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)
SS
KLEINE SCHRIFTEN
VON
ALFRED VON GUTSCHMID.
HERAUSGEGEBEN
VON
FRANZ RÜHL.
ZWEITER BAND.
SCHRIFTEN ZUR GESCHICHTE UND LITERATUR
DER SEMITISCHEN VÖLKER
UND ZUR ÄLTEREN KIRCHENGE SCHICHTE.
LEIPZIG,
DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEÜBNER.
1890.
Vorwort.
Der vorliegende Band wird bei Historikern und Theo-
logen auf gleichen Antheil rechnen können^ und es steht zu
hoffen, dass die hier gesammelten Aufsätze jetzt; nachdem
sie vereinigt worden sind, einem grösseren Theile des be-
theiligten gelehrten Publikums vertraut werden, als, wie die
Erfahrung gelehrt hat, bisher der Fall gewesen ist. Denn
wegen des Orts, wo sie zuerst erschienen sind, scheinen
einige für die Theologen wichtige Abhandlungen diesen und
z. B. eine historisch so interessante Untersuchung wie die
über die Apokalypse des Esra den Historikern vielfach un-
bekannt geblieben zu sein. Völlig neu sind zwei Abschnitte,
der dritte, über Phönicien, und der dreizehnte, über die
Patriarchen von Alexandrien. Der Erstere ist zwar bereits
englisch in der Encyclopaedia Britannica veröffentlicht wor-
den, hat aber dort mancherlei Kürzungen erleiden müssen,
der Letztere fand sich als Manuscript im Nachlass. Herr
Geh. Eirchenrath D. Lipsius, welcher die Bearbeitung und
Herausgabe desselben zu übernehmen die Güte hatte, hat
auf S. 395 über sein Verfahren berichtet; hinsichtlich des
Antheils Nöldekes wolle man dessen Bemerkungen auf 8. 525
nicht übersehen.
Meine eigene Thätigkeit hat sich in denselben Schranken
gehalten, wie bei dem ersten Bande. Energischer, als bei
jenem drängte sich diesmal die Frage auf, ob die Umschrift
der orientalischen Namen nicht zu vereinheitlichen sei;
schliesslich musste sie auch diesmal verneint werden. Gut-
schmid hat — offenbar ohne allen äusseren Zwang —
wiederholt mit seinen Principien bei der Umschrift ge-
wechselt. Wenn er in den fast unmittelbar hintereinander
a*
^# .■i.v> k vj
IV VORWORT.
entstandenen Aufsätzen über die Nabatäische Landwirth-
Bchaft und über Ibn Wahshijjah verschieden transcribirt und
nachher wieder anders: welche Art der Umschrift sollte da
der Herausgeber wählen, wenn er sich nicht an die ursprüng-
liche halten wollte, und welchen Nutzen hätte eine solche
Arbeit gebracht, der auch nur entfernt im Yerhältniss zu
der ausserordentlichen Mühe gestanden hätte, welche sie
erfordert haben würde? Auch sonst haben die bei dem
ersten Bande befolgten Grundsätze hier ebenfalls zur Richt-
schnur gedient ; handschriftliche Bemerkungen Gutschmids
sind berücksichtigt, erkannte Fehler verbessert worden. Wo
der Fehler klar war, die Verbesserung aber unmöglich schien,
ist der ursprüngliche Text ohne weitere Note wieder ab-
gedruckt worden. Der auffallendste unter diesen unver-
besserten Fehlem ist „Pospinh" S. 294 Zeile 8 von unten;
ich habe drei mit dem Gegenstande besonders vertraute
Gelehrte zu Rathe gezogen, keiner war in der Lage, mir
dieses Wortungethüm zu enträthseln.
Auch bei diesem Bande bin ich Theodor Nöldeke für
seine liebenswürdige Unterstützung und manchen nützlichen
Rath zu herzlichstem Danke verpflichtet.
Königsberg, 22. September 1890.
Franz Rtthl.
Inhaltsverzeichniss.
Seite
I. Ueber den letzten Band von Movers' Phöniziern 1
(Neue Jahrbücher für Philologie und Pädagogik 1867.)
II. üeber des Grrafen Baudissin Stndien zur semitischen Bell-
gionsgeschichte 20
1. Anzeige des ersten Hefts 20
(Jahrbücher fflr classische Philologie 1876.)
2. Anzeige des zweiten Hefts 29
(Jahrbücher für classische Philologie 1880.)
ni. Die Phönicier 86
(Deutscher Text des Artikels „Phoenicia^* in der „Ency-
clopaedia Britannica^S)
1. Religion 36
2. Ursprünge des Volks 41
3. Industrie und Erfindungen 46
4. Seefahrt, Handel und Colonien 47
6. Bruchstücke der phönicischen Geschichte 61
6. Verfassung 72
7. Phönicien unter den Persern 73
8. Qaellen und Hülfsmittel 79
IV. Üeber Meltzers Geschichte der Karthager 81
(Jahrbücher für klassische Philologie 1880.)
V. Zu den Fragmenten des Berosos und Etesias 97
(Eheinisches Museum 1863.)
1. Zu den Fragmenten des Berosos 97
2. Zu den Fragmenten des Etesias 103
VI. Becensionen und Anzeigen zur Geschichte und Alterthums-
kunde Assyriens und Babyloniens 116
1. Brandis, Ueber den historischen Gewinn aus der Ent-
zifferung der assyrischen Inschriften 116
(Neue Jahrbücher fClr Philologie und Pädagogik 1866.)
2. Niebuhr, Geschichte Assurs und Babels 139
(Neue Jahrbücher für Philologie und Pädagogik 1860.)
8. Lepsius, Ueber den chronologischen Werth der assyri-
schen Eponymen , . . . 166
(Literarisches Centralblatt 1870.)
VI INHALTSVERZBICHNISS.
Seite
4. Lepsius, Die babyloniBch-assyrischen Längenmasse . 171
(Literarisches Centralblatt 1880.)
VII. Der zehnte Griechenkönig im Bnche Daniel 175
(Rheinisches Museum 1860.)
VIII. Aus Veranlassung von Freudenthals Hellenistischen Studien 180
1. Anzeige von Freudenthals Hellenistischen Studien . . 180
(Literarisches Centralblatt 1876.)
2. Zeit und Zeitrechnung der jüdischen Historiker Deme-
trios und Eupolemos 186
(Jahrbücher für protestantische Theologie 1875.)
IX. Ein Beitrag zu den Fragmenten der griechischen Historiker. 196
(Neue Jahrbücher für Philologie und Pädagogik 1860.)
X. Zur Apokalypse des Esra 204
1. Anzeige von Volkmar, Das vierte Buch Esra .... 204
2. Entgegnung 209
(Literarisches Centralblatt 1859.)
3. Die Apokalypse des Esra und ihre späteren Bearbeitungen. 211
(Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie 1860.)
1. Der Anhang Cap. 15. 16 212
2. Der Anfang Cap. 1. 2 232
3. Das Adlergesicht 240
4. Die ursprüngliche Apokalypse 258
4. Anzeige von Hilgenfeld, Die Propheten Esra und Daniel
und ihre neuesten Bearbeitungen 283
(Literarisches Centralblatt 1863.)
XL Recensionen und Anzeigen zur jüdischen Geschichte und
Literatur 288
1. Jatho, Die Grundzüge der alttestamentlichen Chronologie. 288
(Literarisches Centralblatt 1856.)
2. PreuBB, Die Zeitrechnung der Septuaginta 291
(Literarisches Centralblatt 1861.)
3. Röckerath, Biblische Chronologie 294
(Literarisches Centralblatt 1866.)
4. Bunsen, Biblische Gleichzeitigkeiten 299
(Literarisches Centralblatt 1876.)
5. Mendelssohn, De senati consnltis Romanorum ab
Josepho relatis 303
(Literarisches Centralblatt 1874.)
rBrann, De Herodis, qui dicitur, Magni filiisj
^iBrann, Die Söhne des Herodes j . . . .
(Literariflches Centralblatt 1874.)
7. Ewald, Abhandlung über Entstehung, Inhalt und Werth
der Sibylliflchen Bücher 322
(Literarisches Centralblatt 1861.)
INHALT8VERZEICHNISS. Vü
Seite
8. Badt, ürspmng, Inhalt und Text des vierten Buchs der
sibyllinischen Orakel 329
(Literarisches Centralblatt 1880.)
XU. Die Königsnamen in den apokryphen Apostelgeschichten . 332
(Bheinisches Museum 1864.)
Xm. Yerzeichniss der Patriarchen von Alexandrien 396
(üngedruckt.)
Quellen 396
Halfwnittel 407
Methode der Herstellung ^7
üeber die Zählungsweise 417
Yerzeichniss der Patriarchen von Alexandrien .... 421
Patriarchen der Melchiten 468
Patriarchen der Melchiten nach Bekehrung Alexandriens
vom Monotheletismus 482
Bruchstücke gajanitischer und paulitischer Bischofs-
verzeichnisse 494
Jakobitische Patriarchen 498
Die Titularpatriarchen der Lateiner 520
XIV. Becensionen und Anzeigen zur älteren Eirchengeschichte . 626
1. Zumpt, Das Geburtsjahr Christi 626
(Literarisches Centralblatt 1869.)
2. LipsiuSy Die edessenische Abgar-Sage 634
(Literarisches Centralblatt 1881).
3. Harnack, Die Zeit des Ignatius 538
(Theologische Literaturzeitung 1880.)
XV. üeber die Chronik des Josua Stylites 559
(Literarisches Centralblatt 1876.)
XVI. Die Nabaiäische Landwirthschaft und ihre Geschwister. . 568
(Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesell-
schaft 1860.)
I. Yorbemerkungen 570-
II. Das Yerhältniss der nabatäischen Yerfasser zu ihren
Gewährsmännern 571
III. Die Yerwandtschaft der nabatäischen Schriften unter-
einander 572
lY. Üeber die kanaanäischen Könige von Babylon und die
Zeit des Qüths&ml 573
Y. Die nabatäische Sprache 580
YI. Die Doppelreime des Dzaghrits 587
YII. Die nabatäische Schrift 588
YIII. Geographische Anachronismen 595
IX. Persönlichkeiten der hebräischen Tradition 607
X. Persönlichkeiten der hellenistischen Mythologie ... 631
VIII INHALTSVERZEICHNISS.
Seite
XI. Persönlichkeiten der persischen Sage nnd Geschichte 640
XII. Der nabatäische Kalender 645
Xni. Anspielungen auf das Christenthum 661
XIV. Neuplatonische Reminiscenzen 655
XV. Modemer Charakter des nabatäischen Schriftthums . 656
XVI. Der kosmopolitische Grelehrtenverkehr 658
XVII. Ein Ged&chtnissfehler Qüths&mis 660
XVni. Der Werth der historischen Beticenzen 661
XIX. Der Widersprach des Berossos 665
XX. Das Fehlen aller Berührungspunkte mit echten Quellen. 668
XXI. Pharao Sephuris als Entlastungszeuge 669
XXn. Das genethlialogische Buch des Thenkelöshä .... 673
XXIII. Die nabatäischen Schriften sind ein gelehrter Betrug
aus muhammedanischer Zeit^ 688
XXIV. Die politischen und religiösen Voraussetzungen der
nabatäischen Schriften passen auf die Zeit des Ihn
Wahshijjah 689
XXV. Das zur Schmied ung des Betrugs erforderliche Mass
von Kenntnissen übersteigt nicht Ihn Wahshijjahs
Kräfte 692
XXVI. Die Beminiscenzen aus indischen medicinischen
Schriften werden für Ihn Wahshijjah verrätherisch . 694
XXVII. Der yermeintliche Entlastungsbeweis; die Intentionen
des Betrügers 696
XXVIII. Ibn Wahshijjah ist ein längst entlarvter Betrüger . . 703
XXIX. üeber die von Chwolson für die Vertheidigung bean-
spruchte Stellung. . ^ 704
XXX. Was ist von einer Herausgabe der Geistesproducte
Ibn Wahsh^ahs zu erwarten? 705
Excurs. Ueber Teukros den Babylonier 708
Nachschrift 711
Anhang von Fleischer 713
XVn. War Ibn Wahshijjah ein nabatäischer Herodot? .... 717
(Berichte der königlich sächsischen Gesellschaft der
Wissenschaften 1862.)
XVIII. Recensionen und Anzeigen zur Geschichte des Islam . . 754
1. Wüstenfeld, (beschichte der Fatimiden - Chalifen . . 754
(Literarisches Centralblatt 1882.)
2. Müller, Der Islam im Morgen- und Abendland. . . 758
(Theologische Literaturzeitung 1886.)
Register 763
Verzeichniss der kritisch and exegetisch behandelten nnd emen-
dirten Stellen 791
I.
lieber den letzten Band von Movers' Phöniziern, *)
Die Phönizier. Von Franz Carl Movers. Zweiten Bandes607
dritter Theil. (Auch unter dem Titel: Das phonizische
Alterthum. Dritter Theil.) Erste Hälfte: Handel und
SehifEfahrt. Berlin , Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhand-
lung. 1856. Vm und 336 S. gr. 8^
Es ist wohl nur eine Stimme in der deutschen Gelehrten-
welt über den unersetzlichen Verlust, den dieselbe durch
Movers' plötzlichen Tod erlitten hat, und dieser Verlust wird
um so fühlbarer, wenn wir einen prüfenden Blick auf die
ganz kurz vor seinem Tode erschienene Fortsetzung seiner
„Phönizier*' werfen. Wir haben jetzt den Theil des Werkes
in den Händen, welcher Handel und Schiflffahrt der Phönicier
bespricht, also gerade die Cardinalpunkte der Geschichte
dieses Volkes. Dieser neue Theil hat nicht nur alle die
glänzenden Vorzüge der früheren, sondern zeigt auch durch
wichtige nationalokonomische und statistische Untersuchungen,
die hier niedergelegt sind, die vielseitige und fruchtbringende
Gelehrsamkeit des Verfassers von einer neuen Seite; dagegen
treten die Mängel, die wohl Manche in den gewagten mytho-
logischen Combinationen des ersten Bandes, in dem zu starken
Betonen des semitischen Elementes gegenüber dem helleni-
schen in dem Bande über die Golonien der Phönicier erblickt
*) [Nene Jahrbflcher für Philologie and Pädagogik. Band LXXV
(1857) S. 607—619. Eine kürzere Anzeige dieses Werkes hatte Gat-
Bchmid bereits im Literarischen Centralblatt 1866 S. 728 f. veröffentlicht.
Da der Inhalt derselben vollst&ndig in die vorliegende Abhandlang
anfgenommen worden ist, so ist sie in dieser Sammlung nicht wieder
abgedruckt worden. F. R.]
V. OoTSOHMio, Kleine Schriften. IE. 1
2 ÜEBER DEN LETZTEN BAND
haben werden*), hier Yollig zurück, und auch in der grosseren
Genauigkeit der Citate, in der geringeren Willkür der Ety-
mologien ist ein bedeutender Fortschritt bemerklich. Eine
Analyse dieses BucheS; welches für die Geschichte des alten
Orients epochemachend ist und auch dem Philologen wichtig
sein muss, wird wohl Jedermann für gerechtfertigt halten.
In der Einleitung (S. 2) macht der Verfasser auf die
merkwürdige Erscheinung aufmerksam, dass der phönicisch-
eospalästinensische Handel dem Judenthum und nach ihm dem
Christenthum in heidnischen Landen die Wege gebahnt hat.
Derselben Erscheinung begegnen wir schon in früheren Zeiten:
mit dem hellenischen Handel drangen hellenische Goi^terculte
in Aegypten ein; umgekehrt verbreiteten sich mit dem ale-
xandrinischen Handel die ägyptischen Culte der Isis, des Horos,
des Serapis und de» Anubis an alle Küsten des mittelländischen
Meeres.^) Diese Analogien berechtigen zu dem Schlüsse, dass
auch vor Alters der phonicische Handel ähnliche Consequenzen
nach sich gezogen hat. Gultur und Religion sind demselben
gefolgt, obgleich nichts dem Kaufmann ferner lag, als für
jene geistigen Güter Propaganda zu machen. Nach diesen
Bemerkungen über die weltgeschichtliche Bedeutung der phö-
nicischen Handelsgeschichte geht der Verfasser zu einer Be-
sprechung der Quellen derselben über, die spärlich uüd ver-
einzelt, fliessen: Hauptquelle ist und bleibt das alte Testament,
namentlich die Bücher der Propheten.
In Cap. 2 entwirft der Verfasser in wenigen, scharfen
Strichen die allgemeine Geschichte des phönicischen Handels,
*) [Näher bat sich Gutschmid darüber in den beiden folgenden
Abschnitten dieses Bandes, sowie in der Becension von Müllenhoffs
Deutscher Alterthumsknnde im Literarischen Centralblatt 1871 S. 622 f.
ausgesprochen. Vgl. auch „Beiträge zur Geschichte des alten Orients**
S. 38. F. R.]
1) Wenn der Verfasser S. 8 aus dem Vorkommen des Stadtnamens
'AvovßCyyaQcc (nicht Anubigarra) auf Ceylon bei Ptol. VII, 4, 4. 7 auf
eine Verbreitung des Anubiscultus in indische Gegenden schliesst, so
dürfte dies sich schwerlich beweisen lassen: der zweite Theil des Com-
positum s ist wohl das indische nagara^ oppidum, in anubi muss irgend
ein Päliwort stecken.
VON MOVEBSV PHOENIZIEBN. 3
zeigt, wie er ursprünglich ein blosses Hausiren war, wie sich
hieraus ein Handel zu Lande nach Assyrien und Aegypten
entwickelte, wie dieser sich dann nach Arabien und von da
bis zum indischen Ocean ausdehnte und wie er, durch Aus-
wanderungen vermittelt, in den Westländern die grossartig-
sten Dimensionen annahm. Der Verfasser unterscheidet vier
Perioden des phonicischen Handels: 1) die Urzeit bis 1600
V. Gh., in welcher der Handel auf die nächsten Umgebungen
Phoniciens beschränkt war und hauptsächlich von den alten
Städten des Landes, Arados, Byblos und Berytos ausging;
2) die Zeit der Sidonischen Hegemonie, 1600 — 1100, mit
welcher der Handel Phoniciens einen grossartigen Aufschwung
zu nehmen begann; 3) die Zeit der Tyrischen Herrschaft,
1100—750, Blüthezeit; 4) die Zeit der Fremdherrschaften,
750—330, Verfallszeit.
Li hohem Grade interessant sind die Capitel über die
Handelsgegenstände. Gap. 3 handelt von den Metallen. Hier
weist der Verfasser nach, dass Silber als Geld in der ältesten
Zeit auf die semitische Welt, und zwar auf Phonicien und
die Nachbarländer beschränkt war (S. 28): „je naher Phoni-
zien^, sagt er S. 34, „desto älter, allgemeiner und unum-
schränkter der Geldverkehr; je weiter im Osten oder Westen
von diesem Gentralpunkte des alten Handels entfernt, desto
später erscheint Silber als Tauschmittel.'^ An den Nachweis
des bedeutenden nationalökonomischen Verdienstes der Phö-
nicier, die Silberwährung eingeführt zu haben, reihen sich
Untersuchungen über den Werth des Geldes und seine
Schwankungen in Phonicien und Palästina. Silber in grosser
Menge fand man nur in Tartessos; von da brachten aber die
Phönicier solche Massen in den Verkehr, dass sich das Silber609
eine Zeit lang zum Gold wie 1 : 20 verhielt, während im
Alterthum das normale Verhältniss das von 1 : 10 war.
Später kam durch die Phönicier auch das Ophirgold in den
Verkehr. In Assyrien und Babylonien, sowie noch bis in
die spätesten Zeiten in Syrien^), herrschte ein grosser Reich-
1} Die Nachricht von den Soldaten des Antiochos, deren Halb-
4 UEBER DEN LETZTEN BAND
thum an edlen Metallen, der zum grossen Theil von der
Beute Yorderasiens herrührte. Ehe die Israeliten mit den
Phöniciern in nähere Berührung kamen, war das Geld in
Palästina sehr theuer: 58 Thlr. 10 Sgr. machten es dem Abi-
melech möglich, die Verfassung in Sichem umzustürzen und
sich zum Eonig zu machen, was seltsam gegen neuere Zeiten
absticht, wo Staatsstreiche in der Regel kostspieliger sind
(8. 48). Während für die Israeliten bei ihrer Abgeschlossen-
heit das Geld hoch im Preise stand, war es bei den Phi-
listern in Folge ihrer Berührung mit Phönicien sehr wohlfeil:
während Davids Feldherr auf den Kopf des hochvefrätherischen
Eönigssohns die fast wie Ironie aussehende Belohnung von
8 Thlr. 10 Sgr. nebst einem Gürtel setzt, bieten die Philister
für die Auslieferung Simsons die ganz anständige Summe
von 4208 Thlr. 10 Sgr. Später ändert sich dies. In der
Blüthezeit des phöuicischen Handels war das Geld in Phöni-
cien und in Palästina sehr wohlfeil, und es ist charakteri-
stisch, dass (wie S. 46 bemerkt wird) die Preise sanken,
sobald in unglücklichen Zeitläufen das Handelsgebiet des
hebräischen Staates geschmälert und verengert wurde, und
unmittelbar nachdem durch die Siege der Könige Jerobeam II.
und Uzzia das Handelsgebiet der Reiche Israel und Juda von
Neuem den Euphrat und den arabischen Meerbusen erreicht
hatte, trat wieder Geldfülle ein und die Preise stiegen. Dieser
Wechsel wird an zahlreichen Beispielen im Einzelnen nach-
gewiesen und sichergestellt Genaue Untersuchungen werden
S. 51 über den Preis, welchen zu verschiedenen Zeiten die
Weinberge in Palästina hatten, angestellt: zur Zeit des Jesaja
kostete ein Weinberg so viel Shekel, als er Weinstöcke ent-
hielt; heutzutage hat in Syrien der Weinstock den Werth
eines Piasters, also einen 15 — 20 fach geringeren. Gold
brachten die Phönicier aus Ophir und Chavila in den Ver-
kehr, Länder, die der Verfasser in Ostafrika sucht. Er ver-
Btiefel mit goldenen Nägeln beschlagen nnd deren Eüchengeräthe von
Silber waren, bei Just. XXXVIII 10, 3 — 4 bezieht sich nicht, wie der
Verfasser S. 46 durch einen Gedächtnissfehler angiebt, auf Antiochos
den Grossen, sondern auf Antiochos VU. Sidetes.
VON MOVEES' PHOENIZIERN. 5
spricht (S. 58) ausführlich zu zeigen, dass Ophir Name eines
an der Ostküste Afrikas gelegenen Emporiums gewesen sei,
ist aber durch den Tod daran verhindert worden. Es ist
daher schwer, über den Werth dieser Ansicht ein Urtheil zu
föllen; doch muss Referent offen gestehen, dass sie ihm nicht
recht wahrscheinlich vorkommt: denn Lassen hat auf die
evidenteste Weise in den Namen sämmtlicher Ophirproducte
reine Sanskritworter nachgewiesen, und seine Identificirung
von Ophir mit einem indischen Lande (Abhira am unteren
Indus) scheint demnach völlig gerechtfertigt. An diesem6l0
Resultate wird nichts Wesentliches geändert, weno der Ver-
fasser nach dem Vorgange von A. Weber die von Lassen
vorgeschlagene Herleitung des griechischen xa66ixeQog vom
sanskritischen kastira, stannum, verwirft und behauptet, dass
umgekehrt das indische Wort durch Vermittelung des Ara-
mäischen (kasiir) aus dem Griechischen entlehnt sei und erst
durch den syrischen Landhandel in das zinnarme Indien ge-
kommen zu sein scheine. Zinn kam in älterer Zeit erweislich
nur aus dem Westen, ebenso Kupfer, und die Phönicier waren
es, welche diese Metalle in den Orient einführten.*)
Ein sehr wichtiger Theil des phonicischen Handels war
der Sklavenhandel, mit welchem sich Gap. 4 beschäftigt.
Nächst Syrien und Judäa war Griechenland der Hauptmarkt-
platz für Sklaven, wie schon daraus hervorgeht, dass das
griechische nccXlaxig^ pellex, in der Form pilegesh in die
hebräische Sprache eingedrungen ist: der gewöhnliche Fall,
dass mit der aus der Fremde kommenden Waare auch die
Bezeichnung derselben aufgenommen wird. Dies scheint mir
der Verfasser S. 81 in überzeugender Weise nachgewiesen
zu haben; ich hebe es absichtlich hervor, damit nicht eine
luftige Sprachphilosophie, die uns Vergleichungen semitischer
und koptischer Wörter mit griechischen octroyiren möchte,
das vereinzelte Wort zu ihren Gunsten anführe. S. 84 wird
ein Tarif für Sklaven zur Zeit des phonicischen Handels auf-
*) [Daza vergleiche Gutschmids Ausführungen in dem dritten
Abschnitt dieses Bandes S. 807 B der englischen Ausgabe. F. K.]
6 üEßER DEN LETZTEN BAND
gestellt und mit den griechischen Preisen und den afrikani-
schen der neueren Zeit verglichen.
Cap. 5 handelt von den übrigen Handelsgegenständen
der Phonicier. Es sind namentlich Wein, Getreide, Vieh,
seltene Thiere, z. B. Pfauen, deren Heilighaltung in Samos
der Verfasser wohl nicht mit unrecht aus phönicisch- syri-
schem Culte herleitet*) Ferner fertige Kleider. Wem dies
auffallig erscheint, den erinnern wir daran, dass noch heut-
zutage in das neugriechische Königreich die Kleidungsstücke
fertig aus Frankreich eingeführt werden, weil im Lande selbst
keine Industrie ist. Das Wort %it(av, ionisch xid-dv, welches
sich nicht befriedigend aus einer griechischen Wurzel erklären
lässt, wird vom Verfasser S. 97 vom hebräischen keUmet
(eigentlich Leinwand) abgeleitet: in der That war der älteste
Chiton bei den loniern aus Leinwand. 7,Der kurze dorische
Xirciv kommt nach seinem Schnitt mit dem hebräischen
und phönizischen ketonel, der punischen iunica, überein . . .,
während dagegen der herabwallende, mit Aermeln versehene
leinene Leibrock der lonier dem keionet der Aramäer ent-
spricht-, wie denn überhaupt ionische Sitten, Bräuche, Culte
und Verfassung sich denen der aramäischen Stämme an-
schliessen, während die Dorier in diesen Beziehungen mehr
mit den Phöniziern zusammentreffen/^ Andere Handelsartikel
waren Arome und Gewürze, deren griechische Namen zum
eiigrossen Theil semitischen Ursprunges sind; z. B. wird kCßavoQ
von Movers S. 100 von lebanah (einer Nebenform von lebonah\
kißavmxog vom Plural desselben Wortes (Jehanot, d. i. Weih-
rauchkörner) abgeleitet. Wenn S. 102 auch die Namen für
Zimmet, Cassia, Narde und Myrrhe für phönicisch erklärt
werden, so muss Referent wenigstens bei der Narde Ein-
spruch thun; Lassens Ableitung vom sanskritischen naladä,
odorifera, was im Altpersischen den Lautgesetzen dieser
Sprache gemäss in naradä übergehen musste, scheint mir
1) Irrthümlich lässt der Verfasser S. 95 den Samier Meoodotos
über die der Hera heiligen Pfauen in Samos eine besondere Schrift
abfassen: sein Buch führte vielmehr den Titel nsgl tmv naza to ifqov
r^S i:cctiUas '"Hqag (Fr. 2 bei Müller UI S. 105).
VON MOVERS' PHOENIZIERN. 7
wohlbegründet und müsste wenigstens zuvor widerlegt werden,
ehe man das hebräische nerd als das Ursprüngliche ausgiebt.
Die Arome kamen nicht bloss einfach, sondern auch zu Par-
ffimerien und Salben verarbeitet in den Handel; über die
Preise der Salben werden S. 103 sehr anziehende Notizen
gegeben. Die Herkunft der kostbaren Gewürze wurde mit
mancherlei Fabeln umgeben, in denen der Verfasser wohl
mit Recht Handelslügen erkennt^ die absichtlich ausgesprengt
wurden^ um etwaige Concurrenteii abzuschrecken.
Cap. 6 bespricht den Kaufmannsstand. Der Verfasser
unterscheidet drei verschiedene Classen von Kaufleuten: 1)
solche, die nur auf die Dauer einer Saison reisten, 2) solche
die ein, oft viele Jahre lang auf Reisen gingen, 3) Nieder-
lassungen von Kaufleuten in der Fremde. Diese gehen in
ein hohes Alterthum zurück: „wenn nämlich^^, schliesst der
Verfasser S. 113, „der phönizische Verkehr mit den Nachbar-
ländern Palästina, Syrien, den Euphratgegenden, Aegypten
gewiss älter ist, als die Handelsniederlassungen an fernen
Küsten unter fremden Völkern (denn sie setzen bereits einen
grossen Verkehr der Phönizier daheim voraus), so müssen
auch die Handelsstationen in den letzteren Gegenden, auf
denen der Verkehr in der Fremde hauptsächlich beruhte, dem
Alter nach vorangegangen sein.'^ Die Kaufleute, die in
fremden Handelsstädten wohnten, trieben theils Geld- und
Wechslergeschäfte, theils waren es Rheder oder SchiflFseigen-
thümer (yavxkriQoC) , theils Grosshändler (IfinoQoi), theils
Detailhändler (xajtijXoL). Diese letzteren sind in jeder Be-
ziehung die Ahnen unserer Schacherjuden, wie wir denn
überhaupt der merkwürdigen Erscheinung begegnen^ dass die
Juden, ein in seiner Blüthezeit dem Handel entschieden ab-
holdes Volk^ seit ihrer Diaspora vollständig als die Erben
des weiland phönicischen Handels auftreten. Unter den in
der Fremde ansässigen phönicischen Kaufleuten waren die
vavxXfiQoi und die IfixoQoi die geachtetsten, sie allein bil-
deten eigene Gilden.
Gap. 7 hat den Landhandel im Orient zum Inhalt: aHe
die Dinge^ welche hier in Frage kommen, der Waarentransport,
8 UEBER DEN LETZTEN BAND
die WasserstationeHy die Landstrassen und Earawanserais, die
Zölle, finden nacheinander hier ihre Besprechung; namentlich
aber wird auf die bedeutende Unterstützung Gewicht gelegt,
die dem Landhandel durch die Festmärkte und Wallfahrten
gewährt wurde: auf die Analogie der mittelalterlichen Messen
hat der Verfasser selbst aufmerksam gemacht. Als die wich-
tigsten Plätze für diesen an Heiligthümer geknüpften Handel
werden Mabug für die Phönicier, Haran für die joktanidischen
Stämme hervorgehoben; der Verfasser verbreitet sich bei
6i2dieser Gelegenheit S. 142 ff. über Haran und die Ssabier (in
denen er sehr mit Unrecht Sabäer sieht) und entwickelt seine
Absicht über dieses durch Chwolsohns Untersuchungen inter-
essant gewordene Thema.
Cap. 8 ist überschrieben „Der Seehandri, das Seewesen
und die Schifffahrt der Phönizier überhaupt". Hier werden
nun alle arten Schiffe, die bei diesem Volke vorkommen,
einzeln durchgegangen^ und zwar zunächst die Kauffahrtei-
schiffe, deren Hauptrepräsentant der becherrunde yavkog ist.
Aus dieser Gestalt des Gaulos erklärt der Verfasser S. 167
scharfsinnig, vielleicht zu scharfsinnig, die dunkle Sage bei
Stesichoros u. A. (bei Ath. XI, 38 p. 469 D), dass Herakles
in einem goldenen Becher gen Erytheia gesegelt sei, indem
er hier wohl mit Recht den phönicischen Sonnengott Mel-
karth erkennt. Das grosse Waarenschiff, der Gaulos xar'
i^oxT^v, ist es, der in der Bibel Tarsisschiff genannt wird.
Von den Handelsschiffen geht der Verfasser zu den Kuder-
schiffen, die als Begleitschiffe dienten (ßccQTcag^ Xdfißog, dQO-
li(ov, xsQxovQog), und von diesen zu den Kriegsschiffen über.
Das eigentliche Kriegsschiff war in der ältesten Zeit bei den
Phöniciern die Pentekontere, die aber seit dem achten Jahr-
hundert nur noch als Transportschiff gebraucht worden zu
sein scheint. Ihre Stelle scheint kurze Zeit hindurch die
Diere eingenommen zu haben; bald aber wurde die Triere
allgemein, bis auch diese in der Diadochenzeit durch die
Tetrere verdrängt wurde. Diese blieb das eigentliche Kriegs-
sahiff bis auf die Schlacht bei Aktion; dann trat eine Reaction
ein und man kehrte zur Diere und zur Triere zurück (S. 173 ff.).
VON MO VERS' PHOENIZIERN. 9
üeber die Segelfertigkeit der Schiffe im Alterthum stellt der
Verfasser höchst merkwürdige Untersuchungen an und kommt
zu dem Kesultate, dass diese weit grösser war, als in der
Regel angenommen wird. Er weist nach, dass 1000 Stadien
bei den Hellenen als die durchschnittlich von einem Schiffe
in einer Tag- und Nachtfahrt zurückgelegte Strecke galt:
erst in späterer Zeit wurde mit dem Verfall der Schifffahrt
dieses Mass herabgesetzt (z. B. bei Markianos dem Hera-
kleoten); für die Phönicier nimmt Movers sogar 1300 Sta-
dien als Normalmass einer Tag- und Nachtfahrt an. Die
Schiffe der Alten fuhren also schneller, als die venetianischen
Galeeren im Mittelalter, wie dies eine S. 199 gegebene Ueber-
sicht von Fahrten solcher Schiffe zwischen Venedig und Jaffa
ausweist. Hiermit ist ein weitverbreiteter Aberglaube be-
seitigt, aus dem noch kürzlich in der Schrift von Kedslob
über Thyle die seltsamsten Consequenzen gezogen worden
sind.*)
So weit geht der allgemeine Theil des Buches; von S.200
an werden nun die verschiedenen Richtungen des phönicischen
Handels nach den Handelsgebieten einzeln durchgegangen.
Gap. 9 beginnt mit dem phönicisch-palästinensischen Handel.
Der wichtigste Ausfuhrartikel aus Palästina war Getreide.
Den Hauptbedarf davon erhielten die Phönicier aus Galiläa
und aus der Ebene Saron; in dieser fruchtreichen Gegend
lagen auch von Alters her die Krongüter der phönicischen
Könige^ welche schon in der Grabschrift des Sidonischen
Königs Esmun'ezer IL erwähnt werden sollend) Ueber dieeis
*) [Vgl. Gutschmids Recension von MüUcDhoffs Deutscher Alter-
thumskunde im Literarischen Centralblatt 1871 S. 523 und den dritten
AbBchnitt dieses Bandes S. 805 A der englischen Ausgabe. F. 11.]
1) Zeile 19 dieser Inschrift (s. Zeitschr. d. deutschen morgenlünd.
Ges. 1856 8. 407) übersetzt nämlich Movers S. 211 mit dem Herzog von
Layneei, abweichend von Schlottmann und anderen Erklärern, „dass er
fürder uns gebe Der und Jope, Dagons herrliche Länder, in der Ebene
Saron**. Ans dem Optativ schliesst er — nach meinem Dafürhalten
etwas kühn — , dass beide Städte ein persönliches Lehen der Könige
von Sidon, also vom Perserkönig waren. In dem Vater Esmun'ezers IL,
dessen Namen er Tebennit statt Thabhniih liest, erkennt er den bekannten
10 ÜEBER DEN LETZTEN BAND
Kompreise werden S. 212 statistische Nachweise gegeben;
daran knüpfen sich Untersuchungen über den Werth des
Ackerlandes in Palästina (S. 214). Andere Producte dieses
Landes, die in den Handel kamen, waren Olivenöl, Wein
und Honig, ferner die namentlich in der Kaiserzeit berühmte
Leinwand von Skythopolis (S. 218), der Balsam von Gilead.
Die herrschende Ansicht, dass dies der heutige Mekkabalsam
sei, widerlegt der Verfasser S. 220 und weist nach, dass es
die QVfcivri^ resina der Alten ist, d. i. das durch Einschnitt
aus dem Baume, hauptsächlich der Terebinthe und dem
Mastixbaum, fliessende Harz: Plinius rühmt ausdrücklich die
Sidonierkönig Tivvrig (reg. 358 — 361) wieder und sieht in den Neu-
bauten aller Haupttempel in Sidon, welche die Inschrift erwähnt, den
allerdeutlichBten Hinweis auf die Katastrophe, die Sidon unter dem
Tiwrjg betroffen hatte. Der letztere Grund ist snbjectiv; ebenso gut
könnte man aus den grossen Bauten (dass es Neubauten waren, ist bloss
Vermuthung) auf eine Zeit Bchliessen, in der Sidon in grösster Blüthe
stand und von äusseren Feinden nichts zu fürchten hatte. Die Iden-
tificirung der Namen Tehennii und Tivvriq ist sehr schön, die Iden-
tificirung der Personen aber ist gewiss unrichtig; denn Tebennit erscheint
auf der Inschrift als Schwiegersohn und Nachfolger des Königs Es-
mnn'ezer L, als Vater und Vorgänger des Königs Esmun^ezer IL; als
Nachfolger des Tivvrjg ist dagegen Straton bekannt (Diod. XVII, 46.
Curt. IV, 3), und ich habe im zweiten Suppl. - Band dieser Jahrbücher
S. 220*) aus Hieronjmus c. lovinian. I, 45 nachgewiesen, dass ein an-
derer Straton sein Vorgänger war. Selbst wenn die durch die Wieder^
kehr des Namens wahrscheinliche genealogische Folge von Straton I. —
Tennes — Straton II. bestritten werden könnte, ist doch für die beiden
Esmun*ezer schlechterdings kein Platz: und daran, dass ^tqcczcov (das
phönicische Astart) eine griechische üebersetzung des Namens Esmur-
fCeztr sei, wird wohl Niemand denken. Aus diesem Grunde halte ich
es für unmöglich, die Inschrift in diese ganz späte Zeit hinabzurücken ;
sie kann mindestens nicht nach 374 (dem ungeftlhren Datum der Thron-
besteigung Stratons I.) abgefasst sein. Hitzig setzt sie in das siebente
Jahrhundert, Ewald in eine noch ältere Zeit.**)
*) [„lieber die Fragmente des Pompejas Trogus und die Glaub-
würdigkeit ihrer Gewährsmänner *^ Da diese Abhandlung auch als
selbständiges Werk erschienen ist, wird sie in die vorliegende Samm-
lung nicht wieder aufgenommen werden. F. B.]
*♦) [Vgl. Band I S. 31 1 f. und den dritten Abschnitt dieses Bandes
S. 802 B der englischen Ausgabe. F. R.]
VON MO VERS' PHOENIZIERN. 11
resina ludaea. Sodann bezogen die Phonicier aus Palästina
Styrax, kriSavov (arabisch Iddan, hebräisch lot, ein Name,
welcher personificirt zum Ahnherrn der ledanonreichen Moa-
biter und Ammoniter geworden ist), Asphalt, endlich auch
echten Balsam, Datteln u. a.
In Cap. 10 wird der phonicisch- assyrische Handel vor-
genommen.*) In dreifacher Beziehung waren die Euphrat-
länder für den Handel von Bedeutung: 1) als Lieferanten
wichtiger Handelsartikel, 2) als Stapelplatz für den Transito-
handel, 3) als Abnehmer phönicischer Waaren. Die Ver-
bindung zwischen ihnen und dem Mittelmeer wurde durch
drei Handelsstrassen unterhalten: 1) die Königsstrasse, welche
Damaskos, Hamath, Ribla, Thapsakos berührte, 2) die Stras8e,6l4
welche durch die Wüste über Tadmor führte, 3) die Strasse,
auf welcher man vom unteren Euphrat durch die syrische
W^üste nach Aegypten gelangte. Auf allen diesen Strassen
waren Handelsstationen, die zum Theil wirklich phönicische
Ansiedlungen sind oder in denen sich doch phönicischer
Einfluss bedeutend geltend macht. Die dritte Strasse hatte
zum Ausgangspunkt die Station Kasion. Die zweite ging
über Tadmor (woraus nach einer Vermuthung des Verfassers
durch Entstellung ndk(ivQa entstanden sein soll), welches
eine Anlage Salomos war; Movers nimmt nämlich die Lesart
der Chronik Tadmor für Thamar in Schutz und will sie auch
I [= ni] Kön. 9, 18 hergestellt wissen. An derselben Strasse
lagen die von Ezechiel 27, 23 erwähnten Städte Kilmad (bei
Xenophon Xag^iccvöri) und Assur (worin der Verfasser sehr
glücklich 2JovQa, das heutige Essurijeh, wiedererkannt hat).
Die bedeutendsten Spuren phönicischer Thätigkeit finden sich
aber längs der ersten Strasse. Hier lagen: die Station Laish,
eine nur allgemein als am Euphrat liegend bezeichnete (wie
ich glaube, mit dem Fcddav bei Isidor. Gharac. 1 p. 248
identische) phönicische Colonie "ESSava^ erwähnt bei Steph.
Byz. p. 260, 16 [s. v. "ESSava]^ die wichtigen Städte Edessa,
*) [üeber den Landhandel der Phonicier Tgl. den dritten Abschnitt
dieses Bandes S. 806 A der englischen Ausgabe und den vierten Ab-
schnitt S. 292 f. des Originaldrucks. F. E.]
12 ÜEBEtt DEN LETZTEN BAND
Nisib und die in der angeführten Stelle des Ezechiel genannten
Orte Haran^ Eanneli und Eden. Der Verfasser identificirt
dies mit dem Emporium Tsgriöciv am persischen Meerbusen
uud glaubt^ dass dies persische Aussprache von Tel-Edon
sei (S. 251); hierin kann ich ihm nicht beistimmen, denn
TeQ-qdciv ist sicher identisch mit ^sgidcnig*) bei Arrian
Ind. 41, 6, die einheimische Form war also Tertdö {Diridd),
mit der semitischen Femininendung Teriddth (Biriddth), gleich
wie 'Mla und Elath, Tigrd und Tiglath miteinander wechseln,,
und so schwindet der Anklang an Eden vollständig; sollte
Eden nicht vielmehr jenes "EäSava sein?**) Auch Eanneh
ist wohl mehr in der Nähe zu suchen, und nicht mit dem
Verfasser (der ejA mit Kalneh identificirt) der herkömmlichen,
aber grundlosen Annahme zufolge in dem späteren Etesiphon:
ich erkenne darin mit Eiepert (Bemerkungen zum Atlas der
alten Welt § 41***)) die grosse und reiche Stadt KaivaC am
Tigris bei Xen. Anab. II, 4, 28; noch näher kommt die Form
üCai/at****) bei Steph. Byz. p. 353,2 [s. v. Kavai]. Ein bedeu-
tender Theil der Gegenstände des phönicischen Handels wird
von den Griechen kurzweg als assyrische Waaren bezeichnet,
nach dem gewohnlichen Sprachgebrauch, eine Waare nach dem
Stapelplatze, nicht nach der Heimath zu benennen (S. 256).
Aus den Euphratländern bezogen die Phönicier die babyloni-
schen Zeuge (S. 260), ferner die Seide und das von ihr ver-
schiedene Gespinnst Bombyx; Seidenhandel und Seidenindustrie
war in Phönicien uralt: hat doch die „Seide" den Namen von
der Stadt Sidon, eine Etymologie, die durch den mittelgrie-
chischen Sprachgebrauch sicher gestellt wird, welcher seidene
Gewänder Tvgaa^ d. i. Tyrische, nennt. Endlich kamen noch
*) [Ji^idoiziq haben nach Karl Muller die Codices Parisini 1753
und 456, sowie der Laurentianns; di^vBcarig der Codes Parisin us 1407;
*l0{d(OTig der Codex Parisinus 1438. F. R.]
**) [Vgl. den dritten Abschnitt dieses Bandes S. 805 A der engli-
schen Ausgabe. F. B.]
***) [§ 40 der 11. Auflage. Vgl. Kieperts Lehrbuch der alten Geo-
graphie § 134 und § 139. F. R.]
****) [So im Originaldruck; die Ausgaben des Stephanos haben
Kdvat. F. R.]
VON MOVERS' PHOENIZIERN. 13
aus Adsyrien Edelsteine und Korallen, aus Syrien- Wein und
Wolle. Die EinAihr bestand in Metallen, Purpur, Bauholz,
Oel und Wein.
Durch einen grossartigen Transitohandel war in der
ältesten Zeit Arabien berühmt; über diesen ist Cap. 11 zu6i5
vergleichen. Uralt sind die Verbindungen der mit Weih-
rauch handelnden Stamme Südarabiens mit Palästina und
Aegypten, sowie mit den Euphratländern. Dies spricht sich
schon darin aus, dass Namen wie Ketura, d. i. Rauch werk,
und Basmath, d. i. Wohlgeruch, in die Stammsagen der Hebräer
verwebt sind. Der Verfasser theilt die sehr wahrscheinliche
Ansicht Ewalds, dass die Hyksos Stämme der alten Hebräer
sind*) (zu denen sowohl die Israeliten als die Joktaniden
gehören), und meint, dass durch sie die Verbindung mit
Aegypten eingeleitet wurde. Auch Servius weiss davon, dass
die Sabäer einst aus Aegypten verjagt worden seien. Ent-
scheidender als solche vereinzelte Spuren ist aber für den
engen Zusammenhang der joktanidischen Stämme mit Palä-
stina der Umstand, dass Südarabien dem Verfasser der Völker-
tafel in der Genesis in einem Grade bekannt ist wie sonst
nur noch Kanaan (S. 277).**) Die Betheiligung der Phöni-
cier am arabischen Karawanenhandel war, wenigstens mittel*
bar, von alter Zeit her eine sehr lebhafte. In der ältesten
Zeit ging der Verkehr vom Mittelmeer über die Landenge
von Suez, in der mittleren über den östlichen Arm des ara-
bischen Meerbusens, in der späteren über den persischen
Meerbusen. Das Streben aller asiatischen Eroberer ging
dahin, sich des arabischen Handels zu bemächtigen; der phö-
nicische Verkehr musste sich daher öfters neue Bahnen
suchen. Von der ersten Strasse müssen die Phönicier ein-
mal irgendwie durch Araber oder Aegypter verdrängt worden
sein; denn es ist der natürlichste und leichteste Verbindungs-
weg, den sie von freien Stücken gewiss nicht aufgegeben
haben würden: die Orte Migdol, Baalzephon und Kasion be-
*) [Vgl. Bd. I S. 332 f. 340. 384. F. R.]
**) [Vgl. den dritten Abschnitt dieses Bandes S. 805 A der engli-
schen Ausgabe. F. R.]
14 UEBER DEN LETZTEN BAND
zeugen hier die ehemalige Anwesenheit der Phönicier. Auch
hellenische Sagen deuten darauf hin. Homer kennt die
^EQBi/kßoC^ hebräisch Ereb, d. i. Mischlinge: so hiessen die
gemischten Volker im Süden Palästinas bis nach Aegypten.
Etwas später kam der Name Arab, d. i. Wüstenbewohner
auf; es ist also derselbe Unterschied, welcher später zwischen
Aribah (reinen Arabern) und Mustaribah (Mischarabern) ge-
macht wurde. Durch die Phönicier kam der Name Ereb zu
den Hellenen: wenn Menelaos die Helene bei den Erembern
sucht, so sieht der Verfasser in dieser und in ähnlichen
hellenischen Sagen blosse Umdeutungen orientalischer, die
sich auf den alten Handelsverkehr der Phönicier in jenen
Gegenden beziehen.^) An der zweiten Strasse wohnten die
Idumäer, nach dem Verfasser ein Mischvolk von Hebräern
und Kananäern (Chittiern) ; ihnen gehörte der wichtige Handels-
platz Elath; von welchem eine Strasse durch die Wüste nach
Gaza, eine zweite ebendahin über Petra, eine dritte das todte
Meer entlang durch Peräa nach Damaskos führte. Diese
letztere nahm die von den Euphratländern her führenden
Strassen in sich auf und verlängerte sich in südlicher Rich-
tung von Elath bis zu den Emporien d«r Sabäer; in ihrer
ganzen Länge zeigen sich Spuren assyrischen Einflusses. Der
sprichwörtliche Beichthum der Sabäer war lediglich eine
Folge des Handels; durch diesen wurden sie auch fremden
Einflüssen zugänglich: der phönicische beurkundet sich in
eieder Verehrung der auf den himjaritischen Inschriften er-
wähnten Göttin Astor, welche denselben Namen auf phöni-
cischen Inschriften trägt, der assyrische in der Annahme
babylonischer Kleidung und üeppigkeit, in der Entlehnung
des Hofceremoniels und in der Gleichheit des Münzwesens,
dem das babylonische Talent zur Grundlage diente. Eine
weitere Bestätigung findet der Verfasser 8. 293 in der Nach-
richt des Sophronios (auf die schon C. Müller im vierten
Bande der Fragm. bist. Gr. Vorn S. II aufmerksam gemacht
hat), dass Ninos und Semiramis von Damaskos aus in das
*) [Vgl. Bd. I S. 316. F. R.]
VON MOVERS' PHOENIZIERN. 15
glückliche Arabien Colonien ausgeführt hätten: und in der
mythischen Sabäerkönigin Belkis bint Hadhad ibn Surahil
erkennt er S. 294 scharfsinnig die babylonische Himmels-
konigin Beltis, deren Ahnen Hadad und Israhel in die Sagen
von Damaskos verwebt sind. An der dritten Strasse sassen
die handeltreibenden Stämme Rhegma und Dedan (womit
der Verfasser S. 304 sehr gewagt die Namen Atiana, Atiene
und Mayivädvata oder MaxLvxava combinirt); in ihren Sitzen
erscheinen nach Alexander die Gerrhäer. Ausserdem gab es
noch einen wenig bekannten Weg, der in gerader Richtung
durch die Wüste von Susa nach Aegypten führte; er wurde
z. B. von Nabukodrossor und nach Polyän VII, 11, 7 von
Dareios I. (nicht, wie S. 306 angegeben wird, von Eambyses)
benutzt. Der Handel in der Richtung vom persischen Meer-
busen zum Mittelmeer blühte nur während der Herrschaft
der grossen mittelasiatischen Reiche, welche im Interesse
ihrer Binnenländer den Landhandel auf Kosten des See-
handels begünstigten: zur Zeit der Ptolemäer kehrte der
Verkehr in seine natürlichen Bahnen zurück. Die ersten
Spuren von einer versuchten Beeinträchtigung des Handels
auf dem arabischen Meerbusen knüpfen sich an das Auftreten
der Assyrier; in einer freilich im höchsten Grade apokryphen
Nachricht^) heisst es sogar, dass König Assarhaddon Arabien
1) Sie findet sich in den Enthüllungen des h. Methodios und ist
Ton Movers S. 307 zuerst nachgewiesen worden; er meint, sie enthalte
ausser vielem Unsinn Auszüge aus einem Chronographeu, der noch den
Alexander Polyhistor benutzt habe. Leider kann ich diese günstige
AnffassuDg nicht theilen, sondern sehe darin nicht nur Unsinn, sondern
ein freches Lügengewebe, welches die biblischen Angaben in derselben
Weise ergänzen soll, wie die Bücher des Diktys und Dares die Homeri-
schen. Die Namensiformen entsprechen genau denen der LXX, und
wenn wir erfahren, dass Senacherims Mutter Gecnac hiess und eine
Tochter des Theglatphalasar war, so ist das eine Erfindung, den Ent-
hüllungen in der kleinen Genesis (und daraus bei den Byzantinern) über
die Namen der Frauen aller Patriarchen vollkommen analog. Derselbe
Methodios weiss sogar p. 93 (der Baseler Folioausgabe der Ortbodoxo-
grapha), dass Kain eine Zwillingsschwester hatte, Namens KccXrjitiga,
d. i. ,,guten Tag", der gewöhnliche neugriechische Gruss (wofür freilich
der lateinische Text p. 101 Chalmana hat), und kennt einen lonithus als
16 ÜEBER DEN LETZTEN BAND
6i7erobert habe. Besser sind wir über die Einwirkung der
Chaldäer auf jenen Handel unterrichtet; mit ihrer Handels-
vierten Sohn Noahs (p. 102). Dass als Nebakadnezars Vater ein gewiaser
Lacedämoniua -und als seine Mutter die Königin von Saba angegeben
und er selbst zum Mitregenten des Assaradon gemacht wird, dass femer
EyroR mit dem Thraker Spartacus identificirt wird, zeigt wenigstens
617SO viel, dass der Heilige eine unverwüstliche Energie im Lügen ent-
wickeln konnte. Die Stelle (welche in dem lückenhaften und noch
• dazu interpolirten griechischen Urtexte fehlt) ist sehr verderbt; der
eine Passus, den Movers so giebt: et unus eorum regnavit iUic (hier
offenbar eine Lücke), cui notnen Assadaron, etiam filius eiusdem (regnavit)
Babylone pro patre suo Senachertm, ist wohl so zu emendiren: et vice
eorum regnavit ille, cui nomen Assaradon, etiam filius eiusdemy Babylone
pro patre suo Senacherim, wodurch freilich die Worte das Pikante, was
sie in ihrem bisherigen Zustande hatten, einbüssen, aber besser mit der
Bibel stimmen. Die Apokalypse, deren Verfasser sich für den h. Metho-
dios ausgiebt, ist ein in mehrfacher Hinsicht interessantes und in einer
gewissen Beziehung auch historisch wichtiges Document. Der ganze
erste Theil ist lediglich eine captatio benevolentiae für den Leser, dem
die Proben, wie trefflich der Heilige über das kleinste Detail uralter
Zeiten unterrichtet ist, imponiren und den Glauben beibringen sollen,
dass er über zukünftige Dinge ebenso gut inspirirt sei. Zweck des
Baches sind Enthüllungen über die Eroberungen der Araber auf Kosten
des Romiierreichs, in denen der Prophet den Vorläufer des jüngsten
Tages sieht. Es muss nach den ersten Einfällen der Araber in Gallien,
aber vor dem Untergange der Ommajaden, also in der ersten Hälfte
des achten Jahrhunderts abgefasst sein : diese Bestimmung hat sich mir
aus der Leetüre der Revelationen ergeben; sie weicht allerdings von
der herkömmlichen, welche den Patriarchen Methodios von Constan-
tinopel (t 842) zum Verfasser macht, bedeutend ab. Ein grosser Theil
des Buches ist vaticinatio post eventum von Ereignissen, denen der
Verfasser gleichzeitig war, und darum geschichtlich wichtig. An einer
Stelle, wo er aus dem zweiten Briefe an die Thessalonicher die Ewig-
keit des Bomäerreichs beweisen will, Hlllt der Prophet in seinem theo-
logischen Eifer vollständig aus der Bolle und sagt bei dieser Gelegen-
heit, das Beich der Hebräer habe 1000 Jahre gedauert (nämlich von
, Josua bis auf Jojachim), das der Aegypter 3000 (im griechischen Texte
steht fölschlich 60, durch Verwechselung von ,y und v), das der Ba-
by lonier 4000 : Angaben (p. 96. 107), die sich durch den Zusammenhang
als unverfänglich ausweisen und aus guter Quelle geflossen sind. Im
Mittelalter war die lateinische Uebersetzung eines der gelesensten
Bücher, wie schon die zahlreichen alten Ausgaben derselben lehren;
Matthäus von Westminster citirt den Methodios sehr häufig. Eine
VON MO VERS' PHOENIZIERN. 17
politik hängt die Translocation mehrerer. Nomadenstämme,
namentlich der Gerrhäer und anderer Araber bei Ehino-
korura, durch Nabukodrossor zusammen. Von den Wechsel-
fallen des arabisch-phonicischen Handels geht der Verfasser
zu den Gegenständen desselben über. Ausfuhrartikel waren
theils Transitowaaren, theils Rohproducte (Kamele, Schafe,
Ziegen, alles was von diesen Thieren kommt, auch Datteln),
Einfuhrartikel Kleidungsstücke und Zeugstoflfe, Wein, Weizen,
Oel, Styrax, Saffiran, edle Metalle, Sklaven, Pferde und Maul-
thiere.
Cap. 12 bespricht den ph5nicisch - ägyptischen Handel.
Dieser war sehr lebhaft, wie schon daraus hervorgeht, dass
griechische Schriftsteller die Waaren, welche die Phonicier
vor Alters nach Hellas brachten, kurzweg als ägyptische
bezeichnen. Es waren dies Kramwaaren aller Art (j^(D7tog)MB
Die wichtigsten Ausfuhrartikel waren: 1) shesh: dies ist nicht,
wie man sonst annahm, Baumwolle, sondern feine Leinwand
(ägyptisch shens), besonders Pelusiotische, während bad der
allgemeinere Name für Leinwand ist und vorzugsweise palä-
stinensisches Fabrikat bezeichnet; die griechischen Namen für
feine Leinwandarten, o^ovta und öLvdovsg^ sind nach dem
Verfasser (S. 318) von den PhSniciem überkommen, die sie
an die Hellenen verhandelten. 2) Byblische Stoffe, d. i. alles
von der Byblos- oder Papyrusstaude Bereitete: der Name ist
einer der vielen Beweise dafür, dass Byblos in der Urzeit in
engerem Verkehr mit Aegypten gestanden hat, als andere
Städte Phöniciens. 3) Glaswaaren. 4) Salben und allerlei
Medicamente. 5) Korn. 6) Fische. Die Einfuhr bildeten:
1) Einbalsamirungsstoffe, 2) Wein und Oel, 3) Sklaven; ver-
muthlich auch Bernstein, Zinn, Bau- und Brennholz. Es
erhellt hieraus zur Genüge, dass die Ansicht, als sei Aegy-
pten allen fremden Kaufleuten vor Psammetich verschlossen
gewesen, unhaltbar ist. Wie der Verfasser bemerkt, verräth
erst der Hesiodische xatdXoyog durch Einfuhrung der Sage
neue Aasgabe der fflr die Sittengeschichte der byzantinischen Zeit und
des Mittelalters überhaupt sehr wichtigen, auch sprachlich interessanten
Schrift wäre eine dankbare Arbeit: der Text ist furchtbar verderbt.
V. OüTscBioD, Kleine Sohziften. II. 2
18 üEßER DEN LETZTEN BAND
vom Busiris (desseu Name S. 330, wie mir scheint sehr un-
glQcklich; von einem kanaanäisch- ägyptischen Baal-Osir ab-
geleitet wird), dass Aegjpten als ein den Fremden oder doch
den Griechen feindliches Land galt. Allein dieses Zeugniss
ist aus der Zeit nicht lange vor Psammetich; von der Homeri-
schen Zeit gilt eine solche Absperrung Aegyptens vom Ver-
kehr ganz und gar nicht; der Verfasser adoptirt daher mit
Recht die schöne Vermuthung Niebuhrs, der in jener Handels-
sperre ein zum Vortheile der Phönicier eingerichtetes Pri-
vilegium erkannte, welches Psammetich wieder aufgehoben
habe.*) Eine sorgfaltige üeberwachung des Fremdenver-
kehrs von Seiten der ägyptischen Regierung wird darum
nicht in Abrede gestellt: die Fremden durften das Land von
der Seeseite nur bei Kanopos, von der Landseite nur bei
Pelusion betreten, und dort wurden Eingangszolle erhoben.
Für die Phönicier hatte Aegypten nicht bloss als Markt an
sich eine ungemeine Wichtigkeit, sondern auch als Ausgangs-
punkt ihres Handels mit entfernteren Ländern: von hier aus
handelten sie einerseits nach Meroe, Ostafrika, Südarabien,
Lidien, anderseits nach den Westländern; letzteres geht auch
aus dem Charakter der hellenischen Sagen über Aegypten
hervor, die meistens phönicische Vermittelung verrathen.
Diese kurzen Andeutungen mögen genügen, um einen
Begriff von dem gehaltreichen und in mehr als einer Be-
ziehung hochbedeutenden Buche zu geben. Die musterhaften
Eigenschaften, welche Movers' schriftstellerische Thätigkeit
kennzeichnen, sind zu bekannt, um hier noch besonders her-
vorgehoben zu werden: sein rastloser Fleiss, seine wahrhaft
enorme Belesenheit, sein Talent, das ihm zu Gebote stehende
überreiche Material zu sichten, zu ordnen, für die Geschichte
nutzbar zu machen, sein echt historischer Tact, sein prak-
tischer Sinn, der durch Aufsuchung von Analogien neuerer
Zeiten und anderer Länder die trümmerhafte üeberlieferung
aufzuhellen und richtig einzuordnen weiss, die von Willkür
6l9freie Methode seiner Forschung, die Klarheit seiner Dar-
*) [Vgl. den dritten Abschnitt dieses Bandes S. 805 A der engli-
schen Aasgabe. F. R.]
VON MOVERS' PHOENIZIEEN. 19
Stellung^ endlich seine vollkommene Unbefangenheit in Wür-
digung und Benutzung der Bibel als Geschichtsquelle ^ alles
dies trägt dazu bei, sein Werk über die Phonicier und ins-
besondere die geschichtlichen Theile desselben, unter denen
dieses letzte Buch noch vornehmlich ausgezeichnet zu werden
verdient, den bedeutendsten Schriften, die es überhaupt über
die Geschichte des Alterthums giebt, anzureihen und dem
Verfasser auch über die Grenzen Deutschlands hinaus einen
für alle Zeiten dauernden Ruhm zu sichern. Leider ist nun
das Werk unvollendet geblieben; es fehlt noch der Schluss
der Handelsgeschichte, welcher die Seereisen und Entdeckungen
der Phonicier behandeln sollte, es fehlen noch die wichtigen
Partien über Kunst und Schriftthüm der Phonicier; zum Glück
ist, wie ich höre, wenigstens die Herausgabe der zweiten
Hälfte des. dritten Theiles in den Papieren des Verstorbenen
vorbereitet*); schwerlich aber dürfen wir die Hofihung hegen,
dass sich ein Gelehrter finden wird, ein solches Werk in
solcher Weise fortzusetzen.
*) [Diese Hoffnung ist bekanntlich nicht in ErfQllnng gegangen.
P. R.]
o%
IL
lieber des Grafen Baudissin Studien zur semitisclien
Religionsgescbiclite.
1.*)
öisStudien zur semitisclien BeligionsgeschiclLte von Wolf Wil-
helm Graf Baudissin. Heft I. Leipzig, Verlag von
F. W. Grunow. 1876. VII u. 336 S. gr. 8^.
Die Mythologie der semitischen Völker ist ein selten
und im Ganzen mit geringem Erfolge bebautes Gebiet; die
Ueberlieferung ist wenig einladend, fast nur die Namen der
Gotter und die nothdürftigsten äusseren Umrisse sind auf
uns gekommen, und was noch schlimmer ist, neuere Forscher
haben auf wenigen Gebieten so sehr wie auf diesem die
Lücken durch mehr oder weniger gewagte Hypothesen aus-
zufüllen gesucht und so unserer Kunde semitischer Mytho-
logie den trügerischen Schein eines grosseren Umfangs ge-
liehen; namentlich hat die synkretistische Art, wie Movers
im ersten Bande seiner „Phönizier'^ diese Fragen behandelt
hat, mehr verwirrt als aufgeklärt. Es gilt das ganze Feld
erst wieder von dem Hypothesengestrüpp zu säubern, ehe an
einen Neubau gegangen werden kann. Nach Beiden Seiten
hin, der negativen wie der positiven, verdienen die Leistungen
des Verfassers die vollste Anerkennung: dieser in jeder Hin-
sicht gründlich vorbereitete, philosophisch geschulte, scharf
denkende und besonnen untersuchende Gelehrte hat die Er-
wartungen, die man nach seiner Inauguraldissertation „lahve
et Moloch sive de ratione inter deum Israelitarum et Molo-
*) [Jahrbücher für classische Philologie 1876 S. 618—619.]
ÜEBEB BAÜDISSINS STUDIEN ETC. 21
chum iniercedente^' (Leipzig 1874) von ihm hegen durfte, in
der vorliegenden Schrift, einer Sammlung von fünf Abhand-
lungen fiber semitische Beligionsgeschichte, durchweg erfüllt.
In der ersten Abhandlung ,,üeber den religionsgeschicht-
lichen Werth der phönicischen Geschichte Sanchuniathons'^
zeigt der Verfasser, dass die Arbeit Philons nur dann
wirkliche Uebersetzung eines einheimischen Geschichtswerkes
gewesen sein konnte, wofür sie sich ausgiebt, wenn dieses
ein Pseudepigraphon aus der hellenistischen Zeit gewesen
wäre; er erweist gegen Ewald, dass die Schrift von wirk-
lichem griechischem Euhemerismus getränkt ist und ein von
Hesiods Theogonie abhängiges synkretistisches System giebt,5i4
auf jeden Fall die einheimischen Materialien hier gänzlich
umgeschmolzen vorliegen. Da also so wie so entweder der
jetzige griechische Text oder die einheimische Vorlage ein
Pseudepigraphon gewesen sein muss^ so verwirft er mit Recht
Resans Hypothese, dass Philon ein solches aus der Seleu-
kidenzeit übersetzt habe, als künstlichen Umweg und kehrt
zu der richtigen Moversschen Ansicht zurück, dass Philon
die Arbeit der Zusammenstellung aus verschiedenen Berichten,
die er seinen Sanchuniathon vornehmen lässt, selbst gemacht
habe, doch sei die „Phonicische Geschichte'' nicht als reine
Erfindung des Philon, sondern als eine freie Composition aus
einheimischen Materialien anzusehen; ein Kennzeichen ab-
sichtlicher Fälschung sieht er mit Recht in der Behauptung
Philons, die Priester hätten das Werk Sanchuniathon s wegen
seiner ihnen unbequemen Enthüllungen der Oe£Fentlichkeit
entzogen, erst er habe es wieder aus der Verborgenheit her-
vorgezogen: dies ist ein bei der Einführung von Apokryphen
sehr beliebtes Verfahren.*) Es kommt dabei wesentlich auf
die Persönlichkeit und Schriftstellerei des Philon von Byblos
an, auf die denn auch der Verfasser näher eingegangen ist.
Hier finde ich nur das Eine zu erinnern, dass derselbe wesent-
*) [Vgl. über die wechselnden Ansichten Gutechmids über diese
Frage Bd. I S. 292. 810. 881 nnd den dritten Abschnitt dieses Bandes
S. 802 B, sowie die „Beiträge zur Geschichte des alten Orients*' S. 38 f.
F. R.]
22 ÜEBER BAÜDISSINS STUDIEN
lieh jünger ist, als der Verfasser nach dem Vorgang Anderer
ihn gemacht hat: sein Patron Herennius Seyerus ist nicht
der Consul des Jahres 119^ sondern der des Jahres 141, also
war Philon 64 n. Ch. geboren; den Nachweis findet man bei
B. Niese, De Stephan! Byzantii auctoribus S. 27 f. Auch
glaube ich den Titel einer anderen Schrift des Philon ta
iicvyQa^>6iuva ^E^cod^iav vjtoiivi^iiata, worin der Verfasser
(S. 18. 270) nach Movers' Vorgang wenig wahrscheinlich ein
corrumpirtes phonicisches Wort für örotxsta „Zeichen" er-
kennt, mit Umstellung eines Buchstabens sicher in Smd'sifov
imoiivi^fLata verbessern zu können: es war ein Commentar
zu den Schriften oder Lehren des Thotb. Dass eine ten-
denzielle Erdichtung einem Fanatiker des Euhemerismus, wie
Philon es war, trotz seines sonstigen guten Rufes als Ge-
lehrter wohl zugetraut werden könne, erklärt der Verfasser
im Hinblick auf die damals über die Erlaubtheit pseudepi-
graphischer Schriftstellerei herrschenden Ansichten mit Recht
für eine ganz unbedenkliche Annahme. Wenn Philon den
angeblichen Sanchuniathon seine Weisheit aus Tempelsäulen
schöpfen lässt, so darf dies nicht mit Moyers ernstlich ge-
nommen werden, giebt vielmehr ein weiteres Verdachtsmoment
ab als Entlehnung einer Fiction des Euhemeros, mit dem
sich Philon auch sonst in Bezug auf religionsgeschichtliche
Anschauungen fast wörtlich berührt. Philons Nachrichten
lassen sich für phönicische Mythologie erst dann verwerthen,
wenn man sie der euhemeristischen Travestie entkleidet, die
fremdartigen Zuthaten ausgeschieden und die oft sehr ver-
schiedenartigen Quellen, namentlich die von Philon mit ein-
ander verschmolzenen Kosmogonien in ihre ursprünglichen
Bestandtheile zerlegt hat. Auf diesem Wege kommt der
Verfasser zu dem Resultat, dass die Philonischen Fragmente
trotz der entstellten Ueberlieferung den sicheren Schluss
6l5gestatten, dass die phönicische Religion eine pantheistische
Naturreligion gewesen ist. Ich freue mich, dass durch die
gründliche und umsichtige Untersuchung des Verfassers die-
jenige Anschauung, auf die ich selbst seit einer Reihe von
Jahren wieder zurückgekommen bin und f£Lr die ich mich
ZUR SEMITISCHEN RELIGIONSGESCHICHTE 23
kürzlich in diesen Jahrbüchern 1875 8. 578*) ausgesprochen
habe^ völlig bestätigt worden ist.
Die zweite Abhandlung ,,Die Anschauung des alten Testa-
ments von den Göttern des Heidenthums'^, die umfänglichste
von allen^ beantwortet eine wichtige Frage der alttestament-
lichen Theologie, über die sich zwar schon oft die namhaf-
testen Theologen mit Bezug auf einzelne Bibelstellen geäussert
haben, die aber noch nie im Zusammenhange auf Grund einer
so umfassenden Stellensammlung untersucht worden ist; wie
dies der Verfasser gethan hat um in keiner Weise vor-
zugreifen, hat derselbe die verschiedenen Aussagen des alten
Testaments vom Heidenthum nach sachlichen Gesichtspunkten
geordnet dargestellt , nur innerhalb der Unterabtheiluugen
die Zeitfolge beobachtend; erst in dem zusammenfassenden
Schlussabschnitt versucht er auf Grund des Eirgebnisses der
Untersuchung der verschiedenen Anschauungsweisen diese Auf-
fassungen geschichtlich zu entwickeln. Er kommt zu fol-
genden Ergebnissen: die älteste volksthümliche Anschauung
sah die Gotter der Heiden als mit Jahwe in einer Reihe
stehend an, sah in Jahwe, dem Gotte des Volkes Israel, eine
Localgottheit. Noch in den vier ersten Büchern Mose finden
sich mit Ausnahme einiger (wahrscheinlich späterer) Stellen
im Leviticus keinerlei Aussagen, welche eine Kritik des
heidnischen Gottesdienstes oder eine Andeutung enthielten,
als seien die Heidengötter keine Gotter. Dann aber tritt
uns im alttestamentlichen Schriftthum eine wesentlich ge-
läuterte Anschauung entgegen: für die Schriftsteller, also
wohl für alle Gebildeten des Volkes stand es seit Hosea
fest, dass andere Gotter ausser Jahwe für*Israel keine
Götter, blosse Bilder sind; indess erklären sich die älteren
Propheten nicht darüber, in welchem Verhältniss die Götter
ausser Jahwe zu den Heiden stehen: Jeremia und der Deu-
teronomiker sind die ersten, welche es verkünden, dass die
Götter der Heiden überhaupt kein Dasein haben ausserhalb
der Bilder. Parallel laufend mit der Entwicklung der Vor-
*) [Bd. I S. 310 dieser Sammlung. F. R.]
L-A^
24 ÜEBEE BAUDISSINS STUDIEN
Stellung von den Heiden göttern lässt sich eine Ausbildung
der Anschauung von der Einzigkeit Jahwes nachweisen: aus
der ältesten Auffassung als eines Nationalgottes entwickelt
sich die eines einzigen Gottes , der aber zunächst nur nach
seiner Bedeutung ftir Israel in das Bewusstsein tritt; erst
auf einer dritten Stufe wird die auf der zweiten schon latente
Folgerung wirklich gezogen, dass es neben diesem Gott auch
fQr andere Völker andere Götter nicht gebe. Und erst mit
dem vollen Durchbruch der monotheistischen Anschauung
war die Ansicht möglich, dass die heidnischen Götter als
dämonische^ dem einen Gott untergebene Mächte zu denken
seien. Im alten Testament findet sich die erste sichere Spur
dieser Vorstellungs weise beim Verfasser der Chronik; im ale-
xandrinischen Judenthum ist sie die herrschende geworden.
6i6Es gehen mir die erforderlichen Specialkenntnisse ab, um
diese Abhandlung des Verfassers nach ihrem ganzen Ver-
dienste zu würdigen; das aber darf wohl auch der Nicht-
theologe aussprechen , dass sie durchgängig den Eindruck
der grössten Sorgfalt und Zuverlässigkeit, anderseits der
vollsten Unbefangenheit in dogmajbischer Beziehung macht.
Die dritte Abhandlung ;;Der Ursprung des Gottesnamens
'laci" ist der sehr vermehrte Abdruck einer in der Zeitschrift
für die historische Theologie 1875 unter dem gleichen Titel
veröfiPentlichten Arbeit. Auf Grund einer sorgfaltigen Sich-
tung des weitschichtigen Quellenmaterials, wozu auch eine
Prüfung der Aufschriften der Abraxasgemmen und der Namen
der ophitischen Planetengeister gehört, und einer ungemein
ileissigen und vollständigen Aufzählung und Widerlegung der
von Neueren uufgestellten Hypothesen, die uns freilich zu der
Mühe, welche sie dem Zusammensteller gekostet haben muss,
in keinem richtigen Verhältniss zu stehen scheint und in
kaum geringerem Grade als die Gewissenhaftigkeit des Ver-
fassers auch das geringe Mass von Weisheit illustrirt, mit
dem oft theologische und archäologische Bücher geschrieben
werden, gelangt Graf Baudissin zu dem Resultate, dass ein
heiduischer Gott lao nicht existirt hat, vielmehr alle Er-
wähnungen dieses Namens in letzter Instanz auf das israeli-
ZUR SEMITISCHEN RELIGIÜNSGESCHICHTB. 25
tische Tetragrammaton zurückfuhreD. Hinsichtlich dieses
entscheidet er sich für die Richtigkeit der für die Samari-
taner bezeugten Aussprache Jahveh und hält die in ausser-
jüdischen Kreisen besonders verbreitete Form lao für beein-
fiusst von Buchstabensymbolik. Wenn der Verfasser es aber
S. 252 für wenigstens möglich hält, dass auf diese auch das
^laci bei Diodor I^ 94 zurückgehe, so kann ich ihm nicht
beistimmen y da der betreffende Abschnitt zu denen gehört,
die sich mit Sicherheit auf die ägyptische Geschichte des
Hekatäos von Abdera zurückführen lassen; sein anderer Vor-
schlag, dieses 'lad aus einer verkürzten Form in^ abzuleiten,
verdient entschieden den Vorzug; auch ist zu erwägen, dass,
mochte auch der Name als Indeclinabile behandelt werden,
doch eine Gräcisirung des Auslautes sich ganz von selbst
einstellen musste.
Die vierte Abhandlung hat der Verfasser betitelt „Die
Symbolik der Schlange im Semitismus'' und meint damit
ihre Bedeutung im Mythus und Cultus: denn vor der Hand,
bemerkt er vorsichtig S. V, könne noch nicht geradezu von
semitischen Schlangengottheiten und Schlangenmytben ge-
redet werden. Wie überall auf dem Gebiete der semitischen
Mythologie waren hier erst Geschöpfe der Einbildungskraft
neuerer Gelehrter zu beseitigen, in diesem Falle die von
Movers erfundenen phönicischen Schlangengotter. Dieselbe
Besonnenheit, die der Verfasser fremden Hypothesen gegen-
über wahrt, hält er auch hier, wie überhaupt in seinem
ganzen Buche, im Vorbringen seiner eigenen ein; und doch
sind es immer gute, wohl erwogene, mit denen vielleicht
wenig andere Gelehrte so zurückhaltend gewesen sein wür-
den; er zeigt damit, dass er vollkommene Einsicht in das
hat, worauf es hier ankommt, und das oberste Gebot, das es
für den Forscher auf dem Gebiete semitischer Religions-517
geschichte geben kann, gewissenhafte Vorsicht, kennt und
übt. Vielleicht gar zu behutsam dürfte die Wendung S. 287
sein: „übrigens sollen schon die alten Aethiopen die Schlange
gottlich verehrt haben"; da Arwe, die Schlange, mit einer
400jährigen Regierungsdauer die Reihe der Könige von Axum
26 ÜEBER BAÜDISSINS STUDIEN
eröffnet (Dillmann in der Zeitschrift der deutschen morgen-
ländischen Gesellschaft VII S. 341)^ so kann an der Richtig-
keit jener Nachricht nicht füglich gezweifelt werden, um
so gewisser ist diese Vorsicht auf assyrischem Gebiete am
Platze; weiss man, dass G. Smith „The Chaldean account of
Genesis" (London 1876) eine Bestie, welche die Abbildung
zu 8. 62 als einen geflügelten Löwen und mit einer Deut-
lichkeit, wie man sie grösser nicht verlangen kann, als
männlichen Geschlechts erkennen lässt, hartnäckig für die
Paradiesschlange und für weiblich erklärt*), so kann man
sich eine lebhafte Vorstellung von den exegetischen Künsten
machen, welche in der Deutung der Inschriften selbst zur
Anwendung kommen, wo die Assyriologen sich von keinem
profanen Auge belauscht wissen. Wenn also der Verfasser
die Beziehung der Schlange bei den Assyrern auf die dunkeln
Naturmächte S. 291 mit einem „wie man neuerdings in den
Keilschriften gelesen haben will" begleitet, so verdient diese
Enthaltsamkeit alle Anerkennung, und das um so mehr, als
sie mit dem Respecte, den anderwärts Lenormant, Schrader
und das Akkadische ihm einzuflössen scheinen, in Conflict
geräth.
Selbst da, wo diese Rücksichtnahme auf die Assyriologen
sich am meisten bemerkbar macht, in der letzten Abhand-
lung „Die Klage über Hadad - Rimmon", hat sich doch der
richtige Tact des Verfassers, soweit es von ihm und nicht
von seinen Autoritäten abhing, nicht verleugnet. Mehr als
einmal giebt der Verfasser ein Beweismaterial, dessen Reich-
thum mehr als genügen würde, um einzelne leichtsinnige
Aufstellungen der Assyriologen zu widerlegen, aber im Be-
griffe, die Gonsequenz zu ziehen, macht er vor dem avtbg
Itpa irgend eines Hellsehers Halt. So kommt er auf Grund
einer überaus sorgfältigen Prüfung der Lesart sämmtlicher
biblischer Stellen, an denen der Name Hadad oder Hadar
vorkommt, zu dem Resultate, dass am besten überall Hadad
bezeugt ist, in Bezug auf Hadacfezer oder Hadar ezer, dass,
*) U^' ^6^6 Beiträge zur Geschichte des alten Orients S. 147.
F. R.]
ZUR SEMITISCHEN RELIGIONSGESCflICHTE. 27
was hier das ursprüngliche sei^ sich aus der Abwägung der
Lesarten kaum entscheiden lasse, für den Namen Benhadad
oder Benhadar, dass nur die Lesart Benhadad gut bezeugt
sei (S. 309 f.). „Trotzdem", fahrt er fort, „wird dies nicht
die richtige sein*', und beugt sich vor dem Oppert-Schrader-
schen Binidri, der einzig und allein darauf beruht, dass auf
einer assyrischen Inschrift nicht lange vor Hazael ein mit
einem unbekannten Gottesideogramm und -idri zusammen-
gesetzter damaskenischer Königsname vorkommt, den sie
aus dem alten Testament zu Bin -idri ergänzen.*) Ferner
weist er eine lange Reihe von Zeugnissen nach, welche die
Existenz eines syrischen Hauptgottes Hadad über jeden
Zweifel erheben, schliesst aber das Zeugenverhor wider Er-
warten S. 375 mit den Worten: „ob es ausser dem Gott5i8
Hadar wirklich einen anderen mit Namen Hadad gab, müssen
wir dahingestellt sein lassen/' Aber um von den anderen
Zeugnissen ganz abzusehen, verliert das des Macrobius {Sat,
I 23, 17 ff.), so sollten wir meinen, dadurch, dass sein Gewährs-
mann den Namen thörichterweise vom aramäischen had had
„unus unns^' abgeleitet hat, nichts von seinem Werthe; im
Gegentheil schützt diese Etymologie das d gegen den mög-
lichen Verdacht einer Verschreibung aus r; und die Lesart
Adadu bei Plinius XXXVII § 186 ist keineswegs so unsicher,
wie der Verfasser meint: wir haben hier den vortrefflichen
Codex Bambergensis, und zwar ein doppeltes Zeugniss aus
ihm, für den Text und für die Inhaltsangabe im ersten Buche,
dort Adadu renis, eiusdem ocultis, digitus, hier Adadu nephros,
Adadu ophthalmos, Adadu dactylos; und an der ersten Stelle
führt Detlefsen nur aus dem Leidensis F die Variante Adau,
an der zweiten gar keine Varianten an. Vielmehr ist es
lediglich der Schrader in historischen Dingen eigenen Vor-
aussetzungslosigkeit zuzuschreiben, dass er diesen Gott Ha-
dad, von dem er (Assyrisch-babylonische Keilschriften S. 144)
zu glauben scheint, dass er bloss auf dem Namen Hadaä ezer
beruhe, gar so leicbt genommen hat; für eine unbefangene
*) [Vgl. Neue Beiträge zur Geschichte des alten Orients S. 47 ff.
F. E.]
28 ÜEBER BAÜDISSINS STUDIEN
Betrachtungsweise ergiebt sich umgekehrt aus der Existenz
dieses Gottes Haäad mit Nothwendigkeit die Folgerung, dass
Benhadad nicht in Benhadar geändert werden darf. Wenn
Scbrader weiter den Namen Bin-idri als ,fim ist erhaben^
deutet und den Justinischen Adores, die Hauptstütze seiner
Hypothese, aus Ben- adores verkürzt sein lässt; so hat Graf
Baudissin diesen unüberlegten Einfall , der mit logischer
Nothwendigkeit zur Folge haben würde , dass wir allen
Ernstes einen syrischen Gott mit losephos für den yer-
gotterten Benhadad H. halten müssten, stillschweigend be-
richtigt, indem^ er in Hadar einen Gottesnamen und einen
Beinamen des assyrischen Luftgottes Bin erkennt. Ich kann
aber nur zugeben, dass es dem Verfasser (S. 312) gelungen
ist, die Existenz eines Gottes Adar wirklich zu erweisen,
während die eines Gottes Hadar lediglich aus der Gottheit
Hadran in Mabug gefolgert wird. Das Assyrische scheidet
allerdings nicht zwischen Aleph und He; beweist aber diese
orthographische Eigenthümlichkeit wirklich für die Gleich-
heit von Adar und Hadar bei anderen semitischen Völkern?
Weil nun in Bin-idri Hadar als Epitheton des Bin vorkomme
und dieser mit Ramman identisch sei, so erklärt der Ver*
fasser S. 316 auch Hadad- Rimmön bei Sacharja 12,11 für
verschrieben aus Hadar - Rammön und meint sogar unwahr-
scheinlich genug S. 319, Hieronymus, der Adadremmon noch
als Namen von Maximianopolis kennt, habe die richtige Form
der ihm vorliegenden Texteslesart entsprechend umgestaltet.
Und ebendaselbst deutet Graf Baudissin aus grammatischen
Gründen Hadar -Rammön als „herrlich ist Bammon^', negirt
also damit die Prämisse, die ihn zu der Textesänderung ver-
anlasst hatte. Mich dünkt, er hat sich hier in dem Be-
streben, Schrader in seinen Nöthen beizuspringen, selbst in
nicht minder grosse Schwierigkeiten verwickelt. Alle diese
6i9Combinationen stehen und fallen mit dem luftigen Bin-idri
der Assyriologen, aus den\ erst wieder ein Bin als Synonym
des Luftgottes Ramman gefolgert worden ist: und in diesem
Sinne räumen wir willig ein, dass Bin ein Luftgott ist.
Von den Untersuchungen des Verfassers bleibt hier unseres
ZUR SEMITISCHEN RELIGIONSQESCHICHTE. 29
Erachtens nur das negative Ergebniss stehen, dass die Identität
des Hadad mit Adonis und die Beziehung des Beiwortes Bim-
mon auf den diesem heiligen Granatapfel nicht als streng
bewiesen angesehen werden kann. Was endlich die ,,Klage
fiber Hadad -Rimmon'' bei Sacharja betrifft, so leugnet der
Verfasser eine Anspielung auf heidnischen Gultusbrauch, er-
kennt dort vielmehr den Namen des (dem Bammon heiligen)
Ortes, an dem Josia fiel, und eine Beziehung auf die um
diesen Eonig gehaltene Todtenklage.
Möge es dem Verfasser recht bald vergönnt werden, sein
8. VI gegebenes Versprechen, diesem ersten Hefte ein zweites
folgen zu lassen, einzulösen: so tüchtige Arbeiter wie ihn
entbehrt man auf dem Gebiete der semitischen Religions-
geschichte nur ungern.
2.*)
Stadien zur semitischen Religionsgeschichte von Wolf Wil-i86
heim Graf Baudissin. Heft IL Leipzig, Verlag von
P. W. Grunow. 1878. VIII u. 285 S. gr. 8^
Das vorliegende zweite Heft zeichnet sich durch dieselben
Vorzüge aus, die dem ersten (von uns in diesen Jahrbüchern
1876 S. 513 ff. [oben S. 20ff.] besprochenen) nachgerühmt wer-
den konnten: eine seltene Belesenheit in der älteren und
neueren Literatur, völlige Beherrschung des philologischen
und historischen Beweismaterials, streng methodische Kritik,
die Gabe, in dem Gewirr des aus den verschiedenartigsten
Quellen zusammengetragenen Details nicht den Faden zu
verlieren und die allgemeinen Gesichtspunkte fest im Auge
zu behalten, präcise Formulirung der Aufgaben und der Er<
gebnisse, eine klare Sauberkeit in Begriffsentwickelung und
Beweisführung, die auseinander zu halten, Verwirrtes zu ent-
wirren versteht, äusserste Vorsicht und eine stets aus den
Dingen heraus, nie in die Dinge hinein lesende ünbefangen-
*) [Jahxbücher fflr classische Phüologie 1880 S. 186—188.]
30 ÜEBER BAÜDISSINS STUDIEN
heit, lauter Eigenschaften, welche die frühere Forschung auf
dem Gebiete der semitischen Religionsgeschichte nur zu oft
hatte vermissen lassen.
