche  über  natür- 


732  WAR  IBN  WAHSHIJJAH 

liebe  Magie;  von  dem  Doch  zahlreiche  Fragmente  erhalten  sind 
(vgl.  Chwolson  a.  a.  0.  S.  11.  164  —  170).  Das  p.  10  mit- 
getheilte  alte  nabataische  Alphabet  entpricht  genau  der  sich 
.  aus  den  Eigennamen  der  Nabatäischen  Landwirthschaft  f&r 
dasselbe  ergebenden  Form  von  28  den  arabischen  entsprechen- 
den Buchstaben  (wie  ich  in  der  Zeitschrift  XY  S.  11  [oben 
S.  581  f.]  nachgewiesen  babe).  Die  Autoritäten,  auf  welche  sich 
das  Shauq  el-Mustahäm  beruft,  sind  genau  dieselben,  wie  die 
der  übrigen  nabatäischen  Schriften:  p.  61  Märshiminä  und  Arbi- 
jäsjüs  en-Nabati  (vgl.  Afsiminä  bei  Chwolson,  Ueber  Tammüz 
S.  82.  91;  Armäsjami  im  Buche  des  Tenkeloshä  bei  Chwolson, 
Altbabylonische  Literatur  S.  99),  p.  74  Brahmijüs  el-Mi^ri 
(vgl.  Brahmänijä  el-Chosrawäni  bei  Tenkeloshä  ebendaselbst 
S.  144),  p.  130  Aghädhimün,  p.  115  Aghädimün  und  Chanüchä 
(fast  dieselbe  Form  Hanüchä  bei  Tenkeloshä  a.  a.  0.  S.  62), 
sehr*  häufig  Harmis,  p.  92  dessen  Bruder  Asqalibjänüs  oder, 
wie  p.  20  geschrieben  steht,  Asqalibüs  (vgl.  Asqülebithä  der 
Nabatäischen  Landwirthschaft).  Hier  wie  dort  finden  sich 
Adam,  Shit  und  Harmis  zusammengestellt  (p.  99),  und  der 
Sl  Letztere  wird  zweimal  (p.  92.  99)  mit  Idris  identificirt,  genau 
nach  der  Theorie  der  Nabatäischen  Landwirthschaft  (vgl.  meine 
Bemerkung  in  der  Zeitschrift  XV  S.  36  f.  [oben  S.  616]).  Die 
Bücher  Adams  werden  im  Allgemeinen  erwähnt  p.  119,  und 
p.  131  wird  genauer  angegeben,  dass  sie  über  den  Ackerbau 
handelten.  Ebendaselbst  werden  die  drei  Hauptverfasser  der 
Nabatäischen  Landwirthschaft  als  9^^^^^^'  Binüshäd  und 
Qüthämi  citirt,  endlich  p.  134  die  lehrhaften  und  technischen 
Werke  des  Binüshäd  und  Mäsi  es-Süräti.  Ganz  besonders 
charakteristisch  ist  aber  der  p.  131.  134  erzählte  Priorii^ts- 
streit  zwischen  Kurden  und  Chaldäern,  der  den  zahlreichen 
in  der  Nabatäischen  Landwirthschaft  berührten  gleicht  wie 
ein  Ei  dem  andern  und  denselben  Erfinder  verräth.  Nicht 
gering  anzuschlagen  ist  das  eigene  Zeugniss  Chwolsons,  der 
ja  mit  der  Nabatäischen  Landwirthschaft  vor  allen  Anderen 
vertraut  sein  muss,  wenn  er  Ssabier  I  S.  823  sagt:  „Wer 
Ihn  Wahshijjah  sonst  kennt,  erkennt  ihn  in  diesem  Werke 
an  vielen  Stellen  wieder."    Wenn  man  erwägt,  wie  so  ganz 


EIN  NABATAEISCHEE  HERODOT  ?  733 

verschieden  das  im  Shauq  el-Mastahäm  abgehandelte  Thema 
Yon  dem  der  Nabatäischen  Landwirthschaffc  ist;  und  wie 
wenig  Text  jenes  Buch  enthält,  so  kann  man  jene  grosse 
Menge  yon  Berührungen  unmöglich  für  gleichgiltig  halten. 
Ewald  dagegen  sucht  sich  den  Gonsequenzen  dieser  Wahr- 
nehmung S.  92  durch  die  Behauptung  zu  entziehen,  von  der 
Frage  der  Echtheit  des  Shauq  el-Mustahäm  ,,sei  die  Frage, 
was  dieser  Erdichter  von  70  Alphabeten,  den  man  überall 
so  leicht  auf  seinem  frechen  Spiele  ertappen  kann,  ausser- 
dem aus  den  älteren  Schriften  Ihn  Wahshijjahs  entlehnte, 
unabhängig '^  Diese  Hypothese  ist  fireilich  sehr  bequem, 
indem  durch  sie  jedes  denkbare  Argument  für  die  Echtheit 
Yon  vom  herein  abgeschwächt  wird:  wie  unglaublich  dumm 
aber  müsste  doch  der  yor  60  oder  100  Jahren  lebende,  auf 
die  Neugierde  eines  Europäers  speculirende  koptische  Christ 
Ewalds  gewesen  sein,  der  nach  dem  oben  Gesagten  zum 
Mindesten  grosse  Stücke  der  Nabatäischen  Landwirthschaft, 
das  Buch  des  Tenkelöshä  und  die  Geheimnisse  der  Sonne 
und  des  Mondes  gekannt  haben  müsste,  wenn  er,  statt  dem 
Europäer  Abschriften  so  seltener,  im  Abendlande  ganz  un- 
bekannter Bücher  zu  verkaufen,  sich  abmühte,  mit  Hülfe 
derselben  ein  neues  Buch  zu  yerfassen,  und  wie  unglaublich 
gescheut,  wenn  er  diesen  Betrug  so  ganz  im  Geiste  Ibn 
Wahshijjahs  und  seiner  echten  Schriften  so  durchaus  würdig 
ausführte!  Hätte  wirklich  der  Betrüger  nur  Ibn  Wahshijjahs  82 
Werke  benutzt,  so  müssten  doch  die  denselben  entlehnten 
Angaben  wesentlich  yon  ihren  Umgebungen  abstechen  und 
sich  unschwer  aus  dem  Zusammenhange  herauslosen  lassen. 
Halten  wir  uns  aber  an  die  einzige  yon  Ewald  —  freilich 
zu  einer  Zeit,  als  ihm  hinsichtlich  der  Echtheit  des  Shauq 
el-Mustahäm  noch  keine  Skrupel  aufgestiegen  waren  —  aus- 
drücklich als  echt  anerkannte  und  unbedenklich  als  Beweis 
für  das  hohe  Alter  des  nabatäischen  Schriftthums  yerwerthete 
Stelle  (p.  131)  yon  Janbüshäd  und  den  Eurden,  so  erweist 
sich  diese  als  unzertrennlich  yon  der  Ueberlieferung  des  alten 
kurdischen  Alphabets,  das  unter  den  yielen  verdächtigen 
Alphabeten  des  Shauq  el-Mustahäm  eines  der  alleryerdäch- 


734  WAR  IBN  WAHSHIJJAH 

tigsten  ist.  Und  prüfen  wir  die  Stelle,  welche  eine  aas- 
drQckliche  Bemfang  auf  ein  echtes  Werk  des  Ibn  Wahshijjah 
enhält  (p.  91),  so  finden  wir,  dass  auf  das  Buch  Ton  den 
Geheimnissen  der  Sonne  und  des  Mondes  bei  Gelegenheit 
der  Frage  yerwiesen  wird,  die  das  Mysterium  der  Mysterien 
Ba}iümid  darstellt  und  von  Sacy  mit  Recht  als  eine  der 
charakteristischsten  Albernheiten  des  Shauq  el-Mustahäm 
herrorgehoben  worden  ist.  Dieser  Versuch,  Ewald  beim 
Worte  zu  nehmen,  enthüllt  demnach  seinen  Einfall  als  das, 
was  er  ist,  das  letzte  Glied  einer  Kette  nichtiger  Sophismen. 

n. 

Nachdem  ein  Buch  a  posteriori  als  Betrug  nachgewiesen 
worden  ist^  steht  es  um  die  Geltendmachung  des  Postulates 
a  priori,  dass  es  kein  Betrug  sein  könne,  misslich  genug. 
Ewald  setzt  S.  98  auseinander,  dass  erdichtete  Schriften 
immer  ihre  bestimmte  Tendenz  haben,  und  nie  rein  wissen- 
schaftlichen Inhalts  und  Zwecks,  daher  gewiss  auch  eher 
kurz  angelegt  seien  als  langer,  mühsamer  Ausführung:  bei 
der  Nabatäischen  Landwirthschaft  finde  aber  gerade  das 
Gegentheil  statt.  Gewiss  kann,  wer  ein  Buch  unterschiebt, 
keinen  rein  wissenschaftlichen  Zweck  haben,  insofern  die 
reine  Wissenschaft  mit  Betrügereien  nichts  zu  schaffen  hat; 
dass  aber  darum  der  Inhalt  nicht  rein  wissenschaftlich  sein, 
d.  i.  sich  rein  mit  einer  bestimmten  Wissenschaft  beschäftigen 
könne,  ist  eine  Behauptung,  die  allen  Thatsachen  wider- 
spricht. So  unwissenschaftlich  auch  das  Unternehmen  des 
Simonides  gewesen  ist,  wer  kann  leugnen,  dass  der  Inhalt 
des  Uranios  es  nur  mit  der  Erzählung  der  altägyptischen 
83  Geschichte  zu  thun  hat,  also  in  der  That  rein  wissenschaftlich 
ist?  Und  bei  der  Nabatäischen  Landwirthschaft  wird  noch 
obendrein  der  wissenschaftliche  Vorwurf,  den  sie  hat,  die 
Lehre  yom  Ackerbau,  durch  Allotria,  die  Alles  sind,  nur 
nicht  wissenschaftlich,  yöllig  überwuchert  Die  Vergleichung 
mit  den  Betrügereien  der  Juden,  der  Samaritaner,  der  Mendäer, 
der  Sabier,  mit  dem  Desätir  wird  rund  abgewiesen,  obwohl 
die  Verschiedenheit  doch  nur  in  dem  behandelten  Thema  be- 


EIN  NABATAEISCHEE  HEBODOT?  735 

• 
stehi^  das  dort  theologisch^  hier  agronomisch  ist.  Die  frappante 

Aehnlichkeit  mit  dem  Schriftthume  der  Sabier  bleibt  für 
jeden  Unbefangenen  stehen,  mag  sie  auch  noch  so  zuversichir 
lich  abgeleugnet  werden;  und  die  sehr  intimen  Beziehungen 
der  Nabatäischen  Landwirthschaft  zur  hebräischen  pseud- 
epigraphischen  Literatur^  die  ich  nur  im  Allgemeinen  an- 
gedeutet hatte,  sind  gegenwärtig  von  einem  gründlichen 
Kenner  derselben,  Herrn  Steinschneider,  im  Einzelnen  nach- 
gewiesen. Mit  mehr  Recht  macht  Ewald  den  Umfang  der 
Nabatäischen  Landwirthschaft  zu  ihren  Gunsten  geltend: 
allein  Ihn  Wahshijjah  hatte  ja  bei  dem  technischen  Haupt- 
thema derselben  weiter  nichts  nothig,  als  sein  eigenes  Wissen 
und  seine  eigenen  Einfalle  vorzutragen  und  die  urzeitliche 
Einkleidung  hinzu  zu  erfinden.  Ich  wiederhole  hier  die 
treffende  Bemerkung  Meyers  über  die  arabischen  Polygraphen 
(HI  S..107):  „Selbst  originelle  Schriftsteller  affectirten  wohl 
gar  den  Schein  blosser  Compilatoren,  indem  sie  ihr  Eigen- 
thfimliches  so  darzustellen  suchten,  als  wäre  es  längst  aus- 
gesprochen und  von  ihnen  nur  vermöge  umfassender  Ge- 
lehrsamkeit aus  dem  Dunkel  der  Vergessenheit  aufs  Neue 
hervorgezogen '^  So  ganz  vereinzelt  steht  die  Ausdehnung 
des  nabatäischen  Betruges  übrigens  denn .  doch  nicht:  das 
Desätir  umfasst  zwei  Quartbände  mit  397  Seiten  Text,  die 
untergeschobenen  Schriften  Dionysios^  des  Areopagiten  füllen 
einen  riesigen  Folianten,  und  selbst  der  Dictys  Gretensis  ist 
nicht  viel  kürzer  als  die  Ilias.  So  berechtigt  endlich  Ewalds 
Forderung  ist,  dass  jeder  Betrug  einen  bestimmten  Zweck 
haben  müsse,  so  unberechtigt  ist  die  andere,  dass  jedes 
Machwerk  so  lange  als  echt  gelten  müsse,  als  der  Zweck 
des  Betrügers  nicht  sicher  erwiesen  sei :  wie  viele  Betrügereien 
z.  B.  in  der  späteren  griechischen  Literatur  sind  nicht  bis 
zur  Evidenz  erwiesen,  und  doch  bei  wie  wenigen  darunter 
kommt  man  hinsichtlich  der  Absichten  des  Fälschers  über 
Vermuthungen  hinauf!  wer  möchte  jetzt  noch  die  Plutarchi- 
schen  kleinen  Parallelen  und  das  Buch  Ilsgl  Tcotafiäv  in  84 
Schutz  nehmen?  und 'doch  wer  getraute  sich  mit  Sicherheit 
zu  sagen,  was  der  Betrüger  mit  ihnen  gewollt  hat?  —  Nun 


736  WAR  IBN  WAHSHIJJAH 

habe  ich  ja  aber  in  der  That  bei  Ibn  Wahshijjah  einen  Zweck 
als  durchgängig  zu  Tage  tretend  nachgewiesen,  nämlich  ab- 
gesehen von  der  persönlichen  Eitelkeit,  als  Entdecker  uralter 
Weisheit  zu  glänzen,  das  patriotische  Bestreben,  seine  ver- 
achteten Landsleute  in  den  Äugen  der  Araber  in  ein  glänzendes 
Licht  zu  stellen:  Ewald  erwähnt  dies  auch  wirklich,  wider- 
legt es  aber  nicht,  sondern  erklärt  diesen  Zweck  (der  noto- 
risch der  Hebel  zahlreicher  Betrügereien  gewesen  ist^)) 
kurzweg  für  zur  Erklärung  nicht  ausreichend,  und  richtet, 
auf  den  Umstand  pochend,  dass  Ibn  Wahshijjah  seine  eigenen 
Zuthaten  yon  seiner  Ouelle  genau  unterscheide,  S.  99  die 
Frage  an  mich:  ;,wie  können  wir  so  leicht  die  Stirne 
haben,  dies  Alles  für  nichts  als  für  Erdichtung  und  Betrug 
zu  halten?^' 

Wir  lassen  hierauf  den  Ibn  en-Nedim  antworten  durch 
das  Yerzeichniss  der  Schriften  des  Ibn  Wahshijjah  el-Keldäni, 
über  dessen  wissenschaftlichen  Charakter  er  nichts  weiter 
bemerkt,  als  dass  er  „sich  mit  Talismanen  abgab  und  ein 
Zauberer  zu  sein  zu  behaupten  pflegte'^  Ibn  en-Nedim  führt 
seine  Werke  theils  in  dem  Abschnitte  seines  Fihrist  el-'ulüm 
auf,  der  von  den  Magiern  handelt,  theils  in.  dem  über  die 
Alchymisten;  durch  die  Güte  Herrn  Flügels  bin  ich. in  den 
Stand  gesetzt,  beide  Verzeichnisse  in  correcterer  Form  zu 
geben,  als  dies  durch  Hammer  (Literaturgeschichte  der  Araber 
V  S.  404)  geschehen  ist. 

L  Seine  magischen  Werke  sind:  1)  das  Buch  der 
Entfernung  der  Satane,  bekannt  unter  dem  Namen  „die  Ge- 
heimnisse^'; 2)  das  grosse  Buch  der  Zauberei;  3)  das  kleine 
Buch  der  Zauberei;  4)  das  Buch  der  Cyklto,  nach  der  Lehre 
der  Nabatäer,  in  9  Büchern;  5)  das  Buch  der  Secten  der 
Nabatäer  hinsichtlich  der  Götzen;  6)  das  Buch  der  Finger- 
zeige über  Zauberei  (Eitab  el-ishärah  ß'l-sihr);  7)  das  Buch 
der  Geheimnisse  der  Gestirne;  8)  das  grosse  Buch  des  Acker- 

1)  Ich  will  nur  an  ein  recht  schlagendes  Beispiel  erinnern,  die 
Franken  Chronik  des  Honibald,  bei  der  noch  der  psychologisch  merk- 
würdige Umstand  hinzukommt,  dass  der  Fälscher,  Trithemins,  eich 
sonst  eines  guten  Bufes  erfreut 


EIN  NABATAEISCHER  HERODOT  ?  737 

baues^);  9)  das  kleine*);  10)  das  Buch  des  Hanatüsi  (?)85 
Enaghi  (?)  el-Kesdaüi  über  die  zweite  Art  der  Talismane, 
übersetzt  von  Ibn  Wahshijjah;  11)  das  Buch  des  Lebens  und 
des  Todes  betreflfend  die  Heilung  der  Krankheiten,  von  Rähitä 
ben  Semütän  el-Eesdäni;  12)  das  Buch  der  Götzen;  13)  das 
Buch  der  Opfer;  14)  das  Buch  der  Natur,  von  ihm  (d.  i. 
Ibn  Wahshijjah);  15)  das  Buch  der  Namen,  von  demselben; 

16)  Das  Buch  der  Genossenschaft  mit  Ab^'l-Ga'far  el-'ümewi 
und  Selämet  ibn  Suleimän  el-Ichmimi  über  Alchymie  und 
Zauberei. 

II.  Die  alchymischen  Werke  Ibn  Wahshijjahs 
sind:  1)  das  grosse  Buch  der  Elemente  betreffend  die 
Alchymie;  2)  das  kleine  Buch  der  Elemente  derselben; 
3)  das  Buch  der  Methode  (el-madragah);  4)  das  Buch  der 
Dissertationen  (el-mudäkerät)  über  Alchymie,  in  20  Büchern; 
5)  die  abschriftliche  Darstellung  der  Alphabete  (Nuschet  el- 
aqläm),  mit  denen  alchymische  und  magische  Bücher  ge- 
schrieben werden  (s.  oben). 

Um  für  den  Leser  das  Bild  von  Ibn  Wahshijjahs  lite- 
rarischer Betriebsamkeit  möglichst  zu  vervollständigen  und 
damit  eine  empfindliche  Lücke  in  den  von  Chwolson  über 
ihn  gegebenen  Notizen  auszufüllen^  wird  es  erspriesslich  sein, 
auch  die  über  ihn  handelnden  Artikel  Hä^  Chalfahs  hier 
zusammenzustellen.  Es  sind  nach  Ausscheidung  der  Doubletten 
(Nr.  4582.  10378.  10402)  folgende: 

Nr.  10311.  Kitäb  el-*Ishrin,  das  Buch  der  Zwanzig  in  Be- 
zug auf  Alchymie,  von  Abu  Bekr  Ahmad  ben  Wahshijjah. 
Demselben  Buche  hat  er  den  Titel  El-Fewaid  gegeben, 
„ich  habe  es",  sagt  er,  „mit  diesem  Namen  darum  be- 
zeichnet, weil  ich  daselbst  alles  Nützliche  angemerkt  habe, 
was  ich  auf  Reisen  vernommen  habe"  (V  p.  117  ed.  Flügel 
=  II,  4  bei  Ibn  en-Nedim). 

1)  Man  beachte,  wie  Ibn  en-Ned!m  die  Nabataische  Landwirth- 
Schaft  ohne  umstände  ganz  kaltblütig  unter  die  Bücher  über  Magie 
rechnet. 

2)  Vielleicht  das  von  Eircher  angeführte  Werk  über  die  Ägy- 
ptische Landwirthschaft. 

y.  GuTSOHXio ,  Kleine  Sobriften.   II.  47 


538  WAR  IBN  WAHBHUJAH 

Nr.  7065.  Sidrat  el-Munteha,  der  Lotusbaum  der  Welt- 
grenze  in  Bezug  auf  Alchymie,  von  Ibn  Wahshijjah  (III 
p.  587,  vielleicht  =  II,  2  bei  Ibn  en-Nedim). 

Nr.  650  Asrär  el-shams  waM-qamar,  die  Geheimnisse 
der  Sonne  und  des  Mondes  in  Bezug  auf  die  Wissenschaft 
el-Nirengijät,  von  Ibn  Wahshijjah  (I  p.  281), 

86 Nr.  10178.  Eitäb  sihr  el-Nabat,  das  Buch  über  die 
Zauberkunst  de^  Nabatäer,  von  Ibn  Wahshijjah  (V  p.  94 
=  I,  2  bei  Ibn  en-Nedim), 

Nr.  7976.  Die  Wissenschaft  der  Talismane  ...  Ibn  Wah- 
shijjah hat  aus  der  nabatäischen  Sprache  das  Buch 
Tabeqätä^)  übersetzt  (VI  p.  166,  vielleicht  =  1, 10  bei 
Ibn  en-Nedim). 

Nr.  10194.  Kitäb  el-Somüm,  das  Buch  von  den  Giften, 
welches  Järbüqä  el- Nabati  el-Eesdäni  el  Fauqäji'),  Be- 
wohner der  Stadt  Bersäwijä,  verfasst  hat,  und  worin 
auch  Einiges  aus  einem  von  Sühäbshat,  Bewohner  der 
Stadt  ^Aqerqüfä,  verfassten  Buche  enthalten  ist  Abu 
Bekr  Ahmed  ben  'Ali,  insgemein  Ibn  Wahshijjah  genannt, 
hat  es  aus  der  nabatäischen  Sprache  in  die  arabische 
übersetzt,  und  'Ali  ben  Abi  Tälib  Ahmed  ben  'Ali  und 
Ibn  el-Zajjät  haben  es  redigirt. ')  Es  werden  daselbst 
Bücher  über  die  Gifte  von  vielen  früheren  Völkern  nam- 
haft gemacht  (V  p.  95). 

Nr.  9183.  Felähah,  das  Buch  des  Ackerbaues,  von  Sheich 
Abu  Bekr  Ahmed  ibn  Wahshijjah  (IV  p.  461  =  I,  8  bei 
Ibn  en-Nedim). 

Nr.  8508.  Ghajat  el-amel,  die  höchste  Hoffnung,  in  Bezug 
auf  Geldwechsel,  Geldgeschäft  und  die  vielfach  anwend- 
baren mathematischen  Wissenschaften.  Ein  Abriss,  den 
Abu  Bekr  ibn  Wahshijjah  aus  den  Schriften  der  Philo- 
sophen übertragen  hat  (IV  p.  298). 

1)  Sichtlich  eine  nach  dem  bekannten  Becepte  zd  Stande  gebrachte 
Nabatäisirang  des  geläufigen  arabischen  Bachiitels  Tabaqät 

2)  Schreibe  Qüqäni. 

8)  Zu  berichtigen  nach  Chwolson  S.  120. 


EIN  NABATAEISCHER  HERODOT?  739 

Nr.  10896.     Eanz  el-hikmah,  der  Schatz  der  Weisheit,  in 
Bezug  auf  Metaphysik,  von  Ibn  Wahshijjah  (V  p.  249). 

Wir  haben  hiernach  ,,die  Stirue'',  den  Ibn  Wahshijjah, 
den  Ewald  sogar  mit  Herodot  zu  vergleichen  nicht  ansteht 
(S.  105),  als  einen  ausgemachten  Schwindler,  und  jeden 
Versuch,  um  seines  ehrlichen  Charakters  willen  die 
Nabatäische  Landwirthschaft  fQr  echt,  das  Shauq  el-Musta- 
häm  aber  für  ihm  untergeschoben  zu  erklären,  als  eine 
Lächerlichkeit  zu  bezeichnen. 