Die erste Abhandlung ,,Der Begriff der Heiligkeit im
alten Testament'' (S. 1 — 142) ist mehr theologischer und
philologischer Natur; sie fuhrt erst mit gewohnter Gewissen-
haftigkeit die neuere Literatur über diese Frage auf und
setzt sich mit den Ansichten der Vorgänger auseinander,
unter denen namentlich L. Diestel G^Die Heiligkeit Gottes''
in den Jahrbüchern für deutsche Theologie 1859 S. 3 — 63)
verdiente Berücksichtigung gefunden hat, und geht sodann auf
Grund einer möglichst vollständigen Sammlung der Stellen
des alten Testaments zu einer selbständigen Untersuchung
des Begriffs über, welcher der Verfasser dadurch, dass er
sie nicht auf die Heiligkeit Gottes beschränkt, sondern auf *
die von Personen und Sachen ausgedehnt hat, eine breitere
Basis und grössere Sicherheit verleiht. Er kommt zu dem
Ergebniss, dass qddesh eigentlich „abgesondert, hehr", dann
erst „rein" bedeutet, und „Heiligkeit" bei Sachen, bei Per-
sonen und bei Gott das Abgesondertsein aus dem Profanen
ist. Da der Begriff im alten Testament keine eigentliche
Weiterbildung erfahren hat, so hat der Verfasser bei der
Feststellung desselben von einer Scheidung der Belegstellen
nach der Zeitfolge abgesehen und sich begnügt, am Schluss
eine geschichtliche üebersicht über die Anwendung des Be-
griffs bei den einzelnen alttestamentlichen Schriftstellern zu
geben. Von besonderem Interesse ist es, den Verfasser
(S. 142. 228 f.) zu der Frage nach dem Alter des ersten
Elohisten (der priesterlichen Gesetzesschrift, wie er sie nennt)
Stellung nehmen zu sehen, welche durch Wellhausens erst
* nach der vorliegenden Schrift erschienene „Geschichte Israels"
in ein neues Stadium getreten ist; Graf Baudissin drückt sich
äusserst behutsam aus, scheint aber ebenfalls der Annahme
einer späteren Entstehungszeit des Buches zuzuneigen: „die
Entscheidung", sagt er S. 229, „kann wohl nur in seiner
iseSchilderung des Priesterthums, zusammengehalten mit der
des Deuteronomiums und des Ezechiel, gesucht werden."
ZUR SEMITISCHEN RELIGIONSGESCHICHTE. 31
Die zweite Abhandlung ,, Heilige Gewässer, Bäume und
Hohen bei den Semiten, insbesondere bei den Hebräern^'
(S. 143 — 269), bespricht die einzigen irdischen Naturgegen-
stande, welchen die Semiten überhaupt religiöse Verehrung
beigelegt haben; die Meteorsteine, mit denen es als vom
Himmel gesandten Zeichen der Gottheit eine andere Be-
wandtniss hat, sind von der Betrachtung ausgeschlossen
worden. Der Verfasser führt hier die Untersuchungen über
semitische Mythologie weiter, mit denen er im ersten Hefte
seiner Studien und in einer Reihe vortrefflicher Artikel über
einzelne semitische Gottheiten in der Herzog-Plittschen Real-
encyclopädie den Anfang gemacht hatte.
Die Grundlage seiner Untersuchungen ist ein Mosaik,
gebildet aus einem von allen Seiten und aus den entlegen-
sten Winkeln der abendländischen und morgenländischen
Literatur herbeigeschafften Materiale, und hier durfte bei der
grossen Lückenhaftigkeit der Ueberlieferung auch das gering-
fügigste Detail nicht vernachlässigt werden; diese mit Erfolg
angestrebte möglichste Vollständigkeit würde der Arbeit des
Verfassers auch ohne deren sonstige Vorzüge einen hohen
und bleibenden Werth verleihen. Ausser der Bibel gehören
sämmtliche Zeugnisse, auf die hier gefusst werden muss, der
hellenistischen Zeit an; Lenormants assyriologische Enthül-
lungen sind der Vollständigkeit halber zwar angeführt, aber
regelmässig mit einer Warnungstafel versehen worden, ein
Verfahren, das von der Kritiklosigkeit anderer Theologen
diesen „Entdeckungen^' gegenüber erfreulich absticht. Ein
entsprechendes Misstrauen war auch in Bezug auf manchen
Gewährsmann aus dem Alterthum selbst geboten, und der
Verfasser hat gewiss gut daran gethan, es namentlich dem
unzuverlässigen Notizenreichthum des Nonnos gegenüber in
Anwendung zu bringen; in einem der seltenen Fälle, wo er
von der sonst geübten Vorsicht abgewichen ist, S. 158, ist
es nicht zum Frommen der Untersuchung ausgeschlagen:
seine Nrits 'Aßa^ßagiri hat Nonnos einfach aus Ilias Z 22.
Kaum lässt sich ein grosserer Abstand denken, als der,
welcher zwischen dem Verfasser und seinem Hauptvorgänger
32 ÜEBER BAÜDISSINS STUDIEN
auf dem von ihm bearbeiteten Gebiete, Movers, besteht, bei
dem im ersten Bande der „Phönizier'^ (freilich dem schwäch-
sten Theile seines Werkes) Sammelfleiss und Kritik im um-
gekehrten Yerhältniss zu einander stehen und bei dem unter
drei Oitaten immer eines schief aufgefasst zu sein und alles
andere zu beweisen pflegt als das, wofür es verwerthet wird.
Auf die AnfQhrungen des Verfassers und den Gebrauch, der
von ihnen gemacht wird, ist dagegen unbedingt Yerlass; ich
wusste nicht, was sich hier ausstellen liesse, ausser etwa die
Art der Benutzung des sogenannten Skylax. Dieser wird
nicht nach Müllers Geographi Graeci minores, sondern nach
Fabricius citirt, der den von verkehrten Correcturen wim-
melnden und bis zur Unbrauchbarkeit verfälschten Text der
älteren Ausgaben wiederholt hat; die ihm entlehnten Notizen
bedürfen durchweg erneuter Prüfung, so steht z. B. von der
angeblichen BijXog ^okcg (S. 234) kein Wort in der Hand-
schrift.
187 Während Movers mit einer synkretistischen Grund-
anschauung von der semitischen Mythologie an die Unter-
suchung der Einzelfragen herantrat und daher von vornherein
ausser Stande war, Nichtzusammengehoriges richtig ausein-
anderzuhalten, beobachtet der Verfasser eine streng analyti-
sche Methode, die es Jedem ermöglicht, sich ein eigenes
Urtheil zu bilden. Vom Einzelnen zum Allgemeinen auf-
steigend stellt der Verfasser /est, dass die Semiten in den
irdischen Gewässern nur ein Bild der lebenspendenden Kraft
der himmlischen Götter sehen, nicht aber, wie die Arier,
sich die Gottheit in diesen Gewässern wohnend denken; mit
Recht legt er (S. 153) auf die Erzählung des Sozomenos von
dem feurigen Stern der Urania, welcher sich in den Adgnis-
fluss bei Aphaka auf dem Libanon senkte, gerade der späten
Bezeugung wegen besonderes Gewicht, als für die Zähigkeit
der religiösen Anschauungen bei den Semiten beweisend.
Auch den Cultus des „Poseidon" bei den Phöniciern erkennt
er (S. 172 fiP.) nicht als Ausnahme an und betont mit Fug
das Zeugniss des Hesychios von einem in Sidon verehrten
Zevg @alä66iog, eine Ausdrucks weise, die unerklärlich sein
ZUR SEMITISCHEN BELIQI0N8QESCHICHTE. 33
würde, wenn es sich wirklich um eine das Meer als ihr
Element bewohnende Gottheit gehandelt hätte , wie den
griechischen Poseidon.*) Auch in Melikertes^ was ja sicher
Melqart isi^ sieht er nicht einen eigentlichen Meergott, son-
dern den meerbeherrschenden Sonnengott Ebensowenig will
er es trotz seiner halben Fischgestalt von dem chaldäischen
Oannes gelten lassen; vielmehr ist es nach ihm die Sonne,
die am Morgen aus dem die Erde umgrenzenden Ocean sich
erhebt und mit dem Abend dahin zurücksinkt (S. 183).
Dieselbe Deutung dürfte, meine ich, der Mythos von Meli-
kertes auch für diesen nahe legen. Mit Oannes berührt sich
die auf den Münzen der kretischen Stadt Itanos, einer phö-
nicischen Gründung, dargestellte Gottheit mit menschlichem
Oberkörper und Fischschwanz (vgl. S. 180) und der doch
wohl von ddg „Fisch'' abzuleitende und wahrscheinlich schon
nach den Büchern Samuelis mit einem Fischschwanz dar-
gestellte philistaische Dagon; der Verfasser hält auch hier die
Umwandlung eines ursprünglichen Himmelsgottes in einen
Meergott für möglich, giebt aber zu, dass diese Umwandlung
eine sehr alte gewesen sein müsse. Sollte es sich nicht in
den letztgenannten drei Fällen um im Meere wohnende wirk-
liche Meergötter handeln und ihre Verehrung sich darauf
zurückführen lassen, dass der erdumgürtende Ocean als eine
Fortsetzung des Himmelsgewölbes angesehen wurde? Auf
die Analogie des arischen Varuna hat bei dieser Gelegenheit
der Verfasser selbst hingewiesen (S. 177). Aehnlich wie die
Heiligkeit der Gewässer ist die der Bäume zu beurtheilen;
der einzelne Baum, nicht der Hain, ist den Semiten Gegen-
stand der Verehrung", und er ist es als 0£fenbärung der in
die Erde gelegten Lebenskraft, welche ausgeht von der über
der Erde wohnenden Gottheit. Am directesten weist auf
die himmlische Natur der semitischen Götter die Heiligung
der Berge und Höhen, die im alten Testament eine so grosse
Rolle spielt
Es stellt sich heraus, dass bei der Heiligung irdischer
•) [Vgl. unten 8. 87. F. B.]
T. GuTSCHKis, Kleine Schriften. II. 3
34 UEBER BAÜDISSINS STUDIEN
iSSNaturgegenstände von den semitiscilen Völkern nach dem
Geschlechte der Gottheiten unterschieden worden ist: der
männliche Gott wird meistens auf Bergen verehrt, Bäume
sind fast nur weiblichen Gottheiten heilig; auch die Gewässer
sind nach der Ansicht des Verfassers ursprünglich nur Got-
tinnen geweiht gewesen. Was den letzteren Punkt betriffb,
so kann ich nicht finden^ dass das Behauptete mit den That-
Sachen recht in Einklang steht; der Verfasser hat selbst
darauf hingewiesen , dass den phonicischen Flüssen aus-
schliesslich männliche Gottesnamen beigelegt werden ^ dies
aber griechischem Einflüsse zugeschrieben. Er stützt sich
für seine Annahme S. 167 darauf, dass in den Herakles-
mythen, die sich auf Quellen beziehen, diese immer in eine
nähere Verbindung mit einer weiblichen Gestalt des Mythos
gesetzt werden; sieht man sich aber die S. 156 f. aufgeführten
Beispiele näher an, so beziehen sie sich auf Syrakus, Himera,
Marathon, lauter Orte, deren Heraklescultus erst durch die
Moversschen Reunionskammern zu einem phonicischen ge-
stempelt worden ist. Der Verfasser hat, wie Andere vor ihm,
in der bekannten Abhandlung Olshausens „lieber phönicische
Ortsnamen ausserhalb des phonicischen Sprachgebiets'^ eine
hinlängliche Sicherheit für die Haltbarkeit der betreffenden
EinföUe von Movers gesehen, aber, wie mir scheint, nicht
hinlänglich erwogen, dass mit der von Olshausen dargethanen
philologischen Zulässigkeit noch lange nicht die historische
Realität jener Gombinationen erwiesen ist.*) Nur die Autorität
des berühmten Orientalisten dürfte den Verfasser bestimmt
haben, hier ausnahmsweise Beweismittel aus Gebieten heran-
zuziehen, auf die phönicische Einwirkung schwerlich jemals
stattgefimden hat; wo er auf eigenen Füssen steht, hat er
alle weiteren Excursionen auf die Grenzgebiete der griechi-
schen Mythologie sorgß>ltig vermieden, selbst da, wo ihm
solche sehr nahe gelegt waren, wie bei dem Aphroditecultas,
dessen vielfache semitische Beeinflussung nicht geleugnet
werden kann. Diese Selbstbeschränkung kann Graf Baudissin
*) [Vgl. Gutschmids Anzeige von Müllenboffs Dentecher Alter-
thumskande im Literarischen Centralblatt 1871 S. 622 f. F. B.]
ZUR SEMITISCHEN RELIGIONSGESCHICHTE. 35
nur zum Lobe angerechnet werden; sicher ist, dass sie seiner
Forschung nicht zum Nachtheile gereicht hat.
Das Endergebnisse zu dem der Verfasser durch seine
Untersuchung gekommen ist, hat er selbst S. 146 f. so for-
mulirt: ,,In dem Höhencultus einerseits, dem Gultus an
Gewässern und unter Bäumen anderseits haben wir den
Gesammtausdruck des sehr einfachen allgemein -semitischen
Gottesglaubens zu finden, dessen Besonderheit nur in der
Ausschliesslichkeit der beiden Vorstellungen von der Gottheit
als himmlischer (erhabener) und lebengebender liegt . . . Die
eultische Bedeutsamkeit von Bäumen und Gewässern steht
nicht in Widerspruch mit dem für die meisten Fälle all-
gemein anerkannten astralen Charakter der semitischen
Gotter, repräsentirt nicht ein zweites (tellurisches) Element
der semitischen Gotterwelt, welches — so weit unsere
Eenntniss bis jetzt reicht — sich überhaupt nicht nach-
weisen lässt'^*)
*) [Vgl. unten S. 37 f. F. R.]
m.
Die PhSnicler.*)
1. Religion.
802B Es giebt wenig Völker in der Geschichte, deren Wichtig-
keit für die menschliche Gultur unzweifelhafter und über die
doch unsere üeberlieferung gerade nach den wesentlichsten
Seiten hin trümmerhafter wäre^ als die Phonicier. Auch was
wir über ihre Religion hören, macht nur eine scheinbare
Ausnahme. Denn das von Philon von Byblos griechisch
übersetzte Werk des angeblich um 1221 v. Gh. schreibenden
*) [Dieser Aufsatz ist das deutsche Original von Gutschmids An-
theil an dem Artikel „Phoenicia*' in der Encyclopaedia Britannica,
ninth edition, Tolume XYIII p. 801—810 und bildet ein in sich ab-
geschlossenes Ganze. Die übrigen Theile jenes Artikels sind von Pro-
fessor Socin yerfasst. Sie behandeln die Geographie des Landes, Basse
und Sprache des Volkes, sowie die phönicische Kunst. Gutschmids
Arbeit ist bei der englischen Bearbeitung vielfach und zum Theil stark
gekürzt worden und erscheint daher hier zuerst vollständig. Eine
Anzahl von Namensformen und einige ungewöhnliche Wendungen,
welche Gutschmid mit Bücksicht auf die vorzunehmende Uebersetzung
gewählt hatte, habe ich durch die sonst von ihm gebrauchten ersetzt;
zu tiefer greifenden formellen Aenderungen, wie sie der Verfasser, wäre
er selbst zur Herausgabe des deutschen Textes gelangt, ohne Zweifel
vorgenommen haben würde, habe ich mich nicht für berechtigt gehalten.
Zugesetzt habe ich (immer in eckigen Klammem) einige Verweisungen
auf andere Schriften Gutschmids und einige thatsächliche Angaben,
namentlich mit Bücksicht auf Nieses Ausgabe des Josephos. Bei den
paar vorkommenden Längenmassen habe ich statt der englischen die
deutschen Bezeichnungen gesetzt. Die Zahlen am Bande geben die
Seitenzahlen der Encyclopaedia Britannica an; es schien der Citate
wegen zweckmässig, sie auch bei dem deutschen Texte zu be-
zeichnen. F. B.]
1. RELIGION. 37
Berytiers Sanchuniathoii; aus dem Eusebios in der Praeparatio
evangelica^) die Eosmogonie und Theogonie jenes Volkes
mitiheilt, ist; wie die apokryphen Autoritäten, auf die es
sich beruft, und die f&r eine so frühe Zeit unmögliche Ver-
wandtschaft mit dem Systeme des Euhemeros beweisen,
untergeschoben, und zwar von Philon selbst; denn die starken
Entlehnungen aus Hesiod verrathen einen Griechen, das Vor-
drängen von Byblos in einem angeblich Berytischen Geschichts-
werke einen Byblier, und Philon war ein Fanatiker, der ffir
den Euhemerismus eingeständlich durch dieses Werk Propa-
ganda machen wollte. Das yon ihm yerarbeitete Material
ist trotzdem wahrscheinlich in der Hauptsache echt, aber
durchweg nach seinem Systeme zugeschnitten und daher nur
mit Vorsicht in der Weise zu benutzen, dass man es an den
kümmerlichen Resten aus authentischen Quellen misst.*) Die
beiden Triaden der Schwurformel in dem von Polybios VU,9,*2
bewahrten Vertrage zwischen Hannibal und Philipp von Make-
donien, Sonne, Mond, Erde — Flüsse, Auen, Gewässer, ent-
halten die Gegenstände, von denen alle Gottesyerehrung bei
den Phoniciem ausgegangen ist Die Flüsse waren meistens
männlichen, Bäume weiblichen Gottheiten heilig; femer waren
Berge wegen der grosseren Nähe zum Himmel Gegenstand
der Verehrung; in den Bätylen, yom Himmel gefallenen
Meteorsteinen, sah man Sendboten der Gottheit und heiligte
sie. Das zweite Menschengeschlecht, das Philon Genos und
Genea nennt, betete zuerst die Gewächse der Erde an, als
aber Dürre eintrat, streckten sie die Hände empor zur Sonne
als dem Herrn des Himmels oder Beelsamen, worin liegt,
dass die Verehrung der Himmelskörper als eine jüngere
Entwickelungsstufe angesehen wurde. Der neueste, yorzugs-
weise competente Forscher auf diesem Gebiete *) ist hingegen
der Ansicht, dass alle phönicischen Gottheiten astrale sind,
die sich in der irdischen Welt nur manifestiren; was ihnen
•) [Vgl oben 8. 21. P. R.]
1) I, 9 p. SO D.
2) Graf Baadissin, Stadien zar BemiÜschen BeligionegeBchichte
U 8. 143 ff.
38 DIE PHOENICIER.
hier heilig ist^ sei nur Symbol, nicht Wohnsits derselben.
In der That lässt die Legende von dem feurigen Stern der
Himmelskönigin, der sich in den heiligen Fluss bei Aphaka
senkt ^), das Zusammenfallen der Namen der heiligen Flüsse
mit denen der Himmelsgotter, die Bezeichnung des Sidoni-
sehen Meergotts als Zsvg d'aXaMiog^) nicht wohl einen
Zweifel; dass die phönicische Theologie sich den Wider-
spruch in dieser Weise zurechtgelegt hat. Sollte aber nicht
vielmehr das unvermittelte Nebeneinanderbestehen beider
Gultusformen das Ursprüngliche sein? Logische Folgerichtig-
keit ist nicht etwas, was man bei einer Yolksreligion ohne
Weiteres voraussetzen kann. In der uns geschichtlich be-
kannten Zeit überwiegt die astrale Seite: die Verehrung der
Sonne, der bald der Mond, bald, insofern der Sonnengott
zugleich Himmelsgott ist, die Erde als Weib beigegeben
Wird, ist Mittelpunkt der Religion; hier setzt alle Mytho-
logie bei den Phoniciern an. In Byblos, dessen Cultus uns
allein etwas näher bekannt ist, galt £1 als Erbauer der
SOSAStadt und specieller Landesherr, was zur Folge hatte, dass
die übrigen Götter im Vergleiche, zu ihm herabgedrückt
wurden: £l ist bei Philon der höchste Gott, die anderen
Gotter (tiltn oder Elöhün) sind ihm untergeordnet. Auch
in den anderen Städten war Eine Form des Sonnengotts
oder seines Weibes das numen patrium, das einer ziemlich
exclusiven Verehrung genoss. Es ist das eine Entwickelung
der Religion in der Richtung nach dem Monotheismus hin,
wie sie sich ähnlich auch bei dem moabitischen ESmosh nach-
weisen lässt. ^) £l soll zuerst die Beschneidung vollzogen,
zuerst dem höchsten Gotte seinen einzigen Sohn oder seine
jungfräuliche Tochter als Opfer dargebracht haben. Er
wandelt durch die Welt und zieht nach Westen, wo die
Sonne untergeht. Seiner Gattin Baaltis übergiebt er By-
blos; es soll dies erklären, warum sie im Cultus dieser Stadt
in den Vordergrund tritt: der ihr beigesellte Gott, Eliun,
1) Sozom. II, 5, 6. 2) Hesych. v SaXdcCiog,
8) Vgl. The Moabite Stone in Records of the Fast XI, 165 ff.
1. RELIGION. 39
Shadid oder Miyi^toq Baog^ wird aufgefasst als ihr jugend-
licher Geliebter/ £l nimmt den Charakter eines feindlichen
Gottes an. Von ihm wird jener mit dem Schwerte durch-
bohrt oder kommt aurder Jagd durch einen Eber um; die
Trauer um den yerstorbenen Gotterjüngling und sein Wieder-
finden bildet einen Hauptbestandtheil des Cultus, jn den
frühzeitig ägyptische Elemente eingedrungen sind. Ander-
wärts ist dem höchsten Gotte Astarte beigesellt als Mond-
göttin und trägt darum Euhhörner; in Tyros wurde sie als
Sternenkönigin unter dem Symbole eines Sternes verehrt
Wie mit dem Cultus der Baaltis, so waren auch mit dem
ihrigen ausschweifende Orgien verbunden^ von denen es auch
in Karthago an Spuren nicht ganz fehlt ^), obschon die dor-
tige Theologie das Wesen der Göttin ernster und strenger
gefasst hat. Astarte galt als Mutter des Tyrischen Sonnen*
gottes Melqarth^) oder, wie die eigentliche Benennung lautet,
^yunseres Herrn Melqarth des Ba'al von 9or''.') Wegen der
Regelmässigkeit, mit der die Sonne ihren täglichen Lauf
vollbringt, gilt er als der in der Welt wirkende und sich
offenbarende Gott, Sohn des Gottes, der über der Welt ist,
Schirmherr der bürgerlichen Ordnung; wegen des Einflusses
der Sonne auf die Fruchtbarkeit der Erde knüpfte sich aber
auch an ihn ein sinnlicher Naturdienst, bei dem Eleider-
vertanschnng von Männern und Frauen eine Bolle spielte.
Ein Hauptfest von ihm war in Tyros die „Erweckung des
Herakles'^ im Monat Peritios (Februar/März)^), eine Feier
der wiedererwachenden Kraft der Sonne im Frühjahr, auf
die sich wohl der Spott des Elia I. [-» lU.] Könige 18^ 27
bezieht. Eigenthümlich ist Berytos der Cultus des Poseidon
und anderer Meergottheiten, die in eine genealogische Ver-
bindung mit Zeus Belos, einem jenseit des Euphrat erzeugten
Sohne des £l, gebracht werden; vielleicht findet also ein
Zusammenhang mit den babylonischen Fischgöttern statt
1) Ang. de dv. Dei U, 4.
2) Endoxos bei Ath. IX p. 892 D.
8) lüBchrift von Malta im C. I. Sem. I No. 122.
4) Menander von Ephesos bei Job. A. J. VIII, 6, 3.
40 DIE PHOENICIEB.
Berytos war auch eine Hauptstätte des Cultus der Eabiren,
der sieben namenlosen Sohne Sydeks und ihres Bruders, des
achten und grossten Eabiren Eshmün. Der Stammbaum,
den ihnen Philon giebt, ist ein Versuch, den Fortschritt der
Menschheit von den rohesten Anfangen zu höherer Cultur
darzustellen; die Berührungen mit der Stammtafel der Eai-
niden in der Genesis sind längst aufgefallen. Nicht bloss
die halbgottlichen Ahnen der Kabiren, 'sondern auch diese
selbst gehören. einer verhältnissmässig jungen Stufe der reli-
giösen Entwickelung an: sie sind die Schutzgötter der Hand-
werke, der Künste, kurz aller bürgerlichen Thätigkeit. In
Folge davon sind sie die grossen Landesgötter Phöniciens,
die namentlich in der Bundesstadt Tripolis verehrt wurden.
Auf Münzen dieser Stadt ^) werden sie die syrischen (d. i.
yielleicht assyrischen) Götter genannt, was darauf hinweist,
dass das viele Aegyptische, das frühzeitig in Bezug auf die
Eabiren und namentlich Eshmün in die Bel^on der Phö-
nicier eingedrungen ist, von diesen selbst nicht als etwas
Ursprüngliches angesehen wurde. Dagegen ist die dem Esh-
mün verwandte Figur des Taaut, des Erfinders der Buch-
stabenschrift, sicher eine Entlehnung aus Aegypten, wo der
Cultus des Tehuti uralt ist. Dasselbe gilt von der Onka^)
(wohl der Anuke von Sais) und vielleicht von dem ganzen
sosBEreise der Götter, die die heiligen Schriften offenbaren und
commentiren, von denen einzelne in Schlangengestalt er-
scheiuen. Die Phönicier stellten ihre Götter nicht anthropo-
morphisch, sondern symbolisch dar, besonders durch Säulen
von Stein oder (wie bei der Himmelskönigin) von Holz
(ash^räh). Selbst bei eigentlichen Bildern ging mau der
Menschenähnlichkeit in irgend einer Weise aus dem Wege,
indem man den Gott doppelköpfig, geflügelt, mit Thier-
emblemen, zwergförmig, hermaphroditisch darstellte u. s. w.
Zum Opfer wurden Stiere und andere männliche Hausthiere
genommen, zu Sühnopfem auch Hirsche®); die geringeren
1) Bei Eckhel, D. N. V. III S. 374. 2) Sieph. v. 'Oyxaiai.
3) üeber das der Göttin Tanit dargebrachte HirBchopfer vgl.
Clennont-Ganneau im Jonm. Asiat YUiäme Sär. XI p. 238 ff. 444ff.
2. ÜRSPEUENGE DES VOLKES. 41
Opfer bestanden in Vogelo. Ausnahmsweise wurden zur
Abwendung gössen Unglücks yom Gemeinwesen Menschen
geopfert; das Opfer wurde aus dem Kreise der Bürger
gewählt und musste schuldlos sein, daher wurden dazu
Kinder genommen, am liebsten erstgeborene oder einzige
Söhne. Ans derselben Vorstellung^ dass das Heiligste und
Theuerste der Oottheit geopfert werden soll^ ging die Ein-
richtung hervor, dass die Jungfrauen sich an bestimmten
Festtagen in den .heiligen Hainen der Himmelskönigin den
Fremden preisgeben mussten, und die verwandte, dass Jung-
frauen oder Frauen sich der Göttin auf eine bestimmte Zeit
als QSd^shöth (Hierodulen) weihten. Wie die Menschenopfer
überall, so wurde diese Sitte wenigstens an vielen Orten
spater durch ein stellvertretendes Opfer ersetzt; in Bjblos
galt die Haarabschneidung der Frauen am Adonisfest als
ein Aequivalent ')
2. Ursprünge des Volkes.
Die Götter selbst sollten die ältesten Städte des Landes
gegründet und wohl die Phönicier in dasselbe geführt haben.
Nach ägyptischem Vorgange legte sich dieses Volk ein Alter
Yon 30000 Jahren bei^), hatte aber die Erinnerung an eine
Einwanderung von einem im Osten gelegenen Meere noch
wohl bewahrt Herodot (VII, 89) verstand dies vom erythräi-
schen Meere (dem persischen Meerbusen), und die Begleiter
Alezanders glaubten hier die Ursitze der Phönicier wieder-
gefunden zu haben und putzten seine Ansicht durch gelehrte
Etymologien auf. Es liegt aber ein blosses Missverständniss
vor und das Richtige ist in einer Nachricht des Pompejus
Trogus') bewahrt, wonach die Phönicier ihre ältesten Sitze
an dem (den Griechen vor der Diadochenzeit völlig unbe-
kannten) Todten Meere hatten und, von da durch ein Erd-
beben vertrieben, an die Küste wanderten und Sidon grün-
deten. In dem Erdbeben hat Bunsen^) scharfsinnig dasjenige
1) Luc. de dea Syria c. 6.
^) AfricanuB bei Synk. p. 81, 10 (Dind.).
3) Joaün. XVni, 3, 3. 4) Aegypten lY S. 291.
42 DIE PHOENICIER.
erkannt^ durch welches Sodom und Gomorra untergegangen
und das Todte Meer entstanden sein soll; es wird auch in
der Genesis ^) mit der Auswanderung des Lot in Verbindung
gebracht und mag als mythischer Anlass zu den Wanderungen
der dortigen Stamme in deren Sagen eine ähnliche Rolle
gespielt haben, wie der Deichbruch von Märib in denen der
Araber.*) Das Land, welches die Phonicier in historischer
Zeit bewohnten y nannten sie ESna^an oder ESnä^ (bei He-
kataeos') Xvä), sich selbst Eanaanäer, Benennungen, die sich
gleichmässig auf das Küstenland, wie auf das in der Folge
von den Israeliten in Besitz genommene Hochland beziehen;
ist also die Etymologie, nach welcher der Name Niederung
bedeutet, richtig, so ist er an der Küste entstanden und auf
das Ganze übertragen worden. Die Griechen nennen Volk
und Land 9oivtx€S9 9oiv{xri] das erstere wurde ihnen früher
bekannt, als das letztere, und schon darum kann der Name
nicht Land der Dattelpalme bedeuten, eines Baumes, der von
den Griechen q>otvii (der phonicische) genannt worden ist,
ursprünglich aber dort gar nicht heimisch war^): vielmehr
ist 0oivLxeg mit Hülfe einer alterthümlichen für Volks-
namen^) verwendeten Bildungssilbe -Msg von ipoi,v6g, blut-
roth, abzuleiten und bezeichnete das Volk vielleicht so wegen
seiner dunkleren Gesichtsfarbe. Seitdem der südlichste Theil
der Küste von den Philistäern besetzt worden war, bildete
das Gebiet der nördlichsten ihrer Städte Ekron die Süd-
grenze Phoniciens.^) Die Nordgrenze war in der Perserzeit
die Stadt Posidion und die Orontesmündung.^ Unter den
Seleukiden wich die Grenze im Süden bis an den Fluss
Ghorseus^, der nordlich vom Stratonsthurm in's Meer fallt^
*) [Anden hatte Gutschmid darflber gehandelt in den „Beiträgen
zur Geschichte des alten Orients** S. 27f.; er berichtigte seine Aos-
fühmngen in der Anzeige von Meltzers Geschichte der Karthager (Ab-
schnitt IV dieses Bandes) S. 293 des Originaldrucks. F. E.]
1) 19, 80. 2) Bei Herodian. n, {laviiQ, Xi£. I p. 8. [Fr. 264 Mull.]
3) Hehn, Knitarpflanzen und Hansthiere S. 233 (3. Aufl.).
4) Vgl. Al^iKBSy GQii'C%eg. 5) Josna 18, 8. 6) Her. EI, 91.
Psendo-Skylax § 104. 7) Ptol. [V, 16, 6. 16, 2] Cod. B. E. Pal. 1
[Zusatz des englischen Drucks. F. B.].
2. URSPRÜENGE DES VOLKES. 43
im Norden bis an den FIuss Eleutheros zurück; so dass bier804A
Orthosia die ente phonicische Stadt war, Arados und sein
ganzes Gebiet ausgeschlossen wurde. ^) In der römischen
Kaiserzeit blieb die Grenze im Süden dieselbe; im Norden
näherte sie sich wieder ein wenig der früheren und lief
etwas südlich von der Stadt Balaneia.^) Enger als in allen
diesen späteren Grenzbestimmungen ist der Begriff von Ka-
naan Genesis 10^ 19. Josua 13^ 2—6 gefasst, wo Sidon oder
sein Gebiet die Nordgrenze bildet, offenbar nur mit specieller
Beziehung auf das von den Israeliten in Besitz zu nehmende
Land« Dies sieht man daraus, dass die jüngere Fassung der
ersten Stelle^ zu dem in der älteren als alleinigen Vertreter
der Eüstenstämme genannten Zidon, Kanaans Erstgeborenen,
noch eine Beihe anderer mit dem Gentile gebildeter Namen
von Söhnen Kanaans hinzufügt, die im Norden bis Hamath
führen. Die auffallende Erscheinung, dass sowohl im alten
Testament als in den Homerischen Gedichten zu einer Zeit,
welche notorisch die der grossten Macht von Tyros gewesen
ist, immer nur Yon Sidoniern die Rede ist, pflegt man so zu
erklären, dass dies ein Synonym von „Phönicier^^ überhaupt
sei^), und beruft sich dabei auf Stellen wie I. (= IIL) Könige
5, 20 (vgL Y. 15). Allein in demselben Gapitel werden v. 32
(vgL V. 20) die Gibliter oder Bewohner von Byblos von den
Sidoniern ausdrücklich unterschieden, und die schon erwähnte
Stelle der Genesis führt ausser Sidon die Eponymen von
Arke, Sinna, Arados und Simyra (in der Folge von Süd
nach Nord) auf, eine Reihe grosstentheils unbedeutender,
später von den Aradiern in ihr Gebiet einverleibter Städte,
nicht aber Tyros. und doch würde man selbst das von
Sidon aus gegründete Arados eher missen, als jene mächtige
1) Einige bei Strab. XYI p. 75S. Ptol. V, 16, 4. 5; beide wohl
ans ArtemidoroB. Den Eleutheros nennt Jos. A. J. XY, 4, 1 und sonst
als Grenzflüss.
2) Plin. N. H. V § 69. 79. Itin. Hierosol. p. 682. 686 (Wess.).
S) VgL Wellhansen in den Jahrbüchern für deutsche Theologie
1876 S. 403.
4) Vgl. Bndde, Biblische Urgeschichte S. 362.
44 DIE PHOENICIEB.
Stadt Aber Flüchtlinge waren es, die Arados gründeten ^)y
das also von Anfang an ein von Sidon nnabhingiges Gemein-
wesen war. Dies führt darauf, dass die Anfzählung in der
Genesis auf politischer Grundlage beruht^ und damit auf die
richtige Lösung der ganzen Schwierigkeit: während der
Blüthezeit Phoniciens bildeten Sidon und Tjros einen ein-
zigen Staat; dessen Könige früher in Sidon, später in Tyros
residirten, dessen Bevölkerung aber nach der ursprünglichen
Metropole Sidonier hiess. Das erste unzweideutige Beispiel
des Vorkommens zweier Könige von Sidon und von Tjros
nebeneinander ist aus dem Ende des achten Jahrhunderts ^)y
und es ist aller Grund anzunehmen, dass der von Menander')
erwähnte Abfall Sidons von Tyros um das Jahr 726 ein
Abfall nicht von der Tyrischen Hegemonie, sondern vom
Tyrischen Reiche gewesen ist. Die Königslisten in den ein-
zelnen phönicischen Städten reichten hoch hinauf: in Berytos
regierte Abedbalos^) in der Zeit, die Philon für den Richter
Jerubbaal ausgerechnet hatte, also etwa zu Anfang des
13. Jahrhunderts, in Sidon nannte man die Könige aus der
Zeit, in welche die Griechen den Raub der Europa setzten
(15. Jahrhundert).^) Die namhaftesten phönicischen Städte
werden schon bei Gelegenheit der Eroberungszüge erwähnt,
welche die Pharaonen der 18., 19. und 20. Dynastie vom
16. bis in's 13. Jahrhundert nach Syrien unternahmen, so
unter Thutmes III. Berytos, Ake, Joppe, und vielfach das in
diesen Kämpfen meistens zusammen mit Haleb und anderen
östlichen Landschaften genannte Arados; weniger sicher sind
die Erwähnungen von Tyros, weil die ägyptischen Inschriften
zwei verschiedene Städte kennen, deren Namen sie durch T'ar
wiedergeben. Festen Boden gewähren dagegen die Reisen
1) Strab. XVI p. 763.
2) InBchrifien Sanheribs bei Schrader, Die Keilinschriften und das
alte Testament S. 286 ff. (2. Aafl.).
3) Bei Job. A J. IX, .14, 2.
4) So verbessert Köldeke für 'JßiXßaXog bei Porphyrios bei Eus.
Praep. evang. X, 9 p. 486 B.
6) LaetoB bei Tatian. adv. Graecos § 58 [p. 38 Schwartz].
2. ÜBSPBUENGE DES VOLKES. 45
eines Aegypters aus dem 14. Jahrhundert ^)y in denen zahl-
reiche phöniciache Städte vorkommen^ darunter auch eiue
Stadt an der See^ T'am der Hafen genannt: ,;Water is carried
to it in barks^ it ia richer in fish than in sands'^, die gross-
artigen Wasserleitungen von Tyros^ von denen Reste noch
erhalten sind, existirten also damals noch nicht Die später
Palatyros genannte' Stadt auf dem Continent und das auf
einer später von Hiram mit der Inselstadt verbundenen
Felseninsel gelegene Heiligthum des HerakleS; das aber nach
den einheimischen Historikern vielmehr eines des olympischen
Zeus (d. i. Baal-Shamaim) war^), galten für die ältesten Theile
von Tyros. Herodot setzt auf Grund seiner an Ort und804B
Stelle eingezogenen Erkundigungen die Gründung um 2756
V. Ch. Zu seiner grossen Bedeutung gelangte Tyros aber
erst durch die Anlage der neuen Stadt auf der Insel. Viele
Jahre nach der Erbauung von Sidon, sagt Pompejus Trogus'),
begaben sich die Phönicier^); die der Eonig der Askalonier
unterjocht hatte, auf ihre Schiffe und gründeten Tyros , ein
Jahr vor der Einnahme von Troja. Dies stimmt gut, so-
wohl zu dem Umsichgreifen der Philistäer in der späteren
Bichterzeit, als dazu, dass Askalon unter Ramessu II. (circa
1385) noch als kanaanäische Stadt erscheint, dagegen im
achten Jahre des Bamessu IH. (circa 1246) die Palosata
einen verheerenden Einfall in Aegypten machen.^) Ohne es
zu ahnen, giebt uns Philistos^) die Epoche der in Tyros und
früher auch in Karthago üblichen Aera, indem er sagt, Zoros
(d. i. ^ör) und Earchedon hätten Karthago erbaut im Jahre
1213 V. Ch. Doch gehen die Codices hier sehr auseinander,
der sehr gute Reginensis giebt das Jahr 1209, und dies
1) Records of the Fast II S. 107 ff.
2) Die Identität ergiebt aich aus der von Her. II, 44 und Men ander
bei Jos. c. Ap. I, 18 gleichmäsBig erwähnten goldenen Säule im Tempel.
3) Just. XVIII, 3, 6.
4) Diese, nicht die Leute von Sidon, sind Subject; die geogra-
phische Schwierigkeit, wegen deren man die Nachricht verworfen hat,
existirt also gar nicht.
5) Vgl. Bragsch, Geschichte Ägyptens S. 516. 698.
6) Bei Euseb. Can. zum Jahre Abr. 803.
46 DIE PHOENICIER.
stiiumt gut dazu, dass die Parische Marmorchronik die Ein-
nahme von Troja in das Jahr darauf setzt, sowie auch zu
einer anderen ebenfalls auf Philistos zurückgehenden Nach-
richt^), welche die Gründung des Zoros und Earchedon
50 Jahre vor Trojas Fall setzt; es würde sich dies mit der
spätesten uns bekannten trojanischen Epoche, der von Demo-
kritos gebrauchten'), vereinigen lassen.*) Josephos rechnet
von der Erbauung von Tyros bis auf Hiram 229 Jahre') und
setzt die Gründung von Karthago in das 155. Jahr nach Hi-
rams Thronbesteigung.^) Da nun dieses Ereigniss nach der
besten Ueberlieferung, der des Timäos, 814 v. Oh. erfolgt
ist, so ergiebt sich ein Minus von 12 Jahren. Wahrschein-
lich lässt sich noch zeigen, wo der Fehler steckt: die Summe
kommt bei Josephos richtig heraus, wenn man die best-
beglaubigten Zahlen zu Grunde legt, aus Theophilos (u^*
ov "AöxaQtog herstellt und dessen 12 Jahre nach den vorher-
gehenden 12 Jahren des U&urpators nicht mitrechnet; es ist
aber die Frage, ob Josephos hier den Sinn seiner Quelle
richtig gefasst hat und diese nicht vielmehr die gemeinsame
Regierung des Astartos und des Usurpators besonders ver-
rechnet wissen wollte. Von dieser Voraussetzung geht die
später zu gebende Herstellung aus, die nicht den Anspruch
erhebt, die absolut wahre Chronologie wiederherzustellen,
sich aber von dieser doch nicht zu sehr entfernen dürfte.**)
3. Industrie und Erfindungen.
In den phönicischen Eüstenstädten entwickelte sich frühe
eine lebhafte Industrie, vor allem Glasbereitung, zu der der
Sand am Flusse Belos ein treffliches Material bot und deren
1) Bei App. Pun. c. 1.
2) 1160 V. Gh., wenn sein Qebartfljahr mit Thrasyllos in 470
gesetzt wird.
8) A. J. VJir, 8, 1. 4) C. Ap. I, 18.
*) \y%^' ^d. I S. 249 f. und unten Gatflcbmids Anzeige von Meltzers
Geschichte der Karthager S. 296 ff. des Originaldracks. F. R.]
**) [Vgl. unten die Anzeige von Meltzers Geschichte der Karthager
S. 297 f. des Originaldrucks. F. R.]
3. INDUSTRIE. 4. SEEFAHRT, HANDEL UND COLONIEN. 47
Hauptsitz Sidon war, Buntwirkerei und Purpurfarberei; für
welche die dazu taugliche Purpurschnecke längs der ganzen
phonicischen EGste gefunden wurde. Diese drei Industrie-
zweige galten den Alten als ErÜDdungen der Phönicier: allein
die Glasbereitung; die in Aegypten uralt ist; scheint vielmehr
hier entdeckt worden zu seiU; und bei den anderen beiden
weist Vieles auf Babylonien als älteste Heimath hiu; nament-
lich der nichtphonicische Charakter der Namen für die beiden
Hauptarten des PurpurS; den dunkelrothen (argämän) und
den dunkelblauen (tSkheleth); den Phoniciem bleibt das Yer-
dienst, diese Kunstfertigkeiten yervollkommnet und allgemein
verbreitet zu haben. Auch sonst hielt man die Ph5nicier fQr
die Erfinder par excellence: ihnen als Handelsvolk sollte man
die Rechenkunst; Mass und Gewicht (das vielmehr babyloni-
schen Ursprunges ist) und die Schrift verdanken, die von
den Aegyptem erfunden und — vielleicht aber nicht einmal
von Phonicieni; sondern von Aramäern — durch Verein-
fachung des hieroglyphischen Alphabets zur semitischen Buch-
stabenschrift^) umgebildet worden ist: das kaum geringere
Verdienst; diese Entdeckungen dem ganzen Kreise der
Mittelmeervölker zugänglich gemacht zu haben, bleibt ihnen
auch hier.
4. Seefahrt; Handel und Colonien.
Die ersten Anfange der Schifffahrt liegen vor aller
Menschen Gedenken; wenn das Alterthum auch hier den
Phoniciem den ersten Schritt zuschrieb; so ist das begreif-
lich, insofern sie das classische Seefahrervolk waren, das in
der alten Welt weder vorher noch nachher seinesgleichen
gehabt hat. Die pünktliche Ordnung am Bord phonicischer
SchiffC; die geschickte Benutzung des kleinsten Raumes ; die
Sorgfalt in der Vertheilung der Ladung; die Umsicht der
1) Die Ableitnog derselben ans der assyrischen Keilschrift ist
nicht ernsthaft discutirhar; aber anch ihre Abknnft aus dem Hierati-
schen ist wenig wahrscheinlich. [Vgl. „Neue Beiträge zur Geschichte
des alten Orients'* S. Xin. F. B.]
48 DIE PHOENfCIEE.
Steuerleute und Untersteuerleute erregte noch in später Zeit
die Bewunderung griechischer Beobachter.^) Indem sie sich
bei ihren Fahrten nach dem Polarstern richteten (der des-
halb bei den Griechen der phonicische Stern hiess)^)^ er-
806Ahohten sie die Sicherheit des Gurses; ihre Schiffe ^ vom
gewöhnlichen Kauffahrteischiffe, dem becherrunden yavkogj
bis zu dem grossen, den Indienfahrern der Neuzeit vergleich-
baren Tarshishschiffe^ erzielten eine Fahrgeschwindigkeit, die
von den Griechen nicht erreicht worden ist. Von der Aus-
breitung des phonicischen Handels entwirft uns EzechieP)
aus den letzten Zeiten der Blüthe von Tyros ein farben-
reiches Bild. Man ersieht aus demselben, dass die Bethei-
ligung der Phonicier auch an dem Landhandel eine bedeutende
gewesen ist; sie waren es, die von Alters her ägyptische und
babylonische Waaren nach der übrigen Welt vertrieben.*)
Zwei Handelsstrassen fiihrten nach dem Euphrat- und Tigris-
gebiet, eine nördliche quer durch Mesopotamien, an der die
Handelsplätze Haran {KdQQai)^ Eanneh {KaivaC) und Eden
lagen, und eine südliche, die von Saba aus den Euphrat
stromab über Assur {Lovqo) und Eilmad {Xag^dvötj) fahrte;
was uns sonst von alten Handelsstrassen bekannt ist, bezieht
sich auf die persische und makedonische Zeit und gehört
nicht in eine Geschichte des phonicischen Handels. Eigent-
liche Niederlassungen haben die Phonicier im Innern wohl
nur ausnahmsweise gehabt; wir kennen von solchen am An-
fang der nördlichen Strasse das von Sidoniern gegründete,
in der älteren Richterzeit an den Stamm Dan verloren ge-
gangene Lais^), an der südlichen Eddana am Euphrat^), das
zwar dem Namen, aber nicht der Lage nach mit Eden zu-
sammenfallt und richtiger mit dem von Isidor von Gharax^)
erwähnten Giddan verglichen werden dürfte.*) Am arabi-
schen Karawanenhandel waren die Phonicier, wenn auch
' 1) Xen. Oec. 8, 11 ff. 2) Hygin. Poet Astron. 11, 2.
3) 27, 12—26. 4) Her. I, 1.
6) Bicht. c. 18. 6) Steph. y. "Eädava,
7) Maus. Parth. § 1.
*) [Vgl. oben S. 11 f. F. R.]
4. SEEFAHRT, HANDEL UND COLONIEN. 49
nur mittelbar; lebhaft betbeiligt^); seine Bedeutung beruhte
wesentlich inoi Weihrauch, in Specereien, Wohlgerüchen und
Käucherwerk aller Art, dessen man zum Opfer bedurfte.
Südarabien selbst erzeugte nur einen kleinen Theil davon;
zum grösseren Theil waren es Transitowaaren ostafrikani-
scher und indischer Herkunft, die über Saba in den Handel
kamen. Wie lebhaft der Verkehr mit diesem reichen und
mächtigen Handelsstaate in den Zeiten vor der Perserherr-
schaft gewesen ist, lehren uns mehr als ausdrückliche Zeug-
nisse die genaue Kunde, welche die Völkertafel von der Geo-
graphie des Sabäerlandes verräth, die vielfachen Beziehungen
der assyrischen Könige zu Arabien und Saba und Thatsachen
wie die Auffindung einer von einem Manne mit ägyptischem
Namen in aramäischer Sprache verfassten Inschrift aus dem
sechsten Jahrhundert in Teima, im Herzen von Arabien.^)
In Aegypten fasste der Handel und der durch ihn bedingte
Cultureinfluss der Phönicier frühe festen Fuss; den Griechen
wurde, wie viele Namen in ihresji Sagen verrathen, die älteste
Kunde von Aegypten durch die Phönicier vermittelt. Als
Aegypten unter der 23., 24. und 25. Dynastie (825 — 650)
in anarchische Zustände wie unter den Mamelukenbeys ver-
fiel und die fremden Kaufleute verscheucht wurden, in 'dieser
Zeit, als bei den Griechen die Sage vom ungastlichen Bu-
siris ^) aufkam, waren die Phönicier die Einzigen, die sich
behaupteten und von der Fremdensperre Vortheil zu ziehen
verstanden.^) Die Tyrier hatten ein eigenes Quartier in der
Altstadt von Memphis, das TvgCav ötQatojtsSov^), aber wirk-
liche Colonien haben die Phönicier in Aegypten nie gehabt.
Dass ihre nächsten Hinterländer Palästina und Syrien wirth-
1) Vgl Her. III, 107.
2) Nöldeke in den Sitzungsberichten der Berliner Akademie 1884
S. 813 ff.
3) Der Name XdXßrig, den bei Pberekydea (Schol. Apoll. lY, 1396
[Fr. 33 Müll.]) der Herold des Bnairis führt, ist deutlich hebräisch
Eeleb, Hand.
4) Vgl. Niebuhr, Vorträge über alte Geschichte I S. 219 [vgl. oben
S. 18. F. R.]. 6) Her. II, 112.
Y. OuTBCHiiiD, Kleine Schriften. IL 4
50 DIE PHOENICIER.
scbaftlich auf sie angewiesen waren ^ liegt auf der Hand,
Ezechiel führt sie aber auch ausdrücklich unter den Handels-
gebieten von Tyros auf, desgleichen das ferne Thogarma, ein
armenisches Land. Eilikien war für die Phönicier von Wich-
tigkeit als der von der Natur gegebene Punkt für die Ver-
schiffung der von den Euphratländern her kommenden Waaren,
das gegenüberliegende Cypern wegen seines Reichthums an
Schiffsbauholz und Kupfer; beide Länder waren ursprünglich
Ton einer und derselben Bevölkerung, den nichtsemitischen
Eittim, bewohnt, deren Name sich dort in der Landschaft
Kritigj hier in der Stadt Kitiov erhalten hat, standen aber
unter einem tiefgehenden semitischen Einflüsse, der in erster
Linie den Phoniciern zuzuschreiben ist. Auf dem Festland
gehörten ihnen die Niederlassungen Myriandos^) und Tarsos,
eine Gründung der Aradier*); in Cypern ward Eition, das
bis in die spätesten Zeiten ein Hauptsitz phönicischer Sprache
und phönicischer Cultur geblieben ist, auf Belos^), Karpasia
auf Pygmalion*) zurückgeführt, und der 346 v. Gh. schrei-
806Bbende 'Pseudo-Skylax^) kennt Karpasia, Keryneia und Lape-
thos als phönicisch. Die Vorstellung jedoch, als sei die
Herrschaft der Phönicier über Cypern uralt und als seien sie
hier schrittweise vor den Griechen zurückgewichen, scheint
sich nicht zu bestätigen; vielmehr scheint das Machtverhält-
niss bedeutenden Schwankungen unterworfen gewesen zu sein.
Auf den assyrischen Tributlisten der Jahre 673 und 66-7®)
finden sich zwei phönicische Stadtnamen, Sillü (Soli) und
Qartichadast (wohl Neu-Paphos), aber weder erscheint eines
der späteren phönicischen Reiche, die also damals noch nicht
existirt zu haben scheinen, noch trägt auch nur ein einziger
der zehn dort aufgeführten Könige einen phönicischen Namen.
1) Xen. Anab. I, 4, 6; At^, eine Stadt der Phönicier, bei üekatäos
fr. 259 ist aber wohl nicht Aegä, sondern Gaza.
2) Dion Chrysost. Or. XXXIII, 40.
8) Alezander von Ephesos bei Steph. v. Aant^^og,
4) Hellanikos bei Steph. v. KaQnaaia, 6) § 103.
6) 7 gl. Schrader, Die Keilinechriften und das alte Testament
S. 364 ff. (2. Aufl.).
4. SEEFAHRT, HANDEL UND COLONIEN. 51
Für das Ende des achten Jahrhunderts ist die Herrschaft der
Eonige von Tyros über die Insel bezeugt^); aber dass sich
die dortigen Griechen^ statt die längst vorhandene phönicische
Schrift anzunehmen^ um diese Zeit herum die Mühe nahmen,
eine eigene griechische Keilschrift der assyrischen nachzu-
bilden, ist eine gewichtige Instanz gegen das Bestehen einer
uralten und ununterbrochenen politischen Verbindung mit
Phonicien. In den griechischen Gewässern zeigen uns die
Homerischen Gedichte die Phönicier als Kleinhandel, neben-
bei auch Sklavenhandel und Menschenraub treibend, aber
nicht als Ansiedler. Die Tradition') lässt einstimmig Karer
und Phönicier vor den Wanderungen der griechischen Stämme
nach Kleinasien die Inseln des ägäischen Meeres bewohnen
und vor den Griechen zurückweichen; in Bezug auf die Phö-
nicier gilt dies jedoch nur von den südlichsten, in* der Folge
von den Doriem besetzten Inseln. Hier hatten sie Stationen
zur Ausbeutung bergmännischer Producte und für den Fang
der Purpurschnecke und die Purpurfärberei; da der Bedarf
an Rohmaterial bei dieser Industrie ein ungewöhnlich grosser
ist, so ist nicht mit Unrecht vermuthet worden^), dass dies
die ältesten aller phönicischen Niederlassungen gewesen sind.
Die nördlichste der Kykladen, auf der sich Spuren von An-
wesenheit der Phönicier nachweisen lassen, ist Oliaros, colo-
nisirt von Sidoniem*), vermuthlich zu bequemerer Ausbeutung
der Marmorgruben des gegenüberliegenden Paros. Einen ver-
wandten Anlass hatte wohl auch die Besiedlung von Melos
durch Byblier^): die Insel erzeugt das Melische Weiss, Alaun
und Schwefel. Hauptsitze der Purpurfärberei waren die von
Phöniciem besetzten Inseln Kythera^), Thera (init dem nahe
gelegenen Anaphe)^ und die Stadt Itanos am östlichen Ende
1) Darob Menandor bei Jos. A. J. IX, 14, 2.
2) Vgl. besonders Thnk. I, 8.
3) Dancker, Geschichte des Alterthums II S. 55 (5. Aufl.).
4) Herakleides Pontikos bei Steph. v. 'SlUagog.
6) Steph. V. AfijXoff.
6) Her. I, 105.
7) Her. IV, 147. Steph. v. MByLßUccQog.
4*
52 DIE PHOBNICIER.
von Kreta ^); der aus den lakonischen Gewässern kommende
Purpur war besonders berühmt^ das sind die Inseln Elisa
bei Ezechiel 27, 7. Weiter östlich waren Phönicier ehedem
ansässig auf Rhodos') (Rodanim in der Yölkertafel nach
dem Texte I. Chron. 1, 7). Die griechischen Localtraditionen,
die für Thera und Rhodos den Charakter positiver historischer
Erinnerungen annehmen, erhalten eine Bestätigung auf Thera
und Melos durch die in den oberen Tuffsteinschichten ge-
machten Funde phönicischer Thongefässe und Schmucksachen,
anderwärts durch Culte, welche nach der Besitzergreifung
der Inseln durch die Dorier auf diese übergingen: die auf
Kythera verehrte Aphrodite Urania war identisch mit der
orientalischen Liebesgöttin von Paphos, ihr Tempel sollte von
Askalon aus gestiftet sein^); die Münzen von Itanos^) stellen
eine Gottheit mit Fischschwanz dar; auf Rhodos wurden dem
Eronos noch in späterer Zeit Menschen geopfert.^) Das von
den sonstigen griechischen Mythen abweichende Gepräge der
Sagen von Rhodos und Kreta ist ein bleibendes Zeugniss
davon, wie tief phönicische Religion, zum Theil in ihrer
grausigsten Form, an beiden Orten eingedrungen ist: es
genügt, dort an die Erzählungen von den acht Helios-
kindem, hier an die von der Europa, Minotauros und dem
ehernen Talos zu erinnern. Die vorgriechische Bevölkerung
der Inseln, die Earer und die mit ihnen eng zusammen-
hängenden Eteokreten oder Mnoi'ten (wahrscheinlich ein und
dasselbe Volk mit den aus Eaphthor gekommenen Philistäern)
hatten keine eigene Cultur und standen deshalb völlig unter
dem Einflüsse der höheren Cultur des fremden Volkes. Aber
auch auf di« Griechen ist die Einwirkung der Phönicier
806Akeine geringe gewesen; das beweisen schon die mancherlei
im Griechischen aus dem Phönicischen stammenden Lehn-
worte, die zur Benennung namentlich von Zeugstoffen,
Geräthschaften, Schreibmaterialien und anderen in Zu-
1) Steph. V. 'Itavos. 2) Ergeiae (?) und Polyzeloa
bei Ath. VIII p. 360 D. 3) Her. I, 106.
4) Mionnet 11 S. 284 f. [Vgl. Head, Historia numorum S.398. F. B.]
5) Porph. de abst. II, 54.
4. SEEFAHRT, HANDEL UND COLONIEN. 53
sammenhang mit dem Handel stehenden Dingen dienen.^)
Durch die Phönicier lernten die Griechen Mass und Gewicht
kennen; das Fremdwort iivä («=» hebräisch manch) ist bei
ihnen yöllig eingebürgert. Sie verdanken ihnen ferner die
Kunde der Buchstabenschrift^ welche von der Sage ein-
stimmig mit dem Namen des Eadmos, des Gründers von
Theben y in Verbindung gebracht wird. Man hat deshalb
Theben als eine phonicische Colonie angesehen und gemeint,
dies durch Herleitung des Namens Kad^og von Eedem,
Osten, stützen zu können, ohne zu bedenken, dass die
Griechen nicht phonicisch redeten, die Phönicier aber doch
nicht sich selbst östlich waren. Eine phonicische Colonie
mitten im Binnenlande ist äusserst unwahrscheinlich, auch
weisen alle sonstigen Spuren in der Kadmossage yielmehr
auf Zusammenhänge mit dem Norden hin. Von Eadmos
stammten die Eadmeier, welche Thera colonisirten, sich mit
den dort zurückgebliebenen Phöniciern vielfach vermischten
und durch sie die Buchstabenschrift kennen lernten; hier,
wo sich die ältesten griechischen Inschriften gefunden haben,
ist diese That auf den mythischen Ahnherrn übertragen und
dieser zum Phönicier gemacht worden. Wir wissen jetzt
besser wie früher, in wie hohem Grade die Griechen der
ältesten Zeit vor den Wanderungen von orientalischer Gultur
abhängig gewesen sind, und es ist sehr glaublich, dass den
Phöniciern als Vermittlern hierbei eine wichtige Bolle zu-
gefallen ist. Darauf weisen die Funde in den Gräbern von
Mykenä, wo neben reichem Goldschmucke, orientalischer
Ornamentik, Bildern von Pflanzen und Thieren des Ostens
auch phonicische Idole, Bernsteinsachen und ein Straussenei
zu Tage gekommen sind, ferner die im Hymettos ent-
deckten Felsengräber, die mit denen in Fhönicien selbst
grosse Aehnlichkeit haben, vor allem der Cultus des Tyri-
schen Melkarth als Mshx^rig auf dem Isthmos von Eorinth,
einer uralten Stätte des Völkerverkehrs.
So sehr dies Alles uns die Lebhaftigkeit des Handels
1) Vgl. Ang. Müller in den Beiträgen zur Kunde der indoger-
manischen Sprachen I S. 273 ff.
54 I>1E PHOENICIER.
veranschaulicht^ welchen die Ph'önicier nach diesen Gegenden
hin trieben, so findet sich doch von Niederlassungen derselben
weder auf dem griechischen Festlande noch in der mittleren
Zone der Inseln des ägäischen Meeres die geringste Spur.
Wohl aber ist im Norden die Insel Thasos der Goldgewinnung
wegen von den Phöniciern besetzt worden^), wahrscheinlich
auch Galepsos an der gegenüberliegenden Küste von Thra-
kien*); sie waren es auch, welche hier die Goldbergwerke
des Gebirges Pangäos eröflheten.*) Weiter scheinen die-
selben in dieser Richtung nicht vorgedrungen zu sein. Aller-
dings erwähnt Ezechiel den Handel von Menschenseelen und
Gerathen von Erz, den die Tyrier mit Javan, Thubal und
Mesech (den pontischen Griechen, Tibarenern und Moschern)
trieben; allein die Spuren von wirklichen Niederlassungen
der Phönicier an diesen Küsten^ die man zu finden gemeint
hat, erweisen sich bei näherer Betrachtung sammt und son-
ders als illusorisch, auch die phonicische Gründung Pro-
nektos an dem Meerbusen von Astakos^) steht so völlig
vereinzelt da, dass man in ihr vielleicht richtiger eine Station
der phonicischen Flotte in der Perserzeit als eine alte Colonie
erkennt.*) Das eigentliche Centrum des phonicischen Han-
dels und der phonicischen Colonisation waren die westliche
Hälfte des mittelländischen Meeres und die Küsten des
atlantischen Oceans rechts und links von der Meerenge von
Gades. Vor Allem der Handel mit Tarshish (Tartessos), d. h.
mit dem Gebiete des Flusses Tartessos (des Guadalquivir),
legte den Grund zu der Grösse der Phönicier als Handels-
volk. Sie trieben dort einen einträglichen Fischfang, beson-
ders von Thunfischen und Muränen; vor Allem wichtig aber
war der Gewinn von Metallen, besonders Silber, der durch
die Leichtigkeit des Verkehrs begünstigt wurde: Guadiana
und Guadalquivir waren bis hinauf zu den Bergwerken hin
schifiTbar, die vielen Aestuarien erleichterten das Landen und
. 1) Her. VI, 47. 2) Marsyas d. J. bei Harpokr. v. rdXf}iJ>og,
8) Kalliathenes bei Strab. XIY p. 680. 4) Stepb. v. U^ovi^vog,
*) [Vgl. die Becension von MüUenbofifs Deutscber Altertbame-
kunde im Literarischen Centralblatt 1871 S. 522f. F. B.]
4. SEEFAHRT, HANDEL UND COLONIEN. 55
Verschiffen^ die Eingeborenen standen noch auf einer ziemlich
niederen Culturstufe^ auf der sie den Werth der Metalle nicht
richtig zu schätzen wussten. Concnrrenten fehlten lange Zeit
ToUig. So war denn der Gewinn ein ungeheurer; man er-
zahlte sich, dass die von Spanien heimwärts segelnden Phö-
nicier die Anker ihrer Schiffe aus Silber ^gemacht hätten.^)
Bald fuhren sie weiter hinaus in den Ocean und holten Zinn
aus dem nordwestlichen Spanien und noch weiter her aus
den viel reicheren Zinngruben von Cornwallis; dort lagen
die Kassiteridischen Inseln^ nach denen von Oestrymnis (der
Bretagne) aus übergefahren wurde^ nach der alten, wahr-
scheinlich richtigen, Annahme^) die Scilly- Inseln. Von den
nördlichen Enden der bekannten Erde wurde schon in sehr
früher Zeit auch der Bernstein bezogen: Bernsteinschmuck
wird in den Homerischen Gedichten vielfach erwähnt undSOeB
hat sich schon in den ältesten Gräbern von Cumä und in
denen in der Nähe des Löwenthors von Mykenä gefunden«
Doch ist es wenig wahrscheinlich, dass die Phönicier ihre
Fahrten bis zur Nordsee (wo Bernstein schwerlich je in er-
heblichen Mengen gefunden worden ist), geschweige denn
bis zu seiner eigentlichen Heimath an der Ostsee ausgedehnt
haben; vielmehr erhielten sie ihn wohl auf den Handels-
strassen, deren eine von der Ostsee nach dem Adriatischen
Meere, eine zweite den Rhein aufwärts und den Rhone ab-
wärts führte.^ Ja, eine Entdeckung des Reisenden Fraas^),
der Bemsteinlager im Libanon in den nächsten Umgebungen
von Sidon auffand, legt die Frage nahe, ob nicht die Phö-
nicier das kostbare Product aus nächster Nähe bezogen und
1) Diod. V, 35.
2) Weil Zinn nur auf dem britischen Festlande vorkommt, hat
Müllenhoff, Deutsche Alterthamskonde I S. 92 die Eassiteriden fflr Bri-
tannien selbst erklärt; allein sämmtliche Quellen unterscheiden beide^
so dass hier wohl einer der nicht seltenen Fälle vorliegt, wo der
Punkt, nach welchem eine Waare gebracht wird, um da verladen zu
werden, für den Ursprungsort derselben gehalten worden ist. Näheres
habe ich gegeben im Literarischen Cenitralblatt 1871 S. 528.
3) Vgl. Lohmejer, Geschichte von Ost- und Westpreussen S. 3.
4) Drei Monate im Libanon S. 94; Aus dem Orient 11 S. 60 ff.
56 DIE PHOENICIER.
nur die Kunde, wie das ihre Art war, verheimlicht haben;
denn die Alten wissen von Bernstein in Syrien, und auch
davon, dass es gegrabenen Bernstein gebeJ) Der gewinn-
bringende Handel mit Spanien gab den Anstoss zur Coloni-
sation des Westens durch die Phönicier.^) Die Ansiedelungen
jenseit der Säulen des Hercules setzt Strabon^) bald nach
dem Trojanischen Krieg, also nach dem früher Bemerkten*)
in die Zeit des ersten Aufblühens von Tyros; Lixos in
Mauretanien war älter als Gades^), Gades war einige Jahre
vor ütica gegründet. '^) Die Erbauung von Utica fällt in
das Jahr 1101 v. Gh.^), die der grossen Masse der afrikani-
schen Colonien aber wohl erst später; wir kennen die Grün-
dungszeit von Aoza (zwischen 887 und 855)^) und von Karthago
(814).^) Es bestätigt sich der geschichtliche Erfahrungssatz,
dass die Endpunkte eines Handelsweges meist früher besetzt
werden, als die auf der Mitte der Fahrt gelegenen Plätze,
indem die Nothigung, die Verbindung mit den ersteren zu
sichern, die Anlage von Zwischenstationen hervorruft. Die
Golonisation des Westens durch die Phönicier war eine sehr
intensive; unterliegt auch die Nachricht des Ophelas^), dass
die Tyrier allein an der mauretanischen Küste jenseit der
Säulen des Hercules 300 Städte gegründet hätten, dem Ver-
dachte der Uebertreibung, die Thatsache steht fest, dass sie
und später die Karthager dem westlichen Afrika durch ihre
Ansiedlungen einen völlig phönicischen Charakter aufgeprägt
und ihre Sprache, wenigstens in den Städten, weit über die
Grenzen ihrer Nationalität hinaus in demselben Grade zur
herrschenden gemacht haben, wie es später dort die lateinische
und arabische geworden sind. Dass das Menschenmaterial,
das zu einer so grossartigen Golonisation erforderlich war,
•) [Siehe oben S. 46. F. R.]
1) Plin. N. H. XXXVn § 87. 40 (wo mit Detlefsen „ex humo" zu
schreiben ist). 2) Diod. 1. c. 8) I p. 48.
4) PHn. N. H. XIX § 63. 6) Vellejus I, 2.
6) Die pnnlBchen Geschichten bei Fsendo-Aristot. mirab. auscult.
134; Bocchus bei Plin. N. H. XVI § 216.
7) Menander bei Jos. A. J. VIII, 13, 2.
8) Timaos bei Dionys. Halic. I, 74. 9) Bei Strab. XVII p. 826.
4. SEEFAHRT, HANDEL UND COLONIEN. 57
nicht Yon der schmalen phönicischen Küste allein gestellt
worden ist^ sondern sehr wesentlich auch in dem Nachschübe
durch die yon Hebräern und Philistern verdrängte kanaanäische
Bevölkerung des Binnenlandes bestanden hat^ wird zwar durch
gewisse späte Zeugnisse; die sich als völlig apokryph heraus-
stellen ^ nicht bewiesen ; hat aber einen hohen Grad von in-
nerer Wahrscheinlichkeit für sich.
Gehen wir diesen wichtigsten Theil des Colonialgebietes
der Phönicier in der Richtung von Ost nach West einzeln
durch; so finden wir sie zunächst auf Sicilien, und zwar in
einer Stellung; die för die Anfänge aller ihrer Niederlassungen
als typisch gelten kann: sie hatten rings um die Insel herum
die Vorgebirge und nahe gelegenen Inselchen besetzt; um
von da aus Handel mit den Siculern zu treiben.^) Ihre
bedßutendste Niederlassung scheint Makara') (auf Münzen
n*^pbtt tfi) an der Südküste gewesen zu seiU; das die Griechen
Herakleia Minoa umnannten. Vor den Griechen wichen sie
nach der Nordwestecke der Insel zurück und behaupteten
hier die Städte Motye, Panormos und SoloeiS; gestützt auf
das Bündniss mit dem Volke der Elymer; das ganz unter
phönicischem Einflüsse stand; und die Nähe von Karthago,
das hier; wie überall; die Erbschaft von Tyros antrat und
seine schirmende Hand über die Reste der phönicischen
Ansiedlungen hielt Auch die Inseln zwischen Sicilien und
Afrika; das durch seine die Seestrasse beherrschende Lage
und gute Häfen wichtige MelitC; Gaulos und Kossura; wurden
von den Phöniciern besetzt.^) Nicht minder haben sie mit
der Besiedlung von Sardinien den Anfang gemacht^); Karalis
galt als eine Tyrische Gründung^); eine wirkliche Herrschaft
haben hier und auf Corsica aber erst die Karthager aus-
geübt; welche diese Inseln besetzten und in der Phantasie
der Griechen des sechsten Jahrhunderts die irrthümliche
Vorstellung erweckten; dass es ein besonders begehrens-
werther Besitz sei; von dem phönicische Missgunst sie aus-
1) Thak« VI, 2. 2) Herakleides Polit. 29.
8) Diod. V, 12. 4) Diod. V, 36.
ö) Claudian. de bello Gild. v. 520.
58 1>1K PHOENICIER.
geschlossen habe.^) Ob der Handelsverkehr und die durch
ihn bedingte Cnltureinwirkung auf die Etrusker älter ist,
als deren politische Verbindung mit Karthago^ ist schwer
zu sagen; das aber ist sicher^ dass in Italien selbst nie eine
phönicische Niederlassung bestanden hat. An der Ostküste
von Spanien sind Barcino^) und Alt-Kartliago^) Gründungen^
die älter zu sein scheinen als das spanische Golonialreich
der Karthager; darum brauchen sie aber noch nicht phonici-
sehen Ursprungs zu sein, zumal wenigstens Alt -Karthago
im Innern lag: vielleicht sind es Anlagen aus der Zeit der
Kämpfe der Karthager mit den Massalioten. Wirkliches
Colonialgebiet der Phönicier war aber von Alters her Tar-
tessos oder, wie man es später nannte, Turdetanien. Alle
namhaften Küstenstädte waren hier von ihnen gegründet^):
Abdera, Sex (das für eine der ältesten Golouien der Tyrier
in diesen Gegenden galt), Malaca, Garteja, endlich Gades,
die berühmteste aller spanischen Colonien der Tyrier, mit
einem Heraklestempel von besonderer Heiligkeit, auf einer
kleinen, durch einen schmalen Sund vom Festlande ge-
trennten Insel, die nicht einmal Trinkwasser hatte, aber in
dominirender Lage; noch weiter hinaus lag Onoba, wo die
Tyrier sich früher als in Gades angesiedelt haben sollten.
In Afrika war die östlichste Niederlassung Gross - Leptis,
die einzige, als deren Gründer Sidonier genannt werden,
807 Aweiche bürgerliche Unruhen aus ihrer Heimath vertrieben
hatten^), daher wohl eine der ältesten; nicht so sicher
stehen die Angaben, welche die Schwesterstädte Oea von
Phoniciern aus Sicilien, Sabratha von Tyros gegründet sein
lassen.^) Reich an phonicischen Handelsstädten und von
ihnen benannt war die gesegnete Landschaft Emporia an der
kleinen Syrte, wo am Flusse Kinyps das Getreide dreihun-
dertflUtig trug, der Ausgangspunkt einer wichtigen Handels-
1) Her. I, 170. V, 106. 124.
2) AusoD. Epist. 24, 68 (dem übrigens eine falsche Etymologie von
BarcEB wohl zuzutrauen ist). 8) Ftol. II, 6, 6^.
4) Strab. III p. 151. 156 f. 169f. 5) Saunst. Jag. 78.
6) Sil. Ital. III, 266 ff.
4. SEEFAHRT, HANDEL UND COLONIEN. 59
Strasse ins Innere nach dem Garamantenlande. Durch In-
schriften steht der phönicische Charakter des Stapelplatzes
Takape (Qäbis) und der durch PurpurHlrbereien ausgezeich-
neten Insel Meninx (Girba) fest; die Handelsstadt Eapsa im
Innern von Numidien galt als eine Gründung des phönici-
schen Herakles.') Im späteren karthagischen Gebiete grün-
deten Phönicier aus Melite AchuUa^, Tyrier Klein -Leptis')
und Hadrumetum^), sowie Aoza^), worunter die 9 Kilometer
landeinwärts von Leptis gelegene Stadt Uzita^ eher gemeint
sein dürfte^ als Auzia im Innern von Mauretanien. An der
Nordküste sind Tyrische Colonien Karthago und Utica; das-
selbe gilt wahrscheinlich von Hippo Zarytos, obgleich Sidon
es auf einer MüDze') neben anderen Tyrischen Gründungen
als Tochterstadt reclamirt. Die ihrer Lage nach nicht
genauer bekannte Stadt Kanthele^) und die Insel Eudeipne^)
werden nur im Allgemeinen als Localitäten der Libyphönicier
bezeichnet; worunter man die Phönicier in Afrika verstand^
später meistens mit Ausschluss und im Gegensatz zu Kar-
thago. Die Golonialbevölkerung säss hier sehr dicht^ aber
ohne bestimmte Zeugnisse lässt es sich nicht entscheiden^
ob eine Stadt phonicischen oder karthagischen Ursprungs
oder eine punisch gewordene einheimische ist. Im Gebiete
der Masaesylier war Chalke (an der Küste ostlich von Gran)
eine Anlage der Phönicier ^^), vor allem aber war die dem
atlantischen Ocean zugekehrte Küste Mauretaniens ihre Do-
mäne. Tingis und Zelis sind, wenn auch ursprünglich ber-
berische Anlagen^ im Laufe der Zeit völlig phönicische Städte
geworden^'); von den eigentlichen Colonien der Phönicier in
dieser Gegend war die vornehmste Lixos^^); eine Stadt, die
für grösser als Karthago gehalten wurde.*) An dem so-
1) Oro8. V, 16, 8 p. 322. 2) Steph. v. 'AxoXXa,
3) Plin. N. H. V § 76. 4) Solin. 27, 9.
6) Menander bei Jos. A. J. VIII, 13, 2. 6) Ptol. IV, 3, 37.
Strab. XVn p. 831; vgl. Wilmanns zum C. I. L. VIII No. 68.
7) Vgl. Movers, Phönizier II, 2 S. 13i.
8) Hekatäos bei Steph. v. Kccvd^nlri. 9) Steph. v. Evdstnvri,
. 10) Steph. V. XdX%rj. 11) Mela.II, 6, 9. Strab. III p. 140.
12) Pseudo-Skylax § 112. *) [Plin. N, H. V § 4. F. ß.]
60 DIE PHOENICIER.
genannten xoXnog ^E^xogixog südlich von dieser Stadt und
weiterhin bis zur Mündung des Flusses Dra drängten sich
die Gründungen der Tyrier; hier war der Ausgangspunkt
der Handelsstrasse, die in die Länder der Schwarzen führte.
Die Blüthe dieses Golonialgebiets ging unter durch das Vor-
dringen der Pharusier und Nigriten^), das von den gleichen
verheerenden Folgen begleitet war^ wie das der aus denselben
Gegenden kommenden Almoraviden im 11. Jahrhundert; die
verschont gebliebenen Reste rettete die karthagische Re-
gierung vor völligem Untergang, indem sie durch Hanno
eine neue Colonie Thymiaterion in der Gegend von Mamora
gründen und die alten phönicischen Ansiedlungen Earikon
Teichos, Gytte, Akra (wahrscheinlich das heutige Agader),
Melitta und Arambys durch 30000 Libyphönicier verstarken
liess.*) Der westlichste Punkt, den die Phönicier erreichten,
war die Glückselige Insel (wohl die grösste der Canarischen
Inseln); die Schilderung, welche uns von ihr entworfen wird'),
lehrt, dass, nachdem die Verbindung mit diesen fernen Gegen-
den unterbrochen worden war. Alles, was sie betraf, den
Späteren iü einem verklärten Lichte erschien.
Die Handelsverbindungen der Phönicier reichten über
den äussersten von ihnen besetzten Punkt weit hinaus, und
es darf mit Sicherheit angenommen werden, dass diese Be-
ziehungen und ihre auf diesem Wege gewonnene Kunde von
Afrika es waren, die den König Necho von Aegypten auf
den Gedanken brachten, sich ihrer zur ümschifiPiing dieses
Gontinents zu bedienen: und zwischen 611 und 605, zu einer
Zeit, als ihre Golonialmacht nur noch ein Abglanz ehe-
maliger Herrlichkeit war und das Mutterland seine Unab-
hängigkeit bereits verloren hatte, wurde die grösste nautische
That des Alterthums von ihnen wirklich ausgeführt. Die
Macht von Tyros beruhte wesentlich auf seinen Colonien,
und zwar nicht blos indirect, sondern diese standen, sehr
zum Unterschiede von den griechischen Colonien, in einem
Verhältnisse wirklicher Abhängigkeit von der Mutterstadt:
1) Ophelas bei Strab. XVII p. 826. 2) Hanno §§ 2. 6.
. 8) Diod. V, 20.
6. BRUCHSTÜECKE DER PHOENICISCHEN GESCHICHTE. 61
Erhebungen, die mit Waffengewalt niedergeschlagen wurden,
werden uns von ütica*) und Eition berichtet. Die Colonien
entrichteten den Zehnten von allen Einkünften, gelegentlich
auch den Zehnten von der Kriegsbeute, an den Tyrischen
Herakles und schickten Festgesandtschaften zu dessen gross-
tem Feste nach der Mutterstadt. Es liegt aber auf der
Hand, dass Tyros bei der Verzettelung und Entfernung seiner
Colonien nicht, wie später Karthago es vermöge seiner
günstigen Lage gekonnt hat, die Zügel der Herrschaft auf
die Dauer straff anzuziehen vermochte; ganz von selbst
musste das Abhängigkeitsverhältniss der Colonien sich all-
mählich lockern und nur die mehr idealen unter ihren Ver-
pflichtungen übrig bleiben: immerhin hat Karthago sicher
noch in der Mitte des sechsten Jahrhunderts dem Herakles
von Tyros den Zehnten entrichtet.
5. Bruchstücke der phonicischen Geschichte.
Bei der Trümmerhaftigkeit unserer üeberlieferung ist
es ein glücklicher Zufall, dass wenigstens die äusseren Um-
risse der Geschichte von Tyros in seiner Blüthezeit uns durch
zwei hellenistische Historiker, Dios und Menander von Ephe-
SOS, bekannt sind, aus denen Josephos^) Auszüge erhalten
hat. Nach ihnen folgte dem Konige Abibai sein Sohn
Hirom I. und regierte 980—946. Er vergrösserte die Insel-
stadt gegen Osten, indem er durch Aufschütten des so-
genannten £Ji;(>i;;^cDpot; Platz gewann, verband den Tempel
des olympischen Zeus^), der auf einer südwestlich von der
Hauptinsel gelegenen Felseninsel lag, mit der ersteren durch
einen Damm**) und stiftete in denselben eine goldene Säule,
und erneuerte in prachtvoller Weise die Tempel des Hera-
1) A. J. Vm, 6, 8; c. Ap. I, 17. 18.
2) Von den Griechen (anch Arr. II, 16. 24) als ein Tempel des
Herakles angesehen; vgl. oben S. 46.
*) (Tgl. nnten S. 62. F, R.]
**) [Im englischen Texte heisst es: „united the temple of Baal
Shamain with the main island hj a mole*'. F. R.]
62 ' DIE PHOENICIER.
kles^) und der Astarte. Als die Bewohner Ton Utica^) den
Tribut nicht eDtrichteten^ zog er gegen sie und brachte sie
wieder zum Gehorsam; nach seiner siegreichen Heimkehr
setzte er das Fest der Erweckung des Herakles im Monat
Peritios ein. Die Tyrischen Annalen gedachten auch der
Verbindung Hiroms mit Salomo, dem Beherrscher von Jeru-
salem. Von Alters her hatten die Phönicier der Küste mit
den Israeliten Beziehungen meist freundlicher Natur unter-
halten: namentlich von den kleineren Stammen Asser, Se-
bulon und Dan weiss der Segen Jakobs') und das Debora-
lied^), dass sie gewisse Leistungen an die Sidonier entrichteten
und dafür Antheil an ihrem Handel hatten; nur einmal^)
werden die Sidonier mit unter den Völkern genannt, die in
der älteren Richterzeit die Israeliten bezwungen hätten und
deren Joch wieder abgeschüttelt worden sei, was nicht un-
wahrscheinlich mit der Machtperiode der Kanaanäer von
Hazor combinirt worden ist.®) Noch enger wurde die Ver-
bindung beider Völker in der Königszeit: Hirom schickte
dem David zu seinem Palastbau Cedernholz und Werkleute'),
und in gleicher Weise unterstützte er dessen Sohn Salomo
während des Tempel- und des Palastbaues®); als Gegen-
leistung für das Cedern- und Cy pressenholz und die Stellung
der Werkleute dienten jährliche grosse Lieferuugen von
Weizen und Oel, und als beide Bauten im 24. Jahre Salo-
mos beendigt waren, trat dieser dem Hirom als Entschä-
digung für das Gold, dessen er zur Vergoldung des Schmucks
im Innern des Tempels bedurft hatte, die galiläische Land-
schaft Kabul ab. Der Tempelbau wurde ganz im Geiste der
phönicischen Kunst ausgeführt; charakteristisch dafUr sind
1) Das Agenoreion des Arrian II, 24, auf der Nordspitze der InseL
Mit Ausuahme dieses Punktes folge ich in der Topographie Benan,
Mission de Ph^nicie, p. 646 ff.; PI. LXIX.
2) '/vxcoig, 'Hv%tiioiq in dem ersten, Tixvotg in dem zweiten
Citate aus Menander. Das Richtige ist 'itvinxCoig. [Vgl. den vierten
Abschnitt dieses Bandes S. 294 des Originaldrucks. F. R.]
3) Gen. 49, 13. 20. 4) Rieht. 6, 17. 6) Rieht. 10, 12.
6) Graetz, Geschichte der Juden I S. 412.
7) II. Sam. 6, 11. 8) I. [=- III.] Kön. 6, 15—9, 14.
6. BRÜCHSTÜECKE DER PHOENICTSCHEN GESCHICHTE. C3
die beiden Säulen Jachin und Boas^ die der. mit der Aus-
fuhrung der Erzarbeiten betraute Tyrier Hiram rechts und
links von der Halle des Tempels aufrichtete. Es darf auch
mit Sicherheit angenommen werden^ dass die Tempelbauten
des Königs Hirom in Tyros für Salomo den Anstoss gaben,
in Jerusalem ein Gleiches zu thun; wenn aber Josephos^)
den Salomonischen Tempel im 11. oder 12. Jahre Hiroms
erbaut werden lässt, so hat er dies sicher nicht in den
Annalen Ton Tyros gefunden , sondern wohl ein in diesen
unter dem 11. Jahre verzeichnetes Fällen von Cedemholz im
Libanon zum Bau der Tyrischen Tempel statt auf diese mit
der ihm eigenen schwindelhaften Apologetik auf den Bau
des Jerusalemischen Tempels und die I. [= III.] Kon. 5, 20flf.
beschriebenen Vorbereitungen dazu bezogen. Der Freund-
schaftsbund zwischen Hirom und Salomo führte auch zu
einem für den Welthandel wichtigen Unternehmen, den von
Ezeongeber am Rothen Meere aus gemeinsam unternommenen
Fahrten nach dem fernen Goldlande Ophir^), worunter mit
Caldwell^ und Burnell*) Malabar zu verstehen ist.®) Die
älteste bekannte phönicische Inschrift^) rührt von einem
Knechte des Hirom, Königs der Sidonier, her; nach dem
früher Bemerkten liegt kein Grund vor, sie dem Tyrischen
Hirom abzusprechen. Hiroms Enkel Abdastart I. (929 — 920)
wurde von den Söhnen seiner Amme ermordet, deren ältester
Konig wurde (920—908); doch sah sich der Usurpator, dessen
Name in der Konigsliste unterdrückt ist, veranlasst, in den
12 letzten Jahren seiner Regierung einen Nachkommen des
früheren Königshauses Namens Astart (d. i. Abdastart II.)
1) A. J. Vm, 3, 1 ; c. Ap. I, 18.
2) I. [=. m.] Kön. 9, 26—28. 10, 11. 22.
3) Comparative gram mar of the Dravidian family of langnages,
p. 66. 4) Im Indian Antiqnary I (1872) p. 230.
5) Entscheidend hierfür ist, dass das hebräische thnkmim^f^Pfanen'*,
sich nur aus tamnlisch tdkei erklären lässt. E. E. v. Baer, Historische
Fragen [»Reden und Aufd&tze III], S. 112 ff., der die Frage zuletzt
untersucht hat, entscheidet sich wegen der grossen Menge des Goldes
für Malakka; hier konnte aber leicht Uebertreibung mit unterlaufen.
6) C. 1. Sem. I Na. 6.
64 DIE PHOENICIEB.
als Mitkönig anzunehmen (908 — 896). Dessen Bruder
Astharym oder Abdastbarym (896 — 887) wurde von einem
dritten Bruder Phelles, dieser wieder nach nur achtmonat-
licher Regierung (887) von Ithobal I., dem Priester der
Astarte, ermordet, mit dessen Regierung (887 — 855) geord-
netere Zustände eintraten. Er stand im Rufe eines Yon den
Göttern geliebten Herrschers: das Ende einer einjährigen
Dürre wurde seinem Gebete zugeschrieben; schon Josephos^)
sah, dass es die aus der Geschichte des Elia bekannte Dürre
unter Ahab von Israel ist. Die Eönigsbücher^) kennen den
Ethbaal, König der Sidonier, als- Schwiegervater des Ahab.
Die Tyrier entwickelten in dieser Zeit noch eine bedeutende
Expansionskraft: unter Ithobal wurde Botrys in Phönicien
und Aoza in Afrika gegründet; ungleich berühmter ist die
Gründung, zu der die nach dem Tode des Königs Metten I.
(849 — 820) eingetretenen inneren Zwistigkeiten den Anlass
gaben. Es folgte ihm sein neunjähriger Sohn Phygmalion
(820—773), der herangewachsen seinen mit seiner Schwester
Elissa vermählten Oheim Sicharbas, welcher Priester des
Herakles und der Zweite nach dem Könige war, um sich
seiner Schätze zu bemächtigen, getödtet und dadurch die
Flucht der Elissa und die Gründung von Karthago ver-
ursacht haben soll.°) So lautet die Erzählung der später
in Karthago recipirten Gründungssage, in der mythische
und historische Elemente sich nicht mehr auseinanderhalten
lassen; da Elissa auch in den Tyrischen Annalen vorkam, so
ist sie wahrscheinlich eine geschichtliche Person gewesen.^)
Schon von den Zeiten des Königs Ithobal an bedrohte ein
auswärtiges Eroberervolk die ruhige Weiterentwickelung Phö-
niciens. Die Züge, die in alter Zeit von den grossen Reichen
im Euphrat- und Tigrisgebiet aus nach der Küste des Mittel-
1) A. J. VIU, 13, 2, wo die Stelle des Menander mitgetheilt ist.
2) I. [=- III.] Kön. 16, 31. 3) Juatin. XVIII, 4, 3—6, 9.
4) Meltzer, Geschichte der Karthager I S. 90 ff. sieht hier nicht ein-
mal wirkliche Sage, sondern nichts als griechische Fabelei, verwechselt
aber viel zu sehr Skepsis und Kritik. [Vgl. den vierten Abschnitt
dieses Bandes S. 294 f. des Originaldmcks. F. E.]
5. BRüCflSTüECKE DER PHüENIClSCHEN GESCHICHTE. 65
meeres unternommen worden waren, hatten keine bleibenden
Folgen hinterlassen, weder einer der Chaldäer 1535 (1538)
V. Ch.^) noch der des assyrischen Königs Tiglath Pil-eser I.
circa 1120, der über die SchiflFe von Arados verfügen konnte.')
Wohl aber war dies der Fall, als die Assyrer unter Ashur-808A
nä9irpal um 870 von Neuem gegen das Mittelmeer vor-
drangen; ihr König nahm die Tribute der Fürsten von Tyros,
Sidon, Byblos, Mahallat, Maiz, Kaiz, des Westlandes und der
Insel Arados entgegen. Ein König von Arados war mit
unter den mit Rammän-idri von Damaskos verbündeten
Fürsten, die Shalman-eser III. 854 bei Karkar schlug; er
erhielt dann Tribut von Tyros und Sidon 842 und 839, im
letzteren Jahre auch von Byblos. Noch einmal rühmt sich
Kammänniräru UL 803 Tyros und Sidon Tribut auferlegt
zu haben ^; dann aber trat eine Unterbrechung ein. Erst
unter Tiglath Pil-eser IL, dem eigentlichen Begründer der
assyrischen Grossmacht, hören wir wieder um 741 von dem
Tribute eines Königs von Tyros und erfahren, als 738 Tyros
und Byblos wieder Tribut schickten, dass Hirom II. dort
König war.^) Als der assyrische König 734 nach Philistäa
zog, lieferten zwar Byblos und Arados den Tribut ab, gegen
den neuen König von Tyros, Metten U., aber musste einer
seiner Feldherren geschickt werden, der ihm eine starke
Contribution auferlegte.^) Ein Bruchstück der Tyrischen
Annalen ^) behandelt die Geschichte des Eluläos, der unter dem
Namen Pylas^ 36 Jahre herrschte (ungeföhr 728 bis ungefähr
692). Er zog gegen die abgefallenen Kittäer auf Cypern -
und unterwarf sie wieder. Dann aber überzog der assyrische
1) Easeb. Can. z. J. Abr. 481.
2) M^nant, Annales des rois d'Assyrie p. 60.
3) Schrader, Die Keüinschriften und das alte Testament S. 157.
194. 210. 207. 213 (2. Aufl.). 4) Sckzader S. 260. 262.
5) Mänant p. 144; vgl. Schrader S. 169.
6) Menander bei Jos. A. J. IX, 14, 2.
7) So Codd. Samb. Big. (vielleicht » Pil-eser). [Nach Niese lesen
der Codex Marcianus 331 nvlag, die Codices Vindob. («» Sambuci) und
Paris. 1419 (»» Bigotianus) nvlag^ der Parisinas 1421 und der Oxoniensis
^vag. F. R.]
y. OuTBOHiOD, Kleine Schriften. II. 5
66 DIE PHOENICIER.
König Sbalman-eser IV. ^) Phönicien mit Ejrieg, und Sidon,
Ake, Palätyros und viele andere Städte fielen von den Ty-
riem ab und unterwarfen sich ihm. Damit war ein neues
Reich constituirt, dessen König (E)luli; nach seinem Namen
zu schliessen wohl ein Verwandter des Tyrischen, bald dar-
auf als Besitzer von Gross-Sidon^), Klein-Sidon (vielleicht von
Palätyros nicht yerschie'den); Beth-Zitti, Sarepta, Mahallib^
Ushü^ Ekdippa und Ake erscheint. Da Inseltyros sich nicht
ergab; so zog Shalman-eser ein zweites Mal gegen die stolze
Stadt, und die Phönicier, deren particularistische Eifersucht
geweckt war, stellten ihm 60 Kriegsschiffe und 800 Barken.')
Die Tyrier errangen mit nur 12 Schiffen einen entscheiden-
den Seesieg, und der König zog ab, die Blokade dauerte aber
fort, und da die Theuerung in der Stadt gross ^) und nur
Cisternenwasser zum Trinken da war, so entschlossen sich
die Tyrier, wie es scheint, nach Ablauf von fünf Jahren zur
Capitulation. Die Belagerung mag etwa gleichzeitig mit der
von Samaria begonnen, also 724 — 720 gedauert haben. Als
ungefähr 715 Tyros von ionischen Seeräubern bedroht wurde,
rettete es König Sargon aus ihrer Hand.^) Diese Verhält-
nisse bilden den geschichtlichen Hintergrund von Sagen, wie
der in den cyclischen ^yprien^) vorkommenden von der Er-
stürmung Sidons durch Priamos' Sohn Alexander. Der neue
König von Sidon erwies sich nicht als zuverlässig: Sanherib
zog gegen den (E)luli und nötbigte ihn zur Flucht nach
Cypem, Ithobal wurde an seine Stelle gesetzt und der Tribut
desselben normirt (701); bei Ushü nahm der Assyrerkönig
1) Nach den Spuren der beiden besten Handschriften Paris. 1421 nnd
Ozon, ist, wie mir Prof. Niese mittheilt, inl xovtov JSsXdfi'iffas zn schreiben.
[inl Tovtovg ^^dfitpag Paris., inl tovtovg iXafi'fpag Ozon., inl tovtovg
uiiiilfag die übrigen Handschriften; contra qnos denno Salmanassis —
insurgens die lateinische Uebersetzung. VgL Josephas ed. l^iese II
S. 826. F. R.] 2) Dieselbe Bezeichnung wie Josua 19, 28.
S) ini%oinovg oxtanociag ist mit Codd. Samb. Big. za schreiben.
[Niese h< an der unsinnigen Lesart der übrigen Handschriften oxra-
xoaiovg fest. F. R.]
4) Ich theile ab imta^ S' rj [so auch Codd. Samb. Big. F. R.]
für L Sri. &) Schrader S. 169 6) Proklos p. 2S4, 22 ed. Westphal.
6. BßüCHSTÜECKE DER PflOENlCISCHEN GESCHICHTE. 67
die Hal(tigungen und Gaben der phonicischen Könige ent-
gegen, unter denen die von Sidon, Arados und Byblos, nicht
aber der von Tyros, genannt werden.^) Die rohe ünbehülf-
lichkeit der assyrischen Herrschaft geht aus diesen Daten
zur Genüge hervor; nach dem Misserfolge Sanheribs wurde
sie sogar eine Zeit lang durch die über Aegypten gebietende
äthiopische Dynastie ernstlich in Frage gestellt. Damit hängt
vermuthlich die misslungene Erhebung des Königs Abdimilkut
Ton Sidon zusammen, die ein furchtbares Strafgericht von
Seiten Esarhaddons zur Folge hatte: Sidon wurde ausgemordet
und zerstört, ein Theil der Einwohner in die Gefangenschaft
gefuhrt, Abdimilkut sammt seinem Bundesgenossen Sandu-
arri, dem Fürsten der Berglandschaften Kundun und Sizu,
zu dem er geflohen war, gefangen und enthauptet, 680.^)
Eine Weile lang war es nun stille .im Lande; Tribute des
Königs Baal I. von Tyros und der Könige von Byblos und
Arados werden in den Jahren 673 und 667 erwähnt.^) Es
dauerte aber nicht lange, so erwies sich auch Baal als un*
botmässig; König Ashurbaj^ipal zog gegen ihn und machte
ihn durch Blokirung von Tyros so mürbe, dass er sich unter-
warf und seine Töchter und Nichten in den Harem seines
Oberherren schickte; sein Sohn Jamilki erhielt des Vaters
Königreich (frühestens 662). Auch Jakinlu von Arados
unterwarf sich damals und lieferte ebenfalls seine Tochter
für den Harem nach Nineve aus; es half ihm aber doch
nichts, bald darauf wlirde er abgesetzt und musste seinem
Sohne Azibaal Platz machen.^) Der Bruderkrieg zwischen
Ashurbänipal und Shamashshumukin machte es um 650
ausser anderen Ländern auch Phönicien möglich, das assy-
rische Joch abzuschütteln^), ohne Kampf, wie es scheint.
Hatten die Assyrer ihre absolute Unfähigkeit, Dauerndes zu
schaffen, an den Tag gelegt, ihre Virtuosität im Zerstören
haben sie auch in Phönicien nicht verleugnet; ihre Ober-
1) Schrader p. 286. 288. 301.
2) Mäaant p. 241 f. [Vgl. daza Tiele, Babylonisch • assyrische
Geechichte II S. 329. 843. 346 f. F. B.] 3) Schrader p. 355.
4) M^nant p. 267 f. 278. 5) Schrader p. 370.
6*
68 DIE PHOENICIER.
herrschaft hat, wenn auch nicht den eigentlichen Grund^
aber doch den äusseren Anstoss des Verfalls von Tyros
nach Innen und nach Aussen gegeben. Pompejus Trogus
erzählt^): die Tyrier seien aus langen und wechselvollen
Kriegen mit den Persern zwar als Sieger hervorgegangen,
die Bürgerzahl sei aber dadurch so zusammengeschmolzen,
dass sie von ihren an Zahl überwiegenden Sklaven über-
wältigt und sammt und sonders ermordet worden seien; der
einzige Straton sei mit seiner Familie von einem treuen
Sklaven gerettet und in Folge einer Probe seltener Klugheit
von den Sklaven, die hieran die Ueberlegenheit des freien
Mannes erkannten, zum Konig gewählt worden: dieser
Straton (d. i. Abdastart III.) sei der Stammvater aller folgen-
den Konige geworden. „Perser" kann nur ein ungenauer
808 B Ausdruck für „Assyrer" sein^), die Katastrophe muss sich
bald nach den eben erzählten Begebenheiten zugetragen
haben. In dieselbe Zeit fallt auch das Sinken der äusseren
Macht von Tyros, dessen einzelne Acte uns entweder gar
nicht oder nur ganz im AUgemeipen bekannt sind, das sich
aber an einer Reihe von Symptomen sicher erkennen lässt.
Die nächste Folge der Ausbreitung der assyrischen Macht
an das mittelländische Meer war ihre Festsetzung auf Cypern
(709); die westlicher gelegenen griechischen Inseln waren
von den Phoniciem schon vorher nach und nach geräumt
worden, nach griechischer Auffassung in Folge der dorischen
Wanderung nach dem Westen von Kleinasien, was richtig
ist, sobald man darunter nicht einen einzelnen im 11. Jahr-
hundert V. Ch. erfolgten Act, sondern die Gesammtheit der
von da an Generationen lang sich fortsetzenden, von Argos
ausgehenden Colonialzüge in jene Gegenden versteht, eine
Entwicklung, von der nur soviel feststeht, dass sie vor der
1) Justin. XVIII, S, 6 ff.
2) Von 687—480 sind uns die Könige bekannt, unter denen kein
Straton ist, anderseits folgt aus dem über den Sohn and die Enkel
Stratons Gesagten, dass die Sache sich nicht nach 890 zugetragen
haben kann; in der Zwischenzeit aber sind E&mpfe der Tyrier mit
den Persem weder überliefert noch wahrscheinlich.
6. BBüCHSTÜECKE DER PHOENICISCHEN GESCHICHTE. 69
Mitte des achten Jahrhanderts zu Ende war. Der nörd-
lichste von den Phöniciem im ägäischen Meere besetzte
Punkt, Thasos^ war bereits von ihnen verlassen, als der Vater
des Dichters Archilochos um das Jahr 708 eine . Parische
Colonie nach dieser Insel fährte. In directem zeitlichem
Zusammenhange mit dem Verluste der Unabhängigkeit von
Tyros steht der seiner westlichen Colonien. Um 701 er-
wartete Jesaja^) den Abfall von Tartessos; als der Samier
Koläos 639 als erster unter allen Griechen dahin gelangte,
fand er von phönicischer Concurrenz keine Spur mehr^):
unter solchen Umständen dQrfte eine rationalistische Deutung
der von einem zeitgenössischen Dichter^) bezeugten 150 jähri-
gen Herrschaft des Arganthonios über Tartessos auf eine
150jährige Dauer seines Reiches, das also (da er 545 starb)
695 entstanden sein würde, nicht unberechtigt sein. Auf
Sicilien nahm das Zurückweichen der Phönicier mit der
Gründung von 6ela, der ersten griechischen Colonie an der
Südküste, 690 seinen Anfang, und erhielt mit der Anlage
von Himera (648) und Selinus (628), die beide hart an der
Grenze des dem phönicischen Elemente verbleibenden Gebiets
im Nordwesten der Insel lagen, seinen Abschluss. Mitten
in diese Zeit hinein fällt die Besetzung der Insel Ebusos
auf der Fahrstrasse nach Spanien durch die Karthager 654^),
ein Schritt, der deutlich den Zweck hatte, zu retten, was
sich noch retten liess. Bald darauf entrissen die Griechen,
die wegen ihrer geistigen Ueberlegenheit ungleich gefähr-
lichere Gegner waren, als die rohen Assyrer, den Phöniciern
den einträglichen Handel mit Aegypten, als dieses von
Psammetich 650 den Fremden geöffiiet wurde; es ist be-
zeichnend, dass Ezechiel in seiner sehr vollständigen Auf-
zählung der Tyrischen Handelsgebiete Aegypten völlig mit
Stillschweigen übergeht.
Als die assyrische Macht in den letzten Zügen lag,
legten die ägyptischen Könige die Hand auf Phönicien, um
zu verhüten, dass es nicht wieder Beute eines asiatischen
1) 23, 10. 2) Her. IV, 162. 3) Anakreon fr. 8.
4) Diod. V, 16.
70 DIE PflOENICIER.
Eroberers würde; ihre Herrschaft war aber von kurzer Dauer
und endete mit Nechos Niederlage durch Nebukadnezar bei
Earchemish (605) , worauf die Cbaldäer ihre Stelle ein-
nahmen.. Als Hophra Eonig von Aegypten geworden war,
suchte er Phonicien den Chaldäern zu entreissen: er nahm
Sidon mit Sturm ein, brachte die übrigen Städte auf seine
Seite und besiegte die Flotte der Phönicier und Kyprier,
die vom König von Tyros befehligt wurde, in einer See-
schlacht^); überall wurde die den Ohaldäem feindliche Partei
aus Ruder gebracht, der auch der neue König von Tyros
Ithobal II. angehörte (589). Als aber dann die Chaldäer
kamen und Jerusalem belagerten, brachte er es nur bis zu
einer schwächlichen Demonstration und war nicht im Stande
zu verhindern, dass Nebukadnezar nach dem Fall von Jeru-
salem zur Belagerung von Tyros schritt. Trotz des Ver-
lustes seiner meerbeherrschenden Stellung war Tyros noch
immer eine reiche und mächtige Stadt und widerstand den
Chaldäern 13 Jahre (587—574).^) Ezechiel sagt uns, Nebu-
kadnezar habe sein Heer einen schweren Dienst thun lassen
gegen Tyros, und Lohn sei nicht ihm und seinem Heere
geworden von Tyros. Dieser unbefriedigende Ausgang be-
stand wahrscheinlich darin, dass die Tyrier unter günstigen
Bedingungen capitulirten; denn die Regierung des den Chal-
däern feindlichen Ithobal endigte mit der Belagerung zu-
gleich, und die Königsfamilie befand sich später in Babylon,
offenbar um so den jeweiligen Regenten im Schach zu halten.')
Nach dem Tode des vom Chaldäerkönige eingesetzten Königs
Baal IL (574 — 564) wurde von den Tyriem eine republi-
kanische Verfassung eingeführt; an der Spitze stand erst
ein Suffet, dem, als er nach Ablauf von zehn Monaten starb,
für den Rest des Jahres ein anderer sufficirt wurde, dann
1) Her. U, 161. Diod. I, 68.
2) Die Tyrischen Annalen bei Jos. c. Ap. I, 21. Die lange Dauer
der Belagerung wird bestätigt und die Zeit genaner bestimmt dnrch
Ezooh. 26, 1—2. 7; 29, 17-18.
8) Vgl. Winer, De Nebncadnezaria expugnatione Tyri ad Ezechielis
vaticinia 26—28. Pfingstprogramm von Leipzig 1848. 4^
5. BRÜCHSTÜECKE DER PHOENICISCHEN GESCHICHTE. 71
folgte während dreier Monate ein Interregnum des Hoben-
priesters Abbar, dann wurde der Staat sechs Jahre lang
▼on zwei SufFeten geleitet (vermuthlich einem für InseltyrosSOSA
und einem für Palätyros). Nach diesen^) wurde wieder ein
Eonig gewählt in der Person des Balatoros, der aber nur
ein Jahr (557 — 556) am Ruder blieb; die beiden folgenden
Eonige y Merbal (556 — 552) und sein Bruder Hirom IIL
(552 — 532), wurden aus Babylon geholt, unter dem letz-
teren ging PhSnicien; ohne dass irgend etwas von Wider-
stand oder Eämpfen verlautete, 538 aus den Händen der
Ghaldäer in die der Perser über; Oypem wurde bei dieser
Gelegenheit von Amasis von Aegypten besetzt.^) So rühm-
lich der dreizehnjährige Widerstand der Tyrier gegen die
Uebermacht der Ghaldäer gewesen war, er. hatte ihre Eräfte
auf das Aeusserste erschöpft, und die folgenden inneren Un-
ruhen vollendeten den Buin der meerbeherrschenden Stadt,
die von nun an hinter Sidon zurücktritt. Diese Lage ver-
anlasste die Earthager, sich von der Mutterstadt zu eman-
cipiren und sich auf eigene Füsse zu stellen: gerade in diese
Zeit, etwa in die Jahre 538 — 521^, fällt die politische
Thätigkeit Hannos des Grossen, des eigentlichen Begründers
des karthagischen Staates, dem nachgerühmt wird, dass er
seine Mitbürger aus Tyriern zu Afrikanern gemacht habe.^)
Das Abhängigkeitsverhältniss machte einem Pietätsverhält-
nisse Platz.
1) So ist mp i^sta^v bei Menander zu Übersetzen.
2) Her. II, 182.
S) Jastin, der XIX, 1, 1 von seinem Mago dasselbe berichtet,
was Andere von Hanno, ermöglicht eine Zeitbestimmung; denn die
XVni, 7, 1 erw&hnte Niederlage ist die im Sunde von San Bonifekcio
638 an die Phokäer verlorene Seeschlacht und der XIX, 1, 7 erwähnte
Krieg mit einem spartanischen Prinzen auf Sicilien ist äer 610 mit
Doriens geführte, was nach Abzog der 11 Dictatoreigahre des Has-
dmbal das obige Resnltat erglebt.
4) Dion Chrysost. Gr. XXV, 7 p. 328 Emp.
72 DIE PHOENICIER.
6. Verfassung.
Es ist die Vermuthung ausgesprochen worden^ dass
Tyros in der ältesten Zeit unter zwei Suffeten gestanden
habe, weil diese in der Tochterstadt Karthago an der Spitze
stehen; allein Rückschlüsse aus der karthagischen Verfassung
sind höchst unsicher, weil diese von Alters her republikanisch
war und ausserdem vielfache Veränderungen erlitten hat.^)
Vielmehr spricht die Analogie der anderen Eanaanäer dafür,
dass das Eönigthum in den einzelnen Städten die ursprüng-
liche Regierungsform gewesen ist. Die Eönigsgeschlechter
galten als von den Göttern abstammend; nur aus ihnen
konnte der Eonig gewählt werden.') Dem Eönige gehörte
das Land, grossei: äusserer Glanz umgab ihn^), aber seine
Macht war beschränkter, als sonst im Orient, weil die ent-
wickelte Selbstthätigkeit des Bürgerthumes ihm Schranken
zog; es kommt vor, dass in Tjros in Abwesenheit des
Eönigs, in Sidon gegen seinen Willen über Erieg und
Frieden entschieden wird.*) Der Hohepriester des Herakles
hatte in Tyros den zweiten Rang nach dem Eönige^); «das
Amt wurde daher gern mit Verwandten des Eönigs besetzt.
Dem Eönige stand ein Rath der Aeltesten zur Seite, der
wenigstens in Sidon aus 100 bestand"); die vornehmsten
derselben waren die zehn Ersten, die in Marathos^ und
Karthago^) vorkommen, ursprünglich wohl die Häupter der*
vornehmsten Geschlechter. Der dritte Factor im Staate war
das Volk; die Zahl der Freien wurde weit überwogen von
den Sklaven, so dass diese sich in Tyros sogar der Herr-
schaft bemächtigen konnten.*) Unter den Persem bestand
eine Bundesverfassung, als deren Urheber man den grossen
Organisator Dareios I. ansehen möchte: Glieder des Bundes
1) Dnncker, Geschichte des Alterthnms II S. 212 (5. Aufl.).
2) Curt. IV, 1, 17. 3) Ezech. 28, 13.
4) Arrian. An. 11, 15, 16. Curt. IV, 1, 16.
6) Just. XVm, 4, 6. 6) Diod. XVI, 46.
7) Diod. II p. 628 Wess. [XXXIÜ, ö, 2 Dind.].
8) Just. XVIII, 6, 1. *) [Siehe oben S. 68. F. R.]
6. VERFASSUNG. 7. PHOENICIEN UNTER DEN PERSERN. 73
waren Sidon^ Tyros und AradoB, von welchen Städten Sidon
die Yomehmste war; sie stellten zusammen 300 Trieren für
die persische Flotte ^)y die kleineren Städte mussten ihre
Contingente denen der grösseren unterordnen und waren
wohl auch sonst von den letzteren abhängig. Es gilt dies
nicht bloss von Orten wie Marathos^ Sigon, Mariamme, die
zu Arados gehörten'), sondern sogar yon Byblos, obgleich
dies unter eigenen Königen stand und sich in der Perser-
zeit, wie man aus seinen zahlreichen Münzen und Inschriften
schliessen darf, einer besonderen Blüthe erfreute. Dass
Könige von Berytos in historischer Zeit nie erwähnt wer-
den, obschon uns, von Tyros ganz abgesehen, die Namen von
16 Sidonischen^ 10 Byblischen und 8 Aradischen Königen
bekannt sind, ist zu auffällig, um als blosser Zu&ll gelten
zn können: wahrscheinlich bildeten Berytos und Byblos ein
Reich, dessen Sitz nur in der ältesten Zeit in Berytos, später
in Byblos war. Bundesstadt war Tripolis^ das aus drei
Städten bestand, je einer der Sidonier, Tyrier und Aradier,
deren jede von der anderen durch einen Zwischenraum von
einem Stadium getrennt war.') Hier tagte das gemeinsame
Synedrion unter dem Vorsitze der Könige der drei leitenden
Städte, welche von den Senatoren derselben (zusammen wohl
300) als Berathern nach Tripolis begleitet wurden. Ver-
handelt wurde von dem Synedrion über alle gemeinsamen
Landesangelegenheiten, namentlich die Beziehungen zur per-
sischen Begierung, deren Vertreter zu diesem Zwecke nach
Tripolis kamen.
7. Phönicien unter den Persern.
PhÖnicien bildete unter Dareios I. mit Palästina und
Cypem die fünfte Satrapie, deren Steuer 350 Talente baby-
lonischer Silberwährung (= 99296 Pfd. Steri.) betrug.*) Die
1) Her. Vn, 96-99. 2) Aman. An. II, 18. 8) Diod. XVI, 41.
4) Her. III, 91. [Wie Gntschmid zn dieser ßeduction gekommen sei
war mir anklar geblieben; Herrn OberBchulrath Dr. HnItsch in Dresden
yerdanke ich folgende Anfkl&rung. „Kach Mommsen, Geschichte des
römischen Mfinzwesens S. 900 (Traduction Blacas III S. 491) betr>
74 DIE PHOENICIER.
SOSßPhonicier waren den Persem wegen ihrer Flotte unent-
behrlich und wurden deshalb von ihnen rücksichtsvoller be-
handelt; als andere Unterthanen; da sie überdies mit den
Persern gemeinsame Interessen den Griechen gegenüber
hatten, so waren sie die loyalsten unter allen Angehörigen
der persischen Monarchie. Nach dem Sinken der Macht von
Tyros war Sidon wieder die leitende Stadt und wurde als
solche von den Persern officiell anerkannt. Zum Zuge des
Xerxes gegen Griechenland (480) stellten die Phönicier 300
Trieren; es waren die bestsegelnden Schiffe der ganzen Flotte,
und unter den phönicischen wieder waren es die Sidonischen.
Gefuhrt wurden sie von ihren Konigen, unter denen Tetram-
nestos von Sidon die erste Stelle einnahm.^) Von einem
seiner Nachfolger rührt die grösste uns bekannte phönici-
sche Inschrift her.^) In ihr wird der im Monat Bul seines
14. Jahres vor der Zeit verstorbene Eshmun^azar^ König der
Sidonier, redend eingeführt Seine Eltern, Konig Tabnit und
Königin Amm'ashtart, die Priesterin der Astarte, waren'
beides Kinder des Eshmun^azar, Königs der Sidonier, also
nach ägyptischer Weise in Geschwisterehe vereinigt.^) Esh-
mun^azar IL und seine Mutter bauten der Astarte, dem Esh-
mun und den Göttern von Sidon Ba^al-^^^^^i^ ^^^ ^Ashtart-
shem-Ba'al Tempel, und für diese Werke wurde ihnen der
Lohn zu Theil, indem ihnen der König der Könige Dor und
Japho schenkte. In dem Namen Tabnit ist der von den
der babylonische Silberstater 19,3 Groschen der früheren Thalerwähnmg,
mithin das babylonische Talent als das SOOGÜEMshe 1930 Thaler » 5790 M.
Die Mark, welche genau =» 0,04896«^ zu setzen ist (Hultsch, Metrologie
S. 26 der 2. Aufl.) hat der Verfasser rund zu 0,049 £ gerechnet und
hiernach das babylonische Talent zu 283,7 £ angesetzt." F. R.]
1) Her. VII, 89. 96. 98. VIII, 67.
2) G. I. Sem. I No. 3. [Der englische Text ist hier viel kürzer,
giebt dagegen einen dem hier Folgenden entsprechenden Stamm-
baum. F. R.]
3) Auch der Steinsarg ihres Sohnes ist in völlig ägyptischem
Style gehalten. Doch erinnert mich Robertson Smith mit Recht an
Stellen wie IL Sam. 13, 18, aus denen hervorgeht, dass Ehen unter
Geschwistern von verschiedenen Müttern auch ausserhalb Aegyptens
erlaubt waren.
7. PHOENICIEN UNTER DEN PERSERN. 75
Griechen Tiwtig ausgesprochene wiedererkannt worden; da
aber dessen Nachfolger und Vorgänger beide Straton heissen^
so kajin es nur sein Grossvater sein: wahrscheinlich ist da-
mals im Sidonischen Eonigshause regelmässig der Name des
Grossvaters in dem des Enkels wiederholt 'worden , so dass
also Eshmun^azar II. als älterer Bruder Stratons I. anzusehen
ist.^) Auf den letzteren bezieht sich yermuthlich eine der-
selben Zeit angehorige phonicische Inschrift^), eine Schenkung
an Astarte seitens des Bod^ashtart^ Königs der Sidonier^ aus
dem Anfangsjahre seiner Regierung betreffend. Da Straton II.
332 eigene Politik trieb'), war er damals wenigstens ein
mittlerer Zwanziger; die zwei vorhergehenden Generationen
zu je 30 Jahren gerechnet, kämen wir mit der Geburt der
beiden Sohne des Tabnit I. auf ungefähr 418 und 417. Nun
ergiebt sich aus der Inschrift Eshmun'azars IL mit voller
Deutlichkeit, dass er unter der Begentschaffc seiner Mutter
stand und vor erlangter Volljährigkeit starb: also ist sein
Tod und damit die Inschrift um 400 zu setzen; das
Geschenk des Grosskönigs verdienten sich die Sidonischen
Herrscher vielleicht dadurch, dass sie beim Zuge des jüngeren
Eyros treu geblieben waren. Sicher ist, dass Eshmun'azar IL
nicht der Eonig der Sidonier war, der 396 die 80 phönici-
sehen Schiffe befehligte, die zum Eonon stiessen.^) Vielleicht
war dies der erste Anstoss zu den freundschaftlichen Be-
ziehungen zwischen Sidon und Athen, von denen uns ein
Proxeniedecret f^ Straton L^) Eunde giebi Tyros war da-
mals ganz ohnmächtig; zwischen 391 — 386 wurde es von
Euagoras von Salamis erstürmt^), der schon vorher auf
Cypern dem griechischen Elemente wieder das Uebergewicht
über das phonicische verschafft hatte und, damals in Eriegs-
zustand mit dem Grosskonig beündlich, die phonicische Eüste
1) Von mir nachgewiesen in den Neuen Jahrbüchern für Philo-
logie nnd Pädagogik LXXV (1867) S. 613. [oben S. 9f.; vgl. Band I
S. 812.] 2) C. I. Sem. I No. 4.
8) Curt. IV, 1, 16. 4) Diod. XIV, 79.
6) C. L Gr. I No. 87. [« C. I. A. II No. 86.]
6) Isokr. Paneg. § 161. Eaag. 23, 62; Diod. XV, 2.
76 DIE PHOENICIEB.
verwüstete. Mit seinem Sohne Nikokles unterhielt der Sido«
nisehe Straten freundschaftliche Beziehungen; beide wett-
eiferten in Schwelgerei und beide nahmen, in den grossen
Satrapenaufstand verwickelt; ein unglückliches Ende.^) Als
der ägyptische König Tachos die Offensive gegen Persien
ergreifend in Phonicien eindrang, war Straton unvorsichtig
genug, sich in ein Bündniss mit ihm einzulassen, in Folge
eines in Aegypten im Rücken des Tachos ausgebrochenen
Aufstandes schlug aber der Feldzug fehl, und Straton war
nun allein der Rache der Perser ausgesetzt. Sein Weib
todtete den Zaudernden, der im Begriff war, seinen Feinden
in die Hände zu fallen, und dann sich selbst (361).') Unter
seinem Nachfolger Tennes IL erhob sich Sidon, das uns da-
mals als eine reiche Stadt mit gewaltigen Hülfsmitteln ge-
schildert wird, von Neuem gegen die Perser, gereizt durch
Unbilden, die seinen Bürgern auf dem Bundestage von Tri-
polis von Seiten der persischen Machthaber zugefögt worden
waren. Die Sidonier verbanden sich auch diesmal mit dem
ägyptischen Könige Nektanebos IL, rissen das übrige Pho-
nicien mit sich fort und begingen eine Reihe demonstrativer
Gewaltthaten, durch die sie den Bruch mit ihrem Oberherrn
unheilbar machten. Anfangs Hessen sich die Dinge gut an,
die Satrapen von Syrien und Kilikien wurden von Tennes,
dem von Aegypten 4000 griechische Söldner unter dem
Rhodier Mentor zu Hülfe geschickt worden waren, aus Pho-
nicien herausgeschlagen./ Die Interessen des politisch macht-
losen phönicischen Königthums deckten sich aber nur in
geringem Grade mit denen der Bürgerschaft, und es trat ein,
was auch bei den in analoger Lage befindlichen spartanischen
Königen wiederholt vorgekommen ist: Tennes verrieth sein
eigenes Volk. Längst hatte er sich mit Artaxerxes HI. ins-
geheim in Verbindung gesetzt, und als dieser in Person in
der Nähe von Sidon erschien, lieferte Tennes ihm zunächst
100 Senatoren aus, die «r unter dem Verwände, den Bundes-
tag in Tripolis besuchen zu wollen, mitgenommen hatte,
1) Theopompos und Anaximeaes bei Ath.. XII p. 531.
2) Hieron. adv. Jovinian. I, 46 (II, 1 p. Sil G. ed. YalL).
7. PflOENIClEN UNTER DEN PERSERN. 77
worauf die Perser diese zusammenschössen^ uud dann spielte
er ihm im Einverstäudniss mit Mentor die Stadt in die
Hände. Als die Sidonier sahen ^ dass alles verloren war,
schlössen sie sich in ihre Häuser ein und verbrannten sich
in denselben mit Weib und Kind; über 40000 sollen damals
umgekommen sein. Der Perserkönig Hess den Yerräther
umbringen, als er ihn nicht mehr brauchte.^) Diese Kata-
strophe trug sich 345 zu^; der Schrecken, den sie verbreitete,
hatte die Unterwerfung der übrigen Städte zur Folge. Aus
dem Jahre vorher ist uns eine Schilderung des damaligen
Besitzstandes in Phönicien durch den den Namen des Skylax
tragenden Periplus^) erhalten. Sie zeigt uns den Besitz der
Sidonier und Tyrier bunt durcheinander gewürfelt: den
Ersteren gehorte der Küstenstrich von Leontopolis bis Orni-
thopolis, eine Stadt Arados in der Gegend des späteren
Sykaminon, endlich Doros, das Eshmun'azar H. geschenkt
erhalten hatte, den Tyriern Sarepta, Exope (?) in der Gegend
des späteren Kalamon, weiter nach Süden eine Stadt, wie
es scheint Kirtha, endlich Askalon. Diese wichtige Stadt
in Tyrischen Händen zu sehen ist sehr aufföUig und hängt
vielleicht mit gewissen Besitzveränderungen zusammen, welche
die Perser nach Niederwerfung des grossen Satrapenaufstandes
vorj^enommen hatten. Tyros nahm nach dem Untergange von
Sidon wieder die erste Stelle ein, sollte jedoch die Schwester-
stadt nicht lange überleben. Als Alexander der Grosse nach
der Schlacht bei Issos in Phönicien einrückte, waren die
Könige mit den Schiffscontingenten bei der persischen Flotte;
in ihrer Abwesenheit ergaben sich aber die Städte Arados,
Byblos, Sidon den Makedoniern; die Sidonier legten sogar
besonderen Eifer an den Tag, sich gegen die Perser zu er-
klären. Auch die Tyrier liessen durch eine Gesandtschaft,
1) Diod. XVI, 41—46.
2) Die Zeitbestiminang hängt von der Einnahme Aegyptens ab;
diese aber gehört in das Jahr 344.
3) § 104. An der betreffenden Stelle ist nichts zu ändern, man
hat nur Ztdovüov anb As6vt<ov nölsoag ii^ixQt 'Of^vl^av ndXsmg zu ver-
binden.
78 DIE PHOENICIER.
an deren Spitze der Sohn ihres Königs Azemilkos stand,
ihre Bereitwilligkeit erklären, den Befehlen des Königs nach-
zukommen, setzten aber seinem Begehren, unter dem Vor-
wande eines Opfers im Heraklestempel ihre Stadt zu be-
treten, Widerstand entgegen: es war wohl weniger Hinneigung
zu Persien, als die Besorgniss, die Makedonier würden, einmal
eingelassen, nicht wieder herausgehen, die ihre Handlungs-
weise bestimmte. Da es Alexander darauf ankam, gegenüber
der ersten Regung von Widerstand, der sich ihm ausserhalb
des officiellen Persiens entgegenstellte, ein eclatantes Bei-
BlOAspiel zu statuiren, so begann er sofort die Belagerung. Mit
unsäglicher Mühe wurde ein Damm vom Festlande aus nach
Inseltyros geführt und die Belagerungsmaschinen auf diesem
herangebracht. Sieben Monate lang währte die heldenmüthige
und intelligente Gegenwehr der Tyrier, und so lange sie
das Meer beherrschten, machten die Angreifer, deren Werke
wiederholt zerstört wurden, geringe Fortschritte. Erst als
die persischen Befehlshaber aus Thorheit oder Ohnmacht
sich dazu bequemten, die phönicischen Flottencontingente in
ihre Heimath zu entlassen, und so 80 Schiffe der Aradier,
Byblier und Sidonier zu Alexanders Verfügung standen und
bald nachher das Hinzukommen von 120 cy prischen Schiffen
ihm die Uebermacht auch auf dem Meere verschaffte, nahmen
die Dinge für die Belagerten eine immer ungünstigere Wen-
dung; endlich im Juli 332 wurde Tyros von den Makedom'em
erstürmt. 8000 Tyrier kamen bei dem Sturm um, 30000
Bürger und Fremde, die in der Stadt lebten, wurden auf
Alexanders Befehl in die Sklaverei verkauft; nur einige
Notabein, der König Azemilkos und die zufällig anwesenden
karthagischen Festgesandten, welche alle im Tempel des
Herakles Schutz gesucht hatten, wurden begnadigt^) Tyros
hörte so auf, als politisches Gemeinwesen zu existir^i. Bald
darauf wurde durch die Gründung Alexandrias, die den Welt-
handel in neue Bahnen lenkte, der mercantilen Bedeutung
der phönicischen Städte ein Söhlag zugefügt, der in seinen
1) Arr. An. II, 18. 15—24.
8. QUELLEN UND HUELFSMITTEL. 79
Folgen yielleicht noch Dachhaitiger wirkte^ als die vorher-
gegangenen Acte äusserer Gewalt. Sidon und Tyros fuhren
auch in der hellenistischen Periode fort, Sitze eines reichen
Eaufmannsstandes zu sein und behäbigen Wohlstandes sich
zu erfreuen, aber die Bolle der Phonicier als eines welt-
historischen Volkes war ausgespielt.
8. Quellen und Hülfsmittel.
Eine einigennassen zusammenhängende Ueberlieferung
aas dem Alterthum haben wir nur über die phonicische
Mythologie in der Bearbeitung des Sanchuniathon durch
Philon Yon Byblos, und über die Annalen von Tyros in
den von Josephos erhaltenen Fragmenten des Menander von
Ephesos und dem auf Timäos zurückgehenden 18. Buche des
Jnstinischen Auszuges aus Pompejus Trogus. Sonst muss
alles erst durch Mosaikarbeit hergestellt werden. — Unter
den Hülfsmitteln nimmt die erste Stelle ein: Movers, Die
Phönizier. I. II, 1—3. Bonn 1841—1856, 8\ neben welchem
Werke, da es unvollendet geblieben ist, desselben Movers
Ajrtikel Phönizien in Ersch und Grubers Allgemeiner Ency-
clopädie Sect. III. Th. 24. (Leipzig 1848, 4P.) S. 319 — 443
zu vergleichen ist: gelehrte und unentbehrliche, aber, wenn
die kritische Durcharbeitung des Materials in Frage kommt,
nur mit Vorsicht zu benutzende Arbeiten. Am meisten gilt
dies von der Behandlung der Mythologie, die völlig synkre-
tistisch ist, während es hier vor allem darauf ankommt, zu
sondern und das den einzelnen semitischen Völkern Gehörende
in seiner Eigenart richtig zu erkennen. Daher behält Seiden,
De Dis Syris, London 1617, 8^. als Fundgrube auch heute
noch seinen Werth. Von Neueren giebt das Beste Graf
Baudissin, Studien zur semitischen Religionsgeschichte.
L II. Leipzig 1§76. 1878, 8®.*) In Bezug auf die Colonial-
geschichte ist des ehrwürdigen Bochart Ghanaan s. De
coloniis et sermone Phoenicum, Gaen 1646, foi. ein monu-
mentum aere perennius, das auch nach Movers nicht veraltet
♦) [Vgl. oben S. 28flF. F. R.]
80 DIE PHOENICIER. 8. QUELLEN UND HÜELFSMITTEL.
zu nennen ist. Der Letztere hat mit Hülfe der Etymologie,
um den Ausdruck eines witzigen Kopfes zu gebrauchen,
förmliche phonicische Reunionskammern errichtet; Olshausen
im N. Rhein. Mus. VIII (1853), 321-340 hat diese ein
wenig eingeschränkt, im Ganzen aber wandern sowohl er,
als Müllenhoff, Deutsche Alterthumskunde I (Berlin 1870)
S. 1 — 210 viel zu sehr in den Spuren von Movers. Ein
gutes Correctiv bietet Meltzer, Geschichte der Karthager I
(Berlin 1879) S. 1 — 89, der freilich wieder im Zweifeln mit-
unter zu weit gehi Am besten ist bei Movers die Behand-
lung der Geschichte im engeren Sinne; mit Nutzen wird man
daneben die meisterhafte Schilderung in Grotes History of
Greece III (London 1850) S. 354-387. 454-458 (2. Aufl-)
zu Rathe ziehen. Zum Schlüsse sei noch auf die Darstel-
lungen in Dunckers Geschichte des Alterthums und
Masperos Histoire ancienne des peuples de TOrient hin-
gewiesen.
IV.
üeber Meltzers OeseMebte der Kartbager.*)
Gescbicbte der Karthager von Otto Meltzer. Erster Band.289
Berlin y Weidmaimsche Buchhandlung. 1879. XII und
530 S. gr, 8^
Zweiundfun&ig Jahre sind yerflossen, seitdem die Ge-
schichte der Karthager durch W. Botticher einer selbst für
den damaligen Stand der Wissenschaft kaum befriedigend
zu nennende Bearbeitung fand; seitdem sind auf diesem
Gebiete zwar manche gute Einzelforschungen zu yerzeichnen,
unter denen namentlich die Ton Arnold Schaefer ;;Zur Ge-
schichte von Karthago^' im Rheinischen Museum XV S. 391 fif.
heryorgehoben zu werden verdienen; aber eine zusammen-
fassende Darstellung der Geschichte des Volkes^ das allein
Bom die Weltherrschaft ernstlich streitig gemacht hat,
unterblieb, so fühlbar diese Lücke auch sein mochte. Diese
wird jetzt durch das Werk, dessen erster Band uns hier
Yorliegt, ausgefüllt. In seiner Anlage und schon in der
äusseren Form erinnert es an ein Werk verwandten Inhalts,
an Holms Geschichte von Sicilien: wie in dieser ist, um
das Ebenmass der Geschichtserzählung nicht zu stören, der
gelehrte Apparat mit allen Belegstellen in Anmerkungen
zusammengefasst, die an das Ende des Bandes verwiesen sind.
Der Verfasser der karthagischen Geschichte ist wohl-
vorbereitet an seine Arbeit gegangen, das sehr zerstreute
Material ist von ihm mit grosser Sorgfalt gesammelt und
gesichtet worden. Seine Belesenheit in aller der Literatur,
die direct oder indirect als Hülfsmittel dienen konnte, stellen
^ [Jahrbücher fOr classische Philologie 1880 S. 289 --299.]
Y. OuTiOHiiiD, Kleine Schriften. IL 6
82 ÜEBER MELTZERS
besonders die beiden ersten Capitel in ein glänzendes Licht:
um von bekannten Werken wie Movers' „Phönizier'* und
Müllenho£F8 „Deutsche Alterthumsknnde^' abzusehen, sind die
Arbeiten über die Phönicier^ phönicische Inschriften und
phönicische Sprache, ältere und neuere Reisewerke, Slanes
Ihn Chaldun u. a. hier in umfassendster Weise herangezogen
und yerwerthet worden. Bei der immer zunehmenden Thei-
lung der philologisch-historischen Disciplinen ist es einem
Einzelnen nicht mehr möglich, überall im strengsten Sinne
290SachTerständiger zu sein. Der kundige Historiker zeigt sich
darin, dass er, wo dies der Fall ist, *sich an Stellen Raths
erholt, die wirklich competent sind. Diesen richtigen Tact
lässt der Verfasser nirgends vermissen; eine wesentliche
Forderung hat seine Arbeit dadurch erhalten, dass die Um-
schrift und Punctation der phönicischen Namen nach den
Anweisungen Eutings erfolgt ist.
Wo der Verfasser auf eigenen Füssen steht, ist seine
Leistung völlig auf der Höhe der Anforderungen, welche die
heutige Wissenschaft an ein Geschichtswerk wie das seinige
zu stellen das Recht hat: er zeigt sich uns durchweg als
einen kritischen, behutsam vorgehenden Forscher von nüch-
ternem und gesundem ürtheiL Unter der Masse auto-
schedias tischer Producte griechischen Fabulirens, die nur zu
leicht wo nicht als geschichtliche Thatsachen, doch als echt
einheimische Ueberlieferungen angesehen worden sind, räumt
er unbarmherzig auf und leitet damit eine berechtigte Reaction
ein, die sich auf anderen Gebieten der alten Geschichte längst
vollzogen hatte. Wie jede derartige Reaction bei ihrem ersten
Eintreten, schiesst sie auch wohl mitunter über das Ziel
hinaus: dass die Geschichte von den Philänen die Erfindung
eines griechischen Rhetors sein soll, wie S. 188. 491 be-
hauptet wird, ist so unwahrscheinlich wie möglich; abgesehen
davon^ dass der alte Logograph Charon von Lampsakos, von
dem eine Erzählung das Vorbild abgegeben haben soll, sicher
nicht zum gewöhnlichen Repertoire der Rhetorenschulen ge-
hört hat, und dass seine Erzählung gerade für den wesent-
lichsten Zug, das Lebendigbegrabenwerden der Philänen^
GESCHICHTE DER KABTHAGER. 83
keine ÄDalogie bietet^ gehört das^ was von diesen gemeldet
wird, zu den wandernden , an den verschiedensten Orten
wieder auftauchenden Geschichten , die schwerlich auf ge-
lehrtem Wege in den Yolksmund gekommen sind^ und ist
auf den bei den verschiedensten Völkern bis nach Indochina
hin nachweisbaren Aberglauben zurückzuführen, dass Grund-
steine, Grenzsäulen und dergleichen mit Menschenblut ge-
kittet werden müssen, um Festigkeit zu erlangen. Noch
weniger scheint es mir gerechtfertigt, dass der Verfasser
S. 492 die Angabe des Titianus, die Barkäer hätten einst
die Phönicier in einer Seeschlacht besiegt, auf den unwahr-
scheinlichen Verdacht hin, dass sie mit der Philänenfabel
zusammenhänge, für Schwindel erklärt Immerhin schadet
auf einem Gebiete, wo für die historische Kritik noch so
viel zu thun übrig war, eine zu weitgehende Skepsis weniger
als das Gegentheil.
Allen vereinzelten Notizen, deren Werth nur dann sich
richtig abschätzen lassen würde, wenn wir den Zusammen-
hang wüssten, in dem sie ursprünglich gestanden haben,
bringt der Verfasser ein sichtliches Misstrauen entgegen, und
dies ist wohl auch der Grund, warum die erneute Durch-
musterung, welcher derselbe die alten Schriftsteller nach
Bötticher unterzogen hat, noch immer einer Nachlese
fähig ist.
Zu dem vierten Gapitel, für welches bei dem Fehlen
jeder zusammenhängenden Geschichtsdarstellung der Sto£f
mosaikartig zusammengetragen werden muss, bin ich fol-
gende sechs Stellen nachzutragen im Stande gewesen. Auf29i
die S. 225 nach Justinus berichtete Bekriegung der Numider
durch die Karthager ist die Erzählung des Frontinus IV,
7, 18 von einem Hasdrubal zu beziehen, der durch das Vor-
geben einer Elephantenjagd die Numider sicher machte, dann
angriff und unterjochte; dass diese List sich nur auf die
erste Eroberung Numidiens unter den Enkeln des Mago,
von denen einer Hasdrubal hiess, beziehen kann, ergiebt die
Erwägung, dass sie später, nachdem die Numider die Kar-
thager und ihre Absichten einmal kennen gelernt hatten,
6*
84 UEBEB MELTZERS
weder gelingen noch versucht werden konnte. — Derselbe
Hasdrubal, der mittlere Sohn des auf Sardinien umgekom-
menen Hasdrubaly ist es wohl, den ein Scholion zu Maxi-
mos Tyrios Diss. II, 3 falschlich statt des Hanno zum
Träger der Geschichte yon der Lowenzähmung macht, die
vom Verfasser S. 228. 504 berührt worden ist; Maximos
selbst nennt keinen Namen, sondern redet ganz allgemein
von einem Kagxridoviog vsaviag, den die Karthager wegen
der in der Zähmung eines Löwen liegenden Ueberhebung
getödtet hätten. — Wichtiger ist, dass Maximos Tyrios
Diss. XXXY, 4 und ein Scholion zu Dion Chrysostomos
I S. 3^ (Morelli) die bei Aelianos ebenfalls von diesem Ebnno
erzählte Geschichte von den Vögeln, die abgerichtet wurden,
ihn für einen Gott zu erklären^), unter Weglassung des
albernen dtci^vXiia, in welchem bei Aelianos die Geschichte
gipfelt, und Hinzufügung des gewiss der Intention des ur-
sprünglichen Berichts entsprechenden Schlusses, dass die
Libyer ihm wirklich als Gott geopfert hätten, auf einen
libyschen Mann Namens Psaphon (Apsephas, König der
Libyer, im Scholion) beziehen. Dies ist nämlich gewiss
kein anderer als Sapho, der jüngste Sohn des älteren Has-
drubal und Vetter des Hanno, und bei der Seltenheit des
Namens ist es wahrscheinlich, dass ihn die Nachricht ur-
sprünglich im Auge gehabt hat. Beide Verwechselungen,
die des Hasdrubal mit Hanno und entscheidender noch die
des Hanno mit Psaphon, werden nur erklärlich, wenn ^ie
die zwei Söhne des älteren Hasdrubal betreffenden Er-
zählungen im ^Zusammenhange mit der Katastrophe ihres
Vetters und der ganzen Familie vorkamen, so dass sich da-
mit auf einem Umwege die Identität des Löwenzähmers mit
dem Letzteren beweisen lässi — Frontinus H, 5, 12 be-
richtet, wie es einem karthagischen Feldherm Maharbal
durch den aufständischen Afrem preisgegebenen, vorher mit
1) Ich yermnthe in dem Geschichtchen eine ätiologische Erfindung,
die von dem Ursprung des von einer karthagischen Familie geführten
Beinamens „der Staar" Rechenschaft geben soll: einen *Apvi§eig 6 Wä(f
nennt als Parteigänger des Masinissa Appianos Lib. c. 68.
GESCHICHTE DER KARTHAGER. 85
Alraun gemischten Wein gelang , diese im Schlafe zu über-
fallen und ihnen eine schwere Niederlage zu bereiten: es ist
dieselbe List, die Polyänos Y, 10; 1 auf den bekannteren
Himilko überträgt und die der Verfasser S. 280. 511 auf
einen sonst unbekannten Libyerkrieg des Jahres 405 be-
zogen hat; da sich aus der Vereinigung beider Stellen er-
giebt; dass es sich um aufständische Afrer handelt, welche
sogar die Villen unmittelbar yor den Thoren Karthag08292
besetzt hatten, so erweist dies eine Situation, die nur auf
den S. 303 nach Diodor geschilderten Aufstand des Jahres
396 passt. — lieber den Hamilkar, der wegen des Ver-
dachtes, er strebe nach der Tjrannis, von den Karthagern
getodtet wurde, giebt es ausser dem Zeugniss des Polyänos
V, 11, nach welchem die Sache S. 315. 516 Erzählt worden
ist, noch ein zweites bei Theodoros Metochites (S. 200
Kluge), bei welchem der Name *Ia^6Xxris lautet.
Mag man es auch bei der trümmerhaften Ueberlieferang
der karthagischen Geschichte bedauern, dass der Verfasser
nach dieser Seite hin auf Vollständigkeit verzichtet hat, so
verdient es doch im Ganzen Lob, dass er allem auf seine
Herkunft hin schwer zu prüfenden Material gegenüber Zurück-
haltung beobachtet und seine Darstellung auf die einzigen
etwas ausführlicher gehaltenen Quellen, für die ältere Zeit
bis 409 y. Gh. Justinus, für die spätere vom Wiederbeginn
der Kämpfe auf Sicilien an Diodoros, basirt hat. Auf Grund
dieser den Gang der auswärtigen Politik Karthagos zu ent-
wickeln und diese einzige Seite der karthagischen Geschichte,
für welche unsere Ueberlieferung eine relative Vollständigkeit
besitzt, möglichst bis ins Einzelne aufzuhellen, ist die Haupt-
aufgabe, die derselbe sich gestellt hat.
Besondere Sorgfalt hat der Verfasser darauf verwandt,
den Verlauf der geschilderten Begebenheiten in einem mög-
lichst anschaulichen und abgerundeten Bilde zusammenzu-
fassen: seine Darstellung liest sich gut, sie ist geschmack-
voll, durchsichtig, schlicht, frei von allem Gesuchten und
Manierirten. Die Erzählung ist, was in dem Gesagten seine •
Erklärung findet, ausführlich geworden, ohne dass man ihr
86 UEBEB MELTZERS
daram den Vorwurf übergrosser Breite machen müsste. In
diesem ersten Bande wird uns in fönf Gapiteln die äussere
Entwickelung des karthagischen Gemeinwesens bis zum Jahre
306 Y. Ch. (dem des Friedensschlusses mit Agathokles und
des erneuten Vertrages mit Rom) vorgefQhri
Die beiden ersten Capitel^ welche über diePhonicier
im Allgemeinen und über die phönicische Colonisation in
Nordafrika handeln, erlangen hervorragende Wichtigkeit durch
die Art, wie der Verfasser hier zu Movers Stellung nimmt.
Es ist nicht bloss^ worauf man sich bisher beschränkt hat,
eine Revision des von diesem aufgeführten Baues der pho-
nicischen Colonialgeschichte, die darauf ausging, zwecklose
Ausbauten zu beseitigeu, einzelne baufällig befundene Theile
neu zu stützen oder auch abzubrechen, aber mit dem Be-
streben, möglichst viel von dem Ganzen zu retten, sondern
e» ist ein Bruch mit den Moversschen Grundanschauungen
selbst und ihrer kritiklosen Anwendung: sein Bau wird zu
einem grossen Theil vom Verfasser auf die Gefahr hin ein-
gerissen, dass man sich bescheiden muss, nicht in der Lage
zu sein, etwas anderes Positives an die Stelle zu setzen.
Wenn der Verfasser für die Geschichte des Landhandels
mehr von den Moversschen Aufstellungen aufrecht hält, so
ist vielleicht nicht ohne allen Einfluss hierauf der Umstand
gewesen, dass sich ihm bei dem seiner Aufgabe ferner liegen-
den Gegenstande die Nöthigung, die Grundlagen selbst auf
293ihre Dauerhaftigkeit hin zu untersuchen, weniger aufgedrängt
hat. Wirkliche Zeugnisse dafür aus dem Alterthum sind bei
Lichte besehen so verschwindend wenige vorhanden, dass
Referent mehr und mehr zu der Ueberzeugung gekommen
ist, dass die directe Betheiligung der Phönicier an dem
asiatischen Landhandel auf ein sehr bescheidenes Mass re-
ducirt werden muss.*)
In einem Punkte bin ich hier in der eigenthümlichen
Lage eine von mir selbst früher ausgesprochene**) und vom
Verfasser S. 418 gebilligte Ansicht bestreiten zu müssen: die
*) [VgL oben S. 48 f F. ß.]
♦♦) [„Beitr&ge zur Geechichte des alten Oriente" S. 26 f. P. R.]
GESCHICHTE DER KARTHAGER. 87
damals noch nicht vorliegende echte handschriftliche lieber-
lieferung von Justinus XYIII, 3, 3 nöthigt jetzt dazu. Seine
Worte lauten: Tyriorum gern condUa a Phoenicibus fuit, gut
terrae motu vexati relicto patrio solo ad Syriam (sehr. Syrium*))
staffnum primo tnox mari proximum litus incohierunt, condita
ibi urbe, quam a piscium ubertate Sidona appeUaverunt. So
lange man noch Assyrium stagnum primo, mox las"^*); liessen
sich unter der Heimath^ aus der die Phönicier ein Erdbeben
vertrieb; ihre von Herodotos bezeugten Ursitze am persischen
Meerbusen, unter dem Assyrium stagnum der See von Bam-
byke verstehen. Jetzt ist dies nicht länger möglich. Die
^ erste Heimath am Syrium stagnum*^ kann nur eine erste
Heimath der Phönicier amTodten Meere bedeuten, und
die Combination Bunsens, dass das Erdbeben, das sie von
dort vertrieb, dasselbe sei, das nach der biblischen Sage
Sodom und Gomorra zerstörte, erhält erst so eine wirkliche
BegrOndung: es wird eine den Hebräern mit der übrigen
Bevölkerung Kanaans gemeinsame Vorstellung gewesen sein,
dass dasselbe zu Yolkerscheidungen den Anlass gegeben habe.
Der Widerspruch mit Herodotos liegt nunmehr offen zu Tage;
erwägt man, dass das weit im Innern in einem von der
EQste ans schwer zugänglichen Lande gelegene Todte Meer
den Griechen erst sehr spät bekannt geworden ist, und selbst
noch bei Strabon die Kunde von demselben eine äusserst
unvollkommene ist, so wird es sich vielleicht empfehlen, mit
mir anzunehmen, dass dem Herodotos in Tyros das „Meer
von Edöm (des rothen Landes)^' als Urheimath der Phönicier
genannt und von ihm für das „Rothe Meer'S d. h. den per-
sischen Meerbusen genommen wurde.***)
Sehr fein ist der vom Verfasser geführte Nachweis,
welche Producte es gewesen sind, die den Verkehr nach
dem Westen weckten und im weiteren Verlauf von ent-
scheidendem Einfluss auf den Gang der phönicischen Golo-
*) [So die Codices CVQ. F. R.]
**) [So lesen die italischen Codices und die auf den Pomposanus
zurückgehenden. F. R.]
*«) [Vgl oben S. 41f. F. R.]
88 ÜEBER HELTZEBS
nisation in Nordafnka waren; die Einwirkung des treflnichen
Werkes Ton Hehn macht sich hier an mehr als einer Stelle
bemerklich. Unter umsichtiger Erwägung der natürlichen
Bedingungen und geschichtlicher Anhaltspunkte kommt der
Yetf asser zu dem Ergebniss, dass Nordafrika von den Pho-
niciem erst nach den Colonialanlagen in Tarsis und in Folge
derselben besiedelt worden sei. Um die ältesten Cultur-
zustände des libysch-berberischen Stammes zu schildern , ist
von den bildlichen Darstellungen und den Inschriften der
altl^yptischen Denkmäler durch den Verfasser in sehr ge-
schickter Weise Gebrauch gemacht worden-, das Moverssche
294Dogma von den Libyphoniciern als einer älteren kanaaniti-
schen Einwanderung in Nordafrika vor der eigentlich pho-
nicischen Colouisation ist von ihm definitiv beseitigt und
die Libyphonicier wieder als das hinbestellt worden^ was sie
wirklich gewesen sind^ die phonidsche Oolonialbevolkerung
von Afrika (später im Gegensatz zu den von der Bezeichnung
ausgeschlossenen Karthagern).
Wenn der Verfasser wiederholt den gänzlichen Mangel
einer Ueberlieferung darüber beklagt, ob über die Colonien
des Westens von Tyros her anfangs einmal , wie über Ey-
pros, eine formliche Hoheit ausgeübt worden sei, so mochte
ich daran erinnern, dass es allerdings ein solches Zeugniss
giebt, das nur in Folge einer falschen Correctar bisher ver-
kannt worden isi In dem von Josephos doppelt erhaltenen
Fragment des Menandros von Ephesos ist von Leuten die
Rede, gegen die Eonig Hirom, als sie den Zins nicht ent-
richteten, gezogen und nach deren Unterwerfung er wieder
heimgekehrt sei. Die Namensform dieser Leute steht im
Dativ: Ant Jud. VIII, 5, 3, wo die editio princeps 'Hvxeoig
bietet, wird uns über die Handschriften nur so viel gesagt,
dass der (gute) Reg. a ^Iwcdotg, Reg. b *HvKaiocg haben *),
der uralte Ambrosianus der lateinischen Uebersetzung hat
nach einer Mittheilung Nieses Eucheos^ was auch die fünf
*) [Nach Niese lesen der Farisinos 1421 and der Oxoniensis
'^maioia, der Codex Parisinus 1419 und der Codex Sambuci ivnioie,
der Marcianos ^vxfoiff, der Vaticanos 147 ijvxaiff. F. B.]
GESCHICHTE DER EABTHAGER. 89
Drucke derselben, die von einander unabhängig sind, bieten;
c. Ap. 1, 18 liest der Florentinus, die einzige Quelle unserer
heutigen griechischen Ueberlieferungy Titvotg, Eusebios im
armenischen Chroniken und die ^ExXoyii t^xoQimv fEuiden
TiTvxaioig Tor*); der Canonicianus und zwei Laurentiani,
die drei besten Handschriften der lateinischen üebersetzung,
haben Titiceos. Man bat unter diesem Volke allgemein die
Eitieer verstanden , was palaographisch so unwahrscheinlich
wie möglich ist: die Emendation ^Ixvxatoig drängt sich
von selbst auf, Utica ist es, das von Hirom wieder zum
Gehorsam gebracht worden ist.
Im dritten Gapitel, ,,Die Gründung'^ überschrieben,
wird wiederum ein Moverssches Phantom, das von einer
doppelten Gründung Karthagos, einer älteren Sidonischen
und einer jüngeren Tyrischen, beseitigt und schlagend nach-
gewiesen, dass aus dem Namen „die neue Stadt^' kein Beweis
für eine ältere Anlage entnommen werden kann, indem dieser
ebenso gut im Gegensatz zur Mutterstadt wie zu einer älteren
Anlage an Ort und Stelle gewählt sein könne. Auch so weit
ist dem Verfasser Recht zu geben, dass die von Movers
gemachte Scheidung zwischen einer mythischen Dido und
einer historischen Elissa willkürlich ist. Allenfalls auch
darin noch, dass die von demselben versuchte Ausgleichung
zwischen dem von ihm nach Menandros bestimmten Datum
826 und dem Timäischen Gründungsjahre 814 einigermassen
künstlich ist und bei dem Unbekanntsein der Epoche von
Tyros und der Unsicherheit des Datums des Salomonischen
Tempelbaues die Begründung der ganzen Epochenreihe bis
auf die Gründung Karthagos herab von Tyrischer Seite in
der That nicht so festgefügt ist, wie Movers annahm. Aber
den weiteren Deductionen des Verfassers zu folgen bin ich
ausser Stande und halte an meiner bisherigen, von ihm295
S. 458 bekämpften Ansicht, dass es sich um lauter authen-
*) [In Schönes Ausgabe des Easebios I S. 1 17 giebt Petermann in der
üebersetznng des armenischen Textes Titios; S. 118, wo er seine Conjectnr
saerafc vorgebracht hat, giebt Gutschmid als Lesart der '£xloyi7 tarogimv
Titvaü}ig an, und das bietet auch Gramer, An. Par. U S. 186, 9. F. R.]
90 UEBEB ICELTZEBS
tische Data handelt, aber deren richtige Fixining lediglich
in Folge der Art ihrer Ueberlieferung geschwankt werden
kann, fesi^J Der YerÜLSser sieht nämlich die ganze Grün-
dongsgeschichte von Karthago, wie sie am ToUstandigsten
bei Trogus vorliegt, als eine griechische Erfindung an, die
allerdings durch hellenisirte Panier in Karthago selbst Ein-
gmg gefunden haben möge, aber erst durch Timäos ein
scheinbar historisches Gewand erhalten habe und an eine
bestimmte Epoche geknüpft worden sei; daraas, dass diese
Ton Appianos aasdrücklich als eine Annahme der Karthager
bezeichnet wird, folge nur, dass auch die Timäische Datirung
nach Karth^o selbst importirt worden sei. Einfluss auf die
Herabrückung des Gründungsdatums durch Timäos möge die
Deutung des Namens Utica als „die Alte'' im Gegensatz zu
der Neustadt Karthago gehabt haben; entscheidend aber sei
f&r ihn gewesen die Identificirung des Gottes Pygmalion, des
Bruders der Dido, mit einem Tyrischen Konige Pygmalion,
dessen Zeit er mit Hülfe der Tyrischen Annalen ermittelt
und so das Jahr 814 als das der Gründung von Karthago
gefunden habe. Die ältere Zeit wisse nur von dem Grdn-
dungsdatum des Philistos, das Yon Eusebios an das Jahr
803 Abr. (so ABP. 798 F. 807 R) geknüpft wird**) und das
der Verfasser mit Recht mit dem Appianischen „50 Jahre
Yor der Einnahme von Troia'^ für identisch erklärt; von Phi-
listos selbst werde es wohl allgemeiner auf eine Generation
Yor diesem Ereigniss gestellt worden sein. Historisch genau
sei aber auch dieses nicht, sondern solle nur ausdrücken, dass
die Gründung um so Yiel der Bekanntschaft der Griechen
mit dem Westen Yorangegangen sei, welche für diese mit
den Fahrten des Odysseus zusammenfiel. Die Namen Azoros
und Karchedon enthielten einen Hinweis auf die Ursprung-
lichkeit des Doppelsuffetenthums.
Für den hellenischen Ursprung der Timäischen Tradition
macht der Verfasser geltend 1) dass griechische Etymologien
*) V^E^* „Beiträge zur Geschichte des alten Orients*' S. 16 und
oben S. 66. 64. F. B]
♦*) [Vgl. Bd. 1 8. «49 f. F. B.]
GESCHICHTE DER KARTHAGER. 91
eingesprengt seien; aber weder hat er bewiesen, dass die
ErzähluDg des Trogns, gegen dessen Art es durchaus nicht
verstösst, in die Hauptquelle Zusätze aus anderen Quellen
mosaikartig einzusetzen, durchweg Timäisch sei, noch ist
abzusehen, warum nicht schon Timäos, dessen namentliches
Citat übrigens die mit der Etymologie von Byrsa zusammen-
hängende Geschichte von der zerschnittenen Rindshaut nicht
hat, die karthagische Tradition durch einzelne anderswoher
genommene Züge erweitert haben konnte; 2) dass in dieser
Tradition eine anthropomorphisirende Tendenz heryortrete;
als wenn sich diese Erscheinung nicht auf einer gewissen
Entwickelungsstufe bei allen Völkern zeigte, nicht bloss bei
den Griechen; 3) dass sie in keiner organischen Verbindung
mit der wirklichen Geschichte Karthagos stehe; aber woher
können wir das wissen, da uns diese für die ganze ältere
Zeit verloren ist? und war es der Fall, wie könnte uns das
in Verwunderung setzen, da die mythische Färbung des
Gründungsberichtes nie geleugnet worden ist? Wie äusserst
unwahrscheinlich der Ausweg ist, zu dem der Verfasser sich296
gedrängt sieht, dass eine zweimalige Importirung erst der
griechischen Fabel, dann des Timäischen Epochenjahres in
Karthago stattgefunden habe, liegt auf der Hand: die Kar-
thager sollten sich also auf die Weise muth willig jünger als
Utica gemacht haben? Sobald man zugiebt, dass der Kern
der Timäischen Erzählung ein einheimischer ist, kann man
diese im Wesentlichen oder auch ganz als mythisch preis-
geben, ohne dass dies den historischen Charakter der zu-
gleich damit überlieferten Gründungsepoche im Geringsten
afficirte. Des Verfassers Hypothese, dass diese in der Be-
ziehung des mythischen Pygmalion auf den historischen
wurzele, hat zur Voraussetzung die andere Hypothese, dass
es einen Gott Pygmalion gegeben habe, welche durchaus
erst noch des Beweises bedarf. Den Timäos zu dem zu
machen, der mit Hülfe dieser Identificirung das Datum 814
berechnet habe, ist nicht möglich ohne zwei wiederum
äusserst unwahrscheinliche Hülfshypothesen : 1) dass ihm
die Specialgeschichte der Könige von Tyros zugänglich
92 UEBER MELTZEBS
war — aber auf welchem Wege sollte dies zu seiner Zeit
möglich gewesen sein? 2) dass die für jeden Unbefangenen
den denkbar deutlichsten Stempel einheimischen Ursprungs
tragenden Datirungen der Gründung Uticas 287 Jahre vor,
der Pityusen 160 Jahre nach der von Karthago erst durch
eine Umrechnung nach der von ihm erfundenen Aera ihre
jetzige Gestalt erhalten haben sollten. Wenn je, so kann
man hier von einem dovlsvsiv rfi vno^i^si reden.
Sieht man näher zu, so liefern dem Verfasser für seine
verschlungenen Kreuz- und Querzüge den einzigen stichhal-
tigen Grund die doppelten Gründungsdaten von Kar-
thagOy von denen nur eines das richtige sein kann. Mir
scheint alles dafür zu sprechen, dass das Gründungsjahr 814
Y. Gh. wirklich das zu Timäos' Zeit in Karthago geltende
gewesen ist Dem Verfasser auf dem Wege zu folgen, auf
dem er das Datum des Philistos verflüchtigt, scheint mir
aber noch weniger rathsam, als in seiner Behandlung der
Timäischen Zeitbestimmung: wenn Eusebios es auf 1213
(beziehungsweise 1218 oder 1209) v. Gh. fixirt hat^ so folgt
daraus nicht, dass seine Quelle den Philistos einen anderen
Abstand zwischen der Epoche von Karthago und der Ein-
nahme Troias annehmen liess, als die 50 Jahre Appians,
und damit die Berechtigung, die allgemeiner gehaltene An-
gabe einer Generation als das einzig Ueberlieferte anzu-
nehmen, sondern nur, dass Philistos (was sich eigentlich
von selbst versteht) einer anderen Troischen Aera gefolgt
ist als Eusebios. Um die vom Verfasser vorgeschlagene
weitere Umdeutung glaublich zu machen, müsste erst be-
wiesen werden, dass die Griechen die Irrfahrten- des Odysseua
als Ausgangspunkt ihrer Kunde vom Westen angesehen
hätten, und auch dann noch würde der Entstehungsprocess
des Datums unwahrscheinlich genug sein. Azoros und Kar-
chedon sollten die vorbildlichen ersten Suffeten gewesen sein?
„Tyros" und „Karthago" als Mutter und Tochter, allenfalls
als Vater und Sohn haben einen Sinn, aber coordinirt neben-
einander als Gründerpaar Verstössen sie gegen alle conven-
297tionelle Symbolik, die bei der Bildung der Eponymennamen
GESCHTCHTB DER BTARTHAGER. 93
¥on Hebräern so gut wie Griechen, sicher also auch von
den Pnniem sireng gewahrt worden ist. Und doch stammt
die Nachricht, wie der Verfasser mit Recht aas dem Namen
Azoros (d. i. (^ör) geschlossen hat^ aus karthagischer Quelle.
Was nun? Mir scheint auch jetzt noch die von mir bereits
im Literarischen Centralblatt vom 27. November 1858 S. 759*)
vorgeschlagene Lösung den einzigen Ausweg auis diesen
Schwierigkeiten zu zeigen: es liegt ein einfaches Missver*
standniss des Philistos vor, dem die Karthager sagten: ^^die
Aera von Tyros und Karthago beginnt 50 Jahre vor Troias
Fall.'' Mit einem Worte, zur Zeit des Philistos rechnete
man in Karthago noch officiell nach den Jahren der Mutter-
stadt Tyros; als diese von Alexander erobert worden war,
lockerte sich, wie man aus der Andeutung bei Diodor XX, 14
sieht^ das Yerhältniss der mächtigeren Tochter zur Mutter,
mid damals wird die eigene Stadtaera an die Stelle der
Tyrischen getreten sein, die denn auch Timäos bei den Kar-
thagern vorfand. Ohne es zu ahnen, hat also Philistos das-
selbe Datum bewahrt, das uns in anderer Fassung und auf
eine andere Troische Aera gestellt für Tyros an der bekannten
Stelle des Justinus XVIII, 3, 5 vorliegt, die Stadt sei ein
Jahr vor der Zerstörung von Troia erbaut. Ohne seine Scheu,
zu positiven Annahmen gedrängt zu werden, in welche der
Verfasser in diesem Abschnitte hineiugerathen ist, würde
ihm der Widerspruch schwerlich entgangen sein, in den er
sich dadurch verwickelt, dass er die Gründung des unbedeu-
tenden Auza als in den Tyrischen Annalen verzeichnet an-
nimmt, aber die Erwähnung der Gründung von Karthago in
denselben Annalen nicht Wort haben will, und die weitere
Schwierigkeit, dass er die Datirung des Timäos aus einer
Kunde der Tyrischen Konigslisten herleiten, in die uns er-
haltenen Listen aber das Datum über Karthagos Gründung
erst aus Timäos eingesetzt werden lassen muss. Eine un-
befangene Prüfung der von Menandros gegebenen Zahlen
kann nur zu der Erkenntniss führen, dass sie zu dem
*) [Bd. I S. 249 f. dieser Sammlang. F. B.]
94 UEBEB MELTZEBS
anderweitig Festgestellten so gut passen, wie man es von
einer durch Addition von Eonigsjahren gewonnenen Jahr-
reihe nur immer verlangen kann. Der Werth oder Unwerth
der Vergleichung des 11. oder 12. Jahres des Hirom mit
dem Jerusalemischen Tempelbau, die ich nicht für einen aus-
gerechneten Synchronismus, sondern für eine von Josephos
vorgenommene willkürliche üebertragung des Datums der
grossen Tyrischen Tempelbauten auf die Erbauung des Salo-
monischen Tempels halte , kann auf unser Urtheil über die
Jahrreihe; welche von der Gründung von Tyros auf die von
Karthago herableitet, nicht den geringsten Einfluss haben:
sie beweist lediglich, dass die Tyrischen Annalen von der
Gründung bis auf den Begierungsantritt des Hirom 229
Jahre, von da bis auf das Jahr der Gründung von Karthago
155 Jahre (8 Monate), zusammen also 384 Jahre (8 Monate)
zählten. Das scheint allerdings zu wenig; man kann aber
noch jetzt mit einiger Wahrscheinlichkeit nachweisen , wo
der Fehler steckt Eine nicht durch willkürliche Auswahl
beliebiger Zahlen, sondern auf dem Wege methodischer Kritik
bewirkte Herstellung der Liste ergiebt, dass die Zeit des
298ungenannten Usurpators, mag sie nun, wie der griechische
Text hat, auf 12 Jahre bestimmt oder, wie dies, wahrschein-
lich mit Recht, in sämmtlichen übrigen Texten der Fall ist,
gar nicht angegeben gewesen sein, in die Gesammtsumme
nicht eingerechnet ist: diese muss also um 12 Jahre, be-
ziehungsweise um eine unbestimmte Zahl von Jahren erhöht
werden. Wie die Liste der Tyrischen Konige festzulegen ist,
braucht hier nicht weiter verfolgt zu werden; für meinen
Zweck genügt es vollkommen, die von Tyrischer und Kar-
thagischer Seite über die Gründung der Mutterstadt sowohl
wie der Tochterstadt überlieferten Data im Princip als glaub-
würdig nachgewiesen zu haben.*)
Das vierte Capitel „Die Bedrängniss der Westphdnicier
und die Begründung des karthagischen Reichs'^ schildert uns
die einsichtige, schon vor Mago eingeleitete, dann aber
♦) [Vgl. oben S. 68 f. F. B.]
GESCHICHTE DER KARTHAGER. 95
namentlicli von ihm und seinem Hause mit grosser Stetig-
keit Weitergefährte Politik der Karthager, die darin bestand,
Hand anf die westlichen Colonien der Phonicier zu legen,
ihre Beschirmung den Griechen gegenüber zu übernahmen
und deren fernerem Vordringen gegen Westen einen Damm
entgegenzustellen, keinen Schritt weiter vorzugehen, als die
Erreichung dieses Zwecks unumgänglich erheischte, inner-
halb dieser Demarcationslinie aber mit rücksichtsloser Con*
Sequenz die Griechen und alle anderen Mitbewerber um die
Seeherrschaft auszuschliessen und die eigene Suprematie fest
zu begründen. In diesem Zusammenhange betrachtet der
Verfasser die Handelsverträge zwischen Karthago und Bom,
und erklärt sich unbeschadet des eingestandenen Einflusses,
den im Uebrigen Mommsens Ansichten auf sein Werk aus-
geübt haben, gegen diesen für die Datirung des Polybios;
mit Recht erkennt er (S. 174) in der Schwierigkeit, welche
die im zweiten Jahrhundert v. Ch. völlig veraltete Sprache
bei der Uebertragung verursachte, ein wichtiges Zeugniss
bei der Frage über das Alter der ältesten und damit auch
der auf dieselbe folgenden Urkunden.
Gegen die Allmacht des Magonischen Hauses trat eine
oligarchische Reaction ein, und schon von da an datirt der
Verfasser das Bestehen zweier Parteien, einer aristokrati-
schen, nach Aussen hin auf nichts als auf Wahrung des
thatsächlichen Besitzstandes bedachten und vielfach über das
4
wahre Staatsinteresse hinaus friedliebenden, und einer mehr
demokratischen, militärischen, dem Auslande gegenüber eine
thatkräftige Politik vertretenden Partei. In diesem Antago-
nismus zweier entgegengesetzter Richtungen sieht der Ver-
fasser den Schlüssel zu einem richtigen Einblick in den
Gang der kriegerischen Operationen, zu denen namentlich
auf Sicilien die Verwickelungen zwischen der Grossmacht
Karthago und den Syrakusischen Tyrannen führten. Es bildet
dies den Inhalt des fünften Capitels; obgleich die üeber-
lieferung hier vollständiger als anderwärts ist, so ist es mir
doch fraglich, ob der Verfasser nicht mitunter in seinen
Gombinationen weiter gegangen ist, als jene verstattet. Ein
96 UEBER MELTZERS GESCHICHTE DER KARTHAGER.
Versehen ist es^ wenn S. 339. 519 der tyrrhenische, in Wahr-
heit wohl romische Pirat, welchen Timoleon hinrichten liess,
A. Postumins genannt wird.
299 ]^ie wenig erheblichen Ausstellungen , die wir an dem
Yorliegenden Werke zu machen hatten, stehen einem über-
wiegend günstigen Oesammturtheil über dasselbe nicht im
Wege: es gehört zu den solidesten Leistungen, die in den
letzten Jahren auf dem Gebiete der alten Geschichte er-
schienen sind.
V.
Zu den Fragmenten des Berosos nnd Ktesias.*) S52
I. Zu den Fragmenten des Berosos.
Eines der wichtigsten Denkmäler für die ganze frühere
asiatische Geschichte und Chronologie ist die Liste der baby-
lonischen Dynastien, welche uns aus der chaldäischen Ge-
schichte des Berosos in der armenischen Uebersetzung der
Chronik des Eusebios (p. 17 ed. Mai [I p. 23f. ed. Schöne])
aufbewahrt worden ist. Auf die grosse Bedeutung dieser
Urkunde machte zuerst Niebuhr in seiner Abhandlung über
den Gewinn aus der neu entdeckten Chronik des Eusebios
aufmerksam und besprach sie. Nach ihm haben Lepsius in
der Einleitung zur Geschichte von Aegypten und zuletzt
*) [fiheinisches Musenm für Philologie N. F. Band Ym (1853)
8. 252 — 267. Dieser Aufsatz ist in vielen Stücken völlig veraltet Der
erste Abschnitt geht von einer falschen, von Gutschmid selbst später
vernrtheilten Lesart bei Simplikios aus (vgl. Band I S. 291. 357 f. und
^Beiträge zur Geschichte des alten Orients** S. 18 f., sowie unten die
Anzeige von J. Brandis, Der historische Gewinn aus der Entzifferung
der assyrischen Inschriften S. 408 des Originaldrucks), der zweite von
damals für richtig geltenden Anschauungen über die assyrische Geschichte
und Chronologie, die gegenwärtig so allgemein angegeben sind, dass
es mehr als überflüssig wäre, anzugeben, wo sich Gutschmid selbst
anders über diese Dinge geäussert hat. Es wird, um den allmälichen
Fortschritt der Erkenntniss zu veranschaulichen, genügen, auf die oben
erwähnte Anzeige der Schrift von Brandis hinzuweisen. Gutschmid
selbst hat übrigens manche Einzelergebnisse dieser ersten Wissenschaft-
lieben Arbeit, welche er der Oeffentlichkeit übergeben hat, später aus-
drücklich aufrecht erhalten und es fehlt auch sonst hier nicht an mehr
oder weniger wichtigen und nicht veralteten Bemerkungen, welche
allerdings, wie z. B. die Ausführungen über Diodorll, 21 (S. 106) nicht
durchweg die Beachtung gefunden haben, welche sie verdienten. F. B.]
V. OuTscsMio, Kleine Schriften, n. 7
98 Zu DEN FRAGMENTEN
E. Müller zu den Fragmenten des Berosos (in den Fragments
historicorum Graecorum U p. 504 ed. Didot) über denselben
Gegenstand geschrieben.
Leider sind in dieser Dynastienaufzählung die Jahre der
dritten (medischen) Dynastie unsicher und die der vierten
(von unbekannter Herkunft) fehlen im Texte ganz und die
an den Rand geschriebene Zahl ist schwerlich die richtige.
Die historische Gewissheit geht also bei dieser Beschaffenheit
unserer Quellen nur bis zum Jahr 1976 v. Gh., dem Anfang
der fünften (chaldaischen) Dynastie, hinauf; wir können daher
die Anfange der früheren Dynastien nur durch Conjectur
finden. Zum Glück giebt es zwei Hülfsmittel, mit denen
wir die Angaben des Berosischen Textes, wie er jetzt vor
uns liegt, nicht bloss controliren, sondern auch ergänzen
können.
Auf das eine hat schon Niebuhr hingewiesen; es ist uns
gegeben in der von Simplikios im Commentar zur Schrift
des Aristoteles nsgl ovQavov mitgetheilten Nachricht, dass
253Ealli8thenes beim Einzüge Alexanders des Grossen in Babylon
(331 y. Gh.) dort astronomische Aufzeichnungen gefunden
habe, welche eine Zeit von 1903 Jahren umfassten. Das
führt uns auf das Jahr 2234 v. Gh. Gewiss hat Niebuhr
Recht, wenn er behauptet, dass dies nicht ein vereinzeltes,
lediglich für die Geschichte der Astronomie wichtiges Datum
sei, sondern dass es eine wichtige historische Thatsache, ja
den Anfang der sicheren Geschichte selbst, bezeichne. Er
glaubte also, dies Jahr sei das der Einnahme von Babylon
durch die Meder. Demnach fielen der dritten (medischen)
Dynastie 224, der vierten 34 Jahre zu. Dabei ist freilich
Mehreres bedenklich: 1) die Aenderung jd^ für MH] 2) für
die der vierten Dynastie zugeschriebenen 11 Könige sind
34 Regierungsjahre entschieden zu wenig: dann kämen auf
einen Jeden durchschnittlich nur drei Jahre, und dies wäre
doch unerhört; 3) ein für die Culturgeschichte so bedeut-
samer Schritt, wie der erste Anfang astronomischer Auf-
zeichnungen ist, setzt, zumal in so alter Zeit, ruhige und
gesicherte Zustände voraus: wie sollten aber die gerade
DES BEROSOS UND KTESIAS. 99
durch die Herrschaft der Meder, welche uns ja als fremde
Eindringlinge und Tyrannen geschildert werden, herbeigeführt
worden sein? Solchen Eroberungen folgt im Orient in der
Regel die geistige Ertodtnng des unterworfenen Volkes —
und Yon diesem , nämlich den Chaldäern^ gingeii cloch jene
astronomischen Aufzeichnungen gerade aus. Diese Schwierig-
keiten scheinen denn auch Lepsius bewogen zu haben, jene
Angabe des KalUsthenes für die Bestimmung der chaldäischen
Chronologie ganz fallen zu lassen. Er nimmt dagegen eine
Notiz des Synkellos zu Hülfe. Dieser giebt nämlich der
medischen Dynastie (oder, wie er sich auszudrücken beliebt,
der des Zoroastres und der sieben Ghaldäer) 190 Jahre. Da
nun dies den von Eusebios für dieselbe Dynastie angegebenen
Zahlen 224 oder 234 widerspricht, so meint Lepsius, es möge
dies wohl die Zahl der Jahre der vierten Dynastie sein.
Diese Yermuthung hat indess wenig diplomatische Wahr-
scheinlichkeit für sich. Synkellos hat hier, wie man mit
ziemlicher Sicherheit behaupten kann, aus den Werken der
ägyptischen Mönche Anianos und Panodoros^ geschöpft, zweier
Euhemeristen des vierten Jahrhunderts, welche alle mythi-
schen Zahlen in sogenannte historische verwandelten, um
die Nachrichten der heidnischen Chronographen in Einklang264
mit ihrem eigenen aus der Bibel abgeleiteten System der
Zeitrechnung zu bringen. Den Unfug, welchen sie in der
ägyptischen Geschichte verübt haben, hat Boeckh in der
Schrift „Manetho und die Hundsstemperiode '^ gebührend
gewürdigt. Sie haben also den Synkellos verleitet, die echten
Nachrichten des Berosos elend zu verstümmeln. Die Jahre
der beiden ersten mythischen Dynastien nimmt er für Tage,
damit Berosos nicht zu sehr von der Bibel abweiche; der
dritten Dynastie giebt er, wie schon erwähnt wurde, 190
Jahre, die vierte und fünfte Dynastie lässt er ganz aus, die
sechste verkürzt er um drei Könige und 30 Jahre, und
ausserdem macht er in der Bezeichnung der Herkunft der
zweiten und dritten Dynastie die ärgste Confusion. Die Zahl
190 ist also schwerlich echt, und dass Synkellos sie von
einer anderen Dynastie übertragen haben sollte, lässt sich
100 zu DEN FRAGMENTEN
durch nichts beweisen; er wird vielmehr , wie er es bei der
sechsten Dynastie gethan hat, die Regierungsjahre willkür-
lich verkürzt haben. ^) Endlich E. Müller hält in der Frag-
mentsammlung des Berosos (Fragm. bist. Graec. II p. 504)
die am Rande der Eusebischen Chronik der dritten (medi-
schen) Dynastie beigeschriebenen 234 Jahre für echt und
sieht darin die Summe der Jahre der dritten und vierten
Dynastie. Er legt deshalb den Medern 189 Jahre (so statt
der 190 Jahre des Synkellos, einer runden Zahl) und ihren
Nachfolgern 45 Jahre (indem er ME für MH corrigirt) bei.
Auch dies ist höchst willkürlich. Ich bin überzeugt^ dass man
die Zahl des Eallisthenes festhalten muss als das Datum der ^
Thronbesteigung einer chaldäischen Dynastie; aber welcher?
Mein Bedenken gegen die dritte (medische) Dynastie habe
ich bereits ausgesprochen. Yon allen anderen Dynastien
kann nur die vierte von unbekannter Herkunft hier in Be-
tracht kommen, da die zweite Dynastie in eine viel frühere,
mythische Zeit fallt, von der fünften Dynastie aber das
Jahr 1976 v. Gh. als Datum ihrer Thronbesteigung feststeht.
266Nimmt man nun als das erste Jahr der vierten Dynastie das
Jahr 2234 v. Gh., so bleiben für sie 258 Jahre übrig; dies
stimmt sehr gut zu der Angabe, dass diese Dynastie 11
Herrscher hatte, und es kommt dann auf einen Jeden der-
selben eine Regierung von etwa 23 Jahren, was ein ganz
annehmbares Yerhältniss ist. Wie leicht konnte überdies
aus der Zahl CNH das MH werden, welches die Randglosse
hat Auch sieht man sehr wohl ein, wie CNH im Texte
ausfallen konnte; es folgt nämlich als Zeitangabe der nächsten
Dynastie TNH, wegen welcher ein Abschreiber leicht über die
ähnliche vorhergehende hinweggleiten konnte. Wir können
also CNH unbedenklich in den Text aufnehmen. Diese vierte
1) Da SynkelloB (p. 78 C ed. Bonn.) den Meder Zoroastres anf-
fiülig von seinen sieben Nachfolgern, die er Ghaldäer nennt, trennt,
80 liegt die Vermuthung nahe, dass ursprünglich dem Zoroastres 84,
seinen sieben Nachfolgern 190 Jahre gegeben waren. Doch Überall
die Marotten eines byzantinischen Chronographen erklären zn wollen,
w&re verlorene Mühe.