Uuter  vielem  Anderen  hatte  ich  nachgewiesen,  dass  die 
Doppelreime  des  Daghrith  nur  von  einem  Araber  ersonnen 
werden  konnten,  dass  die  Nabatäische  Landwirthschaft  in 87 
Bezug  auf  die  Namen  der  hebräischen  Patriarchen  und  das, 
was  sie  von  ihnen  erzählt,  von  der  muhammedanischen  Tra- 
dition gänzlich  abhängig  ist,  dass  sie  einen  durch  und  durch 
modernen  Charakter  trägt  und  durch  die  Inscenesetzung  eines 
kosmopolitischen  Gelehrtenverkehrs  ihren  eigenen  Voraus- 
setzungen widerspricht,  dass  sie  von  Berossos  in  allen 
Stücken  Lügen  gestraft  wird  und  aller  Berührungspunkte 
mit  echten  Quellen  haar  und  ledig  ist.  Auffallenderweise 
beobachtet  Ewald  über  alle  diese  Hauptsachen  das 
tiefste  Schweigen,  klammert  sich  dagegen  an  eine  Neben- 
sache, deren  Ausführung  ich  von  der  BeweisfQhrung  aus- 
drücklich geschieden  hatte  (S.  90,  vgl.  mit  S.  79),  und  reisst 
auch  aus  dem  jene  Nebensache  betreffenden  Abschnitt  nur 
einen  einzelnen  Punkt  heraus  und  stellt  diesen  in  ein  ganz 
falsches  Licht.  Ich  hatte  S.  90f.  [oben  S.  689 f.]  die  auf 
Babylonien  lastende  Fremdherrschaft  der  Kanaanäer  mit  der 
arabischen,  die  in  Babylonien,  Mesopotamien  und  Syrien 
herrschende,  abergläubische,  intolerante  Religion  der  Ishi- 
thianer  mit  dem  Islam  und  die  als  Nachfolger  oder  Stell- 
vertreter des  Ishithä  angesehenen  Chalifen,  in  deren  Person 
sie  concentrirt  war,  mit  den  wirklichen  Chalifen  verglichen. 
Hiergegen  bemerkt  Ewald  S.  102 f.:  „da  aus  dem  Namen 
Ishithä  Niemand  auf  die  Chalifen  und  aus  dem  Namen 
Kanaanäer  Niemand  auf  die  Araber  und  Muslim  schliessen 
würde,   nirgends   auch   (soweit  die   Nabatäische   Landwirth* 

47* 


740  WAR  IBN  WAHSHUJAH 

Schaft  bis  jetzt  vorliegt)  nur  ein  Wink  gegeben  ist,  dass 
man  die  Namen  so  verstehen  solle,  so  wäre  diese  ganze 
Erdichtung  nicht  nur  undurchdringlich  und  durchaus  unklar, 
sondern  eben  deshalb  auch  völlig  zwecklos  und  unnütz.  Und 
dazu  werden  sowohl  von  Ishithä  als  von  diesen  Eanaanäem 
Dinge  ausgesagt,  welche  auf  die  Chalifen  und  Muslim  nicht 
die  geringste  Anwendung  leiden,  wodurch  also  der  Zweck 
der  Erdichtung  selbst  sogleich  wieder  völlig  zerstört  wäre, 
ehe  er  auch  nur  hätte  deutlich  werden  können.  Wir  ver- 
mögen in  allen  diesen  Angaben  nichts  Deutliches,  noch 
weniger  etwas  Folgerichtiges  und  allseitig  Zutreffendes  zu 
erblicken.'^  Dieser  Einwand  hielte  nur  dann  Stich,  wenn 
ich  der  Nabatäischen  Landwirthschaft  den  Charakter  einer 
politischen  Flugschrift  vindicirt  hätte,  die  sich  an  Lands- 
leute oder  Gesinnungsgenossen  in  religiöser  Hinsicht,  kurz 
an  solche  wendete,  bei  denen  eine  Bearbeitung  im  Sinne 
des  Verfassers  auf  Grund  einer  vorhandenen  Prädisposition 
88  zu  erwarten  war.  Ich  bin  nun  aber  so  weit  entfernt 
gewesen,  die  Namen  Eanaanäer  und  Ishithä  zu  Stichwörtern, 
etwa  in  dem  Sinne  wie  die  Chaldäer  und  Nebukadnezar  im 
Buche  Daniel,  zu  stempeln,  dass  ich  vielmehr  ausdrücklich 
die  Nationaleitelkeit  des  Nabatäers  für  den  Haupthebel  des 
Betruges  erklärt  habe,  unter  Bezugnahme  auf  die  Angabe 
Chwolsons,  dass  Ibn  Wahshijjah  sich  zu  seiner  Arbeit  ent- 
schlossen habe,  um  zu  zeigen,  dass  die  Vorfahren  seiner  von 
den  Arabern  so  tief  verachteten  Stammgenossen  durch  ihre 
Kenntnisse  viele  Völker  des  Alterthumes  übertroffen  hätten 
(S.  92  [oben  S.  691]).  „Dazu"  —  hatte  ich  gesagt  —  „gesellte 
sich  die  Tendenz,  im  Stillen  die  islamische  Orthodoxie  durch 
Verbreitung  rationalistischer  Ideen,  auch  wohl  Parodierung  der 
moslemischen  Tradition,  zu  unterwühlen."  Damit  habe  ich 
bestimmt  genug  ausgesprochen,  dass  die  Nabatäische  Land- 
wirthschaft nach  meiner  Ansicht  vorwiegend  auf  Araber,  auf 
Moslems  zu  wirken  berechnet  war:  diese  sollten  Respect  vor 
den  Nabatäern  bekommen  und  dann  durch  das  Vertraut- 
werden mit  den  geschichtlichen  Enthüllungen,  welche  die 
Nabatäische  Landwirthschaft  über  die  Patriarchenzeit  giebt^ 


EIN  NABATABISCHER  HERODOT?  741 

unyermerkt  an  der  Richtigkeit  so  mancher  koranischer 
Tradition y  und  somit  an  der  Göttlichkeit  des  Korans  selbst^ 
irre  werden.  Der  gottliche  Ursprung  des  Korans  aber 
ist  es,  um  den  sich  zu  Ibn  Wahshijjahs  Zeit  aller  Streit 
zwischen  Orthodoxen  und  Mutazaliten  drehte.  Dass  die  von 
mir  dem  Ibn  Wahshijjah  beigemessene  Berechnung,  den 
Koran  nicht  sowohl  direct  anzugreifen,  als  ihn  durch  ein 
ungleich  älteres,  also  nothwendig  besser  unterrichtetes  Buch 
dementiren  zu  lassen,  nichts  weniger  als  Tag  und  unpraktisch 
war,  lehrt  das  Beispiel  des  Chalifen  al-Mämün,  der,  als  er 
das  ihm  von  einem  persischen  Yezir  in  die  Hände  gespielte 
altpersische  Buch  der  „ewigen  Vernunft"  gelesen  hatte,  aus- 
rief: „Hier  ist  wahre  Weisheit,  das,  womit  wir  (Musel- 
männer) uns  beschäftigen,  ist  nur  eine  eitle  Bewegung  der 
Zunge  in  unserem  Munde"  (s.  Weil,  Geschichte  der  Chalifen 
II  S.  255).  Dabei  war  natürlich  grosse  Vorsicht  uöthig: 
directe  Angriffe  auf  Dinge,  die  auch  dem  vorurtheilsfreiesten 
Moslem  heilig  waren,  etwa  auf  die  fünf  Hauptgebote  des 
Islams,  wie  Ewald  seltsamerweise  verlangt,  hätten  von  vorn- 
herein den  moslemischen  Leser  abgeschreckt  und  die  Absicht 
des  Erfinders  vereitelt;  wir  haben  an  einer  anderen  Stelle 
(S.  99  [oben  S.  701])  darauf  hingewiesen,  dass  sogar  Adami, 
Anühä,  Abrühüm,  die  zu  den  sechs  grossen  von  den  Muham-  89 
medanem,  selbst  den  ketzerischen  Ismailiten  (Weil  II  S.  501), 
anerkannten  Propheten  gehören,  planmässig  geschont  sind. 
Indem  ich  die  Kanaanäer  mit  den  Arabern,  die  Ishithianer 
mit  den  Moslems  zusammenstellte,  habe  ich  lediglich  con- 
statirt,  dass  die  politischen  und  religiösen  Voraussetzungen 
der  Nabatäischen  Landwirthschaft  nicht  bloss  in  den  Haupt- 
sachen, der  Herrschaft  fremder  Eroberer  über  die  alte  Landes- 
bevölkerung, und  dem  Wachen  einer  starren  Orthodoxie  über 
jeder  freieren  Geistesbewegung,  sondern  auch  in  vielen 
kleineren  Zügen  genau  der  Lage  der  Dinge  zu  Ibn  Wah- 
shijjahs  Zeit  entsprechen;  ich  hatte  dies  schon  in  der  üeber- 
schrift  des  XXIV.  Abschnittes  ausgedrückt.  Meine  Ansicht,  die 
ich,  um  ferneren  Missdeutungen  vorzubeugen,  hier  bestimmter 
formuliren  will,  geht  dahin,  dass  Ibn  Wahshijjah  bei  seinen 


742  WAU  IBN  WAHSHUJAH 

Erdichtungen  theils  unwillkürlich  der  Zeit  des  Qüthsämi  die 
Farbe  seiner  eigenen  geliehen,  theils  als  Schalk  sich  unter 
dieser  Maske  AusföUe  gegen  allerhand  ihm  verhasste  Dinge 
erlaubt  hat,  die  aber  doch  nur  von  seinen  nächsten  Ver- 
trauten verstanden  zu  werden  brauchten.^)  Sollte  mir  auch 
—  freilich  mit  besseren  Gründen,  als  Ewald  vorzubringen 
weiss  —  nachgewiesen  werden,  dass  ich  hierin  allzu  scharf- 
sichtig gewesen  bin,  so  bliebe  doch  immer  der  vorausgesetzte 
Hauptzweck,  die  Verherrlichung  der  alten  Nabatäer  und  die 
Euhemerisirung  koranischer  Traditionen,  davon  völlig  un- 
berührt. 

m. 

So  wenig  wie  im  Ganzen,  so  wenig  soll  die  Fälschung 
bei  den  einzelnen  Stücken  von  mir  nachgewiesen  sein:  ich 
habe  Punkt  für  Punkt  die  Unechtheit  im  Einzelnen  nach- 
gewiesen, und  daraus  zum  Schluss  die  Unechtheit  des  Ganzen 
gefolgert.  Ewald  bemerkt,  eine  Erdichtung  hätte  alle  ein- 
zelnen Stücke  durchdringen  müssen  (S.  104):  Werke  wie  das 
90  Desätir  seien,  trotzdem  dass  sich  sehr  verschiedene  Stoffe  in 
ihm  endlich  zusammengefunden  haben,  wie  aus  einem  Geiste 
und  einem  Gusse.  Dies  ist  ja  aber  gerade  bei  der  Naba- 
täischen  Landwirthschaft  und  den  verwandten  Werken  in 
solchem  Grade  der  Fall,  dass,  wenn  ja  ältere  echte  Vorlagen 
in  einzelnen  Stücken  benutzt  worden  sind,  dieselben  doch 
vollständig  die  Farbe  des  Ganzen  angenommen  haben.  Die 
Existenz  solcher  echten  (aber  wohl  kaum  besonders  alten) 
Angaben  hatte  ich,  da  ja  auch  bei  Erdichtungen  das  An- 
knüpfen an  Gegebenes  am  nächsten  liegt,  keineswegs  für  un- 
möglich erklärt  (vgl.  S.  41  f.  103  [oben  S.  623. 706]).  Inwiefern 
aber  der  wirkliche  Nachweis  vereinzelter  echter  Nachrichten 
mein  Gesammtergebniss  auch  nur  im  Geringsten  zu  afficiren 

1)  Aehnliches  kommt  bei  Betrügern  nicht  selten  vor;  so  beruht, 
Wie  mir  Jemand,  der  zugleich  mit  Wagenfeld  auf  dem  Bremer  Gym- 
nasium gewesen  ist,  erzählt  hat,  das  nicht  unebene  Geschichtchen  im 
Pseudo  -  SanchuniathoQ ,  welches  zur  Anbringung  eines  Citates  des 
Athenäos  über  den  Kuchen  %^<aq6SXa^ov  eingeflochten  ist,  auf  einem 
wirklich  ausgeführten  Öymnasiastenstreiche. 


EIN  NABATAEISCHER  HERODOT?         743 

yermochte,  ist  nicht  abzusehen:  eine  echte  Notiz  prägt  doch 
darum  noch  nicht  den  ganzen  Abschnitt,  in  den  sie  verwebt 
ist,  zu  einem  echten ,  und  vermag  noch  weniger  etwas  an 
dem  anderweitig  feststehenden  Charakter  des  ganzen  Werkes 
zu  ändern!  Am  allerwenigsten  sind  dies  die  beiden  Beispiele 
im  Stande,  deren  Echtheit  uns  jetzt  wieder  von  Ewald  (S.  105) 
angepriesen  wird,  nachdem  dies  schon  von  Ghwolson  zur 
Genüge  geschehen  war. 

Die  mit  der  Legende  vom  heiligen  Georgios  identische 
Sage  vom  Tammüz  soll  deshalb  unverdächtig  sein,  weil  Ibn 
Wahshijjah  dabei  seine  eigenen  Zusätze  von  dem  Ueber- 
lieferten  genau  scheidet.  Bevor  man  schliesse,  dass  diese 
aus  jener  entlehnt  und  zwar  von  Ibn  Wahshijjah  selbst  ent- 
lehnt sei,  würde  man  —  verlangt  Ewald  —  wenigstens  zuvor 
näher  untersuchen  müssen,  welchen  Ursprunges  und  Wesens 
die  christliche  Sage  vom  heiligen  Georgios  sei.  Obgleich 
sich  über  die  Berechtigung  eines  solchen  Verlangens  wohl 
streiten  liesse,  so  können  wir  doch  auf  dasselbe  eingehen 
und  uns  auf  den  in  diesen  Berichten  über  das  Wesen  des 
heiligen  Georgios*)  gegebenen  Nachweis  berufen.  Sollte 
selbst  das  bis  jetzt  bekannte  Material  nicht  ausreichen,  um 
die  Richtigkeit  des  gewonnenen  Ergebnisses  völlig  sicher  zu 
stellen,  so  reicht  es  doch  dazu  völlig  aus,  um  zu  erkennen, 
dass  die  Legende  vom  heiligen  Georgios  mit  der  echten 
Sage  von  Tammüz  oder  Adonis  weder  in  den  Details  noch 
ihrem  ganzen  Geiste  nach  auch  nur  die  entfernteste  Aehn- 
lichkeit  hat. 

Als  zweites  Beispiel  führt  Ewald  den  ägyptischen  König 
Sefüräs  an,  der  sich  bei  Manetho  wiederfinden  soll,  bemerkt 
aber  gleich  im  Voraus  S.  106:  „Wir  wollen  hier  nicht  diese 
Zeitrechnung  erörtern,  da  Alles,  was  die  in  der  Nabatäischen 
Landwirthschaft  erwähnten  Zeitrechnungen  imd  Eönigsfolgen  91 
betrifft,  erst  nach  dem  Drucke  des  ganzen  Werkes  sicher 
genug  untersucht  und.  festgestellt  werden  kann.'^    Nun,  wenn 


*)   [Dieser   Aufsatz    wird    im    dritten   Bande    dieser   Sammlung 
erscheinen.    F.  R.] 


744  WAR  IBN  WA^JSHUJAH 

irgend  etwas  schon  jetzt  sicher  festgestellt  werden  kann,  so 
ist  es  gewiss  die  Zeitrechnung,  über  welche  ChwolsoD,  dessen 
ganze  Ansicht  über  Alter  und  Werth  des  Buches  von  dessen 
Zeitangaben  ausgeht  und  sich  darauf  allein  stützt,  die  aller- 
Yollstandigsten  Mittheilungen  geben  musste  und  wirklich  ge- 
geben hat.  Und  was  die  Konigsfolgen  betrifiTt,  so  kannte 
Chwolson,  ehe  das  letzte  noch  übrige  Stück  der  Nabatäischen 
Landwirthschaft  in  Leyden  wieder  aufgefunden  wurde  und 
unter  Anderem  einen  neuen  Eonigsnamen  'Azrawajä  oder 
'Azrüwil  brachte  (üeber  Tammüz  S.  110),  nach  seiner  eigenen 
Angabe  (Altbabylonische  Literatur  S.  42)  22  altbabylonische 
Könige,  von  denen  Qüthämi  20  namentlich  auffuhrt,  und 
zwar  18  mit  ihren  Eigennamen  und  2  bloss  mit  ihren  Bei- 
namen.    Erwähnt  aber   hat  er   1)  die  beiden  ungenannten: 

den  Nachfolger  desGarmäthi  und  den,  unter  dem  der  Ibrahims- 
bäum  entstand,  2)  die  beiden  mit  ihren  Beinamen  aufgeführten: 
den  vierfach  Unglückseligen  und  den  Gesegneten,  3)  namentlich 

genannte  11:  Tibätänä,  Bedinä,  Garmäthi,  QerÜ9aDi,  Semüna, 
Hinäfa,  Saha,  Nemrüda,  Zahmünä,  Süsqijä,  ^a^lbämä.  Folglich 
fehlen  nur  7  Königsnamen,  also  kaum  ein  Drittel,  die  an  dem 
Gesammtresultate  nichts  ändern  werden.  Meine  Berechnung, 
dass  Ibn  Wahshijjahs  Seföräs  gegen  21650  v.  Gh.,  mithin 
18000  Jahre  vor  dem  Manethonischen  SriipovQig  gelebt  haben 
muss,  eine  Thatsache,  die  mir  zu  der  Bemerkung,  es  sei  lächer- 
lich, da  noch  von  Uebereinstimmung  zu  reden  (S.  78  [oben 
S.  673]),  das  vollste  Recht  gab,  stützt  sich  durchaus  nur  auf 
die  von  Chwolson  hier  ohne  Auslassung  irgend  eines  Zwischen- 
gliedes mitgetheilten  Daten  der  Nabatäischen  Landwirthschaft. 
Statt  dies  anzuerkennen  hebt  Ewald  die  Einfachheit  der 
Nachricht  von  der  Einführung  des  zackigen  Knoblauchs  in 
Aegypten  hervor  und  fragt:  „wie  lässt  es  sich  denken,  dass 
eine  solche  Nachricht  erdichtet  wäre?  und  zu  welchem  Zwecke 
wäre  sie  erdichtet 9^'  Das  Verlangen,  dass  in  einem  grossen 
von  einem  notorischen  Schwindler  herrührenden  Werke  bei 
jeder  noch  so  geringfügigen  Notiz  über  den  Zweck  der  Er- 
findung Rechenschaft  gegeben  werde,  zu  würdigen,  überlasse 
ich  dem  Leser.    Auch  hier  wird  mit  ebensowenig  Recht  wie 


EIN  NABATAEISCHER  HERODOT  ?  745 

bei  anderen  Gelegenheiten  behauptet;  ich  setze  nur  der  Folge- 
richtigkeit meiner  Grundannahme  wegen  auch  hier  reine  Er-  92 
dichtung  vorauS;  und  zur  Widerlegung  hinzufügt:  ^^inmal 
findet  sich  statt  ^\jjjL^  in  einer  anderen  Handschrift  auch 

die  Lesart  j^L^JU»,  welche  die  D.  M.  G.  Z.  vorzieht:  allein 

wer  arabische  Handschriften  kennt,  weiss,  dass  die  Zeichen  L , 

wie  sie  in  vielen  Handschriften  erscheinen,  durch  flüchtiges 
Lesen  leichter  in  b  verdorben  werden  können  als  umgedreht. 
Zweitens  meint  sie,  es  könne  ja  nach  dieser  anderen  Lesart 
bloss  ein  rein  griechischer  Name  wie  Skopas  die  Grundlage 
bilden,  und  dann  sei  die  willkürliche  Erdichtung  doch  unleug- 
bar: allein  diese  zweite  Annahme  sinkt  eben  mit  der  ersten 
zusammen'^  Wie  schon  oft,  hat  Ewald  auch  hier  die  Haupt- 
sache verschwiegen:  dass  Seqobäs  die  Lesart  des 
besseren  Cod.  Leid.  303.A,  Sefüräs  aber  die  des  weniger 
guten  Cod.  Leid.  303.  D  ist.  Was  sich  paläographisch  für 
Sefüräs  anführen  lässt,  war  mir  durch  die  Auseinandersetzung 
von  Chwolson  S.  106  sehr  wohl  bekannt,  und  ich  hatte  die 
Bevorzugung  von  Sefüräs  ausdrücklich  nur  darum  verworfen, 
weil  sie  unmethodisch  sei  (Zeitschrift  XV  S.  78  [oben  S.  673]). 
Wenn  die  Verbindung  des  .  mit  dem  I  und  in  Folge   davon 

Uebergehen  in  U  etwas  in  Handschriften  so  Gewöhnliches 
ist,  so  konnte  recht  gut  auch  ein  ohne  diakritischen  Punkt 
und  etwas  unproportionirt  geschriebenes  U  von  einem  Schreiber 

für  die  ihm  geläufige  Ligatur  von  .  und  1  gehalten  werden; 

dass  der  erstere  Fall  der  häufigere  sein  mag,  will  ich  gern 
zugeben,  halte  aber  meine  Behauptung  vollkommen  aufrecht, 
dass  eine  solche  Wahrscheinlichkeitsrechnung  zu  einem  Ab- 
gehen von  der  guten  zu  Gunsten  der  schlechten  Ueberlieferung 
nicht  berechtigt.  Es  ist  dies  nur  die  Anwendung  eines  der 
ersten  Grundsätze  methodischer  Kritik,  die  bei  der  Heraus- 
gabe classischer  Schriftsteller  heutigen  Tages  zu  allgemeinster 
Geltung  gelangt  sind:  und  ich  meine,  die  Principien  der 
Kritik  müssen  überall  dieselben  sein,  also  warum  nicht  auch 
bei  der  Textesherstellung  arabischer  Bücher?  —  Vollends 
übel  sieht  es  mit  dem  Hilfsargumente  Ewalds  aus,  dass  ein 


746  WAR  IBN  WAHSHUJAH 

so  gelehrter  Mann  wie  Ihn  Wahshijjah  einen  der  den  Arabern 
bekannten  Pharaonennamen  hätte  wählen  können,  statt  einen 
zu  erdichten:  das  Shauq  el-Mustahäm  giebt  ausser  den  anders 
woher  bekannten  Sürid,  Qaftorim,  Harniis  Abü-Tät,  Aqlimün^ 
93  Marqünas  und  ^äaa  (statt  ^ä)  noch  folgende  erdichtete  Namen 
ägyptischer  Könige  und  Zauberer  zum  Besten:  Bilbeis,  Resiüt 
el-Fara'üni,  Eimäs  el-Harmisi,  Diös-Müs^),  Brahmiüs,  Filaüs, 
Tibariuüs.    Nach  Ewalds  Theorie  müssten  die  Letzteren  fortan 

• 

als  unverdächtig  angesehen  werden;  denn  warum,  konnte 
man  argumentiren,  brauchte  ein  so  gescheuter  Mann,  wie 
der  Verfasser  des  Shauq  el-Mustahäm^),  diese  Namen  zu  er- 
finden, da  ihm  ja  überlieferte  Namen  zur  Hand  waren? 

IV. 

Endlich  soll  auch  in  Bezug  auf  die  Sprache  nach  Ewald 
die  Sache  der  Nabatäischen  Landwirthschaft  keineswegs 
verzweifelt  stehen.  In  den  Worten  des  von  mir  S.  14  f.  be- 
sprochenen Gebetes  findet  er:  „Herr,  Herr,  der  heisst  Herr, 
sende,  Herr,  herab  deine  Kraft!"  Steinschneider,  Zur  pseud- 
epigraphischen  Literatur  S.  8  hat  aus  derselben  Zeile  heraus- 


1)  Wohl  D!d8  Jus,  d.  i.  Jtog  vtog. 

2)  Abgesehen  yon  den  den  Arabern  geläufigen  Autoritäten  Har- 
mis,  AsqallbÜB,  Fitäghöraa,  Dhimoqrätis,  Suqrät,  Iflätün,  Aristüs,  DIs- 
qüridüB ,  Beltnäs ,  Betaltmüs  el  -  Jünän!  werden  folgende  griechische 
Eigennamen  angeführt,  die  sich  theil weise  auch  wirklich  als  Schrift- 
stellemamen  nachweisen  lassen:  Arkighänta  CAgxiyivrig)  el-Jün&nt, 
piOg&nas  el-akbar,  Qolfatriüs  (KUojearQOs),  Maghnis,  Marjänüs,  Siür- 
jänÜB  (ZvQiavog),  Trtsbtgistamas  Thüwasliüs  {TffigfiiyiaTog  Osoßaai' 
lsvg)f  ZOsim  el-'Ebri,  endlich  folgende  Phantasienamen,  denen  aber 
doch  Wörter,  die  im  Griechischen  wirklich  etwas  bedeuten,  zu  Grunde 
liegen :  Farang'iüsh  (jipsifiyyvog) ,  Ghämigh&shir  (nafifiiyag  d^rjg)  el- 
Jilnän!,  Huliäiis  (o  Avaiog)  el-Jünän!,  Qustügis  (custodiens)  el-Jünäni. 
Der  König  Berdüis  es-Surjani  ist  wahrscheinlich  der  auch  bei  Mas'iidi 
vorkommende  Berldas.  Es  geht  aus  diesen  Beispielen  hervor,  dass 
dem  Verfasser  des  Shauq  el  -  Mustahäm  eine  ziemliche  Kenntniss 
griechischer  Dinge  zu  Gebote  stand,  wie  sie  Ihn  Wahshijjah  notorisch 
besessen  hat,  welche  aber  nicht  leicht  Jemand  dem  Kopten  Ewalds 
zutrauen  wird. 


EIN  NABATAEISOHER  HERODOT  ?         747 

gebracht:  ^^Mein  Herr^  Herr  des  Himmels,  o  Herr,  lose  ihre 
Kraft  !'^  Die  Uebereinstimmung  beschränkt  sich  mithin  auf 
die  Worte  ^^Herr^'  und  ^^Eraft'^  Mehr  hat  auch  Ewald  in 
dem  Gebete  nicht  zu  entziffern  vermocht.  Das  bis  auf  Ibn 
Wahshijjahs  Zeit  erhaltene  Nabatäische  könne,  meint  er,  nur 
eine  Art  von  Aramäischem  gewesen  sein.  Dies  käme  also 
heraus  auf  die  von  mir,  für  den  Fall,  dass  in  der  That  eine 
lebendige  Sprache  yorliegen  sollte,  in  Aussicht  gestellte 
Eventualität,  dass  sie  den  Stempel  eines  späteren  ostara- 
mäischen Dialektes  tragen  werde.  Daraus  folgt  aber  fUr  die 
Echtheit  der  Nabatäischen  Landwirthschaffc  nicht  eben  viel;  94 
denn  dass  Ibn  Wahshijjah  als  Nabatäer  den  zu  seiner  Zeit 
von  seinen  Landsleuten  gesprochenen  Dialekt  kennen  musste 
und,  auch  wenn  er  fälschte,  bei  seinen  Fälschungen  am  be- 
quemsten gerade  diesen  zu  Grunde  legte,  ist  selbstverständlich, 
und  ich  habe  dies  so  wenig  geleugnet,  dass  ich  vielmehr  in 
dem  fünften  Abschnitte,  wo  ich  den  Betrug  aus  der  Sprache 
nachgewiesen  habe,  gerade  von  einer  solchen  Voraussetzung 
ausgegangen  bin. 

Ewald  hatte  sich  gleich  zu  Anfang  S.  93  beeilt,  in  einer 
Anmerkung,  in  welcher  er  sich  sogar  herabliess  meinen 
Namen  zu  nennen,  diesen  ganzen  Theil  meiner  Untersuchung 
und  recht  eigentlich  den  Kern  derselben  mit  der  einfachen 
Bemerkung  zu  beseitigen,  dass  ihr  Urheber  „nicht  sowohl 
Kenner  morgenländischer  Sprachen  als  vielmehr  bloss  Histo- 
riker ist'^  Da  somit  dem  Laien,  der  aus  seinem  Laienthume 
noch  obendrein  kein  Hehl  gemacht  hat,  der  Grossmeister 
morgenländischer  Sprachwissenschaft  gegenübertritt,  so  fühlt 
sich  dieser  begreiflicherweise  sehr  sicher.  Er  entwickelt 
dann,  dass  die  Endigung  der  meisten  Eigennamen  auf  ä  gut 
aramäisch  sei,  findet  darin  einen  „sicheren  Beweis,  dass  Ibn 
Wahshijjah  diese  ganz  eigenthümliche  Sprache  als  seine 
alte  (?)  Volkssprache  wirklich  verstand  und  aus  ihr  ins 
Arabische  übersetzen  könnte",  stellt  dann  die  Vermuthung 
auf,  dass  der  Auslaut  i  in  anderen  Eigennamen  sich  aus 
älterem  ü,  welches  die  echt  nabatäischen  Münzdenkmale  auf- 
weisen, entwickelt  habe,  und  sagt  sogar  S.  109:  „aber  auch 


748  WAE  IBN  WAHSHIJJAH 

die  fremden  Nameii;  welche  in  das  Nabatäische  eingebürgert 
waren,  hatten  in  ihm  eine  ganz  andere  Gestalt  angenommen 
als  im  ge wohnlichen  Aramäischen:  wie  Irmisä  zwar  schon 
nach  meiner  früheren  Behauptung  sicher  erst  aus  ^Eg^i^g  so 
umgebildet  ist,  aber  doch  ganz  anders  lautet  als  das  im 
Aramäischen  gebräuchliche  Harmis/'  Gerade  von  dem  ganz 
eigenthümlichen  Uebergangsprocesse  fremder  Eigennamen  ins 
Nabatäische,  die  mit  jenen  gut  nabatäischen  Endungen  ä 
und  i,  mitunter  auch  mit  einem  entsprechenden  Vorschlag 
versehen  werden,  sonst  aber  vollkommen  intact  bleiben,  war 
ich  ausgegangen,  hatte  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass 
dieser  Process  allen  Erfahrungen,  die  man  in  Bezug  auf  die 
Entlehnung  fremder  Namen  in  anderen  Sprachen  mache,  völlig 
ins  Gesicht  schlage,  und  hatte  vor  Allem  nachgewiesen,  dass 
eine  derartige  Nabatäisirung  nicht  etwa  bloss,  was  weniger 
95  verfänglich  wäre,  an  griechischen,  sondern  an  einer  langen 
Keihe  arabischer  Namen  vorgenommen  worden  ist,  und,  zum 
weiteren  Zeichen  der  völligen  Abhängigkeit  vom  Arabischen, 
dass  nicht  nur  die  so  sehr  entstellten  arabischen  Formen  der 
hebräischen  Patriarchennamen  zu  Grunde  Hegen,  sondern 
sogar  da,  wo  im  Arabischen  zwei  Formen  nebeneinander 
gebraucht  werden,  die  entsprechenden  zwei  in  nabatäisirter 
Gestalt  vorkommen.  Um  dies  nachzuweisen^  war  keine  tiefe 
Sprachkenntuiss  nöthig,  sondern  lediglich  ein  offenes  Auge 
fär  das,  was  jedem  unbefangenen  Beobachter  in  die  Augen 
springt.  Aber  wie  gewöhnlich  schweigt  Ewald  über  diese 
Hauptsache  gänzlich.^)  Statt  dessen  stützt  er  sich  auf 
ein  ungedrucktes  ihm  von  Chwolson  mitgetheiltes  Yerzeichniss 

1)  Die  UebereilaDgen ,  die  wir  dem  grosBen  Gelehrten  mehrfach 
nachzuweisen  Gelegenheit  hatten,  bürgen  zur  Genüge  daffir,  dass  auch 
hier  nur  ein  für  uns  freilich  recht  unangenehmer  Zufall  sein  Spiel 
gehabt  hat.  Wer  aber  wie  Ewald  sich  das  ebenso  erhabene  als 
schwere  Amt  eines  Sittenrichters  der  deutschen  Wissenschaft  auferlegt 
hat  und  oft  genug  in  der  Lage  ist,  Gelehrte,  die  anderer  Ansicht  als 
er  sind,  als  unwissenschaftlich,  in  zweiter  Instanz  aber  als  unsittlich 
brandmarken  zu  müssen,  der  sollte  auch  den  Schein  vermeiden,  als 
Hesse  seine  Gewissenhaftigkeit  in  der  Wiedergabe  fremder  Ansichten 
etwas  zu  wünschen  übrig. 