DES BEROSOS UND KTESIAS. 101
Dynastie wird wohl eine einheimische gewesen sein^ da ihre
Herkunft nicht angegeben wird. Es ist klar, dass ihr An-
fang, also der Sturz der medischen Tyrannei, als Ausgangs-
punkt astronomischer Beobachtungen angesetzt werden konnte,
wie später in einem ganz ähnlichen Falle der Regierung des
Nabonassar.*)
Zur Evidenz wird jene Emendation gebracht durch das
zweite der oben erwähnten Correctivmittel; auf dieses ist,
sonderbar genug, noch keiner von denen, die sich mit jenen
Berosischen Listen beschäftigt haben, aufmerksam geworden.
Ich meine die Summe der Jahre aller Dynastien, die in Ba-
bylon regiert haben. Diese wird Berosos gewiss in einen
Cyclus eingeschlossen haben. Es ist dies der älteren orien-
talischen Geschichtsschreibung ganz angemessen; vom Werke
des Manetho hat es neuerlich Boeckh so schön nachgewiesen,
und es wäre geradezu auffällig, wenn sein Zeitgenosse Be-
rosos, der auch sonst so viel innere Aehnlichkeit mit ihm
hat, nicht dasselbe gethan hätte. Nun aber wissen wir,
dass Berosos die zehn Chaldäerkönige vor der Sintfluth
432000 Jahre regieren Hess. Dies ist eine cyclische Zahl,
die bekanntlich auch bei den Indern vorkommt. Es sind
dies 120 ödgoL oder Perioden von 3600 Jahren. Im ganzen
Zahlensystem der Babylonier spielen die Zahlen 6 und 10
und ihre Producte eine grosse Rolle: sie theilten die Zeit
ein nach dem ödgog von 3600, dem vrJQos von 600, dem
öciööog von 60 Jahren. Es ist also ganz natürlich, dass
die Chaldäer auch die Regierungsjahre ihrer nachsintfluth-
liehen Eonige in einem Cyclus begriffen haben. Nun wollen
wir sehen, was die Zusammenrechnung der Jahre aller256
Dynastien nach Aufnahme unserer Emendation für ein
Resultat ergiebt**):
*) [Vgl. unten die Anzeige von Brandis, Der historische Gewinn
ans der Entzifferung der assyrischen Inschriften S. 408 des Original-
drncks, sowie „Beiträge znr Geschichte des alten Orients*' S. 18 und
„Nene Beitrage" S. 116. F. R.]
**) [Der Ansatz des Jahres 34618 für die zweite Dynastie beruht
natürlich auf einem Rechenfehler. F. R.]
102 ZU DEN FRAGMENTEN
zweite D
^ynasti
LC 86 Chaldäer
reg. :
34080 J
ahre
seit
34618.
dritte
}}
8 Meder
9)
224
«0
7)
2458.
vierte
f7
11 [Chaldäer]
y}
[258]
w
77
2234.
fünfte
V
49 Chaldäer
V
458
»
J7
1976.
sechste
?»
9 Araber
V
245
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77
1518.
siebeute
)}
45 Assyrer
jf
526
9>
;;
1273.
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3 Assyrer
>;
122
7)
>;
747.
neunte
V
6 Chaldäer
V
87
>}
n
625.
222 Könige reg. 36000 Jahre.
(Ende des Reiches 538.)
Diese 36000 Jahre sin^i gleich 10 ödgoi^ offenbar irgend
eine cyclische Zahl. Es sind wohl 100 grosse Jahre.*) Die
alten Chaldäer hatten nämlich, wie es scheint, ursprünglich
ein Jahr von 360 Tagen; dies wird zwar, soviel ich weiss,
nirgends ausdrücklich berichtet, aber die aus Berosos und
Ktesias von Athenäos XIV p. 639 C mitgetheilten Sagen von
den fünf Tagen im Jahre, an welchen in Babylon nach Art
der romischen Saturnalien alle Verhältnisse umgekehrt wur-
den, hat schon Volney gewiss richtig auf die Einschaltung
von fünf Tagen in das alte Jahr von 360 Jahren gedeutet.
Dies wird durch jene von den Babyloniern mit den Zahlen
6 und 10 getriebene Symbolik bestätigt. Wie passend die
Zeit nach der Sintfluth in 100 grossen Jahren eingeschlossen
wird, leuchtet ein. Die Jahreszahlen des Berosos können
also nur als ganz gesichert betrachtet werden.
Für die Zahl der Eonige haben wir fast gar keine
Controle. Nach unserem Texte regierten 10 Eonige vor
und 222 nach der Sintfluth in Babylon. In der historischen
Zeit ist das Verhältniss der Regierungsjahre dieses, dass
durchschnittlich auf jeden Eönig 1374 Jahre kommen. Dies
257ist offenbar zu wenig. Ich weiss nun zwar wohl, dass man
1) Diese Zahl ist kritisch beglaubigter als 834, welches eine
blosse Bandglosse ist; wir müssen sie also zu Grunde legen.
2) Von den vielen Arten des grossen Jahres war die herkömm-
lichste die, dass man das Jahr als einen Tag betrachtete nnd dann
ein Jahr von 860 (oder, nach Befinden, von 354 oder 865) Tagen, d. i.
Jahrtagen, bildete. Dieser Cyclus hiess das grosse Jahr.
DES BEROSOS UND KTESIAS. 103
bei kleinen Zeiträumen nicht viel auf den Kanon, dass im
Durchschnitt auf jeden König 17 'Regierungsjahre kommen,
geben darf, indem zuföllige Umstände grosse Verschieden-
heiten herbeiführen können^); im Ganzen und Grossen gleicht
sich dies aber wieder aus, und jener herkömmliche Kanon
wird sich dann fast in allen Fällen bewähren. Ich glaube
zeigen zu können, dass dies auch von den Dynastien des
Berosos gilt. Die Zahl der assyrischen Könige der siebenten
Dynastie ist nämlich nicht sicher; denn während Berosos
deren 45 zählt, so nennt Abydenos (in einem Fragment bei
Müller IV p. 282) den Sanherib den 25. assyrischen König.
Zählt man nun den Phul, Tiglat-Pileser, Salmanassar und
Sanherib ab, so bleiben für die siebente Dynastie 21 Könige.
Da Abydenos aus denselben Quellen wie Berosos schöpfte,
so kann diese Differenz nicht auf einer Verschiedenheit der
historischen Tradition beruhen, sondern muss als ein Fehler
der Abschreiber gelten, welche die Siglen KA und ME ver-
wechselten. Man hat also die Wahl zwischen beiden Zahlen,
von denen die des Abydenos zu gering, die des Berosos zu
gross zu sein scheint. Ich entscheide mich aus zwei Gründen
für die Zahl 21, welche Abydenos giebt, 1) weil dann bei
der Gesammtberechnung auf jeden König eine Regierung
nicht von 1374, sondern von etwas über 16 Jahren kommt:
dies passt besser zu dem herkömmlichen Kanon; 2) wegen
der Uebereinstimmung mit den Nachrichten des Ktesias.
Ich kann hier nicht umhin, auf dessen Chronologie genauer
einzugehen.
II. Zu den Fragmenten des Ktesias.
Es ist bekannt, wie sehr die Nachrichten des Ktesias
über Assyrien von denen des Berosos abweichen. Dies ist
ganz natürlich; denn dieser schöpfte aus chaldäischen, jener
aus persischen Quellen. Eine Vergleichung der Nachrichten
Beider bedarf also erst einer Rechtfertigung. Diese wird
1) Ich erinnere an die lange Regierungsdaaer der Bonrbonen in
Frankreich und an den farchtbar schnellen Regierungswechsel der
letzten Sassaniden.
104 ZU DEN FRAGMENTEN
258uns zu Theil durch ein Fragment des Alexandros Polyhistor
(bei Müller III p. 210), wonach mit Eonig Beleous das
Geschlecht der Semiramis ausstarb und hierauf ein Gärtner
Beletaras auf wunderbare Weise König wurde. Beide Namen
finden sich in den auf Ktesias zurückgehenden Eönigsyer-
zeichnissen der Chronographen, welche auf Belochos II. einen
Balatores folgen lassen. Dies berechtigt uns, die Konigsliste
des Etesias in zwei Hälften zu zerlegen. Die Regierungs-
jähre der zweiten assyrischen Dynastie, die wir der Kürze
halber Beletaraden nennen wollen, belaufen sich beim Eu-
sebios auf 588, bei anderen Chronographen auf einige Jahre
mehr. Sie fallen nach den übereinstimmenden Angaben der-
selben in dieselbe Zeit, wie die siebente assyrische Dynastie
des Berosos; sie sind nur dadurch zu hoch hinaufgeschoben
worden, dass Etesias den Sturz des assyrischen Reiches, da
er die Herrschaft der Meder zu lange ausdehnte, statt in
das Jahr 747 in das Jahr 884 setzte. Ich wage nun zu
behaupten, dass die Beletaraden mit den Assyrern der
siebenten Dynastie des Berosos identisch sind. Ein Um-
stand begünstigt diese Ansicht sehr. Berosos nennt nämlich
als Gründer in dieser Dynastie eine Semiramis; nun aber
wird in den Etesianischen Eönigsregistern des Eusebios und
Eastor zwischen Belochos IL und Balatores eine Semiramis,
welche auch Atossa heisst, eingeschoben. Sie heisst eine
Tochter des Belochos IL und vielleicht erwarb der Gärtner
Beletaras durch Heirath mit dieser Eonigstochter das as-
syrische Reich. Die Dynastie der Beletaraden glaube ich
als historisch ansehen zu dürfen. Den letzten Eonig dieser
Dynastie nennt Etesias Sardanapallos und vermischt seine
Geschichte offenbar mit der des» letzten Chaldäerkönigs Sarak
einerseits und mit dem Mythos von der Selbstverbrennung
des Gottes Sandes andererseits. Glücklicherweise ist uns
aber, vermuthlich ebenfalls aus Etesias, der wahre Name
des letzten Assyrerkönigs überliefert worden; er hiess Thonos
Eonkoleros. Wir brauchen also nicht zu befürchten, in ihm
lediglich eine mythische Person vor uns zu haben.
Wir wenden uns nun zur Betrachtung der Etesianischen
DES BEROSOS UND KTESIAS. 105
Chronologie. Wir wissen, dass Ktesias in den ersten drei
Büchern seiner TlsiffSixa^ wo er die Geschichte der Assyrer
im Zusammenhange erzählte, nur die fünf bedeutendsten as-259
syrischen Eonige erwähnte und ihre Zeit in runden Summen
angab; am Schlüsse seines ganzen Werkes fügte er aber ein
Konigsverzeichniss hinzu mit genauer Angabe der Jahte^ die
jeder Eonig regiert hatte. Da alle späteren Historiker mit
geringen Ausnahmen die Etesianischen Nachrichten wieder-
geben, so muss man sorgfältig die scheiden, welche un-
mittelbar den Etesias benutzt haben, und solche, welche
mittelbar aus ihm schöpfen, d. h. aus Bearbeitungen seiner
Geschichte. In die erste Classe gehört Diodoros, der im
zweiten Buche die 'Aöövgiaxa des Etesias excerpirt und die
dort gegebenen runden Zeitbestimmungen mittheilt. Genauere
Zahlen giebt uns Eephalion (bei Müller III p. 625) mit aus-
drücklicher Anführung des Etesias, also auf jeden Fall aus
dessen Eönigsverzeichniss; diese Zahlen werden durch die
Yergleichung mit Diodoros bestätigt. Zwar hat Eephalion
einem barocken chronologischen System zu Liebe die Eönige
zwischen Teutamos und Sardanapallos ausgeworfen und lässt
diesen unmittelbar auf jenen folgen; er ist aber so ehrlich,
diese Willkürlichkeit nicht durch Fälschungen zu bemänteln.
Aus diesen beiden Schriftstellern erfahren wir aber noch
nicht die Begierungsjahre der einzelnen Eönige. Diese geben
uns die Chronographen; aber bei ihnen sind die Zahlen des
Etesias schon willkürlich den einzelnen chronologischen Sy-
stemen gemäss auf verschiedene Weise modificirt worden,
bald durch Verkürzung, bald durch Verlängerung. Uns sind
drei solcher assyrischer Eönigslisten überliefert worden; die
älteste ist die in der Chronik des Eusebios, die zweite ist
in den Excerpta chronologica Latino-barbara Scaligeri, die
aus Eastor schöpfen, enthalten, die dritte, welche vielleicht
auf Lysimachos zurückgeht, giebt Synkellos. Von diesen ist
die Liste des Eusebios die einfachste; die Excerpta setzen
den Belos voran, von dem Etesias nichts weiss, und schliessen
mit Ninos 11., den Etesias wenigstens nicht als Nachfolger
des Sardanapallos kennt; Synkellos endlich hat ebenfalls
106 ZU DEN FRAGMENTEN
den Belos und schiebt ausserdem vier andere Könige ein,
die (wie wir aus Abydenos wissen) an einen ganz anderen
Platz gehören. Bei der Erforschung der echten Nachrichten
des Etesias legen wir also die Liste des Eusebios zu Grunde,
260und benutzen als Massstab die Angaben des Diodoros und
des Eephalion. Diese müssen wir hier, da die Notizen
ziemlich verstreut sind, zusammenstellen:
Ninos regierte 52 Jahre (Keph. III p. 626).
Semiramis regierte 42 Jahre (Diod. II, 20. Anonym, de
mulier. I).
Ninyas.
Als der 20. König vom Ninyas an, Namens Teutamos,
regierte, bestand das assyrische Reich über 1000 Jahre
(Diod. II, 22).
Als Teutamos starb, wurde Sardanapallos , der 23. von
Ninos an, König im 1013. Jahre des Reiches (Keph.
III p. 626, wo trotz der falschen Verkürzung der
Königsreihe das Echte noch erkennbar ist).
Der 30. König vom Ninos an ist Sardanapallos (Diod. II, 23).
Summa: (30 Könige regierten über 1300 Jahre (Diod. II,
21. 28).
Dauer des Reiches 1306 Jahre (ein altes Glossem
im Diod. II, 21 ^), erhalten von Agathias II, 25).
Vergleichen wir nun also diese echten Nachrichten des
Ktesias mit den Zeitbestimmungen der Chronographen, als
deren besten Repräsentanten wir den Eusebios aufgestellt
haben, so ergeben sich uns mehrere bedeutende Verschieden-
heiten. Wir fangen von unten an und gehen erst dann zur
Untersuchung der ältesten Zeiten über. Da sehen wir denn,
dass Eusebios oder vielmehr seine Quellen die Zeit zwischen
Teutamos und Sardanapallos, die nach Ktesias 1306 — 1012,
also 294 Jahre dauerte, willkürlich verlängert haben; Eu-
1) In unseren Text ist ein anderes Glossem in hi d' Ig^xovrtt
gekommen, so dasa die Summe der Jahre 1360 wäre; dies ist aber
wohl bloss eine Vcrderbniss, indem aus ^li d* t^ geworden ist hi 91
£': denn sonst konnte 1300 kaum von Ktesias als runde Summe an-
gegeben werden.
DES BEROSOS UND KTESIAS. 107
sebios im Ghron. p. 45 (ed. Mai [I p. 65 f. Schone]) zählt
uämlich statt dessen 356 Jahre. Ferner füllten beim Ktesias
nur acht Eonige diesen Zeitraum aus^ Eusebios zählt deren
zehn auf. Bei den anderen Chronographen sind die Differenzen
noch grosser (in den Excerpta 11 Konige in 350 Jahren^
im Synkellos - 14 Könige in 524 Jahren). Zum Glück ist
die Art der Interpolation und der Grund derselben noch
ganz erkennbar. Die Chronographen wissen sämmtlich von
dem richtigen Datum des Sturzes des Assyrerreichs im Jahre
747 Y. Ch. nichts^ sondern folgen dem Ktesias^ aber uicht26l
einmal diesem genau. Sie setzen vielmehr^ um einen leid-
lichen Synchronismus mit den biblischen Nachrichten her-
ausbringen zu können^ das Ende des Reiches in das Jahr
820 (Andere 843, noch Andere 825), also über 60 Jahre
später als Ktesias. Was nun das Einfachste gewesen wäre,
nämlich die Könige des Ktesias alle um so viel Jahre her-
unterzurücken, dies zu thun wagten sie nicht, weil der Syn-
chronismus des Königs Teutamos und des Troischen Krieges
für eine ausgemachte Sache galt; den Troischen Krieg aber
sammt dem Könige herunterzurücken, wäre in ihren Augen
unverantwortlich gewesen. Es musste also die Dauer des
Reiches um etwas über 60 Jahre vermehrt werden; diese
aber anzuflicken hält sehr schwer, da alle Ktesianischen
Konige schon eine mehr als genügende Regierungsdauer
aufzuweisen hatten. Was war also einfacher, als für jene
neugewonnene Zeit ein paar neue Könige zu fabriciren?
Die zwei eingeschobenen Könige (soviel hat Eusebios mehr
als Ktesias) verrathen sich durch ihre Namen, welche blosse
Alterirungen derer ihrer unmittelbaren Vorgänger oder Nach-
folger sind. Auf König Tautanos (Teutamos) folgt ein Teu-
täos, der 40 Jahre regiert; des Ophratanos (Ophratanes)
Vorfahr heisst Ophratäos und regiert 21 Jahre; die anderen
Namen sind zum Theil hellenisirt, aber ganz unverdächtig.
Wir wollen die Art, wie man neue Könige macht, nämlich
durch Veränderung der orientalischen Namensendung des
Nachbars auf avog in eine etwas griechischer klingende
auf aioSf signalisiren; vielleicht klopfen wir da dem Inter-
108 ZU DEN FRAGMENTEN
polator später noch einmal auf die Pinger. Rechnet man
nun diese beiden Geschöpfe sammt ihren 61 Regierungs*
Jahren ab, so erhält man für den betreffenden Zeitraum achfc
Könige mit 295 Jahren, was nur um ein einziges Jahr von
der Angabe des Ktesias abweicht. Soweit hätten wir also
die echten Nachrichten des Ktesias wieder aufgespürt
Wir wenden uns nun zu dem Zeitraum zwischen Bele-
taras und Teutamos. Er wird wiederum durch acht Könige
ausgefüllt; zählt man nun ihre Regierungsjahre, wie sie Eu-
sebios überliefert hat, zusammen, so erhält man 232 Jahre.
Addirt man nun diese 232 Jahre zu den 294, die vom Teu-
262tamos bis zum Sturze des Reiches verflossen, so bekömmt
man für die Dauer der Dynastie der Beletaraden 526 Jahre.
Dies stimmt so trefflich zu den Angaben des Berosos, dass
wir annehmen müssen, Eusebios habe sich hier streng an
die alte üeberlieferung gehalten, und diese rührt von Nie-
mandem anders, als von Ktesias, her. Dessen Genauigkeit
ist also durch die Uebereinstimmung mit Berosos und mit
Herodot I, 95 glänzend gerechtfertigt.
Wie aber, wird Jeder mir einwerfen, stimmen die 16
Könige, welche beim Ktesias diesen Zeitraum ausfüllen, zu
den 21 oder gar 45 Königen der chaldäischen Historiker?
liier ist denn erstens in Betracht zu ziehen, dass in der
Königsreihe des Ktesias alle Assyrerfürsten, wie seine eigenen
Worte (bei Diod. II, 21. Keph. III p. 626) lauten, aufeinander
ix
folgten jcatg nagä natgog ScaÖBxoiisvog riji/ cigxv^* Nun
theile man die 526 Jahre unter 16 Könige, und man wird
finden, dass im Durchschnitt auf jeden derselben 33 Jahre
kommen, also gerade ein Menschenalter. Ktesias gab also
statt der Regierungen die Generationen an. Dass er in
diesem Verfahren nicht allein steht und auch darin ver-
muthlich nur seinen persischen Quellen gefolgt ist, hoffe ich
durch ein schlagendes Beispiel aus einer ganz historischen
Zeit zu erweisen. Einer der ältesten orientalischen Geschichts-
schreiber, die wir besitzen, der Armenier Moses von Chorene
(der um 480 n. Ch. schrieb) zählt nur 14 Arsakiden auf,
DES BEROSOS UND KTESIAS. 109
während doch ans griechischen und romischen Schriftstellern
und aus MüDzen deren 32 bekannt sind. Sieht man näher
zu 9 so findet man, dass immer das Todesjahr eines [seiner
Eonige mit dem eines]*) aus occidentalischen Quellen be-
kannten Arsakiden zusammenföUt, dass aber Moses mehrere
Arsakiden unter einer einzigen Regierung begreift, und zwar
nicht auf das Gerathewohl, sondern nach einer festen Regel:
wo nämlich zwei oder mehrere Brüder oder Vettern hinter-
einander regieren, da nennt Moses jedesmal nur einen ein-
zigen Konig und zwar immer den, der am bedeutendsten
war und am längsten regierte; er rechnet die Generationen,
nicht die Regierungen. Mit Hülfe dieser Parallele können
wir das Verbältniss der Nachrichten des Ktesias zu denen
der Chaldäer beurtheilen. Die 16 Eonige des Ktesias be-
deuten Generationen; wo Brüder oder andere auf gleicher263
Linie stehende Verwandte regieri^en, da nennt Ktesias stets
nur Einen Konig, als Repräsentanten der ganzen Generation.
Die Chaldäer dagegen zählen alle Könige einzeln auf und
'haben daher 21 Könige; die Zahl 45 entfernt sich zu sehr
Yon den anderen Nachrichten, als dass ich sie für echt
halten könnte: dass sich die Zahl 21 auch bei der Gesammt-
berechnung besser empfiehlt, wurde schon oben bemerkt.
Dass ausser den 16 Königen des Ktesias noch andere über
Assyrien zu gleicher Zeit regierten, davon giebt es selbst
in den aus Ktesias abgeleiteten Nachrichten noch manche
Spuren. Ich zähle die 16 kanonischen Könige auf und merke
daneben an, was über gleichzeitige Könige erwähnt wird.
Verbesserte
Chronologie.
1. Balatores reg. 30 Jahre seit 1410—1380 1273—1243
2. Lamprides „ 32 „ „ 1380-1348 1243-1211
1211—1191
Zu 1. Semiramis regn. annos XIII (Euseb. Chron. p. 45).
[I p. 65 Schöne. Vgl. Scaligers Text des Hieronymus zum
Jahre 583. F. R.]
Etesianische
ZahlsD.
*) [Die in Klammem eingeschlossenen Worte fehlen im Original-
dmck. F. R.]
110
Zu DEN FRAGMENTEN
Etesianische
Zahlen.
4. Lampraes reg. 30 Jahre seit 1328 — 1298
5. Panjas
6. Sosarmos*)
7. Mithräos
8. Teutamos*)
9. Thinäos»)
26410. Derkylos
11. Eupalmes
12. Laosthenes
13. Peritiades
14. Ophratanes
15. Akraganes
16. Thonos Kon-
koler^s
n
7}
79
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;;
42
20
27
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29
40
38
45
30
50
42
20
77
77
77
77
7'
77
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77
77
77
77
77
77
77
77
77
77
77
77
V
77
V
77
77
1298-1256
1256-1236
1236-1209
1209-1178
1178-1149
1149-1109
1109-1071
1071-1026
1026- 996
996- 946
946- 904
904- 884
Verbesserte
Chronologie.
1191-1161
1161-1119
1119-1099
1099-1072
1072—1041
1041-1012
1012- 972
972- 934
934- 889
889— 859
859- 809
809- 767
767- 747
Zu 5.
Scalig.).
Zu 8.
Zu 14.
Zu 16.
Pannias et Zeus regnu. annos XLV (Excerpt.
Tejitäus 40 Jahre.
Ophratäus 21 Jahre.
Ninus ann. XIX (Kastor p. 156 ed. Müller; cf.
Athenaos XII p. 529 C).
Ich hoffe gezeigt zu haben ^ dass die Nachrichten des
Etesias nicht, wie oft geschieht, unbedingt verworfen werden
1) Beim Eusebios regiert er 19 Jahre, der Nachricht des Ktesias
(bei Eeph. III p. 626) zawider, neminemque eorum minus viginti annis
sc^trum tenuissc; wir geben ihm also nach dem Beispiele des Kastor
20 Jahre und dafür dem Teutamos statt der 32 Jahre, die er im
Chroniken des Euaebios hat, 31 Jahre; so viel werden ihm im Kanon
des Eusebios beigelegt.
2) Wenn, wie ich glaube, des Teutamos Regierung beim Berosos
in die Jahre 1072—1041 fiel, so sieht man ein, wie einige Kirchen-
väter auf den Gedanken kommen konnten, den König David (1056 —
1015) zu einem Zeitgenossen und Theilnchmer am Troerkriege zu
machen; sie bestimmten dieses Ereigniss nach der Zeit des Teutamos.
3) Thinäos regiert beim Eusebios 30 Jahre; ich habe mir eine
kleine Interpolation erlaubt und ihm aus dem Kastor 29 Jahre gegeben.
2C4Er6t so erhalten wir die 294 Jahre, die nach Ktesias seit Teutamos
verflossen; Eusebios hat 1 Jahr zu viel.
DES BEROSOS UND KTESIAS. 111
•
dürfen y sondern dass sie vielmehr , freilich nach vorher-
gegangener kritischer Sichtung^ gar wohl zur Beleuchtung
und Bestätigung der Nachrichten der chaldäischen Historiker
augewandt werden können. Die difp^igaL ßaöiliTtaC^ aus
denen Etesias schöpfte ^ lassen sich nicht ohne Weiteres
wegdisputiren; seine Uebereinstimmung mit Berosos trägt
viel zur Bestätigung seiner Glaubwürdigkeit bei.*) Nur
möge man bedenken, dass Etesias sich in Bezug auf den
Sturz des assyrischen Reiches aus Gründen^ die in der
modischen Geschichte ihre Erklärung finden, um 137 Jahre
verrechnet hat, indem er jenes Ereigniss zu hoch hinauf-
gesetzt. ^) Ich glaube sogar in den Nachrichten des Etesias
vom Sturze des Thonos Eonkoleros, wenn man die mythische
Einkleidung wegnimmt, der Hauptsache nach historische
Treue zu finden. Dass der auf die siebente Dynastie des
Berosos oder die Beletaraden des Etesias in Babylon fol*
gende Nabonassar ein Usurpator war, geht deutlich aus den
Berichten des Berosos und Alexandros Polyhistor bei Syn-
kellos p. 207 B hervor; ich glaube, er ist der Belesys des
Etesias und wird mit Hülfe der Meder die assyrische Dy-
nastie gestürzt und sich auf den Thron geschwungen haben.
Die Chronologie der ersten assyrischen Dynastie des265
Etesias steht zwar in keiner Beziehung zu den Nachrichten
des Berosos; da ich aber hier einmal das System der Ete-
sianischen Zeitrechnung im Zusammenhang behandele, so
will ich auch darüber einige Worte hinzufügen. Die Namen
Ninos, Semiramis, Ninyas, die an der Spitze dieser Dynastie
steheu, tragen ein ganz mythisches Gepräge; ob die Namen
ihrer Nachfolger historisch, sind, lässt sich jetzt nicht mehr
entscheiden. Ist dies der Fall, so war es eine Dynastie, die '
im eigentlichen Assyrien regierte und von den gleichzeitigen
chaldäischen Dynastien des Berosos wohl unterschieden wer-
den muss. In dieser Periode können wir die Zeitrechnung
des Etesias nur im Allgemeinen verfolgen; die späteren
*) [Vgl. „Nene Beiträge zur Geschiebte des alten Orients'*
8. Ulf. F. R.]
1) Dies bat Hupfeld (Exercitt. Herodott. spec. I. II) nachgewiesen.
112 ZU DEN^PRAQMENTEN
Chronographen haben sich auch hier mehrfache Aenderungen
erlauhi Während sie^ wie wir oben sahen^ die Zeit nach
dem Troischen Kriege um zwei Könige und 61 Jahre be-
reicherten, haben sie hier das Entgegengesetzte gethan. Sie
haben zwar auch hier mehrere Konige eingeschoben, hin-
gegen die Zeitdauer dieser älteren Dynastie, welche wir der
Kürze halber nach dem Beispiele des Agathias die Semira-
mier nennen wollen, um sehr viele Jahre (Eusebios um 129
Jahre) vermindert. Der eine Grund dazu war der, dass in
späterer Zeit die Epoche des Ninos und die des Abraham
stets zusammengestellt wurden. Ausser diesem Synchronis-
mus war aber noch ein zweiter Anlass zu Verkürzungen da:
Ktesias wird den Semiramischen Königen ungewöhnlich lange
Regierungszeiten beigelegt haben; in einem Falle wissen wir
es gewiss: er liess eine einzige Generation (Ninos und seine
Gemahlin Semiramis) 94 Jahre regieren. Die Chronographen
werden also hier um der vermeintlichen historischen Wahr-
scheinlichkeit willen Aenderungen vorgenommen haben, die
wir jedoch in Bezug auf die Regierungsjahre der einzelnen
Könige nicht mehr zu controliren im Stande sind. Nur so-
viel wissen wir, dass Ktesias die Semiramier 1306 — 526, also
780*) Jahre regieren liess; Eusebios hat nur 651 Jahre.
Beim Ktesias waren 14, beim Eusebios 18 Könige aufgezählt.
Welche vier Könige aus dem Eusebischen Laterculus aus-
zuscheiden sind, ist schwer zu sagen, da mehrere gleich-
namige Könige vorkommen, ohne dass jedoch alle interpolirt
266sein können. Bloss bei Einem ist die Unechtheit durch
ein äusseres Zeugniss erwiesen. Die letzten Semiramischen
Könige heissen nämlich beim Eusebios so: Askatades —
Amyntes — Belochos II. Nun wissen wir aber aus Ale-
xandros Polyhistor (bei Müller III p. 210), dass der letzte
König der Semiramier, welcher Beleous (oder Belochos) hiess,
ein Sohn des Derketades oder Delketades war. Es ist be-
kannt, wie sehr die Namen bei diesen späten Chronographen
verstümmelt sind; ich glaube also, ohne dass man mir den
*) [Im Originaldruck steht 280. F. R.]
DES BEROSOS UND KTESIAS. 113 •
Vorwurf zn grosser Kühnheit machen kann^ behaupten zu
dürfen^ dass Askatades bloss eine Entstellung des echten
Namens Derketades ist, d. i. „Sohn der Gottin Derketo"
ein ganz passender Name für einen Nachkommen der Semi-
ramis. Bei der Aehnlichkeit der Anfangsbuchstaben beider
Namen jdE und AZ war ein Schreibfehler leicht möglich.*)
Ist diese Annahme richtige so ist der im Eusebios zwischen
Derketades und Belochos eingeschobene Konig Amyntes hin-
auszuwerfen; sein griechischer Name „der Vertheidiger" war
yielleicht eine üebersetzung des assyrischen Namens Belo-
chos. Wir müssen uns nun nach den drei anderen inter-
polirten Konigen umsehen. Zweimal schon yerrieth sich der
Interpolator durch Verdoppelung eines Namens, und wir
fanden, dass die* kürzere, etwas griechischer klingende
Namensform beide Mal dem Lügenkönig angehörte. Wir
stossen hier auf ein neues Beispiel. Der fünfte König heisst
Aranos; so nennt ihn wenigstens Kastor (in den Excerpta
Scaligeri), ifud ich ziehe diese Form der den Zügen der
Buchstaben uach ganz identischen APAAIOZ^ die bei Eu-
sebios und Synkellos sich findet, vor wegen der analogen
Namen Tautanos, Ophratanos, Akraganes. Vor diesem Ara-
nos nun steht ein Areios in der Königsreihe, dessen Namen
ganz nach der Analogie von Teutäos und Ophratäos gebildet
ist. Dadurch wird dieser Areios höchst verdächtig, und wir
sind berechtigt, ihn als einen fremden Eindringling fortzu-
schaffen. Nicht so sicher lassen sich die zwei übrigen inter-
polirteu Könige errathen; am einfachsten wäre es, Baläos IL
und Belochos L, welche beide aufeinander folgen, zu streichen,
da die Namen derselben Verdoppelungen sind. Diese 14
Könige bilden beira'Ktesias 13 Generationen (denn Semira-
mis bildet als Gemahlin des Ninos keine besondere) und
herrschen 780 Jahre: also kommen auf jede Generation267
gerade 60 Jahre. Nun aber sind 60 Jahre bekanntlich bei
den Babyloniem ein Cyclus, 0m00og genannt, und es ist
ganz angemessen, dass Ktesias die Zeit eines jeden dieser
*) lyg^' n^cuc Beiträge zur Geschichte des alten Orienta'*
S. 111. F. R]
w. OuTscBMio, Kleine Sclirifton. II. 8
114 ZU DEN FRAGMENTEN DES BEEOSOS UND KTESIAS.
alteo, halb oder ganz mythischen Eonige in einen Cyclus
einschliessi
Zum Schluss noch wenige Worte über die Frage, wann
Berosos und Ktesias anfangen, statt mythologischer Zahlen
geschichtliche zu geben. Mein Bedenken gegen den histori-
schen Charakter der ersten Dynastie des Ktesias brauche
ich nicht zu wiederholen, ebensowenig das, was ich über die
Chronologie der Beletaraden gesagt habe. Was den Berosos
anbelangt, so hat schon Niebuhr die Frage angeregt, wann
derselbe angefangen habe, statt mit mythischen mit histori-
schen oder doch angeblich historischen Zahlen zu rechnen;
es geschah dies bekanntlich in der zweiten Dynastie, doch
war ein specielleres Datum bis jetzt unbekannt. Ich glaube
nun^ hierher eine bisher übersehene Nachricht des Synkellos
ziehen zu müssen. Dieser sagt nämlich p. 28 C: „Vom Jahre
der Welt 2405 (d. i. 3104 v. Ch.) fangt Alexandros Poly-
histor die Eonigsreihe der Chaldäer wieder an/ Diese Notiz
nun steht nicht in der geringsten Beziehung zu dem chrono-
logischen System des Synkellos, darf also als unverdächtig
gelten. Sie empfiehlt sich um so mehr, als sie überraschend
mit der Epoche des indischen Eali- Juga, d. i. des jetzigen
Weltalters, stimmt. Dieses lassen die Inder im Jahre 3102
y. Ch. beginnen. Ich bin geneigt, darin die verdunkelte
Erinnerung an irgend ein uraltes historisches Ereigniss zu
erkennen, welches für die arischen Völker — denn zu diesen
müssen nach den neuesten Untersuchungen auch die Chaldäer
im strengsten Sinne des Wortes, d. i. der in Babylon herr-
schende Stamm, gerechnet werden — von Wichtigkeit war.*)
Auf diese Art gewinnen wir eine dreifache Eintheilung der
chaldäischen Geschichte in 1) eine mythische Urzeit, 2) eine
halbmythische, halbhistorische Zeit von 3104 — 2234, und
3) das historische Zeitalter von 2234 — 538.
*) [Vgl. Band I S. 303, sowie „Beiträge zur Geschichte des alten
Orients*' S. 67 f. 85 f. und „Neue Beiträge zur Geschichte des alten
Orients" S. 182. F. R.]
VI.
Reeensionen nnd Anzeigen znr Geschichte nnd Alter-
thumsknnde Assyriens nnd Babyloniens.
1*)
üeber den historischen Gewinn ans der Entziffemng der a887ri-405
sehen Inschriften. Nebst einer üebersicht über die Gmnd-
Züge des assyrisch -babylonischen Keilschriftsystems. Von
Johannes Brandis^ Docenten der Philologie und alten
Geschichte an der Universität Bonn. Mit einer Tafel.
Berlin 1856. Verlag von Wilhelm Hertz (Bessersche
Buchhandlung). VI und 126 S. 8^
Der Verfasser der vorstehenden Schrift räumt ein, dass
gegen die angeblichen Entzifferungen der assyrischen Keil-
schrift durch Bawlinson und Compagnie in der deutschen
Gelehrtenwelt allgemeines Misstrauen herrsche^ und verwahrt
sich namentlich gegen die Annahme, dass die Zeichen jener
Keilschrift nicht je einen bestimmten phonetischen Werth,
sondern jeder eine Mannigfaltigkeit verschiedener Laute aus-
drücke (S. 25). Trotzdem y meint er, sei man bei uns im
Unglauben zu weit gegangen, und die nach vorhergegangener
Prüfung und Aussonderung sichergestellten Resultate zu pro*
tocoUiren ist der Zweck seines Buches.
♦) [Neue Jahrbücher für Philologie und Pädagogik Band LXXllI
(1856) S. 406—421. Dieses Buch war von Gutschmid schon vorher im
Literarischen Ceniralblatt 1866 S. 802—803 anonym angezeigt worden.
Die Einwendungen gegen den damaligen Stand der EntziiferuDg der
assyrischen Keilschrift sind in jener Voranzeige etwas schärfer aas-
gedrückt, sonst enthält dieselbe aber Nichts, was nicht in der vor-
stehenden Anzeige auch stände, und sie ist deshalb in dieser Samm-
lung nicht wieder abgedruckt worden. F. 11.]
8*
116 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
Wir gestehen offen, dass nach Lesung desselben unsere
Bedenken und Zweifel nicht nur nicht verringert, sondern
ganz erheblich gesteigert worden sind, und dass wir die
Ueberzeugung mit fortgenommen habeu^ dass die Rawlin-
souianer — und der von ihnen gelieferten Grundlage konnte
sich auch der Verfasser, so sehr er sich auch einer lobens-
werthen Selbstständigkeit befleissigte, Dicht ganz entschlagen
— nur die in der Keilschrift durch Anführungszeichen her«
vorgehobenen Eigennamen, und auch die nur zum kleinsten
Theil, nothdürftig buchstabiren können, aber von der Sprache
und folglich auch von dem Inhalt der Inschriften kaum eine
Ahnung haben. Charakteristisch ist in dieser Beziehung die
vom Verfasser S. 36 mitgetheilte Rawlinsonsche Uebersetzung
einer Inschrift, in welcher das Unsichere durch kleinere
Schrift und Fragezeichen markirt worden ist. Auf 17 Zeilen
32 Fragezeichen! und das nennt man Entzifferung! Der
Verfasser verwahrt sich zwar dagegen, als wolle er durch
406diese Probe ßawlinsons Bestrebungen in ein falsches Licht
stellen, und erinnert den Leser daran, dass es Rawlinson bei
diesen Uebersetzungen nicht darum zu thun war, das Gewisse
von dem Ungewissen zu scheiden, sondern vor allem einen
allgemeinen Begriff von dem Stil und der Art und Weise
dieser Urkunden zu geben. Nun dann um so schlimmer!
Es ist recht loblich, dass in England zwischen der Gelehrten-
welt und dem gebildeten Publicum ein engerer Zusammenhang
herrscht als bei uns: um populäre Darstellungen wissenschaft-
licher Entdeckungen wie das Buch von Vaux über Nineveh
und Persepolis haben wir alle Ursache unsere Vettern jenseit
des Meeres zu beneiden; wenn aber ein Gelehrter Ton und
Farbe einer Inschrift, von welcher er kaum ein einziges Wort
sicher lesen, geschweige denn verstehen kann, dem Publicum
mundrecht machen will, so ist das ein Beginnen von sehr
zweifelhaftem Werthe. Seien wir offen, gestehen wir es ein,
dass Rawlinson durch sein kritikloses und unmethodisches
Experimentiren an den assyrischen Inschriften, namentlich
durch das drei- oder viermalige Umtaufen seiner sämmtlichen
Könige, seinem als Entzifferer der persischen Keilschrift wohl
BRANDIS, BIST. GEWINN A. D. ENTZIPF. D. ASSYß, INSCIIR. 117
erworbenen und fest begründeten Rufe in bedenklicher Weise
geschadet hat. Bei jedem unbefangenen Leser wird jene
Uebersetzungsprobe und ähnliche schwerlich etwas anderes
als Heiterkeit hervorrufen. In gewisser Beziehung müssen
wir daher die Brandissche Schrift für verfrüht halten; bei
so mangelhaften Grundlagen kann man eine Vergleichuug
der inschriftlichen Nachrichten mit denen der Historiker
füglich nicht wagen, noch weniger daran denken , die An-
gaben der Letzteren nach jenen zu berichtigen. Doch wird
eine solche Zusammenstellung und Sichtung; wie sie der
Verfasser giebt. Manchem erwünscht kommen, und auf jeden
Fall hat sie den Yortheil, dass nun bei uns Jeder in den
Stand gesetzt ist, sich über die assyrische Frage ein eigenes
Urtheil zu bilden. Giebt man die Berechtigung eines solchen
Unternehmens zu, so wird man der Art, wie der Verfasser
seine Aufgabe gelöst hat, volles Lob ertheilen können.
Der Verfasser ist nach Kräften auf die Quellen zurück-
gegangen; er hat den Papierabdruck des babylonischen Textes
der Behistuninschrift in London wenigstens zum Theil selbst
verglichen und ist dem Gange der Entzifferungsversuche
Rawlinsons mit prüfendem Auge gefolgt. Einer Frage frei-
lich ist, wie es scheint, der Verfasser aus dem Wege ge-
gangen, der nämlich, ob Rawlinson auch nur diejenigen
Buchstabenwerthe, die sich aus der Vergleichung des baby-
lonischen mit dem persischen Texte der Behistuninschrift
ergeben, durchweg richtig bestimmt habe; und doch ist
dabei manches Problematische, wie sich denn Referent schwer
zu dem Glauben entschliessen kann, dass die Assyrer den
Kurus Marus genannt haben sollten. Oder richtiger gesagt,
der Verfasser drückt wohl durch sein Stillschweigen seine
Uebereinstimmung hierin aus: denn geprüft hat er die Sache;
ein des Zend kundiger Freund, Herr M. Hang, ist bei der
Vergleichung der arischen Urtexte von ihm zu Rathe ge-
zogen worden. Zu bedauern ist es, dass dem Verfasser die
treflfliche üebersetzung und Erläuterung der persischen Keil-
inschriften, welche Oppert im Journal Asiatique IVi^me
Serie tome 17—19 gegeben hat, entgangen ist. Nicht nur
118 BECENSIONEN UND ANZEIGEN.
407siiid dort die Rawlinsonschen und Benfeyschen Uebersetzungen
einer heilsamen Epikrisis unterzogen und die Inschriften
sprachlich und geschichtlich neu beleuchtet worden; auch
für das Yerhältniss der persischen zur skjthischen und ba-
bylonischen Keilschrift ist dort mehr als ein bedeutsamer
Wink gegeben.
In klarer und ansprechender Darstellung setzt der Ver-
fasser die von ihm gebilligten Resultate auseinander , und
zwar bespricht er in der ersten Hälfte seiner Schrift 1) die
Quellen und Ergebnisse der assyrischen Forschung vor Aus-
grabung Ninives und 2) die neuesten Forschungen und deren
Ergebnisse; in der zweiten Hälfte entwickelt er die Grund-
züge des assyrisch -babylonischen Eeilschriftsystems.
Cap. I; 1 fusst im Wesentlichen auf den von dem Ver-
fasser in seiner früheren Schrift ,,Rerum Assyriarum tempora
emendata'^ (Bonn 1853. 8®)^) vorgetragenen Untersuchungen.
Wie billig geht er von den streng historischen Nachrichten
des Herodotos und Berosos aus^ ohne darum die des Etesias
unbedingt zu verwerfen; vielmehr erkennt er ihre Wichtigkeit
für die Sagengeschichte ^) an und versucht nicht unglücklich,
auch sein chronologisches System mit der Geschichte in Ein-
klang zu briugen. Mit Recht hebt er hervor, wie jede neue
Entdeckung im Orient Herodots Glaubwürdigkeit bestätige,
und berührt beiläufig , wie die Stelle des Vaters der Ge-
schichte über den Aufstand der Meder unter Dareios erst
durch die Entdeckung der Behistuninschrift ihre rechte Er-
klärung gefunden habe und nunmehr der Grund wegfalle,
•
1) Da dieses treffliebe Bach in dieser Zeitschrift nicht besonders
besprochen worden ist, so sei es mir erlaubt, dasselbe ihren Lesern
aus voller Ueberzeugung anzuempfehlen, zugleich auch einige wich-
tigere Punkte daraus, die in die neue Schrift übergegangen sind, zu
besprechen.
2) Ein Irrthum ist es freilich, wenn der Verfasser (S. 21) glaubt,
der Etesianische Stabrobates sei in den indischen Annalen wiederge-
funden worden. Lassen (Indische Alterthumskunde I S. 858 [I S. 1030 f.
der 2. Aufl.]) hat nur nachgewiesen, dass der Name das sanskritische
sthavirapatis wiedergiebt, was ein Appellativum ist und „Herr des
Festlandes** bedeutet.
BRANDIS, EIST. GEWINN A. D. ENTZIFF. D. ASSYR. INSCHR. 119
die Abfassungszeit seiner Historien unter das Jahr 408 her-
abzurücken. Die Bemerkung ist richtig^ sie ist dem Ver-
fasser aber schon yon Rubino vorweggenommen worden. —
Ohne Noth beklagt übrigens der Verfasser den Verlust von
Herodots assyrischer Geschichte. Eine solche hat niemals
existirt: an der einzigen Stelle bei Aristoteles (Anim. bist.
Vni, 18), wo Herodot för ein Wunderzeichen bei der Be-
lagerung von Ninive angeführt werden soll, haben alle guten
Handschriften ^Höiodog, der einzige Cod. Vai 262 ^Hgodotogy
was sicher falsch ist. Die leichteste Verbesserung für das
überlieferte *H6lodog^ was ebensowenig richtig sein kann,
scheint mir ^löiyovog zu sein; beide Namen werden auch von
Tzetzes zu Lykophron 1021 vertauscht, und das Bedenken,
ob d-avyLciöia schon zur Zeit des Aristoteles geschrieben
werden konnten, hebt sich durch das Zeugniss des Gellius
N. A. IX, 4, 3, der den Isigonos von Nikäa neben anderen
Schriftstellern, die grösstentheils vor Alexander lebten, unter
die scriptores veieres non parvae auctoritatis rechnet. — 408
An der vom Referenten im Bhein. Mus. N. F. VIII S. 253
[oben S. 98 ff.] vorgeschlagenen Verbesserung der 48 Jahre
der nach den Medern in Babylon herrschenden Dynastie in
258 hält der Verfasser noch immer fest, bemerkt aber mit
vollem Recht, dass man die 1903 Jahre bei Simplikios zu
Arist. de caelo H p. 123 a dabei ganz ausser dem Spiel
lassen müsäe, da sie nur auf Moerbekas Autorität beruhen«
Da diese Stütze meiner Conjectur nunmehr gefallen ist, so
stehe ich nicht an, der von Herrn Muys in den „Quaestiones
Ctesianae chronologicae^' (Münster 1853. 8^) p. 16 gemachten
Emendation der 48 in 248 Jahre als der leichteren den
Vorzug einzuräumen; dann muss man aber auch die im
Eusebios von verbessernder Hand an den Rand geschriebenen
234 Jahre der Meder statt der überlieferten 224 in den Text
setzen.*) Im Wesentlichen bleibt also die Restitution der
Berosischen Zeitrechnung dieselbe. — Das Verhältniss, in
*) [Vgl- „Beiträge zur Geschichte des alten Orients" S. 16.
F. R.]
120 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
welchem das Konigsverzeichniss des Ktesias zu dem Berosi-
schen steht^ fasst der Verfasser auch jetzt noch mit Recht
so auf^ dass der Ktesianische Sardanapallos mit dem Sarakos
des Alexandros Polyhistor identisch und von Jenem nur irr-
thümlich um 279 Jahre zu hoch hinaufgerückt worden ist.
Referent beimtzt diese Gelegenheit, um seine früher*) ver-
suchte Ausgleichung beider Schriftsteller als verfehlt zurück-
'Zunehmen und dem Verfasser seine vollständige Beistimmung
zu erklären. Bei der Vergleichung der beiden Zeitrechnungen
hat der Verfasser einen sehr geschickten Gebrauch von der
Nachricht des Polyhistor (bei Synkellos p. 676, 17) gemacht,
dass ein Gärtner Beletaras oder Balatorcs nach dem Erlöschen
der Derketadendynastie den Thron bestiegen habe; nur ist es
ein Missverständniss, wenn er diese Nachricht auf Ktesias
zurückführt. Dieser hatte — und die Stelle ist uns zwei-
fach überliefert — ausdrücklich gesagt, vom Ninyas bis auf
den Sardanapallos habe stets der Sohn vom Vater die Herr-
schaft überkommen. Die Stelle stammt vielmehr aus einem
dem Berosos näher stehenden Schriftsteller, vermuthlich aus
dem uns nicht näher bekannten Bion. Ueberhaupt hat sich
der Verfasser durch C. Müller zu einer falschen Ansicht über
das Verhältniss des Polyhistor zum Ktesias verleiten lassen;
aus dessen jüdischer Geschichte wissen wir, dass er Nach-
richten der verschiedensten Art über ein und dasselbe Thema
capitelweise nebeneinander stellte: inwieweit er dabei Kritik
übte, ist schwer zu sagen, vielleicht gar keine. Dass, wie
C. Müller meint, der Polyhistor in der babylonischen Ge-
schichte nur dem Berosos gefolgt sei und ausserdem eine
besondere assyrische Geschichte mit Zugrundelegung des
Ktesias geschrieben habe, dafür habe ich mich vergebens
nach einer Beweisstelle umgesehen. Dem Referenten ist es
übrigens gelungen, für die Richtigkeit des Weges, auf wel-
chem der Verfasser die Zeitrechnung des Ktesias rectificirt
hat, eine weitere glänzende Bestätigung aufzufinden. Vellejus
I, 6, 1 berechnet die Dauer des assyrischen Reiches auf 1070
*) [Oben S. 104 ff. F. R.]
BRANDIS, EIST. GEWINN A. D. ENTZIFF. D. ASSYR. INSCHß. 121
Jahre^ eine Zahl, die ganz allein dasteht; Afterphilologen
haben daher Tersucht, eine der Ktesianischen mehr conforme
einzuschwärzen. Nun aber setzt Vellejus den Untergang des
Reiches in das Jahr 841 v. Gh., folglich den Anfang in das
Jahr 1911. Zwischen diesem Datum und 605 (dieses Jahr,409
nicht 606, ist das wahre des Unterganges von Ninive) liegen
aber 1306 Jahre, d. h. gerade so viele wie das assyrische
Reich nach Ktesias dauerte. Also schöpfte Vellejus mittelbar
aus einem Geschichtsschreiber, der zwar dieselben Quellen
wie Ktesias benutzt, dieselben jedoch in einen richtigeren
Zeitrahmen eingespannt hatte; nun aber war in späterer
Zeit die Ktesianische Angabe, dass das assyrische Reich im
neunten Jahrhundert v. Ch. endigte, allgemein giltig, und
Vellejus oder richtiger wohl sein Gewährsmann (ich denke
Atticus) getraute sich nicht, davon abzuweichen, schnitt viel-
mehr die letzten 236 Jahre des Reiches einfach weg. Wenn
man die Chronologie des Ktesias in der obigen Weise be-
richtigt, so ist das Jahr 747, in welchem nach Berosos ein
Dynastiewechsel eintrat, das letzte des Laosthenes und das
erste des Pyritiades. Seiner Annahme zu Liebe, dass die
Zeit des Phul bisher richtig angesetzt worden sei, hält er
jdaoöd^ivrjg für eine Uebersetzung dieses Namens und stellt
IIvQitiddrig d. i. Feuermann (?) mit Salmanassar zusammen.
Allein es liegt viel näher, in dem letzteren Namen eine
längere Form des Namens näQog (in dem von Mai heraus-
gegebenen XQOvoyQa<pstov övvtofiov ix zd5v EvöeßCov xov
naiiq)iXov icovrifidt(ov lautet er IIvQog) zu sehen. So hiess
ein Konig von Babylonien, der nach dem Kanon des Ptole-
mäos von 731 — 726 regierte. Oppert, dessen neueste Ent-
zifferungen der assyrischen Keilinschriften (Ausland, April-
hefk 1856) dem Referenten das grosste Vertrauen einflössen,
glaubt den Namen dieses Königs auf den Inschriften gefun-
den zu haben und will aus ihnen seine Identität mit Phul
erweisen. Letzteres wäre selbst ohne inschriftlichen Anhalt
sehr wahrscheinlich, da die Ersetzung von / durch r so
überaus gewöhnlich, in der persischen Sprache sogar Regel
ist. In diesem Falle wäre das, was dem Referenten ohne-
122 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
hin unzweifelhaft feststeht^ dass nämlich Phul nicht vor
747 den Thron bestieg^ als bewiesen zu betrachten.*)
Gap. I; 2 ist aus den oben entwickelten Gründen der
schwächste Theil des Buches. Der Verfasser fasst S. 68 f.
die wesentlichen Ergebnisse , welche er für sicher hält^
zusammen; es ist nicht viel. Auch uns hat zwar in vielen
Fällen die Beweisführung des Verfassers, dass die Eigen-
namen richtig gelesen worden sind, überzeugt; jedoch bleibt
noch gar Manches problematisch. — Der älteste König,
dessen Namen man auf den Inschriften erkannt hat, heisst
Ässardonpal L und soll als ein grosser Eroberer erscheinen.
Mit vollkommenem Rechte vergleicht der Verfasser die Nach-
richt des Hellanikos (fr. 158) von zwei Sardanapalen, deren
einer ein gewaltiger Krieger gewesen sein soll, und erhebt
gegründete Bedenken dagegen, ob es nun noch gestattet sei,
den Sardanapallos, Sohn des Anakyndaraxes, der Tarsos und
Anchiale gegründet haben soll, in das Gebiet des Mythos zu
verweisen oder aus einer blossen Verwechselung mit San-
herib zu erklären: In Betreff seiner von den Geschichts-
schreibern Alexanders des Grossen aufbewahrten Inschrift
ist der Verfasser der im Wesentlichen nicht wohl anzufechten-
den Ansicht, dass nur der erste Theil der Inschrift echt sei,
der zweite dagegen der den assyrischen Statuen eigenthüm-
4l0lichen Handbewegung, in welcher die Griechen ein Schnipp-
chenschlagen erblickten, seiuen Ursprung yerdanke. Nur,
glaube ich, geht er zu weit, wenn er die Worte löd-u, %Ivb^
dtpQodujia^B' xakXa yag ovdsvog iöuv a^ia für ganz aus der
Luft gegriffen hält; wenn ich nicht irre, hat schon Näke
zur Erklärung derselben Inschriften herbeigezogen wie die,
in welcher Dareios sich gerühmt haben soll, dass er ein
trefflicher Waidmann gewesen sei und vielen Wein habe
vertragen können« — Der Sohn des Ässardonpal regierte
31 Jahre; dies ist sicher, aber der Name ist noch nicht ent-
ziffert. Auch er soll ein grosser Eroberer gewesen sein;
wann, wissen wir nicht, doch sicher mehrere Menschenalter
*) [Vgl« „Neue Beiträge zur Geschichte des alten Orients"
S. 127 f. F. R.]
BRANDIS, BIST. GEWINN A. D. ENTZIFF. D. ASSYR. INSCHR. 123
vor 747. UnwillkQrlich drängte sich beim Lesen dem Re-
ferenten die Analogie auf^ welche die 31- oder 32jährige
Regierung des Teutamos (Eus. Arm. II p. 132 [Aucher «» II
p. 50 Schöne]) darbietet, eines Königs, der gerade beim Ete-
sias eine wichtige Rolle spielt und unter allen Eonigen
zwischen Ninyas und Sardanapallos allein hervorgehoben
wird: sollte das etwa der ungenannte Sohn des Assardonpal
sein? Ich stelle diese Yermuthung natürlich nur unter der
äussersten Reserve hin, wie sie hier unbedingt nothig ist
Dann würde der Sohn des Assardonpal nach der berichtigten
Etesianischen Zeitrechnung von 937 — 905 regiert haben.
Nach Rawlinson soll er mit einem syrischen Eönige Cha-
zajel Erieg geführt haben, der mit dem biblischen Hasael
identificirt wird; allein der Verfasser hat (S. 120) nach-
gewiesen, dass der Name von Rawlinson falsch gelesen
worden ist und vielmehr Chazajan gelautet hat, worin er
scharfsinnig den Hesion des ersten [dritten] Buches der
Eönige (15, 18; vgl. 11, 23 — 25) vermuthet. Dieser Eönig
von Damaskos war ein Zeitgenosse des Salomo, der nach
der berichtigten hebräischen Zeitrechnung von 969 — 929
regierte. Hiernach wären Salomo, Hesion und der Sohn des
Assardonpal wirklich Zeitgenossen gewesen; es begriffe sich
nun auch, wie christliche Eirchenväter den David und Salomo
zu Zeitgenossen des Troischen Erieges haben machen können:
sehr einfach, man dachte sich die Epoche desselben unzer-
trennlich von der des Teutamos. — Derselbe Sohn des Assar-
donpal soll auch mit einem Aram, Eönig von Hurassad,
Erieg geführt haben. Darunter ist, wie die Behistuninschrift
lehrt, Armenien gemeint; aber sehr zweifelhaft ist es, ob,
wie der Verfasser S. 63 meint, der Name einheimisch ge-
wesen ist, noch mehr, ob damit der Name des armenischen
Eönigs Yarazdat zur Zeit des Theodosius verglichen werden
darf. Der einheimische Name ist, soviel wir wissen, immer
Hajastan gewesen; die Namen der arsakidischen Eönige von
Armenien sind ohne Unterschied persisch, und der angeführte
wird keine Ausnahme von der Regel machen: dat ist alt-
persisch däia, gegeben, der erste Bestandtheil ist Varah oder
124 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
VaraSy wobei der SchlusseonsoDant wegen des folgenden d
in z übergegangen ist, nnd muss den Namen irgend einer
Gottheit enthalten (vielleicht eine Abkürzung von Varahran,
der zur Sassanidenzeit üblichen Form des zendischen Vere-
thraghha). Für interessant hält es der Verfasser nach Raw-
linsons Vorgang (S. 36), dass der Konig den Namen Aram
führt, der einem Herrscher der armenischen Sagengeschichte
eigen ist. Sollte der Name von Bawlinson richtig gelesen
411 worden sein, so könnte ich doch darin nichts anderes als
ein Spiel des Zufalls erblicken. Der Aram des Moses von
Chorene ist eine durch und durch mythische Persönlichkeit
und kein anderer als der iqQ(x}q indvvfLog der Aramäer; er
vertritt die semitische Urbevölkerung, welche Armenien be-
wohnte, ehe es von den Ariern occupirt wurde. Mir scheint
überhaupt das ganze Verzeichniss der Hajkanischen Könige
bis auf den Vahe unhistorisch; wie könnte sonst, nur zwei
Generationen vor Alexander, Vahagn, der armenische Orion,
darin paradiren? und Namen wie Skajordi, Riesensohn, tragen
doch auch ein sehr sagenhaftes Gepräge! Dergleichen ver-
meintliche Uebereinstimmungeu können meiner Ansicht nach
nur verwirren. — Nun folgt eine Lücke von Jahrhunderten,
die wohl nur dem Umstände zuzuschreiben ist, dass Raw-
linson hier weder in der Bibel noch sokist wo Namen fand,
die der EntziJSTerung einen Anhalt hätten geben können.
Dann kommt das Zeitalter, in welchem die biblischen Nach-
richten mehr Licht über die assyrische Geschichte zu ver-
breiten anfangen, und von dem sich a priori annehmen lasst,
dass die Engländer viele Namen gewaltsam in die Inschriften
hineingelesen haben werden. Indess scheint mir doch durch
die Auseinandersetzung des Verfassers soviel festzustehen,
dass wenigstens die Namen Samirina für Samaria und Sar-
gana für den König, der bei Jes. 20, 1 Sargon heisst, richtig
gelesen worden sind, ferner dass, da Sargana als Eroberer
von Samirina erscheint, seine Identität mit Salmanassar nicht
abzuweisen ist.*) Die aus dem arabischen Geographen Jaciit
*) [Vgl. „Neue Beitr&ge zur Geschichte des alten Orients"
S. 123. F. R.]
BRANDIS, EIST. GEWINN A. D. ENTZIFF. D. ASSYR. INSCHR. 125
(der aber nicht im sechsten Jahrhundert n. Ch. lebte ^ was
ein Gedächtnissfehler des Verfassers sein mnss) beigebrachte
Notiz über eine Ruinenstadt Sargon bei Ehorsabad stellt die
Lesung Sargana wie wenige andere sicher. Dagegen ist die
Angabe^ welche der Verfasser, wenn auch nicht ohne Be-
denken, von Rawlinson auf Treu und Glauben annimmt, dass
Sargana Gründer einer neuen Dynastie gewesen sei, eine An-
gabe, die durch das Stillschweigen des Berosos mindestens
in Zweifel gestellt wird, unbedingt zu yerwerfen; nach der
eigenen Bemerkung des Verfassers S. 57 spricht er auf allen
Inschriften, die auf den Rückseiten der Basreliefplatten ein-
gegraben sind, von den „Königen, meinen Vätern'^ Noch
weniger sind wir mit dem Verfasser darin einverstanden,
dass er (S. 58) in der Nachricht des Alexandros Polyhistor
(nicht des Etesias), die den Gärtner Balatores zum Gründer
einer neuen Dynastie macht, eine verdunkelte Erinnerung
an den Sargana erkennt^ dessen Name sich allerdings durch
„Herr des Gartens'^ ungezwungen übersetzen lässt. So scharf-
sinnig auch der Einfall ist, so vermag ich doch nicht ihm
beizustimmen: 1) weil die Erfahrung gezeigt hat, dass die
assyrische Sprache zwar, wie es scheint, einen semitischen
Charakter trägt, dass man aber bei ihrer Erklärung mit dem
sogenannten Chaldäisch mit nichten auskommt, 2) weil der
König gewordene Gärtner sich doch gewiss nicht in seinen
Urkunden „Herr des Gartens'^ genannt haben wird. Man
könnte also nur annehmen, dass die Sage aus falscher Ety-
mologie entstanden wäre^ und dann bleibt uns der Verfasser
den Beweis schuldig, wie der Polyhistor dazu gekommen ist,
sie auf einen König zu übertragen, der ein halbes Jahrtausend
früher lebte. Gesetzt die Etymologie von Sargana wäre4i2
richtig, so könnte das Zusammentreffen doch wohl nur ein
zufalliges sein; Namen, die vom Garten abgeleitet sind,
finden sich im Persischen gar nicht selten: ich erinnere an
den jüdischen Aechmalotarchen Bostanai (vom neupersischen
bosiän, hortus) und an Bagdad- Khätüriy die Gemahlin des
Ähüsaid-Khdn, deren Name dem altpersischen hagadäta, horti
donum, entspricht. Die Nachricht vom Gärtner Balatores
126 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
scheint dem Referenten einen sagenhaften Charakter zu tragen.
Aelianos nämlich hat, wir wissen nicht aus was für einer
Quelle ; in seiner Thiergeschichte Xll^ 21 die Nachricht auf-
bewahrt, dass der babylonische König Seuechoros wegen un-
heilverkündender Prophezeiungen seinen neugeborenen Enkel
Gilgamos Yon einem Thurme herabzustürzen befahl, dass aber
ein Adler das Kind auffing und in einem Garten niederlegte,
wo es heranwuchs. Man hat übersehen, dass diese Notiz,
statt, wie man meinte, völlig in der Luft zu schweben, sich
trefflich in die mythischen Traditionen des Berosos einreiht.
Referent zweifelt nicht, dass statt ßaöilEvovzog Usvtixoqov
zu lesen ist ßa0ikevovtog Evtjxolov, Euechoios heisst näm-
lich in beiden Handschriften des Synkellos p. 169, 4 der
erste König von Babylon nach der Fluth, und eben darauf
führt die Form Euechsios bei Eus. Arm. I p. 40 [I p. 23
Schöne]; denn in der armenischen Schrift verhält sich s zu
0 gerade so, wie in der lateinischen u zu n; nur im Yulgat-
texte des Synkellos heisst er Ew^x^^S' Wir sehen also zwei
Dynastiengründer aus einem Garten hervorgehen: Grund
genug, um hier ein sagenhaftes Motiv vorauszusetzen. Der
Name Balatores trägt, wie alle Ktesianischen Königsnamen,
unzweifelhaft arisches Gepräge, es ist gleich sanskritischem
balatara, iunior.^) Liesse sich aus dem Umstände, dass die
Sage sich an einen arisch benannten König heftet, beweisen,
dass sie arischer Herkunft sei, so würde eine ansprechende
Erklärung von Auquetil du Perron ihre Berechtigung er-
halten, die mitzutheilen Referent sich um so weniger ver-
sagen kann, als sie zu den wenigen sinnreichen Gedanken
gehört, die einer fleissigen, aber ihrer ganzen Anlage nach
verfehlten Arbeit einen bleibenden Werth verleihen.^) Im
1) Der Name drOckie wohl ursprünglich das jüngere assyrische
Herrscherhans im Gegensatz zu dem älteren der Derketaden aus.
2) Anqu^til du Perron hat nämlich in der Histoire de Tacad^mie
des inscriptions tome XL den Veräuch gemacht, die Nachrichten des
Zendavesta und des Firdüsi über die Pishdadier und Eajanier mit denen
der Alten über die Könige von Assyrien, Medien und Persien auszu-
gleichen. Dass ein solcher Versuch missglücken und nur zu Ungeheuer-
BRANDIS, HIST. GEWINN A. D. ENTZIPF. D. ASSYR. INSCHR. 127
Zendayesta werden die- drei mythischen Eonige GajomarSthna^ilS
Jima Ehshaeta nnd Thraetöna gepriesen als Verehrer der
heiligen Pflanze haöma^ deren Saft sie zu Ehren des Ahurö
Mazd^o ansgepresst und getranken hätten.*) Nun meint
Anqnetil, auch Balatores (den er freilich yerkehrterweise
mit dem Thra^tona identificirt) heisse Gärtner^ weil er die
Pflanze haöma gepflaazt nnd verehrt habe. Liesse sich die
Yermuthnug begründen, so hätte man dies als Zeichen eines
frühen Vordringens der vom Haömacultus unzertrennlichen
Zoroastrischen Religion nach Westen anzusehen und dürfte
damit den Umstand, dass Zoroastres an der Spitze der medi-
schen Könige von Babylon steht, combiniren. — Auch Sar-
gons Nachfolger Sanherib scheint auf den Inschriften vor-
zukommen; es soll auf ihnen heissen, er habe mit einem
Fürsten Ispabara von Albat Krieg geführt. Der Verfasser
findet hierin (S. 48) einen Anklang an alte Ueberlieferung
und billigt die von Rawlinson vorgeschlagene Vergleichung
des Namens mit Astibaras, dem achten Könige der Meder
beim Ktesias^ ohne jedoch weitere Folgerungen daraus ziehen
lichkeiten fahren musste, lag in der Natnr der Sache, nnd Niemand
wird deshalb mit dem ehrwürdigen Entdecker der Zendsprache rechten
wollen; er hoffte seine Entdeckung nicht bloss sprachlich und religions-
geschichtlich, sondern auch für die eigentliche politische Geschichte des
alten Asiens nutzbar machen za kOnnen, und übereilte sich dabei nm
so leichter, als ja seiner Zeit überhaupt der rechte historische Sinn
bei dergleichen Dingen abging. Dass ihm noch in diesem Jahrhundert
Malcolm und Görres auf diesem Abwege gefolgt sind, ist schon weniger
ZQ entschuldigen, da mittlerweile die Wissenschaft so weit vorge8chritten413
war, dass eine nur etwas methodische Pröfung der assyrischen Geschichte
and der persischen Sagen lehren musste, dass beides zu combiniren
Viereckiges mit Bondem zu vereinigen hiesse. Dass aber nun vollends
heutzutage ein paar obscure literarische Vagabunden die Stirn haben,
solche Albernheiten als „Geschichte der Assyrer und Iranier*' und unter
anderen Pranktiteln wie ein neues Evangelium dem Pablicum vorzu-
tragen, das ist ein Scandal, der dem Ausland seltsame Begriffe von
der Bildung eines Leserkreises beibringen muss, dem man dergleichen
zu bieten wagt, ein Scandal, der im Namen des gesunden Menschen-
verstandes nicht oft genug gebrandmarkt werden kann.
♦) [Vgl. Band I S. 289. P. E.]
128 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
zu wollen. Daran hat er sehr wohl gethan; die Yergleichung
Rawlinsons ist ohne Zweifel falsch. Wie Albat zu Medien
passen soll, sieht man nicht ein; wäre der Landesname
sicher, so würde man eher an die armenische Provinz XoXo-
ßtixrivir] (Steph. Byz. p. 695, 10 [s. v. Xokoßrixrivri] denken,
deren Hauptstadt Ptolemäos Xokovaxa nennt. Davon dass
heidemal eine und dieselbe Person gemeint sei, kann natür-
lich nicht die Rede sein, da Ispabara zur Zeit des Sanherib
(693—675) gelebt haben soll, Astibaras aber nach Ktesias
von 643 — 603 regierte und vom Kyaxares schwerlich ver-
schieden ist Die Namen konnten nur dann gleich sein,
wenn *j46ußäQag für ^Aönißigag verschrieben wäre; diese
Annahme ist aber unzulässig: 1) weil der Name ausser bei
Ktesias auch in der jüdischen Geschichte des Alexandros
Polyhistor (fr. 24) vorkommt, der ihn nicht ungeschickt
mit dem zu Ende des Buches Tobias (14, 15) erwähnten
^AöovriQOQ (der nach Dan. 9, 1 der Vater, des Darius Medns
war) combinirt hat; 2) weil er durch den gleich anlautenden
Namen A6tvdyr}g gesichert ist. Dagegen ist der erste Be-
standtheil von Ispabara, wenn der Name überhaupt richtig
gelesen ist, ohne Zweifel das altpersische appa, equus; den
Bestandtheil bara werden beide Namen gemeinsam haben.
Was aber durch jenes eingebildete Zusammentreffen für die
Würdigung des Ktesias gewonnen sein soll, kann Referent
nicht begreifen; denn dass Ktesias, selbst wenn er die Per-
sonen erfunden haben sollte, ihnen gut arische Namen
4Ugegeben hat, das wird jetzt auch sein erbittertster Gegner
wohl nicht mehr zu bestreiten wagen.
Wie bedenklich es ist, aus den bisher in den Inschriften
gelesenen Namen und Zahlen, über deren syntaktischen
Zusammenhang ja die seitherigen Entzifferer vollkommen
im Dunkeln tappen, Schlüsse zu ziehen, die geeignet wären,
Ueberlieferungen unserer schriftlichen Quellen umzustossen,
davon giebt Excurs 2 (zu S. 46), den der sonst so vorsich-
tige Verfasser lieber hätte ungeschrieben lassen sollen, ein
warnendes Beispiel. Auf den Inschriften soll die Besiegung
eines babylonischen Königs, dessen Name 2Mi paldana endigt,
BRANDIS, HIST. GEWINN A. D. ENTZIFP. D. ASSYR. INSCHR. 12Ö
und die Einsetzung eines Königs ; den Rawlinson Beladon,
der Verfasser wahrscheinlich richtig Belib liest, vorkommen;
das Datum (zweites Regierungsjahr) ist auch nach des Ver-
fassers Urtheil unsicher. Dann soll der Zug des Sanherib
gegen Judäa und Aegypten im dritten Jahre seiner Regierung
erwähnt werden; der Name Ghazakijahu, d. i. Hiskia, ist
nach des Verfassers Urtheil sichergestellt, und wir werden
ihm dies glauben können. Dann überwindet nach Rawlinson
Sanherib im vierten Jahre denselben König, dessen Name
auf paldana endigt, nochmals und setzt seinen eigenen Sohn
Assurnadin zum König ein. Der Verfasser findet in diesen
Angaben die Nachricht des Berosos wieder, wonach hinter-
einander Marudach Baidan und sein Mörder Elibos und nach
dessen Gefangennahme Sanheribs Sohn Asordanios regierten,
und vergleicht *den Belib (Elibos) mit dem Belibos (702 —
699), den Assurnadin (Asordanios) mit dem Aparanadios
(699 — 693) im Kanon des Ptolemäos; den Bericht, nach
welchem Marudach Baidan vom Elibos erschlagen worden
sei, halt er für einen Irrthum der Epitomatoren des Berosos.
Diese Annahme hat aber viel Missliches. 1) ist die Gleich-
stellung des Bi^lißog und Elibos nicht so leicht wie der
Verfasser sie sich denkt; denn aus der armenischen Trans-
scription des Namens ergiebt sich, dass er griechisch nicht
"HXißog, sondern "Ekcßog lautete. 2) spricht sich der Ver-
fasser, soviel Referent sieht, nirgends über das Verhältniss
des angeblichen Assurnadin zum Assarhaddon aus. Entweder
sie sind identisch oder sie sind es nicht. In seiner früheren
Schrift nahm der Verfasser das erstere an und hielt den
^AitagocvaSiog des Kanon nur für eine irrige Variante des
^AßagaSivogi eine unhaltbare Hypothese, da der nach einem
consequent festgehaltenen Princip angelegte astronomische
Kanon Zwischenregierungen grundsätzlich ignorirt (wie er
denn z. B. die 18jährige Zwischenregierung des Ptolemäos
Alexandros I. ganz übergangen und dem vorher und nachher
herrschenden Ptolemäos Soier 11. beigelegt hat), überdies
derselbe König auf Inschriften nicht zugleich Assurnadin und
Assardonassar (siehe S. 26) hat heissen können. Wir haben
Y. GcTsoHMiD, Kleine Schriften. II. 9
130 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
Grund zu glauben^ dass der Verfasser diese Yermuthung preis-
gegeben hat und jetzt die beiden Könige für verschiedene
Sohne des Sanherib hält. Dann gerathen wir aber aus der
Skylla in die Charybdis und müssen dem Berosos einen
zweiten^ schlimmen Irrthum, nämlich die Yermengung des
Assurnadin und Assarhaddon aufbürden. Für dergleichen
ein für allemal den unglücklichen Eusebios verantwortlich
4i6zu machen, dem wir die Aufbewahrung der kostbaren Bruch-
stücke verdanken, ist ebenso unbillig wie unwahrscheinlich.
Alle diese Schwierigkeiten lösen sich, sobald man den BrjkL'
ßog des Ptolemäos und den "EUßog des Berosos für zwei
verschiedene Personen hält.*) Dann ist Berosos, der den
Asordanios schon vor seiner achtjährigen Begierung als
König von Ninive bei Lebzeiten seines Vaters in Babylon
herrschen lässt, in vollkommenem Einklang mit dem Kanon,
der den Asaradinos mit 13 Jahren unter den babylonischen
Königen aufführt; die verschiedenen seiner Einsetzung in
Babylon beim Berosos vorausgehenden kurzen Regierungen
fallen dann in das zweite Interregnum, durch welches der
Kanon sicherlich die Regierung von einem oder mehreren
Usurpatoren angedeutet hat. Man wird, da Elibos nicht
volle drei Jahre regierte, die beiden Urkunden mit ziem-
licher Wahrscheinlichkeit in folgender Weise combiniren
können :
Zweites Interregnum von acht Jahren.
Ein Bruder des Sanherib reg. 5 J. — M, seit 11. Febr. 688.
Akises „ — J. 1 M. „ 10. Febr. 683.
Marudach Baidan . . . „ — J. 6 M. „ 12. März 683.
Elibos „ 2 J. 5 M. „ 8. Sept. 683
bis 9. Febr. 680.
Dass die vorgeblichen Zeugnisse der Inschriften dieser
sich aus den schriftlichen Quellen am einfachsten ergebenden
Ausgleichung nicht günstig, sind, leugnet Referent nicht, wird
aber so lange auf seiner Annahme beharren, bis man so
*) [Vgl. „Nene Beiträge zur Gescliichte des alten Orients**
S. 42 f. F. R.]
BRANDIS, mST. GEWINN A. D. ENTZIFF. D. ASSYR. INSCHR. 131
weit sein wird, die Texte der Eeilinschriften wenigstens an-
nähernd mit derselben Sicherheit wie die des Berosos und
Ptolemäos zu lesen und ihn daraus ad absurdum zu führen.
Vor der Hand sind mindestens ebensoviele Chancen dafür
Torhanden^ dass man die richtig entzifferten Namen mit
richtig gelesenen Zahlen verkehrt combinirt oder alles falsch
gelesen hat, wie dafür, dass Berosos zwei arge Schnitzer
begangen hat. Wäre Yerlass auf die Lesung der Inschriften,
so könnte ihr Belib allerdings kaum ein Anderer als der
Bi^Xißog des Kanon sein — den ^EXtßog lässt man am besten
ganz aasser dem Spiele — und danach müsste der Regierungs-
antritt des Sanherib mit Hincks 703 oder mit dem Verfasser
702 angesetzt werden. Der Verfasser neigt sich in Folge
davon zu der bekannten Annahme Niebuhrs, dass die 55-
jährige Regierung des Manasse um 20 Jahre zu verkürzen
sei. Er übersieht aber dabei ganz, dass die angeblichen
Data der Inschriften auch dann noch nicht mit der Bibel
stimmen. Der Zug des Sanherib gegen Jndäa erfolgte im
14. Jahre des Hiskia, d. i. nach der bisherigen Rechnung
712, nach Niebuhr 692. Allein die Inschriften, wie Raw-
linson sie reden lehrt, setzen jenen Zug in das dritte Jahr
des Sanherib, d. i. 700. Es ist also eine schreiende Dis-
sonanz vorhanden. In Bezug auf das Datum 702 für den
Anfang des Sanherib meint der Verfasser, merkwürdig genug
bestätige dies vielleicht auch eine Berechnung des Eusebios,
die er nach Berosos anstellt (S. 46). Referent kann es nicht
verhehlen, dass er über diese „merkwürdige Bestätigung^'
etwas erstaunt ist. Eus. Arm. I p. 44 [I p. 29 Schöne]
sagt, Berosos habe von Sanherib bis Nebukadnezar 88 Jahre
gezählt, gerade ebensoviele aber rechne das alte Testament4i6
von Hiskia, unter dem Sanherib regierte, bis Joakim, in
dessen Regierungsanfang Nebukadnezar gegen Jerusalem her-
angerückt sei, und stellt folgende Gleichung auf:
9
132 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
Ssvs%iQißoq itri itj Mavaöij ixri vi
*A60Qddviog . . . ^ ^j4^cig , , . , tß
Zkciioyrig öiä ^Imöia . . . . Aa
IkcQdaväxakXos. ^ "~6fio* irri mj.
NaßoxmaXöag. . x
Hierzu bemerkt der Verfasser iS. 73: ^^ Sieht man aber
näher zu^ so findet sich, dass die Summe der einzelnen bibli-
schen Zahlen 98 beträgt und dass mehrere Zahlen der as-
syrischen Regierungen etwas zu gering angegeben sein müssen.
Denn man darf die 12 Jahre des Arnos gegen den Sinn des
Eusebios nicht in 2 corrigiren, da er immer trotz dem alten
Testamente so rechnet; vgl. Eus. ed. Mai p. 243 [I App. p. 12
Schone].^' Fürs erste thut der Verfasser hier dem Eusebios
grosses Unrecht, wenn er denkt, die 12 Jahre des Amos
seien eine von ihm herrührende Neuerung: Ensebios fand
sie in seiner Handschrift der Septuaginta vor, deren Ueber-
setzung bekanntlich in der morgenländischen Kirche kanoni-
sche Geltung erlangt hat. Ferner scheint der Verfasser sich
hier nicht erinnert zu haben, dass Eusebios jedes Konigs-
verzeichniss dreimal giebt, in dem Texte der Chronik, in der
Series regum und im Kanon, und zwar fast regelmässig aus
eben so vielen verschiedenen Quellen geschöpft. In der Series
regum (II p. 20 [I App. p. 12 Schöne]) giebt er dem Amos
allerdings 12 Jahre, im Kanon (ad a. 1359 Abr.) rechnet er
ebenso, bemerkt aber dabei die Abweichung des hebräischen
Textes, endlich im Chronikon (I p. 183 [I p. 121 Schöne])
berechnet er seine Regierung wirklich auf nur zwei Jahre.
Ferner ist der Verfasser so ehrlich, einzugestehen, dass die
Zahl 88 theils wegen der Wiederholung, theils durch Moses
Choren, p. 60 gesichert ist, meint aber, Eusebios habe sich
ein Versehen zu Schulden kommen lassen. In diesem Fall
ist es aber denn doch wohl klar, dass nur ein Schreiber die
ihm geläufigeren 12 Jahre an die Stelle der hier von Euse-
bios angegebenen zwei gesetzt hat. Der Verfasser dagegen
spricht sich dahin aus, der Nachlg^ssigkeit des Bischofs von
BKANDIS, EIST. GEWINN A. D. ENTZIFF. D. ASSYR. INSCHR. 133
Cäsaräa könne man alles zutrauen, und verglast sich sogar
bis zu der Cautel ^^wenn nicht alles, was Eusebios mittheilt,
Trug ist'^ Referent weiss recht gut, dass es bei namhaften
Orientalisten Mode geworden ist, den Eusebios als Prügel-
knaben dafür zu behandeln, dass er so ungefällig gewesen
ist, ihren halsbrechenden Conjecturen nicht den erwünschten
Anhalt zu geben; nachahmungswerth ist dieses Beispiel aber
nicht. Noch frivoler scheint uns die Art und Weise, wie
der Verfasser die einzelnen Posten des Berosos mit der
vermeintlichen Gesammtsumme von 98 Jahren in Einklang
bringen will. 1) ändert er die 20 Jahre des Nabupalsar
nach dem Kanon in 21, eine Zahl, die allerdings sogar bei
Berosos selbst in einem anderen Fragmente vorkommt; trotz-
dem ist die Aenderung überflüssig, da wir aus der Ver-
gleichung von IL [« IV.] Kon. 24, 12. 25, 8 mit Jerem. 52,417
28. 29 wissen, dass Nebukadnezar ein Jahr mit seinem Vater
gemeinsam regierte, also die Herrschaft des Nabopolassar
bald auf 20, bald auf 21 Jahre bestimmt werden konnte.
2) ändert er die acht Jahre des Asordanios in 17. Wenn
corrigirt werden müsste, so wäre es das Einfachste, dem
Asordanios 18 Jahre zu geben. Hier ist der Verfasser offen-
bar auf den Abweg gewisser Aegyptologen gerathen, die es
sich absolut nicht vorstellen können, dass ein Historiker über
Dinge, die sich ein halbes oder ganzes Jahrtausend vor seiner
Zeit ereigneten, einmal einer von den Inschriften nicht be-
günstigten Tradition gefolgt ist, und denen es nicht darauf
ankommt, ihrer Grille ein Dutzend überlieferte Zahlen zu
opfern. In diesem Fall käme man aber mit der blossen
Voraussetzung aus, dass — die Aenderung von 8 in 18
einmal als zulässig angenommen — Berosos die Regierungs-
jahre der einzelnen Konige nach einem anderen Princip als
der Kanon bestimmte, was wir auch von anderer Seite her
wissen. Es ist tmbegreiflich, wie der Verfasser an die Mög-
lichkeit einer Verderbniss von IZ in H auch nur hat denken
können. Fürwahr, stände der Name des Dr. Brandis nicht
auf dem Titel, wir würden hier nicht die Hand des Schülers
von Ritschi wiedererkennen, der in seiner schönen Mono-
134 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
graphie über die assyrische Zeitrechnung die strenge Methode
der neueren Philologie auf das chronologische Gebiet , wo
wir derselben ebensowenig wie bei der Texteskritik ent-
rathen können^ mit yielem Glück übertragen hat, sondern
eher die des Verfassers von ^^Aegyptens Stelle in der Welt-
geschichte'^, der bei der Restitution der Manethonischen
Königsliste im zweiten Bande eine Menge von mitunter
scharfsinnigen, aber durch und durch unmethodischen und
aller Wahrscheinlichkeit trotzenden Gonjecturen gehäuft hat,
denen die hier besprochene so ähnlich sieht wie ein Ei dem
anderen. Auch Referent hegt vor der umfassenden Gelehr-
samkeit des Ritter Bunsen und vor seiner segensreichen
Wirksamkeit auf manchem anderen Gebiete gewiss keine
geringere Hochachtung als der Verfasser, muss aber doch
den Letzteren davor warnen , seinem berühmten Vorbilde
nicht auch auf dessen unleugbaren Abwegen zu folgen. Wir
haben dem uns persönlich lieben und befreundeten Verfasser
diese Kleinigkeit, auf die er selbst (wie er am Schluss des
zweiten Excurses deutlich zu verstehen giebt) keinen beson-
deren Werth gelegt wissen will, nur darum aufgestochen
und sind so speciell darauf eingegangen, um ihn daran zu
erinnern, dass er sein bedeutendes Talent nicht durch in-
correctes Experimentiren vergeuden möge.
Wir gehen über zum zweiten Theile der Brandisschen
Schrift;, worin die Grundzüge des assyrischen Keilschrift-
systems entwickelt sind. Im Eingang sind die einschlägigen
Stellen der Alten gesammelt worden; doch, glaube ich, ist
der Verfasser in dem Wunsche, Andeutungen zu finden mit-
unter zu weit gegangen. So möchte ich in der bei Diogenes
Laertios IX, 7, 13 angeführten Schrift des Demokritos Ttsgl
%&v iv BaßvXAvv IbqAv ygaiAfidtav nicht mit dem Verfasser
Untersuchungen über die babylonische Keilschrift} vermuthen,
sondern übersetze tegcc ygaiA^ara durch „heilige Schriften'';
4l8es sind die Bücher des Fischmenschen Oannes und der übrigen
Annedoten, ihr Inhalt war vorwiegend kosmogonischen und
religion^philosophischen Inhalts. Ebensowenig kann Referent
das Bedauern des Verfassers über den Verlust der Demokri«
BRANDIS, BIST. GEWINN A. D. ENTZIFF. D. ASSYR. INSCHB. 135
tischen Uebersetznng einer babylonischen Inschrift philo-
sophischen Inhalts, die er einer seiner Abhandlungen an-
geschlossen haben soll, theiien. Clemens Alex. Strom. I
p. 131 behauptet freilich, Demokritos habe seine Weisheit
Yon der'Stele des Akikaros, eines alten babylonischen Weisen^),
hergenommen; allein wenn wirklich eine solche Demokritische
Schrift im Umlauf war, so ist sie ohne allen Zweifel unter-
geschoben gewesen. Philosophische Ergüsse sind wohl schwer-
lich jemals in Stein gehauen worden: wohl aber kamen Ton
Alexandrien aus Erzählungen über die Säulen des Hermes
in Umlauf, über deren mystischen, kosmogonischen Inhalt
sich eine förmliche Literatur bildete, an welche in späterer
Zeit die alchymistischen Schriften anknüpfen. Diese Ent-
hfillongsfabrication fand Anklang, und bald wussten auch
die Griechenmännlein yon den Säulen des Kronos und der
Rhea auf der apokryphen Insel Panchaia zu erzählen. Schon
der Erzvater Seth hatte, wie die alexandrinischen Juden
wissen wollten, dem literarischen Bedürfniss seiner Zeit-
genossen in ähnlicher Weise Rechnung getragen; die von
ihm beschriebenen Säulen standen im Lande Siris, und das
konnte man leider nicht wieder auffinden. Lassen wir also
die Säule des Akikaros in ihrer Verborgenheit; freuen wir
uns lieber des günstigen Geschickes, welches uns so zahl-
reiche Urkunden vom ehrwürdigsten Alterthum aufbewahrt
hat, von denen das Siegel zu losen hoffentlich noch der jetzt
lebenden Generation vergönnt sein wird. •— Die Notizen der
Alten über die Sprache der alten Chaldäer sind zu spärlich,
um für die Entzifferungsversuche irgend welchen Anhalt zu
1) Dieser 'A^^Tiagog ist ohne Zweifel derselbe wie 'Axatnagog, den
Sirabon XVI, 2, 38 p. 762 einen Propheten naQcc zotg Boano(frivoCg nennt.