EIN  NABATAEISCHBR  HERODOT?  749 

ungewöhnlicher  Pflanzennamen  der  Nabatäischen  Landwirth- 
schaft^  die  sie  theils  als  nabataische;  theils  als  altarabische, 
theils  auch  wohl  als  germaqanische^  als  chaldäische  und  als 
jemenische  (!)  bezeichnet:  ,,solche  Namen  also  gehen  in  grosser 
Fülle  durch  das  ganze  lange  Buch,  und  wie  konnte  man 
dabei  schon  an  sich  annehmen,  dass  sie  alle  bloss  erdichtet 
seien  (S.  108)?'^  Gerade  diese  Namen  waren  es,  die  den 
trefflichen  Meyer  zuerst  Verdacht  schöpfen  liessen;  wir  sehen 
der  Veröffentlichung  des  Verzeichnisses  nabataischer  und 
altarabischer,  „von  den  gewohnlichen  arabischen  sehr  ab- 
weichender'' Pflanzennamen  mit  grosser  Gemüthsruhe  ent- 
gegen und  ahnen,  dass  bei  so  grosser  Fülle  an  Pracht- 
exemplaren wie  nabatäisches  Sha'ara-Habbärä  für  arabisches 
Sha^ar  el-habbär  kein  Mangel  sein  wird. 

V. 

Blickt  man  nach  dem  Allen  zurück  und  stellt  eine  Ver- 
gleichung  an,  wie  schwache  Gründe  für  Ewald  zur  Ver- 
dammung des  Shauq  el-Mustahäm  genügten,  und  wie  selbst 
die  stärksten  Gründe  seinen  Glauben  an  die  Nabatäische  96 
Landwirthschafb  nicht  zu  erschüttern  vermögen,  so  kann 
man  sich  über  diese  neueste  Probe  der  alten  Kunst  zov  r^xxio 
koyov  xQSLtta)  %outv  eines  Lächelns  nicht  erwehren.  Fragt 
man,  was  für  eine  positive  Ansicht  denn  Ewald,  indem  er 
die  meinige  verwirft,  an  die  Stelle  setzen  will,  so  erfahren 
wir  allerdings  S.  92,  dass  er  „von  Anfang  an  darauf  ge- 
drungen hat,  man  möge  die  verschiedenen  Stoffe,  aus  welchen 
das  Werk  unverkennbar  besteht,  wohl  sondern '',  bisher  ist 
aber  diese  incongruente  Zusammensetzung  fQr  Niemand  als 
für  Ewald  erkennbar  gewesen.  Der  einzige  Beweis,  auf  den 
er  sich  anfangs  stützen  konnte,  war  die  vermeintliche  suc- 
cessive  Ueberarbeitung  und  Vermehrung  der  Nabatäischen 
Landwirthschaft  durch  Daghrith,  Janbüshäd  und  Qüthämi, 
und  der  Glaube,  dass  Qüthämi  über  seine  Zeit  nichts  Be- 
stimmtes aussage  (Göttinger  Nachrichten  1857  S.  150):  nach- 
dem Chwolson  selbst  beide  Annahmen  als  irrthümlich  zurück- 
genommen hatte,  liess  auch  Ewald  in  den  Göttinger  Anzeigen 


750  WAR  IBN  WAHSHIJJAH 

1859  S.  1128  den  Qüthami  als  Hauptverfasser  gelten ,  und 
muss  nun  folgerichtigerweise  Alles ,  was  uns  über  die  Zeit 
Qüthämis  hi&ausführt,  als  seinem  Werke  fremde  Zusätze 
ansehen  und  auf  Rechnung  jüngerer  Ueberarbeiter  setzen. 
Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  für  eine  solche  Annahme  das 
blosse  Vorhandensein  späten  Zeuges  neben  Dingen,  die  an 
sich  unverdächtig  scheinen,  kein  Beweis  ist,  da  es  ebenso 
gut  zur  Erhärtung  der  von  mir  verfochtenen  Ansicht  dienen 
kann.  Ich  getraue  mir  den  Nachweis  zu  liefern,  dass  die 
Ansicht  des  Gottinger  Gelehrten  von  einer  Entstehung  unserer 
Nabatäischen  Landwirthschaft  durch  das  Anschiessen  jQngerer 
Bestandtheile  an  einen  echten  Kern  sich  zwar  in  der  Theorie 
recht  hübsch  ausnimmt,  sobald  man  sie  aber  praktisch 
durchzuführen  sucht^  Schiffbruch  leidet.  Sieben  Stellen  der 
Nabatäischen  Landwirthschaft  hatte  Ewald  bisher  ausdrück- 
lich als  alt  und  echt,  andere  sieben  ausdrücklich  als  jüngeren 
Ursprungs  bezeichnet.  Es  lässt  sich  beweisen,  dass  die 
ersten  sieben  unzertrennlich  mit  anderen  Angaben  verquickt 
sind,  die  den  Stempel  späterer  Erfindung  auf  der  Stirn 
tragen,  andererseits  dass  die  zweiten  sieben  sich  unzwei- 
deutig für  sehr  alten  Ursprungs  ausgeben  und  von  ihren 
Umgebungen  nicht  lostrennen  lassen. 

I.  1)  Mit  der  Erwähnung  des  vermeintlichen  Sephuris 
(Gottinger  Nachrichten  1861  S.  105)  sind  die  Daten  ver- 
97  bunden,  aus  denen  folgen  würde,  dass  derselbe  gegen  21650 
V.  Ch.  regiert  hat,  was,  in  Erwägung  namentlich  des  nichts 
weniger  als  mythisch  gefärbten  Berichts  über  jenen  Konig, 
eine  so  abenteuerliche  Abweichung  von  der  geschichtlichen 
Zeitrechnung  ist,  dass  dergleichen  unmöglich  aus  dem  vier- 
zehnten oder  auch  nur  aus  dem  achten  Jahrhundert  v.  Ch. 
herrühren  kann.  2)  Die  Sage  vom  Tode  des  Tammüz  und 
der  Todtenklage  der  Gotter  (Gottinger  Nachrichten  1861 
S.  104)  bezieht  sich  auf  die  Planetenordnung,  die  den  romi- 
schen Namen  der  Wochentage  zu  Grunde  liegt,  und  auf  den 
im  Koran  erwähnten  arabischen  Gott  Nasr,  und  berührt  sich 
so  eng  mit  der  Legende  vom  heiligen  Geoi^ios,  dass  ent- 
weder diese  aus  ihr  entstanden  sein  muss  oder  umgekehrt: 


L 


EIN  NABATAEISCHER  HEBODOT?  751 

da  sich  nun  für  den  heiligen  Georgios  als  Urbild  ein  Wesen 
nachweisen  lässig  das  weder  mit  Tammüz  noch  überhaupt 
mit  einer  semitischen  Gottheit  das  Geringste  zu  scha£Fen  hat^ 
so  muss  jene  Alternative  zu  Ungunsten  des  Tammüz  ent- 
schieden werden.  Ewald  hat  in  den  Gottinger  Anzeigen  1860 
S.  1328  zu  zeigen  gesucht,  wie  sich  die  eigenthümliche  Rolle 
des  Tammüz  bei  Ibn  Wahshijjah  aus  der  echten  Gestalt  des 
Tammüz -Adonis  habe  entwickeln  können,  und  wir  sind  nicht 
gesonnen,  die  geschichtliche  Möglichkeit  einer  solchen  Um- 
gestaltung zu  leugnen.  Wenn  derselbe  aber  jetzt  (Göttinger 
Nachrichten  1861  S.  105)  sich  auf  diese  Möglichkeit  stützt 
und  die  Sage  in  Ibn  Wahshijjahs  Auffassung  für  wesentlich 
dieselbe  erklärt,  „welche  wir  ganz  unabhängig  von  den  naba- 
täischen  Büchern  auch  sonst  im  Alterthume  wiederfinden'^^ 
so  ist  dies  ungenau:  mit  der  aus  den  Classikern  bekannten 
Adonissage  berührt  sie  sich  gar  nicht,  wohl  aber  bis  zu 
einem  gewissen  Grade  mit  der  Tammüzsage  der  Harranischen 
Sabier:  und  da  zum  Ueberfluss  Ibn  Wahshijjah  selbst  in 
gewohnter  selbsi^efalliger  Manier  auf  den  grossen  Unsinn 
Bezug  nimmt,  den  die  Sabier  über  Tammüz  zusammenfabeln 
(Chwolson,  Ueber  Tammüz  S.  55),  so  liegt  nichts  näher,  als 
dass  seine  Erzählung  einer  Verzerrung  der  sabischen  bie- 
genden ihren  Ursprung  verdankt.  3)  Die  Nennung  des 
Nimrod  und  der  kanaanäischen  Könige  (Göttinger  Nach- 
richten 1857  S.  154)  hängt  aufs  Engste  mit  der  des  Abraham 
zusammen;  für  die  Verbindung  beider  sind  aber  späte  von 
den  Juden  auf  die  Araber  übergegangene  Fabeleien  von  uns 
als  Quelle  nachgewiesen  worden,  aus  denen  sich  auch  der 
plumpe  Anachronismus,  mit  dem  von  Goldmünzen  Nimrods 
geredet  wird,  zur  Genüge  aufhellte.  4)  Von  den  uralten 
kanaanäischen  Weisen  (Göttinger  Nachrichten  1857  S.  152) 
sind  gerade  die  berühmtesten  und  am  häufigsten  angeführten  98 
Anühä  und  Ibrahim,  die  notorisch  keine  Kanaanäer  waren 
und  deren  Geschichte  zum  Theil  unzweideutig  an  koranische 
Legenden  anknüpft  (vgl.  Zeitschrift  XV  S.  38.  44  [oben 
S.  618f.  628  f.]).  5)  Die  verhältnissmässig  am  wenigsten  ver- 
fängliche Notiz  von  einer  uralten  Vertreibung  der  Kanaanäer 


752  WAR  IBN  WAHSHUJAH 

aus  Babylonien  nach  Syrien  (Göttinger  Nachrichten  1857 
S.  155)  ist  aufs  Innigste  verwebt  mit  einer  auf  Stelzen  gehen- 
den politischen  Tüftelei  QüthämiSy  die  sich  im  vierzehnten 
Jahrhundert  v.  Gh.  drollig  genug  ausnimmt.  6)  Die  Erzäh- 
lung vom  Tode  des  Janbüshäd  (Göttinger  Nachrichten  1857 
8.  150);  des  wegen  seines  offen  zur  Schau  getragenen  Ratio- 
nalismus bei  Lebzeiten  mit  einem  Tempel  beehrten  uralten 
Literaten y  enthält  unter  Anderem  den  Passus^  in  welchem 
Qüthämi  die  grossere  oder  geringere  EntleerungsHLhigkeit 
seiner  Thränendrüsen  bei  den  Klagen  um  Janbüshäd  und  um 
Tammüz  mit  chronologischen  und  philosophischen  Gründen 
motivirt  —  ein  Prachtstück  salbungsvoller  Schulmeisterei^ 
um  welches  das  vierzehnte  Jahrhundert  v.  Ch.  zu  beneiden 
ist.  7)  Janbüshäds  Kenntniss  von  den  Himjariten  (Göttinger 
Nachrichten  1857  S.  158)  kritisirt  sich  selbst,  wie  ich  in 
der  Zeitschrift  XV  S.  70  [oben  S.  662]  auseinandergesetzt 
habe.    Wir  wenden  uns 

IL  zu  den  Stücken,  deren  jüngerer  Ursprung  von  Ewald 
anerkannt  worden  ist:  1)  die  Stelle  über  die  Pehlewisprache 
(Göttinger  Nachrichten  1859  S.  1134)  ist  möglicherweise  ein 
Zusatz  Ibn  Wahshijjahs  (Ghwolson,  lieber  Tammüz  S.  112), 
mag  also  hier  bei  Seite  bleiben.  2)  Die  Erwähnung  der 
syrischen  Suraner  (Göttinger  Nachrichten  1857  S.  150)  ge- 
hört zu  einer  kurzen  Notiz,  die  Qüthämi  über  seine  Person 
giebt,  und  lässt  sich  nicht  ausscheiden.  3)  Hermes  und 
Agathodämon  (Göttinger  Anzeiggn  1859  S*  1130)  kommen  in 
einem  Citate  aus  Janbüshäd  vor.  4)  Von  den  Angaben  über 
die  lonier.  (Göttinger  Anzeigen  1857  S.  159)  steht  die,  welche 
sie  im  Besitze  von  Syrien  kennt,  in  einem  Bruchstücke  des 
uralten  Mäsi;  andere,  wie  das  ionische  Sprichwort  vom 
jemenischen  Zauberer  und  das  ionische  Land  Britannien, 
sind  ohne  Annahme  eines  Betrugs  völlig  unerklärbar:  ich 
berufe  mich  auf  das  Zeitschrift  XV  S.  28  [oben  S.  604  f.] 
Gesagte.  5)  Asqülebithä  (Göttinger  Anzeigen  1859  S.  1133) 
ward  von  dem  Zauberer  'Ankebüthä  eifrig  studiert,  der  selbst 
wieder  älter  als  Adami,  Mäsis  Grossvater,  war  (vgl.  Ghwolson 
S.  52.  166).    6)  Die  Benennung  aller  Geschöpfe  durch  Adami 


EIN  NABATAEISCHER  HERODOT?  753 

(Gottinger  Nachrichteu  1857  S.  163)  kommt  in  einem  Priori- 
tätsstreite vor,  der  wie  nur  irgend  etwas  den  Stempel  des 
Pseudo-Qüthämi  trägt.  7)  Die  Angabe,  dass  Ishithä  Adamis  99 
Sohn  sei  (Göttinger  Nachrichten  1857  S.  145),  hängt,  wie 
man  aus  Ghwolson  S.  167  sehen  kann,  auf  das  Engste  mit 
der  über  die  üeberlieferung  der  Adamischen  Schriften  zu- 
sammen, diese  aber  ist  recht  eigentlich  der  Angelpunkt  von 
Qüthämis  Polemik  gegen  die  Ishithianer,  die  sich  durch  die 
ganze  Nabatäische  Landwirthschaft  hindurchzieht. 

Nach  dem  Allen  wird  man  es  uns  nicht  verdenken 
können,  wenn  wir  die  Anwendbarkeit  der  Ewaldschen  Lieb- 
lingsidee von  einer  schichtweise  vor  sich  gegangenen  Ent- 
stehung auch  der  Nabatäischen  Landwirthschaft  (die  bei  der 
verzweifelt  persönlichen  Färbung  dieses  Buches  schon  a  priori 
nicht  unbedenklich  ist)  so  lange  in  Abrede  stellen^  bis  ernst- 
hafte Gründe  für  sie  vorgebracht  worden  sind.  Auch  das 
quantitative  Yerhältniss  der  älteren  zu  den  jüngeren  Bestand- 
theilen  würde  hier  keineswegs  gleichgiltig  sein,  die  Brauch- 
barkeit der  Nabatäischen  Landwirthschaft  vielmehr  hiervon 
wesentlich  abhängen.  Während  aber  die  „Bemerkungen  über 
die  nabatäischen  Schriften  und  eine  beabsichtigte  Heraus- 
gabe derselben"  aus  dem  Jahre  1857  uns  den  Eindruck 
hinterliessen,  als  hielte  ihr  Verfasser  etwa  y^o  für  alt,  y,Q  für 
spätere  Zuthat,  so  sieht  es  dagegen  nach  der  Anzeige  von 
Chwolsons  Schrift  „über  Tammüz"  vom  Jahre  1860  aus,  als 
müsse  etwa  V^q  echt  und  %o  eingeschoben  sein:  und  doch, 
meinen  wir,  reden  schon  die  bisher  veröffentlichten  Auszüge 
aus  der  Nabatäischen  Landwirthschaft  deutlich  genug,  um 
hinsichtlich  der  Frage,  welcher  von  beiden  Bestandth eilen 
überwiegt,  aus  dem  Schwanken  heraus  zu  kommen.  Weitere 
Veröffentlichungen  aus  dem  Felde  von  Ihn  Wahshijjahs  Thätig- 
keit  werden,  wie  sich  voraussehen  lässt,  Herrn  Prof.  Ewald, 
will  er  nicht  mit  seiner  ganzen  kritischen  Vergangenheit 
brechen,  zu  einer  weiteren  Herabstimmung  seiner  Erwartungen 
nöthigen. 


T.  GcTSCHMiD,  Kleine  Schriften.    li.  48 


xvm. 

Reeensionen  and  Anzeigen  znr  Geschichte  des  Islam. 

1.*) 

7Wfi8tenfeld,  F.,  Geschichte  der  Fatimiden-Chalifen. 
Nach  arabischen  Quellen.  Mit  einer  Kartenskizze. 
Göttingen  1881.  Dieterich.  (352  S.  gr.  4P.  Karte  fol.) 
JL\L 

Aas  dem  26.  nnd  27.  Bande  der  Abhandlungen  der  königlichen  Gesell- 
schaft der  Wissenschaften  zu  Göttingen. 

In  derselben  Weise  wie  in  den  Abhandlungen  über  „Die 
Statthalter  von  Aegypten  zur  Zeit  der  Chalifen"  setzt  der 
Verfasser  hier  die  Geschichte  Aegyptens  in  der  Darstellung 
des  Fatimidenchalifats  fort:  der  eingehendste  Bericht  wird 
in  der  Regel  zu  Grande  gelegt  und  dann  aus  den  übrigen 
ergänzt  und  die  Abweichungen  angegeben ,  die  Kritik  des 
Verfassers  beschränkt  sich  auf  Detailangaben;  er  will  augen- 
scheinlich in  Bezug  auf  Darstellung  und  Auffassung  der 
Begebenheiten  die  Quellen  möglichst  selbst  reden  lassen^  in 
der  ursprünglichen  Form^  die  daher  je  nach  den  Umständen 
eine  ausführliche  Geschichtsdarstellung  bietet  oder  auch  in 
dürren  Ghronikenstil  herabsinkt. 

Wie  man  aus  dem  Verzeichniss  der  benutzten  Quellen- 
schriftsteller S.  If.  ersieht,  sind  die  muslimischen  Werke 
über  ägyptische  Specialgeschichte  und  allgemeine  Geschichte, 
sowie  die  Geographen  in  grosser  Vollständigkeit  herangezogen 
worden,  nicht  minder  für  die  erste  Zeit  der  Dynastie  Special- 

*)  [Literarisches  Centralblatt  1882  S.  7  —  8.  Die  Anzeige  war 
anonym.    F.  R.] 


WUESTENFELD,  GESCHICHTE  D.  FATIMIDEN-CHALIFEN.     755 

geschichten  von  Afrika,  die  namentlich  auch  für  Geographie 
und  Ethnographie  Beachtung  verdienen.  Misslich  ist  freUich, 
dass  von  allen  diesen  Historikern  nur  zwei,  einer  den  An- 
fangen,  einer  dem  Ausgange  der  Fatimiden,  gleichzeitig  sind. 
Doch  ist  dieser  letztere,  Dschamaleddin,  Ton  hervorragender 
Wichtigkeit,  und  die  Auszüge  aus  seinem  Achbar  ed-dawal 
verleihen  dem  vorstehenden  Werke  einen  ganz  besonderen 
Werth.  Einigermassen  wird  die  Sache  auch  dadurch  com- 
pensirt,  dass  unter  den  späteren  ägyptischen  Historikern 
einige  sind,  vor  Allem  Makrizi,  die  nicht  bloss  ihre  Vor- 
gänger mit  Sorgfalt  und  Kritik  benutzt  haben,  sondern  auch 
für  Culturgeschichte  und  Aehnliches  ein  Interesse  an  den 
Tag  legen,  wie  es  bei  muslimischen  Historikern  nicht  eben 
häufig  zu  finden  ist  Referent  erinnert  hier  an  das  Ver- 
zeichniss  der  Nahrungsmittel  und  der  seltenen  Thierarten, 
die  unter  den  Fatimiden  in  Aegypten  eingeführt  wurden 
(S.  163),  an  das  der  von  el-Hakim  Biamrillahi  für  das  Haus 
der  Wissenschaft  in  Eahira  ausgeworfenen  Legate,  die  bis 
auf  die  Rechnung  des  Buchbinders  herab  specificirt  sind 
(S.  180),  an  die  Nachrichten  von  der  beim  Brande  des 
Jahres  1068  erfolgten  Verschleppung  der  Schlossbibliothek 
von  Eahira,  die  zur  Zeit  des  el-Aziz  Billahi  (975 — 996) 
unter  Anderem  über  zwanzig  Exemplare  der  Chronik  des 
Tabari,  darunter  die  Originalhandschrift  des  Verfassers, 
besass  (S.  261). 

Gänzlich  beseitigen  lässt  sich  der  Uebelstand  freilich 
nicht,  dass  fast  alle  Quellen  erst  nach  dem  Untergänge  der 
Fatimiden  verfasst  sind,  zu  einer  Zeit,  als  das  Andenken  der 
ketzerischen  Dynastie  verflucht  war:  die  üeberlieferung  ist 
sehr  eehässis  fiesen  sie  und  vielfach  keineswegs  unverdächtiir. 
Namentlich  giW  dies  von  dem,  was  von  der  Gransamkelt 
und  den  sonstigen  Schandthaten  des  Dynastiegründers  Obeid- 
allah,  sowie  von  seinem  Zusammenhang  mit  dem  Stifter 
der  Earmaten  erzählt  wird,  lieber  seine  Herkunft  ist  es 
wegen  der  sich  widersprechenden  Üeberlieferung  kaum  mehr  8 
möglich  ins  Reine  zu  kommen;  der  Verfasser  erklärt  sich 
gegen  die  Fatimidische  Abstammung  Obeidallahs,   weil  die 

48* 


756  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

verschiedenen  ihm  beigelegten  Stammbäume  sich  gegenseitig 
ausschlössen  (S.  12).  Dagegen  ist  einzuwenden^  dass  dies 
von  denjenigen  Berichten,  die  ihn  mit  mannigfachen  Variationen 
bald  für  einen  Magier,  bald  für  einen  Juden  oder  gar  fQr 
einen  wieder  erst  für  einen  hingerichteten  jüdischen  Betrüger 
untergeschobenen  Judensklaven  erklären,  erst  recht  gilt-, 
während  aber  das  Auseinandergehen  der  Stammbäume,  die 
Obeidallah  mit  Fatima  verknüpfen,  sich  sehr  wohl  auf  das 
Interesse  der  verschiedenen  Alidischen  Secten  zurückführen 
lässt,  die  darüber,  welcher  Linie  der  Aliden  das  Imamat 
zukomme,  sich  gegenseitig  widersprachen,  aber  doch  jede 
gern  eine  so  mächtige  Dynastie,  den  Hort  aller  Schiiten,  für 
sich  in  Anspruch  nehmen  wollten,  so  lassen  die  Widersprüche 
der  zweiten  Kategorie  von  Genealogien  schlechterdings  keine 
andere  Erklärung  als  die  böswilliger  Erfindung  zu.  Ent- 
scheidend aber  ist  die  (in  der  Folge  mit  schnödem  Undank 
gelohnte)  Hingebung  des  Abu  Abdallah  el-Schii  für  seinen 
Meister  Obeidallah,  filr  den  er,  als  derselbe  in  Afrika  noch 
eine  unbekannte  Grösse  ist,  die  Herrschaft  der  Aghlabiden 
zerstört,  ein  grosses  schiitisches  Reich  gründet,  dann  mit 
Heeresmacht  vor  Sidschilmasa  zieht  und  den  Meister  aus 
dem  Kerker  befreit,  um  schliesslich  den  Befreiten  an  die 
Stätte  zu  geleiten,  die  er  ihm  bereitet  hat,  und  sich  zu  seinen 
Gunsten  aller  Machtfülle  zu  entäussern:  welcher  denkbare 
Grund  hätte  ihn  bestimmen  können,  das  Alles  für  einen 
Betrüger  zu  thun?  und,  war  einmal  eine  Täuschung  nöthig, 
was  hinderte  ihn,  dessen  Macht  auf  so  soliden*)  Grundlagen 
ruhte,  das  zu  thun,  was  mehr  als  Einer  Dach  ihm  gethan 
hat,  nämlich  mit  der  Eröffnung  hervorzutreten,  dass  er  selbst 
der  erwartete  el-Mahdi  sei?  er  brauchte  ja  nur  den  unbequemen 
Partner  in  den  Händen  der  Polizei  im  fernen  Sidschilmasa 
zu  lassen,  kein  Hahn  hätte  mehr  um  diesen  gekräht.  Davon, 
dass  Aegypten  seit  den  Omajjaden  nie  wieder  unter  einer 
80  wohlgeordneten  Verwaltung  gestanden  und  so  gute  Zeiten 


*)  [So   hat   Gataohmid   in   seinem   Handexemplar   corrigirt;   im 
Originaldmck  steht  „vielen"  statt  „soliden".    F.  R.] 


WUESTENFELD,  GESCHICHTE  D.  FATIMIDEN-CHALIFEN.    757 

erlebt  hat  als  in  den  ersten  90  Jahren  der  Fatimiden,  bis 
dann  wahrend  der  achtundfunfzigjährigen  Regierung  des  el- 
Mustansir  Billahi  der  Marasmus  senilis  eintrat  und  alle  Macht 
immer  mehr  in  die  Hände  der  Oberbefehlshaber  der  fremden 
Soldner  überglitt;  spürt  man  bei  der  Leetüre  des  vorstehenden 
Geschichtswerkes  nur  wenig,  woran  zum  Theil  jene  Partei- 
lichkeit der  sunnitischen  Quellen,  mehr  aber  noch  eine  allen 
muslimischen  Chronisten  anhaftende  Einseitigkeit  Schuld  ist. 
Es  ist  daher  sehr  zu  bedauern,  dass  der  Verfasser  die  christ- 
lichen Quellen,  insbesondere  Michael,  Bischof  von  Tanis  und  die 
ihn  fortsetzenden  Geschichtsschreiber  des  jakobitischen  Patri- 
archats, gänzlich  bei  Seite  gelassen  hat;  nicht  bloss  würden 
diese  für  einzelne  Abschnitte,  z.  B.  die  ersten  Versuche  der 
Fatimiden,  sich  in  Aegypten  festzusetzen,  die  vormundschaft- 
liche Regierung  für  el-Hakim,  die  Zerstörung  der  heiligen 
Grabeskirche  durch  diesen,  mehrfachen  Aufschluss  ergeben 
haben,  sondern  viele  der  wichtigsten  Dinge  erfährt  man  nur 
aus  ihnen,  z.  B.  dass  el-Aziz  zur  Regulierung  der  Steuer- 
erhebung eine  solare  Aera  einführte,  deren  Epoche  der  1.  Mu- 
harram  366  des  Hedschra  =  1.  Thoth  693  n.  Diocl.  «=  29.  Aug. 
976  n.  Ch.  war,  und  dass  in  der  guten  Zeit  der  Dynastie 
bis  zum  Jahre  1108  im  bürgerlichen  Leben  nach  diesen  so- 
genannten Charadschjahren  gerechnet  wurde.  Anders  als  mit 
der  hier  gerügten  Unterlassung  dürfte  es  sich  mit  einer 
anderen  verhalten,  dass  nämlich  in  Bezug  auf  den  Sturz  der 
Fatimidendynastie  nur  eine  einzige  für  Salaheddin  äusserst 
wohlwollende  Version  gegeben  wird,  der  doch  andere,  un- 
günstiger lautende  entgegenstehen:  es  ist  dies  vermuthlich 
geschehen,  um  Wiederholungen  zu  vermeiden,  und  wird  als 
ein  Unterpfand  angesci^en  werden  dürfen,  dass  der  Verfasser 
die  Absicht  hat,  auch  die  Ajjubidendynastie  besonders  zu 
behandeln  und  so  seine  verdienstvollen  Arbeiten  über  die 
Geschichte  des  muslimischen  Aegyptens,  die  mit  der  spätesten 
Zeit,  der  des  zweiten  Abbasidenchalifats,  begannen,  zu  einem 
Abschluss  zu  bringen. 