Zwar möchte ich assyrischen Einflnss auf die Nordgestade des Pontos
Enxeinos nicht unbedingt abweisen', und so Hesse sich die seltsame
Nachricht allenfalls retten. Allein die Yerbessernng jca^a toig Boffoi-
mivoig liegt zu nahe, als dass ich sie von der Hand weisen könnte.
Im Prolog des Buches Tobias, der nur dem griechischen Texte eigen
ist, kommt 1, 21 ein 'AxidxccQog ald Neffe des Tobias am Hofe des as-
syrischen Königs Sacherdonos Tor. Es will mich bedanken, als wäre
es derselbe chaldäische Weise in jüdischer Verkleidung.
136 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
geben. Selbst die einzige Glosse, die der Verfasser S. 85
dabei nutzbar zu machen gesucht hat^ beruht auf einem
blossen Missverständniss. Syukellos p. 52, 16 hat nämlich
Folgendes: aQX€LV dl tovtcdv navxiov ywatxa^ rj ovofia '0(i6-
Qmxa {MaQTcaca Eus.). Bivac di tovxo Xakdal6tl ^Iv Sakäzd-
(Gakaxd-a Eus.), 'EXktivLötl dl fi6^£Q(iriv£veö^ai d'dkaööa
(d-aXatta Eus.), xata dl l66tlni<pov öBXi^vri. Den letzten Satz
lässt Eus. Arm. I p. 23 [I p. 15 Schone] weg. Der Ver-
fasser vergleicht mit ^Ofiogcoxa das hebräische n^^, luna,
und sagt, G. Müller, Movers u. a. würden den Zusatz nicht
für Synkellos' Fabrikat erklärt haben, wenn sie bedacht
hätten, dass der Chronograph unmöglich jene alte babjloni-
4i9sche Form, die in dem Worte noch deutlich hervorschimmere,
kennen konnte. Der Verfasser verrückt sich hier den ganzen
Standpunkt der Frage. Die gesunde Kritik muss den Zusatz
verwerfen: 1) weil ihn der viel ältere Eusebios nicht kennt;
2) weil die mystische Spielerei der iöotl^rjfpay d. i. die Com-
bination verschiedener Wörter, deren Buchstaben, dem Zahl-
werthe nach genommen eine gleiche Summe bilden, eine
speciell byzantinische Caprice ist, die sich zwar seit Joannes
Lydos sehr häufig findet, aber dem Berosos, der bald nach
Alexander schrieb, schlechterdings nicht aufgebürdet werden
darf. Nur so kann man das Wort löoilfrjfpov erklären, und,
was die Hauptsache ist, 'Ofiogmxa oder, wie es im ursprüng-
lichen Texte des Synkellos, dein armenischen MagxaCa näher,
gelautet haben muss, ^OfioQxa ist wirklich das iöoiftiipov von
0 = 70 I = 200
M— 40
E= 5
0—70
A = 30
P — 100
H = 8
K — 20
N = 50
A = 1
H = 8
Summe 301
Summe 301.
Die Worte des Berosos sehen allerdings etwas schwierig
aus, können aber kaum anders erklärt werden, als dass das
BRANDTS, HIST. GEWINN A. D. ENTZIPF. D. ASSYR. INSCHR. 137
kosmogonische Princip der Homorka in der chaldäischen
Theologie auch Salard' genannt wurde, d. i. Trinitat (vom
chaldäischen lr\bt^, drei), und dass der Name Homorka
ursprünglich d'dkatta bedeutete. Den Gleichklang der beiden
Wörter wird Berosos seinen griechischen Lesern zu Liebe
hervorgehoben haben. Dass nun die Einmischung des Mondes
ganz vom Uebel ist, leuchtet ein. Wenn wirklich zwischen
Homorka und jareach eine Aehnlichkeit stattfönde — und
Referent kann sie nicht eben gross finden — , so müsste
dies als ein rein zufälliges Zusammentreffen betrachtet wer-
den, die Spielerei des Synkellos wäre dadurch nicht ge-
rettet. — Es wurde schon im Eingange erwähnt, dass der
Verfasser den ganzen Gang der Bawlinsonschen Entzifferungs-
versuche einer selbständigen Prüfung unterworfen hat. Hier
ist er zu dem Resultate gelangt, dass die Behauptung von
Rawlinson und Consorten, dass öfters ein einzelnes Zeichen
der assyrischen Keilschrift für mehrere unter sich ganz ver-
schiedene Laute gebraucht worden sei, unbegründet ist (8. 25):
ein sehr wichtiger Fortschritt, den stark zu betonen wir um
so mehr ftlr unsere Schuldigkeit halten, als der Verfasser
aus Bescheidenheit und unnöthigem Respect vor Rawlinson
diesen capitalen Unterschied von seinem Vorgänger gar nicht
gebührend in den Vordergrund gestellt hat. Der Verfasser
ermässigt (S. 27) jene willkürliche These dahin, dass die
assyrisch-babylonischen Eigennamen in einer allerdings sehr
seltsamen Weise verkürzt geschrieben worden seien. Der Ver-
fasser ist offen genug, wiederholt (S. 28. 115) einzugestehen,
dass diese Methode mehr an Rebus- und Räthselspiel als an
irgend etwas Anderes erinnere. Das ist freilich immer ein
Fortschritt gegen Rawlinson, wir bekennen aber offen, dass
wir auch daran nicht glauben. Wenn oft vorkommende
allgemeine Begriffe verkürzt werden, so lässt man sich das420
gefallen; aber gerade die Eigennamen zu verkürzen oder
richtiger gesagt zu verstümmeln (der Monat Tamuz heisst
nach Brandis S. 100 Tuu), das wäre eine Verkehrtheit, die
wir einem so hochgebildeten Volke, wie die Assyrier nach
den Denkmälern ihrer Kunst zu schliessen gewesen sein
138 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
müssen^ nicht wohl zutrauen können.*) Dass der VerfasBer
ohne dieses bedenkliehe Auskunftsmittel nicht alle Schwierig-
keiten zu lösen vermocht hat, liegt wohl daran, dass er, der
unseres Wissens Ton Haus aus nicht Orientalist ist, so sehr
er sich auch bestrebte, auf eigenen Füssen zn stehen, doch
von den Rawlinsonschen Prämissen mehr als gut ist anzu-
nehmen genöthigt war. Wir zweifeln übrigens nicht, dass
es einer Forschung, die vorurtheilsfrei ans Werk geht und
Rawlinsons Extravaganzen wie billig ignorirt, gelingen wird,
auch ohne solche Nothbehelfe zu einer richtigen Lesung der
Schrift und zu einem Verständniss der ja bis jetzt gänzlich
unbekannten Sprache zu gelangen. Eine« solche Arbeit wird
dornenvoll sein und fürs erste auf so eclatante Resultate,
wie sie von England aus in alle Welt ausposaunt worden
sind, verzichten müssen: ist aber so erst eine solide Grund-
lage gewonnen, so wird reichlicher Lohn nicht ausbleiben.
Von seinem Standpunkt aus hat übrigens der Verfasser ge-
leistet, was nur immer zu leisten war. Wir verdanken ihm,
um nur einiges anzuführen, die richtige Lesung der Königs-
namen Belib (S. 44), Assardonassar (S. 105), Chazajan (S. 120)^
verschiedener Personennamen auf Privaturkunden (S. 72), eines
Theiles der babylonischen Monatsnamen (S. 100). In Bezug
auf letztere kann Referent sich freilich im Einzelnen noch
nicht aller Zweifel erwehren, doch scheint soviel bereits
sicher aus den Inschriften hervorzugehen, dass die wunder-
liche Hypothese Benfeys über den arischen Ursprung der
jüdischen Monatsnamen nunmehr definitiv beseitigt ist —
Den Schluss, worin von S. 111 an paläographische Unter-
suchubgen über das System der assyrischen Keilschrift an-
gestellt werden, halten wir für die gelungenste Partie des
ganzen Buches. Der Verfasser gelangt nämlich zn dem
Resultate, dass das semitische Alphabet sich mit der assyri-
schen Keilschrift mehrfach berührt, ja geradezu aus ihr ab-
geleitet ist; an mehreren Beispielen wird dies in schlagender
*) [Es ist kaum nöthig zu bemerken, dass Gatschmid diese An-
sicht über die assyrische Schrift später aufgegeben hat; .vgl. nament-
lich „Neue Beiträge zur Oeschichte des alten Orients*' S. 5 ff. F. R.]
NIEBÜHB, GESCHICHTE AS8ÜRS UND BABELS SEIT PHüL. 139
Weise nachgewiesen.*) Endlich geht der Verfasser noch
einen Schritt weiter and stellt die Vermuthung auf, dass
auch die Keilschrift sich aus einer ursprünglichen Bilder-
schrift entwickelt habe. Die Prüfung dieser Entdeckung
mochte der Verfasser (S. V) den Einsichtigen ganz besonders
ans Herz legen; es gereicht uns zu nicht geringer Befrie-
digungy dem Verfasser die Mittheilung machen zu können^
dass eine Autorität ersten Banges in assyrischen Dingen,
Herr Oppert^ etwa um dieselbe Zeit, wo Herr Dr. Brandis
auf seinem Studierzimmer am Bhein diese Entdeckung machte,
am Euphrat zu verwandten Besultaten gelangt ist (vgl. Op*
perts Bericht in der Zeitschrift der deutschen morgeuländi-
schen Gesellschaft 1856 Heft 1 und 2 S. 289).**)
Und hiermit scheiden wir von dem Verfasser. Wir
glauben alle die Punkte, in welchen wir von ihm abweichen-
der Ansicht sind, erörtert zu haben; das viele Treffliche im
Einzelnen hervorzuheben, gestattet der Raum dieser Blätter42i
nicht. Die, welche sich darüber unterrichten wollen, mögen
das Buch selbst lesen, welches wir hiermit dem Publicum
bestens empfehlen.
2 **♦')
Geschichte Assurs und Babels seit Phul aus der Concordanz44i
des alten Testaments, des Berossos, des Kanons der Könige
und der griechischen Schriftsteller. Nebst Versuchen über
die vorgeschichtliche Zeit von Marcus v. Niebuh r. Mit
Karten- und Planskizzen. Berlin, Verlag von Wilhelm
Hertz. 1857. VI und 529 S. gr. 8^
Die auf dem Titel des Werkes bereits ausgesprochene
Beschränkung einer Wiederherstellung der assyrisch -baby-
*) ITgl- oben S. 47. F. ß.]
**) [Vgl. „Neue Beiträge zur Geschichte des alten Orients'*
S. 12 f. F. B.]
*•*) [Nene Jahrbücher für Philologie und Pädagogik Band LXXXI
(1860) S. 441—468.]
n
140 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
Ionischen Geschichte auf die letzte Periode derselben von
747 (oder wie der Verfasser will 770) bis 538 v. Ch. empfiehlt
sich in dreifacher Beziehung. Erstens beginnt mit Nabonassar
die erste Grundbedingung einer solchen Herstellung, ein zu-
verlässiger chronologischer Rahmen; zweitens fangt um die-
selbe Zeit in den biblischen Nachrichten eine authentische
und im Verhältniss zu den anderen auf uns gekommenen
Resten der Ueberlieferung reichliche Quelle zu fliessen an;
drittens — und diesen wichtigen Punkt ins Reine gebracht
zu haben ist des Verfassers Verdienst — nahm auch im
Werke des Berossos die fortlaufende Geschichtserzählung erst
im dritten Buche mit Nabonassar ihren Anfang, der die
Archive der Könige, die vor ihm waren, vernichten liess,
um das Andenken an die Fremdherrschaft verschwinden zu
lassen. Man hat die Nachricht, weil dasselbe von Schihoangti
erzählt wird, häufig verdächtigt; das Zeugniss des Berossos
darüber ist aber ganz positiv (S. 169. 473). Für die frühere
Zeit, wo die authentischen Reichsannalen fehlten, gab Be-
rossos die blossen Listen mit kurzen Notizen, etwa wie die
Auszüge aus Manetho, die wir jetzt haben; dies war der
Inhalt des zweiten Buches, das erste enthielt die Kosmogonie
(S. 471). Dass das Material für die letzte Periode zwar
vollständiger und mannigfaltiger ist als das für die frohere
Zeit, aber doch lange nicht in dem Grade vollständig wie
wir wohl wünschten, weiss jeder; es ist daher nicht zu ver-
wundem, dass in dem Niebuhrschen Werke die eigentliche
Geschichtserzählung (S. 133 — 234) nur den fünften Theil des
Ganzen einnimmt, der Rest sich mit der Herstellung der
Zeitrechnung, der Kritik der Quellen und verschiedenartigen
Detailuntersuchungen beschäftigt Niemand wird deiü Ver-
fasser daraus einen Vorwurf machen, ihm vielmehr für die
442gediegenen Forschungen, welche in jenen anderen Partien
des Werkes niedergelegt sind, sich zu Dank verpflichtet
fühlen.
Der erste Abschnitt (S. 1 — 18) behandelt die Grund-
lagen der Arbeit, d. h. die Quellen, voran die Bibel. Nach
dem kläglichen Schiffbruche, den die orthodoxe Bibelaus-
NIEBÜHR, GESCHICHTE ASSUßS UND BABELS SEIT PHüL. 141
legang nur zu oft erlitten hat^ wo sie sich auf das Feld
kritischer Geschichtsforschung wagte ^ erwarteten wir von
einem Anhänger der strengen Richtung auf diesem Gebiete
nicht zu yiel und bekennen ehrlich unser angenehmes Er-
staunen über die ruhige, streng wissenschaftliche Würdigung
und Yerwerthung der Bibel als Geschichtsbuch, wie sie uns
in dem vorliegenden Werke entgegentritt. Drei Klippen sind
es, an denen die Orthodoxie in der Regel scheiterte. Erstens
die Prophetien, die gern so engherzig wie möglich ausgelegt
wurden. Der Verfasser sieht wenigstens in dem Gebrauche
runder, typischer Zahlen nichts der Propheten Unwürdiges
und dringt nur darauf, dass die in ihren Schriften vorkom-
menden positiven geschichtlichen Angaben buchstäblich zu
nehmen seien; „die Prophetien^', sagt er S. 9, „müssen aus
der symbolischen und poetischen Sprache heraus verstanden
werden, und man muss nicht aus ihnen historische Beziehungen
herauslesen wollen, wo keine sind.'' Das zweite Bedenkliche
ist der Glaube an die Authentie des Buches Daniel. Referent
hält wenige Dinge in der gesammten Literaturgeschichte für
so ausgemacht wie den von Porphyrios gelieferten Nachweis,
dass das Buch Daniel im Jahre 167 v. Gh. geschrieben ist,
scheut sich aber trotzdem nicht, der herrschenden Ansicht
zuwider seine Ueberzeugung auszusprechen, dass der Verfasser
desselben für den historischen Rahmen seiner Prophetie glaub-
würdige jüdische Aufzeichnungen aus der chaldäischen
Periode benutzt hat, während er freilich, wie alle späteren
Juden, über die persische Zeit auffallend schlecht unter-
richtet ist: beides ist gar wohl miteinander vereinbar. Re-
ferent kann daher den Gebrauch, der hier vom Buche Daniel
gemacht ist, im Wesentlichen nicht missbilligen. Der arge
Misscredit, in welchen die Danielinischen Angaben neuerdings
fast allgemein gerathen sind, ist einerseits dem natürlichen
Rückschlage zuzuschreiben, der allemal eintritt, wenn sich
herausstellt, dass eine Quelle, die man für gleichzeitig an-
zusehen gewohnt war, mehrere Jahrhunderte jünger ist;
anderseits ist er eine Folge der unkritischen Art und Weise,
wie man von Hieronynius an die Daten jenes Buches mit
142 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
den Zeugnissen der griechischen Historiker in Einklang zn
bringen pflegte. Man sah nämlich in Belshazer den letzten
Konig von Babylon , also den Nabonidos, in Darius dem
Meder den in Xenophons Boman auftretenden Eyaxares 11.
Mit Recht yerwirft der Verfasser diesen Weg, identificirt
vielmehr den Belshazer mit Evil - Merodach and sieht in
Darius dem Meder den Suzerän des neuen babylonischen
Königs, den Astyages. Es ist dies also in der Hauptsache
die alte von Conring vertretene Ansiebt, nur dass dieser in
Darius nicht den Mederkönig selbst, sondern seinen jüngeren
Bruder sieht, der mit seiner Schwester Amyite an den Hof
Nebukadnezars gekommen und dessen Schwiegersohn gewor-
44dden sei: als er sich des Thrones bemächtigte, habe er den
Namen Nergal-Sarezer angenommen. Da Evil-Merodach im
Jahre 559 umkam, dieses Jahr aber auch, wie wir sehen
werden, das letzte des Astyages ist, und da die Ansicht des
Verfassers, dass Astyages kein Eigenname gewesen, nur auf
Irrtham beruht, so mochte ich der Conringschen Ansicht,
für die sogar Andeutungen im Berossos zu sprechen scheinen,
den Vorzug geben. Sicher ist, dass nur, wenn man die
Identität des Belshazer und Evil-Merodach festhält, die An-
gaben im Buche Daniel ohne Willkür mit den sonst bekannten
ausgeglichen werden können. Endlich isfc noch ein dritter
Prüfstein für die orthodoxe Exegese da, das Buch Jona. Zu
dessen Beurtheilung macht der Verfasser auf zweierlei auf-
merksam: 1) ist Ninive nach Jona 3, 3 drei Tagereisen gross;
dies ist aber nach den neuesten Untersuchungen ziemlich
genau der Umfang des Städtecomplexes, der einst Nipive
gebildet hat; 2) ist nach statistischen Berechnungen die auf
einem solchen Terrain wohnende Menschenmenge, unabhängig
vom Jonabuche, auf 600000 Seelen veranschlagt worden:
dieselbe Zahl aber ergiebt sich aus der Bestimmung 4, 11,
es seien in Ninive „mehr denn 120000 Menschen^ die nicht
wissen Unterschied, was rechts oder links ist'', d. i« Kinder
unter sieben Jahren. Bei alledem bedenke man aber, dass
an der ersten Stelle auf die Worte „Ninive aber war eine
grosse Stadt Gottes, drei Tagereisen gross" in Vers 4 un-
NIEBÜHR, GESCHICHTE ASSÜRS UND BABELS. SEIT PHÜL. 143
mittelbar folgt: „xxnd da Jona anfing hineinzugehen eine
Tagereise in die Stadt, predigte er''; es liegt s^onach klar
vor, dass der Autor die drei Tagereisen als die Länge der
Stadt im Durchschnitt von einem Ende bis zum anderen
angesehen hat, ein Bedenken, das der Verfasser durch seine
sehr gekünstelte Erklärung S. 277 f. durchaus nicht hinweg-
zuräumen im Stande gewesen ist. Die Sache sieht ganz so
aus, als habe der Verfasser des Jonabuches genaue Angaben
über die Grösse von Ninive gehabt, dieselben aber missver-
standen oder übertrieben. Immerhin werden die Beobach-
tungen des Verfassers bei der noch streitigen Frage, ob im
Jonabuche Niniye die alte assyrische Hauptstadt und nicht
etwa ein verkapptes Antiochien ist, in Erwägung gezogen
werden müssen. — Grundsätzlich ausgeschlossen hat der
Verfasser die Nachrichten des Etesias, und gewiss musste,
da der Grad ihrer Glaubwürdigkeit so sehr bestritten ist,
dieses behutsame Verfahren als rathsam erscheinen. Die
Beschränkung, die der Verfasser sich selbst auferlegt hat,
indem er die Etesianische Geschichtserzählung in einen An-
hang verweist, ist anerkennenswerth, da er selbst günstiger,
aber unserer Ueberzeugung nach gerechter über Etesias
urtheilt, als jetzt meistentheils über ihn geurtheilt zu wer-
den pflegt. Er vergleicht den Ejiidischen Geschichtsschreiber
sehr glücklich mit dem Schotten Bruce, dessen Nachrichten
über Abyssinien wegen mehrfacher darin enthaltener unleug-
barer Aufschneidereien lange Zeit hindurch im äussersten
Misscredit standen, bis neuere Entdeckungen seine Angaben
im Wesentlichen bestätigten. Diese Parallele trifft recht
eigentlich den Nagel auf den Eopf. Es kommt noch etwas
hinzu: Etesias hat das Unglück gehabt, dass achtbare
Gelehrte der neueren Zeit einen unbegreiflich unkritischen
Gebrauch von seinen Nachrichten gemacht, dass sie seine444
Angaben über die Eroberungen von Ninos und Semiramis
snbtractis subtrahendis buchstäblich genommen und ich weiss
nicht, was f&r Gombinationen darauf gebaut haben; wie in
solchen Fällen oft, hat den Missbrauch seiner Nachrichten
der Autor selbst entgelten müssen. Ich denke über Etesias
144 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
noch viel günstiger als der Verfasser und finde die Beant-
wortung der Frage, wie er für die Geschichte zu benutzen
sei, sehr einfach, wenn man nur Folgendes festhält: 1) er
folgt einer falschen Chronologie: wie dieselbe zu berichtigen
sei, hat im Wesentlichen J. Brandis gezeigt; 2) er hat seine
Nachrichten über Assyrien aus einer medischen Quelle;
3) diese medische Quelle gab die Auffassung des Volkes von
seiner eigenen Geschichte wieder, enthielt also natürlich in
starker Beimischung Sage;*) 4) eine Folge jener volksthüm-
liehen Auffassung war u. a. die, dass alle Eroberungen, die
assyrische Könige je gemacht hatten, den beiden Reichs-
gründern zugeschrieben, die Weichlichkeit des Hofes in der
Zeit des Sinkens in der Schilderung des letzten Herrschers
concentrirt ward; 5) jeder assyrische König hatte ausser
seinem Eigennamen einen bei der Thronbesteigung an-
genommenen officiellen Namen, in ähnlicher Weise wie die
Pharaonen ausser dem persönlichen Namen noch den mit
suten-het eingeleiteten, die Negus von Abyssinien den mit
seghed componirten, die muslimischen Herrscher den Namen
auf ed-din oder ed-daula führen: diese officiellen Namen ent-
hielt die Liste des Meders, jedoch meistentheils in iranischer
üebersetzung; 6) die Liste fasste Könige, die einer Gene-
ration angehören oder wegen Kürze der Regierung oder
Thatenlosigkeit weniger wichtig sind, gruppenweise zusam-
men, ganz so, wie sich dies in der Arsakidenliste des Moses
von Chorene zeigen lässt, wie es für Manetho neuerdings
Brngsch, Histoire d'Egypte S. 19 durch die Vergleichung des
Turiner Königspapyrus nachgewiesen hat. Wir gedenken
weiter unten an einem Beispiele zu zeigen, wie wichtig An-
gaben des Ktesias werden können, wenn man sie unter dem
hier entwickelten Gesichtspunkte auffasst: Ignorirung der-
selben scheint mir ganz ebenso verwerflich wie üeber-
schätzung. — Einen weiteren Beweis seiner Vorsicht, dem
Referent von ganzem Herzen beistimmt, legt der Verfasser
durch das gänzliche Beiseitelassen dessen an den Tag, was
*) [Vgl. „Nene Beiträge zur Geschichte des alten Orients*'
S. 112. P. R.]
NIEBÜHE, GESCHICHTE ASSÜRS UND BABELS SEIT PflüL. 145
man Entzifferang der assyrisclien Eeilinscbriften zu nennen
beliebt. Die HofiGaung^ dass man die ungewöhnlichen
Schwierigkeiten aller Art, mit denen diese Untersuchung
behaftet ist, so zu sagen im Sturm werde überwinden und
sofort Resultate von der grössten Tragweite erzielen können,
theilen jetzt ausser in England wohl nur sehr Wenige: jeder
Einsichtsvolle muss sich sagen, dass (um in dem Gleichnisse
zu bleiben) nur auf dem Wege einer langwierigen und für
das grosse Publicum langweiligen Belagerimg ein sicherer
Boden gewonnen werden kann. Das Interesse für die Be-
lagerer ist ganz unleugbar geschwunden; wir denken, zum
Glück f&r die Sache selbst, der die Sucht zu blenden mehr
geschadet hat als irgend etwas Anderes. — Im Vorworte
S. IV berührt der Verfasser kurz die Bereicherung, welche
unsere Kenntnisse von Babylonien durch die Veröffentlichung
der nabatäischen Landwirthschaft zu erwarten haben, und445
spricht sich sehr besonnen darüber aus, nüchterner als
manche Andere (zu denen sich leider auch Referent selbst
zahlen muss*)), durch die überschwänglichen Verheissungen
des künftigen Herausgebers verleitet, es gethan haben. Hätte
der Verfasser ahnen können, welchen literarischen Wechsel-
balg Chwolsohns vorläufige Auszüge uns enthüllen würden,
so würde er seine sehr bescheidenen Erwartungen vermuth-
lich noch mehr herabgestimmt haben. ^
So viel über die Benutzung der Quellen. Von S. 18
folgen nun mehrere vorbereitende Untersuchungen, zunächst
eine Betrachtung der Unterthänigkeitsverhältnisse im Orient,
in der die Verschiedenheit orientalischer und occidentalischer
Staatszustände scharf betont wird. Dieser Abschnitt ist ganz
vortrefflich und zeugt von grosser Sachkenntniss: die Er-
fahrungen des Grossvaters kamen hier dem Enkel zu Gute.
Nicht eben solches Lob können wir dem nächsen Abschnitte
„Die Eönigsnamen'^ ertheilen; denn hier treffen die beiden
Hauptmängel des Buches, die Lust zu schematisiren und die
Liebhaberei für Etymologien, zusammen. Sehr müssig sind
•) [Vgl. „Beiträge zur Geschichte des alten Orients" S. 62. F. R.]
•*).[Vgl. den XVI. Abschnitt dieses Bandes. F. R.J
T. GuTscHMiD, Kleine Schriften. II. 10
146 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
namentlich die Speculationen über die Doppelnamen der as-
syrischen Könige. Dass solche geführt worden sind, darüber
lässt weder der offenbare Augenschein noch die Analogie
aller anderen orientalischen Fürsten den geringsten Zweifel:
gegen die Identität von Samuges und Saosduchinos^ von
Sardanapallos und Eineladanos zu protestiren^ beweist nicht^
dass der Zweifler ein vorsichtiger Kritiker, sondern nur, dass
er mangelhaft unterrichtet ist. Allein damit ist noch nicht
gesagt, dass wir schon jetzt den persönlichen Namen und
den Thronnamen sicher auseinander halten könnten: so weit
sind wir noch lange nicht, und der Verfasser widerspricht
durch diese Voraussetzung seiner eigenen, ganz richtigen
Ansicht über den Stand der Keilschriftentzifferung; auch
sollten offenbare Irrthümer, wie der Herodots über den
älteren Labynetos, worunter er den Nebukadnezar meint,
auf diesem Wege nicht wegerklärt werden, wie dies S. 30
geschehen ist.
Was von S. 46 an über die Zeitbestimmungen gesagt
wird, ist offenbar das Resultat gewissenhaftester Erwägung
und solider Forschung. Doch müssen wir mehrere Einwände
dagegen erheben, vor Allem einen principiellen von tief ein-
schneidender Natur. Niebuhr der Vater hat öfters die An-
sicht ausgesprochen, aber soviel ich weiss immer nur bei-
läufig und ohne Beweis, der Orient postdatire in der Zählung
der Begierungsjahre, d. h. um die Erklärung Niebuhrs des
Sohnes zu geben: „als das erste Regierungsjahr eines Königs
wird dasjenige Jahr gerechnet, bei dessen Anfang dieser
König auf dem Throne sass; als das letzte dasjenige vor
dessen Ende der König starb oder entsetzt wurde.^^ Herr
V. Niebuhr hat diese Ansicht des Vaters zu der seinigen
gemacht; was er dafür S. 53ff. anführt, ist Folgendes: 1) der
allgemeine Gebrauch bei den amtlichen Datirungen im Orient;
2) die ausschliessliche Zweckmässigkeit dieses Gebrauches;
die Antedatirung sei so widersinnig, dass sie nur bei den
Aegyptem begreiflich sei, die alles anders gemacht hätten
446als andere Menschen. „Man denke sich nur'^, sagt der Ver-
fasser, „die Zweifel, welche da, wo keine fortlaufende Aera
NIEBÜHR, GESCHICHTE ASSÜRS UND BABELS SEIT PHUL. 147
ZOT Controle dient, bei jedem Regierungswechsel für die
Nachwelt entstehen: man hat Urkunden aus einem und
demselben Jahre, welche zwei verschiedene Data tragen
(denn der Eonig, der in dem Jahre gestorben, muss doch
seine Urkunden noch mit seinem — präsumptiven — Re-
gierungsjahre bezeichnet haben), und nun gar die Verwirrung,
wenn in einem Jahre 3 — 4 Könige aufeinander gefolgt sind.
Umdatiren kann man doch nicht alle Urkunden, von denen
viele ja aus dem Archiv herausgegangen waren/' Also der
Verfasser meint: wenn z. 6. Xerxes II. am Anfang des Jahres
auf dem Throne sass, Sogdianos ihn todtschlägt und König
wird, dann hätten seine Secretäre eine Urkunde, in der etwa
die Hinrichtung der Anhänger des Xerxes befohlen ward, so
überschrieben: „Im ersten Jahre des Xerxes, Königs der
Könige, befiehlt Sogdianos, König der Könige^' u. s.w. u. s. w.?
hätten dadurch die Rechtmässigkeit der gestürzten Regierung
anerkannt? hätten ein erstes Jahr des todten Xerxes gezählt,
wo sie ganz gewiss wussten, dass kein zweites folgen würde?
In der That, dazu gehört ein starker Glaube; so etwas ist
im Orient noch weniger als bei uns möglich. Vernünftiger-
weise sind nur zwei ofQcielle Datirungs weisen denkbar: ent-
weder der König rechnet als sein erstes Jahr das Jahr vom
Tage seiner Thronbesteigung bis zur Wiederkehr dieses Tages
im nächsten Jahre, ohne auf das Kalenderjahr Rücksicht zu
nehmen: diese an sich einfachste Datirungsweise ist wohl
überall da zu Hause, wo seit lange eine feste Aera herrscht
und es im gewöhnlichen Leben Niemandem einfällt, nach
Jahren der Könige zu rechnen. Die zweite Datirungsweise
ist die, deren bekanntestes Beispiel im Ptolemäischen Kanon
vorliegt und die der Verfasser ohne jeden Grund die ägyp-
tische neibit: der neue König rechnet als sein erstes Jahr
das Kalenderjahr, in welchem er den Thron besteigt, als sein
zweites das nächste Kalenderjahr, und so fort. In Ländern,
wo es keine Aera giebt als die des jedesmaligen Königs,
ist diese Datirungsweise die natürlichste und für die Mitwelt
gewiss die allein praktische. Die Rücksicht auf die Nach-
welt konnte doch erst in zweiter Linie massgebend sein;
10*
148 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
und auch für diese war diese Antedatiruug verständlicher;
als irgend eine andere Datirangsweise: man brauchte nur
das letzte unvollendete Jahr jedes Königs wegzulassen und^
was die logische Consequenz dieser Rechnungsweise ist^ alle
Regierungen^ die das Ende des Kalenderjahres nicht erreichten,
zu ignoriren, so hatte man eine Zeitreihe ; die an Exactheit
nichts zu wünschen übrig liess. Und der Ptolemäische Kanon
lässt auch wirklich nichts zu wünschen übrig. Der vom Ver-
fasser zu sehr betonte Uebelstand mit den ephemeren Re-
gierungen war doch nur secundärer Natur und leicht zu
heben y wenn, was ja selbstverständlich ist, im Archiv aus-
führlichere Königslisten vorlagen, in denen die Yertheilung
der Jahre anter die verschiedenen Könige nach Monaten und
Tagen angegeben war. Eine dritte Berechnungs weise ist die
von den meisten Chronographen, auch von den Epitomatoren
des Manetho befolgte, die überschüssigen Monate und Tage,
447je nachdem sie mehr oder weniger als die Hälfte des Jahres
betrugen, einem Jahre gleichzusetzen oder ganz wegzulassen.
Dieses Verfahren ist nur bei Königslisten, welche die ab-
soluten Zahlen ohne Rücksicht auf das Kalenderjahr geben,
anwendbar und erfordert auch da noch grosse Vorsicht und
Genauigkeit; von ungeschickten Händen auf antedatirende,
der Ueberschüsse noch nicht entledigte Listen übertragen,
richtet es nur Verwirrung an. Es kann in vielen Fällen
mit dem, was der Verfasser Postdatirung nennt, zusammen-
fallen: eine wirkliche Postdatirung hat nie ezistirt.
Niebuhr der Vater scheint durch die Beschäftigung mit den
Listen der Diadochenkönige bei Porphyrios sich seine Theorie
von der Postdatirung gebildet zu haben; allein die Zeit-
angaben des Porphyrios sind von ihm und Anderen merk-
würdig überschätzt worden, ein chronologisches Princip ist
unmöglich' in ihnen nachzuweisen, nur nachlässige Anwendung
der chronographischen Datirungsweise : seine Daten nach
Olympiadenjahren schlagen den nach der Seleukidenaera
datirten Münzen, dem Kanon des Ptolemäos, den Angaben
des Polybios und des ersten Makkabäerbuches so ununter-
brochen ins Gesicht, dass man den auch jetzt noch z. B.
NIEßUHE, GESCHICHTE ASSÜRS UND BABELS SEIT PHUL. 149
Yon Karl Müller wiederholten Versuch, die Chronologie jener
Reiche daxanf zu basiren, nur aus dem Gewicht der von
Scaliger und Niebuhr abgegebenen günstigen Voten erklären
kann: die Fehlerweite beträgt nicht etwa bloss ein, sondern
zwei, ja drei Jahre, bald nach oben, bald nach unten. Wir
sehen hier wieder einmal recht^ wie misslich es ist, a priori
Theorien aufzustellen, die für den einzelnen Fall massgebend
sein sollen: der Verfasser hat sich gewiss bestrebt, dabei
objectiv zu verfahren, und doch können wir ihm den Vor-
warf einseitiger Betrachtung nicht ersparen. Was er an
erster Stelle über den angeblich allgemeinen Gebrauch der
Postdatirung im Orient sagt, ist mir ganz unbegreiflich: ich
habe mich gerade mit den Eönigslisten des Orients (nicht
bloss des vorislamischen) dauernd beschäftigt, aber nie die
leiseste Spur davon entdeckt, im Gegentheil kann ich den
umfassendsten, vielleicht sogar allgemeinen Gebrauch der
Antedatirung gerade in der classischen Zeit im Orient nach-
weisen. Die alezandrinischen Eaisermünzen sind bekannt
genug; man vergisst aber, dass die kappadokischen genau
ebenso rechnen, nur dass bei ihnen nicht der erste Thoth,
sondern der erste Artania bestimmend ist: ohne Zweifel
rechneten schon die kappadokischen Eonige so und, da der
kappadokische Ealender den Persem entlehnt ist, doch wohl
auch wenigstens die späteren Achämeniden. Von den Sasa-
niden hat es St. Martin in seinem letzten und reifsten Werke,
der Bearbeitung von Lebeaus Histoire du bas-empire, er-
wiesen und gezeigt, daäs die in den ältesten Quellen ange-
gebenen überschüssigen Monate und Tage bei den Regierungs-
zahlen nicht etwa die Differenz zwischen Erönungstag und
Todeiltag, sondern die Zeit bezeichnen, welche vom Neujahr
des Kalenderjahres, in welchem der Eönig starb, bis zum
Todestage verflossen ist: dass folglich in der Zeitreihe alle
überschüssigen Monate und Tage unberücksichtigt bleiben
müssen. So lange man das wusste, war die Zeitrechnung
von preiswürdiger Exactheit und dem oben berührten Uebel-448
stände, die ephemeren Regierungen betreffend, war auf die
einfachste Weise von der Welt abgeholfen. Gerieth aber das
150 EECENSIONEN UND ANZEIGEN.
Verständniss dieser so praktischen Methode in Vergessenheit,
60 war freilich der ärgsten Verwirrung Thür und Thor ge-
öffnet: die orientalischen Bearbeiter der Sasanidenzeit haben
es accurat so gemacht wie Eusebios und andere christliche
Chronographen. Dasselbe antedatirende Princip habe ich
ferner in den Angaben des Josephos über die Regierungs-
jahre der Hasmonäer und Herodianer entdeckt und muss
ihn wenigstens für diese Periode von dem so oft erhobenen
Vorwurf chronologischer Unzuverlässigkeit völlig freisprechen :
als erstes Jahr jedes Fürsten ist das mit dem ersten Nisan
beginnende Kalenderjahr gerechnet, im Laufe dessen er die
Regierung antrat; das letzte unvollendete Jahr ist immer
mitgerechnet, also in der Zeitreihe abzuziehen; wo er Monate
angiebt, wie bei den Regiemugen des Aristobulos IL und
des Antigonos in der Hohenpriesterliste, drücken diese die
Zeit aus, die sie vom letzten unvollendeten Jahre wirklich
regiert haben. Ebenso wie die Juden haben femer auch die
Syrer antedatirt, wie die antiochenischen Münzen lehren.
Die Antedatirung ist aber überhaupt nichts weniger als
etwas den orientalischen Reichen Eigenthümliches: die römi-
schen Kaiser rechnen von Antoninus Pius an die Jahre der
tribunicia potestas antedatirend, nur dass hier das Neujahr
am ersten Januar massgebend ist; und Eckhel, der dies zu-
erst nachgewiesen hat, erinnert D. N. V. VIII p. 448 passend
daran, dass die römischen Kaiser deutscher Nation in der
Zählung ihrer Jahre genau ebenso verfahren sind, von Karl
dem Grossen bis auf Lothar IL Jene andere Rechnung,
welche die Regierungsjahre vom Tage der Thronbesteigung
an zählt und somit vom Kalenderjahre vollkommen, losreisst,
findet sich bei den Kaisern vor Antoninus Pius und; soviel
mir bekannt ist, bei sämmtlichen mohammedanischen Dy-
nastien; eine dritte darf bis auf Weiteres geleugnet werden.
Wir können also alle Schlüsse, die der Verfasser auf die
vermeintliche Postdatirung gebaut hat, bei Seite lassen, vor
Allem die wunderliche Vermuthung, dass uns durch Um-
schreibung der ursprünglich postdatirenden Königsliste des
Kanons nach antedatirendem Princip ein Jahr des Kambyses,
NIEBUHR, GESCHICHTE ASSÜRS UND BABELS SEIT PflüL. 151
mit Aristophanes zu sprechen^ ans der Weltgeschichte heraus-
genagt worden sei. — Ein anderer sehr bedenklicher Satz
des Verfassers ist der^ dass es bei den Zahlen der Chrono-
graphen nicht auf die absoluten Data, sondern nur auf die
Distanzen ankomme; er kommt öfters darauf zurück (vgl.
namentlich S. 361 Anm.), macht indess, ausser in einem
einzigen Falle , keinen ungemessenen Gebrauch yon dieser
Theorie: es leuchtet ein, dass, wenn diese Geltung erlangte,
man aus allem alles machen konnte; denn welches Inter-
vall das massgebende sein soll, bleibt ja immer subjectivem
Ermessen anheimgestellt. Die Schwierigkeit der Berechnung
der Mederherrschaffc bei Herodot hat der Verfasser auf diesem
Wege zu heben gesucht, wie mir scheint, sehr ungläcklicb.
Er kehrt nämlich zu der alten irrigen Erklärung von xagl^
rj oöov zurück und addirt die 28 Jahre der Skythenherrschaft
zu den 128 der Meder; die 53 Jahre des De'iokes, den er449
wie sein Vater für eine mythische Person hält, erklärt er
8. 70 f&r das Ergebniss einer Subtraction der 97 Jahre der
drei letzten Mederkönige von der runden Summe 150 (statt
der genaueren 156). Grammatisch ist die Sache durch
J. Brandis ins Reine gebracht worden, sachlich wenigstens
insoweit, als er nachgewiesen hat, dass die 128 Jahre der
medischen Hegemonie von Phraortes an zu rechnen sind
(Rerum Assyriarum tempora emendata S. 6ff.); der Ruhm der
richtigen Einsicht in Bezug auf den Sitz des Fehlers gebührt
C. G. Zumpt (Annales S. 6): die Regierungsjahre des Deiokes
und Phraortes sind vertauscht worden: 35 Jahre des Astyages
+ 40 des Kyaxares + 53 des Deiokes = 128, statt 35 -f 40
+ 22 des Phraortes = 97. Diese Lösung ist wohl nur des-
wegen ganz unbeachtet geblieben, weil Zumpt aus ihr die
falsche Oonsequenz zog, die Jahre des Deiokes und des
Phraortes müssten im Texte Herodots umgestellt werden;
es ist vielmehr an der Stelle I, 130 ein Versehen des
Geschichtsschreibers anzunehmen.*) — Von einzelnen Zeit-
bestimmungen, gegen die sich begründete Einwendungen
*) [Vgl- «Nene Beiträge zur Geschichte des alten Orients"
S. 87 f. F. R.]
152 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
erheben lassen , heben wir nur zwei hervor. Der Verfasser
setzt nach alter Weise die Sonnenfinsterniss des Thaies
610 Y. Ch. Zech hatte bekanntlich zu zeigen gesucht, dass
die des Jahres 610 am Orte des Schlachtfeldes gar nicht
total gewesen sei, sondern dass nur die des Jahres 585
gemeint sein könne, f&r die auch das einzige ein bestimmtes
Jahr nennende Zeugniss des Alterthums, das des Plinius,
spricht. Später wies indess Hansen, auf eine Vervollkomm-
nuDg der astronomischen Kenntnisse fussend, nach, dass bei
dem Mangel einer genaueren Bestimmung der Localitat des
Schlachtfeldes die Sonnenfinsterniss des Jahres 610 zuge-
lassen werden könne. Obgleich die Frage hiemach eine
noch offene ist, so hat man doch, wie es immer zu geschehen
pflegt, wo es sich um eine in die Schulbücher und damit
so zu sagen in Fleisch und Blut übergegangene Angabe
handelt, mit beiden Händen die Gelegenheit ergriffen, das
aufgezwungene Datum 585 damit als beseitigt zu betrachten
und zur alten Lieblingsmeinung zurückzueilen, ohne sich zu
fragen, ob denn Herodots Erzählung auch wirklich das
Datum 610 so absolut yerlange. Diese ist in der That mit
dem einen so unvereinbar wie mit dem andern, sondern ver-
trägt sich streng genommen nur mit der Finsterniss des
Jahres 597, die aber aus astronomischen Gründen unzulässig
ist: 1) Herodot setzt die Vertreibung der Skythen durch
Eyaxares in das Jahr 607; eine Horde derselben tritt in
die Dienste des Siegers, flieht aber wegen eines Verbrechens
auf lydisches Gebiet: der ihr gewährte Schutz führt zu einem
fünfjährigen Kriege mit Alyattes, der im sechsten Jahre
durch die Sonnenfinsterniss beendigt wird, also 602 oder
601 frühestens; 2) sieht man von der nicht unbedenklichen
Chronologie der Skythenherrschaft ganz ab, so bleibt doch
das Datum der Einnahme von Ninive 607 stehen: nach der
hierin ganz unverdächtigen Angabe des Etesias und anderen
Indicien beherrschten die Assyrer Eappadokien bis zur Zer-
störung von Ninive; vorher grenzten Meder und Lyder gar
nicht aneinander, zu einem kriegerischen Zusammenstosse war
450also kein Anlass; 3) den Frieden vermittelt der Vater des
NIEBUHR, GESCHICHTE ASSUBS UND BABELS SEIT PHUL. 153
Labynetos und Gemahl der Nitokris; Herodot giebt ihm
zwar den falschen Nambn Labynetos I.; es unterliegt aber
keinem Zweifel, dass Nebukadnezar, der Gemahl der Amyite,
gemeint ist, der erst 605 den Thron bestieg. Auf ein viertes
Argument will ich weniger Gewicht legen , auf die Yerbin-
dungy in welche Thaies mit dem Ereignisse gebracht wird.
Thaies gehört zu den wenigen griechischen Philosophen, über
deren Lebensalter keine nennenswerthen Abweichungen vor-
kommen: es herrscht Uebereinstimmung darin, dass er 547
in einem Alter von 91 Jahren (daneben findet sich die An-
gabe von 78 Jahren) gestorben ist. Er wäre also, auch
nach dem höchsten Ansätze des ApoUodor, der ihn 640 v. Gh.
geboren sein liess, zur Zeit als er die Sonnenfinsteruiss im
Voraus ankündigte, ein junger Mann von 29 Jahren gewesen,
was unglaublich ist, ganz abgesehen von dem Zeugniss des
Themistios, dass er dies in seinem Alter that. In diesem
Falle muss man also mit Grote die ganze Erzählung für ein
Märchen erklären. Was aber die drei anderen Punkte be-
trifft, so frage ich jeden, was kritischer ist: eine Ver-
wechselung des Eyaxares und Astyages bei Herodot anzu-
nehmen und an dem aus dem Alterthum überlieferten Datum
585 festzuhalten, oder sich eine Kette von Widersprüchen
bei Herodot gefallen zu lassen und diese durch eine Kette
schlechter Hypothesen zu heben? Durch die Entdeckung
der Sculpturen von Boghasköi ist der Ort des Schlachtfeldes
ermittelt; es wäre dringend zu wünschen, dass ein Astronom
auf Grund unseres verbesserten geographischen und astro-
nomischen Wissens die Frage einer Revision unterzöge und
endlich zu einer definitiven Erledigung brächte.*) — Der
zweite Einwurf betrifft die Beibehaltung der 55 Jahre des
Manasse. Die Sache ist jetzt durch eine Inschrift und die
stärksten Beweise aller Art so gänzlich abgethan, dass es
nicht nöthig ist, darauf zurückzukommen; der Verfasser selbst
hat sich dem Gewicht der gegen die 55 Jahre entscheidenden
Gründe nicht zu entziehen vermocht und giebt S. 458 ff. die
Aenderungen an^ denen, wenn die Gegner Recht haben
*) [Vgl Bd. I S. 808. F. E.]
154 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
sollten, seine Zeittafel unterliegen würde. Doch betrachtet
er dies als eine verzweifelte Lage der Dinge und meint
S. 459: „aber die Coincidenz der Nachrichten des alten
Testaments über Marudachpaldan ^ sowie derjenigen des
Berossos über Sancheribs Eroberung Babels , Belib u. s. w.
mit dem Kanon aufzugeben, dagegen sträubt sich jede Fiber/'
Die Schwierigkeiten beruhen in der That nur in der Ein-
bildung des Verfassers, ich verweise deshalb auf meine Bei-
träge S. 115, wo ich gezeigt zu haben hoffe, in wie treff-
licher Harmonie sich alle Zeugnisse mit der berichtigten
Synchronistik befinden. Das einzige, was aufgegeben werden
muss, ist die Identificirung des "Ekißoq und Bi^Xißog, die an
sich schon misslich genug ist*); sind aber die Aushülfen, zu
denen die alte Chronologie zwang, die Verdoppelung des
Merodach-Baladan, die Identificirung des ersten Eroberers
Phul mit dem letzten Könige der älteren assyrischen Dy-
nastie, unter dem das Reich zerbröckelte, etwa keine Schwierig-
keiten? Wie schwer es doch sein muss, sich von eingerosteten
Vorurtheilen loszumachen, wenn selbst ein sonst so unbe-
46ifangener Forscher wie der Verfasser die dringend gebotene
Verbesserung nicht zu der seinigen zu machen gewagt hat!
Den Ruhm grosser Vorsicht hat er aber, wie man sieht,
auch hier nicht verleugnet; die Wahrheit zu finden, ist ihm
immer höchster Zweck, dem er persönliche Wünsche auch
dann aufopfert, wenn es mehr als blosse Grillen sind.
Die eigentliche Geschichtserzählung (S. 133 ff.) macht aus
diesem Grunde einen sehr vortheilhaften Eindruck. Niemand
ist entfernter davon als der Verfasser, sogenannten ;, An-
schauungen'^ zu Liebe gut bezeugte Nachrichten über Bord
zu werfen: eine Enthaltsamkeit, die um so grösseres Lob
verdient, je seltener sie bei Forschem gerade auf diesem
Gebiete anzutreffen ist. Mitunter ist der Verfasser vielleicht
etwas zu ängstlich, so z. B. wenn er aus den Worten Hero*
dots, die Meder hätten sich zuerst unter allen Völkern gegen
die Assyrer empört, den Schluss zieht, es müsse dies vor
Nabonassar geschehen sein: aus dem Zusammenhange der
*) [Vgl. unten S. 167. F. R.]
NIEBUHE, GESCHICHTE ASSÜRS UND BABELS SEIT PHÜL. 155
Herodotischen Chronologie ergiebt sich das Datum 736^ und
die üngenauigkeit erklärt sich daraus, dass Babylonien nach
kurzer Unabhängigkeit Yon Sargon wieder unterworfen wurde^
ferner aus dem Verschwimmen der Namen Assyrien und Ba-
bylonien bei Herodot; endlich daraus, dass er an jener Stelle
hauptsächlich Lydien im Auge haben mochte, das erst 717
frei ward.*) Ein weiterer Vorzug der Darstellung des Ver-
fassers ist der sichere Blick, den er überall an den Tag legt,
und das seltene Talent, oft mit einem treffenden Worte
verwickelte Verhältnisse klar zu machen; ich berufe mich
beispielsweise auf die S. 122 gegebene Definition der 28 jäh-
rigen Skythenherrschaft als des Ruhens des medischen Prin-
cipats über Oberasien. Störend ist die Beibehaltung der
wenig gegründeten Hypothese Niebuhrs des Vaters , dass
Deiokes und Astyages Dynastienamen sein sollen. Allein
^riXoxriQ ist, wie Lassen, Ind. Alterth. I S. 517 [S. 619 der
2. Aufl.] bemerkt, ein altpersisches Däj'aka**)] in Aöxvayifiq
haben die Armenier den aus Persien in ihre einheimischen
Sagen übergegangenen Afdähak wiedererkannt und demgemäas
übersetzt, ob mit Recht, ist sehr die Frage: sie haben auch in
^j^^a^BQ^fig {Artakhsathra) den einheimischen Königsnamen
Artashes wiedererkannt und zwar sicher falsch, da dieser von
den Griechen durch ^Agta^laq wiedergegeben wird, also früher
Artakhsaya gelautet haben muss. Doch gesetzt selbst jene
Gleichsetzung mit Agi Dahäka wäre richtig, so ist doch
weder der unpersönliche Charakter des Namens noch seine
Identität mit Däjaka erwiesen.^) Was Niebuhr den Vater
auf die Vermuthung brachte, war der Umstand, dass einmal
in der armenischen Uebersetzung der Berossischen Auszüge
*} [^g^- »»Neue Beiträge zur Geschichte des alten Orients"
S. 89 f. F. R.]
**) [Vgl- »Neue Beiträge zur Geschichte des alten Orients**
S. 87. 95 £F. F. R.]
1) Noch viel weniger darf der Arphaxad des Buches Judith in
einen etymologischen Zusammenhang mit Äjfdahak gebracht und daraus
ein neuer Beweis für den unpersönlichen Charakter des Namens her-
genommen werden (dies thut der Verfasser 8. 82): Arphaxad ist gewiss
blosse Verdrehung von Arbakes mit Bezugnahme auf Gen. 10, 22,
156
RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
des Easebios Afdähak steht^ wo Ejftxares gemeint sein muss.
Aber diese Schwierigkeit lässt sich durch Aendemng eines
einzigen Buchstaben heben: im Original war *A6tvaYriq yer-
4628chrieben für ^ActvagriSy eine Form^ die zwischen der Ete-
sianischen ^A^tißaQuig und der hebräischen ^AcvtjQog (im Buche
Tobit) die Mitte hält und dem ursprünglichen Uvakhsatara
etwa ebenso nahe kommt wie Kva^äifrig. — Wohl das Wich-
tigste in der eigentlichen Geschichtserzählung ist die An-
nahme einer medischen Oberherrschaft über Babylon und
die dadurch yeränderte Gesammtanschauung der Greschichte
dieser Zeiten. Es ist dies keine blosse Hypothese^ sondern
sie stützt sich auf positive Zeugnisse , die man nur bisher
unterschätzt hat. Eines freilich kann ich nicht anerkennen,
die Gleichsetzung des Darius Medus mit dem Astyages, und
zwar wegen Herodots Zeitrechnung. Der wahre Schlüssel zu
dieser besteht in der ErkenntnisS; dass Herodot die Jahre
Yom Frühlingsanfang rechnet und dass Dareios, des Hystaspes
Sohn, in dem Jahre starb, welches mit dem Frühjahr 486
y. Ch. beginnt. Weiss man dies, so kann man durch eine
Vergleichung mit dem Kanon und einigen anderen Zeit-
bestimmungen die Zeitrechnung der ersten Perserkönige in
einer Weise herstellen, die an Präcision nichts zu wünschen
übrig lässt und jeder gut bezeugten Angabe Gerechtigkeit
widerfahren lässt Dass drei Eonige hintereinander im ersten
Viertel des Jahres den Thron besteigen, konnte befremden;
allein für Dareios I. ist es durch inschriftliche Gewähr, für
Eambyses durch die Angabe seiner Begierung nach Jahren
und Monaten, für Xerxes durch die griechische Synchronistik
beglaubigt.
Kanon:
Herodot :
Eyros
29 Jahre.
Erstes Jahr
26. M&rs 659—
26. März 658.
andere Zeugnisse:
Eyros 80 Jahre (nach
Etesiaa und Deinon).
Erstes Jahr Ol. 66, 1
» 21. Juli 660 — tO.
Juli 669 (nach den
Chronographen).
waJirer Be-
gierungs-
anfang:
Eurns zwi-
schen 26. März
659Qndl0.Jali
669.
NIEBüHR; GESCHICHTE ASSURS UND BABELS SEIT PHÜL. 157
Kanon:
EambjseB
8 Jahre.
Erstes Jahr
8. Janaar 629
— 1. Janaar
528.
Dareios I.
86 Jahre.
Erstes Jahr
1. Janaar 521
— 81. Decem-
ber 521.
Xerxes I.
Erstes Jahr
23. December
486 — 21.De-
cember 485.
Herodot:
Kambyses and
der Magier
8 Jahre.
Erstes Jahr
26. M&rz 580—
25. M&rz 529.
Dareios I.
86 Jahre.
Erstes Jahr
26. M&rz 522—
25. M&rz 521.
Xerxes I.
Erstes Jahr
26. M&rz 486—
25. März 485.
andere Zeugnisse:
Kambyses 7 Jahre
. 5 Monate
(nach Herodot).
Der Magier König
am IX. Garmapada (d.i.
Zeit der Hitze), nach
der Inschrift von Be-
histan, regierte
7 Monate 1 Tag.
Dareios I. König am
X. B&gay&dis (Inschrift
YOn Behistan).
wahrer Be-
gierongs-
anfang:
K a ib b n j'i y a
im März 529.
Bardiya etwa
am 7. Aagast
522.
Dftrayayas
etwa am
5. M&rz 521.
Khsay&rs&
zwischen
28. December
486 and
25. März 485.
Wenn hiernach Astyages schon im zweiten Viertel des Jahres453
569 gestürzt wurde, so kann er nicht, wie der Verfasser an-
nimmt, als Suzerän des Neriglissar ein Jahr regiert haben,
da dieser nach dem Kanon selbst erst in dem Jahre
10. Januar 559 — 9. Januar 558 den Thron bestieg. Zum
Ersatz glaube ich einen anderen Grund für die Anerkennung
der medischen Oberherrlichkeit in Babylon geltend machen
ZQ können. Der erste Abschnitt des Eonigskanon tragt die
Deberschrift ^A^CvqCqjv xal Miqdmv ßaöiXstg. Diese hat man
für thöricht erklärt, der Verfasser sieht in ihr die von einem
Juden dem Buche Daniel zu Liebe gemachte Interpolation;
allein dann müsste es nothwendig nicht ^ACövQimv, sondern
XaXdaiayv heissen; auch findet sich sonst zum Glück keine
Spur von Interpolation der kostbaren Urkunde. Die Ver-
gleichnng mit Berossos lehrt, dass in jenem ersten Abschnitte
zwei Dynastien zusammengefasst sind, die der assyrischen
Könige und Vicekönige und das Haus Nabopalassars. Nichts
158 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
ist also natürlicher als anzunehmen^ dass ^AiSöVQitDv ßaöiletg
die erste Kategorie, Mi^dmv ßaötkstg die yon den Medern
abhängigen Könige yon Nabopalassar an bezeichnet. — Ein
anderer Punkt; den der Verfasser ins Reine gebracht hat,
ist der Djnastiewechsel unter Sargon. Nur hätte er sich
dafür nicht auf die Stelle des Aelian über die alten baby-
lonischen Könige Seuechoros (nicht Sakchoras) und Gilgamos
(nicht Tilgamos) berufen sollen; ich habe früher in diesen
Jahrbüchern (1856 S. 412 [oben S. 126J) nachgewiesen, dass
ersterer mit dem mythischen Könige Ev'^xoiog bei Berossos
identisch ist und bemerke nachträglich, dass die Yaticanische
Handschrift Evi^xoQog hat. Ebensowenig darf die Erzählung
des Alexander Polyhistor von BeXsovg und BsXrjraQag hier
eingemischt werden.
Unter den Beilagen und Erläuterungen (S. 235 — 507)
findet sich ein sehr ausführlicher Abschnitt über die Wieder-
herstellung der Königsliste des Ktesias und ihre Vergleichung
mit authentischeren Nachrichten über die Geschichte As-
Syriens. Allein man kann nicht sagen, dass der Verfasser
die Untersuchung viel weiter gebracht hat als z. B. Brandis;
seine Gonstruction der Liste ist viel zu künstlich^ auch ist
er in den so häufigen Fehler verfallen, bei der Berichtigung
der Yon den Chronographen gemachten Interpolationen Dinge
in das Verzeichniss hineinzutragen, von denen man im Voraus
gar nicht wissen kann, ob sie je darin gestanden haben,
z. B. den Dynastiewechsel unter Sargon. Auf diesem Wege
bleibt die Wiederherstellung natürlich für die Geschichte
unfruchtbar; ich möchte behaupten, dass unser Material
völlig zu einer sicheren Herstellung der Ktesianischen Liste
ausreicht, ohne dass man nöthig hat, dabei Quellen zu be-
fragen, die nicht auf Ktesias zurückgehen, sowie dass eine
rein philologische, von allen Berührungspunkten mit Beros-
sischen Nachrichten abstrahirende Reconstruction reichlich
lohnt und auch für die echte Geschichte Ausbeute bietet.
Die folgenden Untersuchungen über die Chronographen zeugen
von ausserordentlicher Belesenheit nnd einer dadurch ge-
wonnenen grossen Sicherheit in Handhabung der Kritik auf
NIEBÜHB, GESCHICHTE ASSüRS UND BABELS SEIT PHUL. 159
diesem schwierigen Gebiete; Referent macht auf sie besonders
aufmerksam^ weil sie sich oft auf Nachbargebiete er8trecken454
und von keinem^ der sich mit Chronologie beschäftigt, un-
beachtet gelassen werden dürfen. Sehr glücklich ist der
Verfasser nameutlich in seiner Beurtheilung der Zahlen des
Josephos; wo er fehl geht, wie z. B. in dem^ was er S. 353 ff.
über die Angaben der hellenistischen Judei) Demetrios und
Eupolemos sagt, ist das meistens die Folge zu grosser Spitz-
findigkeit. Eine Bemerkung, die Anfangs jeden bedenklich
machen wird, deren Richtigkeit sich mir aber bei näherem
Zusehen bestätigte, ist die, dass Annius von Yiterbo einen
uns jetzt yerlorenen Chronographen nach der Art des Mai-
schen xgovoyQatpetov 6vvto(iov benutzt hat (S. 291. 343).
Sicher ist, dass er Quellen benutzte, die zu seiner Zeit noch
ungedruckt waren, nämlich die Osterchronik und höcht wahr-
scheinlich das xQOV(yyQag)Stov 6vvto[AOv selbst; da die Hand-
schriften beider Werke im Vatican sind, so wird es wohl
auch die dritte Quelle sein: man konnte an den noch un-
gedrackten Barberinischen Chronographen denken. Einen
praktischen Gebrauch wird man freilich von der Entdeckung
nicht machen dürfen.
Sehr bedeutend sind die geographischen und ethnogra-
phischen Untersuchungen (S. 378 — 429). Eine besondere
Aufmerksamkeit ist in denselben den Ueberresten der Ur-
bevölkerung in dem später von den Iraniern besetzten
Gebiete gewidmet; der Verfasser neigt zu der Annahme
einer turauischen Bevölkerung in dem ganzen Lande zwi-
schen Euphrat und Indus als Vorgängerin der Iranier und
bereut es fast, diese Ueberzeugung nicht geradezu der ganzen
Untersuchung zu Grunde gelegt zu haben (S. IV): wir können
es aber nur billigen, dass er von seiner bewährten Vorsicht
auch hier nicht abgegangen ist. Das Bedenklichste sind hier
die Etymologien, die bei Eigennamen, geographischen Namen
u. s. w. wohlfeiler, aber auch unsicherer sind, als auf irgend
einem anderen Gebiete. Die Zusammenbriugung von Casdim
und Cäka, von Varena und Mäda sind noch nicht die grössten
Unmöglichkeiten, die der Verfasser (S. 153. 411) für möglich
160 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
hält. Bei der Bestimmung des Umfanges des assyrischen
Reiches ist von den Nachrichten des Etesias gar kein Ge-
brauch gemacht worden ^ wie mir scheint, sehr zum Nach-
theil der Sache, indem jene Nachrichten ganz unverfänglich
und innerlich wahrscheinlich sind. Es ist der Mühe werth,
hierauf näher einzugehen. Noch Niemand hat bemerkt, dass
die Eroberungen der Semiramis eine einfache Verdoppelung
derer des Ninos sind und genau dieselbe Folge einhalten, nur
anders gewendet sind, um neben jenen bestehen zu können.
Da die Folge durchaus nicht eine rein geographische ist, so
kann die Uebereinstimmung nicht zufällig sein.
Ninos erobert im Bunde mit Semiramis erbaut Babylon
dem Araberkonig Babylonien. und viele andere Städte in
Babylonien.
Ninos wird durch Vertrag (nicht erwähnt)
Oberherr von Armenien.
Ninos erobert Medien. Semiramis durchziehtMedien
und erbaut die Burgen Mediens.
Ninos erobert ganz Asien Semiramis durchzieht Persis
466bis an den Nil und Tanais, und ganz Asien, überall die
im Osten bis an die Grenze Semiramiswerke errichtend.
von Baktrien.
Semiramis durchzieht Ae-
gypten.
(tenlt; Semiramis erobert Libyen
und Aethiopien.
Ninos entlässt den Araber- (wahrscheinlich der Concor-
könig und erbaut Ninive. danz halber weggelassen)
Ninos zieht gegen Baktra, Semiramis zieht nach Baktra
wird zuerst geschlagen, kehrt und rüstet daselbst bis ins
aber wieder um und erobert dritte Jahr zum Kriege gegen
erst das flache Land, dann die Inder,
nach langer Belagerung mit
Hülfe der Semiramis Baktra
selbst.
NJEBÜHR, GESCHICHTE ASSÜRS UND BABELS SEIT PHÜL. 161
Semiramis macht einen Ein-
(Indien wird von den Er- fall in Indien, der mit der
oberungen des Ninos aus- vollständigen Niederlage ihres
drücklieh ausgenommen) Heeres und der Flucht nach
Baktra endigt.
Wir können hier deutlich drei Schichten von Eroberungen
unterscheiden: 1) die von Babjlonien, Armenien und Medien;
2) die Herrschaft über Asien bis an den Nil, den Tanais und
Baktrien; 3) die Unterwerfung von Baktrien und den un-
glücklichen Zug nach Indien. Die dritte Phase geht allein
unter dem Namen der Semiramis (denn sie erobert Baktra
für Ninos), ist also schon dadurch als eine spätere bezeichnet.
In der ersten Phase sind die Araber unabhängige Bundes-
genossen auf dem Eroberungszuge der Assyrer: die Sage
findet sie mit Ehrengeschenken von der Beute ab; es ist
aber ganz deutlich eine Erinnerung an die arabische Herr-
schaft über Babylonien vor der assyrischen: Babylon haben
die Araber nicht für die Assyrer, sondern für sich selbst
erobert. Wir gewinnen dadurch das wichtige Factum einer
Verbindung beider Völker und einer gleichzeitigen Erhebung
derselben gegen die ältere semitische Bevölkerung Baby-
loniens: mit Erlangung der Herrschaft über Asien wird der
Araberkönig entlassen, d. h. verdrängt. Eine sehr alte fried-
liche Verbindung Assyriens mit Armenien scheint ganz glaub-
haft: die Armenier haben ihre Keilschrift der assyrischen
nachgebildet, wie man aus Inschriften sieht, die gewiss weit
älter als das siebente Jahrhundert sind; ebensowenig möchte
gegen eine schon zur Zeit der Araberherrschaft erfolgte Aus-
dehnung der Assyrer nach Medien hin einzuwenden sein.
Was die zweite Phase anlangt, so versteht es sich von
selbst, dass die Grenzen der Eroberungen des Ninos, wie
sie Etesias giebt, nur die weiteste Ausdehnung bezeichnen,
die das Assyrerreich zu verschiedenen Zeiten gehabt hat: in
diesem Sinne gefassl^ lässt aich aber noch jetzt die strengste
Wahrhaftigkeit des Berichtes darthun. Die Ostgrenze ist
weit weniger vorgeschoben als zur Zeit der Achämeniden,
enthält nicht einmal Arachosien, nur das Land der Drangen,
Y. OuTscHMio, Kleine Schriften IT. 11
162 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
und erst zuletzt Baktrien^ so dass sie schon aus diesem
4566runde für authentiseli gelten muss. Die bedenklichsten
Punkte sind die Tanaisgrenze und die Nilgrenze; aber gerade
hier geben einerseits die bosporanischen Inschriften, welche
eine Verehrung der assyrischen Gotter Nergal und Astarte,
noch in sehr später Zeit bezeugen, anderseits eine Stelle des
Abydenos, nach welcher Assarhaddon Aegypten eroberte, die
sicherste Gewähr für die Glaubwürdigkeit des Etesias. Eine
dauernde Behauptung aller dieser Eroberungen liegt gar
nicht in seinen Aussagen implicirt. Ich mochte sogar noch
weiter gehen und, diese mittelste Phase mit Herodots assy-
rischer Hegemonie von 1256 — 736 völlig identificirend, eine
frühere feindliche Berührung der Assyrer mit Aegypten an-
nehmen: eine Anerkennung der assyrischen Oberhoheit durch
einen Pharao (mehr wird auch die Eroberung Assarhaddons
nicht gewesen sein) scheint mir um die Ausgänge der
zwanzigsten Dynastie durchaus nicht zu den Unmöglich-
keiten zu gehören: ist doch die notorische Ohnmacht ihrer
letzten Herrscher von Bunsen gewiss mit Recht einer
Schwächung durch die Eroberungen der Assyrer zuge-
schrieben worden. Auch die in dem zweiten Berichte hin-
zugefügte nähere Bestimmung, die Assyrer hätten ihren
Eroberungslauf mit Persis (wohl das alte Reich Elam) be^
gönnen, mit Aegypten beendigt, ist sachgemäss. Was die
dritte Periode betriflFt, die Kriege der Semiramis, so be-
schränken sich diese streng genommen auf die Eroberung
von Baktrien und den misslungenen Zug nach Indien; beide
sind durch die Abbildungen eines Obelisken bestätigt, den
man in das neunte Jahrhundert setzt. Soviel sieht man
hieraus, dass sie nicht der älteren Zeit angehören; die Yer-
gleichung mit Herodot, der die Semiramis offenbar zur
Repräsentantin der Dynastie Phruls und seiner Nachfolger
macht, würde allerdings eine Gleichsetzung dieser dritten
Phase mit der Zeit von 736 — 656 sehr empfehlen, voraus-
gesetzt, dass es erlaubt wäre, das Zeitalter des Obelisken um
ein Jahrhundert herunterzurücken. Die Eroberung Aethio»
piens durch Semiramis lässt sich durch die Demüthigung
NIEBÜHB, GESCHICHTE ASSüES UND BABELS SEIT PHUL. 163
der äthiopischen Beherrscher Aegyptens durch Assarhaddon
rechtfertigen; doch steigen mir starke Bedenken auf^ ob
Diodor nicht an dieser Stelle Zusätze aus einer späteren
Quelle als Etesias gemacht hat. Zwar citirt er ihn für
eine Gewohnheit der makrobischen Aethiopen^ aber die
konnte ebenso gut bei Gelegenheit des Zuges des Eambyses
erwähnt worden sein; innere Gründe sprechen entschieden
gegen seine Autorschaft: 1) lässt Diodor die Semiramis eine
Wnnderquelle in Aethiopien besehen, die Etesias selbst nach
Indien verlegt; 2) befragt Semiramis das Orakel des Ammon
über ihr Ende: man begreift nicht , wie Etesias, auch wenn
er pessima fide handelte, auf so einen Einfall kommen
konnte, wohl aber, was sich ein ägyptischer Zeitgenosse
Alexanders, der den Etesias überarbeitete — drei Prädicate,
die auf den yielgelesenen Deinon passen — dabei denken
mochte. Ninyas, der Sohn der Semiramis, drückt deutlich
genug das weichliche Haremsleben der letzten Eönige von
Ninive aus, unter denen das Reich dem Untergange zu-
steuerte; er darf um so mehr als Repräsentant der letzten
Phase der Assyrerherrschaft etwa von 656—607 gelten, als
der Dichter Phönix und der Chronograph Eastor ihn oder,457
was auf dasselbe hinauskommt, einen Ninos IL geradezu
statt des Sardanapallos als letzten Eonig von Assyrien
nennen. Lost man diese drei, wenigstens so, wie sie bei
Etesias stehen, gewiss nicht persönlichen Namen von seiner *
Eonigsliste ganz ab, so erscheint seine Darstellung unter
einem so ganz neuen, günstigen Lichte, dass eine völlige
Ehrenrettung des Etesias auf diesem Gebiete erreichbar sein
dürfte. — Für die späteste Periode des assyrischen Reiches,
welche den eigentlichen Stoflf des Niebuhrschen Werkes
bildet, giebt es ein naheliegendes, soviel mir aber bekannt
ist, noch gar nicht benutztes Hülfsmittel der historischen
Geographie, nämlich den griechischen Sprachgebrauch. Dass
die Bezeichnung Uvgia für Aram lediglich aus ^A66vQCa ent-
standen und von den eigentlichen Assyrem auf ihre ünter-
thanen, die Aramäer, übertragen worden ist, ist bekannt.
Eeine andere Bewandtniss hat es mit dem Namen ^AöövQiot
11*
164 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
oder jievxoevQoi für die Bevölkerung der politischen Länder
zwischen Themiskyra und Sinope. Wir lernen daraus^ dass
zu der Zeit als die Griechen mit diesen Ländern bekannt
wurden^ was mit dem Pontos spätestens in der Mitte, mit
Syrien spätestens in den achtziger Jahren des siebenten Jahr-
hunderts geschah, die unmittelbare Herrschaft der Assyrer
sich über Syrien, Kappadokien und einen Theil von Paphla-
gonien erstreckte. Bekannt ist^ dass der Name Ai^Conag in
der epischen Poesie die vom Sonnenbrande geschwärzten
Bewohner des äussersten Südens bezeichnet^ die den Griechen
nur vom Hörensagen bekannt waren und die geographisch
nicht näher fixirt werden können. Unleugbar aber ist die
auffällige Thatsache, dass, wie man anfing die Aethiopen zu
localisiren, gerade die älteste Tradition sie nach Joppe setzt.
Dass das Local der Andromedasage nur der Lautähnlichkeit
von Al&ionCa und '/osri^ wegen gewählt sein sollte, ist un-
denkbar; es erklärt sich aber vollkommen, wenn zu der
Zeit, als die. Griechen an diese Küsten kamen, Philistäa zum
Euschitenreiche des Schabatok und Taharka gehorte. Wir
gewinnen. auf diese Art eine Südgrenze für das Assyrerreich
im Anfange des siebenten Jahrhunderts v. Ch.
Ein dem Werke ziemlich fremder Zusatz ist der Ab-
schnitt über die Thalassokratien S. 429 ff. Viel eher hätte
man Näherliegendes erwartet, z. B. eine eingehendere Unter-
suchung über die Rechnung Herodots. Der Verfasser ist
hier an der Klippe übergrossen Scharfsinnes gescheitert:
ohne Noth nimmt er zwei verschiedene Kecensionen an und
hat seine Theorie von den Intervallen mehr als räthlich war
ausgebeutet. Doch sein gesundes Urtheil hat er auch hier
bewährt, z. B. durch Beseitigung der von Bunsen statt der
Karer vorgeschlagenen Korinther, durch den hübschen Ge-
danken, dass die Seeherrschaft der Aegypter mit dem Könige
Osorchon in Verbindung zu setzen sei, „den die Aegypter
Herakles nannten^ und Anderes.
S. 458 ist eine chronologische Tabelle von 1 — 210 nach
Nabonassar gegeben. Der Verfasser rechnet nämlich nicht
nach Jahren vor Christus, sondern nach Nabonassar: warum,
NIEBÜHR, GESCHICHTE ASSURS UND BABELS SEIT PHüL. 165
ist nicht abzusehen , da sich gerade fQr diesen ZeitraiMn45S
Nabonassarische und Julianische Jahre fast ganz decken
und da ausser dem Kanon nicht ein einziges Datum nach
Nabonassarischer Aera erhalten ist. Wir sollten doch froh
sein, in der Rechnung nach Jahren vor Christus einen all-
gemein gültigen Massstab zu besitzen, auf welchen man alle
nach verschiedenen Aeren datirten Angaben reduciren kann.
Was man gegen sie einzuwenden pflegt, das Rückwärtsrechnen
mache einen verwirrenden Eindruck, ist in Wahrheit kindisch.
Es ist nicht zu leugnen, dass die Philologen mit ihrer Rech-
nung nach Jahren der Stadt das böse Beispiel dazu gegeben
haben. Wer sich an einer meisterhaften Persiflage dieser
heillosen Angewohnheit ergötzen will, der nehme die Richter-
sehen genealogischen Tabellen zur Hand, in denen er für
jeden Staat des Alterthums eine besondere Zeitrechnung
wiederhergestellt finden wird. — Noch eine andere Eigen-
heit des vorliegenden Werkes können wir unmöglich gut-
heissen, die Orthographie der Eigennamen. Der Verfasser
hat das Verkehrte der Sitte gefühlt, alle griechischen und
orientalischen Eigennamen erst durch das Lateinische hin-
durchgehen zu lassen, aber sich gescheut, im Deutschen die
griechische Form wiederzugeben, und ist so auf einen selt-
samen Mittelweg verfallen: er schreibt z. B. Dareius, Ejrus.
Eine sehr werthvoUe Beigabe sind die „Quellenauszüge''
(S. 469—507), nämlich eine neue üebersetzung der Frag-
mente des Berossos und Abydenos im armenischen £u-
sebios durch Herrn Professor Petermann, an welche
sich ausführliche, sachkundige Anmerkungen des Verfassers
knüpfen.
Fassen wir diese Betrachtungen in ein Endurtheil zu-
sammen, so müssen wir dem Verfasser gründliche Kenntniss
und kritische Benutzung der Quellen, Sicherheit des Blickes
in Beurtheilung der staatlichen Verhältnisse, vor Allem aber
grosse Vorsicht und eine nüchterne Gewissenhaftigkeit bei
Aufstellung von Hypothesen nachrühmen. Ein Mangel ist
mitunter der übergrosse Scharfsinn, der künstliche Lösungen
aufstellt wo einfache viel näher liegen, sowie ein gewisser
166 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
Hang zum Schematisiren. Das Einzige, was den Dilettanten
verrathen konnte, ist die Liebhaberei für etymologische Com-
binationen; sonst macht das Werk durchaus den Eindruck,
als habe sein Urheber sein Leben lang nichts als solche
Studien getrieben. Er selbst spricht von seinen Leistungen
mit grosser Bescheidenheit, indem er sie gewissermassen nur
als eine Ausführung der Brandisschen Schrift betrachtet
wissen will; wir aber müssen anerkennen, dass das Buch
unter den Geschichtswerken über den alten Orient einen
ehrenvollen Rang einnimmt und auch behaupten wird, end-
lich — und bei dem Sohne eines grossen Mannes drängt
sich diese Yergleichung unwillkürlich auf — dass es dem
Namen des Vaters nicht zur Unehre gereicht
3.*)
il56Lep8lu8, B., über den chronologischen Werth der as-
syrischen Eponymen und einige Berührungs-
punkte mit der ägyptischen Chronologie. (Aus
den Abhandlungen der k. Akad. d. Wiss.) Berlin 1869.
Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Commission. (44 S.
kl. 4«.) 15 Sgr.
Der Verfasser prüft in der vorliegenden Schrift die
Grundlage, welche für die assyrische Zeitrechnung in der
Eponymenliste gewonnen zu sein scheint ^ es unterliegt in
der That kaum einem Zweifel, dass in ihr wirklich ein
1167 Jahres verzeichniss vorliegt, dass die Striche derselben Be-
gierungswechsel bedeuten und dass sie sich auf den Zeit-
raum bezieht, in welchen sie die Assyriologen, mit nicht
gar zu erheblichen Differenzen unter einander, gesetzt haben.
Dieser Gewinn ist um so grosser, als er wenigstens zum
Theil von den gewaltigen Schwankungen, welche die Ent-
zifferung noch durchzumachen hat, nicht afficirt wird. Der
*) [Literarisches Centralblatt 1870 S. 1166—1158.]
LEPSIÜS, CHRONOLOG. WERTE DER ASSYR. EPONYMEN. 167
Verfasser giebt S. 36fif. eine sehr zweckmässige vergleichende
Uebersicht der Liste nach den Deutungen von George Smith
und Jules Oppert Er verwirft mit vollem Rechte des Letz-
teren Hypothese von einer Lücke, die sich in sämmtlichen
Exemplaren der Eponymenliste vor Tiglat-Pilesar vorfinden
soll, als einen Gewaltstreich, ersonnen zu dem Zwecke, die
Schwierigkeiten, welche die biblische Synchronistik bereitet,
in Bausch und Bogen zu heben, ohne dass doch dieser Zweck
auch nur annähernd erreicht würde. Des Verfassers Her-
stellung der assyrischen Chronologie, welche die Tafel S. 50
veranschaulicht, ist völlig überzeugend, und Referent will
ausdrücklich bemerken, dass er sich der Identität der Eonige
Elibos und Asordanios bei Berossos mit Belibos und Apara-
nadios im Ptolemäischen Kanon längst nicht mehr ver-
schliessi*) Nur das scheint ihm noch nicht so ausgemacht,
dass der Kanon in dieser Periode die Zählung der Regierungs-
jahre von dem Jahre nach der Throubesteigung beginnen
soll, wie der Verfasser S. 47 aus Inschriften folgern zu
müssen glaubt. Dass der Kanon in seinen späteren Theilen
mindestens von Artaxerxes II. an die entgegengesetzte
Zählungsweise befolgt, ist ebenso unbestritten, wie dass mit
Ausnahme der Chinesen bis jetzt kein Volk bekannt ist, das
die Jahre seiner Herrscher anders als vom Jahre der Thron-
besteigung selbst zählte, und jene eine Ausnahme hängt eng
mit der specifisch chinesischen Einhaltung des Trauerjahres
zusammen. Um also an eine solche Abnormität glauben zu
können, bedürfte es zuverlässigeren Materials, als es die as-
syriologischen Entzifferungs versuche bisher bieten.**) Im
Uebrigen gereicht es den Resultaten d^s Verfassers zu nicht
geringer Empfehlung, dass sich ihre Richtigkeit auch ohne
Befragung des Inschriftenorakels erhärten läset: Referent
glaubt nämlich den Schlüssel zu einer sicheren Vergleichung
des Berossos mit dem Kanon neuerdings durch die Ent-
deckung gefunden zu haben, dass die 18 Jahre des Sanherib
♦) [Vgl. oben S. 154. F. E]
^ [Vgl. „Nene Beiträge zur Geschichte des alten Orients"
8. 116 f. F. E.]
168 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
bei Berossos die Dauer seines Oberkonigthums in Babylon
ausdrücken und mit den 19 Jahren (699 — 680) zusammen-
fallen, die der Kanon von der Thronbesteigung des Apara-
nadios bis zu der des Assarhaddon zählt-, weiter erledigt
sich dann die Differenz zwischen den 13 Jahren Assar-
haddons im Kanon und seinen acht bei Berossos durch Yer*
gleichung mit dem aus gleichen Quellen schöpfenden Aby-
denos, der vor Assarhaddon eine Regierung seines Bruders
Nergil-Sarezer einschiebt: der Streit um die Thronfolge wird
fünf Jahre (680 — 675) gedauert haben.*) Die Unmöglich-
keit^ die SjnchroDistik der Königsbücher für diesen Zeitraum
mit dem, was die Inschriften zu ergeben scheinen , im Ein-
zelnen in Einklang zu bringen, räumt der Verfasser, hierin
ungleich kritischer als seine Vorgänger, S. 54 unumwunden
ein. In der That wäre diese auch kein Grund, der sich
gegen die Richtigkeit der Lesungen mit Fug einwenden
Hesse; viel bedenklicher sind für den Referenten die vielen
Berührungen mit dem rein historischen Inhalte der Königs-
bücher, welche freilich der oberflächlichen Betrachtung als
ebensoviele Bestätigungen gelten, in Wahrheit aber in un-
sühnbarem Widerspruch mit der gesammten Geschichtsdar*
Stellung jener Bücher stehen. Schon dass überhaupt auf
den assyrischen Inschriften so ungemein viel von Judäa die
Rede ist, einem kleinen, schwer zugänglichen Lande, an dem
die grosse Heerstrasse aller Eroberer herum, nicht hin-
durch geht, beweist uns wenigstens mehr das Bedürfiniss
der Entzifferer, sich an das spärliche vorfindbare historische
Material möglichst anzuschliessen , als eine seltsame Be-
kümmerlichkeit der assyrischen Könige um jüdische An-
gelegenheiten. Auf Anklänge aus der Bibel stösst man
Schritt für Schritt, und wird gerade da durch den abson-
derlichen Inhalt des Entzifferten oft genug mit Nothwendig-
il5Skeit auf die Frage geführt ^ kann so etwas wirklich in der
Inschrift stehen? z. B. dass die Bewohner von Amgarron
(soll wohl Mageddon sein) ihren assyrisch gesinnten König
*) [Vgl. „Nene Beiträge zur Geschichte des alten Orients"
S. 101. 152 F. ß.]
LEPSIUS, CHRONOLOG. WERTH DER ASSYR. EPONYMEN. 169
an den Juden Hiskia ausliefern; dass nun aber Yollends Jehu
von Israel und die Damaskener Benhadad und Hasael als
Unterthanen eines grossen assyrischen Eroberers Salmanas-
aar 11. erscheinen, schlägt den Eönigsbüchem geradezu ins
Gesicht! Auch Lepsius nimmt S. 56 an, dass die Existenz
eines Königs ,Phul durch die Inschriften ausgeschlossen
werde, und glaubt, dass an den beiden Stellen der Bibel,
die ihn nennen, eine Corruptel statt Tiglat-Pilesar vorliege;
allein er kommt ausser diesen, noch dazu von einander un-
abhängigen, Stellen nicht bloss bei Berossos vor, wo ihn
die Form Phulos (gegenüber dem 0ovä der LXX) und der
Zusatz „Konig der Chaldäer^' statt „ Assyrier '' gegen jeden
Verdacht christlicher Interpolation schützen, sondern augen-
scheinlich in der persischen Aussprache Poroms auch im Pto-
lemäischen Kanon, und sein Todesjahr 726 fallt mit einem
Thronwechsel in Assyrien zusammen. Die Entzifferer sollten
also lieber ihre Nachforschungen nach Phul fortsetzen, statt
ihm das Dasein zu bestreiten. Argumenta a silentio sind
hier wahrhaftig noch nicht an der Zeit.'*') Viel bedenk-
licher, als dass der eine oder andere überlieferte Name
nicht gefunden ist, ist nur zu Vieles von dem, was ge-
funden ist Um bei den von Lepsius angezogenen Berichten
stehen zu bleiben, finden wir S. 65, dass Sargon Tribut auf-
legte Samsie, der Königin von Arabien, und It-himyar dem
Sabäer. Die Erstere als historische Person wiederzufinden,
hat sich wohl schwerlich Jemand träumen lassen; vielleicht
wird auch der Wiedehopf ihrer Schwester Bilkis noch nach-
gewiesen! Und wie konnte ein Sabäer im Jahre 720 v. Ch.
einen mit Himjar zusammengesetzten Namen fuhren, da es
durch gleichzeitige griechische Quellen ausser Zweifel ist,
dass dieser Stamm in Südarabien erst 600 Jahre später die
Herrschaft erlangt hat? Diese Sucht der Assyriologen, das
Gelesene nicht einfach wiederzugeben, sondern es vorher dem
Publicum mundrecht zu machen und für die wildfremden
Namen bekannte Anklänge zu suchen, vergrössert nur noch
*) [Vgl. „Neue Beiträge zur Geschichte des alten Orients"
S. 114 ff. 124 ff. F. K.]
170 RECENSIONEN IJNP ANZEIGEN,
die Unsicherheit, die hier so schon gross genug ist; ist es
denn heispielsweise so sicher, dass Miluchcha das classische
Meroe ist?*) Wer mit den ausnehmenden Schwierigkeiten
bekannt ist, die es hat, die- ethnographischen Namen der
hieroglyphischen Inschriften zu yerificiren, wii*d nicht umhin
können, die beneidenswerthe Sicherheit, mit der die Assyrio-
logen unter so viel ungünstigeren Prämissen auftreten, für
eitel Illusion zu erklären. Kein billig Denkender wird in
Erwägung der ganz ungewöhnlichen Hindernisse, die sich
der Entzifferung entgegenstellen, den Männern, die sich an
diese Riesenaufgabe gewagt haben, einen Vorwurf daraus
machen, dass sie nur tastend vorschreiten und noch nicht zu
so sicheren Resultaten gelangt sind, dass ezacte Forschung
schon jetzt viel damit anfangen konnte, wohl aber daraus,
dass sie zwischen Thatsachen, Combinationen und Hypo-
thesen nicht gehörig zu scheiden wissen und dadurch unwill-
kürlich ihre Resultate in eine falsche Beleuchtung rücken.
Und wo soll nun vollends das Vertrauen herkommen, wenn
z. B. ein französischer Koryphäe der Assyriologie sich auf
eine Inschrift beruft, deren Existenz von den englischen Ent-
zifferern geleugnet wird (vgl. S. 55)? — Für Aegyptisches
gewähren die assyrischen Inschriften nur für die Zeit des
Taharka Ausbeute, die an Bekanntes anknüpft; ganz unsicher
ist es, was es mit König Pirhu und Siltan Sebech aus der
Zeit des Sargon für eine Bewandtniss hat. Referent stimmt
dem Verfasser in seinem hier wesentlich negativen Ergeb-
nisse ganz bei, und würde, nachdem er aus der neuesten
Publication Opperts ersehen, dass zweihöckerige Kamele aus
Aegypten als Geschenk an den Grosskönig nach Ninive
geschickt worden sind, nicht eben erstaunen, wenn es sich
einmal herausstellen sollte, dass die Gruppe Muzur auch
turanisch aufgefasst werden kann und dann Baktrien be-
deutet**)
*) V^E}' »Nene Beitrilge zur Geschichte des alten Orients**
S. 67 ff. F. E.]
**) [Vgl. „Neue Beitrftge zur Geschichte des alten Orients"
S. 71 ff. F. R.]
LEP8IUS, BABYLONISCH- ASSYRISCHE LAENGENMASSE. 171
4.*)
Lepsins, B., die babylonisch-assyrischen Längenmasse469
nach der Tafel von Senkereh. Aus den Abhand-
lungen der k. Akad. d. Wiss. zu Berlin 1877. Mit zwei
Tafeln. Berlin 1877. F. Dümmler in Gommission.