758  BECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

2.*) 

loMfiUer,  Aug.,  Der  Islam  im  Morgen-  und  Abendland. 
Mit  Abbildungen  und  Karten.  I.  Band.  1.  —  3.  Lfg. 
[Allgemeine  Geschichte  in  Einzeldarstellungen,  heraus- 
gegeben von  W.  Oncken.  2.  Hauptabtheilung.  4.  Theil.] 
Berlin,  Grote  1885. 

Das  einzige  Buch,  auf  das  bisher  der  Historiker  an- 
gewiesen war,  der  die  Geschichte  des  Islams  übersichtlich 
kennen  lernen  wollte,  Weils  Geschichte  der  Chalifen,  ist 
wenig  mehr  als  eine  Wiedergabe  des  nachlässigen  persischen 
Auszuges,  den  Beiami  aus  Tabari  gemacht  hat,  dann  der 
viel  besseren  Chronik  des  Ibnelathir,  ohne  kritische  Durch- 
arbeitung des  geschichtlichen  Rohmaterials.  Eine  im  höheren 
Sinne  historische  Darstellung  dieses  wichtigen  Theiles  der 
Weltgeschichte  durch  einen  kundigen  Fachmann  war  ein 
dringendes  Bedürfniss,  dem  das  vorliegende  Werk  in  der 
erwünschtesten  Weise  entgegenkommt.  Sein  Verfasser,  ein 
erprobter  Orientalist,  macht  sich  anheischig,  das  den  Vor- 
gängern Entlehnte  an  der  Hand  der  Originalquellen  nach- 
zuprüfen, verzichtet  aber  auf  eine  in  allen  Partien  gleich 
selbstständige  und  tiefgehende  neue  Durcharbeitung  der 
Originalschriftsteller:  „ich  will"  —  sagt  er  —  „ein  Hand- 
buch darbieten,  welches  den  augenblicklichen  Stand  der 
Forschung  möglichst  zuverlässig  zu  einem  hoffentlich  les- 
baren Ausdruck  bringt."  Diese  bescheidenen  Versprechungen 
sind  mehr  als  erfüllt:  der  Verfasser  hat  uns  ein  sehr  respec- 
tables  Geschichtswerk  geboten. 

Er  beginnt  mit  einer  kurzen  üeb^rsicht  der  arabischen 
Geschichte  vor  Mohammed,  in  der  gleich  anfangs  ein  Blick 
auf  den  vierzigjährigen  sogenannten  Krieg  der  „Bessiiss^' 
zwischen  den  Stämmen  Bekr  und  Taglib  geworfen  wird; 
nicht  als  ob   diese  Kette   einzelner  in   der  Streitweise   der 


*)  [Theologische  Literaturzeitang.    Elfter  Jahrgang  (1886)  S.  10 
— 12.] 


MUELLER,  DER  ISLAM  IM  MORGEN-  UND  ABENDLAND.    759 

Helden  vor  Troja  ausgefochtener  Kämpfe  irgend  welche  Be- 
deutung für  die  Geschichte  hätte^  sondern  als  charakteristisches 
Culturbild;  mit  feinem  Takte  sind  daher  auch  die  von  dem 
Kamele  zertretenen  Lercheneier  als  Anlass  des  Krieges  nicht 
beseitigt,  wie  dies  von  Caussin  de  Perceval  aus  Erwägungen 
eines  hier  nicht  angebrachten  geschichtlichen  Pragmatismus 
geschehen  war.  Sehr  anschaulich  wird  uns  der  Handelsstaat 
der  Koreischiteji  geschildert  und  der  Schauplatz,  auf  dem 
Mohammed  erwuchs.  Die  Geschichte  des  Kossai  erklärt  derli 
Verfasser  S.  33  mit  grosser  Bestimmtheit  für  mythisch;  sie 
sei  ,,nichts  als  ein  Versuch,  für  Zustände  und  Einrichtungen 
aus  der  Zeit  Mohammeds  eine  feste  historische  Begründung 
zu  finden,  welche  für  die  volksmässige  üeberlieferung  nur 
in  der  Zurückführung  auf  eine  bestimmte  Persönlichkeit  be- 
stehen: so  wenig  wie  Aeolus,  Hellen  oder  Dorus,  wird  man 
den  Kossai  für  eine  wirklich  historische  Gestalt  halten  dürfen'^ 
Dass  der  Stammbaum  seiner  Nachkommen  zum  guten  Theil 
künstlich,  manches  darin  auch  wohl  absichtliche  Fälschung 
sein  mag,  gebe  ich  gern  zu,  obgleich  ich  z.  B.  nicht  einsehe, 
warum  Abd  Menäf  ihn  Kossai  ein  ungeschichtlicher  Name 
sein  soll;  viel  wahrscheinlicher  ist  mir,  dass  man  die  nicht 
besonders  vornehme,  von  Haschim  abstammende  Familie  zur 
grösseren  Ehre  des  Propheten  an  einen  Ahnherrn  der  vor- 
nehmen  Omajjaden  angeknüpft  hat.  Aber  auch  wenn  man 
dem  Verfasser  hier  Alles  zugiebt,  will  mir  der  auf  Kossai 
gezogene  Schluss  nicht  einleuchten.  Die  griechische  Analogie 
beweist  eher  das  Gegentheil:  kein  griechischer  Eponym  hat 
eine  Sage.  Dass  sich  die  ätiologische  Erfindung  von  Abu 
Gubschän  an  Kossais  Geschichte  angesetzt  hat,  beweist  auch 
nichts;  die  Erzählung  von  Sebba  und  Amr  ihn  Adi  liest  sich 
von  Anfang  bis  Ende  wie  ein  Abschnitt  aus  den  griechischen 
Parömiographen,  und  doch  hat  sie  unzweifelhaft  die  Geschichte, 
nicht  die  Sage,  zum  Hintergrund;  mehr  noch,  die  Erzählung 
wie  Kossai  mit  Hülfe  der  Odhra,  denen  sein  Stiefbruder  an- 
gehörte, die  Chosä'a  aus  Mekka  verdrängte,  schliesst  die  Er- 
zählung von  Abu  Gubschän  einfach  aus,  es  ist  der  geschicht- 
liche  Hergang   gegenüber   dem   sagenhaften.     Auch    andere 


760  RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN. 

Züge  an  Eossai  sehen  sehr  charakteristisch  und  gar  nicht 
wie  Sage  aus^  so  der,  dass  die  Eoreischiten  sich  gefürchtet 
hätten^  auf  dem  heiligen  Gebiete  einen  Baum  umzuhauen, 
bis  sie  Eossai  selbst  mit  seinem  Gehülfen  umhieb  (Ihn 
Hischim  übersetzt  von  Weil  I  S.  61). 

Mit  einer  in  der  Wichtigkeit  der  Sache  vollauf  begrün- 
deten Ausführlichkeit  wird  nicht  bloss  die  Geschichte  des 
Propheten  y  sondern  auch  die  Geschichte  Mohammeds  vor 
dem  Antritt  seiner  Prophetenlaufbahn  behandelt;  wahrend 
bei  dem  Versuche  einer  Lösung  der  vielen ,  namentlich 
psychologischen ,  Bäthsel,  die  sie  bietet,  bisher  bald  ein 
einseitig  medicinischer,  bald  ein  theologischer  Standpunkt 
massgebend  gewesen  ist,  ist  der  Verfasser  bemüht,  auf  dem 
Wege  objectiv  historischer  Betrachtung  zu  einem  Endurtheile 
durchzudringen.  Mit  vollem  Rechte  entscheidet  er  sich  dafür, 
dass  Mohammed  mit  heiligem  Ernste  an  seine  Berufung 
zum  Propheten  glaubte,  dass  er  weder  ein  Schwindler,  noch 
epileptisch  war;  seit  der  Uebersiedelnng  nach  Medina  sei 
eine  Sinnesänderung  in  ihm  eingetreten,  eine  nothwendige 
Folge  der  Verweltlichung,  da  die  von  ihm  ins  Leben  ge- 
rufene religiöse  Gemeinde  von  Anfang  an  zugleich  ein  Staats- 
wesen war:  in  gleichem  Masse  sei  die  anfänglich  glühende 
Begeisterung  des  schwärmerischen  Gottesbekenners  dem 
alternden  Propheten  abhanden  gekommen.  In  der  That  er- 
klärt diese  Beobachtung  —  die  Verweltlichung,  welcher  der 
Prophet  verfallen  musste,  indem  er  Lenker  einer  nicht  bloss 
religiösen  Gemeinde  wurde  —  das  Meiste,  was  auf  den  ersten 
Blick  befremdlich  scheint.  Ein  von  seiner  göttlichen  Sen- 
dung überzeugter  Fanatiker  konnte  in  den  Ungläubigen,  die 
ihm  widerstrebten,  nur  Bösewichter  sehen,  die  sich  gegen 
den  Willen  Gottes  auflehnten,  denen  gegenüber  daher  jedes 
Mittel  erlaubt  sei.  Für  friedliche  Ueberwindung  entgegen- 
stehender Tendenzen  geht  dem  Araber  jedes  Verständniss  ab; 
sein  Sittencodex  ist,  wie  der  Verfasser  richtig  hervorhebt^ 
ein  anderer  als  der  unsere:  die  schlimmsten  Eigenschaften 
Mohammeds,  die  in  seiner  späteren  Zeit  zu  Tage  treten, 
Lügenhaftigkeit  und  Treulosigkeit,  sind  aber  recht  eigentlich 


MUELLEB,  DER  ISLAM  IM  MORGEN-  UND  ABENDLAND.    761 

die  arabischen  NationalfeUer.  Grosser  ist  in  meinen  Augen 
eine  andere  Schwierigkeit,  für  die  den  rechten  Schlüssel  ge- 
funden zu  haben,  wie  mir  scheint,  auch  dem  Verfasser  nicht 
gelungen  ist.  Der  Prophet  ist  einer  der  grössten  Staats- 12 
männer  aller  Zeiten  gewesen;  die  diplomatische  Kunst,  mit 
welcher  er  die  gefahrliche  Coalition  der  Stamme,  die  ihn  in 
Medina  belagerten,  zu  Schanden  zu  machen  wusste,  der  Ver- 
trag mit  den  Mekkanern  nach  der  Pilgerfahrt  von  Hodeibija 
sind  in  ihrer  Art  einzige  politische  Meisterstücke.  Der  Ver- 
fasser hat  in  seiner  Erzählung  mit  grosser  Kunst  diese  Seite 
Mohammeds  immer  mehr  hervortreten  lassen;  er  macht 
darauf  aufmerksam,  dass  die  Umstände  seine  Lehrmeister 
wurden,  so  bei  der  in  ihren  Folgen  wichtigsten  aller  Neue- 
rungen: indem  die  religiöse  Gemeinde  an  die  Stelle  des 
Stammes  gesetzt  ward,  durchbrach  Mohammed  den  Bann  der 
Stammeszugehörigkeit,  der  bis  dahin  die  arabische  Nation 
zu  unfruchtbarer  Zersplitterung  verurtheilt  hatte;  er  erinnert 
ferner  an  den  Einfluss,  den  die  pünktliche  Beobachtung  der 
Gebete  mit  ihrer  mechanischen  Nachahmung  jeder  Geberde 
des  vorbetenden  Propheten  auf  die  militärische  Disciplinirung 
der  Muslim  übte.  Auch  ist  bei  der  Würdigung  der  stauneus- 
werthen  Erfolge  Mohammeds  über  seine  Gegner  mit  dem 
Verfasser  in  Anschlag  zu  bringen,  dass  von  etwas  wie  einer 
Politik,  welche  auch  auf  morgen  oder  gar  übermorgen  be- 
dacht ist,  ausser  Mohammed  Niemand  in  ganz  Arabien  eine 
Ahnung  hatte.  Beide  Erwägungen  erklären  Manches,  aber 
lange  nicht  Alles;  immer  steht  man  vor  der  Frage:  wie  ist 
aus  dem  schüchternen,  schwächlichen,  nach  ekstatischer  Auf- 
regung zeitweise  wieder  verzweifelnden,  von  allen  Seiten 
herumgestossenen  Mekkanischen  Waisenkinde  urplötzlich  der 
Realpolitiker  ersten  Ranges  geworden,  der  sich  in  Medina 
von  dem  ersten  Augenblicke  an,  wo  ihm  die  Mittel  zu  herr- 
schen in  die  Hand  geliefert  worden,  zum  Herrn  der  Situation 
macht  und  zielbewusst  von  Triumph  zu  Triumph  schreitet? 
Hierauf  weiss  auch  ich  eine  sichere  Antwort  nicht  zu  geben: 
das  Aufwachsen  Mohammeds  in  der  Umgebung  der  welt- 
klugen kaufmännischen  Aristokratie  Mekkas,  vor  der  er  doch 


762    RECENSIONEN  UND  ANZEIGEN.    MÜELLER,  DER  ISLAM. 

wieder  nachdenklichen  Ernst  yoraus  hatte ,  wird  nicht  ohne 
Einfluss  geblieben  sein;  auch  möchte  ich  auf  die  Beisen 
Mohammeds  und  ihre  Einwirkung  auf  seine  Entwickelung 
grösseres  Gewicht  legen,  als  dies  der  Verfasser  zu  thun  ge- 
neigt ist. Wir  wünschen  dem  trefflichen  Werke  besten 

Fortgang. 

Es  ist  dasselbe  gut  geschrieben,  nicht  selten  mit  einem 
Anfluge  von  Humor,  der  aber  durchweg  Mass  hält,  um  im 
rechten  Momente  wieder  dem  Tone  ernster  Geschichtserzäh- 
lung den  Platz  zu  räumen. 


■♦♦» 


Eegister. 


Abbanea  333. 

Ab  bar  70.  . 

'Abdallah    ibn    al-Gih&n    al- 

Sakawi  482  f. 
AbdaB  337. 
Abdaatart  I.  63. 
AbdaatartU.  63  f. 
Abdaatart  III.  68. 
Abdaatbarym  64. 
Abdera  io  Spanien  58. 
Abdiaa  338.  339.  349.  365 f.;  aeine 

Zeit  374. 
Abdimilknt  67. 
Abedbaloa  44. 
•Abed-Ferghilä  640. 
Abenephi  726.  728. 
Ab  gar   von    Edeaaa   im   Verkehr 

mit  Chriatna  345 ff.  534 ff.;    mit 

Tiberiua  535;    mit  Neraeh  675; 

vgl.  Abgar  V. 
Abgar  V.  346.  347.  366. 
Abgar  VII.  347. 
Abgar  Vm.  348. 
Abhlra  5. 
Abibai  61. 

AbilioB,  Patriarch  422. 
Abraham,  Erzvater,  Fabeln  von 

ihm  625.  626  ff. ;  ala  Scbriftateller 

627  f.;  vgl.  Abruhüm. 
Abraham,  Patriarch,  a.  Ephraim 

ben  Zor*a. 
Abraham,  Gegenpatriarch  503. 
Abrühüm577.  583.  607f.  626 ff.; 

vgl.  Abraham. 
Abu  Abdallah  el-Schii  756. 
Abu  Gubachan  759. 
Abnlabbäa      Ahmed     Calca- 

achendi  401. 
Abü*l-*Alä  692. 
Abnlberekät  401.  403.  416.  424. 

507. 


Abü'1-Fata  al-Danafi  237  f. 
Abü-Tälib  ez  Zajjäth  572. 
Abydenoa  103;  über  Nergil-Sar- 

ezer  168;    aeine  Zeit  287. 
Abyaainien,  ayriache  Coloniaten 

daseibat  376. 
Abyasinier  im  Kampf  mit  den 

Saaaaniden  374;  werden  Chriaten 

374  f.;  ihre  Eönigaliaten  375  f. 
Achäer  am  Pontoa  382. 
Achämeniden  in  der  arabiachen 

Tradition  664. 
Achiacharoa  135. 
Achillea,  Patriarch  426 f. 
AchnÖchä  616  f. 
Acta  Andreae  386. 
Acta  Barnabae  388. 
Acta  Matthaei  372. 
Acta    Matthiae    et    Andreae 

378  f. 
Acta  Pauli  et  Theclae  355f. 
Acta  Petri  et  Pauli  388. 
Acta  Philippi  350. 
Acta  Simonia  et  Judae  364 ff.; 

gegen  die  Manichäer  gerichtet 

370. 
Acta  Thaddaei  345.  346.  537. 
Acta  S.  Thomae  333  ff. 
Adadremmon  28. 
Adam  ala  Scbriftateller  609  ff.;  im 

Koran  609.  613;    ala  Beiaender 

610;  aeine  Kinder  613;  aeinName 

614;  sein  Grab  617. 
Adami  570 f.  608  ff. 
Adamspik  610. 
Adar  28. 
Addäus  684. 
Adiabene  im  Krieg  mit  Severus 

236;  zur  Saaaanidenzeit  675. 
Adonia  29.  32.  637 ff. 
Adoniafest  zu  ßjbloa  41. 


764 


REGISTER. 


Adores  28. 

Aegidins,  Patriarch  520.  524. 

Aeglippns  372  f.  875. 

Aeg^pten,  UnbekanntBchaft  der 
Griechen  damit  40;  den  Fremden 
Tor  Psammetich  nicht  verschlos- 
sen  17 f.;  -wird  ihnen yerschlossen 
49;  Yon  Assarhaddon  erobert 
162;  von  Artaxerxes  III.  77; 
römische  Usorpatoren  daselbst 
215  ff.  229;  unter  Yalerianus  und 
Gallienus  229.  231;  von  Aurelian 
erobert  216;  von  den  Arabern 
erobert  476  f.;  unter  den  Fati- 
miden  756  f. 

Aegypter  fallen  in  Phönicien  ein 
44.  69  f.;  ihre  XX.  Dynastie  162; 
ihre  Thalassokratie  164;  Handel 
mit  den  Phöniciern  17.  49.  69; 
mit  den  Griechen  69. 

Aegyptische  Culte,  durch  den 
Handel  verbreitet  2. 

Aegyptische  Namen  bei  Ibn 
Wahshijjah  746. 

Aemi'lianus  216.  219.  229. 

Aera  von  Tyros  45.  93;  vonTroja 
45  f.  92;  von  Karthago  93;  von 
Flaviopolifi  354;  der  Eharäg  415. 
757;  abgeschafft  513;  Vorzüge 
der  christlichen  165. 

Aethicus  660.  685. 

Aethiopien  von  Semiramis  er- 
obert 162;  bei  Abdias  373  f. 

Aethiopier,  ihre  Wohnsitze  164. 

Africanus  über  den  Exodus  und 
den  Tempelbau  1941;  seine 
Chronologie  der  Richterzeit  195; 
über  die  Zerstörung  Jerusalems 
264;  über  die  Päpste  544;  benutzt 
Eupolemos  194;  übersetzt  Eraton 
365  f. ;  Freund  Abgars  VIII.  348. 

Afrika,  von  den  Phöniciern  colo- 
nisirt  56. 

Afslminä  589. 

Agathias  106.  112. 

Agathodämon  616.  634. 

Agathokleia  362. 

Agathokles,  Historiker  710. 

Agathon,  Patriarch  499  f. 

Agathon,  Priester  477. 

Aghätsädlmün  616.  634. 

Aglebü  375.  376. 

•Agliböl  376. 

Agrippa,  Tetrarch  318.  319  f. 

Agrippinos,  Patriarch  422. 


Ai'dahak  155  f.  393. 

ACyBdtrjg  386. 

At^  60. 

AkikaroB  135. 

Akra  60. 

Aktion,  Schlacht,  Prodigien  votr- 
her  282. 

Akylas  385. 

Albatl27f. 

Albericus  Triumfontium520f. 

Alchymie  185. 

Alezander,  Priamos^  Sohn  66. 

Alexander  der  Grosse  erobert 
Phönicien  77;  verpflanzt  Syrer 
nach  Aethiopien  376. 

Alexander  Jannaeos  308  f. 

Alexander  Polyhistor  über  ba- 
bylonische Geschichte  120;  seine 
jüdische  Geschichte  180  ff ;  Ver- 
hältniss  zu  seinen  Quellen  181  f. ; 
seine  jüdisch  -  hellenistischen 
Quellen  182 f.;  wie  von  Eusebios 
benutzt  667;  ob  von  Josephos 
benutzt  182. 

Alexander  Zebinas  323. 

Alexandre  324 f.  328. 

Alexandrien,  Aufstände  unter 
Gallienus  217  f.;  Handel  376; 
Patriarchen  895  ff.  (vgl.  Patri- 
archen); von  den  Arabern  er- 
obert 477. 

Alexandros  I.,  Patriarch  427. 
442. 

Alexandros  n.,  Patriarch  501. 

Alexandros,  Patriarch  (1095) 
487. 

Alfterus  488. 

Al-Mämün  505.  741. 
■Al-Man9ür  602  f. 

Alphabet,  semitisches  47.  138  f.; 
griechisches  53;  sogenannte  na- 
batäische,  s.  Ibn  Wahshijjah; 
vgL  Schrift. 

Alt-Earthago  58. 

Alyattes  152. 

Amasis  71. 

Amgarron  168  f. 

Amida  346. 

Amm'ashtart  74. 

Am  OB  132. 

Amyite  142.  153. 

Amyntes  113. 

Anakyndaraxes  122. 

Ananel  281. 

Ananias,  Patriarch  522. 


BE6ISTEK 


765 


Anaphe  61. 

AnaBtasios  6  'Anoivyuffiog 
499. 

Anastasios,  Bischof  von  Antio- 
chien  469. 

Anastasios  SinaiteSjPatriarcIi 
vonAlezaiidrien497;  sein  Todes- 
tag 411. 

Anastasius,  £[aiser  564.  665 f.; 
sein  Perserkrieg  661  f. 

Anastasius  Bibliothecarius 
399. 

Andhra  363. 

Andrapolis  333.  362  f. 

Andreas,  Apostel  378 ff.;  nicht 
Bischof  von  Bjzanz  382. 

Andreas  nnd  Elene  381. 

Andromeda  164. 

Andronikos,  Patriarch 499;  sein 
Todestag  411. 

Andronikos,  Syrer  122  f. 

An^er  712. 

Anianos,  Chronograph  99.  411. 

Anianos,  Patriar^i  421.  422. 

Annedoten  134. 

Annins  von  Viterbo  159.  697. 

Anojsh  398  f. 

Anquötil  du  Perron  126  f.  641. 

Ansns,  Patriarch  405  f.  452. 

Antedatirung  149  f. 

Antichrist  240. 

Antiochia,  fabelhafte  Gründnng 
599  f.;  syrische  Namen  600; 
Chronologie  der  Patriarchen  412. 
458;  der  ältesten  539 ff.;  Bischöfe 
seitAsklepiades  553f.;  arianische 
435  f.;  Synode  von  341:  446  f. 

Antiochis  177. 

Antiochos  IV.,  seine  Thron- 
besteigung 175  f.;  ermordet  sei- 
nen Neffen  176  f.  178;  rächt 
Onias  177  f.;  seine  B>egierungs- 
zeit  176. 

Antiochos  YIL  Sidetes  303f. 
311. 

Antiochos  IX.  304.  308.  309. 

Antiochos  XIL  309. 

Antoninus,  Sohn  desSeyema  239. 

Antonios,  Patriarch  619. 

'Avov^lyya^a  2. 

Ann  bis,  nicht  in  Indien  verehrt  2. 

Anühä  607.  616. 

Annke  40. 

Aoadas  336  f. 

Aoza,  Gründung  56.  64;  Lage  69. 


Aparanadios  129.  167. 

Aphrodite  Urania  von  Kythera 
52. 

Aphthartodoketen  463 f. 

Apollinarios,  Patriarch  469. 

Apollonios,  Sohn  Alexanders  305. 

Apollonios  von  Tvana  372. 

Apostelgeschicnten,      apo- 
kryphe  332  ff.;    ihre   Zeit  378 
Statthalternamen    darin    886  f. 
geographische    Notizen    387  ff. 
antiquarischer  Inhalt  389;  vgl. 
Acta,  Martyrium,  Tsle£toeig, 

Apsephas  84. 

Apsilen  384. 

Araber,  Name  14;  erobern  Baby- 
lonien  161;  Babylon  am  Nil 
476 f.;  im  griechischen  Sprich- 
wort 604 f.;  ihre  historischen 
Kenntnisse  664;  ihre  Schrift- 
stellerei  702 ;  ihr  Charakter  760  f. ; 
im  4.  Buch  Esra  212  f. ;  vgl. 
Moslems. 

Arabien,  sein  Handel  13  ff.  17. 
49 ;  assyrische  Eiaflüsse  14  f. 
von  Assarhaddon  erobert  15  f. 

Arachosien  335;  zum  Buddhis- 
mus bekehrt  361  f. 

Arados  65.  67.  73. 

Aralios  113. 

Aram,  König  von  Armenien  124. 

Aram,  König  von  Hurassad  123 f. 

Aramäisch,  eeineV  erbreitung  581 . 

Aranos  113. 

Arbijäsijüs  589. 

Archilochos  69. 

Ardath  261. 

Ardawän  von  'Iraq  675. 

Ardeshfr  I.  675.  676. 

APJOXPO  340. 

Areios  113. 

Ares,  Opfer  für  ihn  581  f. 

Arfaxat,  Magier  364.  365.  370; 
in  Aethiopien  372  f.  378. 

Arp^anthonios  69. 

Ana  335. 

Aristeas,  der  falsche  183  f. 

Aristobulos,  Tetrarch  318. 

Aristobulos,  Astrolog  680 f. 

Aristobulos,  FUscher  185. 

Armü.sijümi  589. 

Armenien,  Name  123;  semitische 
Urbevölkerung  124;  Königslisten 
124;  Juden  daselbst  280.  355. 

Armenier,     Formen     persischer 


766 


REGISTER. 


EGnigsnamen  bei  ihnen  166;  ihre 
Beziennogen  su  den  Assjrem 
161;  ihre  Keilschrift  161;  ver- 
ehren Schlangen  393 f.;  erkennen 
den  Papst  an  621. 

Armenische  Münzen  342. 

Armlsä,  8.  Ermisä. 

Arnaldus  Bernardi  deMonte- 
ma'jori  626. 

Arphazad  166;  Tgl.  Arfazat. 

Arphäzad  870. 

Arsakiden  bei  Moses  von  Chorene 
108  f. 

'AQödqara  280. 

Arsareth  278  ff. 

ArsatfijülÜB  680. 

Arsenios,  Patriarch  von  Alexan- 
drien  487. 

Arsenios,  Patriarch  von  Con- 
stantinopel  489. 

Artabanos  III.  366.  366. 

Artachshashth  barChashltth 
346. 

Artapanos  184  f. 

Artashgs,  Name  166. 

Artashds  II.  366. 

Artashir,  König  yonHa^jab  676. 

Artazares  I.  220. 

Artazerxes  III.  76 f. 

Artazias  III.  363.  ' 

Artemidoros,  Quelle  des  Strabon 
und  PtolemSiOS  43. 

Arüd  669. 

Arw6  26. 

Asaradinos  129  f. 

Asbus  462. 

Ash€räh  40. 

Ashurbftnipal  67. 

Ashurna9irpä.l  65. 

Asien  im  4.  Esrabuch  226  f. 

Askalon  46;  tyrisch  77. 

Askatades  113. 

Asklepiades,  Bischof  von  Antio- 
chien  640  f.  656. 

Asklepiades  in  der  Nabatäischen 
Landwirthachaft  631  ff.;  vgl.  As- 
qülebithsä. 

Asklepios  633. 

Asmüni  686.  694. 

Asordanios  129  f.  167. 

Asow  279. 

Asqülebithsä  670f.  682f.  631ff. 

Assardonpal  I.  122. 

Asearhaddon  erobert  Arabien 
16  f.;    ob  identisch  mit  Assnr- 


nadin  129  f. ;  erobert  Aegypten 
162.  163;  in  Phönicien  67;  seine 
Zeit  168. 

Assemani  669  £ 

Assnr  im  4.  Buch  Esra  236. 

Assur,  Stadt  11.  48. 

Assurnadin  129. 

Assyrer,  ihre  D^astien  nach 
Berosos  und  Etesias  103  ff.  290.; 
nach  den  Chronographen  106 ff.; 
Chronologie  ihrer  Könige  109  f. 
130  ff.  290;  erfundene  Königs- 
namen 107  f. ;  ihre  Kämpfe  gegen 
Phönicien  66 ff.;  besetzen  C^em 
68;  beherrschen  Kappadokien 
162;  am  Pontes  164;  Ausdehnung 
ihrer  Herrschaft  160  ff.;  Sfid- 
grenze  ihres  Reichs  im  siebenten 
Jahrhundert  164;  ihr  Einfluss 
auf  Arabien  15;  ihre  Beziehungen 
zu  den  Armeniern  161;  ünbehülf- 
lichkeit  ihrer  Herrschaft  67;  Zeit 
des  Sturzes  derselben  107.  111; 
ihre  Cultur  137  f. ;  ihre  L&ngen- 
masse  171  ff. 

Assyrien,  Ausfuhrartikel  1 2  f. ; 
Begriff  in  der  Kaiserzeit  223. 

Assyriologen  26.  146.  169 f. 

Assyrische  Könige,  ihre  Namen 
144.  146  f.;  vgl.  Assyrer. 

Assyrium  stagnum  87. 

Astara  362. 

Astaroth  348 f.  362. 

Astart  63  f. 

Astarte  39;  am  Bosporos  verehrt 
162.  362. 

Astharym  64. 

Astibaras  127  f.  676. 

Astor  14. 

Astyages,  König  von  Medien  142; 
kein  Dynastiename  166;  ist  nicht 
Darias  Medus  156  f. 

Astyages  in  der  Bartholom&os- 
legende  349.  360.  353. 

Athanasios  I.,  Patriarch  428 ff.; 
seine  Festbriefe  430  f.  432  f.  439  f. 
444. 

Athanasios  IL,  Patriarch  466  f. 

Athanasios  III.,  melchi tischer 
Patriarch  490  f. 

Athanasios  III. ,  jakobitischer 
Patriarch  616. 

Athanasios  IV.,  Patriarch  491. 

A  t  h  a  n  a  s  i  0  s ,  gajanitischer  BiBchof 
494. 


REGISTER. 


767 


Athanasioa,  Tritheit  496. 
Athanasius  von  Cl6rmont520. 

623.  524. 
Attana  16. 
Attene,  s.  Attana. 
Atticns  121. 
Atossa  104. 
Angnstas,    seine   Regiemngszeit 

244  f. 
AnrelianuB  erobert  Aegypten  216. 
Auzia  69. 

Azurn,  Chronik  418.  618 £ 
Azaph  278.  279. 
Azdah&  644  f.  662.  663. 
AzemilkoB  78. 
Azibaal  67. 

•Aztz  Bi'llah  487.  766.  767. 
Azoros  90.  92 f.;  vgl.  ZoroB. 
*Azrawajä  744. 

Baal  I.  67. 

Baal  IL  70. 

Baal-Shamaim  46.  61. 

Baaltis  38. 

Bäbä  der  Aramäer  676. 

Bäbek  644. 

Babnüda  424. 

BabrioB,  seine  Zeit  606. 

B  a  b  y  1  a  8 ,  Bischof  von  Antiochien 
640.  664. 

Babylon  in  Aegypten,  von  den 
Arabern  belagert  476. 

Babylon  am  Enphrat,  seit  den 
Arsakiden  674  ff.;  seine  Bezie- 
hunffen  zu  Kyzikos  710. 

Babylon  im  4.  Buch  Esra  216. 

Babylonien,  von  Sargon  unter- 
worfen 156;  Yon  den  Arabern  161. 

Babylonier,  ihre  Chronologie 
98  ff.  119;  ihr  Jahr  102;  ihr 
Kalender  646  ff.;  ihre  astirono- 
mischen  Aufzeichnungen  98;  ihr 
Zahlensystem  101.  113;  ihre 
Masse  171  ff.;  ihre  Sprache  680 f.; 
ihre  Literatur  570  f. ;  ihre  Mär- 
chen 676;  ihre  Könige  in  der 
Nabatäischen  Landwirthschaft 
744;  ihre  angebliche  kanaanäi- 
Bche  Dynastie  673  ff. 

bad  17. 

Badt  329  ff« 

Baer,  K.  E.  t.  63. 

BalaeoB  II.  113. 

Baläibalan  694. 

Balasch  560. 


Balatores,  König  von  Assyrien 
104;  vgl.  Beletaras. 

Balatoros  von  Tyros  71. 

Baldad,  s.  Vualdath. 

Ballista  221. 

Balsam  von  Gilead  10. 

Balthasar  383 f. 

Bar  Bahlül  333.  343.  638. 

Barbelioten  683. 

Barcino  58. 

Bardesanes  363 f. 

Barhebräus  schöpft  aus  Ensebios 
237. 

Barkäer,im  Kampf  mit  Karthago 
83. 

Barsch  am  ja  636  f. 

Barsos  618. 

Bartholomäos,  Apostel  348  f. 
360  f. 

Baschmüriten  402.  506. 

Basileios  IL,  Kaiser  487. 

Basileios,  Patriarch  von  Jerusa- 
lem 484. 

Basmath  13. 

Bätyle  87. 

Baudissin,  Graf,  seine  „Studien 
zur  semitischen  Religionsge- 
schichte" 20  ff.  37  f.  79;  sein 
„Jahve  et  Moloch"  20  f. 

Bäume,  ihr  Cultus  bei  den  Se- 
miten 33.  37. 

Baur  268. 

Bawaris  376.  876. 

Bayer  346. 

Bäz^n  375  f. 

Becher,  s.  Beireth. 

Beelsam§n37;  vgl.  Baal-Shamaim. 

Beibars  490. 

Beireth  349.  352. 

Beith  Oromo'ie  667. 

Beladen  129. 

Beleous  104.  112. 

Belesys  111. 

Beletaras  104.  120.  126;  Bedeu- 
tung des  Namens  125  ff. 

Belib  129  f.  164.  167. 

Belkis  bintHadhad  ibnSura- 
hil  16. 

Belochos,  Name  112.  113. 

Belochos  L  113. 

Belochos  IL  104.  i 

Belos,  König  von  Assyrien  106  f. 
204;  =  Nimrod  576. 

Belos,  Gründer  von  Kition  50. 

Belshazer  142. 


768 


REGISTER. 


Beltis  15. 

Benfey  188. 

Benhadad  27.  168 

Benhadar  87 

BenjaminL,  Patriarch  476 ff.  499; 
sein  Todestag  411. 

Benjamin  IL,  Patriarch  616. 

Beor  373.  376. 

Berenike,  Wittwe  des  Herodes 
von  Chalkis  361. 

Bernardus,  Mönch,  besucht  Ae- 
gypten  486. 

da  Bernat  406.  416. 

Bernstein  66  f. 

B  er  OS  OS,  seine  Liste  der  baby- 
lonischen Dynastien  97  ff. ;  Jatho 
darüber  290;  rechnet  cyklisch 
101;  über  Assyrien  102  f.  120; 
von  wo  an  er  historische  Zahlen 
giebtll4;  seine  assyrisch- jüdische 
Chronologie  131  n.;  Anordnung 
seines  Werks  140 ;  über  Sanherib 
167  f. 

Bertänijä  606 ff. 

BerytoB,  Gälte  39 f.;  gehört  zu 
BybloB  23. 

Beschneidang  38. 

BesBuss  768  f. 

Btith  Armajg  667. 

Be  thl  eh  emitisch  er  Kindermord 
626.  632. 

Bibel,  siehe  Testament. 

Bilder  der  Grade  der  Sphären 
670.  671.  673  ff.  687. 

Bin  27. 

Bin-idri  27.  28. 

Bion  120. 

Bleek  323. 

Blemmyer  219. 

Bochart  79  f. 

Bod'ashtart  76. 

Bohnen,  ihr  Genuss verboten  616. 
634. 

Boranen  228. 

Bosporanische  Götter  362. 

Bosporanische  Könige  361. 

Bosporos,  Jadensitz  366;  «=*  Se- 
pharad  307. 

Botrys  64. 

Bötticher,  W.  81. 

Brahmänijä  el- Chesarwäni 
679  f. 

Brahmlüs  679. 

Brandis,  J.,  „Ueber  den  histori- 
schen Gewinn  u.  s.  w."  116  ff.; 


„Rerum  AsByriarum  tempora** 
118.  138 f.;  über  die  Meder- 
herrschaft  161. 

Brann,  über  die  Söhne  des 
Herodes  316  ff. 

Britannien  in  der  Nabatäischen 
Landwirthscbaft  606  f. 

Brockhaus  683.  642.  696. 

Bruce  143. 

Brucheion  216,  217.  229. 

Brugsch  144. 

BucheriuB  619. 

Büchertitel  bei"  den  Arabern 
729  f. 

Buddha,  seine  Leiche  861. 

Buddhisten,  ihre  Missionsthätig- 
keit  368;  Aehnlicbkeit  ihrer 
Legenden  mit  den  christlichen 
368  ff. ;  Einfluss  ihrer  Lehren  im 
Westen  363  f. 

Bulan  279. 

Bunsen,  Chr.  E.  J.  v.,  über 
Sodom  41  f.  87;  „Aegyptens 
Stelle  in  der  Weltgeschichte^* 
134;  über  die  XKIL  Dynastie 
296;  über  Herenuius  296;  über 
die  Nabatäische  Landwirthschafb 
668. 

Bunsen,  E.  y.,  „Biblische  Gleich- 
zeitigkeiten" 299  ff. 

Buntwirkerei  47. 

Burnell  63. 

Busiris  17  f.  49. 

Byblos,  seine  Beziehungen  zu 
Aegypten  17;  zu  Assyrien  66. 
67;  sein  Cultns  38;  in  der 
Perserzeit  73. 

Byzantiner,  ihr  Name  bei  den 
Orientalen  607. 

Caesellius  387. 
Caldwell  63. 
Öänakja  696. 
Gandacis  372. 
Oandragupta  696. 
Caracalla  236;    mit  Commodus 

verwechselt  238;  judenfreondlich 

239;  Zeit  seiner  Erhebung  zum 

Cäsar  260. 
Carmonii  220. 
Carteja  68. 
Cassianus,  siehe  Julius  Gas- 

sianus. 
Catalogue  des  Patriarches  Coptes 

d'Alexandrie  403  f. 


REGISTER. 


769 


Catalogns  patriarchanim  Ale- 
zandricorum  405.  416. 

Caussin  de  Perceval  759* 

Ch,  siehe  auch  Kh. 

Chalbea  49. 

Chaldäer  sind  Arier  114;  fallen 
in  Phönicien  ein  66;  ihre  Sprache 
136 f.;  bei  Ibn  Wahshijjah  693. 

Chalke  69. 

Chalmana  15. 

Ghanaan  576. 

Ghanac,  Wilhelm  von  624. 

Chares  von  Mytilene  641. 

Charinus,  L.  333. 

Charädsch-jahre,  siehe  Aera. 

Charmande  11.  48. 

Chayila  4. 

Chazajan  123. 

Chazajel  123. 

Chazakijahu  129. 

Chazaren  279. 

Chinesen,  ihre  Herrscheijabre 
167. 

%txmv  6. 

Xva  42. 

Choche  697. 

Chondemlr  676. 

Chor  äs  an  unter  den  Sasaniden 
676. 

Chorsabad,  Umfang  172  f. 

ChristoduloB,  melchiti&rcher  Pa- 
triarch 486.  608  f. 

Christodulos,  jakobitischer  Pa- 
triarch 611  f. 

Christophoros,  Patriarch  484. 

Christus,  sein  Geburtsjahr  nach 
den  Alexandrinern  267;  Zumpt 
darüber  626  ff.;  Röckerath  298; 
sein  Verkehr  mit  Abgar  346  ff. 
634.  636  f. ;  Dauer  seiner  Wirk- 
samkeit 627;  seine  Mutter  683; 
sein  Bild  636 f.;  sein  Kreuz  537 f. 

Chronik  von  Axum  418.  618  f.     ' 

Chronikon  paschale  benutzt 
Philostorgios  664. 

XQOvoyQatpBtov  dvi^rofioy  398. 
409  f.  412. 

Chronologie,  Methode  derUnter- 
suchuDg  298  f. 

Churnäraweih  607  f. 

Chus  576. 

Chwolsohn,  siehe  Chwolson. 

Chwolson  über  die  Ssabier  8. 
567.  621;  über  die  Nabatäische 
Landwirthschaft  146. 567  ff.;  über 

y.  Gt7T80HMZi>  ,  Kleine  Schriften.    IL 


Tammüz  569.  637;  über  die  na- 
batäischen  Alphabete  703;  über 
den  Reim  587  f.;  über  Qöstir 
621;  als  Chronolog  670ff.;  seine 
Kritik  635  ff.  704 f.;  sein  Euhe- 
merismus  639;  seine  Geschichts- 
philosophie 657. 

Christenverfolgung  des  Vale- 
rian  219.  226  f.;  des  Decius  226. 
240;  des  Severus  238.  239. 

Classen,  J.  603. 

Claudius,  Räuber  237. 

Clemens  von  Alexandrien  benutzt 
Julius  Cassianus  192.  196;  sein 
Verhältnisa  zu  Tatian,  Justinus 
und  Africanus  197;  gegen  die 
Judenchristen  240;  Abfassungs- 
zeit der  Stromateis  257  f. 

Commodus  mit  Caracalla  ver- 
wechselt 238;  verfolgt  die  Sa- 
maritaner  237  f. 

Conring  142. 

Constans  447  f. 

Constantinopel,  Patriarchen 
454  f. 

CoDSummatio  S.  Thomae,  siehe 

Cooper,  Basil  302. 

Cosmographns  Ravennas  659. 

Cremeaux,  Simon  de  625. 

Culte,  durch  den  Handel  ver- 
breitet 2.  376  f. 

Cunningham  332.  340. 

Curtius,  E.,  über  die  lonier  601  ff. 

Cypern,  phönicische  Herrschaft 
daselbst  60  f.;  assyrische  68;  von 
Amasis  besetzt  71 ;  in  den  Acta 
Barnabae  388;  von  Kanaan&ern 
besiedelt  36.  389. 

Dagon  33. 

Damaskos,  Sagen  14  f. 

Damianos,  Patriarch  498 f.;  sein 
Todestag  411. 

Daniel,  Buch  141  f.;  der  zehnte 
Griechenkönig  175  ff.;  die  vierte 
Monarchie  242 ;  von  den  Christen 
ausgedeutet  267;  Zündel  und 
Hilgenfeld  darüber  286. 

Där&  664. 

Dar  ei  0  8  J.,  sein  Zug  nach  Aegy- 
pten  15 ;  Organisator  Phöniciens 
71  f.;  sein  Tod  166. 

Darius  Medus  142.  156. 

Dattelpalme  42. 

49 


770 


REGISTER. 


David   62;    als   Zeitgenosse   des 

Troischen  Kriegs  128. 
Dedan  15. 

Deinon,  Quelle  Diodors  163. 
Dei'okes  151;  kein  Dynastiename 

155;  Sayce  über  ihn  302. 
Delfinus,  Leonardas  525. 
D  elketaden,  siehe  D  er  ketaden. 
Demetrios  I.  Soter  175. 
Demetrios  IIL  yon  Syrien  808  f. 
Demetrios,  jüdischer  Historiker 

182  f.;    seihe    Zeit    183.    186 ff. 

268.  291;  seine  Chronologie  186 ff. 
Demetrios,  Patriarch  423. 
Demokritos  46.  184  f.;    als  an- 
geblicher   Alchymist    183;    bei 

Malalas  557. 
Deridotis  12. 
Derketaden  112. 
Derketades  113. 
Des&thtr  694.  698. 
Dewfinät  682.  659. 
Dido  81. 
Diestel,  L.  30. 
Dillmann  875. 
Dindorf,  L.  181. 
Diodoros  über  'la<6  25;  benutzt 

Ktesias  105;    macht  Zusätze  zu 

Etesias  163;  benutzt  Deinon  163; 

seine    Quellen   über    Semiramis 

163. 
Dionysios,  Patriarch   von   Ale- 

xandrien  424. 
Dionysios  1.,  Patriarch  von  An- 

tiochien  505.  506. 
'Dionysios  II.,  Patriarch  von  An- 

tiochien  507. 
Dionysios  Y.,  Patriarch  yon  An- 

tiochien  512. 
Dionysiosvon  Telm  ah  ar,  seine 

Chronologie  346  f. ;  erhält  Josua 

Stylites  559. 
Dios  61. 

Dioskorosl.,  Patriarch  418 f.  451. 
Dioskoros  IL,   Patriarch   456  f. 

458. 
Doctrina  Addaei  534 f. 
Dodwell  896.  407. 
Domitianus,  Usurpator  216 f. 
Dorotheus,  Paulitenbischof  497. 
Dorotheos,        Theodosianischer 

Bischof  496. 
Dsch,  siehe  G. 
Dsü*lqarnain  668. 
Duinisades  405. 


Duncker,  M.,  über  die  lonier  602. 
D  zaghrlths  571. 582;  seine  Reime 

587  f.;  seine  Zeit  665. 
Dzahhäk  577.  677. 

£bn,  ygl.  Ihn. 

Ebn  el-Kolzumi  403. 

Ebn  Rahib  406.  414.  507. 

EbusoB  69. 

Echidna  389  ff. 

Eckhel  342. 

Eddana  11.  12.  48. 

Eden,  Stadt  12.  48. 

Edessa,  Chronik  559  ff.;  ygl. 
OsroSne. 

Edom,  »  Rom  807. 

Eigennamen,  antike,  ihre  Ortho- 
graphie 165. 

Eileithyia  682. 

Einsiedler  in  Babylon  651  ff. 

Ekdikios,     Praefectus     Aegypti 

.  440. 

El  38  f. 

El-Azlz,  siehe  Aziz. 

Elagabalus  254. 

Elam  162. 

El-b!sh  695. 

Elesbaas  378.  874. 

Eleutheros,  Patriarch  488. 

Elia,  Dürre  zu  seiner  Zeit  69. 

Elias,  Patriarch  487. 

Elibos  129  f.  154.  167. 

Elisa,  Inseln  52. 

Elissa  64.  89. 

Eliun  88 f. 

Elle,  assyrische  171  ff. 

Elmakin  406.  414.  507. 

Elpidios,  Bischof  yon  Alexan- 
drien  494. 

EluläoB  65. 

(E)luli  66. 

Elymer  57. 

Emporia  58. 

Engel,  W.  E.  889. 

Ephraim  ben  Zor'a  510f. 

Epiphanios  884 f.  442. 

Eponymen,  assyrische  166  f.; 
griechische  759. 

Erbes  548.  557. 

Erdbeben  yon  31  n.  Ch.  282. 

Erember  14. 

Erowand  350. 

Erm!Bä616.684f.682;ygl.  Hermes. 

Esarhaddon67;  ygl  Assarhaddon. 

Esau,  Stammvater  der  Römer  271. 


REQISTEIL 


771 


Efihmün  40. 

Eshmun^azar,  siehe  Eamun- 
*ezer. 

Esmnn'ezer  I.  10.  74. 

Esman'ezer  11.  9 f.  74. 

Esrai  Buch  IV  (Apokalypse),  Li- 
teratur dardber  211  f.;  Volkmar 
darüber  204  ff. ;  Hilgenfeld.  204. 
285ff.;  Ueberlieferung  204f.  241. 
286;  arabischer  Text  286;  wo 
zuerst  citirt  267 f.;  Adlergesicht 
204.  206 ff.  240 ff.  284.  286 f.;  Ab- 
fassungszeit 206  f.  281  f.  239.  266; 
Heimath  des  Verfassers  266;  Re- 
ligion desselben  266 f.;  Anhang 
212 f.;  Cap.  1  u.  2  232 ff.  283 f.; 
die  ursprangliche  Apokalypse 
268ff.;  Sprache  268;  benutzt  die 
LXX  269;  Zeitrechnung  260  ff. 
276;  Verfasser  268 f.;  seine  Zeit 
269.  268  f.  276;  seine  Heimath 
276  f. 

Essäer  823. 

Eteokreten  62. 

Ethbaal  64. 

Etrusker,  ihre  Beziehuogen  zu 
den  Phöniciern  68. 

Euagoras  erobert  Tyros  76. 

Euagrios  469. 

Eudeipne  69. 

Euechoios  126. 

Eugenius,  Kaiser  327. 

Euhemerismus  612.  631f.  634f. 
638.  639. 

Eulogios,  Patriarch  469.  470. 
497. 

Eulogios,  angeblich  schrift- 
stellernder  Patriarch  488. 

Eumenes,  Patriarch  423. 

Eunapios  über  die  Mönche  662 f. 

E  u  o  d  i  0  s ,  Bischof  von  Antiochien 
662. 

Euphemios,  Patriarch  von  Con- 
stantinopel  464  f. 

Euphenissa  372. 

Euphranon  372. 

Eupolemos  183;  seine  Zeit  191  ff. 
281;  schrieb  in  Aegypten  192; 
seine  Chronologie  192 ff.;  von 
Africanus  benutzt  194;  benutzt 
Etesias  676;  über  Chanaan  676. 

Evasßfig  388. 

EusebioB,  Bischof  von  Alezan- 
drien  482. 

Eusebios  von  Eaesareia,  sein  Ver- 


halten gegenüber  Athanasios 
444 ff.;  Verhältniss  des  lateini- 
schen und  armenischen  Textes 
seiner  Chronik  397.  648  f.  663; 
Uebersetzung  von  Petermann  166 ; 
AbfassungEzeit  der  Chronik  396. 
443;  sein  Verhältniss  zu  seilen 
Quellen  181  f.;  seine  Benutzung 
des  Alexander  Polyhistor  667; 
faeine  assyrische  EOnigsliste  106; 
seine  assyrisch-jüdische  Chrono- 
logie 131  ff.;  seine  Chronologie 
der  Eaiserzeit  397;  über  Abgar 
634 f.;  über  die  Patriarchen  von 
Alexandrien  396 f.  443.  642  f.; 
über  die  Bischöfe  von  Antiochien 
639  f.  646  ff. ;  über  Ignatios  666  ff. ; 
über  die  Bischöfe  von  Jerusalem 
660  f.  666;  seine  Papstliste  644  ff. ; 
Handschriften  der  Praeparatio 
181 ;  Abfassungszeit  der  Kirchen- 
geschichte 443. 

EustathioB,  Patriarch  484. 

Eutychianus,  Papst  647. 

Eutychios,  Patriarch  486;  sein 
Nazm  algauhar  399 f.  412.  480. 
496;  über  die  Bischöfe  von  An- 
tiochien 661  f;    über  Noah  622. 

Evangelium  des  Johannes  627  f. 

Evangelium  des  Lukas  628f. 

Evangelium  de  obitu  Mariae 
337  f. 

Evil-Merodach  142. 

Ewald,  seine  Stellung  717.  748; 
„Sibyllische  Bücher"  822  ff. ;  über 
die  Nabatäische  Landwirthschaft 
668.  682  f.  696  f.  698.  613.  684. 
637.  661.  676;  „Zur  weiteren 
Würdigung  der  nabatäischen 
Schriften"  717ff.;  über  die  naba- 
täische  Schrift  688 f.;  über  die 
nabatäische  Sprache  746 ff.;  über 
Thenkelöshä  677  f.  679;  über 
Teukros  701  f.  709;  über  Tham- 
müz  761;  über  die  Hyksos  13; 
über  Bartakos  377. 

ExcerptaLatina  barbari,  ihre 
assyrische  Eönigsliste  106;  ihre 
jüdische  Königsliste  189;  Ver- 
zeichniss  der  alexundrinischen 
Patriarchen  898. 410 ;  Abfassungs- 
zeit  396  f. 

Fabius,  Bischof  von  Antiochien 
640. 

49* 


772 


BEGISTEB. 


Falconilla  355. 

F&lscher  684f.  697.  784ff.  742. 

Fatimiden,  Anfang  ihrer  Dynastie 
509;  die  Quellen  für  ihre  Ge- 
schichte 755.  757;  ihre  Herr- 
schaft 756  f. 

Febrnarias  649. 

Fenchel  610f. 

Ferishtah  868. 

Firdnsi  220. 

Fische,  ihr  Genuas  verboten  615. 
616.  684. 

Flaviopolis,  Aera  854. 

Fleischer,  zur  Nabatäischen 
Landwirthschaft  588.  587.  592. 
612.  619.  632.  679.  701.  713ff. 

Flüsse  als  Götter,  sieheGewässer. 

Fosfor  619. 

Fraas  55. 

Franken  stammen  you  Esau  ab 
271. 

Freudenthal,  „Hellenistische 
Studien''  180 ff.;  über  das  vierte 
Makkab&erbuch  181. 

Fulvianus  384. 

Gabriel  L,  Patriarch  509. 
Gabriel  II.,  Patriarch  513. 
Gabriel  III.,  Patriarch  515. 
Gabriel  IV.,  Patriarch  516. 
Gabriel  V.,  Patriarch  516  f. 
Gabriel  VI.,  Patriarch  518. 
Gabriel    VTI. ,     Patriarch     418. 

578. 
Gabriel  VIH.,  Patriarch  518. 
Gad  333.  837. 
Gades  56.  58. 
Gajaniten,      ihre      Patriarchen 

494  ff.;    ihre    Union    mit    den 

Theodoaianern  497. 
Gaianos,  Patriarch  459.  460  ff. 
Gajömarethna  127. 
Gaüos,  Patriarch,  siehe  Gaianos. 
Gaius,  Kaiser,  arabische  Formen 

583  f. 
Galatien,   ein  Legatus  Augusti 

387. 
Galepsos  54. 

Gallienus215;  besiegt  die  Gothen 

226. 
G&m&sp  642  f. 
Garamäer  641. 
Garamanten  59. 
ragagivTjg  335. 
Garmos  641. 


Gaulos  8.  48. 

Gazara  318.  315. 

Gazus  335  f. 

Gecnac  15. 

Gedalja,  Rabbi  624.  625. 

Gelasius,  Papst  455 f. 

Geldwert h  in  PhGnicien  und 
Palästina  3f:;  vgl.  Preise. 

Georgios,  Heiliger  654.  743. 

Georgios  I.,  Patriarch  von  Ale- 
xandrien  437  f. 

Georgios  IL,  Patriarch  von  Ale- 
xandrien  475. 

Georgios  H.,  Patriarch  von  Ale- 
xandiien  (998?)  487. 

Georgios,  Patriarch  von  An- 
tiochien  502. 

Georgios,  angeblicher  Patriarch 
479  f. 

Georgios,  Archidiaconus  402. 
414. 

Georgios  Kedrenos  über  Adonis 
638  f. 

Georgios  Kvprios  490. 

Georgios  Sjnkellos  benutzt 
Anianos  und  Panodoros  über 
Babylon  99;  verderbt  die  Nach- 
richten des  Berosos  99 f.;  seine 
assyrische  Königsliste  105  f.; 
seine  Liste  der  alexandrinischen 
Patriarchen  398 f.;  über  die  Kin- 
der  Adams  613  f. 