(S. 105-144. 4<>.) M. 4.
In der vorliegenden Abhandlung wird uns eine in hohem
Masse Anerkennung verdienende Untersuchung der Tafel von
Senkereh dargeboten, welche eine Vergleichung der babylo-
nischen und assyrischen Längenmasse enthält. In die Publi-
cation im vierten Bande der ^Cuneiform Inscriptions of Wes-
tern Asia'^ hatte sich eine durchaus nicht gleichgültige
Ungenauigkeit eingeschlichen^ indem die einzelnen Zeilen
der beiden Columnen der Vorderseite sich nicht richtig
gegenüberstehen; auch war durch die daselbst zur Erleich-
terung des Lesers vorgenommene Yergrösserung der ganze
Umriss der fragmentirten Tafel verschoben worden, so dass
eine sichere Ergänzung derselben unmöglich war. Eine zu-
verlässige Grundlage für seine Untersuchungen verschafiFten
dem Verfasser ein durch Dr. Birchs Vermittelung für ihn
angefertigter Abguss (mit Hülfe dessen das Bild auf Tafel 1
auf photographischem Wege hergestellt werden konnte) und
auf Grund einer sorgfältigen und erfahrenen Inspection des
Originals gemachte Mittheilungen des Professors Fr. Delitzsch.
Da die assyrischen Thontafeln in der Mitte am dicksten zu
sein pflegen und sich gleichmässig nach den Winkeln der
Tafel zu verdünnen , so war ein sicherer Schluss über die
ungeföhre Zahl der abgebrochenen Zeilen ermoglichi Auf
diesem Wege kam der Verfasser unter Anderem zu dem
wichtigen Ergebnisse^ dass die assyrische Elle nicht, wie
früher angenommen worden war, in 60 Theile, sondern *in
30 uban (Finger), beziehentlich in 6 Hände zu 5 Fingern
*) [literarisches Centralblatt 1880 S. 469—470.]
172 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
getheilt war. Die yollständige Herstellung der Tafel von
Senkereh und damit des ganzen babylonisch - assyrischen
LängenmasssystemSy deren Resultate Tafel 2 und die Tabelle
zu S. 122 geben, darf als ein Muster umsichtigen Scharf-
sinnes bezeichnet werden. Der Verfasser bemerkte ^ dass
die Zahlen der Columne, welche die babylonischen, und der,
welche die assyrischen Masse enthält, nur bei der mit dem
Ideogramm U bezeichneten, nach ihm ammat zu lesenden
Elle in Uebereinstimmung sind, und erschloss daraus die
Identität der absoluten Grösse der babylonischen und der
assyrischen Elle, die für die erstere schon auf 0™, 525 be-
stimmt war. Während für Vielfaches und Theile der baby-
lonischen Elle das Sexagesimalsystem streng durchgeführt
ist, hat nach den Ermittelungen des Verfassers bei den
Assyrern der kaspu 30 shush, der shush 60 X 2 Ruthen
(qanu), die Ruthe 6 Ellen (ammat), die Elle 3x2 Hände
(qat), die Hand 5 Finger (aban). Auf diese Weise stellt
sich das wichtige Ergebniss heraus, dass das babylonische
und das assyrische Längenmasssystem von einander und
beide wieder von dem persischen durchaus verschieden sind,
während man bisher alle drei für wesentlich identisch ge-
halten hatte.
Oppert, der diesen Gegenständen in seiner Schrift ,,Etalon
des mesures Assyriennes fixe par des textes cuneiformes^'
(Paris 1875, 8^.) zuerst eine eingehendere Untersuchung
gewidmet hatte, wurde durch die vorliegende Schrift zu einer
Mittheilung an die Berliner Akademie veranlasst („Die Masse
von Senkereh und Chorsabad'^, in den Monatsberichten vom
6. December 1877), in welcher er die Lepsiusschen Ergeb-
nisse hinsichtlich der Unter abtheilun gen des assyrischen U
angenommen hat, hingegen an seiner früheren Ansicht fest-
hält, dass dieses Mass von der babylonischen Elle ver-
470sclueden, nicht ammat, sondern ahu zu lesen und vielmehr
eine Halbelle sei. Er stützt sich dabei vornehmlich auf die
Stelle einer Inschrift des Königs Sargon, nach welcher der
Umfang der Ringmauer von Ghorsabad, der durch Messungen
Flandins auf 6790 Meter bestimmt worden ist, 200 -f 200 +
LEPSIÜS, BABYLONISCH-ASSYRISCHE LAENGENMASSE. 173
200 + 200 + 400 + 400 + 400 (d. h. 2000 « V/^ ner) +
1 SOS 4" IV2 sa + 2 U, zusammen also 24740 U betragen
habe^ woraus sich für das U das Mass von 0™, 2742 ergab.
In unmittelbar sich anschliessenden „Weiteren Erörterungen
über das babylonisch- assyrische Längenmasssystem '^ macht
Lepsius für seine eigene Auffassung von U als „Elle'' geltend^
dass nach ihr nicht nur die Finger (uban) wirklich Finger
[sind] (nicht Fingernägel, wie nach Oppert), sondern auch qanu
dem hebräischen qäneh entspricht, welches eine Massruthe
von 6 ganzen, nicht halben Ellen ist. Gegen Oppert wendet
er ein, dass nach ihm die Eile, ja alle natürlichen Körper-
masse in dem assyrischen System gänzlich fehlen würden,
und dass ein System von Halbmassen, wie es sich nach
seinen Voraussetzungen ergäbe, etwas ganz Undenkbares sei.
Was die Inschrift von Chorsabad betrifft, so erklärt er
Opperts Deutung derselben für eine bei allem Scharfsinne
sehr künstliche und zieht die folgende Uebersetzung vor:
shar + shar + shar + shar (d. h. 4 X 3600) + ner + ner +
ner (d. h. 3 X 600) + 1 shush + ly^ sha + 2 ammat, zusammen
also 16280 ammat oder 8547 Meter; den Widerspruch mit
den Messungen Flandins sucht er durch die Annahme zu
beseitigen, dass die inschrifbliche Angabe die kleineren Aus-
baue der Umfassungsmauern und eine sehr bedeutende jetzt
zerstörte Erweiterung auf der Seite des Palastes mit in-
begriffen haben müsse. In einer zweiten Mittheilung an die
Berliner Akademie („Die babylonisch -assyrischen Masse^', in
den Monatsberichten vom 4. Februar 1878) hat Oppert nicht
ohne eine gewisse Animosität die Lepsiussche Erklär^mg der
Inschrift von Chorsabad als mit dreissig verschiedenen über-
einstimmenden Originaldocumenten im Widerspruch und die
aus dieser Erklärung gezogenen metrologischen Folgerungen
für unannehmbar erklärt; Lepsius, was nicht überraschen
konnte, in den an diese Mittheilung geknüpften Bemerkungen
erklärt, seinen Standpunkt nicht aufzugeben, so lange nicht
neues Material zur endgültigen Entscheidung der Frage vor-
gebracht worden sein würde.
Referent hat sich hier auf metrologischem Gebiete, auf
174 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
welchem er nie selbständig gearbeitet hat^ noch arbeiten
wird; aaf eine blosse Berichterstattung beschränken müssen,
kann aber nicht verhehlen, dass ihm namentlich die von
Lepsius über uban und qanu gemachten Bemerkungen zu
Gunsten seiner Ansicht schwer ins Gewicht zu fallen
scheinen.
VII.
Der zehnte ftrieehenkSiiig im Buche Daniel.*) sie
Von dem vierten Thiere^ welches die makedonische Welt-
monarchie bedeutet, heisst es Daniel 7, 7 : ,,es war auch viel
anders denn die vorigen und hatte zehn Hörner. Da ich
aber die Hörner schauete, siehe da brach hervor zwischen
denselbigen ein anderes- kleines Horn^ vor welchem der
vordersten Homer drei ausgerissen wurden/' Die zehn
Homer, die 7, 24 für zehn Könige erklärt werden, sind, wie
allgemein anerkannt wird, die Könige Asiens von Alexander
bis Antiochos Epiphanes; Gegenstand des Zweifels kann nur
die Bestimmung der drei Könige sein, die vor dem kleinen
Hörn, eben dem Epiphanes, „ausgerissen^' werden. Die ver-
hältnissmässig befriedigendste Erklämng erkennt in den
dreien Seleukos Philopator, Heliodoros und Demetrios Soter.
Seleukos ward durch Heliodoros ermordet; die Früchte der
That genoss Antiochos^ so dass ihm die That selbst imputirt
werden konnte. Der Usurpator Heliodoros ging wirklich
durch Antiochos unter. Bedenklich ist nur die „Ausreissung'^
des Demetrios, der damals als Geisel in Rom lebte und den
Oheim um ganze 17 Jahre überlebte; man muss also die
„Ausreissung'' zu einer „Uebergehung'' abschwächen und ist
auch dann noch zu der bedenklichen Hypothese genöthigt,
dass Antiochos' Thronbesteigung eine Usurpation war,
während es doch ganz so aussieht, als habe Seleukos
dem Bruder mit Umgehung der noch unmündigen Kinder
*) [Rheinisches Museom für Philologie N. F. Band XV (1860)
S. 816—818.]
176 DEE ZEHNTE GRIECHENKOENIG
die TbroDfoIge bestimmt: ein Verfahren^ das in einem
orientalischen Reiche das einzig zweckmässige war. Aus
diesem Grunde haben andere Ausleger bei dem dritten
Könige an Ptolemäos Philometor gedacht; was aber noch
weniger für sich hat.
Die Frage lässt sich jetzt positiv entscheiden durch das
58. Fragment des Joannes von Antiochien (bei Müller IV
S. 558): „Antiochos (IV.), der Konig von Syrien, brachte aus
Argwohn den Sohn seines Bruders Seleukos (IV.) ums Leben,
die Ermordung desselben Anderen beimessend, welche er aus
Furcht (nämlich vor Entdeckung des wahren Sachverhalts)
ebenfalls aus dem Wege räumte." Dieser Neflfe des Epi-
phanes, ein sonst nicht bekannter älterer Bruder des Deme-
trios, ist ohne Zweifel das dritte „ausgerissene" Hörn im
Daniel. Der Verlauf war höchst wahrscheinlich folgender.
Als Seleukos starb, benutzte Heliodoros die Abwesenheit des
3i7Antiocho8 , der auf der Heimkehr von Rom begriffen in
Athen verweilte, zur Durchführung seiner herrschsüchtigen
Pläne, schob aber fürs Erste den ältesten Sohn des ver-
storbenen Königs vor, um in dessen Namen, zu herrschen;
erst als er seine Stellung einigermassen befestigt hatte,
griff er selbst nach dem Diadem, das er in kürzester Frist
wieder verlor. Antiochos Epiphanes eroberte mit perga-
menischer Hülfe das Reich, das seinem Vater und Bruder
gehört hatte, und entledigte sich in der Person seines Neffen
eines gefahrlichen Nebenbuhlers, der sein wohl begründetes,
eine kurze Zeit lang wirklich ausgeübtes Erbrecht jeder Zeit
wieder geltend machen konnte.
Nach unseren schriftlichen Quellen datirt die Regierung
des Antiochos IV. vom Jahre der Seleukiden 137, die damit
unvereinbare Münze aus dem Jal^re 138 mit BadiXicaq Ze-
Ievxov (bei Mionnet, Suppl. VIII, 24) ist wahrscheinlich in
der Zeit nach dem Tode des Seleukos von einer Stadt
geprägt, die es mit keinem der drei Prätendenten verderben
wollte und daher im Namen des verstorbenen Königs zu
münzen fortfuhr.
Ein gutes Stück weiter führt uns ein Fragment aus
IM BUCHE DANIEL. 177
dem 29. Buche des Diodor, welches ebenfalls erst durch
die Stelle des Joannes von Antiochien aufgehellt wird. In
den Exe. Vatic. p. 72 (Mai) [XXX, 7, 2 Dind.] heisst es:
,,Andronikos, der den Sohn des Seleukos ermordet hatte,
wurde nun seinerseits getodtet, und so theilte der, der sich
zu der ruchlosen und schrecklichen That von freien Stücken
hergegeben hatte, gleiches Schicksal mit seinem Schlacht-
opfer.'' Dass hierdurch die ,, Anderen'', denen Antiochos den
Mord seines Neffen in die Schuhe schob, näher bestimmt
werden, und dass wir, worauf schon Mai aufmerksam gemacht
hat, in dem Thäter einer schon bekannten Persönlichkeit,
dem Morder des „Bundesfürsten" Onias begegnen, ist noch
das Wenigste. Die Hauptsache ist, dass durch Yergleichung
dieser Stelle mit 11. Makkabäer 4, 30 — 38 der ganze Her-
gang chronologisch bestimmt, in den richtigen Zusammen-
hang eingereiht und seinen Motiven nach in das gehörige
Licht gesetzt wird. Zu der Zeit, als der Hohepriester Mene-
laos, um Rechenschaft zu geben, nach Antiochien vorgeladen
wurde (im Jahre 171 v. Ch.); empörten sich die Bürger von
Tarsos und Mallos, weil sie Aiiktiochis, dem Eebsweibe des
Königs, zum Angebinde geschenkt worden waren. Der König
eilte hin, die Ordnung wiederherzustellen, und liess als Reichs-
verweser Andronikos, einen der Würdenträger des Reiches,
zurück. An diesen machte sich Menelaos und vermochte
ihn dazu, den früheren Hohenpriester Onias umbringen zu
lassen. Als der König aus den kilikischen Landen zurück-
kam, beschwerten sich die in der Hauptstadt befindlichen
Juden bei ihm wegen der ungerechten Ermordung des Onias,
über welche auch die Griechen entrüstet waren. „Da ward
Antiochos" — so sagt uns der Auszug des Jason von Ky-
rene — „herzlich betrübt und gerührt und vergoss Thränen
wegen der Rechtschaffenheit und besonderen Ehrbarkeit des
Verblichenen^', und zornentbrannt liess er auf der Stelle den
Andronikos des Purpurs entkleiden, ihm die Gewänder vom3l8
Leibe reissen, ihn so in der ganzen Stadt herumführen, dann
aber an derselben Stelle, wo er den Frevel an Onias begangen,
den Mörder aus dem Wege räumen, den der Herr auf diese
▼. GüTBGHMiD, Kleine Sohriften. II. 12
178 DER ZEHNTE GRIECHENKOENIG
Weise die verdiente Strafe empfangen Hess. — - Kilikien er-
hielt für das Seleukidenreich nach dem Verluste von Asia
eine immer grössere Bedeutung; es ist wohl nicht blosse
Hypothese, sondern naheliegende Combination, wenn wir den
in dieser wichtigen Provinz ausgebrochenen Aufstand mit
dem Untergange des Sohnes des Seleukos in Verbindung
setzen: die Aufständischen werden den Namen des legitimen
Königs auf ihre Fahnen geschrieben haben. Daher der von
Joannes betonte ,, Argwohn '^ des Antiochos gegen seinen
Neffen, der, wie aus dem Zusammenhange hervorgeht, in
Antiochien unter der Aufsicht des Andronikos zurückgeblieben
war. Antiochos schickt an Andronikos den geheimen Befehl,
den gefahrlichen Prätendenten aus dem Wege zu räumen;
Androntkos gehorcht und bewahrt das Geheimniss seines
Herren. Zurückgekehrt findet Antiochos die Hauptstadt in
grösster Aufregung, wohl nicht bloss wegen der Ermordung
des Onias, sondern auch wegen der Ermordung des könig-
lichen Prinzen und wegen der despotischen Art, wie An-
dronikos seine Stellvertretung ausgeübt hatte. Antiochos
mochte mit gutem Grunde eine neue Schilderhebung, und
zwur in Antiochien selbst, befürchten, ergriff also die An-
klage der Judenschaft gegen Andronikos als willkommenen
Vorwand, die allgemeine Erbitterung auf den mitschuldigen
Minister abzuleiten und durch Preisgabe desselben zu ver-
hindern, dass er nicht später aus der Schule schwatzte. Dass
derselbe Antiochos, der dem Onias bei Lebzeiten eitel Herze-
leid angethan hatte, der den an dem Morde ganz ebenso
schuldigen Menelaos völlig frei ausgehen liess, der unmittelbar
darauf drei Gesandten des jüdischen Raths, die über die Ver-
gewaltigungen jenes Renegaten Beschwerde führten, ohne
Weiteres hinrichten liess, dass, sage ich, dieser Antiochos
aus sittlicher Entrüstung über die ungerechte Ermordung
des Onias das Todesurtheil über Andronikos ausgesprochen
haben sollte, wird dem Jason von Eyrene nicht leicht
Jemand glauben. Es ist ganz interessant, mit Hülfe der
auf Polybios zurückgehenden griechischen Quellen einen
Blick hinter die Scene zu werfen.
IM BUCHE DANIEL. 179
Ich werde wohl schwerlich auf Widerspruch stossen,
wenn ich die bei Diodor unmittelbar folgende aus dem
Zusammenhange gerissene Senteoz ,,denn die Machthaber
sind gewohnt, sich aus Gefahren durch das Unglück ihrer
Freunde zu retten", auf die Aufopferung des Andronikos
durch den Antiochos beziehe.
12*
VIII.
Ans Veranlassung von Frendenthals Hellenistiscben Studien.
1.*)
iQ42Freudenthal , Dr. J. , Alexander Polyhistor und die von
ihm erhaltenen Reste judäischer und samaritanischer
Geschichts werke. Breslau 1876. Skutsch. (2 Beilagen,
238 S. gr. 8°.) 6 M.
A. u. d. T.: Hellenistische Studien von Dr. J. Freudenthal.
1. und 2. Heft.
Es giebt wenige Stücke der alten Literatur, die nach
den verschiedensten Seiten hin, für Erkenntniss des helleni-
stischen Geisteslebens, für Entstehung und Zeitbestimmung
der LXX, ja für die Geschichte des Bibeltextes überhaupt,
so wichtig und doch in dieser Wichtigkeit so wenig erkannt
und so yernachlässigt worden sind, wie die in Eusebios'
Praeparatio evangelica erhaltenen Reste der jüdischen Ge-
schichte des Alexander Polyhistor. Nur scheinbar spricht
gegen eine solche Vernachlässigung die Menge der entgegen-
gesetztesten und ohne Ausnahme oberflächlichen Vermuthungen,
die darüber aufgestellt worden sind, von denen gerade die
haltloseste von allen, dass die Schrift dem Polyhistor unter-
geschoben sei, sich besonderer Verbreitung erfreut (sie ist
vom Verfasser S. 1748: bündig widerlegt und damit hoflent-
lich für alle Zeiten beseitigt worden). Die Wissenschaft kann
sich Glück wünschen, dass so lange Versäumniss nunmehr
nachgeholt worden und dass diese Aufgabe in so berufene
*) [Literarisches Centralblatt 1875 S. 1042—1044.]
ANZEIGE VON FREüDENTHALS HELLENISTISCHEN STUDIEN. 181
Hände wie die des Verfassers gelegt ist, der seine eminente
Befähigung zu UntersucliuDgeii auf diesem Gebiete bereits
durch die classisch zu nennende Monographie über das so-
genannte IV. Makkabäerbuch bekundet hat. Die hohe Be-
deutung der vorliegenden Arbeit besteht vor Allem darin^
dass ihr Verfasser die Untersuchung aus ihrer Isolirtheit
herauszuheben, sie in das helle Licht der gesammten jüdisch-
hellenistischen Entwickelung zu stellen und durchgängig mit
den wichtigen Fragen der Geschichte des Septuagintatextes^
der Entstehung des jüdischen Midrasch, des Verhältnisses
des Josephos zu seinen Vorgängern in enge Beziehung zu
setzen verstanden hat.
Als tüchtiger Philolog hat er vor allen Dingen erst die
handschriftliche Grundlage untersucht und ist zu dem Re-
sultate gekommen y dass das Verwandtschafts verhältniss und
die dadurch bedingte Werthschätzung der Handschriften der
Praeparatio nicht so einfach liegen, wie dies noch Dindorf
meinte, dass z. B. weder E aus I abgeschrieben ist, noch D
ganz ignorirt werden kann: Referent ist erfreut, hier eigene,
auf anderem Wege (durch eine Prüfung der üeberlieferung
in den auf orientalische Mythologie und Geschichte bezüg-
lichen Stücken) gewonnene Anschauungen durch einen Kenner
bestätigt zu sehen. Ein Handschriftenstammbaum nebst
kurzer Begründung (in den Anmerkungen S. 199 ff.) recht-
fertigt die vom Verfasser für die Texteskritik ermittelten
Principien. Bei der Herstellung des Textes (S. 219 ff.), die
in jeder Hinsicht nur zu rühmen ist, konnte eine neue Ver-
gleichung von I durch Dr. Benedikt Niese benutzt werden,
welcher der Verfasser verdientes Lob spendet.
Sodann stellt er in umsichtiger Weise die Methode fest,
nach der Eusebios den Polyhistor, Polyhistor die hellenisti-
schen Historiker reproducirt hat, indem er den Eusebios an
seinen Excerpten aus noch erhaltenen Schriftstellern, den
Polyhistor durch eine Vergleichung seiner Auszüge aus Be-
rossos und der Sibylle mit den entsprechenden des Josephos
controlirt. Das Ergebniss dieser Prüfung ist ein verhältniss-
mässig befriedigendes: Eusebios verfährt, wo er seine Quellen
182 ANZEIGE VON FREUDENTHALS
wörtlich wiedergeben will, treu und ist von dem Vorwurfe
tendenzieller Fälschung durchaus freizusprechen, Polyhistor
war ein ebenso öeissiger wie unkritischer Compilator, der
aber ebensowenig getischt, seine Quellen vielmehr, ab-
gesehen von einzelnen bei der Ordnung der Excerpte be-
gangenen Irrthümem, gewissenhaft angegeben hat. Den
Ausführungen über die Beschaffenheit des Werkes des Poly-
histor pflichtet Referent sonst in allen Stücken bei, nur
glaubt er nicht, dass es „keinen viel grosseren Umfang
gehabt habe, als die Fragmente des Eusebios heute ein-
nehmen'' (S. 33). Dass Eusebios anderenfalls noch mehr
Auszüge aufgenommen haben würde, ist kein stichhaltiger
i04sGrund: er beschränkt sich auf Heraushebung des auf die
wichtigsten Wendepunkte der biblischen Geschichte Bezüg-
lichen, Abraham, Joseph, Exodus und Tempelbau, was das
meiste Interesse bot und apologetischen Zwecken am besten
diente; weder lässt sich daraus folgern, dass Polyhistor die
übrige biblische Geschichte nur karz berührte, noch mit
Sicherheit sagen, ob nicht auch judenfeindlicbe Historiker,
wie Molon u. A., in viel grösserem umfange herangezogen
waren, als es in den Mittheiluogen des Eusebios 'zu Tage
tritt. Ebensowenig ist es beweisend, dass gerade in den
genannten Partien und nur in ihnen der Verfasser Be-
rührungen zwischen Josephos und Polyhistor zu finden
meint: Beferent kann weder eine directe noch eine indirecte
Benutzung Polyhistors in der jüdischen Archäologie als er-
wiesen ansehen und muss sogar leugnen, dass dem Josephos,
als er sie schrieb, Polyhistors Jüdische Geschichte bekannt
gewesen ist: das Fragment über die Kinder der Ketura wird
aus der Libyschen Geschichte sein; erst als er die Bücher
gegen Apion schrieb, sah er jenes andere Werk des Poly-
histor flüchtig ein, ohne es jedoch zu benutzen.
Auf die hellenistischen Quellen des Polyhistor eingehend,
charakterisirt uns der Verfasser zunächst den Demetrios
treffend als einen schlichten und ehrlichen, den Text der
LXX treu wiedergebenden Chronographen und betont die
Wichtigkeit, die seine Auszüge für die Textesgeschichte der
HELLENISTISCHEN STUDIEN. 183
LXX haben; nicht ohne auf den Einfluss, den die Pflege der
aTCoQtav xal Xvöcig und ihre Uebertragung von der Homeri-
schen auf die biblische Exegese auf seine Behandlungsweise
geübt, und auf andere Zusammenhänge ähnlicher Art in
feiner, sachkundiger Weise hinzudeuten. Der Verfasser
nimmt an, dass Demetrios unter Ptolemäos III. geschrieben
habe, und dass bei Giern. Strom. I p. 403 F. tSTccgtov in
xqCxov zu y erändern sei; es hängt dies mit seiner Erklärung
dieser Stelle und dem darauf gegründeten Herstellungs-
versuche der Zeitrechnung des Demetrios zusammen. Re-
ferent ist abweichender Ansicht, doch würde eine Erörterung
dieser Frage hier zu weit führen.*) War es bei Demetrios
die Zeitbestimmung, so war es bei Eupolemos die Her-
kunft des Verfassers, die unübersteigliche Schwierigkeiten
zu schafPen schien: der proteusartige Charakter seiner Frag-
mente liess in ihm bald einen Juden, bald einen Samaritaner
vermuthen, und da er nicht wohl Beides zugleich gewesen
sein kann, so glaubte man schliesslich am Sichersten zu
gehen, wenn man ihn für einen Heiden erklärte. Der Ver-
fasser hat die Sache durch den Nachweis ins Reine gebracht,
dass das Stück eines ungenannten samaritanischen Historikers
über Abraham fälschlich unter die Auszüge des Eupolemos
gerathen ist; in den übrigen finde sich nichts, was nicht
von einem Juden geschrieben sein könne, und es stehe nichts
mehr im Wege, ihn mit dem Eupolemos, welchen Judas
Makkabäos als Gesandten nach Rom schickte,- für Eins zu
halten. Für die Beurtheilung des schriftstellerischen Charak-
ters des Eupolemos schafiFt der Verfasser durch Vergleichung
der wörtlich erhaltenen Briefe mit ihrer Quelle, den Büchern
der Chronik, eine sichere Grundlage und zeigt, dass er,
freilich unbeholfen genug, den rhetorischen Stil griechischer
Muster nachzuahmen gesucht hat; von Wichtigkeit ist der
elegant geführte und unseres Erachtens gelungene Beweis,
dass Eupolemos den Pseudo - Aristeas gekannt hat. Unter
den Auszügen des Polyhistor findet sich auch einer aus
*) [Vgl. unten S. 186 flf. F. R.]
184 ANZEIGE VON FREüDENTHALS
Aristeas iv %ä %6qI ^lovSamv^ der durch seine enge Be-
rührung mit der sich auf ein aramäisches Targum berufenden
Nachschrift zur griechischen Uebersetzung des Hiob bemer-
kenswerth ist. Der Verfasser nimmt an, dass dieser ausser
allem Zusammenhange mit dem Pseudo - Aristeas steht, und
hält ihn für die Quelle jener Nachschrift der LXX; Ersteres
dürfte ebenso richtig, wie das Letztere grundlos sein: es
liegt doch gewiss näher, mit Kamphausen anzunehmen, dass
Aristeas die Nachschrift bereits vorgefunden und aus ihr
geschöpft hat. Um so einleuchtender und geradezu glänzend
zu nennen ist die Lösung der Räthsel, welche uns die Schrift
des Artapanos aufgiebt, ein phantastisches, fabelreiches Mach-
werk, das es einerseits in durchsichtigster, meist recht plumper
Weise auf Verherrlichung der Juden absieht, andererseits
I044zahlreiche Dinge enthält, die ein Jude unmöglich geschrieben
haben kann, z. B. die Einführung des Thierdienstes durch
Moses. Der Verfasser sieht in ihr ein von einem Juden
untergeschobenes und in tendenzieller Absicht einem Heiden
in den Mund gelegtes Buch und erkennt es wieder in der
avaygatpri^ r^v iistsXdßofisv naga räv xatä triv koyiGndtrjv
Atyvntov Xoyicycaxiov aQxisgimv tcbqX tov yivovg täv 'lov-
SaCmVj welche Pseudo- Aristeas (14, 3) früher seinem Philo-
krates überschickt haben will, so dass also Niemand anders
als Pseudo - Aristeas als der Urheber auch dieses Betruges
anzusehen sein werde. Der wahre Verfasser, meint Freuden-
thal S. 153, möge die Fiction gewählt haben, einem in
Aegypten wohnenden Perser die Geschichte Israels von
ägyptischen Priestern erzählen zu lasaen, doch noth wendig
sei diese Annahme nicht. Dem Eleferenten scheint sie die
nothwendige Ergänzung der ganzen Hypothese zu sein:
mögen auch persische Namen bei den Aegyptem in Gebrauch
gewesen sein, gewiss waren es doch seltene Ausnahmen, und
dass ein Fälscher, der seinem Pseudepigraphon durch die Auf-
schrift Glauben verschaffen wollte, gerade eine solche seltene
Ausnahme gewählt haben sollte, ist wenig wahrscheinlich.
Die andere Erklärung des Namens Artapanos lässt sich da-
gegen durch die ganz ähnliche Einkleidung eines dem
HELLENISTISCHEN STUDIEN. 185
Sjnkellos S. 471; 11 bekannten Apokryphons stützen: der
Philosoph Demokrit und eine weise Hebräerin Maria sollen
bei Istanes dem Meder, den die persischen Könige nach
Aegypten als Aufseher über die dortigen Tempel geschickt
hatten, im Tempel zu Memphis zusammen mit anderen
Priestern und Philosophen ein Privatissimum über Alchymie
gehört haben. Durch die geistvolle Combination mit Pseudo-
Aristeas ist in Bezug auf Artapanos mit einem Schlage
Alles klar. Diese Spur hat der Verfasser weiter zu ver-
folgen und den Nachweis zu führen gesucht, dass auch der
Pseudo-Hekatäos und die untergeschobenen Orphischen Verse,
die von Aristobul angeführt werden, demselben Fälscher
ihren Ursprung verdankten. Dieser Versuch, alle Fälschungen
der ägyptischen Juden auf ein schuldiges Haupt abzuladen,
hat für den Referenten nichts Ueberzeugendes. Man kann
sich doch nicht verhehlen, dass die Existenzbedingungen
des alexandrinischen Judenthumes recht ungesunde gewesen
sind: eine Diaspora, die recht gläubig sein will und doch
zum Aergerniss für alle rechten Juden ihren Sondercultus
in Leontopolis pflegt, Geschäftsleute, die bei Hofe liebes
Kind sind und die grossen Herren spielen, dabei aber vor
dem Hasse der einheimischen Bevölkerung keinen Tag ihrer
Habe und ihres Lebens sicher sind, Literaten, die den Aus-
tausch der geistigen Güter von Griechen uud Juden ver-
mitteln wollen und dabei weder ordentlich Griechisch noch
Hebräisch verstehen, ein Schriftthum, das gauz durchdrungen
ist von der Tendenz, den Griechen die ungemeine Wichtig-
keit des jüdischen Volkes zu Gemüthe zu führen, und sich
dabei verhehlt, dass nicht die classische Vergangenheit, son-
dern die Tüchtigkeit ihrer palästinischen Vettern der Rechts-
titel ist, der auch ihnen in den Augen der Griechen ein
Ansehen giebt: das sind innere Widersprüche, unter denen
hier ein apologetisches Fälscherthum wie von selbst auf-
keimen und ins Kraut schiessen musste.
Es wird keiner Entschuldigung bedürfen, dass wir gegen-
^ über einem Manne von der Bedeutung des Verfassers gerade
bei den Punkten, in denen wir nicht völlig übereinstimmten,
186 ZEIT UND ZEITRECHNUNG
besonders verweilten; wir glauben auch auf diesem Wege
den über das Gewöhnliche emporragenden Werth dieser nach
der philologischen, wie nach der literargeschichtlichen Seite
hin gleich ergebnissreichen Leistung des Verfassers hinläng-
lich hervorgehoben zu haben, der durch seltene Vereinigung
classischen und hebräischen Wissens wie Wenige für eine
derartige Arbeit geeignet war.
2.*)
744 Zeit und Zeitrechnung der jüdischen Historiker Demetrios
und Eupolemos.
Bei der Bedeutung, die eine richtige Altersbestimmung
des ältesten jüdisch-alexandrinischen Historikers Demetrios
für die Altersbestimmung der LXX hat, scheint es mir auch
nach der neuesten Behandlung der Frage in der trefiTlichen
Schrift von Freudenthal, Alexander Polyhistor S. 57flf,**)
nicht überflüssig, auf die betreffende, leider anerkannter-
massen verdorbene Stelle des Clemens (Strom. I p. 403 Pott.)
näher einzugehen. „Demetrios — heisst es — sagt, der
Stamm Juda, Benjamin und Levi sei nicht von Senacherim
in die Gefangenschaft geführt worden, sondern es seien von
dieser Gefangenschaft bis zu der letzten, die Nabuchodonosor
aus Jerusalem wegführte, 128 Jahre 6 Monate, seit der
Gefangenschaft der zehn Stämme aus Samaria bis auf Pto-
lemäos IV. 573 Jahre 9 Monate, seit der aus Jerusalem
338 Jahre 3 Monate.*' Weil es falsch ist, dass Sanherib
die zehn Stämme weggeführt habe, nimmt Freudenthal eine
durch Clemens' Fahrlässigkeit verschuldete Lücke an, rechnet
die 128 Jahre 6 Monate von Sanherib bis zur dritten Weg-
führung im 23. Jahre Nebukadnezars und bezieht die indirect
*) [Jahrbücher für protestantische Theologie Bd. I (1875) S. 744
—763.]
•*) [Vgl. oben S. 188. F. R.]
DES DEMETRIOS UND EÜPOLEMOS. 187
aus der Subtraction sich ergebenden 135 Jahre 6 Monate
auf das Intervall von der Gefangenschaft der zehn Stämme
bis ebendahin, hebt den Widerspruch, dass die Bücher der
Konige für den ersten Zeitraum 130 Jahre 6 Monate, far745
den zweiten 138 Jahre 6 Monate ergeben, durch die An-
nahme, dass Demetrios zweimal das letzte Begierungsjahr
als unvollendet nicht mit in Rechnung gebracht und aus
irgend welchem Grunde Samarias Einnahme um ein Jahr
später gesetzt habe; sodann nimmt er die längst als noth-
wendig erkannte Aenderung von 473 Jahren 9 Monaten statt
573 Jahre 9 Monate auf, ändert aber, weil das Resultat der
Rechnung zu sehr von der Wahrheit abliegt, den lY. Pto*
lemäos in den III. Hiergegen ist Folgendes einzuwenden:
1) Unter den zahllosen jüdischen und christlichen Chrono-
graphen, deren Abrisse der biblischen Zeitrechnung wir
kennen, ist es auch nicht einem einzigen eingefallen, die
partielle und nur aus einem eingeschalteten Verse des Jeremia
bekannte Wegführung im 23. Jahre Nebukadnezars zum End-
punkte seiner Rechnung zu machen: drei Gefangenschaften
kamen in Betracht, die der zehn Stämme, die unter Jojachin
im 8. und die unter Zedekia im 19. Jahre Nebukadnezars,
nur die letztere kann gemeint sein. 2) Es lässt sich sogar
noch aus dem Wortlaute selbst die Unmöglichkeit beweisen,
die Stelle auf die Wegführung im 23. Jahre Nebukadnezars
zu beziehen: da für diese keine Jahreszeit augegeben ist, so
konnte Demetrios zwar die bis zum Anfangsjahre des Pto-
lemäos lY. verflossenen Jahre, auf keinen Fall aber noch
drei überschüssige Monate ausrechnen: diese führen vielmehr
mit Sicherheit auf den Jahrestag der Gefangenschaft nach
der Zerstörung Jerusalems unter Zedekia am siebenten oder
zehnten Tage des fünften Monats; von da war in der Mitte
des siebenten Monats, in welche im Jahre 222 v. Gh. der
ägyptische Neujahrstag gefallen sein mnss, der dritte Monat
laufend. 3) Wenn bei solchen Rechnungen nicht Alles stimmt,
stimmt eben gar nichts, die Differenz von drei Jahren in der
gedachten Weise zu erklären, geht nicht an, da der treu an
den Bibeltext sich haltende Demetrios für ihre Eliminirung
188 ZEIT UND ZEITRECHNUNG
doch irgend welchen Grund gehabt haben müssie: ein solcher,
aber ist absolut unerfindlich^ die Scheidung ron vollen und
nicht rollen Jahren, wodurch Neuere Schwierigkeiten in der
Zeitrechnung der Bücher der Könige zu heben yersucht
746haben, ist der antiken Chronographie völlig fremd. 4) In
einer schwerverdorbenen Stelle gerade die einzige Zahl an-
zutasten, die sich nicht wie die anderen durch inneren Wider-
spruch als unmöglich ausweist, ist sehr bedenklich, und die
Nichtübereinstimmung mit der wahren Zeitbestimmung recht-
fertigt die Aenderung des IV. Ptolemäos in den III. um so
weniger, als die jüdisch - christliche Chronographie noch bis
in das siebente Jahrhundert n. Ch. hinsichtlich der Ansetzung
des Endjahres des Reiches Juda, für welches die Bibel kein
lediglich mit den Mitteln biblischer Exegese sicher bestimm-
bares Datum bietet, aus dem Zustande des Tastens und
Schwankens nicht herausgetreten ist und die bunteste Man-
nigfaltigkeit darbietet.^)
Nun ist es aber nichts weniger als sicher, dass bei
Clemens zwei verschiedene Ausgangspunkte der Rechnung
vorliegen, er selbst ist offenbar der Meinung, eine niedere
Zahl, eine höhere Zahl und das Intervall beider zu geben.
Ja nicht einmal das steht fest, dass nicht Demetrios in der
That den Sanherib für eine Person mit Salmanassar erklärt
hat: wirklich thut dies Hieronymus im Chronikon zum Jahre
Abr. 1270, ohne Zweifel seinen jüdischen Lehrern folgend,
und es wäre nicht das erste Mal, dass eine solche exegetische
Ansicht sich als sehr alt auswiese. Geht man davon aus,
dass die Bücher der Könige von Sanherib an 125 Jahre
6 Monate ergeben, so würde an der ersten Stelle nevte für
oxtd herzustellen sein, eine Aenderung, die durch die Sub-
traction der beiden anderen Posten, die für die Einer eine
Fünf ergiebt, gesichert zu werden scheint. Da eine Aen-
derung von ißdofii^xovta in i^i^xovta sich von selbst ver-
bietet, so bleibt nur bei der dritten Zalil die Verwandlung
1) Dies gilt io gleicher Weise gegenüber dem Vorschlage
L. Mendelssohns, den IV. Ptolemäos in den VII. und die 338 Jahre
in 438 zu verwandeln.
DES DEMETRIOS UND EÜPOLEMOS. 189
von TQtäxovta in Tstrctgdxovra übrig, was eine sebr bäufige
Vertauscbung ist. Also würde Clemens vom Einfalle des
Sanherib; mit welcbem Polybistor, aus dem ja das Frag-
ment des Demetrios stammt^ die Wegfübrung der zebn
Stamme vermengt baben mag, bis auf Ptolemäos IV., dessen747
erstes Jahr vom 18. October 222 v. Ob, läuft, 473 Jabre
9 Monate, von der Gefangenscbaft unter Zedekia bis eben-
dabin 348 Jahre 3 Monate gerechnet, somit beide Ereignisse
in 695 und 570 v. Ch. gesetzt haben. Fast genau dieses
Jahr, nämlich 569, rechnen die Excerpta Latina barbari p. 56
(70) ed. Seal. [p. 204 Schöne] aus, welche fQr diese Partie
aus alexandrinischen Quellen schöpfen. Die Uebereinstimmung
ist sicher nicht zufällig, ja sie erstreckt sich sogar auf die
Summe von 128 Jahren, welche die Excerpta herausbringen,
indem sie wegen Daniel 1, 1 dem Jojachin drei Jabre geben,
und es hat die Annahme etwas Yerfilhreriscbes, dass uns hier
die Excerpta nicht bloss ein verwandtes, sondern geradezu
das chronologische System des Demetrios selbst erhalten
haben, dass also nicht die 128 in 125 Jahre, sondern was
paläographisch unleugbar leichter ist, die 573 (90/) in 476
{vog) Jahre zu verwandeln seien. Nun können aber die
Excerpta die Ansätze des Demetrios treu schon deshalb
nicht wiedergeben , weil ihre Zeitrechnung von der christ-
lichen Voraussetzung ausgeht, dass von Adam bis auf Christi
Tod 5500 Jahre verflossen seien, und ein Eingeben auf die
Entstehung der auffälligen Zeitbestimmung fQr die Zerstörung
von Jerusalem befreit den Demetrios von dem Verdachte
eines stummen Hinweises auf das Danielbuch. Das späteste
Datum ^ bis zu welchem sich in den echten Büchern des
alten Testamentes eine fortlaufende Zeitrechnung verfolgen
lässt, ist die Gleichsetzung des zweiten Jahres des Dareios
(520) mit dem 70. Jahre des Zornes über Jerusalem und
Jnda bei Sacharja 1, 7. 12. Wem die wahre Zeit des Nebu-
kadnezar und Kores aus den chaldäischen Annalen nicht
bekannt war,' dem lag nichts näher, als dieses Datum mit
der Jeremianischen Berechnung der 70 Exilsjahre (25^ 1. 11)
zu verknüpfen, als das aus Sacharja berechnete Anfangsjahr
190 ZEIT UND ZEITRECHNUNG
589 dem vierten des Jojakim und ersten des Nebuk&dnezar
gleichzusetzen. Wer so rechnete, dem fiel der Regierungs-
anfang des Jojakim in 592, des Jojacbin in 581; des Zedekia
gleichfalls in 58 1, letzte Gefangenschaft und Zerstörung
748jerusalems in 570. So stimmt Alles im Sinne des Deme-
trios: der Einklang schwindet, sobald man hier eine drei-
jährige Regierung des Jojachin einschiebt; ausserdem würde
auch die von Clemens angegebene Monatssumme nicht mehr
zutreffen: statt sechs würden nur drei Monate herauskommen.
Die mit den drei Jahren Jojachins zusammenhängenden 128
Jahre sind also nur eine sehr alte, sicher von Clemens,
möglicherweise sogar schon von Polyhistor vorgefundene
Interpolation. In seiner lediglich auf exegetischem Wege er-
mittelten Bestimmung des Endjahres der jüdischen Geschichte
musste Demetrios durch ägyptische Synchronismen, die ein-
zigen, deren Kenntniss und Berücksichtigung ihm zugetraut
werden kann, bestärkt werden. Als ein Theil der Juden im
siebenten Monate nach der Zerstörung von Jerusalem nach
Aegypten auswanderte, droht ihnen Jeremia, der sie vergeb-
lich davon abzuhalten gesucht hatte, 44, 30: „so spricht der
Herr also: siehe, ich will Pharao Haphra, den König in
Aegypten, übergeben in die Hände seiner Feinde und derer,
die ihm nach seinem Leben stehen.^' Ein bibelfester Exe'get
wie Demetrios konnte nicht anders als an das unmittelbare
Eintreffen dieser Prophezeihung glauben: kam er nun mit
Hülfe ägyptischer Annalen, von der verbreitetsten Annahme,
welche die persische Eroberung in 525 setzt, ausgehend, auf
569 als Todesjahr des Haphra, so musste sich ihm wie von
selbst die Consequenz ergeben, dass Jerusalem in dem Jahre
vor Haphras Untergang zerstört worden sei, also 570. Und
ein weiterer Synchronismus musste ihn in seinem Irrthum
bestärken: die Bücher der Könige erwähnen im 14. Jahre
des Hiskia erst 18, 21 Pharao, den König in Aegypten, dann
im Verlaufe derselben Begebenheiten 19, 9 Thirhaka, den
König der Mohren, als Gegner des Sanherib. iDaraus schien
zu folgen, dass Thirhaka in eben diesem Jahre zur Herr-
schaft gelangt sei. Thirhaka scheint 697 König von Aegypten
DES DEMETRIOS UND EUPOLEMOS. 191
geworden zu sein; wer aber die persische Eroberung um zwei
Jahre zu spät setzte^ der kam auch mit Thirhaka in 695,
also gerade in das von Demetrios ftlr den Einfall des San-
herib ausgerechnete Jahr. Damit scheint mir die Zeitrechnung
des Demetrios sichergestellt und die Richtigkeit der Angabe^Tis
dass er seine Rechnungen auf Ptolemäos lY. herabgeführt;
also unter diesem geschrieben hat, erwiesen zu sein.
In Bezug auf Zeit und Zeitrechnung des Eupolemos
hat Freudenthal; Alexander Polyhistor S. 212 ff. das Wesent-
liche vorweggenommen. Das ;; fünfte Jahr des Reiches des
Demetrios ; als Ptolemäos das zwölfte Jahr über Aegypten
herrschte", auf welches nach Clemens (Strom. I p; 404 Pott.)
Eupolemos seine Rechnungen herabführte, hat er richtiger
als die meisten seiner Vorgänger auf das Jahr Herbst 158/
Herbst 157 bezogen, in welchem Demetrios I. mit den Juden
Frieden schloss: was Clemens hinzufügt, es seien von da
bis auf das Consularjahr 40 v. Ch. (in dem Herodes König
wurde) 120 Jahre verflossen, lässt keinen Zweifel übrig.
Ganz so glatt, wie es nach Freudenthal scheinen könnte,
liegen die Sachen jedoch nicht. Er sagt, „jenes Jahr sei
das fünfte des Demetrios Soter und das zwölfte des Ptole-
mäos Physkon, nach dessen Thronbesteigung im Jahre 170
ein Nichtägypter wie Eupolemos so gut zählen konnte wie
nach der des Ptolemäos Philometor/^ Beides muss ich be-
streiten. Im Jahre 158 regierte Euergetes H. gar nicht in
Aegypten, die Worte ßaötksvovrog AIyvtczov müssten also
von vornherein als irrthümlich preisgegeben werden; die
einzige Möglichkeit, den eigenthümlich ausgedrückten Syn-
chronismus als Eigenthum des Eupolemos aufrecht zu halten,
wäre die Annahme, dass er in Eyrene als Unterthan des
Euergetes H. geschrieben hätte. Aber dann müsste man
wenigstens verlangen, dass der Synchronismus ein, genauer
wäre. Das ist er aber nicht: die Jahre des Euergetes U.
laufen vom 5. October 170, in dem Jahre, welches Herbst
192 ZEIT UND ZEITRECHNUNG
158 beginnt; Jbatte er zwölf volle Jahre regiert und es lief
das dreizehnte. Der Synchronismus ist also sicher erst nach-
träglich; und frühestens 146, wo Euergetes II. sich Aegy-
ptens bemächtigte und dort seine eigene Aera zur mass-
760gebenden machte, ausgerechnet worden und ist dem Eupo-
lemos abzusprechen, von dem nur die Nennung des fünften
Jahres des Demetrios herrühren kann. Von diesem an ge-
rechnet kommen, wie Freudenthal richtig gesehen hat, die
120 Jahre bis 40 y. Gh. nicht genau heraus; geht man aber
vom zwölften Jahre des Euergetes IL aus, das am 2. October
159 beginnt, so sind bis zur Ernennung des Herodes zum
Könige, die gegen Ende 40 erfolgt ist, wenn man nach der
Sitte der Alten das Endjahr in die Rechnung mit einschliesst,
wirklich 120 Jahre verflossen. Damit ist bewiesen, dass von
demselben Chronologen, der die Zeitangabe durch die weitere
Rechnung bis auf das Jahr 40 erläutert hat, auch die Yer-
gleichung mit dem zwölften Jahre des Euergetes II. hinzu-
gefügt worden ist. Aus diesem Umstände lässt sich weiter
folgern, dass derselbe in Aegypten geschrieben hat. Wahr-
scheinlich hat ihn Clemens sogar ausdrücklich genannt: es
hat für mich hohe paläographische Wahrscheinlichkeit, dass
die Worte äjco Sh xov XQOVOV tovtov olxqi xäv iv ^PdpLf]
vjtdvcov Fatov ^doiutiavov Kaöiavov övva^'Qoi^axav hri ixa-
xov etxo6i in folgender Weise wiederherzustellen sind FvaCov
jäo^LExlov [xal ^Aöivtov vno] KMiavov övvad'Qoi^exaiy xrA.
Der ägyptische Gnostiker Julius Cassianus nämlich ist es,
dessen Exegetica für solche werthvoUe chronologische An-
gaben die Hauptfundgrube des Clemens gewesen sind (vgl.
Strom. I p. 378).
Bis zum fünften Jahre des Demetrios I. rechnete Eupo-
lemos von Adam an 5149 Jahre, von der Ausführung der
Juden aus Aegypten durch Moses 2580 Jahre, für welche
unmögliche Zahl längst richtig 1580 verbessert worden ist;
er setzte also, wenn der terminus ad quem mitgezählt wird,
Adam in das Jahr Herbst 5306 /Herbst 5305, Moses in
Herbst 1737 /Herbst 1736, und rechnete als Intervall zwi-
schen Adam und Moses 3569 Jahre aus. Freudenthal hat
DES DEMETßlOS UND EüPOLEMOS. 193
daraus mit Recht geschlossen^ dass Eupolemos sich im
Wesentlichen an die Rechnung der LXX hielt, jedoch bei
einzelnen Posten auf Lesarten des hebräischen Textes zurück-
griffy also ein Mischsystem gab, und einen scharfsinnigen,
sich an noch jetzt nachweisbare Varianten des Septuaginta-
textes anlehnenden Reconstructionsversuch gemacht, wonach76l
Enoch und Heber 65 und 34, Nachor 29 Jahre erhalten
hätten. Das System des Eupolemos bestätigt somit aufs
Nene, mit welcher Willkür in der Zeit vom dritten bis ins
erste Jahrhundert v. Ch. in den Bibelhandschriften verfahren
worden ist, eine Wahrnehmung, zu der die LXX, der sama-
ritanische Text und das Buch der Jubiläen namentlich in der
Behandlung der biblischen Zahlen reichlichen Änlass geben.
Zu einer anderen Bemerkung veranlasst mich das Datum
fQr Moses. Mit Hülfe des Richterbuches mit dem Exodus
über das Jahr 1600 hinaufzukommen, ist ohne Willkür rein
unmöglich: wenn trotzdem sämmtlicbe christliche Chrono-
graphen, den einzigen Eusebios ausgenommen, den Exodus
um mindestens einige 60 Jahre, meistens noch um viel mehr,
hoher setzen, so erklärt sich das aus der kanonisch gewordenen
Voraussetzung, dass von Adam bis auf Christi Geburt oder
Tod 5500 Jahre verflossen seien; bei Josephos, der ebenfalls
den Auszug unter Moses in 1678 v. Ch. setzt, Hesse sich dies
zur Noth als Ausfluss seines chronologischen Systems an-
sehen, das von Adam bis auf die Tempelzerstorung unter
Titus 12 mal 400 Jahre rechnet: wir wissen aber nun, dass
schon Eupolemos dem Moses ein viel höheres Alter gab, als
das, das sich für ihn aus den biblischen Zahlen ergeben
würde. Zu Grunde liegt ohne Zweifel der bei Josephos und
allen älteren Kirchenvätern wiederkehrende Satz, dass Moses
älter als alle Weisheit der Hellenen und als ihre Mythologie
selbst sei, daher nothwendig mehr Glauben verdiene, als die
Hellenen. Diesem der Apologetik unentbehrlichen Dogma
zu Liebe wurde der Buchstabe der Bibel geopfert und die
Zeit des Exodus auf anderem Wege bestimmt. Wie, kann
ebensowenig zweifelhaft sein, wenn man bedenkt, dass der
Irrthum, die Israeliten seien dieselben wie die Hyksos, bei
Y. OxTTsCHHiD, Kleine Schriften. IL 13
194 ZEIT UND ZEITEECHNÜNG
Josephos und den älteren Kirchenvätern in Fleisch und Blut
übergegangen ist und sich mehrfach in enger Verknüpfung
mit jenem anderen Satze von dem Alter des Moses nach-
weisen lässt. Die bei ihnen vorkommenden Zeitbestimmungen
752de8 Exodus sind also weiter nichts als verkappte Zeitbestim-
muDgen der Austreibung der Hyksos; die Schwankungen sind
keine grösseren, als sich auch in den aus der Summiruug der
Eönigsjahre berechneten ägyptischen Setzungen für das letztere
Ereigniss vorfinden. Julius Africanus setzt den Exodus auf-
fallend hoch, in 1796 v. Ch. In die nächste Nähe dieses
Jahres führen (und haben ursprünglich wohl genau auf dieses
Jahr geführt) die von Josephos gegebenen Auszüge aus
Manethos für die Vertreibung der Hyksos, so dass man
Benutzung einer verwandten Quelle durch Afiricanus an-
nehmen darf. Nun ist aber in jenen Auszügen in der
Summirung ein Rechenfehler begangen, 60 Jahre sind zu
viel gerechnet worden. Bringt man diese in Abzug, so
kommt man mit der Vertreibung der Hyksos in das Jahr
1736: das ist aber gerade das von Eupolemos für Moses
angenommene Datum.
Eupolemos kann es nur durch künstliche Verlängerung
der Richterzeit erreicht haben; wie, lässt sich durch Ver-
gleichung wiederum mit Africanus vielleicht noch ermitteln.
Zwischen Eupolemos und ihm findet nämlich die sehr auf-
föllige Berührung statt, dass auch er den Beginn des Tempel-
baues in das zweite Jahr des Salomo setzt. Er rechnete
nämlich nach Synk. p. 342, 7 bis zur Vollendung des Tempel-
baues im achten Jahre Salomos 4457 Jahre von Adam; und
dass hier nicht etwa ein falsches Referat vorliege, ergiebt
sich daraus, dass er 3277 Jahre von Adam bis zur Ein-
wanderung Abrahams in Kanaan, folglich 3707 Jahre bis
zum Auszuge rechnete und nach Euseb. Chron. I p. 156
(Mech.) [p. 99 Schöne] von da bis zum Tempelbau 744
Jahre verlaufen Hess: diese führen auf 4451, das zweite Jahr
Salomos. Diese gemeinsame Abweichung von der Bibel gerade
in einer Hauptepoche ist sicher nicht zufällig, beweist vielmehr,
dass Africanus den Eupolemos gekannt und berücksichtigt hat.
DES DEMETßlOS UND EüPOLEMOS. 195
Die Zahl 744 ist eine von Africänus ganz willkürlich so
bestimmte; wie er sie für seine sonstige Rechnung brauchte:
vermuthlich wird Eupolemos etwas einfacher gerechnet und
von dem biblischen Intervall von 480 Jahren bis zum vierten
Jahre Salomos genau das Anderthalbfache, nämlich 720 Jahre758
angenommen haben; dann fiel ihm das zweite Jahr Salomos
und der Anfang des Tempelbaues in das Jahr 1018, das
vierte in 1016 v. Gh., dasselbe Datum, welches sich auch
Neueren auf dem Wege einer Summirung der Jahre der
Eonige von Juda ergeben hat. Africänus brachte seine 744
Jahre in folgender Weise heraus: Moses hatte 40, Josua und
die Aeltesten 55 Jahre (von denen 30 auf die Aeltesten
kommen); dann die Richter 490 Jahre, indem nach Simson
noch 40 Jahre der Anarchie und 30 Jahre des Friedens an-
gefügt waren*); dann richtende Priester 90 Jahre, also ohne
Zweifel Eli mit den 40 Jahren des hebräischen Textes, eine
20jährige Herrschaft der Philister (I. Sam. 7, 2) und Samuel
mit 30 Jahren; endlich Saul 27 Jahre*), David 407^, Salomo 2.
Vermuthlich sind die 20 Jahre der Philister nach Eli und
die Erhöhung der Jahre des Saul von den 21, die Eupolemos
ihm gab, auf 27 Neuerungen des Africänus, ebenso die Ver-
theilung der 55 Jahre Josuas imd der Aeltesten, die bei Eu-
polemos vielmehr in 30 + 25 zerlegt gewesen sein werden;
dagegen passt die künstliche Chronologie der Richter mit
ihren Füllstücken genau in dessen System und mag aus
ihm einfach herübergenommen sein. Für die Königszeit
wird sich dann Eupolemos streng an die Zahlen der Chronik
gehalten haben, der er auch sonst folgt.
1} Die Bechnong Btimmt, wenn Athniel mit Cod. Alex. 60 Jahre
erhält, das von A&icanus dem Samgar bewilligte eine Jahr als im
80. des Ehud inbegriffen angenommen wird und die von Synk. p. 311,7
bezeugten 20 Jahre des Abdon statt 8 als blosser Schreibfehler des vou
ihm benutzten Exemplars unberücksichtigt bleiben.
2) Diese finden sich durch Subtraotion der aus den biblischen
Zahlen sich ergebenden 463 Jahre Yon David an von den für Africänus
bezeugten 490 Jahren der Könige bis zur Wegführung Jojachins.
13'
IX.
703 Ein Beitrag zn den Fragmenten der griechischen
Historilier.*)
In Anbetracht des stattlichen Contingentes , welches
gewisse Stellen der Kirchenväter (Justinus, Tatianus, Cle-
mens und Africanus) zu den Fragmenten der griechischen
Historiker geliefert haben, wird es nicht unerspriesslich sein^
wenn auf das Yerhältniss derselben zu einandej einmal näher
eingegangen wird. Die Stellen lauten wie folgt:
(Siehe die Seiten 198 und 199.)
Tatianus schickt Auszüge aus chaldäischen und phonici-
sehen Historikern voraus , die nur bei Clemens gelegentlich
wiederkehren ; aber offenbar aus Tatianus entlehnt, so dass
sie, als für die Beurtheilung des Verhältnisses der vier
Quellen zu einander minder wichtig, hier unberücksichtigt
bleiben können.
Ganz werthlos sind die abgeleiteten Quellen: Kyrillos
contra lulianum I S. 15 (Spanh.) hat den Justinus, Joannes
Antiochenus fr. 1, 1 (bei Müller IV p. 538) den Africanus
ausgeschrieben; aus letzterem hat auch Synkellos S. L16, 17
(Bonn.) geschöpft, mit einem Zusätze aus Eusebios. Ein-
gestanden ist, dass Clemens den Tatianus vor Augen hatte;
die Zusätze sind nicht wesentlich und werden von ihm aus
dem leider verlorenen Werke des Gnostikers Cassianus ent-
nommen sein. Es sind dies: die Angabe der Buchzahl des
Ptolemäos, die ursprünglich bei diesem so gut gestanden
haben wird wie bei Apion, für den sie umgedreht Tatianus
allein aufbewahrt hat, ferner die Voranstellung des Citates
*) [Nene Jahrbücher für Philologie und Pädagogik Band LXXXl
(1860) S. 703—708]
EIN BEITBAG ZU DEN FRAGMENTEN ETC. 197
aus Apion vor das aus Ptolemäos, der Zusatz 6 nkscötovinrig
inLTcXrj^sig und die Erwähnuug der Schrift gegen die Juden.
Gerade diese drei Umstände aber kehren bei Justinus und
Africanas wieder; ich zweifle nämlich nicht, dass 6 Hoöev-
dcnvLov nur ein altes Missverständniss oder ein alter Schreib-
fehler für 6 nXsLötovixov ist^ und dass das Citat iv ry xaza
'lovdaioiv ßißXa f&r den Auszug der Juden unter Amasis nur
eine Folge leichtfertigen Excerpirens ist, Clemens also hier
das Echte bewahrt hat: wir wissen aus Josephos, dass Apion
in dem Buche gegen die Juden eine ganz andere Ansicht
vertreten hatte. Hiermit ist erwiesen , dass Cassianus aus
einer Quelle mit Justinus und Africanus geschöpft hat; die
Wahl derselben Citate macht dasselbe auch von Tatianus
wahrscheinlich, welcher der Zeit wegen wohl kaum den
Cassianus hat benutzen können. Eben so klar ist es, dass
Africanus der Cohortatio ad Graecos folgt, die zwar nicht
von Justinus verfasst, aber ziemlich gleichzeitig, für uns also
immer die älteste Quelle ist. Bei meistens wörtlicher Ueber-
einstimmung ist der weit jüngere Africanus aber doch viel
ausführlicher; das unpassende Citat aus Herodot hat er frei-
lich aus eigener Weisheit hinzugethan, das ans Apion konnte
ihm Tatianus liefern: woher aber konnte er die Worte des
Polemon kennen? Dass er das Werk selbst eingesehen habe,
wird nicht leicht Jemand glauben. Führt uns nun schon
dies zu der Annahme, dass er zwar den Justinus benutzt
hat, aber daneben auf die erste Quelle, aus der Justinus so-706
wohl als Cassianus schöpften, zurückgegangen ist, so beweist
dasselbe in noch höherem Grade die Autoritätenreihe, welche
mir den Anlass zu dieser Erörterung gegeben hat. Was will
Africanus mit ihr beweisen? er drückt sich nicht klar aus,
gewiss aber nicht, wie J. Brandis, De temporum Graecorum
antiquissimorum rationibus (Bonn 1857) S. 15 meint, die
Zeitbestimmung für Ogyges; mit Wegschaffung des gramma-
tisch ganz unzulässigen xavxa fällt ohnehin der stärkste
Grund für diese Annahme weg. Ta ngoBigruLsva sind für
uns verloren, tä i^rig wenigstens zum Theil noch erhalten;
es geht daraus doch so viel mit Sicherheit hervor, dass der
198 EIN BEITRAG ZU DEN FRAGMENTEN
704 JusidnuB M. Goh. ad Graecos 9 Africanus bei Eusebios Praep. evaog. X, 10
S. 40 ed. Otto: S. 490» und Synkellos S. 119, 20 (281, 3) Bonn.:
. . . navttov tmv nag* vfiiv ehs dno 'Slyvyov xolvvv knl Kvgov^ onoaa anb
üoq)mv fCtf noiri%Av ehe tatOQio- Mmaecog iiel xov avtov xQOvov, izri aoXi'
ygcLqtmv ^ q>iXoc6q>aiv 17 vofiod's- {aaXs* S.). xal 'Elli^vouv 8s tivsg tatOQOvai
TÖöv noXXm ngscßvTcctog yiyovsv xavä tovg avzovg XQOvovg ysviad'ai Mmasay
6 ngöäxog trjg d'socsßsiag 8i8cio%a-- IloXifuav (ihv iv tv ngoirrj tmv 'EXXrj-
Xog rifimv Mmc^g ysyovoigj Ag vixmv tetoQimv Xsytnv „^srl "Jnidog zov
driXovatv rifiiv at xmv *EXX'qv(ov ^ogmvicag ftoiga zov AlyvnzCüav azgazov
tazogüti, iv yag zoig xg6votg i^inscsv Alyvnzovy oV iv zij IJaXaiattvrj
'Slyvyov zs xal 'Jvdxov, ovg xal %aXovfiivrj Evgla ov noggat Agaßiag 99x17-
yriysvsig tivlg z&v nag' vyitv aav*"^. avzol or}Xov6zi ot fjLBtä Mmcscog,
vnsiXTjtpaci, ysvsv^od'aiy McDoitog 'Anlmv d' b Iloasidmviov, negisgyoza-
luifivrivztti mg rjysfiovog ze xal ag- zog ygafifiazmAv , iv zy xazd 'lovSaConv
Xovzog zov zmv lOvSaCmv yivovg. ßißXcp xal iv zij zszdgzTj zmv tazogimv
ovzat ydg IloXifiaiv ze iv z^ q>riai. nazd "ivaxov, "Agyovg ßaciXiaj 'Afno-
ngoizTj zmv ^EXXrivmmv tozo- oiog Alyvnzimv ßaoiXevovzog dnoazr^vai
gimv ykifivrjzai, xal 'Ann im v o 'lovdaCovg^ mv Tiysic&ai Mmaia. fiifivnzai
TloasidmvCov iv zfi nazd'lov- 81 xal *Hg68otog r^g dnoczaciag xavzrig
Saimv ßlßXm xal iv zij zb- xal 'Afimatog iv zi} Ssvziga, zgonm 8i
zdgxT} zmv tüxogimv Xiymv aaz' xivl xal *Iov8ctCmv avxmv, iv xoSg nsgtzefivo-
"ivaxov "Agyovg ßccaiXia 'A[uioi8og nivoig avzovg %azagi9'fimv xal 'Aeavgiovg
Alyvnzimv ßaaiXsvovzog dnoazrivai zovg iv zij IlaXatczlvfj dno%aXmv^ "^dxa 8id
'lov8alovg, mv '^ysiad'ai Mmaia. zov 'Aßgadfi. nzoXsfLaiog xe 0 Mbv8ti~
xal nxoXefiaiog 8h 6 MBv8iq- aiog xd Alyvnzimv dvimaQ'Bv tazogmv anaai
aiog zd Alyvnzimv tazogmv anaai zovzoig avvzgixBi' mazB ov8' iniarj(iog inl
zovzoig övvzgirBi, nXiov 17 zmv XQ^^^^v nagaXXayrj.
xal ot xd A9^valmv 8\ taxo- Derselbe bei Eusebios Praep. evang. X, 10
govvxsg ^EXXdvtyiog xb xal S. 488^: *)
^tXoxogog 6 xdg 'Ax&lSag, Tavzaig {zoiozoig Godices) — nämlich den
Kdözmg zb xal GscXXog xal Olympiaden — ydg inofifvoi xal zag Xoi-
'AXiiav8gog 0 IloXvtazmgy ndg tözoglag Tiazd zov avzov Xoyov dXXi^Xatg
izi 8h xal ot öoqxozazoi ^IXmv itpagiioaofiBv, zdg 8ri {8h Godices) ngo zov-
ZE xal 'Imarinog ot zd %aza zmv — n&mlicb die griechische und die
'lov8alovg tazogi^aavzBg mg jüdische vor Eyros und dem Ende der
<fq>68ga dgralov xal naXaiov zmv Gefangenschaft — , m86 nmg zijg 'Azzi%r^g
'lov8almv agxovzog Mmasmg fiifi- XQ^^^VQ^^^S dgid'fjkovfiivrjg. dno ^Slyvyov
vr^vzai, o yovv 'imarinog^ zo dg- zov nag' inslvotg avzox^'ovog niazBvd'Bvzog,
XaCov xal zo naXaiov zijg tazoglag itp' ov yiyovsv 6 fiiyag xal ngmzog iv zy
xal 8id zfjg iniygatpijg zmv ßt- 'Azzi%y Maxa%Xvüwog ^ogmvsmg 'Agyslmv
ßXlmv criiiTJvat ßovX6u,svogj dgxo- ßaaiXsvovzog , mg AnovalXaog tazogsiy f^iXQ''
fiEvog zijg tazoolag ovzm yiygatps* ngmzr]g 'OXviinid8ogf bno^sv "EXXrjvsg dngi-
,^^Xaßlov 'imarmov 'lov8aXiirjg dg- ßovv xovg xQOvovg ivofuaavj ^zri avvdysxai
XaioXoyüxg^^ xo naXaiov xijg taxo- zlXuc stitoaiv , mg xal xoig ngoBigrifuivoig
glag dgx^cioXoylav ovofidimv, xal avfitpmvBi xal xoig e£^$ ^£ix^^<^£T«^' "^d
6 iv8oi6xaxog 8h nag' vfiiv xmv (xavxa Godices) ydg 'Adijvalmv taxogovvxsg
taxogioygdq>mv jdi68mgog 6 xdg ^EXXdvtuSg xb xal ^iXoxogog ot xdg
BtßXio^TJuag inixsfimv iv 'Ax9'l8ag, ot xs xd Zvgia Kdaxmg xal
xgidyiovxa oXoig ixsaiv %xX, GaXXog^ xal xd ndvxmv Ji68mgog o xdg
BißXiod'i^nag, *AXiiav8g6g xs o IIoXv-
taxmg %al xivsg xmv %a9' rjfi^dg axpi-
ßiaxsgov iii^vrjo^rjaav %al xmv 'Axxi%mv
dndvxmv,
1) Die sinnlose Interpunktion selbst der neuesten Ausgabe habe ich
stillschweigend yerbessert.
DEB GRIECHISCHEN HISTORIKER. 199
Tatianna Or. ad Graecos c. 59, Clemens Alex. Strom. 1,21 S. 378 705
wiederholt von Euaebios Praep. (Potter), wiederholt von Easebios
evang. X, 11 S. 493^: Praep. evang. X, 12 S. 496<>:
AlyvnxCoiV a stelv dnQißelg XQovmv . . . ns{^l vmv maxa Moavaia xQOvmv
ttvayQaq>a£' xal tav xar' avtovg ndri Isxxiov^ di' <ov ^Ci^^ijafiTat
YQafkuatmv igfnprevg UxoX 6fi,aiogj avocfitpriQÜfttog Tedarjg aofpCag otQ%aiQ-
ov% 0 ßactlsvg, tegevg d* i%Miv- xdxri ^ %axd ^EßQuiovg mikoeotpCa,
drixog^)^ ovxog xdg xmv ßaailimv Etqrjxat filv ovv nsgl xovxcav angi-
ngd^stg iuxid'ifitvog %axä "AfMociv ßag Taxtavm iv tco nQog xovg '^EX-
Alytmxov ßaaiXia yeyovivai 'lov- Xrjvag, stqrjxtict 8h xal Kaaantvm iv
daioig q>rial xrjv i| Aiyvnxov no- xm «gmxm xmv 'E^riytixinmv, ditat-
Qilaif eig antg rj^eXov xcogia Mm- xei d' ofitog xo vnofivrjficc xal ijuäg
üiag -^yovftivov, Xiysi dh ovxmg' „6 knidgay^iv xd %axd xov xonov Blgu-
Ss'AfKDaig iyivsxo xara xov "ivarov fjbiva 'Anltov xoCvvv 6 ygafifia-
xovßaatXia,^^ ftexadlxovxov'Aniav xtxbg o IlXBiaxovl%rig ini%Xrj-
6 ygafikf^axuiogf dvi^g do%tfMoxa- ^slg iv x^ 6' xmv Alyvnxianmv
xog, iv x^ xsxdgxrj xmv Alyvn- taxogimv^ %aCxoi fpiXans%dirjfi6vmg
xiaxmv {nivxe Si bIoiv avxm yga- ng6g ^Eßgaiovg BiamC^Bvog ^ axe
9a f) noXXd {ihv xal dXXocy (prjal S* ACyvnxiog xo yivog^ mg xal xara
oxt y,%axiaiiaips xr^v Avagiav {Avugtv 'lovdaCmv evvxd^aaO'ai ßißXCov^
ExiA^'AiLmöigy %axd xov*AgyBiov yB- 'Afimüiog xov AlyvitxCmv ßaaiXimg
voiiBvog 'IvaxoVj mg iv xotg Xgo- fiBfivTifiivog xal xmv nccx' avxov
voig dviyga'tpBv o MBvüiqaiog IJxoXb- ngd^Bmv fidgxvgcc nagaxCd'Bxai IIxo-
fuiUog*^, Xbiuciov xov MBvSriciov' xal xd x^g
Xi^Bmg avxov mdB iv^i' ^^iiLaxB6%aipB
d\ xrjv 'Aovg£av (Aovagiv Ena.) "AfUü-
cig^ naxd xov 'Agystov yBVOftBvog
"ivaxovj mg iv xoig Xgovoig dviyga-
ipBV 6 MBvdriaiog üxoXBfMiiog^K o
dl IIxoXBiJkarog ovxog tsgBvg fihv
^v, xdg Sh xmv AlyvnxCmv ßaaiXimv
ngd^Big iv xgialv oXaig in^ifiBvog
ßißXoi^ xara Afimciv qfriaiv Aiyvn-
xov ßaetXia Mmvcimg rjyovitBvov
yByovivai 'lovdaCoig xriv ij Aiyv-
nxov nogslav. i^ mv avvmnxai. xora
'^Ivaxov Tinuaytivai xov Mmvcia.
1) So möchte wohl statt des überlieferten 9\ Mivdrixog hersu-
stellen sein.
200 EIN BEITRAG ZU DEN FRAGMENTEN
706Beweis f&r die Richtigkeit der 1020 Jahre nicht mit den
sechs Namen von Autoren geliefert sein sollte: schon das
wdi nog sollte vor dieser Annahme warnen. Das ydg 'geht
vielmehr nicht auf das zuletzt Vorhergehende, sondern auf
den Hauptgedanken der ganzen Stelle, dass die griechische,
speciell die attische Chronographie mit Ogyges ihren Anfang
nimmt. Africanus will sich durch die mit einem nachlässigen
ydg eingeleitete Berufung wegen dieses Ausgangspunktes
rechtfertigen; sie ist also ziemlich allgemeiner Natur.
Lehrreich ist die Yergleichung mit Justinus, der die-
selben sechs Autoritäten als Garanten für das Alter des
Moses in derselben Reihenfolge aufführt. Gemeinsam ist
beiden nur der Anlass, aus welchem die sechs citirt werden,
nämlich der Satz, dass Moses und Ogyges Zeitgenossen seien;
die Ausführung geht dann ganz auseinander. Gegen die An-
nahme, dass Africanus hier bloss den Tatianus gedankenlos
ausgeschrieben haben sollte, will ich nicht die nähere Be-
stimmung der Werke des Eastor und Thallos geltend machen,
wohl aber die sonstige Zuverlässigkeit des Africanus, und
insbesondere den eigenthümlichen umstand, dass die sonst
bekannten Stellen der sechs Historiker theilweise zwar nicht
zu dem passen wollen, wozu sie Africanus anführt, theilweise
aber auch nicht zu dem Citate des Justinus. Die Stelle des
Diodor ist uns von Justinus erhalten; es ist die bekannte
von den ägyptischen Gesetzgebern I, 94, in der allerdings
gesagt wird, dass Moses vorgegeben habe, das Gesetz vom
Gotte Jao erhalten zu haben; dies genügte aber dem apolo-
getischen Interesse nicht, und so ist der Name McDvöijg auch
an die Stelle des ersten ägyptischen Gesetzgehers nach den
Göttern und Heroen, des Mvsvrjg getreten — ^ eine Inter-
polation, die des Josephos würdig wäre. Was den Alexander
Polyhistor anbetrifit, so haben wir noch die Theile seines
Werkes, worin er ausführlich über Moses handelt; auch
wissen wir, dass er mit Eupolemos den Moses in das Jahr
1739 V. Gh. setzte*), also allerdings in eine sehr alte Zeit.
Beide Citate sind demnach im Sinne des Justinus richtig.
*) [Vgl. oben S. 192. F. B.]
DER GRIECHISCHEN HISTORIKER. 201
Der umgekehrte Fall tritt bei den vier ersten ein. Eastor
erwähnt Fr. 1 S. 156 (Müller) den Ogyges als Zeitgenossen
des assyrischen Königs Belos^ der nach seiner Rechnung im
Jahre 2123 v. Ch. starb; Thallos macht Fr. 2 (bei Müller
III S. 517) den Ogyges zum Bundesgenossen des Titanen
Eronos und des assyrischen Eonigs Belos gegen Zeus und
die Götter, der in den Tartaros, nämlich nach Tartessos,
geschleudert worden sei; die Regierung des Belos aber setzt707
derselbe Thallos in das Jahr 1540 v. Ch. Der Zusatz ol xa
^}vQia (d. h. die Verfasser assyrischer Geschichten) lässt
keinen Zweifel, dass Africanus keine anderen als unsere
Stellen im Auge gehabt hat; beiläufig ein schon von
E. Müller hervorgehobener Grund, warum der ganze Passus
nicht das Datum 1795 für Ogyges beweisen kaun. Von
Philochoros wissen wir, dass er den Ogyges als den einzigen
echten Namen der Sage vor Eekrops ansah; von Hellanikos
wissen wir zwar keine Stelle, die hier gemeint sein könnte,
aber doch so yiel, dass er in der Atthis den Ogyges erwähnen
musste, den Moses dagegen so wenig wie Philochoros, Eastor
oder Thallos erwähnen konnte. Theilen sich hier Jnstious
und Africanus in die Schuld, nachlässig abgeschrieben zu
haben, so trifft; an einer anderen Stelle dieser Vorwurf allein
den ersteren: Justinus zählt den Polemon zu denen, die den
Moses unter Inachos gesetzt hätten, während er doch den
Auszug an die Regierung des Apis knüpft. Wir haben also
die auffallende Erscheinung, dass die älteste Quelle von allen
die nachlässigste ist; was sich indess einfach daraus erklärt,
dass die Absicht, Zeitbestimmungen zu geben, dem Justinus
ganz fem lag, dagegen namentlich bei Clemens und Africanus
vorwiegt
Was in der gemeinsamen Quelle Aller gestanden haben
mnss, lässt sich jetzt fast mit Gewissheit wiederherstellen.
„Ein, wie man sieht, vielbenutztes und berühmt gewordenes
Eapitel derselben trug an der Spitze den Satz, dass Moses
den ältesten Namen der griechischen Sage, Inachos und
Ogyges, gleichzeitig sei. Zum Beweise waren zahlreiche
Stellen aus griechischen Historikern wörtlich mit^etheilt^
202 EIN BEITKAG ZU DEN FRAGMENTEN
zuerst die des Polemon, der deu Auszug unter Apis setzte,
dann die des Apion, der den Moses um zwei Generationen
höher unter Inachos setzte und sich dafür auf den Ptolemäos
von Mendes berief. Dabei war hervorgehoben; dass Apion
erstens als ein berühmter und umsichtiger (Soxtfidratog,
neguQyotatog) Forscher, sodann als ein anerkannter Juden-
feind um so grösseren Glauben verdiene: einen Beleg gebe
sein Buch gegen die Juden. Dann waren die Worte des
Ptolemäos von Mendes mitgetheilt, dass Amasis gleichzeitig
mit Inachos regiert habe. Inachos aber falle noch eine
Generation vor Phoroneus; und Akusilaos ward dafür an-
geführt, dass der letztere ein Zeitgenosse des Ogyges sei,
mit welchem die attische Sagengeschichte beginnt Zur
Bestimmung seiner Zeit waren dann Stellen des Hellanikos,
Philochoros, Eastor und Thallos mitgetheilt, die zwar von
einander abwichen, aber doch darin übereinstimmten, den
Ogjges in die ältesten Zeiten zu versetzen. Von dieser Ab-
schweifung zu Moses zurückkehrend, für dessen Alter die
bisher aufgeführten Zeugnisse ja indirect auch Beweiskraft
hatten, führte der Autor die Stelle des Diodor an, die
beweisen sollte, dass er gleich nach den Göttern und Heroen
gelebt habe, und zuletzt die ausführlichen, den echten jüdi-
schen Quellen am nächsten kommenden Angaben des Ale-
xander Polyhistor/' Es begreift sich, wie die letzten sechs
TOsAutoritäten ohne zu grosse Ungenauigkeit bald als Belege
für die Zeit des Moses, bald als Belege für die des Ogyges
angeführt werden konnten.
Die Quelle lässt sich dadurch, dass sie den Thallos
citirt, der im Jahre 91 n. Gh.*) schrieb, und dass sie in der
Cohortatio ad Graecos benutzt ist, die nicht jünger sein
kann als die Regierung des Antoninus Pius (138 — 161), in
die engen Grenzen von 70 Jahren**) einschliessen. Sie war
offenbar apologetischer Natur, wahrscheinlich (der Zeit wegen)
*) [So hat GntBchmid in seinem Handexemplar corrigirt; drucken
lassen hat er „49 n. Ch."; vgl. Eusebios ed. Schöne I p. 266. F. B.]
**) [So von Gntschmid im Handexemplar corrigirt; im Druck
steht ,,eine8 Jahrhnndertt'*. F. B.]
DER GRIECHISCHEN HISTORIKER. 203
nicht Yon einem Christen, sondern von einem Juden verfasst.
Genaueres liesse sich nicht sagen , käme uns nicht der yiel-
geschmähte Eusebios zu Hülfe, der in der Vorrede zu seinem
Kanon folgende Worte sagt, die Synkellos S. 122, 2 uns
griechisch erhalten hat: Mavöda yivog ^Eßgatov^ TCQOtpt^tmv
anuvtiov ngärov a^tpl xov öariJQog fifiäv^ liyco di tov Xqi-
otov, d[i(p£ t€ tfjg xäv id'vciv di avrov d'eoyvoöiag xpr^ö-
[lovg xal koyia ^sta ygccfpy xagadsdoxota^ rotg xQovoig ax-
liaöai^ xara "Ivaxov elgr^xuöiv avÖQsg iv naidsvöBi yvdgtfioiy
Klijlirigj ^AfpQixavog, Taticcvog tov xad'^ Vlf'^g ^oyov^ xäv xs
ix nsQLXoii^g ^Im6r^nnog xal 'lovöxog, idlmg exaöxog xr^v
aTCodsL^LV ix TtaXaiäg vno0%c)v [öxogiag, Justus von
Tiberias verfasste eine Chronik der judischen Könige; das
einzige daraus erhaltene Fragment (bei MQller III S. 523)
zeigt uns ihn als einen in der griechischen Literaturgeschichte
wohlbewanderten Mann: sein Werk war kürzer als des Jose-
phos Archäologie, hat aber ohne Zweifel dieselbe, auf grie-
chisch-römische Leser berechnete Tendenz gehabi Da auf
ihn alle Charakterismen der von uns nachgewiesenen Quelle
zutreffen, so stehe ich nicht an, in ihr das Werk des Justus
wiederzuerkennen.
Die praktische Folgerung, die sich aus vorstehender
Untersuchung ergiebt, ist die, dass man nie auf die An-
führung eines einzelnen unter den vier genannten Kirchen-
vätern bauen darf, sondern sich zuvor vergewissem muss, ob
und wie die betreffende Stelle bei den drei anderen Zeugen
geschrieben steht; denn auch Clemens vertritt für uns die
Stelle des verlorenen Cassianus. Zur Erleichterung der üeber-
sicht fasse ich das Resultat in ein Stemma zusammen: ^
[Justus von Tiberias]
Eusebios
Justinas Tatianus [Cassianus]
Africanus Kyrillos Clemens
Synkellos Joannes von
Anüochien.
X.
Zar Apokalypse des Esra.
1.*)
iVolkmar, Gustav, das vierte Buch Esra und apokaly-
ptische Geheimnisse überhaupt. (Abdruck aus der
Züricher Monatsschrift des wissenschaftlichen Vereins.)
Zürich 1858. Meyer und Zeller. (2 Beilagen, 60 S.
gr. 8^.) geh. 15 Sgr.
In dem negativen Theile seiner Schrift; ist der Verfasser,
in soweit es sich um die Widerlegung der Hilgenfeldschen
Auslegung des Adlergesichtes handelt, nicht unglücklich und
betont mit Recht, dass der Adler nur das römische Reich,
die zweite Feder, welche doppelt so lange als alle übrigen
herrscht, nur Augustus sein kann. Auch hat der Verfasser
in der Deutung von 12, 2 wenigstens sachlich gegen Hilgen*
feld Recht, wenn schon die Stelle noch einer Verbesserung
bedarf; es ist mit Letzterem nach duaeque ein quae ein-
zuschalten, aber ausserdem das et vor erectae sunt zu
streichen-, denn der Uebergang der zwei Federchen unter
das Haupt ist nach 11, 24 bereits vor sich gegangen. Was
aber den fortgesetzten Hohn und die Ausfalle gegen seinen
Vorgänger betrifft, welche die eigentliche Untersuchung un-
gebührlich überwuchern, so könnte der Verfasser in die Lage
kommen. Alles mit Zinsen zurück zu erhalten; seine eigene
Deutung ist wenigstens ganz danach angethan, den Spott
herauszufordern. Er legt gleich von vornherein eine falsche
philologische Basis zu Grunde, indem er die äthiopische und
*) [Literarisches Centralblatt 1869 S. 1—3.]
ANZEIGE VON VOLKMAß, DAS VIERTE BUCH ESRA. 205
arabische Uebersetzung^ die zwar nicht so wörtlich sind, als
die lateinische y ihre Vorzüglichkeit aber schon durch Aus-
lassung der Zusätze 1 — 2. 15 — 16 und des interpolirten
Jesus ly 28 documentiren, nicht berücksichtigt und auch in
Bezug auf den lateinischen Text keine klaren kritischen
Principien befolgt. Da der Text der Vulgate von Inter-
polationen wimmelt, der Codex Sangermanensis dagegen, wo
er abweicht, ohne Ausnahme den Paralleltexten näher kommt,
so liegt es auf der Hand, dass dieser zu Grunde gelegt
werden muss. Der Verfasser aber hält 12, 32 das spretiones
des Sangermanensis fär Uebersetzung von xatatpQovrinata^
das daraus verderbte discerptiones der Vulgate für Ueber-
setzung von 7taQaq>0QriiMixa und erkennt in dem Texte des
Sangermanensis eine Berichtigung der Vulgate nach dem
Urtexte, ohne einen Schatten von Grund. Für die Textes-
kritik ist daher wenig geleistet worden, ausgenommen etwa
die schlagende Verbesserung von 11, 23 durch Interpunktion
hinter duo. Bei der Deutung wird ausgegangen von der Zeit-
bestimmung 3, 1 anno trigesimo ruinae civitatis, die auf die
wirkliche Abfassungszeit des Buches zwar gehen kann, aber
nicht gehen muss. Zu letzterer Annahme hält sich der Ver-
fasser durch die Wiederholung der 30 Jahre als Dauer der
Unfruchtbarkeit des W^eibes Sion 9, 43 f. berechtigt, ohne zu
bedenken, dass er auf diese Weise ganz Disparates zusammen-
wirft; diese Unfruchtbarkeit endet ja mit der Geburt des
Sohnes, worunter nach 10, 46 der Salomonische Tempelbau
zu verstehen ist, und dann stirbt dieser Sohn, d. h. der
Tempel wird zerstört; zum Ueberfiusse werden die 30 Jahre
der Unfruchtbarkeit 10, 45 f. nach den unzweideutigen Spuren
von Aethiop. Arab. und Sang, für die 30 Jahrhunderte von
Adam bis Salomo erklärt^ während welcher der Tempel noch
nicht stand. Diese Angabe giebt, verbunden mit der Be-
stimmung der Weltperioden 14, 11 und mit der in dem
Buche vorausgesetzten Zeit des Esra eine sichere Hand-
habe, die Abfassungszeit des Buches zu bestimmen; diese
ist allerdings bisher nur ungenügend benutzt worden, wenn
aber der Verfasser unter Ignorirung des Salomo und der
206 ANZEIGE VON VOLKMAR,
echten Lesart 10, 45 f. alle y^Hallacinationeu^^ über die Welt-
perioden S. 19 kurz abweist, so sieht dieser Trumpf in der
That danach aus, als sei er nur zur Bemäntelung der eigenen
Bequemlichkeit ausgespielt worden. Der Verfasser übersetzt
frisch weg „im 30. Jahre der Zerstörung des Tempels'^, und
dieses Quid pro quo ist für ihn entscheidend, um die Ent-
stehung des Esrabuches nach Titus zu setzen. Das sicherste
aller Kriterien, die bestimmte Hinweisung auf die Zeit der
Idumäischen Herrschaft über Israel 6, 9, wird S. 27 nur
obenhin berührt und mit der Bemerkung abgefertigt, dass
Agrippa U. und Berenike, die bis zum Ende des ersten Jahr-
2hunderts reichen, eben so gut gemeint sein können als
Herodes; als wenn nach der Verwandlung Judäas in eine
römische Provinz noch mit irgend welchem Scheine Ton
einer Herrschaft Edoms, der das messianische Reich Jakobs
auf dem Fusse folgen werde, hätte die Rede sein können!