Ger&miqah  632.  641. 

Gerasimos  I.,  Patriarch  492. 

Gerasimos  IL,  Patriarch  493. 

Gerlach,  F.  D.  531. 

Gerlach,  Stephan  492. 

Gerrh&er  15.  17. 

Geschichtschreiber,  orientali- 
sche 220. 

Geschwisterehe  74. 

Geta  250. 

Gewässer  von  den  Semiten  ver- 
ehrt 32.  34.  37. 

Gewürze  6 f. 

Giddan  11.  48. 

Gifte,  Buch  von  den  570.  571. 

Giftmädchen  695 f. 

Gildemeister  645. 

Girba  59. 

Girgäs  654. 

Glasfabrikation  46f. 

Godaphara,  s.  Gondophares. 

Gog  230. 

Gold  bei  den  PhSniciem  4$    aU 


REGISTER 


773 


Tanschmittel  624;  seit  wann 
gemünzt  624  f. 

Gondophares  in  der  Legenda 
aurea  832 ;  ia  den  Acta  Thomae 
333;  seine  Namen  334;  sein  Reich 
335.  340;  seine  Zeit  341. 

Görres,  J.  127. 

Gothen  plündern  Thrakien,  Ma- 
kedonien nndAchaia  225;  Klein- 
asien 225.  227 f.;  von  Gallienus 
besiegt  226;  sind  Gog  und  Ma- 
gog  230. 

Götter,  ihre  geheimen  Namen 
623 ;  griechische  und  ägyptische 
durch  den  Handel  verbreitet  2; 
der  Bosporaner  352;  semitische 
31  ff.  37;  ihr  Geschlecht  34.  37; 
phönicische  38  ff.;  wie  darge- 
stellt 40. 

Graetz  286ff!.  239.  420;  seine 
Methode  321. 

Gregor  IX.,  Papst  524. 

Gregorios,  arianischer  Patriarch 
von  Alexandrien  428  f.  431.  432. 
434.  444. 

Gregorios  I.,  armenischer  Pa- 
triarch Yon  Alexandrien  527. 

Gregorios  I.,  melchitischer  Pa- 
triarch 489. 

Gregorios  IL,  armenischer  Pa- 
triarch von  Alexandrien  522. 

Gregorios  IL,  melchitischer  Pa- 
triarch 491. 

Gregorios  IIL,  Patriarch  491. 

Gregorios  IV.,  Patriarch  491. 

Gregomos  V.,  Patriarch  492. 

Gregorios,  Bischof  Ton  Antio- 
chien  469. 

Griechen,  ihre  erste  Kunde  yon 
Aegrpten  49;  auf  Gypern  50; 
Einnuss  der  PhOnicier  auf  sie 
52  f. ;  in  Sicilien  und  Aegypten 
69;  ihr  Name  bei  den  Orientalen 
607;  ygl.  Neugriechen. 

Griechisch  als  Münzsprache  in 
Iran  341. 

Fginnovrig  405. 

Grote  über  die  PhÖoicier  80. 

Gundaforus,  s.  Gondophares. 

Guäd  337. 

Gytte  60. 

Haarabschneidung  der  Frauen 

41. 
Hadad  26  f. 


Hadad'ezer  26. 

Hadad-Rimmön  28. 

Hadar  26.  28. 

Hadar*ezer  26. 

Hadrumetum  59. 

Häg!   Chalfah   über  Ihn   Wah- 

shiijah  729.  737  ff. 
Häkim  487. 

Hammer,  J.  582.  719.  723.  730. 
Handelsstrassen  nach  dem  Eu- 

phrat^llf.;    nach  Arabien  13  ff. 

48;  nach  dem  BemsteiDlande  55. 
Hanno  der  Grosse,  Enkel  Magos 

71.  84. 
Hanno  der  Seefahrer  60. 
Hansen  152. 

Hanzalah  ben  Qafwän  483. 
Haöinacultus  127. 
Haran  8.  48. 
Hareths  al-R&ish  662. 
Haria  335. 
Harismanos  461. 
Harnack,  A.,  „Zeit  des  Ignatius** 

538  ff. 
Hartwig  257. 
Härün  al-Raschld  484. 
Hasael  123.  168. 
Hasan  ben  Fara^  701.  722  f. 
Hasdrubal,     Enkel    des    Mago 

83  f. 
Hatra  224. 
Hang,  M.  117. 
Hausrath  317. 
Hebräer  13;  vgL  Israeliten. 
Heftwäd  220. 

Heiligengeschichten,    neu- 
griechische 369. 
Heiligkeit,    Begriff    im     alten 

Testament  30. 
HekatäOB    von  Abdera,    Quelle 

des  Diodor  25. 
Hekatäos,  der  falsche  185. 
Helena,  Kaiserin  537. 
Heliodoros  175  f. 
Helioskinder  52. 
Hellanikos  über   Sardanapallos 

122;  über  O^ges  201. 
Hemerobaptisten  323. 
Heniocher  382. 
Henooh  616. 
Henschen  471. 
Heraklas  424. 
Herakleia  Minoa  57. 
Herakleios,  Kaiser  476  f.  480. 
Herakleonas  480. 


774 


REGISTER. 


Herakles,  sein  Colt  bei  den 
Griechen  34;  als  Melkarth  8. 

Herakles,  Tyrischer,  empfängt 
den  Zehnten  61;  sein  Tempel 
61  f.;  Fest  seiner  Erwecknng  62; 
als  Städtegründer  59 ;  seine 
Priester  72. 

Herennins,  siehe  Philon  von 
Byblos. 

Herennins  Severus  22. 

Hermes  682.  712;  YgL  Ermlsä. 

Hermes  el-Bäbeli  682. 

Hermes  T(fiafiiyi<tTos  682. 

Herodes  der  Grosse,  wird  König 
270.  281 ;  nach  der  Schlacht  von 
Aktion  274  f ;  seine  Beziehungen 
zu  den  Parthern  281;  seine  Re- 
giernn^szeit  298;  seine  Ehe  317; 
Ereignisse  bei  seinem  Tode  320. 

Herodes  von  Palmyra  222. 

Herodes,  Tetrarch  319. 

Herodias  317  ff. 

Herodotos  über  den  Ursprung 
der  Phönicier  41.87;  seine  Glaub- 
würdigkeit 118;  seine  Zeit  118 f.; 
seine  assyrische  Geschichte  119; 
über  den  Abfall  der  Meder  von 
Assyrien  164 f.;  seine  persische 
Chronologie  156. 

Heruler  452. 

Hesion  123. 

Heuschrecken  563. 

Hierapolis  in  Asien  389 f.;  Mün- 
zen 391  f. 

Hierodulen  41. 

Hieroglyphen  bei  Ihn  Wah- 
shijjah  692.  708  f. 

Hieronymus,  seine  Chronik 397; 
über  die  Patriarchen  von  Ale- 
xandrien  440;  über  Sanherib  und 
Salmanassar  188. 

Hieropolis  336. 

Hilario,  siehe  Julius. 

Htläthsij&  682. 

Hilgenfeld  über  IV.  Esra  204. 
206.  212;  „Esra  und  Daniel" 
285 f.;  über  die  Sibyllen  822. 

Himjariten  169;  ihre  Züge  nach 
Innerasien  662  f. 

Himjaritische  Annalen  662. 

Himmelskörper, ihr  Cult  32. 37  f. 

Hinrichtung  durch  Lanzen  361. 

Hiob,  Buch,  Alter  der  Nachschrift 
184;  vgl.  lob. 

Hippo  Zarytos  59. 


Hir&h  585;  Könige  675. 

Hiram,  Erzarbeiter  63. 

Hirom  I.  61  ff.;  unterwirft  Utica89. 

Hirom  IL  66. 

Hirom  IIL  71. 

Hirschopfer  40. 

Hiskia  129.  169. 

Historia  acephala  439.  447. 

Historia  patriarcharum  Ale- 

xandrinorumque       Jacobitarum 

401  f.  607. 
Hiwä  el-Balch!  692. 
Üöhendienst  38.  85. 
Holm,  A.  81. 
^Ofiogama  136. 
Homorka  136  f. 
Hophra  70. 
Hosius  447. 
Hrodan  393.  641. 
Humbert,   lateinischer  Patriarch 

von  Alexandrien  626. 
Hunibald  736. 
Hup  fei  d    über    die     Zerstörung 

Ninives    111;    über  die   Meder 

290. 
Hyde  333. 
HyksoslS;  Zeit  ihrer  Vertreibung 

194. 
Hyndopherres,   siehe    Gondo- 

phares. 
Hypatios  386. 

Hyrkanos  275.  281.  308.  309  f. 
Hyrtacus  373.  376.  877. 
Hystaspes,    fabelhafter    Meder- 

könig  680. 

Jacobus  a  Vitriaco  332  f. 
Jacobus  a  Voragine  332  f. 
Jahr,   grosses   102;    chald&isches 

102. 
Jahre  von  Königen,  ob  postdatirt 

146 ff.;  der  römischen  Kaiser  40. 
Jahr  punkte    von    den    Persern 

gefeiert  870  f. 
Jahwe  23  ff. 
Jakinlu  67. 

Jakob,  Jakobitenpatriarch  504. 
Jakobiten  460.  477;  ihrVerhält- 

niss  zu  den  Katholiken  522.  624; 

ihre  alexandrinischen  Patriarchen 

498  ff. 
JamblichoB,  der B omanschreiber 

580.  641. 
Jamilki  67. 
Jamolkes  86. 


EEGISTER. 


775 


Janai,  Rabbi  236. 

Janbüshäd  571.  693;  seine  Zeit 
665. 

'Idm  24f. 

Ja'qöb  Bürd'äjä  498. 

jarbüqä  570.  571ff.  738. 

J  ath  0 ,  „Alttes  tarn  entliche  Chrono- 
logie" 288  ff. 

Jayan  54.  603.  605. 

Ibn,  vgl.  Ebn. 

Ibn  en-Nedün  über  Ibn  Wah- 
shijjah  729.  736  f. 

Ibn  Wahahijjah,  sein  Name 
689.  720  ff.;  seine  Vaterstadt 
597;  als  Verfasser  der  I^aba- 
täischen  Landwirthschaft  568. 
570 ff.;  seine  Alphabete  (Shauk 
al-Mustahäm)  582  ff.  589  ff.  701. 
703.  719;  ob  Verfasser  derselben 
703  ff.;  seine  von  Eircher  er- 
wähnten Schriften  725  ff.;  son- 
stige Schriften  von  ihm  729  f. 
731.  736  ff.;  als  Fälscher  688  ff. 
696  ff.  703  f.;  seine  Tendenz  689  ff. 
699  ff.  740  ff. ;  seine  Kenntnisse 
692  ff. ;  Werth  seiner  Schriften 
706  f.  718. 

Idumäer  14.  271  f. 

Jebusäer  388. 

Jehu  169. 

Jeremia,  sein  Gottesbegriff  23. 

Jernbbaal  44. 

Jerusalem,  Tempelbaa  62 f.  94. 
194.  197;  die  Mauern  eingerissen 
312;  von  den  Moslems  erobert 
478  f.;  Patriarchen  412. 

Jesid  I.  482. 

Jezid  ben  Hätim  503. 

Jima  Ehsha^ta  127. 

Ignatios,  seine  Briefe  538 f.; 
seine  Zeit  538  f.  557  f. 

Inder,  lassen  einen  Bischof  in 
Alezandrien  ordiniren  498. 

Indien,  das  weisse  335. 

Indische  Könige  nach  Volks- 
namen benannt  362  f. 

Indoskythen,  ihre  Chronologie 
341  ff. 

Innocentius  III.  488. 

Insel,  glückselige  60. 

Joakeim,  Patriarch  (1561)  492. 

Joakeim,  Patriarch  (1665)  493. 

Joanne^,  vgl.  Johannes. 

Joannes  I.,  Patriarch  von  Ale- 
zandrien 454. 


J  o  an n  e  8  I.,  lateinischer  Patriarch 
von  Alexandrien  524. 

Joannes  II.  Monazon  oder  He- 
mula,  Patriarch  von  Alexan- 
drien 456. 

JoannesII.,  lateinischer  Patriarch 
von  Alexandrien  624. 

Joannes  III.,  melchitischer  Pa- 
triarch 456. 

Joannes  III.,  jakobitischer  Patri- 
arch 500  f. 

Joannes  III.,  lateinischer  Patri- 
arch von  Alexandrien  525. 

Joannes  IV.,  melchitischer  Patri- 
arch 469. 

Joannes  IV.,  jakobitischer  Patri- 
arch 418.  502  f. 

Joannes  V.,  melchitischer  Patri 
arch  471  ff. 

Joannes  V.,  jakobitischer  Patri- 
arch 514. 

Joannes  VI.,  melchitischer  Patri- 
arch 488. 

Joannes  VI.,  jakobitischer  Patri- 
arch 514;  vgl.  Jonas  II. 

Joannes  VI.^  jakobitischer  Patri- 
arch 515. 

Joannes  VII.,  jakobitischer  Patri- 
arch 515. 

Joannes  VII.  von  Sis,  armenischer 
Patriarch  521. 

Joannes  VIII.,  Patriarch  von  Ale- 
xandrien 516. 

Joannes  VIII.,  Patriarch  von  An- 
tiochien  511. 

Joannes  IX.,  Patriarch  516. 

Joannes  X.,  Patriarch  517. 

Joannes  XI.,  Patriarch  518. 

Joannes  XII.,  Patriarch  518. 

Joannes  XIII.,  Patriarch  519. 

Joannes  XIV.,  Patriarch  519  f. 

Joannes  XV.,  Patriarch  520. 

Joannes;  theodosianischer  Bi- 
schof 497  f. 

Joannes,  gajanitischer  Bischof 
494. 

Joannes  von  Antiochien  benutzt 
Africanus  196. 

Joannes  Bekkos,  Patriarch  490. 

Joannes,  Diaconus  402  f. 

Joannes  el-Qäim  bi'1-haqq 
494  f. 

Joannes  von  Ephesos  464. 

Joannes  Kosmas  490. 

Joannes  Laskaris  489. 


776 


REGISTER. 


Joannes  Malalas  über  die  Bi- 
schöfe Yon  Antiochien  552;  be- 
nutzt Theopbilos  557;  über  die 
Gründung  von  Antiochien  599; 
über  den  römi8chenKalender649. 

Joannes,  Bischof  von  Majuma485. 

Joannes  von  S.  Makarios  519. 

Joannes  Philoponos  495. 

Joannikios,  Patriarch  498. 

Joasaph,  Patriarch  492. 

lob,  vgl.  Hiob. 

lob,  Patriarch  von  Alexandrien  487. 

lob,  Patriarch  von  Antiochien  484. 

Johannes,  vgl.  Joannes. 

Johannes  ben  Salud  403. 

Johannes  Hjrkanos  I.  303  f. 

Joktaniden  18. 

Jona,  Buch  142. 

Jonas,  lateinischer  Patriarch  von 
Alexandrien  520  f. 

Jonas  I.,  s.  Joannes  V. 

Jonas  IL,  Patriarch  514.  521.  522; 
vgl.  Joannes  VI. 

Jonas  III.,  Patriarch  518. 

1 0  n  i  e  r  in  der  Nabatäischen  Land- 
wirthschaft  600 ff.;  ihre  ürsitze 
601  f. ;  in  Aegy pten  602 ;  bedrohen 
Tyros  66. 

Jonithus  15  f. 

lopolis  599. 

Josephos  über  die  Gründung  von 
Tjros  und  Karthago   46;    über 
Salomos  Tempelbau   63;    seine 
Königsjahre  150;  ob  er  Alexan- 
der Polyhistor  benutzt  182 ;  seine 
Chronologie  des  Exodos  193. 262 
der  Zerstörung  Jerusalems  264 
Senatusconsulto  bei  ihm  803  ff. 
seine  Quelle  dafür  806  f. 

Joppe  804.  813 f. 

Jösäb.  Patriarch  485.  504  f. 

Joseph,  siehe  Jös^b. 

Jost  239. 

Josua  Stylites  559 ff. 

Jovianus,  Kaiser  564. 

Iphigenia,  Aethiopin  873.  378. 

Iran,  Urbevölkerung  159. 

Irland,  fabelhafte  Urgeschichte 
606. 

Isä  ben  Muhammed  al-Nü- 
shari  509. 

Isaak,melchitischer  Patriarch  487. 

I  s  a  a  k ,  j  akobitischer  Patriarch  50 1 . 

tshtthsä  614 ff.;  stellt  Moham- 
med  vor  690.  739  ff. 


IsigonoB  119. 

'I66'^>ritpa  136. 

Ispabara  127. 

Israeliten,  Geldwerth  bei  ihnen 
4 ;  ihr  Gottesbegriff  23  f. ;  Be- 
ziehungen zu  den  Phöniciern 
62;  ihr  Auszug  aus  Aegypten 
198  f.;  9V,  Stämme  278;  Schick- 
sale der  10  Stämme  280 ;  Chrono- 
logie ihrer  Richter  und  Könige 
289.  294.  297;  vgl.  Juden. 

Istares  185. 

It-himyar  169. 

1 1 an 0  s ,  Münzen  33. 52 ;  phönicisch 
51  f. 

Ithobal  von  Sidon  66. 

Ithobal  I.  von  Tyros  64. 

Ithobal  II.  von  Tyros  70. 

Juba  II.  357. 

Jubiläen,  Buch  der  574 f. 

'lovSatoi  in  den  Sibyllinen  327t. 

Judas,  Apostel  864  f.  369. 

Judas,  Chronograph  240.  257. 

Juden,  ihre  Wegführung  aus  Pa- 
lästina 187;  in  Armenien  280. 
355;  in  Bosporos  355;  in  Sinope 
385;  ihre  Beziehungen  zu  Antio- 
chos  VII.  und  IX.  803  f.  308  ff.; 
zu  den  Parthem  280 f.;  zu  den 
Römern  303  ff.  307;  ihre  Stellung 
unter  den  Hasmonäem  807 f.; 
hassen  Palmyra  222 ;  hassen  Tyros 
und  SidoQ  285;  ihr  Aufstand 
gegen  Severus  286  ff.;  von  ihm 
verfolgt  288;  ziehen  Christen  zu 
sich  herüber  240;  ihre  Ethno- 
graphie 307 ;  Rationalisten  unter 
ihnen  692;  alezandrinische  185; 
als  Fälscher  185.   Vgl.  Israeliten. 

Judenchristen  240. 

Julianos,  Patriarch  428. 

Julius  I.,  Papst  444 ff. 

JuliusAfricaHU8,s.AfricanuB. 

Julius  Cassianus  192.  196  f. 

Q.  Julius  Hilario  292. 

Junis  von  Damiat  424. 

JuniuB,  F.  235. 

Jus  ab  484;  sein  Biograph  402. 

Justinus  I.,  Kaiser  566. 

Justinus  Martyr,  sein  Verhält- 
niss  zu  Tatian,  Africanns  und 
Clemens  von  Alexandrien  196 ff.; 
seine  Cohortatio  ad  Graecos  197. 
202. 

Just  OS,  Patriarch  423. 


REGISTER. 


777 


Ja  st  08  von  Tiberias  201  ff. 
'loviavTis  839. 
Izates  von  Adiabene  347  f. 
Izeds,  ihre  Namen  auf  Menseben 

überiaragen  337. 
izat  347. 

Kabiren  40. 

Kabul  62. 

Kadmeier  63. 

Kadmos  63. 

Kabira,  Hans  der  Wissenschaften 
766;    Schlossbibliothek  766. 

Kai  Khosrü  641. 

Kain  683  f. 

Kaival  12.  48. 

Kaiser,  römische,  ihre  Jahre  160. 

Kalamine  339  f. 

K&16b  374. 

Kalrjfiiga  t6. 

Kalender  der  Nabatäer  646  ff.; 
der  Syrer  647  f.  660 ;  altrömischer 
649 ;  koptischer  401 ;  kappadoki- 
scher  149. 

Kali-Jnga  114. 

Kalneh  12. 

Kalwäds  682. 

Kämäsh  642. 

Kämäsh  al-Neheri  646. 

Kamphausen  184. 

Kanaan äer  42;  herrschen  in  Ba- 
bylon 673  ff. ;  in  der  Nabatilischen 
Landwirthschaft  622  ff.  661. 

Kavai  12. 

Kanneh  12.  48. 

Kanthele  69. 

Kappadokien,  Kaisermünzen 
149;  Kalender  149;  von  den  As- 
Syrern  beherrscht  162. 

Kapsa  69. 

Karalis  67. 

Karchedon  46.  90. 

Karer  61.  62. 

Karikon  Teichos  60. 

Karkar  66. 

Karmanien  von  den  Sassaniden 
erobert  220. 

Karpasia  60. 

Karrae  48. 

Karthager  besetzen  Ebusos  69; 
kämpfen  mit  den  Barkäem  83; 
erobern  Numidien  83;  ihre  Politik 
94;  ihre  Verträge  mit  Rom  94; 
ihre  Parteien  94. 

Karthago,    Gründung    46  f.   64. 


89.  90  f.  92;  Culte  39;  wird  un- 
abhängig von  Tyros  71;  Ver- 
fassung 72;  Aera  93. 

Karthago  vetus  68. 

Kasion  11.  13f. 

Kaspar  334. 

Kassiteridische  Inseln  66. 

maaaitSQog  6. 

KaeTeXiog  387. 

Kastor  über  Ogy^es  201. 

Katalog  der  Patnarchen  aus  der 
Medresse  406. 

Kaufleute,  phönicische  7. 

KaukasoB,  König  640. 

Kedrenos-,  siehe  Georgios. 

Keilschrift,  assyrische  116  ff. 
134.  137  f.;  Stand  der  Ent- 
zifferung 144  f.  168;  wie  lange 
im  Gebrauch  669;  armenische 
161. 

Keim  317.  319. 

Keladion,  Patriarch  423. 

Kemosh  38. 

Kena'an  42. 

Kenked  618. 

Kephalion  106. 

Krjtpsvg  673. 

Kordon,  Patriarch  422. 

Keryneia  60. 

Kritig  60. 

Ketura  13. 

Kh  vgl.  Ch. 

Kharfigjahre,  siehe  Aera. 

Khesärvanüs  370.  679  f. 

Khsathrita  346. 

Kiepert,  H.,  über  die  lonier  602. 

Kilikien60;  unter  den  Seleukiden 
178;  in  der  Kaiserzeit  364. 

Kilmad  11.  48. 

Kition  60;  fällt  von  Tyros  ab  61. 

KiQ'Cov  6. 

Kipin  861f. 

Kircher,  A.  726  ff. 

Kittäer  66. 

KittIm  60. 

Kleopatra  Selene  367. 

Knoblauch  669  f. 

Kobäd  Schirujeh  476. 

Köhler  362. 

Koläos  69. 

Komet  von  838:  606  f. 

Kommagene,  Könige  286. 

Könige,  heilige  drei  333  ff.; 
Verzeichnisse  343  f. ;  ihr  Stern 
629. 


778 


REGISTER. 


Könige,  Bücher  der,  ihre  Chrono- 
logie 168.  188. 

EOnigSDamen,  gefälschte  107. 
113;  aBsjrische  144.  145  f.;  per- 
sische bei  den  Armeniern  155; 
ägyptische  bei  Ibn  Wahshijjah 
746. 

Eosmas  I.,  Patriarch  483.  501. 

Eosmas  II.,  melchitischer  Patri- 
arch 494. 

Eosmas  II.,  jakobitischer  Patri- 
arch 506. 

Eosmas  in.,  Patriarch  510. 

Eosmas  Eomanites  488. 

Eossai  759  f. 

Eossura  57. 

Eotarzene  369. 

Eraton  365. 

Erehl  667. 

Ereta,  Mythen  52. 

Eronos  52. 

Eruger  127. 

Etesias  über  Assyrien  102  f.  120. 
144.  160;  über  den  Sturz  des 
assyrischen  Reichs  104. 111. 120  f. 
seine  assyrische  E-önigsliste  158 ; 
seine  babylonische  Eönigsliste 
668;  über  die  Mederherrschaft 
104;  giebt  statt  der  Könige  die 
Generationen  an  108  f.  144;  seine 
Eönigsnamen  126.  144;  rechnet 
cyklisch  113  f.;  von  wann  an  er 
historische  Zahlen  giebt  114; 
Werth  seiner  Nachrichten  116. 
143  f. ;  seine  Quellen  111;  Quellen 
über  Assyrien  144;  seine  Ans- 
Schreiber  105;  von  Eupolemos 
benutzt  575. 

Etesiphonvon  Odänathos  erobert 
222.  224. 

Euhlmey  286. 

Eükäsh  640. 

Eundun  67. 

Eurden  593. 

Eusan  Risathaim  574. 

Eyaxares  ist  Astibaras  128;  ver- 
treibt die  Skythen  152. 

Eyprien  66. 

Eypros,  siehe  Cypern. 

Ey  rill  OS  I.,  Patriarch  von  Ale- 
zandrien  450f.;  benutzt  Jnstinus 
196. 

Ey  r  i  1 1 0  s  II.  Lukaris,  melchitischer 
Patriarch  von  Alexandrien  492; 
CaWinist  493. 


Ey  rill  08  IL,  jakobitischer  Patri- 
arch von  Alexandrien  512. 

Eyrillos  III.,  Patriarch  von  Ale- 
xandrien 514  f. 

Eyrillos,  angeblicher  Patriarch 
487  f. ;  seine  Schriften  487. 

Eyrillos,  Patriarch  von  Antiochia 
554  f. 

Eyros,  Eönig,  Sagen  von  ihm 
641;  bei  Methodios  16. 

Eyros,  Patriarch  473.  475.  476 ff. 

Eythera  51.  52. 

Eyzikos,  seine  ßeziehungen  zu 
ßabylon  710;  zu  Byzanz  710. 

LabynetoB  153. 

Lacedaemonius,  Vater  Nebu- 
kadnezars  16. 

Laish  11.  48. 

Land  wir thschaft,-  Nabatäische 
B.  Nabatäische  Landwirth- 
schaft. 

Längenmasse,  babylonisch  -  as- 
syrische 171  ff. 

Laosthenes  121. 

Lapethos  50. 

Larsow  489.  442. 

Lassen  über  Ophir  5;  über  Gundo- 
phares  341;  über  Pahkwt  596; 
über  Javana  605. 

Laterculus  episcoporum  Alexan- 
driae  Graece  398. 

Laterculus  Romanorum  Alexan- 
drinorumque  pontificum  395  f. 

Ledra  388. 

Leichenconservirung  622. 

Leichenverbrennung  371. 

Leinwand  17. 

Lenormant  31. 

Leo  VI,  Eaiser  486. 

Leontios,  Patriarch  von  Alexan- 
drien 488. 

Leontios,  Bischof  von  Antiochien 
436.  554. 

Leontios  (867)  485. 

Lepsius  über  Berosos  97.  99; 
über  die  assyrischen  Eponymen 
1 66  ff. ;  „Babylonisch  -  assyrische 
Längenmasse^*  171  ff. 

Leptis  magna  58. 

Leptis  minor  59. 

Le  Quien  400.  407.  413. 

Leukosyrer  164. 

X^ßavos  6. 

Xißavtorog  6. 


REGISTER. 


779 


Liberatus  463. 

Libyer,  Aufatand  gegen  Karthago 

84  f. 
Libyphönicier  69.  88. 
Ai^  218.  219. 
Lipsins,   R.    A.,   seine    „Abgar- 

Sage''  584  £f.;  über  die  ältesten 

Päpste  544.  547.  558;    über  die 

Ophiten  658.  683. 
Lisbins  387. 
Lizos  56.  59. 
L  0  n  g  i  n  i  a  n  u  8 ,  Praefectus  Aegy  pti 

440. 
LoDginuB  Ton  Nikäa  440. 
Longp^rier  336  f.  342. 
Lot  11. 

LOwenstein,  Albrecbt  Ton  492. 
Lücke  über  IV.  Esra  206.  211. 
Lakios,  Patriarch  438  f.  449. 
L  y  d  e  r ,  ihre  Heraklidischen  Könige 

290;     achlagen    zuerst    MÜDzen 

624  f. 
Ly  dien,  von  den  Assyriern  befreit 

155. 

Mabug  8. 

MacrianuB  215  f.  217.  219. 

Macrinus  254. 

Madäin  597. 

Maeonios  222. 

Magier,  s.  KOnige,  heilige  drei. 

Magindanata  15. 

Mago  71.  94  f. 

Magog  230. 

Mähäbäds  694. 

Maharbal  84  f. 

Mai,  A.  177. 

Maimonides  630  f.  728. 

Makara  57. 

Makarios  I.,  Patriarch  von  Ale- 
xandrien  510. 

Makarios  IL,  Patriarch  von  Ale- 
xandrien  513. 

Makarios  IL,  Patriarch  von  Con- 
stantinopel  492. 

Makrizi  406.  414.  507.  755. 

Malaca  58. 

Malalas,  siehe  Joannes. 

Malcolm  127. 

Manasse  131;  Daner  seiner  Re- 
gierung 153  f. 

Manazara  389. 

Manchaleos  575. 

Manchester,  Herzog  von  289. 

Manetho,  seine  Königslisten  1 44 ; 


seine  Königajahre  148;  verschie- 
dene  Recensionen  297;  über  Sa- 
latis  575. 

Manhüb  ben  Mansür  402.  403. 

Manichäer  nicht  Erfinder  der 
Thomaslegende  348. 

ManliuB  Capitolinns  649. 

Ma'nü  VIL  347 

Ma'nü  IX.  .347. 

Marathos  72.  73. 

Marcianus  225. 

Mariamne  73. 

Maria,  Hebräerin  185. 

Markos,  Evangelist,  als  Patriarch 
von  Alexandrien  417.  421  f. 

Markos  IL  (L),  Patriarch  423. 

Markos  IL,  melchitischer  Patri- 
arch 488. 

Markos  IL,  jakobitischer  Patri- 
arch 503. 

Markos  III.,  melchitischer  Patri- 
arch 491. 

Markos  III.,  jakobitischer  Patri- 
arch 514. 

Markos  lY.,  melchitischer  Patri- 
arch 491. 

Markos  IV.,  jakobitischer  Patri- 
arch 516. 

Markos  V.,  Patriarch  519. 

Markos  VI.,  Patriarch  519. 

Markos  ben  Zor'a^  Patriarch 
403. 

Markos  ebn  el-Konbari  522. 

Marmariden  219. 

Marqnardt  354. 

Märshiminä  689. 

Martin,  P.  559  f. 

Martyrium  Bartholomaei  348. 
349. 

Martyrium  Ignatii  Golber- 
tinum  556  f. 

Martyrium  Matthaei  880  f. 

Marudach  Baidan  129. 

Mäsiel-Süräni  693.  600.  659. 

Massud!  über  Adam  611;  über 
St.  Georg  654;  über  Assyrien 
und  Babylonien  668;  über  Hy- 
staspes  680. 

Matintana,  s.  Magindanata. 

Matthaeos,  Apostel,  vertreibt 
ZaroSs  und  Arfaxat  364.  372  f.; 
in  Aethiopien  372  ff.;  bei  den 
Parthem  377;  mit  Andreas  378  ff. 

Mattbaios  L,  Patriarch  417.  516. 

Matthaios  IL,  Patriarch  517. 


780 


REGISTER 


MatthaioB  III.,  Patriarch  619. 

MatthaioB  lY.,  Patriarch  619. 

Matthias,  Apostel  379  f. 

Matthias,  Hoherpriester  320. 

Manretanien,  Könige  366  f. 

Maximianopolis  28. 

Mazimos,  Patriarch  von  Alezan- 
drien  424. 

Mazimos,  Bischof  von  Jenisalem 
436. 

Meder,  ihre  Erhebung  ge^en  As- 
syrien 164 f.;  Chronologie  ihrer 
Könige  161 ;  ihre  Herrschaft  104. 
161.  290;  ihre  Herrschaft  über 
Babylon  166  ff.;  ihr  Aufstand 
ge^en  Dareios  118. 

Medische  Dynastie  in  Babylon 
98  f.  119. 

M  e  e  r  g  ö  1 1  e  r  der  Phönicier  32  f.  39. 

Meyictos  Ssog  39. 

Meherdates  347. 

Melchior  333. 

Melchiten,  Begriff  419.  462;  ihre 
alezandrinischen  Patriarchen 
468  ff. ;  nehmen  die  constantino- 
politanische  Liturgie  an  488. 

Meletias  Ilr\yag  492. 

Melicha  461. 

Melikertes  33;  sein  Cult  auf 
dem  Isthmos  63;  ygl.  Melqarth. 

Melite,  Insel  67. 

Melite  in  Armenien  363. 

Melite  Achnlla  69. 

Melitianer  441  f. 

Melos  61.  62. 

Melqarth  8.  39;  ygl.  Melikertes. 

Meltzer  über  die  Gründung  E^r- 
thagos  64;  „Geschichte  der  Kar- 
thager" 80.  81  ff. 

Memkeron  374  f. 

Memphis,  Tyrierquartier  49. 

Menander  Yon  Ephesos  61. 

Menas  L,  Patriarch  602. 

Menas  U.,  Patriarch  610. 

Monas,  Gajanitenbischof  498. 

Mendäer  706.  713. 

Mendelssohn,  L.  188;  „de 
senati  consultis  apud  Josephum" 
303  ff. 

Menelaos,  Hoherpriester  177. 

Meninz  69. 

Menodotos  ron  Samos  6. 

Menschenfresser  378  ff. 

Menschenopfer  der  Phönicier 
41;  auf  Rhodos  62. 


Mentor  76 f. 

Merbal  71. 

Merodach-Baladan  164. 

Meroö  170. 

Merrich  362. 

S.  Methodios  16  f. 

Methusalah  292.  293. 

Metrophanes,  Patriarch  491. 

Metrophanes  Kritopulos  493. 

Metten  I.  64. 

Metten  II.  66. 

Meyer,  Ernst,  über  die  Naba- 
täischeLandwirthschaft  669. 687. 
646.  666.  693.  703.  707;  über 
arabisches  Schriftthum  702.  729. 

Mezizios  327. 

Michael  I.,  melchitischer  Patri- 
arch 486. 

Michael  I.,  jakobitischer  Patri- 
arch 602. 

Michael  IL,  melchitischer  Patri- 
arch 486  f. 

Michael  IL,  jakobitischer  Patri- 
arch 606. 

Michael  IIL,  Patriarch  606  f. 

Michael  IV.,  Patriarch  613. 

Michael  V.,  Patriarch  613. 

Michael  VI.,  Patriarch  617. 

Michael  VIL,  Patriarch  618. 

Michael,  Patriarch  (1427)  418. 

Michael  Psellos  708. 

Michael,  Bischof  Ton  Tanis  402. 
403.  414.  607  f.  767. 

Miluchcha  170. 

Minotauros  62. 

Mionnet  364. 

Mirkhond  220.  706  f. 

Misdeos  338 f.  840. 

Mithras  339.  660. 

Mithridates,  Partherkönig  281. 

ftva  63. 

Mno'iten  62. 

Modetheologie  286.  288.  289; 
ygl.  Theologen. 

Mohammed,  der  Prophet  760 f. 

Mohammed  Munsh!,  Hand- 
Schriften  seines  Täxich  Montecheb 
724. 

Molen  182. 

Monatsnamen,  semitische  639; 
nabatäische  647;  syrische  647 f.; 
assyrische  137;  jüdische  137. 

Mönche  661  ff. 

Mondfinsterniss  zur  Zeit  des 
Herodes  320  f. 


BEQISTEE. 


781 


Monophysiten  463 f. 

Montfaacon  446  f. 

Moses,  seine  Zeit  198 ;  Zeitgenosse 
des  Ogyges  200;  gleich  Mnenes 
gesetzt  200. 

Moses,  Bücher,  s.  Pentateach. 

Moses  von  Chorene  108 f.;  über 
Simon  und  Jndas  366;  über 
Aj'dahak  893;  über  Abgar  586; 
seine  Quellen  668. 

Moslems  erobern  Aegypten  476  f. ; 
Phönicien  478 f.;  Ketzer  unter 
ihnen  692.  701.  741:  Tgl.  Araber. 

Motye  67. 

M  0 V  e r s ,  seine  ,, Phönizier  "  1  ff. 
79  f. ;  über  semitische  Mythologie 
18.  32.  79;  über  Philon  21  f.; 
seine  „  Reunionskamm  em  ^'  34. 
80.  86;  über  die  Gründung  Kar- 
thagos 89 ;  über  die  israelitischen 
und  jüdischen  Könige  294. 

Muhammed,  s.  Mohammed. 

M  ü  1 1  e  n  h  o  f  f  über  die  Phönicier  80. 

Müller,  A.,  „der  Islam"  768  ff. 

Müller,  K.,  über  Berosos  97  f. 
100;  über  Alexander  Polyhistor 
120;  über  Porphyrios  149;  über 
Teukros  709. 

Münzen,  ihr  Ursprung  624  f. 

Muqauqis  477. 

Mustashir  416. 

Muys  119. 

Muzur  170. 

Mykenä,  Funde  daselbst  63. 

Mylitta  368. 

Myriandos  60. 

MvQiirj%iov  383. 

Myrmidooa  388. 

Nabatäer,  ihre  Sprache  681  ff. 
746 f.;  ihre  Schrift  688 ff.  696. 
719;  ihr  Kalender  646  ff. 

Nabatäische  Landwirth- 
schaft  146.  668 ff.;  Verthei- 
digung  ihrer  ünechtheit  gegen 
Ewald  734 ff.;  Eigennamen  diurin 
681  ff.  644  f.  747  f.;  Pflanzen- 
namen  584  f.  749 ;  biblische  Per- 
sönlichkeiten 607 ff.;  griechische 
631  ff.;  persische  640  ff.;  baby- 
lonische Könige  744;  ihr  Werth 
für  die  Botanik  707.  718;  der 
angeblich  echte  Kern  750  ff. 

Nabonassar  111;  yernichtet  die 
Archiye  seiner  Vorgänger  140. 


Nabukodrossor  17. 

Naddaver  374. 

Nahardea  221. 

Nahar-Pakor  643  f. 

Näke  122. 

Namen    vom   Garten    abgeleitet 

126  f.;    officielle   der    orientali- 
schen Könige  144. 
Narde  6. 
Narses  461. 
Nebnkadnezar  70.  163;  bei  Me- 

thodios  16. 
Necho  läflst  Afrika  umfahren  60; 

im   Kampf   mit    Nebnkadnezar 

69  f. 
Nektanebos  II.  76. 
Nemrüdä  573.  607.  623ff.;  münzt 

Gold  624. 
Nephon  491. 
Nergal  162.  362. 
Nerj^al-Sarezer  142. 
Neriglissar  167. 
Nero  in  den  Sibyllen  326. 
Nerseh  366  f.  371  f.  675. 
Nesrä  663  f. 
Neugriechen,  ihr  Buf  bei  den 

Moslems  681. 
Neuper'ser,  s.  Sassaniden. 
Neupersische  Annalen  368. 
Neuplatoniker  634  f.  666  f. 
Niebuhr,  B.  G.  18;  über  Berosos 

97.  98;  über  Königsjahre  146 ff.; 

über  De'iokes  und  Astyages  165  f. 
Niebuhr,  M.  v.,  „Geschichte  As- 
surs und  Babels"  139 ff.;    seine 

Etymologien  159 ;  über  die  Tha- 

lassokratien  164. 
Niese  über  Philon  22;    als  Col- 

lationator  181. 
Nigriten  60. 
Nikäa,  Concil  427.  442. 
Nikephoros,  Patriarch  von  Ale- 

xandrien  493. 
Nikephoros  von  Constantinopel 

399;  über  die  Bischöfe  von  An- 

tiochien  652. 
Nikephoros  Kalli8tos410;über 

Bartholomäos  860. 
Niketas,  Patriciue  472. 
NikolaosL,  Patriarch  yon  Ale- 

xandrien  488  f. 
Nikolaos  IL,  Patriarch  yon  Ale- 

xandrien  489. 
Nikolaos  III.,  Patriarch  yon  Ale- 

xandrien  491. 


782 


BEGISTEB, 


Nikolaos,    Patriarch   Ton   Gon- 

stanÜDopel  486. 
Nil,  Wasserstand  476  f. 
Nimrod  676 f.;  vgl.  Nemrüda. 
Niniye,  Grösse  142  f.;    Zeit  der 

ZerstOrang  162. 
Ninos  1.,  seine  Epoche  112;  colo- 

nisirt  Arabien  14 f.;  «»  Nimrod 

676. 
Ninos  II.  106.  163. 
Ninyas  163. 
Nisibis    von   Jovian  abgetreten 

664  f. 
Nitokris  163. 
Noack  208.  212. 
Noah  in  der  Nabatäischen  Land- 

wirthschaft  616.  617 ff.;  im  Koran 

618 ff.;  balsamirt  ein  622. 
NOldeke  44.  667. 
NonnoB  31. 
Nova  371. 
Numidien  Ton  den  Karthagern 

erobert  83. 
Numismatik  842. 

Gada  337. 
Oannes  33.  134. 
Gbeidallah  609.  766  f. 
Odänathos    .212  f.     221  f.     224; 

^  Papa  ben  Nazar  221.  676. 
Odatis  641. 
Oddo  de  Sala  624. 
Gdzeina  213. 
Oea  68. 

Gekumenios  360 f.  382. 
Ogyges  200.  201. 
Gliaros  61. 
Glshausen,  J.,    über  semitische 

Grtsnamen  34.  80. 
G 1  y  m  p  0  s ,     Praefectus     Aegypti 

440. 
Gm'ar  476  f.  479. 
Gnias  177  f. 
Gnka  40. 
Gnkelos  386. 
Gnoba  68. 
Gnoprosopos  482. 
Gpfer  bei  den  Phöniciem  40  f. 
'OtptOQVfirj  389.  392. 
Gphir  4 f.  62. 
Gphiten  663.  683. 
Gphrataeos  107. 
Gppert,  J.,  über  die   persischen 

Inschriften  117 f.;  als  Assyriolog 

121.   139;    über   die   assyrische 


Eponymenliste    167;    über    die 

assyrischen  Masse  172  f. 
GrchoS  698. 
OFdAFNO  368.  377  f. 
Grdericus  Vitalis  336 f. 
Grdination  der  alezandrinischen 

Patriarchen  416. 
Grigenes  423  f. 
Grthomasd^s  340. 
6&6via  17. 

GsroSne,  Chronologie  347. 
Gsterchronik,    s.    Chroniken 

paschale. 
G  vidi  US,  sein  Ibis  687. 

Pachomios  Yon  Lesbos  492. 

Pachomios,  Bischof  von  Saka 
607  f. 

Paisios,  Patriarch  493. 

PaUsch  220. 

Palästina,  Ausfuhrartikel  8.  10 f. 

Palätyros  46.  66. 

TtaXXani^  6. 

Palmyra,  Name  11. 

Palmyrener  216f.  218;  ihre  Be- 
ziehungen zu  den  Persem  220 ff.; 
bei  den  Juden  verhasst  222 ;  ihr 
Handel  376 f.;  ihre  Inschriften 
876  f. 

Palut  636  f. 

Panchaia  136. 

Pangäos,  Goldbergwerke  64. 

Panodoros  99.  411. 

Panormos  67. 

Pantänos  374. 

Papa  ben  Nazar  221.  676. 

Paphnutios  424. 

Päpste,  Chronologie  der  Ältesten 
641.  644  f.  668. 

P  a  r  a  d  i  e  s ,  seine  Fruchtbäume  611. 

naQTiXiov  611. 

Paris  617. 

Pärsi,  setzt  g  vor  v  336. 

Parthenios,  Patriarch  von  Ale- 
zandrien  493. 

Parthenios  IL,  Patriarch  von 
CoDstantinopel  493. 

Parther,  ihre  Beziehungen  zu  den 
Juden  280 f.;  semitische  Unter- 
könige 344;  mit  den  Persern 
verwechselt  674.  679. 

Patriarchen  von  Alezandrien 
396  ff.;  Eusebios  darüber  396 f. 
443.  642  f.;  älteste  419  ff.;  ihre 
Grdination  416;  ihre  Todestage 


REGISTER. 


783 


410  f.;  Z&hlweise  417  ff.;  seit 
wann  hiatorisch  420  f.;  melchi- 
ti8che468ff.;  Titel  487;  gaja- 
nitische  und  paalitische  494  ff.; 
jakobitische  400 f.  498 ff.;  latei- 
nische 520  ff.;  armenische  521  f. 

Patriarchen  von  Antiochien 
412.  458.  539 ff.;  seit  Asklepiades 
553  f. 

Patriarchen  von  Gonstanti- 
nopel  454 f.;  in  der  alexandri- 
nischen  Liturgie  486. 

Patriarchen  von  Jerusalem 
412.  550  f. 

Patriarchen  vonTiberias  420. 

Pauliten  496;  ihre  Patriarchen 
496  f. 

Paulos,  Apostel,  in  Ikonion  856. 

Paulos,  Patriarch  von  Antiochien 
(521)  458 

Paulos,  Patriarch  von  Antiochien, 
Gründer  der  Pauliten  496. 

Paulos  von  Samosata  540. 

Pehlewl  596f. 

Paulos  6  TaßsvvrjaKDTJig  462. 
4681 

Pehlewler  596. 

Peirescius  405. 

pellez  5. 

Pentateuch,  Gottesbegriff  darin 
23;  Alter  30. 

Periandros  620 f. 

Periplus  maris  Erythraei  842. 

Perser,  Chronologie  ihrer  Könige 
157;  ihrCuHuB370f.;  ihre  Feuer- 
verehrung 371;  vgl.  Sassaniden. 

Persis,  »  Elam  162. 

Persische  Heldensage  640  ff. 

Pescennius  Niger  235.  236 f. 

Petermann  165. 

Petros  L,  Patriarch  425  f. 

Petros  IL,  Patriarch  449. 

Petros  lU.  o  Moyyog^  Patriarch 
453.  454. 

Petros  lY .,  monotheletischer  Patri- 
arch 480.  481. 

Petros  lY.,  jakobitischer  Patri- 
arch 498;  sein  Todestag  411. 

Petros  Y.,  Patriarch  516. 

Petros  Yl.,  Patriarch  520. 

Petros,  Bischof  von  Alezandrien 
(691)  482. 

Petros,  gajanitischer  Bischof  494. 

Petros,  Renegat  (unter  Alman9ar) 
502  f. 


Petrus  I.  Amelii  de  Brenaco  525. 

Petrus  II.  Alezander,  lateini- 
scher Patriarch  von  Alezandrien 
625. 

Petrus  m.  Aymericus,  lateinischer 
Patriarch  von  Alezandrien  525. 

Pfauen  auf  Samos  6. 

Pflanzen,  kalte  und  warme  604; 
paradiesische  611  f. 

Pharusier  60. 

Phelles  64. 

Philänen  82  f. 

Philippos,  Apostel,  inHierapolis 
389  f.;  sein  Martyrium  390. 

Philippos,  Tetrarch  817 f. 

Philippus,  Kaiser  554. 

Philistaea  164. 

Philistäer  45. 

Philistos  über  die  Gründung 
Karthagos  45  f.  90.  92. 

Philocalus  558. 

Philochoros  Über  Ogvges  201. 

Philon  von  Byblos  21  f.  36  f.; 
'Ed'at^ioiv  vnofivi^iicczcc  22;  sein 
Stammbaum  der  Kabiren  40; 
über  Babylon  295. 

Philo storgios  über  die  Syrer  in 
Abyssinien  876;  im  Chroniken 
paschale  benutzt  554. 

Philotheosl.,  melchitischer  Pa- 
triarch 491. 

PhilotheosIL,  melchitischer  Pa- 
triarch 491. 

Philotheos,  angeblicher  Mel- 
chitenpatriarch  487. 

Philotheos,  jakobitischer  Patri- 
arch 487.  511. 

Phönicien,  Grenzen 42 f.;  Besitz- 
stand der  Städte  zur  Zeit  des 
Skylaz  77;  von  Alezander  er- 
obert 77;  von  den  Moslems  478  f. 

Phönicier,Name42;  Ürsitze41f. 
87 ;  ihre  Könige  72 ;  Königslisten 
44;  Geschichte  61  ff. ;  Kämpfe  mit 
den  Aegyptem  44;  Beziehungen 
zu  den  Israeliten  62;  Kämpfe 
mit  Assyrien  65 f.;  von  Necho 
unterworfen  69 f.;  von  den  Per- 
sern 71;  Bundesverfassung  72 f.; 
unter  der  Perserherrschaft  73 ff.; 
Tribut  73;  im  Aufstand  gegen 
Artazerzes  III.  76  f. ;  ihre  Colo- 
nien  im  Innern  von  Asien  48; 
in  Kilikien  und  Cypem  50 f.;  in 
Griechenland  51  ff.  54;  im  west- 


784 


REGISTER. 


liehen  Mittelmeer  54  ff. ;  am  Ocean 
66;  in  Afrika  58.  88;  politische 
Stellang  ihrer  Colonien  60  f.  88; 
verlieren  ihre  Colonien  68  f. ;  ihr 
Handel  2 ff.;  Sklavenhandel  5; 
Handel  mit  Thieren  und  Kleidern 
6;  mit  Gewürzen  6  f.;  ihr  Land- 
handel 7 f.  80 ff.  88.  248 ff.;  See- 
handel 8:  Schiffführt  47 f.;  ara- 
bischer Handel  13.  17.  48  f.; 
ägyptischer  17  f.  49.  69;  griechi- 
scher 17.  51;  syrischer  49  f.; 
nach  dem  westlichen  Mittelmeer 
54 f.;  nach  dem  Ocean  55;  In- 
dustrie 46  ff.;  Erfindungen  47; 
Fischerei  54;  umsegeln  Afrika 
60;  ihr  Einfluss  auf  cUe  Griechen 
52  f.;  ihre  Religion  22  f.  36  ff.; 
ägyptische  Einflüsse  darauf  40. 

Phönicische  Culte  in  Griechen- 
land 52. 

Phönicische  Eaufleute  7. 

Phönicische  Lehnwörter  im 
Griechischen  6.  52  f. 

Phönicische  Ortsnamen  aus- 
serhalb Phöniciens  34. 

Photios  excommunicirt  485;  wie- 
dereingesetzt 486. 

Phraatakes  281. 

Phraortes  651. 

^q£[i  405. 

Phul  121  f.  154;  seine  Existenz  169. 

Phygmalion,  s.  Pygmalion. 

pilegesh  5. 

Pirhu  170. 

Pityusen  besiedelt  92. 

Planetenordnungen  666 f. 

Polarstern  48. 

Polemios,  s.  Polymios. 

Polemon,  Historiker  201. 

Polemon  U.  351.  353 ff.;  seine 
Gattin  Tryphaena  356  f. 

PolitianoB,  Patriarch  484. 

Po  lyhi8tor,s.  AI  exander  Poly- 
histor. 

Polymios  349.  351. 

Pompejus  Trogus  über  die  ür- 
sitze  der  Phönicier  41;  über 
Karthago  91;  seine  Quellen- 
benutzung 91. 

Pomponius  Laetus  658. 

Po  ros,KönigTon  Babylon  121.169. 

Porphyrios,  seine  Chronologie 
148 f.;  über  die  Seleukiden  323; 
zu  Ptolemäos  708. 


Poseidon  bei  den  Phöniciern 
32  f.  39. 

PoseidonioB  als  Quelle  des  Jo- 
sephos  311.  312. 

Pospinh  (?  ?)  294. 

Postdatirungen  146  ff.  167. 

Präadamiten  608  f. 

Preise  im  alten  Palästina  4;  bei 
Josua  Stylites  562. 

Preuss,  „Zeitrechnung  der  LXX" 
291. 

Priesterehe  424. 

Primos,  Patriarch  422. 

Probus, seineKämpfeinAfrika219. 

Prodigien  vor  der  Schlacht  bei 
Aktion  282. 

Pronektos  54. 

Proterios,  Patriarch  451  f. 

Protonike  537  f. 

Psammetich,  Zeit  290  f. 

Psaphon  84. 

Psellos,  s.  Michael. 

Pseudepigraphische  Schrift- 
stellerei  21.  22. 

Ptolemaeos  Euergetes  IL  191f. 

PtolemaeoB  benutet  in  der  Geo- 
graphie Artemidoros  43;  über- 
geht in  seinem  Kanon  Zwischen- 
regierungen  129;  seine  Königs- 
jahre 147. 

Pulosata  45. 

Purpurfärberei  47.  51. 

Pygmalion  50.  64. 

Pygmalion,  angeblicher  Gott 90  f. 

Pylas  65. 

Pyritiades  121. 

Qäbil  683  f. 

Qäbin  684.  685. 

Qäbis  59. 

Qartichadast  50. 

Qavad  560;  sein  Krieg  mit  den 
Römern  561  f. 

Qedgshöth  41.' 

Qerügai  670  f. 

qödesh  30. 

Qöstir  621.       > 

Quatrem^re  668.  607.  630. 

QuiriniuB^  P.,  Statthalter  von 
Syrien  528  f. 

Quirinus,  Proconsul  von  Make- 
donien 387. 

Qüqa  597. 

Qütbs&mi  570. 571;  seine  Zeit  573. 
577.  579.  665;  sein  Name  585  f. 


REGISTER. 


785 


R&kshasa  696. 

Rftma  610. 

Rambam  728. 

Rammän-idri  65. 

Rammanniräru  III.  65. 

Raschid,  Augenarzt  489. 

RawliDBon,  H.,  als  Assyriolog 
115.  116  f.  123.  124.   137. 

Redslob  9. 

Regierangsdauer, durchschnitt- 
liche 102  f. 

Reim  bei  den  Semiten  587  f. 

Reinaud  342. 

Renan  über  Philon  19.  21;  über 
Tyros  61;  über  die  Nabatäische 
Landwirthschaft  569.  7 11  f. 

Renaudot  401.  407.  508  f. 

resina  10. 

(rjT^vT}  10. 

Richter,  seine  genealogischen 
Tabellen  165. 

Röckerath,  „Biblische  Chrono- 
logie" 294  ff.;  über  Aegypten 
295.  297. 

Rhegma  15. 

Rhodos  phönicisch  52 ;  Mythen  52. 

Rhömöje  567. 

Richänä  673. 

Ritschi,  F.,  über  Josephos  303. 
305. 

Robertis  de  Tripoli,  ügo  de 
525. 

"PoSävTjg  641. 

Rodanim  57. 

Römer,  ihre  Handelsverträge  mit 
Karthago  94;  stammen  von  Esau 
ab  271.  307;  ihre  Trappen  im 
sechsten  Jahrhundert  562;  ihr 
Name  bei  den  Orientalen  607; 
«s  Soldaten  567. 

Rubino  119. 

Saba  49. 

Sabäer  aus  Aegypten  vertrieben 

13;  ihr  Handel  14. 
Sabas,  Patriarch  488. 
Sabbatposaune  282  f. 
Sabier  8.  621.  655  f.  658. 
Sabratha  58. 
Sacharja    über   Hadad-Rimmon 

26  ff. 
Sacherdonos  135. 
Sacy,  S.  de  590.595. 694.  703. 720 ff. 
Sa'ld  ibnBatriq,8.  Eutychios. 
Sala,  Oddo  de  524. 

V.  GuTscHMiD  ,  Kleine  Schrifton.    II. 


Salaheddin  757. 

Salatis  575. 

Salmanassar  I.  124;  mit  San- 
herib  identificirt  188;  Form  des 
Namens  66.  278. 

Salmanassar  H.  169. 

Salmanassar  lU.  65. 