Jene letzten Herodianer waren ja nur Schattenkönige, die
noch dazu vom judischen Lande bloss einige Grenzgebiete
innehatten. Gegen die Hilgenfeldsche Deutung von 13, 31
auf die Bürgerkriege vor der Schlacht bei Aktion wird der
etwas kleinliche Einwand erhoben, dass hier nicht eigentlich
Volk gegen Volk aufgetreten sei, und statt dessen eine An-
spielung auf den zu erwartenden dacischen Krieg gewittert,
der für einen Juden schwerlich besondere Wichtigkeit hatte.
Der Verfasser lobt es S. 19 an Lücke, dass er das „Vexir-
räthsel^' von dem Adler für die Deutung ziemlich unerheb-
lich fand, handelt aber nicht nach diesem Grundsatze; denn
seine Hypothese, dass das Esrabuch unter Nerva verfasst
sei, erhält eine Art von Stütze erst durch die neue hier
aufgestellte Auslegung des Adlergesichtes, ohne welche sie
vollkommen in der Luft schweben würde. In diesem sind
die zwölf Federn und acht Federchen, die dann als zwölf
Könige und acht Gegen- oder Schattenkönige gedeutet wer-
den, von Alters her eben so viele cruces interpretum gewesen;
der Verfasser wirft mit einem Schlage sechs grosse und vier
kleine Könige über Bord; wie, das kann man S. 50 lesen:
„Hört man die Vision selbst und allein, so versteht es sich
DAS VIERTE BUCH ESRA. 207
ja fär jedes Kind sofort, dass man nicht mit je einem Fittig
fliegen kann, dass zu jeder fliegfähigen Schwinge ein Flügel-
paar gehört, eine Zweiheit von Flügeln.^) C'est tout! Und
wenn es nicht der Eindesverstand den tief Gelehrten sagen
konnte, so hätten sie doch so viel Geschmack sich bewahren
sollen/' Dass jedes Eind des Verfassers Auffassung billigen
wird, ist eine voreilige Behauptung, ein halbweg verständiges
Eind würde so argumentiren: „Die Federn fangen von der
rechten Seite an sich zu erheben (11, 12), folglich nicht zu-
gleich auch die der linken Seite, also müssen, wenn eine
Zweiheit gemeint ist, je zwei Federn einer nnd derselben
Seite gemeint sein; nun aber kann mit zwei Federn einer
Seite kein Vogel fliegen, also ist die Erklärimg falsch'^
Wendete dann der Verfasser ein: „liebes Eind, diese näheren
Bestimmungen sind nur da, um dich zu vexirenl^' so würde
der Eindesverstand dem tief Gelehrten sagen: „gut, aber
kann denn ein Vogel mit einem Federpaare fliegen, wenn
die fünf übrigen ruhen?'' Der denkende Mann aber würde
dem Verfasser einfach erwidern, dass es Alles eher als
Geschmack verräth, Naturgesetze auf ein Wappenthier an-
wenden zu wollen; doch — fair is foul and foul is fair!
Auf diesem Wege ergiebt sich nun dem Verfasser, dass die
sechs Federpaare die Eaiser von Cäsar bis Nero, die drei
folgenden Paare von Federchen Galba, Otho, Vitellius, die
drei Häupter Vespasianus und seine beiden Söhne, das letzte
Paar Federchen Nerva ist, und dass das Buch in Ende 96
oder Anfang 97 gehört. Die so wunderbar erzielten Resul-
tate sind denn auch wunderbar genug; Titus muss dem Ver-
fasser zu Liebe durch das Schwert fallen, die glückliche und
friedliche Regierung des Nerva wird zu einem regnum exile
et tumuUu plenum, der judenfreundliche Nerva ist ein Gegen-
stand der Geringschätzung seitens des jüdischen Sehers!
Doch dies Alles stört den Verfasser nicht, er findet viel-
mehr S. 54 die Enthüllung so schreiend leicht, dass die
Noth wendigkeit da gewesen sei, sie wieder möglichst zu
1) Man beachte, wie unter den Händen des Verfassers ans der
Feder ein Fittig, aus dem Fittig ein Flügel wird.
208 ANZEIGE VON VOLKMAB,
ver hüllen^ nnd dazu sei die Interpretatio mit ihren falschen
Zahlen da, — in der That eine wohlfeile Manier , lästige
Autoritäten wegzuschaffen! Doch möglicherweise wäre die
Sache nun wieder zu dunkel gewesen, daher vermuthet der
Verfasser, es sei vielleicht in der Originalhandschrift ,,durch
ein Strich lein durch dcidsxa und oxrco, sei es quer oder
horizontal, oder durch wirkliches Halbiren der Buchstaben'^
ein genügender Wink gegeben worden. Und wer dergleichen
vorbringt, wagt es, auf jeder Seite dem Leser seine „philo-
logische Methode '^ ins Gesicht zu werfen! Erstaunt fragt
man zum Schlüsse: „aber 96/97 schrieb man ja nicht tri-
gesimo, sondern vigesimo septimo anno ruinae civitatis?^^ Der
sich verhüllende Seher, lautet die Ausrede des Verfassers
3S. 57, musste sich so ausdrücken: „denn sonst hätte ja
Jeder sofort gesagt, also jetzt, unter Nerva''. Und wer der-
gleichen vorbringt, thut sich noch auf seine „in der Chrono-
logie begründete Kritik^' etwas zu Gute! Wir gestehen offen,
dass wir die vom Verfasser so sehr perhorrescirte Subjectivi-
tätskritik seiner Vorgänger dieser neuen, beispiellosen Sub-
jectivitätsunkritik bei Weitem vorziehen.
Referent wird seine Untersuchungen über das Esrabuch,
das fQr den Historiker kaum minder wichtig ist, wie für den
Theologen, geeigneten Ortes bekannt machen^ und muss sich
hier darauf beschränken, seine Ueberzeugung auszusprechen,
dass eine vernünftige Erklärung des Adlergesichtes so lange
unmöglich ist, als man darin einen integrirenden Bestandtheil
jener Schrift sieht; der von Noack, Ursprung des Ghristen-
thums S. 357 f. , gelieferte , vom Verfasser unbeachtet ge-
bliebene Nachweis, dass das Adlergesicht eine Interpolation
ist, ist der Ariadnefaden, der allein aus diesem Labyrinthe
hinausführt.
DAS VIERTE BUCH ESRA. 209
2.
Entgegnung.*) 175/176
Die Anzeige meiner Abhandlung über IV. Esra in Nr. 1
dieses Blattes belehrt mich von Neuem^ dass der zweite Theil
dieser Erörterung wohl den bestimmten Schranken einer aka-
demischen Monatsschrift Genüge geleistet hat, für Viele aber
noch mehr Demonstration hätte zu Dienst sein müssen.. In-
zwischen ist doch ihr nächster Zweck hinreichend erfüllt, so
weit die bisher vernommenen Urtheile lauten (ausser in diesem
Blatte^ in der Jenaer Zeitschrift für wissenschaftliche Theo-
logie und im Leipziger Repertorium). Es galt, einen schroffen
Angriff auf die ,,Religion Jesu^ zurückzuweisen^ welcher von
der neuesten jüdischen Apokaljptik gegen die dort gegebene
kurze Charakteristik der Esra -Apokalypse erhoben war; ein
grosses Versehen sei es, dass ich dem Bückgehen Lückes
(Einleitung in die Apok. Joh. ed. II) auf vorchristliche
Deutung des Esrabuches mich nicht gefügt hätte ^ auf Ent-
* stehung desselben am Ende des ersten christlichen Jahr-
hunderts beharrend und am Wenigsten ahnend, man werde
noch die Fähigkeit besitzen, für die Flügel und Flüglein an
dem Adler der fünften Vision in dem „griechischen Welt-
reiche der Ptolemäer" eine Unterkunft zu erreichen. Man
hat meiner antithetischen Erörterung zugestanden, wie höchst
unbegründet jener Vorwurf war; ja, fast zu schlagend hat
man sie gefunden ^ da auch der Referent dieses Blattes vor
lauter Evidenz oder^ wie er sagt, „Hohn'' (auf den Ptolemäer-
Flügel-Traum) am Ende ganz vergessen hat, dass ich ja nur
zu antworten hatte. — Durfte man aber auch so Befestigtes
wohl einfacher construiren, so hätte ich diesen Neubau doch
noch umständlicher erörtern sollen; das Repertorium hat
Bedenken behalten und diese haben sich bei dem Referenten
dahin gesteigert^ dass er mittelst einer (von meinem eigenen
*) [Literarisches Centralblatt 1859 S. 175/176.]
V. GüTBOHMiD, Kloine Schrifton. IL 14
210 ANZEIGE VON VOLKMAB, DAS VIERTE BUCH ESRA.
Textprincipe gebotenen) Textberichtignng in der vierten Vision
überhaupt eine neue Ansicht gewinnen zu können gehofft
hat, nämlich eine neue Berechnung, namentlich auch der
zwölf Weltalter, mit deren Einmünden inmitten des ersten
christlichen Jahrhunderts, nach der eigenen, nur rectificirten
Rechnung des Gegners, ich ganz genug hatte, was Referent
auch übersieht. Es leuchtet leicht ein, wie wächsern solche
Bestimmungen sind, mit denen man eben so gut auf 18 oder
8 V. Ch. oder 12 und 42 n. Gh., aber auch 90 und 102 n. Ch.
kommen kani), oder auch beliebig noch früher oder später.
Auch bedarf es wohl nicht der Erinnerung, welch' hals-
brechenden Ausweg der angehende Verfasser „aus dem
Labyrinth'' nämlich für seine Wünsche, die Messiasgedanken
dieses altjüdischen Buches vorchristlich zu machen, damit
sucht, dass er die chronologisch detaillirende Vision gerade,
als ihm absolut widersprechend geworden, ausmerzen will.
Je offener aber seine gegnerische Stellung Referent durch
Alles bezeugt hat, um so interessanter ist es, dass er meine
Ansicht im Grunde völlig bestätigt, nämlich diese Apokalypse
mit dieser fünften von mir zunächst textkritisch erörterten
Vision oder nach dem urkundlichen Texte aller Zeugen über-
haupt mindestens nach Domitian entstanden unumwunden
anerkennt. Dass dies nun auch weder unter Domitian selbst
der Fall ist (Gfrörer), noch unter Trajan (Lücke I.), sondern
gerade unter dem regnum exile des Nerva, dieser dvag avti-
jctSQvyCcDv^ die nach dem Sturze des höchsten und letzten
Flavischen Hauptes der Verruchtheit für den Juden noch
fortbesteht, aber nun bald zusammenbrechen soll, dies, denke
ich, wird den geäusserten Bedenken gegenüber auch schon
seine nähere Erläuterung finden, zugleich mit der Beleuchtung
von Lipsius' gleichzeitigem und ähnlichem Angriffe auf ein
anderes Moment der Ansicht, welche ich über die Josephos
noch unbekannten Apokrypha überhaupt zu begründen be-
gonnen habe. Je schärfer der Gegensatz, um so erheblicher
die Bewährung eines unangreiflichen, nämlich philologischen
Grundes.
Dr. Volkmar.
DIE APOKALYPSE DES ESRA ETC. 211
Da diese Erwiderung mich nur zum kleinsten Theile
trifft^ mir namentlich die theologischen Schulstreitigkeiten
nicht bloss gleichgiltig , sondern im Wesentlichen unver-
ständlich sind, so könnte ich den Herrn Verfasser einfach
auf die versprochene Begründung meiner Ansicht über
Esra IV. verweisen, will aber doch . einstweilen Folgendes
bemerken: 1) meine Wünsche gehen nicht dahin, das Buch
vorchristlich zu machen, sondern die Wahrheit zu finden;
2) wenn der Herr Verfasser meint, man könne mit den
Weltperioden auf sechs verschiedene Zeitpunkte zwischen
18 V. Ch. — 102 n. Ch. kommen, so sind das sechs Proben
experimentirender Chronologie, von denen ich nicht weiss,
wie ich sie mir erklären soll; wer alle chronologischen
Indicien des Buches berücksichtigt, dem ergiebt sich nur
eine Deutung, und das ist keine von den sechs, die der
Herr Verfasser zur Auswahl giebt; 3) ehe derselbe in
meiner Verwerfung des Adlergesichtes einen halsbrechenden
Ausweg sieht und daraus für seinen eigenen Einfall günstige
Schlüsse zieht, hätte er sich wohl fragen können: ob nicht
eine stricte Auslegung der Vision über die Zeit des frühesten
Gitates aus den echten Theilen des Esrabuches hinausführt?
ob nicht das Adlergesicht somit den Beweis der Unechtheit
in sich selbst trägt?
A. V. G.
3.
Die Apokalypse des Esra und ihre spateren Bearbeitungen.'^)
Die wichtigsten Vorarbeiten, die uns bei einer Unter-
suchung über die Apokalypse des Esra zu Hülfe kommen,
sind folgende: _ Lücke, Offenbarung des Johannes S. 144 —
212 (2. Ausg.). Noack, Der Ursprung des Christenthums
' *) [Zeitschrift für wissenschafbliche Theologie. Dritter Jahrgang.
(1860) S. 1—81.]
14*
212 DIE APOKALYPSE DES ESRA
I S.341— 363. Hilgenfeld, Die jödische Apokalyptik S.185—
242. Punkte, welche in diesen Werken meiner Ueberzeugang
nach erledigt sind^ werde ich nicht nochmals besprechen,
sondern mich mit einer einfachen Verweisung auf meine
Vorgänger begnügen. Von einer Polemik gegen Ansichten
derselben glaube ich der Natur einer solchen Untersuchung
nach absehen zu können: ist die neue Deutung eines apo-
kalyptischen Räthsels evident, so muss sie sich von selbst
Geltung verschaffen; ist sie es nicht, so ist mit der blossen
Negirung wenig gewonnen.
I. Der Anhang Cap. 15. 16.
Ich beginne mit der Prüfung der anerkannt spätesten
Bestandtheile des Esrabuches, der nur in der lateinischen
Uebersetzung erhaltenen Cap. 1 — 2 und 15 — 16, um so fttr
2 den Kern des Buches eine sichere Grenze nach unten zu
gewinnen, und zwar gehe ich von dem Stücke 15 — 16 aus,
welches bestimmtere chronologische Merkmale enthält. Es
}st geschrieben von einem Christen in Aegypten (Lücke
S. 186. 212). Die äusseren Indicien der Abfassungszeit
helfen uns wenig: die Apokalypse wird darin nachgeahmt
(Lücke S. 186); wichtiger ist, dass Ambrosius (374 — 397
V. Ch.) die lateinische Uebersetzung auch dieses Stückes
kennt (15, 50 vgl. mit Ambr. ep. 29. IL col. 909 E).
Der Schlüssel ist offenbar in der visio horribilis 15,
28 — 33 gegeben. Hier wird ein Kampf zwischen Arabern
und Carmoniern in Assyrien geschildert, und zwar so de-
taillirt, dass eine wirkliche Prophezeiung künftiger Dinge
nicht wohl anzunehmen ist; gesetzt aber selbst, es läge eine
solche hier vor, so mussten doch die politischen Verhältnisse
der Art sein, dass der Gedanke an einen solchen Kampf
nahe lag. Nun aber sind die Araber vor den Zeiten des
Islams nur ein einziges Mal erobernd über die Grenzen
Arabiens vorgedrungen und in die Nähe Assyriens ge-
kommen, nämlich zur Zeit des Palmyrenischen Reiches.
Odänathos, der Gründer desselben, bekleidete zugleich die
UND IHBE SPAETEREN BEARBEITUNGEN. 213
Würde eines Decurio in Palmyra und die eines Fürsten der
mit den Römern verbündeten arabischen Nomadenstämme
längs des Euphrat (Lenain de Tillemont, Histoire des em-
pereurs III S. 958); er selbst war ein Araber*) und Araber
bildeten die Hauptmacht seines Reiches. Hiermit haben
wir festen Boden gewonnen ^ sind aber auch in eine Zeit
geführt; die, von den unzuverlässigsten Gewährsmännern am
lückenhaftesten überliefert, eine der dunkelsten in der Welt-
geschichte ist; die Deutung im Einzelnen hat daher sehr
grosse Schwierigkeiten.
Das Heidenthum wird noch als bestehend gedacht; zur 3
Zeit, als dieses Stück geschrieben ward, wurde die Christen-
heit vorzüglich in Aegypten blutig verfolgt (Lücke a. a. 0.).
Zur Strafe wird dem ganzen Erdkreise von dem Propheten
Schwert, Hunger, Tod und Verderben angesagt (15, 5),
Aegypten speciell aber mit einem neuen Auszuge des Volkes
Gottes und den davon unzertrennlichen Landplagen bedroht
(15, 11): die Saaten sollen den Landleuten verderben, die
Fruchtbäume von übermässiger Gluth, Hagel und schreck-
lichen Blitzen^ verwüstet werden (15, 13). Der Auszug
aus Aegypten Seitens des christlichen Verfassers kann nicht
gut anders als symbolisch gemeint sein, um die Errettung
aus den Händen der heidnischen Herrscher zu bezeichnen;
daher werden auch die damit verbundenen Strafgerichte sich
in typischen prophetischen Bildern bewegen, werden als zu-
künftig gedacht sein, nicht auf schon Geschehenes Bezug
nehmen. Allerdings scheint aber Letzteres der Fall zu sein
in dem an die Strafandrohungen geknüpften Weherufe über
die Welt 15, 14 — 45. Dieser Weheruf wird durch zahlreiche
Anspielungen auf Ereignisse begründet, die sichtlich geschehen
1) OdäDathos ist der Odzeina des Hamza (S. 96 ed. Gottwaldt);
ob Zenobia eine HellenisiruDg von Zeioab oder Zeinab eine Arabisirung
▼on Zenobia ist, wage ich nicht zu entscheiden.
2) Das häufig vorkommende sidua lässt sich nur aus der Bedeutung
„schädlicher Einfluss der Witterung" erklären, aber auch so noch ge-
zwungen; man erwartet überall ein Wort wie Gewitter oder Blitz.
Yermuthlich hat der Uebersetzer aax^anr^ und aetgov verwechselt.
214 DIE APOKALYPSE DES ESBA
sind; nicht erst erwartet werden; denn hier trägt Alles eine
sehr concrete, anschauliche Farbe; auch fallt der Prophet
einmal halb und halb aus seiner Rolle, indem er y. 27 sagt:
„iam enim venerunt super orbem terrarum malaj et manebüis
in Ulis". Zu ermitteln, wo innerhalb dieses Abschnittes die
Vaticinatio post eventum aufhört, ist von- Wichtigkeit und
nicht so verzweifelt, wie Lücke meinte. Man beachte nur,
dass y. 40 ff. die schon vorher im Allgemeinen angedrohten
Strafen, Blitze, Feuer und Hagel, wiederkehren und diesmal
4 nur mehr ausgemalt werden. Dieses äussere Merkmal, dass
hier die eigentliche Prophezeiung anhebt, wird durch den
Inhalt der letzten Bilder dieser Vision bestätigt Noch die
Wolken v. 34 ff., die Blutvergiessen bedeuten, werden geo-
graphisch beschränkt, von da an aber wird Alles ganz ver-
allgemeinert, und aus den Wetterwolken kann sich der
Prophet gar nicht mehr herausfinden. Zuerst kommen
Regen im Norden und Süden und ein neues Gewölk im
Westen, dessen verderblichen Inhalt die Winde des Ostens
entladen^); mit anderen Worten, Wetter von allen vier
Himmelsgegenden. Die neuen „grossen und schweren Wol-
ken voll Zorn und Blitze^)'' sollen Blitz, Feuer, Hagel,
sausende Schwerter und vieles Wasser bringen, Alles ver-
wüsten und endlich bis Babylon andringen und es zerstören.
Bis hierher könnte man nur an Elementargewalten denken;
nachdem aber die Zerstörung ausgemalt worden, heisst es,
die Ueberlebenden würden den Urhebern des Schrecknisses
dienen, wobei man vielmehr eine Vernichtung durch Men-
schenhand voraussetzen möchte. Der scheinbare Wider-
spruch löst sieh durch die Annahme, dass der Verfasser hier
1) Die portio alia^ welche die Ostwinde aufschliessen sollen, ist
unsinnig: ich zweifle nicht, dass im Urtexte vitpog in i^ii^og verschrieben
war. Im Folgenden ist nach eam zu interpungiren ; es stand non im
Griechischen xal to vi(pog im Nominativ, was der Uebersetzer miss-
verstand und durch et nubem wiedergab. Endlich ist viöläbitur ffir
violäbtt verschrieben.
2) Sidus ist mit plenae zu verbinden, wie v. 13 et a sidtis teni-
bile (Codex Sang.).
UND fflEE SPAETEREN BEARBEITUNGEN. 215
himmlische Heerschaaren im Auge hat. Hier also bewegen
wir uns sicher nicht mehr auf geschichtlichem Boden; zum
Ueberfluss wurde Rom — denn das ist das apokalyptische
Babylon (Lücke a. a. 0.) — damals bekanntlich nicht zer-
stört. Hiernach ist es am Wahrscheinlichsten; dass mit v. 37
der geschichtliche Boden verlassen wird und dass der Prophet
zu einer Zeit schrieb, wo Rom von allen Seiten so bedrängt 5
ward; dass Jedermann dessen baldigen Untergang erwartete.
In einer solchen Lage aber war Rom wenn je unter der
Regierung des Gallienus.
Um auf das Einzelne überzugehen, so beginnt die Pro-
phezeiung damit; dass Volk gegen Volk aufstehen werde
zum Kampfe. Da der Seher vorzugsweise den ihm näher
liegenden Orient im Auge hat, so wird hierbei an die Kriege
zwischen Romern und Gothen in den Jahren 253, 255; 258;
259—263; 266, 269—270 und zwischen Römern und Persern
256 und 260; sowie an die von Odänathos bis an seinen
Tod (266) mit Persien geführten Kriege zu denken sein.
Ferner*), heisst es, wird sein Zwiespalt {inconstahilitio , d. i.
aövötaöia) unter den Menschen und die Einen werden über
die Anderen die Obermacht gewinnen und werden sich nicht
um ihren Konig kümmern noch um die Wegweiser ihrer
Handlungen {principes viae, d. i. rjysiiovag rijg odov), wegen
ihrer Macht. Der König (ßaöLXsvg) ist Gallienus, der wegen
seiner Duldsamkeit von den Christen begünstigt wurde (Dio-
nysios bei Euseb. Hist. eccl. YII, 23), die Wegweiser sind
die gesetzlichen Obrigkeiten, namentlich die Statthalter in
den Provinzen {praesides, riyefwvsg)] unter denjenigen, die
sich in potentia sua um den Herrscher nicht kümmern und
Macht erlangen; sind deutlich genug die sogenannten 30 Ty-
rannen bezeichnet. Hier sind vorzüglich die in Aegypten
auftauchenden Gegenkaiser ins Auge zu fassen. Der ErstC;
der sich hier gegen Gallienus empörte, war Macrianus mit
seinen beiden Söhnen Macrianus dem Jüngeren und Quietus;
1) Enim dient hier und in den folgenden Versen, wie öfters im
spätesten Latein, lediglich sar Verknüpf nng der Sätze, entsprechend
griechischem 9i,
216 DIE APOKALYPSE DES ESRA
ihre Herrschaft dauerte ein Jahr (261—262); und vor Ostern
262 kehrte Aegypten auf kurze Zeit unter die Botmässigkeit
6 des Gallienus zurück (Dionysios a. a. 0.). In den Jahren
262 und 263 erwähnt Trebellius Pollio (Gallien. 5. 9) den
Usurpator Aemilianus als Herrscher von Aegypten. Er kann
nicht ganz kurze Zeit regiert haben, denn er sicherte die
Thebais gegen die Einfalle der Barbaren und befestigte sich
so sehr, dass er an einen Zug gegen die Inder (wohl die
Abyssinier) denken konnte. Die Münzen des Gallienus, deren
Alexandrinische aus jedem Jahre da sind, verbieten uns aller-
dings, sie bis zu zwei Jahren auszudehnen; V/^ Jahre bis
Ende 263 oder Anfang 264 wird man ihm getrosfc geben
können. Theodotos, der Feldherr des Gallienus, bezwang
ihn und schickte ihn gefangen an Gallienus, der ihn hin-
richten liess. Auf die Ausgänge des Aemilianus ist mit
Sicherheit die langwierige Belagerung des Brucheions durch
die Romer zu beziehen, welche Euseb. Hist. eccl. YII, 32
erwähnt.^) Gallienus scheint von nun an Aegypten bis an
seinen Tod ungestört besessen zu haben; im Sommer 268
aber taucht in Aegypten ein neuer Usurpator, Domitianus,
auf^), und diese abermaligen Wirren ermuthigten die Pal-
1) Dies ist darch Tillemont III S. 11S3 erwiesen worden. Diese
Belagerung ist verschieden von der unter Aurelianns, die mit der
völligen Zerstörung dieses Stadttheiles endigte (Amm. XXII, 16, 15).
Eusebios in der Chronik setzt sie in das Jahr 2287 Abr.*), welches
bei ihm dem ersten des Claudius entspricht. Daraufhin haben Neuere,
die mit einer einzigen Belagerung auskommen zu können meinen, diese
in das Jahr 269 gesetzt und auf den Krieg mit den Palmyrenem be-
zogen; allein bei Eusebios ist das Jahr nach Abraham das massgebende
und das Jahr 2287 ist = 272 n. Chr., in welchem Aurelianus den Krieg
mit der Zenobia eröffnete und den Probus nach Aegypten schickte.
2) Die Münzen lehren, dass Domitianus in dieser Zeit vor und
nach einem 29. August in Aegypten geherrscht hat. Dass er nicht
unter Aurelianus gelebt haben kann und dass er mit dem Feldherrn
des Aureolus, den Treb. Pollio Trig. tyr. XI, 12 erwähnt, identisch ist,
habe ich zu Sharpes Geschichte Egyptens II S. 191 bemerkt. Ihn unter
*) [2286 nach fiieronymus. Vgl. übrigens zu dieser ganzen Note
Band I S. 476. F. R.]
UND IHRE SPAETEREN BEARBEITUNGEN. 217
my rener zu einem Angriffe auf Aegypten. Der des Jahres 7
269 misslang^ und so lange Claudius herrschte , blieb das
Land römisch. Im Jahre 270 aber bemächtigte sich Zenobia
Aegyptens und beherrschte es für ihren Sohn Uaballathos
bis an ihren Sturz 273.*) Dieser üeberblick lehrt zur
Genüge^ dass das alii aliis invalescentes des Sehers für diese
Zeiten buchstäblich wahr ist. Dann heisst es weiter: ;;Der
Mensch wird darnach trachten in die Stadt zu gehen und
es nicht vermögen". Diese dunkeln Worte sind am Ein-
fachsten so zu erklären^ dass die Landleute vor der Kriegs-
gefahr Schutz in der Stadt suchen^ sich aber in ihrer Hofihnng
auf personliche Sicherheit getäuscht sehen werden. ,,Denn
— heisst es — wegen ihres (nämlich der Machthaber) Hoch-
muthes werden die Städte in Verwirrung sein^ die Häuser zer-
stört werden, die Einwohner in Furcht schweben". Worauf
sich das bezieht^ wissen wir aus Briefen des Dionysios (bei
Euseb. Hist. eccl. YII^ 21). Zu Ostern 261 war nämlich
Alexandrien (die nokig vorzugsweise^ wie Rom urbs, Athen
atixv) im Zustande des Aufruhrs, der die ganze Bevölkerung,
auch die Christen,' in zwei feindliche Lager theilte: der Ver-
kehr zwischen den einzelnen Stadtvierteln war völlig ab-
geschnitteU; der Nil schwamm ununterbrochen von Blut und
ermordeten oder ersäuften Menschen. Diese Unruhen gingen,
wie die Zeitrechnung beweist, der Erhebung des Macrianus
unmittelbar voran und leiteten sie ein; ähnliche Zustände
mQssen während der langwierigen Belagerung des Brucheions
(263 — 264) wiedergekehrt sein. In der prophetischen Schil-
derung heisst es weiter: „Die Menschen werden sich so wenig
ihres Nächsten erbarmen, dass sie mit dem Schwerte in der
Hand ihre Häuser vertilgen und ihre Habe plündern werden,
wegen Mangels an Brod und vieler Drangsale'^ Hier haben
wir also Verwilderung in Folge einer Hungersnoth. Eine
solche aber begleitete den von Dionysios beschriebenen
Gallienns zn setzen, ist misslich, weil er unter den 30 Tyrannen nicht
genannt wird; so ist denn nur unter Claudius Platz für ihn. Wahr-
scheinlich empörte er sich nach dem Tode des Aureolus.
*) [Vgl. Band I S. 476. F. R.]
218 DIE APOKALYPSE DES ESRA
Bärgerkrieg, wie er selbst bei Euseb. Hist. ecci. VII; 22 er-
8 zählt. Die abermalige Hungersnoth, die während der Be-
lagerung des Bracheions eintrat, beschreibt Eusebios Hist.
eccl. VII, 32.
„Siehe, ich rufe, spricht Gott, alle Eonige der Erde auf,
sich zu rQhren, alle die da sind im Osten und im Süden, im
Südosten und im Südwesten^), dass sie sich untereinander
zusammenthun und zurückverlangen'), was sie ihnen (den
Römern) einst gegeben haben! Was sie bis auf den heutigen
Tag meinen Auserwählten zu Leide thun, das will ich ver-
gelten und es ihnen zu Haus und Hof kommen lassen. So
spricht Gott der Herr!'' Da Eurus bisweilen den Ostwind
bezeichnet, so könnte man auf den Gedanken kommen, dass
Eurus und Lihs nur tautologisch zur anderweitigen Bezeich-
nung des .Ostens und Südens gesetzt wären: allein wo kiif}
einen der vier Hauptwinde vertritt, kann nur der Westwind
gemeint sein. Also ist die Stelle buchstäblich zu verstehen,
und diese buchstäbliche Auffassung lässt sich aus der Ge-
schichte jener Zeiten durchweg rechtfertigen. Die Könige
des Ostens, die das Ihre zurückverlangen, sind die Sasaniden,
die bekanntlich auf alle römischen Provinzen bis an das
schwarze und ägäische Meer als Erbtheil der alten persischen
Könige Anspruch machten (Tillemont, Histoire des empereurs
III S. 363), Prätensionen, an deren Realisirung bei den grossen
Erfolgen, die Yalerians Gefangennahme (260) den Persem
verschaffte, in der That nicht viel fehlte. Die Könige des
Südostens sind die Palmyrener, die sich zwar als Verfechter
Roms geberdeten, thatsächlich aber auf den Trümmern der
römischen Herrschaft im Orient ein neues syrisch-arabisches
Reich gründeten und erst im Jahre 264 Seiten Roms noth-
gedrungen anerkannt wurden. Ueber die Könige des Südens
(bei der Orientirung ist immer festzuhalten, dass der Schrei-
ber im Osten des gleiches lebt, nicht in Rom), über diese
9 klärt uns Treb. Pollio Trig. tyr. XXI, 22 auf, nach welchem
1) Statt a Lihano ist herzustellen a Liba^ wörtlich übersetzt aus
nqo^ Aißa.
2) Der ZaBammenbang verlangt für reddere ein Wort wie dnaitB^v,
UND IHBE SPAETEBEN BEARBEITUNGEN. 219
der Tyrann Aemilianus Alexander die Thebais und ganz
Aegypten durchzog und, so gut er konnte, die Barbaren-
stamme mit starker Hand zurückdrängte. Diese Barbaren
sind keine anderen als die Blemmyer, deren Einfalle in
Oberägypten um diese Zeit begannen, sich unter Aurelianus
und Probus in grosserem Massstabe erneuerten und endlich
unter Diocletianus die Abtretung eines Theiles von Ober-
ägypten an die Nubier zur Folge hatten. Was endlich die
Eonige nq/oq j^ißa^) betrifft, so wissen wir aus dieser oder
einer wenig späteren Zeit von Kämpfen der Romer mit den
Marmariden in Libyen (Vopisc. Probus 9), in denen sich der
spätere Kaiser Probus auszeichnete^). Dieser Völkerandrang
wird als Strafe für die Ghristenverfolgung aufgefasst, unter
der nur die Valerianische gemeint sein kann. Diese hielt
SVg Jahre an (257—260); durch das Toleranzedict des Gal-
lienus wurde die allgemeine Verfolgung eingestellt, in den
Provinzen aber, die Macrianus, dem Urheber der Massregeln
Valerians gegen die Christen, gehorchten, dauerte sie fort,
wenn auch mit geringerer Heftigkeit (Tillemont III S. 789).
Nach einer lebhaften Ausmalung des göttlichen Zornes lo
und der Bestrafung derer, die unschuldiges Blut vergiessen,
wird uns v. 28 ein neues Gesicht vorgeführt, eine schreck-
liche Vision, zu schauen im Osten. „Es werden ausziehen
Volker arabischer Drachen in vielen Wagen, und so fährt
1) Die natürlichste Ableitung des Wortes A^ijj ist die von yiißvij,
die Römer geben es daher ganz richtig durch Africus wieder.
2) Vopiscas hat im vorhergehenden Kapitel den Aorelianua er-
wähnt, weshalb Sharpe, Geschichte Egyptens II S. 191 (deutsche Ueber-
setzong) den Vorfall in dessen Begierungszeit setzt; allein schon Tille-
mont III S. 1129 hat gesehen, dass in der Aufzählung der Thaten des
Probus vor seiner Thronbesteigung die Zeitfolge durchaus nicht ein-
gehalten ist. YopiscuB sagt, Probus sei nach dem Siege über die
Marmariden von Libyen nach Karthago gegangen und habe dies aus
den Händen der Rebellion befreit. Nun wissen wir aus dieser ganzen
Zeit nur von einem einzigen Aufstande in der Provinz Africa, dem
des Celsus (denn der Anschlag des Memor ward noch vor dem Aus-
bruche erstickt). Er erfolgte unter Gallienns; genauer ist die Zeit
nicht bekannt. Es steht nichts im Wege, ihn mit dem von Yopiscus
gemeinten zu identificiren.
220 DIE APOKALYPSE DES ESRA
>
der Hauch derselben vom Tage ihres Aufbruchs an über die
Erde, dass bereits Alle, die sie horen^ sich fürchten und
zittern. Die Carmonier, rasend vor Zorn, werden auch ihrer-
seits hervorbrechen (et exieni, xal avtol i^sXevöovtai)^ wie
Eber aus dem Walde , und werden mit grosser Macht an-
kommen und einen Kampf mit jenen beginnen und einen
Theil des Landes der Assyrier verwüsten, und nach diesem
werden die Drachen ihrer Geburt eingedenk^) die Oberhand
gewinnen und sich einmüthig mit grosser Macht auf ihre
Verfolgung begeben. Jene werden in Verwirrung gerathen
und vor ihrer Macht verstummen und werden ihre Füsse zur
Flucht wenden, und vom Gebiete der Assyrier wird ein
Lauerer ihnen einen Hinterhalt legen {subsessor obsiäebit eos,
inißovXog iq)edQ6v6€v avrotg) und Einen von ihnen vernichten,
und Furcht und Zittern wird in ihrem Heere und eine Zu-
sammenrottung (constantia, 6v6ta6ig) wider ihre Eonige
sein.'' Garmonii ist kein Volksname, es ist dafür mit einer
sehr leisen Aenderung Garmani herzustellen, wie Lücke S. 185
richtig gethan hat. Earmanien war damals im Besitze der
ilSasaniden, deren erste Eroberung dieses Land war'); es
gehörte ihnen schon vor dem volligen Sturze der Arsakiden.
Earmanien kann also nur eine Bezeichnung der Sasaniden
nach einem der Ursitze ihrer Macht sein. Um zu ermitteln,
was für ein Erieg zwischen Palmyrenern und Persem hier
gemeint ist, ist ein kurzer Ueberblick über die Verhältnisse
beider Mächte nöthig. Ein solcher ist durch den Mangel
an Zeugnissen überhaupt und vor Allem an datirten Zeug-
1) Weil Dämlich der Drache stärker ist als der Eber.
2) Artaxares I. eroberte, von Persis ausgehend, Earmanien und
iddtete dessen Herrscher Paläsch (S. de Saey, Mämolres sar diverses
antiquit^s de la Perse p. 276). Neben dieser offenbar historischen Dar-
stellang hat sich bei Firdnsi auch eine mythische Version desselben
Ereignisses erhalten, nach welcher Artaxares dort den Heftw&d und
seine Söhne erschlug, die im Besitze des Glückswurms waren. Dass
für jene nrir Mirkhond Garant ist, kann bei der rein zufälligen Art,
wie die Schätze der orientalischen Geschichtsschreibung bisher publicirt
11 worden sind, nicht Wunder nehmen. Später, vermuthlich unter einem
der drei ersten Yaranes, ging Earmanien wieder verloren.
UND IHRE SPAETEREN BEARBEITUNGEN. 221
Bissen sehr erschwert; Folgendes kann als gesichert betrachtet
werden. Nach der Gefangennahme Yalerians überschwemmten
' die Perser unter ihrem Eonige Sapores den ganzen Orient:
sie eroberten Mesopotamien und durchzogen verheerend Syrien
und Eilikien. Hier fiel Tarsos in ihre Hände; als sie aber
Pompejopolis belagerten^ schlug sie der romische Feldherr
Ballista aufs Haupt und rieb bei Sebaste und Eorykos andere
persische Heeresabtheilungen auf. Im Einverständniss mit
Ballista erhob sich jetzt auch Odänathos von Palmyra, von
Sapores beleidigt, gegen die Perser, so dass diese den Rück-
zug antreten mussten. In der Euphratensis (Eommagene)
überfiel sie Odänathos und brachte ihnen eine totale Nieder-
lage bei, wodurch Sapores in solche Bedrängniss kam, dass
er sich von der romischen Besatzung in Edessa mit einer
Geldsumme den ungehinderten Rückzug erkaufen musste;
sein Harem fiel dem Ballista oder dem Odänathos in die
Hände. Die grossen Erfolge der Perser gehören in den
Spätherbst 260, das Auftreten des Odänathos in das folgende
Jahr. Die griechischen und römischen Quellen erwähnen
ihn bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal; aus jüdischen
(bei Grätz, Geschichte der Juden IV S. 332) wissen wir, dass
Odänathos oder, wie die Juden ihn nennen, Eaiser Papa ben
Nazar^) schon früher mit sarazenischen Banden in Judäal2
und den Nachbarländern bis Babylonien raubend und ver-
heerend umherzog und im Jahre 259 den uralten Mittel-
punkt der babylonischen Juden Nahardea zerstörte. Nach
den Erfolgen über Sapores überschritt Odänathos die per-
sische Grenze, eroberte Earrä und Nisibis, bemächtigte sich
ganz Mesopotamiens und belagerte sogar Etesiphon, kehrte
aber wegen des Umsichgreifens des Macrianus um. Als
Odänathos wieder in Syrien ankam, war Macrianus bereits
nach Europa abgezogen (Anfang 262); Odänathos tödtete
seinen jüngeren Sohn Quietus und nahm Emesa in Besitz.
1) Die von Grätz IV S. 334 gebilligte VermuthuDg, dass beide
identisch sind, wird zur Gewissbeit durch die iDSchrifb im C. I. Gr.
Nr. 4607, welche uns den Nasör^s (Nazar) als Ahnen des Odänathos 12
kennen lehrt. Papa wird ein Ehrenname wie Sheikh sein.
222 DIE APOKALYPSE DES ESBA
Gallienus erkannte ihn 264 als Kaiser des Orients an, und
Odänathos ergriflf von Neuem die Offensive gegen die Perser
und eroberte diesmal sogar Etesiphon. Die Verheerungen
der Gothen riefen ihn nach Eleinasien^ er eilte durch Eappa-
dokien nach Herakleia, traf aber die Feinde nicht mehr an
und wurde unmittelbar darauf in Emesa mit seinem ältesten
Sohne und Mitregenten Herodes ermordet (um den 23. Nov.
266).') Seine Nachfolgerin Zenobia stellt sich wieder auf
guten Fuss mit Persien: in ihrem Eriege mit Aurelianus
13 kämpften persische Hülfsvolker auf Seite der Palmyrener
(Vopisc. Aurelian. 28). Dürfte man mit Lücke S. 185 das
eos auf die siegreichen Araber beziehen, so würde m^n nicht
umhin können, in dem Laurer den Bruderssohn und Mörder
des Odänathos Mäonios, in dem unus ex Ulis den Odänathos
selbst zu erkennen und die ,, Zusammenrottung wider ihre
Eonige'^ auf die Usurpation des Mäonios und den Militär-
aufstand, in welchem er gestürzt ward, zu beziehen. Diese
Deutung ist grammatisch zwar nicht unmöglich, auf jeden
Fall aber fernliegend; das Einfachste ist, eos auf die im
Verse vorher erwähnten Perser zu beziehen und diese Auf-
fassung wird durch den Gedankengang bestätigt, die Worte
a territorio Assyriorum v. 33 nehmen sichtlich Bezug auf das
V. 30 Erzählte, dass die Earmanier einen Theil Assyriens
verwüstet hatten; beim Verlassen des assyrischen Landes
1) Die alexandrinischen Münzen lehren, dass Zenobia in dem
ägyptischen Jahre 29. Ang. 266/28. Ang. 267 die Regierung antrat,
das genauere Datum entnehme ich jüdischen Qnellen. In der Megillat-
Taanit heisst es nämlich nnter dem Eislev: „der siebente ein Fasttag,
weil an ihm Hörödas, ein Feind der Weisen, starb; denn es ist eine
Freude vor Gott, wenn die Bösen scheiden." Diese Tradition ist, an-
erkannt falsch , auf Herodes den Grossen bezogen worden (vgl. Ideler,
Handbuch der Chronologie II S. 898); ich zweifle nicht, dass der Pal-
myrenische Herodes oder (wie der Name auf Palmyrenischen Inschriften
lautet) OvoQi69fig gemeint ist, der durch seine Ausschweifungen sich
und seinen zu nachsichtigen Vater verhasst gemacht hatte (Treb. Pollio
Trig. tyr. XVI, 17). Die Juden hatten überdies noch — es ist nicht
reght klar, warum — eine specielle Malice auf die Palmyrenische
Regierung (Grätz lY S. 886): „Israel", sagte Rabbi Juda, „müsse einen
neuen Festtag einführen, wenn Tadmor zerstört wird/'
UND IHRE SPAETEREN BEARBEITUNGEN. 223
trifft sie der unerwartete Sehlag. Endlich komxnt dazu noch
eine Erwägung allgemeinerer Natur. Der Prophet ist Aegy-
pter und hat immer vorzugsweise Aegypten im Auge: ein
grosser "Sieg der Palmyrener ging Aegypten allerdings nahe
an, indem man in Folge eines solchen erwarten musste, dass
die Palmyrener einen Angriff* auf dieses Land machen würden:
geriethen aber die Palmyrener nach ihrem Siege in Ver-
wirrung und innere Zwistigkeiten, so war für den Augen-
blick von ihnen Nichts zu befürchten. Was hätte es also
in aller Welt für einen Sinn, dass der Verfasser, dessen An-
deutungen sonst überall dunkel und allgemein gehalten sind,
gerade nur bei dieser einen Vision eine Ausnahme machte,
wenn diese für Aegypten ganz gleichgültig war? Wir müssen
demnach in dem ums ex Ulis einen persischen Heerführer,
in dem Laurer irgend einen Feind des Sapores und in der
ganzen Stelle eine Anspielung auf eine uns nicht näher
bekannte Episode des Krieges zwischen Sapores und Odäna-
thos erkennen.') Was den Schauplatz betrifft, so kann As- 14
Syrien im engeren Sinne nicht gemeint sein, weil dies per-
sisch war und die Perser nicht ihr eigenes Land verwüstet
haben werden; davon, dass Odänathos in diese Gegend vor-
gedrungen sei, findet sich keine Spur. Im weiteren Sinne
bedeutete Assyrien bis hinein in die Sasanidenzeit die Eu-
phrat- und Tigrisländer, soweit diese nicht zum römischen
Reiche gehorten (vgl. Kiepert, Erläuternde Bemerkungen
zum Atlas der alten Welt § 38 [§ 37 der 11. Aufl.]); diese
1) Domninos bei Jo. Malala XII p. 296 erzählt: als Sapores ver-
heerend bis Emesa vordrang, sei ihm der dortige Aphroditepriester 14
Sampsigeramos mit einer Schaar Banern unter dem Scheine einer
Gesandtschaft entgegengekommen und während der YerhaudluDgen
habe ein Bauer den Sapores mit einem Schleuderstein vor die Stirn
getroffen und todt niedergestreckt, worauf die Perser in verwirrter
Flucht abgezogen seien. Malala setzt den Vorfall in das Jahr 256;
allein damals zogen die Perser mit ihrer Beute ungehindert durch
Eappadokien heim. Ist etwas Wahres daran, so könnte es nur 260
geschehen sein; allein da Sapores erst 273 starb, so müsste für ihn
ein persischer Heerfahrer snbstituirt werden: die Geschichte ist zu
apokryph, um viel darauf zu bauen.
224 DIE APOKALYPSE DES ESRA
Bedeutung ist hier die allein passende^ wir wissen, dass
Odänathos Mesopotamien^ dessen südlicher Theil zu Assyrien
gerechnet zu werden pflegt^ den Persem entrissen hatte.
Namentlich wird hier an das von Arabern bewohnte Hatra
zu denken sein, welches frühestens 255 in die Hände der
Sasaniden gefallen war und wo die persische Herrschaft
noch nicht Zeit gehabt hatte, sich zu befestigen. Der in
der Vision geschilderte gewaltige Aufbruch der Araber kann
nur das erste Auftreten der Palmyrener im Jahre 261 be-
zeichnen. Dass die Perser in Folge der Verwickelungen in
Syrien und des durch dieselben veranlassten Abzugs des
Odänathos (Anfang 262) Luft schöpften und wieder einen
Versuch machten, die Offensive zu ergreifen, ist natürlich;
nur darf man sich dafür nicht mit Clinton auf eine Stelle
der Chronik des Hieronymus berufen und die Einnahme von
16 Mesopotamien, von Syrien und sogar von Antiochien in das
Jahr 262 setzen: Hieronymus hat die Notiz aus Eutrop.
IX^ 8 entlehnt (der dort die Ereignisse des Jahres 256 im
Auge hat) und seiner Gewohnheit nach in ein beliebiges
Jahr gesetzt: der zweite Feldzug des Odänathos gegen die
Perser ist es, der v. 31 angedeutet wird, üeber dier Zeit
desselben lässt sich mit Sicherheit nur so viel sagen, dass
er frühestens 263 begonnen haben kann; denn die Belagerung
von Emesa und die Bekämpfung des Ballista wird ohne
Zweifel den Rest des Jahres 262 in Anspruch genommen
haben. Die Einnahme Etesiphons erfolgte 266 oder im
Jahre vorher. Wenn Clinton den zweiten Krieg in das
Jahr 264 setzt, so ist dies nur eine falsche Folgerung aus
der confusen Darstellung des Treb. Pollio Gallien. 10, da
doch aus dem, was dieser weiter unten sagt, bestimmt her-
vorgeht, dass das dort Erzählte vor 263 geschehen ist (es
gehört in das Jahr 261). Von dem Aufstande im persischen
Heere, auf den der Seher anspielt, wissen wir zwar nichts^
müssten aber auch ohnedies innere Unruhen im persischen
Reiche für diese Zeit vermutheu, da sonst die Schwäche der
Sasaniden in den letzten Jahren des Sapores und unter den
nächsten Königen unerklärlich wäre; Niebuhr (Vorträge über
UND IHEE SPAETEREN BEARBEITUNGEN. 225
römische Geschichte III S. 280) hat hierauf gewiss mit Becht
hingewiesen. Als der Prophet schrieb, war das y. 31 — 33
Beschriebene offenbar das Neueste , was man in Aegypten
von den Palmyrenern und Persem wusste; die beiden letzten
Capitel müssen also zur Zeit des zweiten Krieges des Odä-
nathos mit den Persem geschrieben sein.
Nun heisst es weiter 15, 34 — 37: „Siehe, Wolken vom
Osten und Norden bis gegen Mittag, und ihr Anblick ist
sehr schrecklich, voll von Zorn und Sturm; und sie werden
aneinander stossen und reichlichen Blitz (sidtis copiosum) über
die Erde ausschütten, und ihr Blitz wird bedeuten^) Blut, das 16
vom Schwert kommt, Blut bis an den Bauch des Pferdes, bis
an den Busen des Menschen^), bis an die Hinterbeingelenke
des Kamels. Und viel Furcht und Zittern wird sein auf der
Erde und erschrecken werden die, so jenes Strafgericht sehen.
Zittern wird sie ergreifen.'' Die von Ost und Nord her
drohende Kriegsgefahr muss man auf die Gothen beziehen.
Ein Theil derselben plünderte seit 255 ohne Unterlass Thra-
kien, Makedonien und Achaia, erlitt zwar durch Marcianus,
den Feldherm des Gallienus, eine Niederlage, konnte aber
trotzdem im Jahre 262 mit der gemachten Beute abziehen.
Das ist die nordliche Gewitterwolke. Ein anderes Gothen-
heer unter Respa, Veduco und Turvaro hatte im Winter 259
von Thrakien aus über den Bosporos gesetzt und war in
Bithynien gelandet, wo Nikomedien und Nikäa von ihnen
verbrannt wurden; dann verheerten sie die Provinz Asien,
verbrannten den Tempel der Ephesischen Artemis, durchzogen
plündernd mehrere Jahre hintereinander Kappadokien, Galatien
und Phrygien und kehrten im Jahre 263 über den Hellespont
und Thrakien in ihre Heimath zurück *, unterwegs verwüsteten
sie Troia. Das ist die ostliche Gewitterwolke. Um dieselbe
Zeit verheerten andere germanische Horden Illyricum und
1) Das et vor erit ist zu streichen, sonst schwebt et sidus illorum
ganz in der Luft
2) Et fimus hominis ist unsinnig; man verlangt einen Accusativ
und ein Wort, das einen Theil des menschlichen Körpers bezeichnet.
Ich ändere also sinus,
9. GuTSOHKiD, SLlelne Sohrifton. IL 15
226 DIE APOKALYPSE DES ESRA
Italien und bedrohten sogar Rom; der Senat bot zum Schutze
der Stadt Truppen auf, was wenigstens Rom rettete^ die
Küsten Italiens blieben aber nach wie vor den Angriffen der
Germanen ausgesetzt (Zosim. I^ 37). Dies geschah sicher
nach 260 und spätestens 263; denn in diesem Jahre feierte
Gallienus einen Triumph über die Gothen, der wohl nicht
17 ganz so nichtig war, als ältere und neuere Historiker ihn
dargestellt haben. Wirklich ist für den nächsten Augen-
blick von massenhaften Unternehmungen der Gothen nicht
die Rede; Zosimos sagt, alle Barbarenstämme hätten sich
vereinigt, um gegen Italien zu operiren: der Triumph galt
ohne Zweifel der Errettung Roms. Diese Situation nun
passt, wenn irgend eine, auf die Schilderung unseres Pro-
pheten von dem Andränge aller feindlichen Mächte ringsum
gegen Rom; die beiden Schlusscapitel müssen geschrieben
sein, als die Gefahr der Yemichtung noch über Rom
schwebte. Es ist dies die Stelle, wo die Bilder zu ver-
schwimmen anfangen und wo die Prophezeiung geschehener
Dinge ein Ende nimmt.
Der Schluss des 15. Capitels von v. 46 an ist gegen
Asien, d. i. Kleinasien, gerichtet, welches, in ähnlicher Weise
wie Babel und Tyros von den Propheten des alten Testa-
ments, als Buhlerin dargestellt wird. Asia wird als specielle
Genossin Babel- Roms ^ als Ruhm seines Antlitzes (personae
eiusy xov XQoödnov avr^g) angeredet, weniger wohl, wie
Lücke S. 186 meint, weil es der romischen Herrschaft unter-
worfen war, als weil es an allen Uebelthaten Roms theil-
genommen hatte. Es wird v. 53 Asien zum Vorwurfe ge-
macht, dass es jederzeit die Auserwählten des Herrn getödtet
habe, Schläge der Hände austheilend und in der Trunkenheit
ihr Todesurtheil aussprechend.^) Dies bezieht sich zweifels-
ohne auf die Ghristenverfolgung des Decius (249 — 251), die
in Asien ganz besonders heftig gewesen war (vgl. Tillemont
III S. 657 — 686); über die Valerianische Verfolgung sind aus
1) Für dicens ist wohl edicens sa scbreibeo. Im Grieohischen
wird der Satz etwa so gelautet haben: imtsivovea nlriyas xeiQmp nal
UND IHRE SPAETEREN BEARBEITUNGEN. 227
Asien keine Details überliefert, es ist aber nicht zu bezweifeln,
dass^ als Asien sich für den Gegenkaiser Macrianus, einem 8
ausgesprochenen Feind der Christen, erklärt hatte, die Stellung
der christlichen Gemeinden daselbst eine gedrückte und arg
gefährdete war. unter diesem frischen Eindrucke scheint
der Prophet zu schreiben. Von dem Unheil aller Art, was
nun Asien angedroht wird, ist der letzte Theil offenbar erst
zukünftig. „Im Vorbeigehen", heisst es v. 60, „werden sie
(die Rächerschaaren, die Babel ausgerottet haben) an die
müssige Stadt anstossen und sie zerstören und werden einen
Theil deines Landes vernichten und einen Theil deines
Ruhmes ausrotten, um dann wieder zum zerstörten Babel
zurückzukehren/^ Also Asien soll entscheidend erst nach
Babel gestraft werden; dessen Untergang selbst aber gehört
erst der Zukunft an. Dass der Prophet, der sonst den
Mund ziemlich voll nimmt, nur einen Theil Asiens dem
Verderben preisgeben lässt, klingt seltsam, gewiss ist aber
der Sinn der, dass ein Theil Asiens schon zerstört ist und
zukünftig auch noch der übrige Theil untergehen soll: hiess
es doch im vorhergehenden Verse: „unglücklich wirst du
zuerst werden {infelix primaria venies, atvxijg XQoirrj fpavet)
und wirst zum zweiten Mal Unheil empfangen!^' Die vorher
erwähnten Plagen können der Vergangenheit angehören, erst
nach y. 59 beginnt sicher die eigentliche Prophezeiung zu-
künftiger Dinge. Was v. 57 — 58 geschildert ist, ist nur
ausmalende Wiederholung von v. 49, wo Asien Verwaisung,
Armuth, Hunger, Schwert und Pestilenz angekündigt worden
sind; die Verwaisung und der Krieg werden näher beschrie-
ben: deine Söhne, heisst es, sollen Hungers sterben, du
sollst durch das Schwert fallen, deine Städte zerstört werden.
Die Pest ist ohne Zweifel die allgemeine, welche am Heftig-
sten im Jahre 262 wüthete, unmittelbar nach einem Erd-
beben, welches namentlich Eleinasien sehr mitnahm (Treb.
Pollio Gallien. 5). Die Eriegsnoth, in deren Gefolge der
Hunger kommt, ist die gothische, die, wie schon erwähnt, 19
Eleinasien ganz besonders betraf; seine blühendsten Städte
wurden damals zerstört, Ghalkedon, Nikoniedien, Nikäa, Kios,
15*
228 DIE APOKALYPSE DES ESRA
Apameia^ Prusa, Ephesos, Kaisareia Mazaka, Pessinus, Ale-
xandreia Troas, Ilion. . Im Jahre 263 zogen die gothischen
Banden heim. Der Prophet verkündigt^ Asien werde von den
Rächerschaaren^ die Babel -Rom zerstören würden ^ vollends
yemiehtet werden; dies traf nun allerdings nicht wortlich
ein^ wohl aber erscheinen bald darauf neue nordische Raub-
schaaren in Eappadokien: über den Zeitpunkt ihres Einfalls
wissen wir nur so viel, dass sie belio vario diu acto (Treb.
PoUio Gallien. 11) nach Bithynien zogen und nach der Ein-
nahme von Herakleia im Jahre 266 mit reicher Beute ab-
segelten. Schon viel früher^ im Jahre 253, war Asien zuerst
unter allen romischen Provinzen von den Boranen ausge-
plündert worden (Zosim. I, 28. ^EkX, Cor, bei Cramer^ Anecd.
Paris. 11, 289); hierauf könnte sich das infelix primaria
beziehen.
Im 16. Capitel war v. lOflF. über Aegypten, v. 28flF. über
die Palmyrener, v. 40 ff. über Babel- Rom, v. 46 ff. über Asien
eingehend geweissagt worden; alle diese Weherufe fasst nun-
mehr der Prophet in die Worte zusammen (16, 1): „Wehe
dir, Babel und Asien, wehe dir, Aegypten und Syrien !'' und
knüpft daran eine Schilderung des allgemeinen Verderbens,
welches über die Welt hereinbrechen werde und zum Theil
schon hereingebrochen sei. Er giebt hier die alttestament-
liehe Maske so gut wie ganz auf und spricht aus seiner
eigenen Person, Vergangenes und Seiendes von dem erst Er-
warteten deutlich genug scheidend. Den thatsSchlichen Kern
enthalten die Verse 18 — 22: „Der Anfang der Schmerzen und
vieles Seufzens ist da, der Anfang des Hungers und vieles
Verderbens; der Anfang der Kriege ist da und die Gewal-
tigen werden sich fürchten, der Anfang der Uebel und Alle
werden zittern! Was sollen sie dann thun, wenn die eigent-
20 liehen Uebel erst gekommen sind? Siehe, Hunger, Pest
(plaga), Verfolgung (tribulatio) und Bedrängniss sind als
Geissein zur Besserung gesendet worden, und bei alledem
werden sie sich nicht bekehren von ihren Ungerechtigkeiten
und werden stets der Geissein uneingedenk sein. Siehe, es
wird Wohlfeilheit der Lebensmittel auf Erden sein, so dass
UND IHRE SPAETEREN BEARBEITUNGEN. 229
sie glauben werden^ es sei ihnen Friede bescheert; dann aber
werden die üebel auf Erden sich verdoppeln*), Schwert,
Hunger und grosse Verwirrung/ Es liegt auf der Hand,
dass der Verfasser während der guten Zeit schrieb, die den
Glauben erweckte, es hätten die Uebel ein Ende; die von
Neuem einbrechenden Uebel, die bis zum Schluss geschildert
sind, gehören der Zukunft an. Jene Stelle aber, in welcher
der Seher die. bereits eingetretenen Zustände beschreibt und
die sich vorzugsweise auf sein Vaterland Aegypten beziehen
dürfte, stimmt fast wörtlich mit dem überein, was uns die
Briefe des Bischofs Dionysios von Alexandrieu über jene Zeit
lehren. Erst kam die Ghristenverfolgung unter Valerianus,
die in Aegypten viele Opfer forderte (257—260), dann Ostern
261 Aufruhr und Bürgerkrieg, der zur Erhebung des Macrianus
führte, im Gefolge des Aufruhrs eine Hungersnoth, dann nach
kurzer Frist die grosse Pest, die namentlich um Ostern 262
furchtbare Verheerungen in Alexandrien anrichtete. Und
gerade wie unser Verfasser, klagt Dionysios im Briefe an
Hierax (bei Euseb. Hist. ecci. VU, 21) darüber, dass trotz
der durch die Landplagen bewirkten furchtbaren Entvölkerung
die Menschen nicht in sich gingen, während ihre vollständige
Vernichtung reissende Fortschritte machte. Nach Macrianus'
Sturz kehrte Aegypten auf kurze Zeit unter die Herrschaft
des Gallienus zurück, und die Christen hatten wieder Ruhe.
Dann aber kam die Usurpation des Aemilianus, der die
Speicher mit Beschlag belegen Hess und dadurch über viele 21
Städte Hungersnoth brachte (Treb. Pollio Gallien. 4); er that
dies ohne Zweifel, um Alexandrien bei einer zu erwartenden
Belagerung zu verproviantiren: diese erfolgte auch, Aemilianus
hielt sich lange im Brucheion gegen Theodotos, den Feld-
herrn des Gallienus, zuletzt brach aber doch unter den Be-
lagerten eine Hungersnoth aus (Euseb. Hist. eccl. VH, 32).
Das Brucheion ward endlich genommen und Aegypten kehrte
unter die Botmässigkeit Galliens zurück. Von nun an (Ende
263 oder Anfang 264) hatten die Drangsale der Christen für
1) F6r germindbunt v. 22 dürfte geminahuntur zu lesen sein.
230 DIE APOKALYPSE DES E8RA
längere Zeit ein Ende, und auch die Landpl^en scheinen
aufgehört zu haben. Die Situation, in der der Seher schreibt,
entspricht, wie man aus dieser Uebersicht sieht, am Besten
den Anfängen des Aemilianus, die Viele blenden mochten,
wo aber Einsichtsvollere einen nahe bevorstehenden Krieg
mit Rom voraussehen mussten.
Die zu erwartenden neuen EriegsnStbe erweitem sich
in der Auffassung des Sehers zu dem dem jüngsten Tage
vorausgehenden Weltkriege: die v. 47 erwähnten Feinde
sind Gog und Magog, das Gefolge des Antichrist^) Die
Gerechten werden zum Ausharren ermahnt; „denn^' — heisst
es V. 53 — „über ein Kleines wird die Ungerechtigkeit von
der Erde hinweggenommen werden und die Gerechtigkeit
wird über euch herrschen^', d. h. das Reich Gottes auf Erden
wird eintreten. Nach allgemeiuen Aufforderungen zur Busse
wendet sich der Seher zum Schluss v. 69 ff. an die Gläubigen
mit einer Ermahnung, in einer zu erwartenden Christen Ver-
folgung standhaft zu bleiben: bald werde Gott die Seinen
aus aller Bedrängniss erlösen. Diese Ghristenverfolgung soll
eine allgemeine sein (v. 71^)): das Vorausgehende macht es
22 wahrscheinlich , dass keine andere als die vom Antichrist
ausgehende gemeint ist.
Hiermit kehrt der Seher zu dem zurück, was er an die
Spitze seiner ganzen Weissagung gestellt hatte. Er hatte
im Eingänge gesagt, Gott werde nicht länger dulden, dass
seine Erwählten zur Schlachtbank geführt würden; alles Un-
heil, das die Welt getroffen hat und noch treffen soll, ist
Folge des dadurch hervorgerufenen göttlichen Zornes; auf
die Zeichen der Zeit^) wird genau eingegangen, damit der
1) Ans dieser Zeit wird es herrühren, dass man Gog und Magog
auf die Gothen bezog.
2) In der Stelle erit enim locis loctM war wohl schon im Griechi-
schen ein Schreibfehler: iczat yuQ jj^cD^ai^ (statt xci^a mg) xioQa.
8) Ob 16, 12 in den Worten terra tremuit et fundamenta eiW,
mare fluctuat de profunde auf das Erdbeben des Jahres 262 angespielt
wird, bei welchem Salzwasser in die Gräben trat und mehrere Städte
Tom Meere überschwemmt wurden, ist nicht sicher genug: die Um-
UND IHKE SPÄETEREN BEARBEITUNGEN. 231
Hörer wisse^ wenn die Erfüllung dieser Visionen bevorstehe;
die Ankündigung der jüngsten Zeiten und des Eintritts des
himmlischen Reiches auf Erden bildet den natürlichen Ab-
Bchluss derselben und zugleich den sichersten Trost, der den
bedrängten Christen geboten werden konnte. Die Errettung
der letzteren aus der Hand ihrer Verfolger ist sichtlich der
Angelpunkt des .Ganzen.
Ueberblicken wir die historischen Anspielungen der.
beiden Schlusscapitel, so führen uns diese ohne Ausnahme
in den Anfang der sechziger Jahre des dritten Jahrhunderts:
eine genauere Zeitbestimmung ergiebt sich daraus, dass die
Erneuerung des Krieges zwischen Odänathos und den Persern
nicht wohl vor 263 erfolgt sein kann und dass die Gefährdung
Roms und Asiens durch die Gothen 263 ihr Ende erreichte.
Zu dem so gefundenen Jahre 263 passt nun auch durchweg
die Lage der ägyptischen Christen, welche der Seher voraus-
setzt, und seine Anschauungsweise. Er schreibt unter dem
frischen Eindrucke einer heftigen, in ihren Nachwehen noch
fortdauernden Christenverfolgung und in der Erwartung neuer 23
Drangsale für die Erwählten Gottes. Die Christenverfolgung
Valerians verlor allerdings mit dem Sturze ihres Urhebers
ihren universellen Charakter, dauerte aber in den Ländern
Macrianus', des geschworenen Christenfeindes, der dem Vale-
rianus den Gedanken zu jener Massregel eingegeben hatte,
fort und forderte in Palästina mehrere Opfer. Aegypten
kehrte nach seinem Untergange nur momentan unter die
Herrschaft des toleranten Gallienus zurück, ein neuer Auf-
stand brachte den Aemilianus ans Ruder, denselben, der als
Statthalter von Aegypten das Edict Valerians gegen die
Christen zur Ausführung gebracht und „nicht aufgehört
hatte, die Christen, welche ihm vorgeführt wurden, theils
grausam zu todten, theils durch Qualen aufzureiben, theils
durch Kerker und Banden zu erschöpfen '^ (Dionysios «bei
Euseb. Hisi eccl. VII, 11). War schon aus diesem Grunde
gebangen der Stelle lassen eher ein allgemeines prophetisches Bild
für die Wirkongen des göttlichen Zornes erwarten.
232 DIE APOKALYPSE DES E8RA
die Elrhebiing des Aemilianas von übler YorbedeutuDg für
die ChristeDy so masste sich bei ihrer Vorliebe für Gallienus
ihre Lage noch gefahrlicher gestalten, als die Nachricht nach
Aegypten kam, dass der rechtmässige Kaiser unier seinem
Feldherm Theodotos ein Heer abgeschickt habe, um den
Rebellen zn Paaren za ireiben. Dies ist nan, wie ich
glaube, der Zeitpunkt, wo die beiden letzten Gapitel verfasst
sind. Die Stimmung, die sich in ihnen ausspricht, kennen
wir aus der Geschichte des Bischöfe Dionysios als eine da-
mals unter den ägyptischen Christen herrschende: die Yale-
rianische Verfolgung erklärte Dionysios für die des Anti-
christ^ die Frage nach dem tausendjährigen Reiche beschäftigte
lebhaft die Gemüther und gab sogar zu einem Schisma An-
lass (Euseb. Hist. eccl. VII, 10. 24).
Dieses Resultat dürfte zwar für den Theologen nicht
eben grosse Bedeutung haben; dem Geschichtsschreiber aber
wird es nicht unerwünscht sein, wenn einer der dunkelsten
24 Partien der Weltgeschichte eine wenn auch noch so gering-
fügige neue Quelle zugewiesen wird.
n. Der Anfang Cap. 1. 2.
Die beiden ersten Gapitel theilen mit den beiden letzten
das Geschick, dass sie ein dem echten Esrabuche fremder
Zusatz und nur in der lateinischen Uebersetzung erhalten
sind. Innerlich sind sie sich wenigstens darin ähnlich, dass
auch der Verfasser von Cap. 1 — 2 Drangsale für die Christen
voraussieht und ihnen Trost zuspricht. Trotzdem findet eine
merkliche Verschiedenheit zwischen diesen beiden Stücken
statt: der, welcher 15 — 16 schrieb, ist ein unklarer Kopf,
dessen Gedankenarmuth sich in den ermüdendsten Wieder-
holungen yerräth ; dagegen steht das Stück 1 — 2 schrift-
stellerisch hoher. Auch die Stimmung ist hier und dort
eine wesentlich andere: in der Zeit, der die Schlusscapitel
angehören, lastete das heidnische Joch schwer auf den
Christen, der Seher ist daher von erbittertem Ingrimm gegen
die Bedrücker beseelt; der Verfasser von 1 — 2 redet zwar
UND IHRE SPAETEEEN BEARBEITUNGEN. 233
auch von Märtyrern^ welche himmlische Kronen erhalten,
seine ganze Anschauung ist aber doch eine weit ruhigere,
man sieht, die Lage der Christen kann damals keine sehr
gedrückte gewesen sein.
Auch Cap. 1 — 2 sind in Aegypten geschrieben (Lücke
S. 212); denn Sidon und Tyros liegen für ihren Verfasser
im Orient (1, 11), die Christen bezeichnet er als das Volk,
das aus dem Orient kommt (1, 38). Ueber die Abfassungs-
zeit lasst sich, da aus dem Alter der beiden letzten Capitel
kein Rückschluss zulassig ist, von aussen her nur so viel
erweisen, dass das Stück jünger als die darin nachgeahmte
Apokalypse ist (Lücke S. 186). Directe Anspielungen auf
historische Ereignisse finden sich nicht; es ist zuzusehen, ob
sich andere, weniger an der Oberfläche liegende Beziehungen 25
Yorfinden, die auf eine bestimmte Zeit hinweisen.
Der Inhalt ist folgender. Gott trägt dem Esra auf,
er solle sein Volk (die Juden) an alle Wohlthaten erinnern,
die er ihm erwiesen habe: er habe viele Könige ihretwegen
gestürzt, er habe den Pharao mit seinen Knechten und all'
sein Heer geschlagen, er habe alle Heiden vor ihrem An-
gesichte zu Grunde gerichtet, habe im Orient die Völker
zweier Länder, von Tyros und von Sidon, zerstreut, habe
alle ihre Feinde getödtet und Anderes mehr. Das Volk
aber sei halsstarrig und undankbar gewesen; darum habe
Gott es verworfen und werde seine Wohnungen dem zu-
künftigen Bundesvolke geben, das auch ohne Zeichen und
Wunder an ihn glaube. Die Mutter des undankbaren Volkes
(Zion) werde er der Plünderung preisgeben, die Namen ihrer
Kinder aber sollten unter die Heiden zerstreut, von der Erde
vertilgt werden. „Wehe dir Assur, der du die Sünder bei
dir verbirgst! Du böses Volk, erinnere dich, was ich mit
Sodom und Gomorra gemacht habe, deren Land unter Pech-
klumpen und Aschenhaufen verschüttet ist: so werde ich die
zurichten, so nicht auf mich gehört haben, spricht Gott, der
Allmächtige.^' Esra solle dem erwählten Volke verkündigen,
dass der Herr ihm das neue Jerusalem anstatt Israels geben
werde. „Geht hin und empfahet! Erbittet euch wenige
234 DIE APOKALYPSE DES ESRA
Tage, um euch zu demüUligen {ut minorentur, sig ro xuicai-
vov6^tti)\ Schon ist das Reich euch bereitet: wachet!^' Die
Mutter der Kinder (die christliche Kirche) solle getrost sein,
der Herr werde ihr seine Knechte Jesaias und Jeremias als
Stütze senden: sie solle ihre Kinder in den Grundsätzen
christlicher Tugend aufziehen, Gott werde sie schützen.
,,Aengstige dich nicht! denn wenn der Tag des Druckes
und der Angst gekommen sein wird, werden Andere weinen
und traurig sein, du aber wirst fröhlich und reich sein! Die
26 Heiden werden sich ereifern und nichts wider dich vermögen,
spricht der Herr!'' . . . „Schirme deine Sohne, bis dass ich
komme und ihnen Barmherzigkeit erweise!'' Esra richtet
den auf dem Berge Horeb von dem Herrn empfangenen
Befehl dem Volke Israel aus, wird aber von ihm verschmäht
und wendet sich nun an das neue Bundesvolk: „Erwartet
eueren Hirten, er wird euch die ewige Ruhe geben; denn
nahe ist der, der da ankommen wird am Ende der Zeit!"
Esra fordert das Volk auf, aufzustehen und die Zahl derer
zu schauen, die beim Mahle des Herrn ausgezeichnet sind;
denn „die, welche sich über den Schemen des Zeitlichen
erhoben haben, haben vom Herrn leuchtende Gewänder er-
halten." Esra schliesst mit der Versicherung, er habe auf
dem Berge Zion eine unzählige Schaar der Bekenner Gottes
geschaut, die mit ihren Liedern den Herrn lobten und von
dem Sohne Gottes, der mitten unter ihnen war, gekrönt
wurden und Palmen erhielten: ein Engel habe ihm geboten,
dem Volke die Wunder Gottes mitzutheilen, die er gesehen
habe.
Der Verfasser ist in der alttestamentlichen Geschichte
nicht unerfahren: er hat in dem Stammbaum des Esra 1, 2
zwischen Amarja und Ahitob aus dem ersten Buche Sa-
muelis die hohenpriesterlichen Namen Eli, Pinehas und
Achia eingeschaltet, in der Meinung, ihn so zu ergänzen.
Freilich mit Unrecht, man sieht aber doch, dass der Mann
Studien gemacht hat. Um so auffallender ist es, dass unter
den feindlichen Volkern, die vor den Israeliten zerstreut
worden seien, vor Allen die Bewohner von Tyros und Sidon
UND IHRE SPAETEßEN BEARBEITUNGEN. 235
genannt werden^ von deren Besiegung doch gerade die Bibel
nichts weiss. Franciscus Junius hat das Auffällige hierin
gefühlt und so ändern wollen, dass der Sinn wäre: „ich
habe die Volker zweier Provinzen bis nach Tyros und Sidon
hin zerstreut", und versteht unter den Völkern zweier Pro-
vinzen die Eananiter. Allein wer kann das verstehen? Die 27
typische Zahl der von den Israeliten im gelobten Lande
vertilgten Völker ist sechs: Hethiter, Amoriter, Eananiter,
Pheresiter, Heviter und Jebusiter (so Josua 12, 8 und sonst),
wozu spätere Schriftsteller (z. B. Joseph. Hypomn. 22) noch
die Girgositer fugen, um die Siebenzahl herauszubringen.
Wir müssen daher von einer Aenderung absehen und uns
vielmehr nach einer Erklärung jenes aufTälligen Umstandes
umsehen. Die phönicischen Küstenstädte, vorzüglich aber
Tyros, waren in der Eaiserzeit nächst den Aegyptem die
^ erbittertsten Feinde der Juden (Jos. c« Ap. I; 13; cf. B. J.
II, 18, 5): ihr Untergang war als ein grosses Glück für die
Letzteren anzusehen. Ein Christ konnte unter der Maske
eines alttestamentlichen Sehers an eine Eatastrophe, welche
diese Städte in neuester Zeit betroffen hatte, als an eine
letzte von Gott den Juden erwiesene Wohlthat erinnern,
welche diese hätte ermahnen sollen, Busse zu thun und sich
zu bekehren. Tyros wurde von Pescennius Niger zur Strafe
für seinen Abfall ausgemordet, geplündert uud verbrannt,
194 n. Ch. (Tillemont III S. 50). Der Verfall Sidons knüpft
sich nicht an ein bestimmtes Ereigniss und fällt in eine
frühere Zeit: die Serie seiner autonomen Münzen endigt mit
dem Jahre 120 n. Ch. (Eckhel, D. N. V. III S. 367), und
damit hängt es ohne Zweifel zusammen, dass Tyros durch
Hadrianus den Titel einer Metropolis von Phönicien erhielt
(Suid. s. V. Ilavkog TvQCog)'^ zur Zeit des Pescennius Niger
war nicht mehr Sidon, sondern Berytos die Rivalin von
Tyros {Herodian. III, 3). Ist diese Beziehung richtig, so
muss dieser Theil des Esrabuches zu einer Zeit verfasst sein,
wo das Unglück von Tyros noch in Aller Erinnerung war.
Etwas anderes Auffälliges ist die Bezeichnung von Assur
als Hauptzufluchtsort der Juden. Hierbei könnte mau au das
236 DIE APOKALYPSE DES ESRA
lange Zeit von jüdischen Proselyten regierte Adiabene denken
28 and die Erwähnung mit dem Kriege in Verbindung bringen,
den Severus im Jahre 195 mit Adiabene führte. Allein der
Zusammenhang erlaubt diese buchstäbliche Deutung nicht.
Offenbar wird dieses Assur nicht als Rückhalt, sondern als
Hauptsitz der Juden betrachtet: die Juden dieses Landes
sind es, gegen die der Seher sich vorzugsweise wendet und
denen er das Schicksal von Sodom und Gomorra androht.
Also kann Assur nur eine alterthümliche, der Zeit und Um-
gebung des wirklichen Esra angemessene Benennung von
Syrien sein. Dass Syrien der Juden wegen Unheil prophezeit
wird, passt nun aber vortrefflich in die Zeit des Kaisers
Severus, unter welchem die Juden einen Aufstand machten.
Da dieser von Grätz, Geschichte der Juden lY S. 254 ganz
geleugnet worden ist, so muss auf die Stellung der Juden
unter Severus etwas genauer eingegangen werden.
Die Schicksale der Juden in dieser Zeit von denen der
Christen zu trennen, ist misslich, da die Heiden damals noch
immer die Christen als eine blosse Secte der Juden ansahen.
Wenn es also bei Spartian. Carac. 1 heisst, ein Spielgeföhrte
des Caracalla sei im Jahre 195 auf Befehl seines eigenen
Vaters und des Kaisers Severus wegen seines jüdischen
Glaubens ausgepeitscht worden, so ist der Knabe wahr-
scheinlich Christ gewesen, da wir aus TertuUian (ad Scap. 4)
erfahren, dass Caracalla eine christliche Amme hatte, ver-
muthlich die Mutter jenes Knaben. Trotz dieses einzelnen
Falles hatten weder Juden noch Christen in der ersten Zeit
des Severus wirkliche Verfolgung zu erdulden, und auf diese
Periode bezieht sich offenbar die Aeusserung des Rabbi
Janai: „Wir gemessen weder das Glück der Frevler, noch
erdulden wir die Leiden der Gerechten.'^ Dass die harten
Massregeln, welche Severus nach dem Siege über Niger über
die palästinensischen Städte verhängt, Heiden, nicht Juden
betrafen, hat Grätz mit Recht bemerkt. Ebensowenig aber
lässt es sich, wie Grätz will, beweisen, dass Niger die Juden
29 gedrückt habe: die schnöde Abfertigung, die Niger den
palästinischen Provinzialen ertheHt, als sie um Herabsetzung
UND IHRE SPAETEREN BEARBEITUNGEN. 237
der Steuern ansuchten (Spartian. Nig. 7)^ kann sich gar nicht
auf Juden beziehen^ da Judäa seit Hadrian in ein heidnisches
Land verwandelt war. Ganz unverfänglich ist dagegen die
Angabe des lateinischen Eusebios „Judaicum et Samariticum
beüum motum^*, die nach den besten Handschriften (Fux.
Peta. und Marianus*)) in das vierte Jahr des Severus oder
2212 Abr. == 197 n. Chr. gehört Barhebräus, der unter
dem ersten Jahre des Severus einen Krieg zwischen Juden
und Samaritanern anmerkt^); wird wie sonst aus dem syri-
schen Eusebios geschöpft und die Notiz wegen ihrer Kürze
missverstanden haben (das erste Jahr des Severus würde
nach der Rechnung des armenischen Eusebios ^ in dem das
Lemma ausgefallen ist, dem Jahre 2210 Abr. <= 195 n. Gh.
entsprechen). Oros. YII, 17 bestätigt, dass Severus einen
Aufstandsversuch der Juden und Samaritaner mit Waffen-
gewalt niedei^eschlagen habe. Ganz entscheidend aber ist
die Angabe des Spartian. Sever. 16, dass der Senat im Jahre
201 dem Caracalla einen triumphus Judaicus decretirt habe,
darum, weil Severus auch in Syrien mit Erfolg Krieg geführt
hatte. Mit Grätz es fQr ungewiss zu erklären, ob der Krieg
den Juden oder den heidnischen Einwohnern Judäas gegolten
habe, ist unstatthaft: so wenig wie Palaestini jemals Juden,
so wenig kann triumphus Judaicus etwas Anderes als einen
Triumph über Juden bedeuten. Also der Krieg galt den
syrischen Juden; daher ist es eine unverächtliche Ver-
muthung, in dem Räuber Claudius, der durch Judäa und
Syrien Streifereien machte, einen Juden und in seinem Auf-
treten im Jahre 196 (Dio LJLKV, 2, 4) einen Vorläufer des
Aufstandes zu erkennen. Aus dem Stillschweigen anderer
Schriftsteller über diesen Krieg lässt sich höchstens folgern,
dass er nicht sehr bedeutend war. Auch die Samaritaner
haben das Andenken daran bewahrt: in der Chronik des
Abü'l-Fatah al-Danafi findet sich unter der Regierung des
Hohenpriesters Levi 11. (177—202) eine Verfolgung der so
*) [Marianus ist ein Veraehen; Mar, bedeutet bei Pontacus
Maredlinus Comes. F. R.]
1) Ghron. Syr. p. 60. Hist. dynast. p. 180.
238 DIE APOKALYPSE DES ESRA
SamaritaDer aDgemerkt^ die dem Commodos zugeschrieben
wird; allein Gommodus und Caracalla, denen die Namen
M. Antoninus gemeinsam waren, finden sich auch sonst ver-
wechselt (z. B. bei Jo. Malala XII p. 286 ed. Bonn.), und
der samaritanische Chronist zeigt sich überhaupt in Bezug
auf die Namen der romischen Kaiser sehr nachlässig, nennt
z. B. den Severus Alexander statt des Constantinus. Sind
die Daten 197 und 201 für den jüdischen Aufstand richtig,
so fallt er genau mit der Dauer des parthischen Krieges des
Severus zusammen: die syrischen Juden werden die Ent-
fernung des Kaisers zu einer Erhebung benutzt haben: als
ein wahrscheinlich nur partieller Guerillakrieg wird er die
Römer anfangs nicht zu besonderen Kraftanstrengungen ver-
anlasst haben und von Severus und Garacalla unmittelbar
nach ihrer Rückkehr ohne grosse Mühe niedergeschlagen
worden sein. Im Jahre 202 erliess Severus von Syrien aus
scharfe Edicte gegen Christen und Juden, die zwar dem
Wortlaute nach nur die Proselyten betrafen, aber doch nicht
ermangelten, auch die Proselytenmacher in Gefahr und Strafe
zu bringen. Die christlichen Kirchenhistoriker datiren daher
vom Jahre 202 die fünfte Christenverfolgung. Das andere
Gesetz, welches Severus und Garacalla erliessen, dass die
Juden zu allen Ehrenstellen im romischen Reiche und zur
Uebernahme der Vormundschaffc zulässig seien (Dig. L. tit. 2
lex 3), hat Tillemont III 8. 96 zu der Annahme bewogen,
Severus sei später den Juden wieder freundlicher geworden;
allein, ohne mit Grätz darin eine -den Juden auferlegte Be-
lästigung zu sehen, fasse ich es doch nur als eine ergänzende
Bestimmung des Edictes wider die Proselyten: der Kaiser
betrachtete die Juden und Christen als schlechte Bürger,
wollte also dem Umsichgreifen dieser dem Staatswohle
schädlichen Secten einen Damm vorschieben, diejenigen aber,
die nun einmal Juden oder Christen waren, nach Möglich-
dl keit zu den Rechten und Pflichten der übrigen Bürger herbei-
ziehen. Erwägt man, dass die Erhebung der Juden im Jahre
201 niedergeschlagen wurde und das Jahr 202 die Ver-
ordnungen wider die Juden brachte, so wird man nicht umhin
UND IHRE SPAETBREN BEARBEITUNGEN. 239
können^ beide Thatsachen in eine ursächliche Verknüpfung
zu einander zu setzen. Grätz wendet gegen diese Schluss-
folge eiu; die Massregel habe ja auch die Christen betroffen;
allein dies beweist nichts, da die römische Regierung die
Christen als eine blosse Onterabtheilung der Juden zu be*
trachten gewohnt war. Caracalla stellte bald nach seiner
Thronbesteigung die Christenverfolgung ein (Tillemont III
S. 171), und wir haben die bestimmtesten Zeugnisse, dass er
sich auch den Juden günstig erwies: der Antoninus, Sohn
des Seyerus, in den jüdischen Quellen kann, wie Jost richtig
gesehen hat, nur Caracalla sein.^)
Um nun den Faden unserer Untersuchung wieder auf-
zunehmen, so würde der Weheruf über Syrien als den Zu-
fluchtsort der Juden durchaus in das Jahr 201 passen, als
Severus aus dem Partherkriege nach Syrien zurückkehrte,
um die dortigen Juden zu züchtigen. Die Tage der Drang-
sal, die der Seher für die Christen erwartet, sind also die
Bedrückungen unter Severus. Ausbrüche der Volkswuth
gegen die Christen hatten in mehreren Provinzen schon vor
dem Jahre 202 stattgefunden, in welchem das Verfahren
gegen die Christen in gesetzliche Bahnen geleitet wurde;
Tillemont III S. 153 meint, seit 197: allein die ersten Mar-
tyrien, die aus dieser Zeit berichtet werden, gehören in das 32
Jahr 200.
Der Zweck der Schrift ist ein doppelter: die absolute
Verwerfung der Juden den Christen recht eindringlich zu
Gemüthe zu führen, und diese zum standhaften Ausharren
1) Grätz IV S. 269. 542 zieht die Lesart Severus Sohn des Anto-
ninus vor und bezieht sie auf Severus Alezander, hat aber weder
bewiesen, dass dieselbe in Antoninus, wie der betreffende Kaiser bei
den Jaden gewöhnlich heisst, verkürzt werden konnte, noch dass
Severas Alexander jemals Antoninas genannt worden ist: die Worte
des Epiphanios 'AvxfovCvov tov viov SsvriQOv xov Ka^unaXXw) sind,
wie Jeder sieht, zu übersetzen „des Antoninas, Severas Sohns, mit
Beinamen Caracalla*'. Und aaf diesen Beweis kommt es doch allein
an and nicht daraaf, ob Severus Alexander ein Jadenfreand war: als
wenn nicht zwei Kaiser derselben Dynastie die Juden hätten begünstigen
können !
240 DIE APOKALYPSE DES ESRA
im Glauben zu ermahnen, durch die Aussicht auf das bal-
dige Eintreten des Himmelreichs auf Erden zu trösten. Der
Zweck ist den Zeitverhältnissen angemessen. In der Ver-
folgung des DeciuSy die den Christen als solchen^ nicht als
Genossen der Juden, g^^^> finden wir, dass die Juden wan-
kende Christen an sich ziehen (Tillemont III S. 626). Diese
Rücksicht auf personliche Sicherheit konnte allerdings in den
früheren, fast immer gegen Juden und Christen gleichmassig
gerichteten Verfolgungen nicht massgebend sein, wohl aber
mussi'C gemeinsamer Druck durch die Heiden Juden und
Christen näher aneinander bringen und einerseits Einzelne
in den Schoss des Judenthums zurückführen , namentlich
aber der judenchristlichen Partei in der Gemeinde das Ueber-
gewicht verschaffen. In der That ist uns gerade aus der
Verfolgung des Severus ein Beispiel überliefert, dass ein
Christ Namens Domninus zum Judenthum abfiel (Euseb.