Salmanassar  IV.  65  f. 

Salmasius  677.  708. 

Salofaciolus  452. 

Salome  317  f. 

Salomo,  seine  Beziehungen  zu 
Hirom  62  f. ;  als  Zeitgenosse  des 
Troischen  Krieges  128. 

Säm  643  f. 

Sämä  622. 

Sämai  al-Nehori  643  f. 

Samaria,  Name  124;  Belagerung 
66. 

Samaritaner  237. 

Sames  342. 

Samirina  124. 

Sampsigeramos  223. 

Samsi3  169. 

Samuel,  Patriarch  493  f. 

Sanchuniathon  21.  37. 

Sandes  104. 

Sanduarri  67. 

Sanerges  352. 

Sanherib  66f.  127;  kämpft  gegen 
die  Juden  129.  131;  seine  Zeit 
130 f.  167  f.;  mit  Salmanassar 
identificirt  188. 

Sanythios  L,  Patriarch  506. 

Sanythios  U.,  Patriarch  511. 

Sapho  84. 

Sapores  im  Kampf  mit  Rom  und 
Palmyra  221  ff.;    in  Emesa  223. 

Sarak  104.  120. 

SarbaroB  475. 

Sardanapallos  104.  120.  122; 
seine  Inschriften  122. 

Sardika,  Synode  433.  448. 

Sardinien,  von  den  Phöniciem 
besiedelt  57;  falsche  Werth- 
schätzung  der  Insel  57  f. 

Sargana  124 f.;  vgl.  Sargon. 

Sargon,  König  66.  124;  unter- 
wirft Babylonien  155;  Dynastie- 
wechsel unter  .ihm  158;  seine 
Beziehungen  zu  Arabien  169. 

Sargon,  Ruinenstadt  125. 

Sarkel  279. 

Saron  9. 

Sana  362. 

50 


786 


REGISTER. 


Sassaniden,  Berechnung  ihrer 
RegierungBJahre  149;  ihre  Prä- 
tensionen 218;  erobern  und  ver- 
lieren Earmanien  220;  ihre  Be- 
ziehungen zu  Palmyra  220  f.; 
erobern  Hatra  224;  fallen  in 
Aegypten  ein  473  f;  ihre  Va- 
sallenkönige 675  f. 

Säulen  des  Hermes  135;  des 
Eronos  und  der  Rhea  135;  des 
Seth  135. 

Sayce  302. 

Seh  vgl.  Sh. 

Schäfer,  A.  81. 

Scharbil  535. 

Schätzung  zur  Zeit  von  Christi 
Geburt  528  ff. 

Schiffe  der  Alten  8  f. 

Schlange  des  Paradieses  26. 

Schlangencult  bei  den  Semiten 
25  f.;  bei  den  Aethiopen  25  f.; 
bei  den  Assyrem  26;  in  Hiera- 
polis  389  ff. ;  bei  den  Armeniern 
393  f. 

Schlangengestalt  der  Götter  40. 

Schlangengötter  in  Indien 359. 

Schrader,  E.,  über  Hadad  27 f.; 
über  Bin-idri  27.  28. 

Schrift,  Erfindung  47;  kyprische 
61;  vgl.  Alphabet. 

Schwanbec^  342. 

Sclavenhandel  der  Phönicier  5. 

Sebastianus,  Praefectus  Aegy- 
pti  440. 

Sebastopolis  382. 

Sefüräs  670.  743  f. 

Seguinus  525. 

Seide  12. 

Seiden  79. 

Seleukiden,  politische  Stellung 
der  letzten  309. 

Seleukos  V.  Philopator  175  f.; 
seine  Regierungszeit  176. 

Sem  622. 

Semiramier  112. 

Semiramis  104.  112;  colonisirt 
Arabien  14  f. ;  ihre  Eroberungen 
160  ff. 

Semiten,  ihre  -  Mythologie  20  f. 
32;  ihr  Schlangencult  25;  ihre 
Verehrung  von  Naturgegenstän- 
den  31  ff.;  ihre  Götter  33  f. 

Senkereh,  Tafel  von  170 ff. 

Sepharad  307. 

Sephuris  670 ff. 


Septimius  Severus  kämpft  ge- 

gen  die  Juden  236  f. ;  verfolgt 
bristen  und  Juden  238;  als 
Herrscher  260;  nicht  in  den 
Sibyllen  325. 

Septuaginta,  Text  291  f.;  Zeit- 
rechnung 291  f. 

Seqöbäs  670.  673.  745. 

SerapioD,  Bischof  von  Antio- 
chien  535  f. 

Sergios,  Patriarch  von  Constan- 
tinopel  487. 

SergiuB  Paulus  386. 

Seth  135.  615  f. 

Seuechoros  126.  158. 

Severus,  Patriarch  von  Antio- 
chien  457  ff.  468. 

Severus  von  Ashmunin  403. 41 3  f . ; 
über  Gaianos  463  f. 

Sex  68. 

Shadid  39. 

Shalmaneser,  s.  Salmanassar. 

Shamashshumukin  67. 

Shamir  662. 

Shänäq  696. 

Sharmtdä  655. 

Shauq  el-Mustahäm  719  f.; 
ägyptische  und  griechische  Na- 
men darin  746;  vgl.  Ihn  Wah- 
shijjah. 

shesh  17. 

Shishim  590f. 

Shobät  646  f. 

Sibyllenbücher  322  ff.;  das  äl- 
teste 322 f.;  1.  und  2.  Buch  326; 
4.  Buch  328.  329 f.;  6.  Buch  323 f.; 
6.  und  7.  Buch  324 f.;  8.  Buch 
325;  11.— 14.  Buch  326. 

Sicharbas  64. 

Sicilien  von  den  Phöniciern  be- 
siedelt 57 ;  von  den  Griechen  69. 

Sidon,  Götterdienste  32;    Grün- 
dung 41;    im  alten  Testament 
und  bei  Homer  43;    mit  Tyros 
vereinigt  43 f.;   fällt  von  Tyros 
ab  44;     Colonien  68.   59;    Be- 
ziehungen zu  den  Israeliten  62; 
zu  den  Assyrern  66  ff.;    zu  den 
Kypriem  66;  von  den  Assyrern 
zerstört  67 ;  von  Hophra  erobert 
70 ;    Verfassung    72 ;    leitender 
Staat    unter    den    Persem    74 
von  den  Persem  zerstört  76  f. 
Verfall  in  der  Eaisenseit  286 
Gross-Sidon  und  Klein-Sidon  66. 


REGISTER. 


787 


Sigon  73. 

Silber  als  Geld  in  der  ältesten 

Zeit  3  f. ;  in  Tarshisb  64  f. 
SilbestroB,  Patriarcb  492. 
Sillü  60. 

Siltan  Sebech  170. 
Simeon,  Patriarcb  von  Jerusalem 

666. 
Simeon  Metaphrastes  471. 
Simon,    Apostel    864  ff.    369;    in 

Kolcbis  369. 
Simon  I.,  Patriarch  601. 
Simon  IL,  Patriarch  604. 
Simon  de  Cremeaux  626. 
Simonides,  E.  734. 
SimpliciuB,  Papst  464. 
Simri  281. 

Sinan  ben  Thäbit  723. 
Sinder  361. 
aiv86v8^  17. 
Sinope,  Judensitz  386. 
Sintfluth  380.  621. 
Sipasier  694. 
Siris  136. 
Sizu  67. 
Skylax,   der  falsche,   Aasgaben 

32;   Zeit  60. 
Skythen,    ihre   Herrschaft   über 
Asien  162.  166;    als  Menschen- 
fresser 382. 
Smith,  G.,  über  die  Paradieses- 
schlange 26;  über  die  Eponymen- 

liste  167. 
Smith,  Robertson  74. 
Sokrates,   Historiker  408.   439; 

über   die    Synode    von  Sardika 

448. 
Sol  inyictus,  s.  Mithras. 
Soli  60. 

Sollcrius  407.  422.  471. 
Sollier,  s.  Sollerius. 
Soloeis  67. 
Sonnenfinsterniss   des   Thaies 

162  f. 
Sonnenland  in  der  Nabatäi sehen 

Landwirthschaft  610. 
Sophronios  L,  Patriarch  484  f. 
Sophronios  II.,  Patriarch  487. 
Sophronios  IIL,  Patriarch  488. 
Sophronios,    KirchenTater   339. 

382. 
Sosarmos  110. 
Sozomenos  408.  439;    über  die 

Synode  von  Sardika  448. 
Spanien,  Handel  der  Phönicier 


dahin  64 f.;    ihre  Golonien  da- 

selbdt  68. 
Spartiaten,  Brüder  der  Juden  307. 
Spiegel  668.  600.  637.  686. 
Sprachen,  erfundene  694. 
Ssabier,  s.  Sabier. 
St.  Martin  149. 

St  aar,  karthagischer  Beiname  84. 
Stabrobates  118. 
Steinschneider  718.  746. 
Stephanos,  Bischof  von  Antio- 

chien  433  f.  436. 
Strabon  benutzt  Artemidoros  43. 
ZtQcitmv,  Name  10. 
Straton  I.  10.  76. 
Straten  II.  10.  76  f. 
Straton  III.  68. 
Suanir  366.  369. 
Suanis  369. 
Sucruta  696. 
Suffeten   in  Tyros   70  f.   72;    in 

Karthago  90  f.  92  f. 
Süfis  701. 
Sühäbsät  671. 

Sulpicius  Quirinius,  P.  628  f. 
Sura  in  Syrien  11.  48.  698. 
Sürä.  in  Babylonien  698. 
Susa  bei  Albericus  Triumfontium 

521. 
Synaxar,  äthiopisches  401. 
Synkellos,  s.  Georgios. 
Syphör  338.  339. 
Syrer  in  Abyssinien  36. 
2vQia,  Name  163. 
„Syrische"  Götter  40. 

Taaut  40. 

Tabari  über  Thenkeldshä  686  f.; 

Originalhandschrift  766. 
Tabeqätä  738. 
Tabnit  9.  74  f. 
Tachos  76. 
Tadmor  11. 
Takape  59. 
Talos  62. 
T'am  46. 

Tämithsri  600.  669. 
Tammüz,  s.  Thammüz. 
Tamosheh  696. 
Tamurojg  667. 
Tanit  40. 
Tapurojß  667. 
T'ar  44. 
Tarshish  64. 
TarsisBchiffe  8.  48. 

60* 


788 


REGISTEK. 


TarsoB  60. 

TartesBOs,  phöniciscber  Handel 
dahin  54;  phönicische  Colonien 
68;  aufgegeben  69. 

Tatianus,  sein  Yerbältniss  zu 
Justinus,  Clemens  und  Africanua 
196  ff. 

TautanoB,  b.  Teutamos. 

Tebennit  9f. 

Tehuti  40. 

Tslf£(ß6ig  Smfiä  338. 

Temüsbän  694 f. 

TenkelÖBhä,  s.  Tbenkelöebä. 

TenneB  I.  10.  75. 

Tennes  n.  76. 

Teredon  12. 

TertullianuB  über  Jesu  Tod  527. 

Testament,  altes,  sein  Gottes- 
begriff  23  f. ;  als  Gescbicbts- 
quelle  140  f.;  Text  im  3.-4. 
Jahrhundert  v.  Ch.  193;  samari- 
tanischer  Text  293.  296;  vgl. 
Septuaginta. 

TetramnestoB  74. 

Teukros  der  Babjlonier  677  f. 
708  ff.  713;  ungedruckte  Stücke 
708  f. ;  seine  Zeit  709  f. 

Teukros  von  Kyzikos  709  f. 

Teutamos  107.  HO.  123. 

Teutäos  107. 

Thabnith,  s.  Tabnit. 

Thäbit  ben  Qorrah  722. 

Thaddaeos,  Apostel  346. 

Thalassokratien  164. 

Thaies,  seine  Zeit  153. 

Thal  los  über  Ogyges  201;  seine 
Zeit  202. 

Thammüz  637  f.  653  f.  743.  751. 

Tharah  624.  626. 

ThasoB  64.  69. 

^aviidüia  119. 

Theben  nicht  phönicische  Colonie 
63. 

Thekla  355  f. 

Thengelösh,  s.  Thenkelösh. 

Thenkelösh,  Astrolog  677  f. 

ThenkelÖBhä570.571.573;  seine 
Zeit  673  ff.  686  ff.;  sein  Name 
676  ff.;  seine  Quellen  679  ff. 

Theodoretos  396. 

TheodoroB,  jakobitischer  Patri- 
arch 601  f. 

Theodoros,  Gajanitenbischof  498. 

Theodoros,  paulitischer  Patri- 
arch 496. 


Theodoros  Balsamon  488. 

Theodoros  6  ZnQlßmv  470  f. 

Theodoros  Studites  350f. 

Theodoros  6  TOworijpijT^g  482. 

Theodosianer  496;  ihre  Union 
mit  den  Gajaniten  497. 

Theodosios  I.,  Patriarch  459ff.; 
sein  Todestag  411. 

Theodosios  IL,  jakobitischer 
Patriarch  515.  624. 

Theodosios  II. ,  melchitischer 
Patriarch  488. 

Theodotos  216.  229.  232. 

Theoleptos  492. 

Theologen  299;  ihre  Exegese 
626;  vgl.  Modetheologie. 

Theonas,  Patriarch  424  f. 

Theophanes  399;  über  die  Er- 
oberung Aegyptens  478. 

Theophanios,  Patriarch  510. 

Theophiletos  482. 

Theophilos,  jakobitischer  Patri- 
arch von  Alexandrien  611. 

Theophilos,  melchitischer  Patri- 
arch von  Alexandrien  450. 

Theophilos,  Patriarch  von  Ale- 
xandrien (1623),  siehe  Philo- 
theos  IL 

Theophilos,  Patriarch  von  An- 
tiochien  567. 

Theophilos,  Antiochenischer 
Chronograph  557. 

Theophylaktos,  Patriarch  von 
Antiochien  483. 

Theophylaktos,  Patriarch  von 
Condtantinopel  486. 

Theophylaktos,  Bischof  (655) 
482. 

Thera  51.  62.  63. 

Thieropfer  665. 

Thilo  333.  334.  339.  389. 

Thinaeos  110. 

Thinkelösh,  s.  Thenkelösh, 

Thinkehis  678.  686. 

Thobba  662.  663. 

Thogarma  50. 

Thomas,  Apostel,  in  Indien  333. 
334.  335  ff.;  tauft  die  Magier 
333;  in  Parthien  334;  bei  Mis- 
deos  338 f.;  sein  Tod  338.  339; 
seine  Legende  nicht  manichäisch 
343;  Ursprung  derselben  343  f. 
348.  856  ff. 

Thonos  Eonkoleros  104.  111. 

ThraStÖna  127. 


REGISTER. 


789 


Thubal  64. 

thukijjim  63. 

Thutmes  III.  44. 

Thjmiaterion  69. 

Tibäthäba  670  f. 

Tiberias,  Patriarchen  420. 

TiberiuB,  sein  Briefwechsel  mit 
Abgar  635. 

Tiglath  Pileser  I.  66. 

Tiglath  Pileser  II.  66. 

Tigran  393. 

Tillemont  369. 

Timaeos  über  Karthago  90  fp. 

Timotheos  L,  Patriarch  von  Ale- 
xandrien  460 

Timotheos  U.  6  ACXovgog^  Patri- 
arch von  Alexandrien  452. 
463. 

Timotheos  III.  Salophakioloa, 
Patriarch  von  Alexandrien  400. 
452.  453  f. 

Timotheos  IV.  (III.),  Patriarch 
von  Alexandrien  467. 

Timotheos,  Patriarch  von  Con- 
stantinopel  492. 

Tingis  69. 

Tinqerüs  678.  718. 

Tirhaka,  seine  Zeit  190  f. 

Todtes  Meer  41  f.  87. 

Trajanische  Christenverfol- 
gung 666. 

Tripolis,  Münzen  40;  Bundes- 
stadt 73. 

Tritheiten  496. 

Trithemius  736. 

Trogns,  s.  Pompejns  Trogus. 

Tryphaena  366  ff. 

Tsch,  siehe  Ö. 

Tübet  662  f. 

Turdetanien  68;  s.  Tartessos. 

Typhon  390  f.  898. 

Tyrier,  ihr  Quartier  in  Memphis 
49. 

Tyrische  Annalen  62.  79.  94. 

Tyros,  Gründung  46.  93;  in  ägy- 
ptischen Inschriften  44;  Wasser- 
leitungen 46;  von  Hirom  I.  ver- 
grössert  61;  Agenoreion  62; 
EvQvxonQog  61;  Tempel  61;  des 
Herakles  45;  mit  Sidon  ver- 
einigt 43  f. ;  Handelsgebiete  49  f. ; 
beherrscht  Cypern  61;  Colonien 
in  Mauretanien  66;  in  Spanien 
68;  in  Afrika  69;  seine  Macht 
60 f.;  Geschichte  61  ff.  66 ff.;  im 


Kampf  mit  Assyrien  66  f.;  mit 
ionischen  Seeräubern  66;  Skla- 
venaufstand  68;  verliert  seine 
Colonien  69;  von  Nebukadnezar 
belagert  70;  wird  Republik  70 f.; 
Sinken  seiner  Macht  71;  von 
Euafforas  erobert  75;  voa  Ale- 
xander zerstört  77  f. ;  von  Pes- 
cennius  Niger  235;  Verfassung 
72;  Aera  93;  judenfeindlich  236 ; 
im  4.  Buch  Esra  234  f. 

Uaballathos  217. 

OvaQagoivr}g  336. 

Ovogoidrig  222. 

Urania  32.  38. 

Uranopolis  360. 

ütica,  Gründung  66.92;  fölltvon 

Tyros  ab  61.  62.  89. 
üzita  69. 

Vahiln  497. 

Vaillant  863  f. 

Vansleb  403. 

Varardach  364  f.  368. 

Varazdat  123  f. 

Vardanes  366  f.  871  f. 

Vashthaph  333. 

Vaux  116. 

Velenus  676. 

Velleius  über  Assyrien  120  f. 

Venantius  Fortunatus  374. 

Verbrennung   bei   den   Persem 

371. 
Veronica  687. 
Victor  Tununensis  408. 
Visconti,  E.  Q.  866. 
Vishakanjä  696  f. 
Volney  102. 
Volkmar,  G.,  „Das  4.  Buch  Esra" 

204  ff. ;  „Entgegnung"  209  f. 
Vopiscus  über  Probus  219. 
Vualdath  349.  362 f. 

Wachtang  369. 

Wagenfeld  742. 

Weber,  A.  6. 

Weihnachten  660. 

Weil  476;   „Geschichte  der  Cha- 

lifen"  768. 
Weise  aus  dem  Morgenlande,  s. 

Könige,  heilige  drei. 
Wilhelm  von  Cnanac  624. 
Wij'en  839. 
Wilson  341. 


790 


REGISTER. 


Wüsten feld,    „Geschichte    der 
Patimiden"  754  ff. 

Xerses  366. 

Xerxes,  König  yod  Babylon  364  f. 

Xisuthros  621. 

Zacharias,  Patriarch  511. 
Zahlensystem    der    Babylonier 

101. 
Zahn  538 f. 
Zamaris,  s.  Simri. 
Zariadres  641. 
Zarir  641. 
Zarogs  364.  365.  369  f.;  in  Aethio- 

pien  372  f.  878. 
Zarwan  680. 
Zauberei    in    der   Nabatäischen 

Landwirthschafb  699  f. 
Zech  152. 
Zelis  59. 
Zenobia,    Name    213;     ecpbert 


Aegypten  217;  ihr  Regierungs- 
antritt 222. 

Zenon,  Kaiser  565. 

Zenon  von  Bosporos  353. 

Zeus  Belos  39. 

Zsvg  XQvaaoQiog  390. 

Zeus,  Olympischer,  in  Tyros  45. 66. 

Zsvg  d'aldaaiog  in  Sidoa  32.  38. 

Zinn,  Name  5;  von  den  Phöni- 
ciern  gewonnen  55. 

Ziqpavia  183. 

Zog,  Kaiserin  486. 

Zoilos,  Patriarch  469. 

Zoroastres,  König  von  Babylon 
100.  127. 

ZoroB  45;  vgl.  Azoros. 

Zumpt,  A.  W. ,  über  Sulpicius 
Quirinius  298.  528  f.;  „Geburts- 
jahr Christi"  526  ff. 

Zumpt,  C.  G.  151. 

Zündel  286. 

Zyger  382. 


Verzeictiniss 

der  *kritisc]i  nnd  exegetiscli  behandelten 

und  **emendirten  Stellen. 


Seite 

**Abdia8  VI,  7 364 

**Acta  Bamabae  auctore  Marco  23  p.  72 386.  388 

**Acta  Thaddaei  p.  263 346 

**Aelianos  Nat.  an.  XII,  21 126 

**Africaiiu8  bei  Eusebios  Praep.  ev.  X,  10 197 

** Alexander  Polyhistor  fr.  3 676 

♦♦Aristoteles  ffist.  an.  VUI,  18 119 

Astronomi  vita  Ludovici  Pir  c.  68 606  f. 

Biblia 

Genesis  6,  4 614 

I.  (III.)  Regum  18,  27 39 

Ezechiel  27,  7 62 

Daniel  7,  7 176fF. 

Sacharja  12,  11 28 

Tobias  Prolog.  1,  21 136 

IV.  Esra  1,  3 ;    .    .    .  261 

*  „       „      3,  1 269 

**       „       ,,      5,  16 259 

*  „       „6,10 271 

.,       „      9,4 273 

*  „       „    10,46  f 262 

*  „       „    11,  23 205 

**       „       „11,27 246 

**       n       „11,32 249 

**       „       „    12,  2 204.  263 

,,       n    12;21 247 

*  „       „    12,  23 249 

„       „    12,  30 253 

„       „    13,  40 278 

**       „       „    16,  36 .223 

**       „       „    16,  36 226 


792    VERZEICHNISS  D.  KRIT.  ü.  EXEGETISCH  BEHANDELTEN 


**    IV.  Esra  16,  38 


** 


** 


** 


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I) 


»» 


»» 


»» 


16,  39 

15,  40 : 

16,  53 

16,  12 

16,  22 

16,  71 

Schluss 

Acta  apostolonim  13,  20.  21 289.     293. 

Chares  von  Mitylene  fr.  17 '. 

Gbronikon  paschale  p.  699,  3 

**XQOvoyQa(pstov  avvtofLov  p.  72  Schöne 

Clemens  Alezandrinus  Strom.  I  p.  131  P 

I  p.  403P 188. 

I  p.  404  P 

Diodoros  I,  94 

II,  21 

XXX,  7,  2 

Diogenes  Laertios  IX,  7,  13 

**Eupolemos  bei  Eusebios  P.  ev.  IX,  17 

Eusebios  Hist.  ecc.  V,  10,  3 

„        Praep.  ev.  X,  9  p.  485  B 

**£vangelium  de  obitn  Mariae  p.  111  Thilo 

Frontinus  Starat.  H,  6,  12 

»»  »I       Im  "^»8 

**Georgio8  Synkellos  p.  62,  16 

P.  116,  17 

Hekataeos  fr.  259 

**Hellaniko8  fr.  160 

Herodotos  VIII,  89 

Hieronymus  Quaest.  Hebr.  in  Genes.  III  p.  322«*  Vall.    .    .    . 
Inschriften : 

C.  I.  A.  n  n.  86 

in  n.  655 


,1 


»I 


»» 


C.  I.  G.  n.  87 


n.  360   , 
n.  2119 
„        n.  4507 , 
C.  I.  S.  I  n.  3   . 


>» 


»» 


»» 


I  n.  4 


**Jo8epho8  Ant.  Jud.  VIII,  3,  1 46. 

**       „            „  „     VIII,  5,  8 

*       n            n  „     IX,  14,  2 65. 

,♦                ,»  n       XI,  3,  5 


SeiU 

214 

218 

214 

226 

230  f. 

228 

230 

260 

295 

641 

470  f. 

398 

136 

186  ff. 

191  f. 

25 
106 
177 
134 
576 
374 

44 
337  f. 

84 

83 
136 
196 

50 
597 

42 
335 

75 
357 

75 
357 
352 
221 

74  f. 

75 

62 

88 

66 
377 


)» 
11 
1? 


UND  EMENDIRTEN  STELLEN.  793 

Seite 

JosephoB  Ant.  Jud.  XIII,  9,  2 309 

„        „     XIV,  8,5 303 

**                     „        „     XIV,  10,  22 304f.  314 

„        „     XVI,  8,4 281 

„        „     XVII,  6,  7 820 

♦♦       „        c.  Apion.  1, 18 46.     62.  88 

„         .,       V       I.  21 71 

♦♦Josoa  Stylites  §  10 567 

**     „            „        §18 667 

♦*Ju8tinu8  XVIII,  3,  3 87 

„         XVIII,  3,  5 ^ 45 

„         XVm,  3,  6  ff. 68 

XVIII,  7,  1 71 

„         XIX,  1 71 

**Ju8tinu8  Martyr  Coh.  ad  Graec.  9  p.  40  Otto 197 

**S.  MethodiuB,  Revelatio 16 

**Michael  Psellos  iceQl  icaQado^onv  avayvtoö^idzav  p.  147  f.  We8t.  708 

*Oracula  Sibyllina  III,  402 323 

IV,  1  f. 329f. 

IV,  28  ff. 331 


»»  »» 


*  IV,  82 330 


* 


„  IV,  99 329 

IV,  108 329 

IV,  113 329 

IV,  119 329 

**       „  „  IV,  121 330 

V,  255  ff. 324 

„  „  V,  317 390 

„  „  VIII,  139  f. 325 

VIII,  140  f. 325  f. 

XIV,  94f. 326f. 


n  »I 


**  XIV,  303 327 


**       „  „  XIV,  340 327f. 

**0rdericu8  Vitalis  p.  111  Thilo 337  f. 

♦Phoenix  bei  Athenaeos  XII  p.  530 351 

Photios  cod.  54  p.  15»  25 465 

Pliniu8  N.  H.  XXXVII  §  40 56 

*  „  „       XXXVII  §  186 27 

Polyaeno8  VII,  11,  7 15 

**Porphyrio8  bei  Eusebios  Praep.  ev.  X,  9  p.  486  B 44 

*  „         Introd.inPtolem.  de  effectibusastrorump.  200Ba8.  708 
Scholia  in  Maximum  Tyrium  di88.  II,  3 84 

*Simplikio8  zu  Aristoteles  de  caelo  II  p.  123» 119 

Spartianus  Caracalla  c.  1 236 

V.  GüTscHÄiD,  Kleine  Schriften.    IL  50** 


794         VERZEICHNISS  DER  BEHANDELTEN  STELLEN. 

Seite 

*Stephano8  ByzantioB  y.  *ActiQ<iva{a 351 

*         „                  „           ▼.  Baßvlmv 296 

**         „                  „           ▼.  XaXSaioi 697 

Stesichoros  bei  Athenaeos  XI  p.  469  D 8 

.♦♦Strabon  XVI,  2,  88  p.  762 136 

Tacitus  Ann.  VI,  37 340 

**TheophaneB  p.  217  Bonn 466 

**          „           p.  372, 16  Bonn 491  f. 

„           p.  618, 11  Bonn 478 

Vopiscus  Saturn,  c.  8 420 


Berichtigungen  und  Zusätze. 

S.  237  Z.  3  und  2  ▼.  u.  Diese  Anmerkung  ist  zu  streichen. 

S.  482  Z.  6   V.    u.    lies   „Patriarchen   der  Melchiten  nach   Bekehrung 

Alezandriens  vom  Monotheletismus**. 

S.  614  Nr.  72  und  Nr.  74.  Joannes  VI.  ist  richtiger  als  Jonas  II.  zu  be- 
zeichnen; vgl.  S.  621  und  622.  Jonas  I.  ist 
identisch  mit  Joannes  V.    F.  R. 


NCV  2    1920 


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UNIVERSiTY  Of  M1CH1«AN 


3  9015  02237  5789