Hist eccl. VI, 12). Solche Falle zu verhüten, ist offenbar
die Absicht unseres Verfassers, der in seiner Polemik gegen
jegliche Hinneigung zum Judenthum damals nicht allein
stand: auch Clemens von Alexandrien, der unter Severus
lebte, schrieb einen Kavmv ixxXvi6vtt0ti.x6g rj jcgog rovg
'lovöat^ovtag (Euseb. Hist. eccl. VH, 13), um die Ansicliten
der Judenchristen zu bekämpfen. Der Verfasser der beiden
ersten Kapitel des Esrabuches führt als hauptsächlichen
Trostgrund für die Christengemeinde das Nahen der jüngsten
Zeiten an; er glaubte, das Himmelreich sei vor der Thür,
und theilte diesen Glauben mit seinen Zeitgenossen: der
christliche Chronograph Judas — wir kennen ihn aus Euseb.
Hist. eccl. VI, 7 — berechnete damals die 70 Wochen Daniels
33 und brachte heraus, dass die Zeiten sicli im zehnten Jahre des
Severus erfüllten: das Erscheinen des Antichrist steht bevor.
III. Das Adlergesicht. , IV. Esra 10, 58—12, 36
(10,23 — 42).
Wir haben uns nunmehr den Weg gebahnt zu dem
Kerne des Esrabuches, der dem lateinischen, arabischen und
äthiopischen Texte gemeinsam ist und fUr das Werk eines
UND IHRE SPAETEEtEN BEARBEITUNGEN. 241
Verfassers gehalten wird. Die sichersten chronologischen
Indicien über dessen Abfassungss^it scheint das Stück von
10, 58-12, 30 nach der lateinischen oder 10, 73-12, 42
nach der äthiopischen Eintheilung zu gewähren. Es ist das
als anziehendes Bäthsel berühmt, als Crtix interpretum be-
rüchtigt gewordene Adlergesichi Mit ihm beginnen wir
wie billig.
Esra erhält von einem Engel die Weisung, in der
morgenden Nacht an der Stelle, wo er ihn getroffen hatte,
zu übernachten, so werde der Höchste ihm im Traume
zeigen, was derselbe denen, die auf der Erde wohnen, in
den jüi^sten Tagen thun werde. Esra schlief dort diese
und noch eine Nacht, und in der zweiten schaute er das
Adlergesicht. Vor Entsetzen über das Gesehene erwacht
Esra und bittet Gott, ihn auch die Deutung der furcht-
baren Vision wissen zu lassen. Die erbetene Erläuterung
wird ihm gegeben und ihm bemerklich gemacht, dass der
Höchste ihn allein für wQrdig erachtet habe, sein Geheimniss
zu erfahren. — Es wird angemessen sein, die Vision und
ihre authentische Interpretation gleichzeitig zu betrachten
und bei den einzelnen Abschnitten gleich unsere eigene
Deutung hinzuzufügen. Ich werde den Text des Codex
Sangermanensis zu Grunde legen und die Abweichungen der
äthiopischen und arabischen Uebersetzung dazu bemerken,
wobei ich jedoch unwesentliche, schon von den bisherigen
Bearbeitern aufgedeckte Versehen stillschweigend berichtigen
werde; auf den lateinischen Vulgattext, der von unwissenden 34
Händen gewissenlos interpolirt ist, werde ich natürlich so
wenig Rücksicht nehmen, als ich dies bisher gethan habe.
11, 1 — 4 (11, 1 — 6). „Siehe, ein Adler stieg Tom
Meere auf, der zwölf Flügelfedern und drei Köpfe hatte.
Und ich sah, da breitete er seine Flügel über die ganze
Erde aus, und alle Winde des Himmels bliesen auf ihn ein
und die Wolken des Himmels zogen sich wider ihn zusammen.
Und ich sah, wie von seinen Federn Gegenfedern*) ent-
1) Gegenfedern können nur Federn sein, die sich von den Hanpt*
federn abzweigen nnd dadurch in ihrer Richtung abweichen, also, wcno
y. GuTscHHiD, Kleine Schriften. IL 16
242 DIE APOKALYPSE DBS ESEA
standen und zu kleinen und mittelmässigen Federchen wurden.
Uebrigens ruhten seine Kopfe und der mittelste Kopf war
grosser als die beiden anderen Köpfe, ruhte aber mit ihnen.^
Hierzu die Interpretation 12, 11—12 (12, 16): „Der Adler,
den du hast aufsteigen sehen Yom Meere, das ist die vierte
Monarchie, die dein Bruder Daniel in einer Vision geschaut
hat; sie ist ihm aber nicht ausgelegt worden so, wie ich sie
dir jetzt auslegen werde/ Wie man sieht, beginnt der Seher
mit einer genauen Personalbeschreibung des Adlers, in welcher
alle Glieder des Thieres, die nacheinander auftreten sollen,
zu besserer Orientirung gleich jetzt nebeneinander auf-
geführt werden; um dem Missverstandnisse zu begegnen, als
habe die Action aller Theile des Adlers schon jetzt begonnen,
wird ausdrücklich bemerkt^ die Kopfe hätten geruht (tiövxd-
t^Biv, was der Lateiner richtig mit quiescere, der Aethiope
und der Araber weniger passend mit tacere übersetzt hat):
etwas Anderes ist darin nicht zu suchen. Die vierte Mo-
narchie Daniels ist die makedonische, wurde aber schon von
den Zeitgenossen des Josephos allgemein auf die romische
36 bezogen (Lücke S. 196). Da sich die Vision als eine Aus-
führung der von Daniel geschauten giebt und da der Adler
das Sinnbild der romischen Legionen ist^ so ist die Beziehung
der Vision auf das romische Reich die wahrscheinlichere, wie
auch von den meisten Auslegern geurtheilt worden ist. Wenn
der Adler seine Flügel über die ganze Erde ausbreitet und
Wind und Wolken auf ihn eindringen, so bedeutet dies das
Ringen nm die Weltherrschaft und die in Folge dieses
Ringens überstandenen Kämpfe.
11,5—11 (11, 7-12): „Und ich sah, da flog der Adler
mit seinen Federn auf, zu herrschen über die Erde und über
die, welche auf ihr wohnen; und ich sah, wie Alles unter
dem Himmel ihm unterworfen war und Niemand ihm wider-
sprach, auch nicht ein einziges unter allen Oeschopfen der
Erde. Und ich sah, da richtete sich der Adler auf und
die Hanptfeder eine horizontale Richtung hat, perpendikulSx auf die-
selbe zu stehen kommen. Als Seitenfedem sind sie natürlich schwächer
und kleiner.
UND IHRE SPAETEBEN BEARBEITUNGEN. 243
stellte sich auf seine Krallen^ erhob seine Stimme und sprach
zu seinen Federn: ^^Wachet nicht alle zugleich, es schlafe
jeder von euch an seinem Orte und wache jeder von euch
zu seiner Zeit; die Kopfe aber sollen für die jüngste Zeit
aufbewahrt werden!^' Und ich sah, da ging die Stimme
nicht von seinen Köpfen, sondern von der Mitte seines
Körpers aus. Und ich zählte seine Gegenfedern, und siehe
es waren acht." Interpretatio 12, 13 (12, 17): „Siehe die
Tage werden kommen, wo ein Reich sich auf der Erde er-
hebt, das wird furchtbarer sein als alle Reiche vor ihml"
Hier erst wird durch das Wort des Adlers das Nebenein-
ander beseitigt und dabei die Beschreibung desselben ergänzt,
indem über die Stimme des Adlers etwas bemerkt und die
Zahl der Gegenfedern nachgetragen wird. Beides hat eine
besondere Beziehung, die chronologisch genommen einer spä-
teren Zeit angehört und deren Erklärung daher erst später
gegeben wird: in der Vision ist es vorweggenommen, weil
es sich am schicklichsten an die Worte des Adlers, die den
Beginn der Action verkünden, anknüpfen Hess. Die Be-
schreibung der furchtbaren Macht des Weltreiches passt so- 86
wohl auf das makedonische, wie auf das römische. Ist das
erstere gemeint, so liegt in dem Gebote des Adlers an seine
Federn, nicht mehr alle zugleich, sondern eine nach der
anderen zu wachen. Nichts als eine Wiederholung des schon
eingeschärften Avis, dass nun erst das Nacheinander in der
Vision beginnen solle; ist dagegen der Adler Rom, so erhält
das Gebot die hübsche Nebenbe^iehung, dass nunmehr die
Regierung Vieler ein Ende nehme und die Herrschaft eines
Einzigen beginne: die Monarchie trat ja, wie in der Vision,
erst nach der Erlangung der Weltherrschaft ein.
11, 12-19 (11, 13—21): „Und ich sah, da erhob sich
von der rechten Seite eine Feder und herrschte über die
ganze Erde, und es geschah, dass, als das Ende ihrer Herr-
schaft gekommen war, sie verschwand, so dass ihr Platz
nicht mehr sichtbar war. Und die folgende erhob sich und
herrschte; sie behauptete sich lange Zeit. Und es geschah,
dass, als das Ende ihrer Herrschaft gekommen war, sie
16*
244 I>IE APOKALYPSE DES ESBA
ebenso wie die erste yerschwand. Und siehe^ es erhob sich
eine Stimme und sprach zu ihr: „Du^ welche da diese ganze
Zeit über die Erde beherrscht hast, höre diese meine Ver-
kündigung an, bevor du zu verschwinden anfängst! Niemand
nach dir wird so lange wie du herrschen, ja nicht einmal
die Hälfte deiner Zeit!'^ Und es erhob sich die dritte und
behauptete die Herrschaft wie die vorigen; und auch sie
verschwand. Und so kam die Reihe an alle Flügelfedem,
eine nach der anderen, zu herrschen und wiederum zu ver-
schwinden." Interpretatio 12, 14 — 16 (12, 18-20): „Re-
gieren aber werden in jenem Reiche zwölf Könige, einer
nach dem andern. Der zweite aber wird anfangen zu herr-
schen, und er (derjenige, der als der zweite herrschen wird,
Aeth.) wird längere Zeit als die zwölf herrschen. Und dies
ist die Bedeutung davon, nämlich der zwölf Flügelfedem, die
37 da geschaut hast." Wenn es von der ersten Feder wörtlich
heisst: non apparuit, ita ut non appareret locus eius, so ist
dieser Zusatz, der sonst nicht wieder vorkommt, schwerlich
müssig und ist in Verbindung zu bringen mit dem Paradoxon
in der Deutung, dass der zweite König zu herrschen anfangen
werde. Also nach dem Tode des ersten Königs verschwindet
auch seine Stelle, d. h. der Thron, und der zweite König ist
der eigentliche Begründer des Reiches. Diese Schilderung
passt sowohl auf den Zerfall des von Alexander dem Grossen
gegründeten Reiches als auf die Wiederherstellung der Re-
publik nach Gäsars Ermordung, der zweite König würde im
ersten Falle Seleukos Nikator, im zweiten Augustus sein.
Die Angabe, dass. keiner seiner Nachfolger auch nur die
Hälfte seiner Regierungszeit herrschen würde, passt aber
nicht auf das Seleukidenreich, selbst wenn man mit Jo.
Malala YIII p. 198 (ed. Bonn.) die Regierung des Seleukos
von Alexanders Tode rechnen und ihm 43 Jahre geben
wollte: Antiochos III. regierte 36 Jahre. Sie passt nur auf
das römische, indem Augustus von seinem ersten Consulat
an 56 Jahre regierte^); von seinen Nachfolgern regierte aber
1) AagQstas* Regieningszeit ist sehr yerscbieden berechnet worden
(vgl. Clinton, F. H. III S. SSO). Von seiDem ersten Conaulate datiren
UND IHBE SPAETEÄEN BEABBEITÜNGEN. 245
bis anf Gonstantinus keiner auch nur 28 Jahre. Also ist
Born und Augustas gemeint und die Vision vor Gonstantinus
yerfasst. Der dritte Eonig ist Tiberias; wie die übrigen neun
gezählt sind, ist wegen der ephemeren Nachfolger Neros un-
sicher und kann erst später erörtert werden.
Zu 11, 10 (11, 11) die Interpretatio 12, 17-18 (12,
20—22): „Und was die Stimme betrifft, die du reden gehört 38
hast, die nicht von den Köpfen des Adlers ausging, sondern
Yon der Mitte seines Körpers, so ist dies die Deutung auch
hiervon: es werden nämlich nach einiger Zeit jenes Reiches
nicht geringe Streitigkeiten entstehen, und es wird in Gefahr
gerathen, zu fallen; es wird aber zu jener Zeit nicht fallen,
sondern zu seinem Anfange (oder „zu seiner vollen Herr-
Schaft^, sig tr^v ägxriv ccvtiig^ wie van der Vlis richtig ge-
sehen hat) wiederhergestellt werden/' Aus den Worten post
tempus regni Ulms geht unzweifelhaft hervor, dass die inneren
Kämpfe hierher gehören, wo sie die Interpretatio hat, nicht
etwa vor Gäsar, wie man wegen der auf das Nacheinander
nicht immer Rücksicht nehmenden Vision vermuthen könnte.
Es ist klar, dass die Bürgerkriege unter Galba, Otbo, Vi-
tellius gemeint sind und die Wiederherstellung des Reiches
durch Yespasianus. Man erwäge, dass die Worte „nach
einiger Zeit jenes Reiches'^ die Deutung von „aus der Mitte
seines Körpers '^ enthalten, und man wird es wahrscheinlich
finden, dass die Mitte ganz buchstäblich zu nehmen ist: die
Zeit der sechs Flügelfedern der rechten Seite ist abgelaufen,
dann kommt die Mitte des Körpers an die Reihe^ dann die
sechs Flügelfedern der linken Seite. Also sind die sechs
ersten Könige Gäsar, Augustus, Tiberius, Gaius, Glaudius,
Nero, dann kommt die Zeit der Bürgerkriege, dann beginnt
sie Tacitns im Dialogus de oratoribus, Snetonias und Eutropins; Jose-
pho8 l&88t sie gar von Cäsars Tode beginnen and berechnet sie zu
67 Jahren 6 Monaten 2 Tagen. Die Rechnung des Gasaius Dio, der
die Sehlacht bei Aktion zum Ausgangspunkte nimmt, ist die in unsere
Handbücher übergegangene; wäre dies nicht der Fall, so würde der
Primaner die Poesie des Horaz richtiger auffassen. Die Datirong
seiner Jahre Yom Einzug in Aiezandrien hat nur für Aegypten Be-
deutung.
246 DIE APOKALYPSE DES ESRA
mit dem Wiederhersl^ller Vespasianus die Reihe der sechs
Flügelfedeni des linken Flügels. Also waren Galba, Otho,
Vitellius nicht als Flügelfedem gerechnet, so wenig wie sie
in den Verzeichnissen des Ptolemäos und des Clemens yon
Älexandrien einen Platz gefunden haben; denn ihre Zeit ist
schon durch die Stimme aus der Mitte vertreten ^ welche
Anarchie bedeutet
11, 20—28 (11, 22 — 32): „Und ich sah, da erhoben
sich zu ihrer Zeit die zweiten Federn {sequentes pennae, d. i.
die Gegenfedern) von der rechten Seite, um auch ihrer-
39 seits die Herrschaft zu erlangen: und es waren unter diesen
welche, die herrschten, jedoch gleich verschwanden; es waren
aber auch einige darunter, die sich erhoben, aber nicht
herrschten, und ich sah nach diesem, da waren die zwölf
Federn und zwei Federchen verschwunden, und es war nichts
übrig am Körper des Adlers als zweierlei^), seine ruhenden
Köpfe und sechs Federchen. Und ich sah, da sonderten
sich von den sechs Federchen zwei ab und blieben unter
dem Kopfe rechts; vier aber blieben an ihrer Stelle. Und
ich sah, da gedachten die vier noch unter dem Flügel be-
findlichen Federchen, auch ihrerseits sich zu erheben und die
Herrschaft zu erlangen. Und ich sah, da erhob sich' eins,
verschwand aber auch alsbald. Und das zweite verschwand
desgleichen, noch schneller als die vorigen (das vorige Aeth«,
Arab.)'). Und ich sah, da sannen die zwei, welche noch
übrig waren, bei sich nach, wie auch sie die Herrschaft er-
langen möchten." Interpretatio 12,19 — 21 (12,23 — 27):
„Und was die acht unter den Flügeln befindlichen Federchen
betrifft, die du von den Flügeln des Adlers hast sich ab-
zweigen sehen, so ist dies die Deutung davon: Es werden
1) Die richtige Abtheilang verdanken wir Yolkmar.
2) Dass der Plural Mcundae^ der den neusten Ausleger anf wunder-
liche Abwege geführt hat, falsch ist, geht ganz abgesehen von den
Paralleltezten aus dem damit verbundenen non apparuit hervor; denn
so ist die authentische Lesart des Sangermanensis. Vermuthlich ist
zu lesen ei secunda et vdocius^ wörtliche Uebersetzung eines steigern-
den x«/.
UND fflRE SPAETEBEN BEAEBEITÜNGEN. 247
in jenem Beiche acht Könige erstehen^ deren Zeiten werden
gering und ihre Jahre beschleunigt sein (deren Flügel und
Jahre werden schlecht und ihre Tage kurz sein Aeth.).
Und zwar werden zwei von ihnen bald umkommen in der
mittleren Zeit^); vier Könige aber werden für den Zeit-
punkt aufbewahrt werden, wo seine (des Reiches) Zeit an- 40
fangen wird sich dem Ende zu nähern; zwei endlich werden
bis zum Ende aufbewahrt bleiben/^ Die Federchen werden
definirt theils als Kaiser, die wirklich regieren, wenn auch
nur kurze Zeit, theils als Gegenkaiser, die die ungestörte
Herrschaft nicht zu erreichen y ermögen; in der Interpretatio,
wo beide Kategorien umgestellt sind, heisst es, es seien die
gemeint, deren Herrschafbszeit schlecht, gering (evtsXi^g) und
deren Jahre kurz waren. Diese Federchen (dass diese, nicht
die übrigen pennae gemeint sind, hat Hilgenfeld S. 205
gezeigt) erheben sich von der rechten Seite. Dies ist aller-
dings, wie Hilgenfeld gezeigt hat, nicht widersinnig; dann
ist aber der Zusatz sowohl hier wie v. 12 (13) vollkommen
müssig: die rechte Seite bezeichnet den ersten Platz, die
Priorität, aber dass die Federn und Federchen von vorn
anfangen und nicht von hinten, versteht sich doch von selbst.
Eine Beziehung erhalten beide Bemerkungen erst, wenn man
an unserer Stelle mit van der Vlis einen alten Schreibfehler
annimmt und a sinistra parte verbessert. Dann deutet dies
darauf hin, dass die Nebenkaiser erst auftauchen, als die
Reihe zu herrschen an die sechs Kaiser des linken Flügels
gekommen ist, also nach Yespasianus, wie dies ja auch der
Geschichte entspricht. Eine äussere Bestätigung erhält die
Aenderung dadurch, dass die Erhebung der Federn erst
nach der Stimme aus der Mitte des Körpers, also nach
Neros Untergang, erwähnt wird. Die zwei ersten Federchen
herrschen nicht unmittelbar vor den vier, die der Zeit an-
gehören, wo man sich dem Ende nähert — sonst wären sie
1) Die AbtbeiluDg hat schon van der Vlis verbessert; dem ap-
propinquante entspricht in der hier wohl richtigeren äthiopischen
Uebersetznng ein celeriter. Im Griechischen mnss etwas gestanden
haben wie xal Svo fihv dnoXovifTaL diu tdxovg xffovov fiead^ovtog.
'
248 DIE APOKALYPSE DES ESEUL
mit diesen zusammengefasst worden — , sondern „in der
mittleren Zeit'^, d. h. während der linke' Flügel noch an der
Regierung war. Diese zwei Federchen sollen nach der Aus-
legung schnell untergehen: es sind also dadurch eher kurz
regierende Kaiser , als Oegenkaiser angedeutet, von welcher
41 letzteren Sorte sich ohnedies in der nächsten Zeit ausser
dem Antonius, der sich gegen Domitianus empörte, kaum
ein zweiter nachweisen lassen dürfte. Folglich sind die
beiden Federchen Titus und Nerva, deren zweijährige Re-
gierungen gegen die 10— 23jährigen Regierungen der benach-
barten Kaiser gewaltig abstechen. Es folgt hieraus, dass
die sechs Kaiser des linken Flügels folgende sind: Yespa-
sianus, Domitianus, Trajanus, Hadrianus, Antoninus, Marcus
Aurelius. Nachdem ihre Zeit um ist, sind noch sechs
Federchen übrig, von denen zwei unter das rechte Haupt
übergehen, d. h. erst nach diesem herrschen sollen; vier
aber bleiben an ihrer Stelle, d. h. sie folgen auf die sechs
Flügelfedern und zwei Federchen des linken Flügels, und
zwar gehören sie dem Zeitpunkte an, „wo die Zeit anfangt,
sich dem Ende zu nähern'', das ist dem Beginne des Ver-
falls. Dieser tritt in der That unter Gommodus ein. Dieser
ist das erste der mittelsten vier Federchen, das alsbald ver-
schwindet. Gommodus regierte 12 Jahre, also länger als
Cäsar, Gaius und Yespasianus, die doch unter die Flügel-
federn gerechnet werden; die Inconsequenz, den Gommodus
unter die Federchen herabzudrücken, lässt sich jedoch in
mehr als einer Hinsicht entschuldigen: erstens hatten aller-
dings seit nicht weniger als 82 Jahren alle Kaiser mindestens
19 Jahre regiert; zweitens waren dies weise und geordnete
Regierungen gewesen, gegen welche die tolle Wirthschafl
des Gommodus grell abstach; endlich scheint mir van der
Ylis mit vollem Rechte darauf aufmerksam gemacht zu
haben, dass der Adler nach der Naturgeschichte auf jeder
Seite sechs Flügelfedern hat und dass die Zwölfzahl somit
der vollen natürlichen Flügelgestalt des Adlers entspricht:
betrachtete der Seher diese Proportion als auch für seiu
apokalyptisches Thier massgebend, so war es kaum zu
UND IHRE SPABTEREN BEARBEITUNGEN. 249
yermeiden, dass bei der Vereinbarung der gegebenen Zahl
mit den von der Geschichte gelieferten Daten einige Willkür
mit unterlief. Das zweite der yier Federchen yerschwand42
noch schneller als die früheren: Titus, Nerva, Commodus
hatten doch wenigstens jeder Jahre regiert, aber Pertinax, des
Commodus Nachfolger, herrschte bloss 2 Monate 27 Tage.
Die zwei noch übrigen Federchen, welche zu herrschen ge-
dachten, aber, wie der folgende Vers lehrt, ihren Zweck
nicht erreichten, sind Didius Julianus und Pescennius Niger,
die sich nach dem Tode des Pertinaz erhoben, es aber nicht
durchsetzen konnten, als rechtmässige Kaiser anerkannt zu
werden.
11, 29—32 (11, 33-37): „Und wahrend sie (die beiden
Federchen) noch sannen, siehe, da erwachte der eine der
ruhenden Kopfe, jener mittelste, der grosser war als die
beiden anderen Kopfe; und ich sah, wie er die beiden an-
deren Kopfe umschlang (sich beigab, Aeth.), und siehe, da
wendete sich jener Kopf im Verein mit den Köpfen, die
mit ihm waren, und verschlang die beiden unter dem Flügel
gebliebenen Federchen, die zu herrschen trachteten. Dieser
Kopf aber machte die ganze Erde zittern und beherrschte
die, welche auf ihr wohnen, mit vieler Plage ^), und übte die
Tyrannei über den Erdkreis in höherem Grade aus als alle
Flügelfedern, die regiert hatten.^' Interpretatio 12, 22—25
(12, 28 — 32): „Und was die drei ruhenden Kopfe betrifft,
die du gesehen hast, so ist dies die Deutung davon: In den
jüngsten Tagen wird der Höchste drei Könige erwecken und
wird in ihnen Vieles neuem ^), und sie werden die Erde
bedrücken und die, welche auf ihr wohnen, mit vielem
Schrecken und in höherem Grade als Alle, die vor ihnen
1) Die Lesart des SangermanensiB et dominabit qui habitant terram
in ea c%un labore muUo ist za verbessern in et dominamt qui haMtant
in ea cum labore multo.
2) Die Lesarten et revocabit (sehr, renovabit mit Lücke S. 179)
in ea miüta des Lateiners, et innovahunt multa, Aeth., nnd et in eorum
diehus multi motus ac tumuUuSf Arab., lassen sich auf ein griechisches
xal viürtBifiti iv avtoSs nolXa zurQckfÜhren.
250 DIE APOKALYPSE DES ESRA
43 waren: darum heissen sie die Köpfe des Adlers. Denn sie
werden es sein^ welche alle Ruchlosigkeiten des Adlers kurz
zusammenfassen und dessen Ende herbeifilhren werden. '^
Nach Pertinax' Tode erstand Didius Julianus den Eaiser-
thron Yon den Prätorianern, aber gleich nach seinem Ein-
züge in Rom brach ein Yolksaufstand aus^ und die Miss^
vergnügten knüpften Verbindungen mit Pescennius Niger,
dem Statthalter von Syrien, an, ihn einladend, nach Rom
zu kommen und der Usurpation des Julianus ein Ende zu
machen (Tillemont III S. 10). Darauf nahm Niger in An-
tiochien den Purpur und wähnte sich bereits im sicheren
Besitze des Reiches, da Julianus kein ebenbürtiger Gegner
war. Allein kaum war die Nachricht davon zu den illyri-
schen Heeren gekommen, so riefen diese unerwarteterweise
ihren Führer Septimius Severus zum Kaiser aus (Tillemont
III S. 29). Das ist das Erwachen des mittelsten Hauptes,
das grösser war als die beiden anderen. Diese letzteren
sind des Severus Söhne, Caracalla und Geta; diese umfasste
er oder gab sie sich bei, d. h. er nahm sie isu Mitregenten
an. . Mit ihnen wendet er sich gegen die beiden Federchen
und verschlingt sie: zuerst zog er gegen Rom und veran-
lasste den Senat, den Julianus hinrichten zu lassen, dann
wendete er sich gegen Niger, der in drei Schlachten bei
Eyzikos, Nikäa und Issos geschlagen wurde, aus seiner
Hauptstadt Antiochien floh, aber von den Vetfolgern ein-
geholt und getödtet wurde. Nun wurde allerdings Julianus
193, Niger 194 getödtet, dagegen erhielten Caracalla erst
196, Geta 198 die Würde von Cäsaren; der Seher nahm die
Ernennung derselben zu Mitregenten vorweg, um die Zu-
sammengehörigkeit der drei Köpfe anzudeuten. Wenn von
irgend einem, so ist es von Severus wahr, dass er den Erd-
kreis zittern gemacht und mit vieler Mühsal (övv Ttovfp
nokk^) über die Erdenbewohner geherrscht habe und mäch-
tiger gewesen sei als alle seine Vorgänger: ist doch seit
44 Julius Cäsar, selbst Yespaslanus nicht ausgenommen, kein
so gewaltiger Geist wie er im Besitze der Herrschaft
gewesen. Die Mühsal kann activ oder passiv gemeint sein,
UND IHRE SPAETEREN BEARBEITUNGEN. 251
für die letztere Bedeutung entscheidet die Analogie von
11, 40 (11, 44): die von Severus verorsachte Mühsal deutet
auf die zahlreichen Opfer seiner Grausamkeit und auf die
schlimmen Folgen der ununterbrochenen Kriege, die er zu
führen hatte, für die Romer. Auch bei xal vEcozBQtet iv
avvotg nokka kann es zweifelhaft sein, ob es mit dem
Lateiner und Aethiopen als Activum zu fassen und mit
vifiötog als Subject zu verbinden ist, oder ob es mit dem
Araber als Intransitiyum angesehen werden muss; doch ist
Ersteres wahrscheinlicher: dann ist die Wiederherstellung
des Reiches gemeint und die zahlreichen Neuerungen im
Staatswesen, die von Severus und seinem Hause ausgingen,
vor Allem die von Caracalla verfügte Ausdehnung des Bürger-
rechtes auf alle Freigeborenen im romischen Reiche. Die
Ruchlosigkeiten des Adlers, die Severus und seine Sohne
wiederholen, sind die von ihm und seinem Mitregenten
Caracalla erlassenen Yerfolgungsedicte gegen Juden und
Christen: darum heisst es, sie würden das Ende herbei-
führen, nämlich das Erscheinen des Messias auf Erden.
11, 33 — 34 (11, 38): „Und hierauf sah ich, plötzlich
war das mittlere Haupt nicht mehr sichtbar, so wenig wie
die Flügelfedem, und es blieben nur die zwei anderen
Haupter übrig, welche ihrerseits in ähnlicher Weise über
die Erde herrschten und über die, so auf ihr wohnen/'
Interpretatio 12, 26 — 27 (12, 33—34): „Und was das be-
trifft, dass du das grosste Haupt hast verschwinden sehen,
so ist dies die Deutung davon: nämlich das ist der Einzige
von ihnen, der auf seinem Bette sterben wird, wenn schon
unter Qualen; denn die beiden Ueberlebenden wird das
Schwert fressen.^' Severus erkrankte in Britannien an der
Gicht, zu den körperlichen Schmerzen kam der Kummer 46
über die Schlechtigkeit seines Sohnes Caracalla, sein Fuss-
leiden verschlimmerte sich endlich bis zu einem solchen Grade,
dass er vergeblich um Gift gebeten haben soll, um seinem qual-
vollen Zustande ein Ende zu machen (Tillemont IH S. 134);
nach langer Krankheit starb er im Jahre 212 und hinterliess
das Reich seinen Söhnen Caracalla und Geta gemeinschaftlich.
252 DIE APOKALYPSE DES ESEA
11, 35 (11; 39): ;;Und ich sah, da verschlang das Haupt
zur Rechten das zur Linken.^' Interpretatio 12, 28 (fehlt
Aeth.; Arab.): „Denn das Schwert des £inen wird den
fressen; der mit ihm herrscht; er jedoch wird in den
jüngsten Zeiten durch das Schwert fallen.^ Das rechte
Haupt ist der ältere Sohn des Severus, Caracalla, der todtet
das linke Haupt^ d. i. den jüngeren^ Geta, seinen Mitregenten;
derselbe fallt durch das Schwert der von Garacalla ab-
geschickten Soldaten (Tillemont III 8. 185). Caracalla fiel
fünf Jahre darauf durch den Dolch eines von Macrinus an-
gestifteten Officiers (Tillemont III S. 224).
11,36 — 12,3 (11,40—12,5): „Und ich hörte eine
Stimme zu mir sagen: Schaue um dich und merke auf das,
was du siehst! Und ich sah hin, da erhob sich ein brüllen-
der Löwe aus dem Felde, und ich hörte, wie er mit Menschen-
stimme zum Adler redete und zu ihm sagte: „Höre mich an,
ich will zu dir reden! Der Herr spricht zu dir: Bist du es
nicht, der übrig geblieben ist von den vier Thieren, die ich
im Zeitlichen hatte regieren lassen, und damit durch sie das
Ende der Zeiten käme? und das vierte kam und besiegte
alle Thiere, die vorüber waren, imd beherrschte tyrannisch
das Zeitliche mit Zittern, den ganzen Erdkreis mit vieler
Mühsal. Und während du so lange Zeit den Erdkreis be-
wohnt hast, hast du ihn mit List bewohnt und die Welt
nicht mit Gerechtigkeit gerichtet; denn du hast die Sanften
geplagt, die Ruhigen verletzt, die Lügner geliebt, die Woh-
46nungen derer, die, Gerechtigkeit säeten, hast du zerstört, die
Mauern derer, die dir nichte zu Leide gethan hatten, nieder-
gerissen. Und deine Sünde ist vor den Höchsten gedrungen
und dein Hochmuth vor den Starken. Und der Höchste sah
den Hochmuth der Welt, und siehe, sie ist zu Ende und ihre
Weltalter erfüllt Deshalb wirst du gänzlich verschwinden,
Adler, und deine furchtbaren Flügelfedern, und deine ver-
brecherischen Federchen, und deine bösartigen Häupter, und
deine schlechten Krallen und dein ganzer nichtsnutziger
Körper, auf dass die ganze Erde gelabt werde und, von
deiner Gewaltthätigkeit befreit, Ruhe habe und das Gericht
UND IHRE SPAETEREN BEARBEITUNGEN. 253
und dia Bannherzigkeit ihres Schöpfers erwarte !^^ Und es
geschah, dass, wahrend der Lowe diese Worte zum Adler
sprach, das übriggebliebene Haupt so wenig mehr zu sehen
war als die Tier Flügelchen. Und die zwei, welche an das
Haupt übergegangen waren, erhoben sich auch ihrerseits, um
zu regieren^), und ihre Erallen zitterten.^ Und ich sah, da
Tcrsch wanden auch sie, und der ganze Körper des Adlers
ward verbrannt, und die Erde erzitterte heftig/' Interpre-
tatio 12, 29—34 (12, 35—41): „Und was die beiden unter
das Haupt rechts übergegangenen Federchen anbelangt, die
du gesehen hast, so ist dies ihre Deutung: das sind die,
die der Höchste vom Anfang des Endes bis zum Eude des
Eudes aufbewahrt hat, und das Ende wird sein wie der An*
fang, nämlich eine schwache Begierung voll Ton Verwirrung.^
Und was den Löwen anbetrifipfc, den du gesehen hast vom
Felde sich erheben, brüllen und zum Adler sprechen und 47
ihm alle seine Ungerechtigkeit vorhalten, so ist dies die Er-
klärung dessen, was du vernommen hast: das ist der Gesalbte
vom Samen Davids, den der Höchste aufbewahrt hat fQr das
Ende der Tage, und er wird kommen und ihnen ihre Sünden
vorhalten and sie ihrer Verbrechen beschuldigen und alle ihre
frevelhaften Gedanken feststellen. Und er wird sie lebend
vor Gericht stellen, und wenn er sie überführt hat, wird er
sie ausrotten. Aber mein übriges Volk, die gerettet sind
auf dem Berge meines Heiligthums (Zion), wird er mit seiner
Barmherzigkeit loskaufen, und wird sie erfreuen, bis dass
der Tag des Gerichtes kommt, von dem ich zu dir im An-
fang geredet habe.^^ Die beiden letzten Federchen sind beim
Anfang des Endes unter das rechte Haupt übergegangen,
d« h. es ist ihnen bestimmt, erst nach diesem, also nach
1) Ich schiebe mit Hilgenfeld S. 207 nach duaeque ein q%Me ein,
setse aber vor duaeque einen Punkt und betrachte das et vor erectae
8unt als Uebersetznng von xal avtd.
2) Das et erat regnum eorum exile et tumultu plenum des Lateiners
scheint eine ans der Interpretatio eingedrungene Glosse zu sein.
8) Der Araber und Lateiner ergänzen sich gegenseitig; im Aethio-
pischen ist oonfus übersetzt.
254 DIE APOKALYPSE DES ESBA
Caracalla^ an die Regierung zu kommen. Nach Caracallas
Ermordung werden Macrinus und sein Sohn Diadumenianus^
den er zum Cäsar ^ später zum Augustus ernannte, Kaiser,
und ihre Regierung ist schwach und voll von Verwirrung^
entspricht also völlig der der beiden Federchen. Ihre Herr-
schaft heisst das Ende des Endes, und dieses soll dem An-
fange des Endes, also nach 12,21 (12,26) den Wirren
vor dem Auftreten des Severus, entsprechen. Die Anfange
der kurzen Regierung des Macrinus liessen sich gut an; als
aber Elagabalus sich empörte, verlor Macrinus den Kopf und
benahm sich auf eine so schwache Weise, dass man noch vor
der entscheidenden Niederlage seinen Untergang mit Sicher-
heit voraussah (Tillemont III S. 260). Das Gesicht ist also
nach der Schilderhebung Elagabals verfasst, um so mehr,
da erst durch den Kampf der beiden Kaiser mit einem
Gegenkaiser ein ähnlicher Zustand wie der vor der Herr-
schaft des Severus eintrat Andererseits ist es verfasst^ ehe
die Kunde von dem Tode des Macrinus und seines Sohnes
bekannt war, ihre Todesverkündigung ist wirkliche Weis-
48 sagung; denn unmittelbar nach dem Untergange der beiden
letzten Federchen soll der Messias auf Erden erscheinen,
nicht erst unter einem neuen Kaiser. Elagabalus Hess sich
am 16. Mai 218 zum Kaiser ausrufen, die Entscheidungs-
schlacht ward am 8. Junj 218 geschlagen, Macrinus floh
vom Schlachtfelde (in Antiochiens Nähe) durch Kleinasien
nach Chalkedon, ward hier ergriffen, zurückgebracht und in
der kappadokischen Stadt Archelais auf Elagabals Befehl
enthauptet; Diadumenianus hatte dasselbe Schicksal. Die
Zeit ihres Todes wird nicht angegeben; sicher kamen sie
noch im Laufe desselben Sommers um. Hiernach fällt die
Veröffentlichung des Adlergesichtes mit Sicherheit in den
Juni 218.
In der Interpretatio folgt die Parusie des Messias ganz
sachgemäss erst auf die Regierung der beiden letzten Feder-
chen; in der Vision selbst ist die Folge eine umgekehrte,
der brüllende Löwe erscheint schon unter Caracalla, während
er noch zum Adler redet, kommt Caracalla um, folgen
UND IHRE SPAETEREN BEARBEITUNGEN. 255
Macrinns nnd DiadumenianuS; und erst mit ihrem Unter-
gange rottet der Messias den Adler aus. Was aber in aller
Welt konnte unter Macrinus einen Gläubigen bewegen, die
Herrschaft des Messias als schon begonnen zu bezeichnen?
Die Sache ist höchst unpassend und um so auffölliger, da
man dem Verfasser des Adlergesichtes sonst nachrflhmen
musSy dass er die geschraubte Form, die durch ein der*
artiges Bathselspiel bedingt wird, nicht ungeschickt gehand-
habt hat. Dazu kommt, dass das rechte Haupt (Caracalla)
nach 12, 28 erst m novissimis, das ist, wie Hilgenfeld richtig
bemerkt hat, ncush dem Auftreten des Messias, umkommen
soll. Aus diesem Grunde will Hilgenfeld (S. 207. 221) die
Stelle 12, 2 (12, 3) so verstanden wissen, dass die zwei unter
'das Haupt übergegangenen Federchen schon längst, gleich
bei ihrem Uebergange, umgekommen seien; allein der Ver-
fasser bleibt sich darin überall gleich, dass er jene Feder- 49
eben erst nach dem rechten Haupte herrschen lässt, die
Worte 11, 24 (11, 27 — 28) sind namentlich ganz unmiss-
verständlich. Jene Schwierigkeit lässt nur eine Losung zu,
da an eine wirkliche Prophezeiung Niemand im Ernste
^ denken wird: die erste Abfassung des Gesichtes {£llt unter
Caracalla, zwischen 212 — 217; als Caracalla zwar durch das
Schwert gefallen, der Messias aber nicht erschienen war, so
corrigirte der Seher, um seine Prophetie zu retten, die bei-
den auf das rechte flaupt folgenden Federchen hinein und
schob die Ankunft des Messias auf den Untergang des Ma-
crinus und Diadumenianus hinaus, die Spuren dieser Nach-
besserung sind aber nicht überall mit der gehörigen Sorg-
falt verwischt worden. Diese Vermuthung empfiehlt sich
noch durch zweierlei. Die Stelle 12, 3 (12, 4) ist wortlich
aus Daniel 7, 11: to dTiQiov ixatvo atnjgi^ xal aitdXato xal
to öäfia avrov idod^ eis xav6iv nvQog^ nur ist AvijQd^ xal
axciXato statt auf das Thier selbst auf die beiden Federchen
bezogen worden. Streicht man v. 2 (2 — 3) als Nachtrag,
so schliesst sich die Entlehnung aus Daniel auf das Engste
an V. 1 an: „Und es geschah, dass, wie der Löwe diese
Worte zum Adler geredet hatte, der Letztere umkam und
256 DIE APOKALYPSE DES ESRA
der ganze Körper des Adlers verbrannt ward: und die Erde
erzitterte sehr/^ Ferner kommt erst dann, wenn man von
den acht Federcbeü die letzten zwei streicht, einige Sym-
metrie in die Gliederung des apokalyptischen Thieres: nun-
mehr kommen auf die sechs Hauptfedem des linken Flügels
ebensoviel Gegenfedern, und das Regiment der Letzteren wird
nicht mehr durch das der drei Häupter unterbrochen; end-
lich, was die Hauptsache ist, erhalten wir ganz von selbst
eine richtige arithmetische Progression, nämlich 3 Häupter
•^ 6 Gegenfederchen -f- 12 Flügelfedem.
Für die Heimath des Verfassers ist der Umstand, dass
er den romischen Adler vom Meere her kommen lässt, von
60 keiner Beweiskraft, weil er aus Daniel 7, 2 entlehnt ist.
Wohl aber lässt sich daraus, dass das Original griechisch
geschrieben war, und daraus, dass zwar Pescennius Niger,
nicht aber Glodius Albinus, der westliche Nebenbuhler des
Severus, berücksichtigt worden ist, folgern, dass er imX)rient
lebte. Ueber seinen Glauben lässt sich nur aus der Stelle
über den Messias etwas entnehmen, die ich deshalb in ex*
tenso mil^etheilt habe. In der Strafpredigt des Löwen wird
der Adler beschuldigt, die Wohnungen der Gerechten zer- ^
stört und die Mauern der Harmlosen niedergerissen zu haben;
dies würde allerdings sehr gut auf einen jüdischen Verfasser
zutreffen, der dabei an die Verbrennung des Tempels und
die Zerstörung Jerusalems dachte, während eine Zerstörung
christlicher Kirchen unter Severus ein Anachronismus wäre:
allein es fragt sich, wie weit die Ausdrücke buchstäblich zu
nehmen sind. Die Eschatologie des Verfassers ist diese: der
Messias wird erscheinen, Gericht über seine Widersacher
halten und diese bestrafen, sein übriges Volk aber wird er
erlösen und über dasselbe in Freuden herrschen bis an den
Tag des jüngsten Gerichtes. Hierin sieht namentlich die
Erlösung oder, wie der Aethiope übersetzt. Loskaufung des
Gottesvolkes durch die Barmherzigkeit des Messias sehr
christlich aus. Entscheidend aber ist die Erwägung, dass
eine so spät wie 218 n. Ch. im Schosse des Judenthums
entstandene Weissagung nimmermehr Eingang in ein von
UND IHRE SPAETEEEN BEARBEITUNGEN. 257
•
der christlichen Kirche hochgehaltenes und vielgebrauchtes
Buch gefunden haben kann. Bestätigend kommt dazU; dass
gerade^ damals die Danielischen Visionen yon Christen im
christlichen Sinne ausgedeutet und auf Vorfälle der jüngsten
Vergangenheit bezogen wurden: das Beispiel des Judas unter
Severus wurde bereits erwähnt. So wenig wie über den
Glauben des Propheten, kennen wir über seine geistige
Befähigung im Zweifel sein: er legt in der That ein über-
raschend richtiges Verständniss der Haupt Wendepunkte der 61
romischen Eaisergeschichte an den Tag, und es ist von
grosstem Interesse, zu hören, wie ein uugelehrter, aber
scharfblickender Zeitgenosse über Macrinus, namentlich aber
wie er über den grossen Severus urtheilt, Regenten, über
welche die Ansichten der römischen Historiker so sehr aus-
einander gegangen sind. Aus diesem Grunde behält das
Adlergesicht geschichtlichen Werth, wenn es uns auch nicht
mit neuen Thatsachen bekannt macht.
Gerade dies, dass das Adlergesicht nur auf Bekanntes
anspielt, macht die Deutung so leicht und sicher, und es
wäre wunderbar, wenn noch Niemand auf diese so nahe
liegende Lösung gerathen wäre. In der That aber hat
schon Hartwig, Apologie der Apokalypse IV S. 212 ff. den
Verfasser des Esrabuches zu einem Christen gemacht, der
im Jahre 217 n. Ch. geschrieben habe (Lücke S. 188). Ich
kenne seine Gründe nicht ^), bin aber überzeugt, dass nur
das Adlergesicht den alten Herrn zu jenem Datum geführt
haben kann, und mache das Resultat, insoweit es diese Vision
betrifft, zu dem meinigen. Warum dieser Fund bei den
neueren Forschern so gänzlich unbeachtet geblieben ist, liegt
auf der Hand: Hartwig glaubte mit dem Datum des Adler-
gesichtes ohne Weiteres das des ganzen Esrabuches gefunden
zu haben-, da nun aber das erste sichere Citat desselben sich
in den wo nicht im Jahre 194'), doch spätestens 205 n. Gh.
1) Von dem jetzt veralteten Werke habe ich hiesigen Ortes nur
die beiden ersten Bände aufzutreiben vermocht.
2) Dies ist die gewöhnliche Annahme, die sich darauf stützt, dass
EnsebioB im Kanon unter diesem Jahre die Blüthe des Clemens an-
▼. OüTSCHMiD, Kleine Schriften. IT. 17
258 DIE APOKALYPSE DES ESRA
52 verfassten Stromateis des Clemens von Alexandrien vorfindet
(Lücke S. 151); so liegt es auf der Hand, dass der Kern
der Schrift älter sein muss als 218. Ein zweites Zeugniss
gewinnen wir aus der christlichen Einleitung, die wir dem
Jahre 201 n. Ch. zugewiesen haben. Hiermit ist mathema-
tisch bewiesen, was Noack S. 357 ff« schon aus inneren
Gründen, aus dem Gedankengange des echten Esrabruches,
yermuthet hatte, dass das Adlergesicht eine spätere
Interpolation ist.
IV. Die ursprüngliche Apokalypse.
Dass der Verfasser der ursprünglichen Esra- Apokalypse
ein Jude war, ist fast ausnahmslos anerkannt worden (Lücke
S. 189). Noack S. 341 weist noch genauer nach^ dass die
in dieser Schrift vorgetragenen Lehren die der Pharisäer
sind. Wenn derselbe aber S. 344 in Stellen wie 7, 20—24
Lat (5, 20 — 24 Aeth.) Anspielungen und Seitenhiebe auf die
Christen findet, so ist dies gesucht und darum nicht über-
zeugend; näher liegt es wohl, bei denen, die „sich Gedanken
der Eitelkeit in den Kopf gesetzt und sich Apostasie vor-
genommen haben und dem Höchsten widersprechen, sagend,
Gott ist nicht^', an die Sadducäer zu denken. Das Buch ist
nicht aus dem Hebräischen übersetzt, sondern ursprünglich
griechisch geschrieben (Lücke S. 154). Aus diesem Grunde
ist allerdings die Präsumption dafür, dass der Verfasser ein
alexandrinischer Jude war, und Lücke hat dies S. 211 noch
damit zu begründen gesucht, dass das Esrabuch unter den
ägyptischen Christen viel verbreitet war. Andererseits aber
folgt der Verfasser in seiner Berechnung der Weltalter
merkt; aas den Stromateia selbst geht nar das hervor, dass sie unter
Severus geschrieben sind. Nnn aber wissen wir durch Clemens selbst^
dass er erst den nQ0t(f£ifti%6g , dann den Ilaidayayog und erst im
Greisenalter sein Hauptwerk, die Htffmiuctstg^ schrieb. Daher glaube
ich, dass vielmehr die zweite Notiz, die Eosebios unter dem Jahre
2220 Abr. (206 n. Ch.) hat, ^ßlemens iis iempoiibus libris conacribendis
operatn dabat^\ die Abfassungszeit der Stromateis im Auge hat
UND IHRE SPAETEEEN BEARBEITUNGEN. 259
10, 45 (10, 58), wie sich zeigen wird, dem hebräischen
Texte, nicht der Septaaginta, und spielt mehrfach auf die 63
politischen Znstande Palästinas, nie auf Aegyptisches, an,
und dadurch wird die ägyptische Heimath des Verfassers
wieder bedeutend in Frage gestellt. Aus äusseren Gründen
ergiebt sich über die Abfassungszeit des Buches so viel, dass
es später ist, als das Buch Daniel, welches vom Pseudo-
Esra nachgeahmt wird (Lücke S. 187. 209), aber älter als
der ToUige Bruch zwischen Judenthum und Christenthum,
da ein nach dieser Zeit unter den Juden entstandenes Apo-
kryphon unmöglich in der christlichen Kirche solche Geltung
hätte erlangen können, wie sie die Esra - Apokalypse ihren
christlichen Erweiterungen und Nachbildungen nach zu ur-
theilen erlangt hat (Lücke 8. 194). Diesen Bruch datir^n
die vorsichtigsten Forscher von der Zerstörung Jerusalems;
als äusserste Grenze steht der Aufstand des Barkochba
fest Das Buch ist also verfasst zwischen 167 v. Gh. und
135 n. Oh.
Der Verfasser unserer Apokalypse schreibt unter der
Maske eines Salathihel qui et Ezras ^)y giebt sich also ohne
Zweifel für den Vater des Serubabel aus. Die Person des
Schriftgelehrten Esra wird gespalten und ein Theil seiner
Thätigkeit, die Wiederherstellung der heiligen Schriften, auf
einen älteren Esra übertragen, der als identisch mit Seal-
thiel, Vater des Wiederherstellers des jüdischen Staates ist.
Geschrieben will das Buch sein im 30. Jahre nach der Zer-
störung von Jerusalem, also 558 v. Gh. Es sind aber in
dem Buche eine Anzahl chronologischer Angaben enthalten,
aus deren Verbindung sich die eigentliche Abfassungszeit des
Buches ursprünglich wahrscheinlich mit völliger und jetzt
noch mit annähernder Gewissheit erkennen liess. Wir haben
nämlich ausser dem fingirten Datum des Esra eine Angabe 54
1) So hat 3, 1 (1, 1) auch der Codex Sangermanensis, so gut wie
die äthiopische und arabische üebersetzung. Also kaun 5, 16 (3, 24)
das Salathiel für den Namen des den Salathiel - Ezras besuchenden
YolksfSrsten nnmdglich richtig sein und ist nach den beiden anderen
Uebersetzungen mit leichter Aenderung in Falthiel zu verbessern.
17*
260 DIE APOKALYPSE DES ESRA
über die Eiütheilung der Zeit im Weltalter und wieviel da-
von bis Esra verflossen, wieviel noch Zwischenraum bis zum
Erscheinen des Messias sei, und eine Bestimmung des Tem-
pelbaues Salomos nach Jahren der Welt: da nun der Ver-
fasser das Erscheinen des Messias als für seine Zeit un-
mittelbar bevorstehend ansieht, so würde sich seine Zeit mit
Sicherheit berechnen lassen, wenn wir nur wüssten, zu wie-
viel Jahren der Zwischenraum zwischen Tempelbau und
Tempelzerstorung angesetzt war. Und ursprünglich scheint
wirklich eine derartige Notiz dagewesen zu sein. Am
Schlüsse des Buches findet sich nämlich in den beiden
orientalischen Uebersetzungen eine Angabe darüber, wieviel
Jahre Esra nach der Wiederherstellung der heiligen Schriften
noch gelebt habe, und das Datum seiner Aufnahme in den
Himmel nach Jahren der Welt; die Auslassung der Stelle
war in der lateinischen üebersetzung unvermeidlich, weil in
dieser das Buch hier nicht schliesst, sondern eine christliche
Fortsetzung angehängt ist. Der Text ist im Wesentlichen
gleichlautend, wenn auch die einzelnen Zahlen abweichen.
Den Worten quarto anno a sabbaticis annis des äthiopischen
Textes entspricht im Arabischen offenbar et vixi septuaginta
sex annos, ich kann also darin nicht eine Rechnung nach
siebenjährigen Cyklen, sondern lediglich eine falsche üeber-
setzung von itfi tiööoQtt ikl ißSoiii^ovta sehen. Dann heisst
es wieder im Aethiopischen post annum creaiionis quinquies tnil-
lesimo, im Arabischen post annum a creatione mundi quinquies
millesimum vigesimum quintum: offenbar sind dort die Zehner
und Einer ausgefallen. Nun ist ein Punkt zu setzen; das
Datum „am 10. (Aeth.) oder 12. (Arab.) Tage des dritten
Monats '^ gehört zum Folgenden, es ist der Tag von Esras
Himmelfahrt. Das Jahr giebt der arabische Text nicht au,
im äthiopischen steht nonagesimo et secundo, wobei offenbar
aus dem Vorigen anno quinquies millesimo zu ergänzen ist:
56 5025 + 74 ist 5099, also ist vermuthlich im griechischen
Originale hd"' in h/S' verschrieben gewesen, während die 76
Jahre des arabischen Uebersetzers auf eine Vertauschung der
Zahlzeichen vf und vi zurückzufahren sind. Berechnet man
UND IHRE SPAETEREN BEARBEITUNGEN, 261
die Jahre 5035 und 5099^ in welche hiernach die Thatigkeit
des Esra eingeschlossen wird; nach der alexandrinischen
Weltara , so findet man die Jahre 469 — 395 v. Ch. , in
welche in der That Esra^ aber nicht der Sealthiel -Esra
unseres Buches^ sondern der bekannte Zeitgenosse des Königs
Artaxerzes (den auch die christliche Einleitung 1^ 3 im Auge
hat); gesetzt zu werden pflegt. DieS; der Umstand, dass diese
Berechnung nicht auf dem hebräischen Texte, dem der Apo-
kalyptiker folgt, soudem auf den Zahlen der Septuaginta
beruht, und die Thatsache, dass die alexandrinische Weltara
erst seit dem Anfange des fünften Jahrhunderts vorkommt)
erheben es zur Gewissheit, dass die jetzt vorliegende Be-
rechnung eine christliche Interpolation ist. Es ist mir aber
sehr wahrscheinlich, dass am Schlüsse ursprünglich eine An-
gabe über Esra in Jahren einer den christlichen Bearbeitern
oder Uebersetzem unverstandlichen hebräischen Weltära stand,
welche durch eine den ägyptischen Christen geläufige Datirung
ersetzt ward; die 74 Lebensjahre des Esra, sowie Tag und
Monat seines Endes können recht wohl ursprünglich sein.
Doch ist auch trotz des Verlustes dieser genaueren Bestimmung
die Berechnung der Weltalter in unserer Apokalypse ziemlich
sicher^ da in Bezug auf den Zeitraum zwischen Salomo und
Nebukadnezar die Meinungsverschiedenheiten höchstens 40
Jahre betragen können.
9, 38£P. wird eine Erscheinung beschrieben, die Esra auf
dem Felde Ardath (Lai, Arphad Aeth., Araat Arab.), .wahr-
scheinlich einer wirklichen babylonischen Localität, gehabt
haben soll. Es ist ein trauerndes Weib, das 30 Jahre in
kinderloser Ehe gelebt, nach 30 Jahren einen Sohn geboren
und ihn mit vieler Mühe grossgezogen hatte: aber an seinem 56
Hochzeitstage war der Sohn gestorben. Das Weib wird auf
Zion bezogen, ihr Sohn auf den Tempelbau, sein Grossziehen
auf das Wohnen der Israeliten in Jerusalem, sein Tod auf
die Tempelzerstörung. Die 30 Jahre der Unfruchtbarkeit
des Weibes werden 10, 45 — 46 (10, 58 — 60) so erklärt:
„Nämlich 3000 Jahre stand die Welt, als in Zion noch
keine Opfer dargebracht wurden : und nach 3000 Jahren
262 DIE APOKALYPSE DES ESRA
geschah es, dass Salomon die Stadt baute und Opfer dar-
brachte: da war es, wo die Unfruchtbare den Sohn gebar/^
Dass dies der Sinn der Stelle ist, hat Lücke S. 175 durch
Yergleichung der verschiedenen Texte festgestellt; nur ist
anni saeculo IIL nicht in annorum saecula triginta zu yer-
ändern, sondern sowohl hierfür wie für das folgende post
annos III zu schreiben anni III, post annos III: saeculo,
d. i. saecula, ist die Randglosse Jemandes, der den Tausender-
strich übersah und doch erkannte, dass drei Jahre hier zu
wenig seieu. Der Codex Sangermanensis stimmt also mit dem
arabischen Texte wörtlich überein, während der Aethiope
freier übersetzt hat: y,die 30 Jahre der Unfruchtbarkeit sind
die (ebensovielen) Jahrhunderte, wo in Zion noch kein Opfer
dargebracht ward;'' dass, wie Lücke meint, im griechischen
Urtexte ysvsag X' gestanden habe, ist nicht wahrscheinlich.
Nach der Septuaginta sind von Erschaffung der Welt bis
auf den Tempelbau mindestens 4227 Jahre; Pseudo-Esra kann
also nur dem hebräischen Texte gefolgt sein. Nach diesem
erhält man, wenn man für den Zeitraum vom Auszug bis zum
Tempelbau die 480 Jahre L [= IIL] Kon. 6, 1 zu Grande
legt, 3146 Jahre oder 3116, wenn man die Dienstbarkeit der
Israeliten in Aegypten statt zu 430 mit Gen. 15, 13 zu 400
Jahren berechnet. Für beide Summen wäre 3000 Jahre eine
sehr starke Abrundung; wahrscheinlich aber rechnete Esra
nicht so, sondern in der Weise wie Josephos und nach ihm
sämmtliche christlichen Chronographen, d. h. er zählte mit
67 der Septuaginta die Dienstjahre der Israeliten in Aegypten
nicht von Jacobs, sondern von Abrahams Einwanderung und
berechnete dagegen die Zeit von Moses bis Salomo nicht
nach dem ersten Buche der Eonige, sondern nach dem
Buche der Richter. Diese Berechnungsart ist verschieden
imd meistens chronologischen Systemen zu Liebe sehr will-
kürlich ausgeführt worden : die älteste und zugleich den
biblischen Zahlen am treusten sich anschliessende ist die
des Josephos, der den betreffenden Zeitraum zu 592 Jahren
angiebt.^) Dann erhalten wir 1656 Jahre von der Schöpfung
1) Ant. Jad. VIII, 8, 1.
UND IHRE SPAETERBN BEARBErTUNGEN. 263
bis zur Fluthy 365 Jahre bis Abraham, 430 oder 400 Jahre
der Dienstzeit in Aegypten, 592 Jahre zwischen Auszug und
Tempelbau, zusammen 3043 oder 3013 Jahre, wofür 3000
Jahre eine sehr gelinde Abrundung ist. Der Ansatz der
Dienstzeit in Aegypten zu 430 Jahren (nach Exod. 12, 40)
ist der ge wohnliche, aber gerade von Esra schwerlich zu
Grunde gelegte; er bestimmt nämlich 7, 28 (5, 29) die
Messianische Freudenzeit auf 400 Jahre, eine Zahl, die, wie
Lücke S. 171 nachgewiesen hat, aus der Beziehung yon
Psalm 90, 15 (Erfreue uns nun wieder, nachdem du uns so
lange plagtest) auf Gen. 15, 13 (da wird man sie zu dienen
zwingen, und plagen 400 Jahre) herausgeklügelt ist: hätte
also Esra den yorbildlichen Zeitraum zu 430 Jahren an-
gesetzt, so wäre dies eine Inconsequenz, die man ihm ohne
Noth nicht aufbürden darf. Wir betrachten .demnach die
3000 Jahre als Abrundung von 3013. Doch ist die Mög-
lichkeit offen zu lassen, dass die Zahl 3000 nicht rund,
sondern genau ist und dass sich Esra des Ueberschusses
durch eine abweichende, uns anderwärts nicht überlieferte
Berechnung der Richterzeit entledigt hat. — Der Tempel
wurde erbaut 241 Jahre nach der Gründung von Tyros, die
in das Jahr 1218 v. Ch. gehört*), also 977 v. Ch. Allein 58
diese richtige Zeitrechnung ist bei den Juden frühzeitig in
Vergessenheit gerathen; bereits 300 Jahre vor Josephos
bestimmte der jüdische ^ Historiker Demetrios , der unter
Ptolemäos Philopator schrieb*), den Zwischenraum von
Sanheribs Eroberungszuge bis zur Zerstörung von Jerusalem
auf 128 (sehr. 125) Jahre 6 Monate, rechnete also auf Ma-
nasses Regierung 55 volle Jahre (Clem. Strom. I, 21 p. 146
Sylb.). Die späteren Juden und ihnen folgend die christ-
lichen Chronographen rechnen, unbekümmert um etwaige
Mitregentschaften, die biblischen Zahlen einfach zusammen.
Die Letzteren pflegen sich an die Könige von Juda zu halten:
legt man die Summe ihrer Regierungsjahre zu Grunde, so
1) YoD mir nachgewiesen im Literarischen Centralblatt vom
87. November 1868 S. 769 [Band I S. 249 dieser Sammlung].
*) [Vgl. oben S. 186 ff. F.^B.]
264 DIE APOKALYPSE DES ESRA
erhält man für die Zeit vom vierten Jahre Salomos exclasive
bis auf die Zerstörung von Jerusalem 4297, Jahre. Oder
man betrachtet, wie dies Josephos gethan hat, die Jahres-
reihe der Könige von Israel als massgebend, so findet man
durch Addition für denselben Zeitraum die Summe von 411
Jahren. In jenem Falle ergiebt sich für den Tempelbau
das Jahr 1016, in diesem das Jahr 998 v. Ch. Je nachdem
man den Zeitraum von Adam bis Salomo zu 3000 oder zu
3013 Jahren berechnet, erhält man von den erwähnten drei
Ausgangspunkten sechs verschiedene Schöpfungsjahre: 1)3977
oder 3990, 2) 4016 oder 4029, 3) 3998 oder 4011 v. Cb.^)
14, 10 — 12 (14, 8 — 9) heisst es nach der lateinischen
UebersetzuDg: „Denn die Welt hat ihre Jugend überschritten
und die Zeiten fangen an zu altern; in zwölf Theile nämlich
59 ist das Weltalter getheilt, und es ist in den zehnten ein-
getreten und in die Mitte des zehnten Theiles; es sind aber
von ihm noch übrig zwei Theile nach der Mitte des zehnten.^^
üeberliefert ist et transierunt eins decima et dimidium decitnae
partis, unsinnig; es wird aber nicht mit Fabricius decima in
novem zu ändern, sondern nach der Analogie der äthiopischen
Uebersetzung ein griechisches xal TcagijW'Bv (6 alwv) elg ro
öaxatov avrov ^sgog xal elg ro i](iiöv xov Ssxi^cov als zu
Grunde liegend anzunehmen sein, wobei sIq unübersetzt
geblieben ist. Im Aethiopischen lautet die Stelle: „in zehn
Theile nämlich ist das Weltalter getheilt^ und es ist in den
zehnten eingetreten, und übrig ist noch die Hälfte des zehn-
ten"; das üebrige fehlt. Der Araber umgeht die verwickelte
Berechnung durch ein „der grössere Theil der Jahre ist ver-
flossen, sehr wenige sind nur noch übrig''. Das Auseinander-
gehen der Texte ist gewiss nicht zufällig; nur darin ist
Uebereinstimmung, dass bis auf Esra 9V2 Theile des Welt-
1) Für die spätere Zeit unserem Verfasser eine Abweichnng von
der richtigen ZeitrechnuDg zuzutrauen, liegt kein Grund vor: ist doch
dem Verfasser des Buches Daniel die wahre Zeit des Nebakadnezar
noch sehr gut bekannt; wenn Josephos und Julius Africanus die Zer-
störung Jerusalems viel zu hoch hinanfrücken, so beruht das auf in-
dividuellen Berechnungen des Anfanges des Eyros.
UND IHttB SPAETEREN BEABBEITÜNGEN. 265
alters verflossen waren. Da fingirt wird, dass Esra im
Jahre 558 y« Cb. schrieb^ so ergiebt sich durch Subtraction
dieses Jahres von den sechs möglichen Schopfangsepochen
unseres Verfassers ^ dass Esra mindestens im 3420steny
höchstens im 3472sten Jahre der Welt blühte; es ist natür-
lich nicht nöthig^ dass dieses Jahr genau das mittelste des
zehnten Theiles ist, wofern nur die Fehlerweite einige Jahre
nicht überschreitet. Dividirt man jene Zahlen durch 9V27
so findet sich, dass ein jeder Theil zu 360 — 366 Jahren
berechnet ist. Es liegt auf der Hand, dass nicht jede be-
liebige Jahrsumme zur Einheit bei der Eintheilung der Welt-
dauer gestempelt werden kann, sondern nur eine runde oder
eine in der Tradition bedeutsam gewordene oder eine in
irgend einer anderen Beziehung typische, symbolische Zahl.
Im Bereiche der Zahlen, zwischen denen wir wählen können,
eignet sich keine so vorzüglich zur Einheit für einen Theil
des Weltalters als 365, die Zahl der Tage des Jahres: eine 60
Periode von 365 Jahren ist recht eigentlich ein grosses Jahr.
Auch die daraus abgerundete Zahl 360 würde recht gut
passen^ um so mehr, da sich ein grosses Jahr von 360
Jahren schicklich in zwölf grosse Monate von je 30 Jahren
zerlegen liesse. Eine von beiden Summen ist gewiss das
Mass für die Theile des Weltlaufes, das Esra meint. Ver-
binden wir diese Einheiten mit den sechs möglichen
Schöpfungsepochen, so ergeben sich zwölf Varianten der
Rechnung, welche die genaue Mitte des zehnten Theiles
frühestens in das Jahr 609, spätestens in das Jahr 509
V. Ch. bringen; jenes Datum liegt 51 Jahre vor, dieses
49 Jahre nach dem Jahre 558, in welchem Esra die Ent-
hüllung erhalten haben soll: an sich ist demnach jede dieser
zwölf Rechnungen zulässig. — Die Hauptfrage ist nun die,
ob der Lateiner mit seinen zwölf Theilen, von denen noch
2^2 übrig seien, oder der Aethiope mit seinen zehn im
Rechte ist, von denen nur noch ein halber der Zukunft an-
gehöre. Lücke S. 182 hat sich unbedingt für die Richtigkeit
der äthiopischen Lesart entschieden: 1) weil aus dem näch-
sten Texteszusammenhange hervorgeht, dass von dem ganzen
266 DIE APOKALYPSE DES ESBA
Weltlauf nur noch die kürzeste Zeit übrig ist: im nächsten
Verse heisst es: ,,nunmehr also triff die letzten Verfügungen
über dein Haus!'^ für diese Frist seien 2^/^ Theile offenbar
zu viel; 2) weil auch Henoch die Weltzeit in zehn Wochen
eintheilt. Gewiss wiegen die Argumente nicht leicht; noch
stärker aber ist die Evidenz, die dagegen spricht. Zehn
Theile zu 360 oder 365 Jahren ergeben für den ganzen
Weltlauf 3600 oder 3650 Jahre: wollte man nun auch das
400jährige Reich des Messias , das doch noch der jetzigen
Welt angehören soll, ganz bei Seite lassen, so käme man
doch, wenn man eine von beiden Summen von einer der
sechs Schöpfungsepochen zwischen 4029 — 3977 abzöge, mit
dem Ende der Welt in die Jahre zwischen 429— 327 v. Ch.,
61 also auch mit dem spätesten Termine lange vor die Zeit,
in der die Apokalypse des Esra möglicherweise verfasst sein
kann. Von dieser Lesart muss also ganz abgesehen werden.
Lückes Bedenken lassen sich in der That recht gut heben,
man muss nur die Zwitterstellung des Apokalyptikers im
Auge behalten, der für seine eigene Zeit die Ankunft des
Messias erwartet, aber doch die angenommene Maske eines
längst heimgegangenen Sehers nicht aufgeben kann. Im
Sinne der Gegenwart redet er daher überall von dem Ende
der Welt als etwas nahe Bevorstehendem, so an unserer
Stelle, so namentlich 4, 45—50 (2, 52—59), wo er die noch
zukünftige Zeit im Vergleich zu der schon verflossenen mit
dem nach dem Ausbrennen eines Feuers noch aufsteigenden
Rauche oder mit den nach Aufhören eines Gewitterregens
noch fallenden Tropfen vergleicht. Es kam ihm aber darauf
an, irgendwie den Leser errathen zu lassen, welches denn
der für die Ankunft des Messias bestimmte Termin sei, und
er bewerkstelligte dies am schicklichsten in der Weise, dass
er den ganzen Weltlauf in gleiche Theile theilte und angab,
wieviel davon bis auf die Zeit des wirklichen Esra, für den
er sich ja ausgab, verflossen seien. Die Inconsequenz ist
so gross nicht und sie wird noch dadurch gemildert, dass,
wie Hilgenfeld S. 224 nachgewiesen hat, von den nach dem
lateinischen Texte noch übrigen 2V2 Theilen die 400jährige
UND IHEE SPAETEBEN BEARBEITUNGEN. 267
Herrschaft des Messias als noch zu dem jetzigen Weltlauf
gehörig abzuziehen ist. Die Verwandlung der zwölf Theile
in zehu; der 2y^ restirenden in Yg betrachte ich als eine
absichtliche AenderuDg, die von derselben Hand ausgegangen
ist wie die Interpolation des Schlusssatzes. Nach der ale-
xandrinischen Weltära yerflossen von Adam bis Christus
5500 Jahre; theilt man diese in zehn gleiche Theile, so
läuft mit dem Jahre der Welt 4950 der neunte Zeittheil
ab; und Esra, dessen Ende die Alexandriner in das Jahr
der Welt 5099 setzen, starb, als von dem zehnten Theile
149 Jahre bereits verflossen, 401 Jahre noch zukünftigem
waren, also freilich nicht genau in der Mitte desselben: es
scheint aber, dass die für einen Christen unbrauchbaren
400 Jahre des jüdischen Messiasreiches auf die Zeit von
Esra bis Christus gedeutet wurden, nämlich als die Zeit der
gesalbten Hohenpriester und Konige (xQt^toi) des jüdischen
Volkes, die mit der Verwandlung Judäas in eine romische
Provinz ihr Ende erreicht: nach alexandrinischer Rechnung
fiel Christi Geburt ein Jahr nach diesem Ereignisse, 5500
der Welt =» 7 n. Ch. Die Geburt des wahren Messias liess
sich demnach als der Beginn des künftigen Weltlaufs auf-
fassen und somit die jüdischen Vorstellungen des Buches
passend ins Christliche übersetzen. Zieht man die nach dem
Todesjahre Esras anhebenden 400 Jahre der xqi^xoC von
den 550 Jahren ab, die dem zehnten Theile des Weltlaufs
zukommen, so bleiben für den Anfang desselben 150 Jahre
(4950—5100): somit ist das Jahr 5025, in welches die Nach-
schrift die Wiederherstellung der heiligen Schriften durch
Esra setzt, genau das mittelste des vormessianischen zehnten
Zeittheiles. Diese Uebereinstimmung bestätigt meine Ver-
besserung der theilweise verschriebenen Zahlen der Nach-
schrift. Dass bei der Umänderung der über die Eintheilung
der Weltalter handelnden Stelle die Zehntheilung im Buche
Henoch mit von Einfluss gewesen ist, ist eine mögliche,
aber nicht nothwendige Annahme. Die von uns als ur-
sprünglich erkannte Zwölf theilung des Weltlaufs hat die
entschiedenste Analogie in der Zeitrechnung des Josephos,
268 DIE APOKALYPSE DES ESRA
der die gauze Zeit von Erschafihng der Welt bis auf Jeru-
salems Zerstörung durch Titus, also in politischer Beziehung
den al&v ovtog der Juden ^ auf 4800 Jahre berechnet , d. h.
zwölf Perioden von je 400 Jahren. Je nachdem man in der
Esra - Apokalypse 365 oder 360 Jahre als Einheit nimmt,
ergiebt sich als Dauer des ganzen Weltlaufs die Summe
von 4380 oder von 4320 Jahren, und nach Abzug der 400
63 Jahre des Messiasreiches bleiben 3980 oder 3920 für die
Zeit von der Schöpfung bis zur Ankunft des Messias. Sub-
trahiren wir diese von d^n sechs möglichen Schöpfungs-
epochen, so erhalten wir für den Messias zwölf mögliche
Termine: 4 n. Ch. oder 57 v. Ob., 10 v. Ch. oder 70 v. Gh.,
36 V. Ch. oder 96 v. Gh., 49 y. Gh. oder 109 v. Gh., 18 v. Gh.
oder 78 v. Gh., 31 v. Gh. oder 91 v. Gh. Unmittelbar vor
einem dieser Termine muss das Buch geschrieben sein; in
welchem, darüber müssen anderweitige Indicien entscheiden.
Baur und Yolkmar behaupten, das Buch sei nach der
Zerstörung Jerusalems yerfasst, und stützen sich dabei auf
die Erwähnung der Verwüstung Zions 3, 2 (1, 2), der Ver-
brennung Zions 12, 44 (12, 51), der Verödung Zions und
Erniedrigung des Heiligthums 12, 48 (12, 55), vor Allem
auf die Stelle 10, 21 — 23 (10, 28 — 36): „Denn du siehst,
dass unser Heiligthum verwüstet, unser Altar niedergerissen,
unser Tempel zerstört, unser Psalter vemichtet, unser Lob-
gesang verstummt, unser Jauchzen dahin, das Licht unserer
Leuchte ausgelöscht, die Lade des Gesetzes geplündert, unser
Heiliges besudelt und der Name Gottes, der wider uns an-
gerufen worden ist, schier entweiht ist, dass unsere Freien
Schmach ausgestanden haben, unsere Priester verbrannt wor-
den, unsere Leviten in die Gefangenschaft gewandert, unsere
Jungfrauen entehrt (gemordet, Aeth.), unsere Frauen ge-
schändet, unsere Gerechten geraubt, unsere Kinder von uns
weggerissen, unsere JQnglinge zu Sklaven gemacht, unsere
Starken schwach geworden sind; und, was mehr als dieses
Alles ist, dass das Panier Zions seines Ruhmes entkleidet
worden ist: jetzt ist Zion in die Hand derer gegeben, die
uns hassen!'' War einmal der Schauplatz in die Zeit des
UND IHBE SPAETEREN BEARBEITUNGEN. 269
Exils zurückyerlegt, so konnte eine Erwähnung der Zer-
störung Jerusalems und des Tempels durch Nebukadnezar
gar nicht vermieden werden: also folgt aus diesen Stellen^
die durch die fingirte Situation bedingt sind, für die Ab- 64
fassungszeit des Buches gar nichts, wie schon Lücke S. 203
richtig bemerkt hat. Im Gegentheil ist es auffällig, wie
wenig gerade von der Zerstörung des Tempels die Rede ist,
die doch den Juden ihrer ganzen religiösen Anschauung
nach als etwas viel Aergeres erscheinen musste als die Zer-
störung der Stadt oder des Staates. So fangt das Buch
gleich an „anno trigesimo ruinae civitatis*', und an allen den
oben angeführten Stellen tritt der Untergang des Tempels
zurück; wohl am auffälligsten aber ist 10,54 (10,68):
„denn nicht konnte Menschenwerk auf der Stätte bleiben,
wo die Stadt des Höchsten erscheinen soU.'^ Unter allen
Umständen hätte es hier näher gelegen, zu sagen: „der
Tempel des Höchsten^'; um so mehr wird man zu der Fol-
gerung genöthigt^ dass der Tempel noch nicht zerstört war,
als diese und ähnliche Stellen geschrieben wurden. Ja,
gerade an jener einzigen längeren Stelle, wo die Zerstörung
des Tempels wirklich erwähnt wird, macht der Schlusssatz
die beliebte Beziehung auf die Zerstörung durch Titus
geradezu unmöglich ; denn nachdem alle Greuel der Ver-
heerung ausgemalt worden sind, heisst es, schlimmer als
alles dies sei es, dass das Panier (oder wie man sonst signa-
culum, öfifiitov, übersetzen will) von Zion seines Ruhmes
beraubt, Zion in die Hände der Feinde gegeben sei: aber
die Fremdherrschaft lastete ja schon lange yor Titus auf
den Juden; welchen Sinn also hätte es gehabt, diese als
das ärgste aller durch die Zerstörung des Tempels herbei-
geführten Uebel auszugeben? Eben aus dieser Stelle ist es
vielmehr recht ersichtlich, dass das, was des Sehers Gemüth
im Innersten bewegt, die Fremdherrschaft über Judäa ist,
hinter welcher für ihn alle Leiden der Vorzeit, Zerstörung
und Exil, völlig zurücktreten. . Die Herrschaft der Heiden
über das Volk Gottes ist der Angelpunkt des ganzen Buches,
man vergleiche namentlich 3,27 — 28 (1,26-27), 4,23
270 DIE APOKALYPSE DES ESRA
66(2,33), 5,28 — 29(3,36), 6, 57-58 (4, 64-65); zu
erklären, wie Gott eine solche Anomalie habe zulassen
können, ist der eigentliche Zweck seines Verfassers (Näheres
bei Hilgenfeld S. 232). Nur hierin kann die nothwendig
voraussetzende Analogie der Zeitverhältnisse des Verfassers
mit denen des alten Esra besteben (vgl. Lücke S. 190); am
deutlichsten geht dies hervor aus der absichtlichen Hinauf-
rückung des Esra in die Zeit der chaldäischen Eroberung:
ohne Zweifel hatte die gegen die Juden humane Perserherr-
schaft zu wenig Aehnlichkeit mit derjenigen Fremdherrschaft,
die zu des Verfassers Zeit auf den Juden lastete und welche
keine andere sein kann als die romische. Folglich ist die
Apokalypse des Esra nach 63 v. Ch. geschrieben, es fallen
somit von den zwölf möglichen Terminen fünf weg und es
bleiben nur die sieben zwischen 57 v. Ch. und 4 n. Ch. zu-
lässig. Die ersten Schläge, welche die Römer gegen die
Juden führten, entsprechen zur Genüge der fingirten Situation:
bei der Eroberung Jerusalems durch Pompejus (63 v. Ch.)
wurde die Stadt erstürmt, Pompejus drang mit seinen
Officieren in das AUerheiligste, viele Patrioten suchten aus
Verzweiflung den Tod, indem sie sich in die Tiefe stürzten
oder mit ihren Häusern verbrannten; dann ward die könig-
liche Würde abgeschafft, Judäa zinsbar gemacht und aller
früheren Eroberungen beraubt, die Mauern Jerusalems nieder-
gerissen und streng verboten, sie wieder aufzubauen (Jos.
A. J. XIV, 4, 4 5, 2). Dann plünderte Crassus im Jabre 54
mitten im Frieden den Tempel. Endlich im Jahre 37 er-
stürmte Sossius die Stadt und den Tempel, wobei die Tempel-
hallen verbrannt und von den wüthenden Soldaten Alle, die
ihnen in den Weg kamen, Kinder, Greise, Weiber, erschlagen
wurden (Jos. A. J. XIV, 16, 2). Und, was schlimmer als dies
Alles war, durch den Sieg des Sossius wurde den Juden ihr
verhasster Feind Herodes als König aufgezwungen, der den Ro-
66 mem als schmeichelnder Knecht, den Griechen als freigebiger
Freund, den Juden als habgieriger Tyrann gegenübertrat. Ich
dächte doch, hierin wären selbst im Einzelnen hinreichende
Analogien zu den Schilderungen des Pseudo-Esra geboten.
UND IHRE SPAETEREN BEARBEITUNGEN. 271
Die Stelle, die den sichersten Aufschluss über die Ab-
fassiingszeit des Buches giebt, steht 6, 7 — 10 (4, 14^ — 17):
„Und ich sprach: welches ist die Signatur für die Trennung
der Weltalter? oder wann ist das Ende des ersten und der
Anfang des folgenden Weltalters? Und er sprach zu mir:
Von Abraham an bis Isaak, da von ihm geboren wurden
Jacob und Esau, von Anfang an hielt die Hand Jacobs die
Ferse Esaus; denn das Ende dieses Weltlaufs ist Esau und
der Anfang des folgenden Jacob. Nämlich das Letzte am
Menschen ist die Ferse und das Erste am Menschen die
Hand^); zwischen der Ferse und der Hand suche nichts
Anderes y Esra!'' Der Scharfsinn Hilgenfelds (S. 195) hat
gesehen, dass hier auf die Herrschaft der Idumäer, d. h. des
Herodes und seines Hauses, angespielt wird, mit der dieses
Weltalter abschliessen und der Jacob, d. h. das Messias-
reich, auf dem Fusse folgen solle. Also sind die tribtis im-
piae, denen nach 4, 23 (2, 33) das Volk Oottes überantwortet
worden ist, die Römer und Idumäer. Arabische Schrift-
steller, die aber hierin augenscheinlich rabbinischen Tra-
ditionen gefolgt sind, kennen eine yon Melchisedek der
Rebecca ertheilte Verkündigung, dass Esau sich dem Jacob
unterwerfen werde, und machen den Esau zum Stammvater
der Romer oder, wie sie sich ausdrücken, der Franken (Zeit-
schrift der deutschen morgenländisehen Gesellschaft H S. 238). 67
Die seltsame Genealogie der Römer kann nur darin ihren
Grund haben, dass idumäische und römische Herrschaft für
die Juden Eins waren, und ist höchstwahrscheinlich nur eine
Ausdeutung unserer, wie man aus der Angabe des Arabers
sieht, viel verbreiteten Prophezeiung: als das Idumäerreich
untergegangen und der Messias doch nicht gekommen war,
deutete man Esau auf Rom und suchte so die Authentie
1) Der äthiopische Text ist unsinnig, nar der Araber hat die
Stelle richtig verstanden. Der Ifickenhafte lateinische Text dürfte
etwa 80 herzustellen sein: (Hominis enim extremitas ccUcaneus, et
9uminit€is) hominis manus, Inter ccUcaneum et manum dlitid fioli
quaererej Esdra, Die Yerbesserang der Interpunktion scheint uner-
lässlicb.
272 DIE APOKALYPSE DES ESEA
der Prophezeiung zu retten. Beim Esra wird man diese
Deutelei später Zeit nicht voraussetzen dürfen^ sondern muss
Esau buchstäblich auf die Idumäerherrschaft über Judäa
beziehen. Diese begann 37 v. Ch. und endigte im Wesent-
lichen mit der Verwandlung Judäas in eine romische Provinz
6 n. Ch.; da aber von jüdischem Lande wenigstens Galiläa
und Peräa unter der Herrschaft des Herodes Antipas blieben
und dann der ältere Agrippa sogar das ganze ßeich des
ersten Herodes auf kurze Zeit wieder unter sich vereinigte^
so kann man als letzten Termin der Idumäerherrschaft den
Tod des Agrippa 44 n. Ch. ansehen. Die Herrschaft des
jüngeren Agrippa über verschiedene, an Judäa grenzende
Gebiete berührte die Juden gar nicht; dass er Tiberias,
Taricheä und Julias geschenkt bekam, konnte vernünftiger-
weise ebensowenig als eine Herrschaft Esaus vor der zu er-
wartenden Jacobs aufgefasst werden, wie das terroristische
Auftreten einiger idumäischen Zeloten während der Belagerung
von Jerusalem. In den Zeitraum von 37 v. Ch. — 44 n. Ch.,
auf welchen wir hiernach beschränkt sind, fallen von den
sieben noch möglichen Terminen fünf: 36 v. Ch. oder 31
oder 18 oder 10 v. Ch. oder 4 n. Ch., also alle innerhalb
der Regierung des Herodes und Archelaos.
Die Zeichen, welche dem Erscheinen des Messias vor-
angehen sollen, werden an mehreren Stellen beschrieben^
am ausführlichsten 5, 1 — 12 (3, 1 — 19) und 6, 18 — 28
(4, 21 — 32); es sind theils natürliche, theils übernatürliche,
68 namentlich an der zweiten Stelle. Wir würden nicht wissen,
was von diesen Zeichen historisch ist, käme uns nicht
9, 1 — 4 (9, 1— -5) zu Hülfe, wo es heisst: „Rechne dir die
Zeit im Gedanken aus: und wenn du gesehen haben wirst,
dass ein Theil der Zeichen, die dir vorausgesagt sind, vor-
über ist, so wisse, dass dies eben die Zeit ist, in der der
Höchste die Welt, die von ihm geschaffen ist, besuchen
wird! Und wenn in der Welt gesehen werden wird eine
Bewegung der Länder, Anschläge der Nationen^ Befleckung
des Volkes (mit Blut), Uneinigkeit der Fürsten, Bathlosig-
keit der Landpfleger, dann wisse, dass von diesen Dingen
UND IHRE SPAETEBEN BEARBEITUNGEN. 273
der Höchste geredet hat vom Anfange an in den Zeiten vor
dir!''*) Der Seher fallt hier, wie man sieht, aus der Bolle;
denn für Esra, der lange vor dem Anfange der letzten Zeiten
von der Erde scheidet, hat es keinen Werth, zu wissen, dass,
wenn ein Theil der verkündeten Zeichen vorbei ist, das Ende
nahe sei, wohl aber für die Zeitgenossen unseres Sehers, auf
die der Wink berechnet ist. Die hier erwähnten Zeichen der
Zeit gehören also sicher der Vergangenheit an, und wir
dürfen damit die Parallelen verbinden, die sich dazu an den
beiden ersten Stellen finden. Nämlich an der ersten: „und
wenn der Herr dir das Leben schenkt, wirst du nach der
dritten Posanne sehen, wie die Erde erschüttert wird'' . . .
„die Volker werden in Bewegung gerathen" . . . „und die 69
Freunde werden sich alle wechselseitig bekämpfen." Und
an der zweiten Stelle, wo die Offenbarung durch ein Erd-
beben begleitet wird, heisst es: „und es wird zu jener Zeit
geschehen, dass Freunde ihre Freunde wie Feinde mit Krieg
überziehen; und die Erde wird mit denen, die auf ihr wohnen,
erzittern.'^ Die Vergleichung dieser Angaben lehrt, dass mit
der moiio locorum (toncav xivriöig) 9, 3 (9, 2) ein Erdbeben
gemeint ist. Der grosse Völkerkrieg wird noch an einer
vierten Stelle berührt 13, 29—32 (13, 36—37). Hier heisst
es: „Siehe, die Tage kommen, wo der Herr die, welche auf
der Erde wohnen, anfangen wird zu erretten. Und er wird
die Erdenbewohner mit Sinnesverblendung heimsuchen: und
die Einen werden die Anderen zu überwältigen trachten, eine
Stadt die andere Stadt, ein Land das andere Land, und Volk
wird sein gegen Volk, und Reich gegen Reich. Und wenn
1) Der Aethiope hat et poUutus erit poptüus^ der Araber et sedi-
tiones gentium^ der Lateineir läset das Sätzchen ans; ich vermuthe xal
Xttov iLtdcfucxay worunter gemeint sein kann, dass das Volk (d. h. im
Gegensatze zu den vorher genannten id-vri, das Volk Gottes) sich durch
Blutvergiessen befleckt hat oder von Anderen mit Blut befleckt worden
ist. Das folgende ducum inconatantiae ist sichtlich crr^anjycov aavatcc-
c£ai, üeber die allgemeine Bedeutung des letzten Satztheiles lassen
uns die Uebersetzungen nicht im Zweifel; die arabische Paraphrase
rectarumque variis in locis nemine existente qui ülos dirigat ermöglicht
uns die Rückübersetzung in ein griechisches xal tonuQxmv aßovUoci,
y. OuTBCHKiD, Kleine Sohriften. II. * 18
274 DIE APOKALYPSE DES ESRA
dies geschieht und die Zeichen eintreffen, welche ich dir
gezeigt habe, dann ist es, wo mein Sohn sich offenbaren
wirdl'^ Es wird dann weiter verkündet, sobald diese Volker
vom Erscheinen des Messias horten, würden sie sich ver-
einigen und mit ihrer gesammten Macht den Messias an-
greifen, der aber werde sie vernichten und Zion wiederher-
stellen. Hieraus geht mit Sicherheit hervor, dass der Seher
schrieb, ehe dieser allgemeine Krieg entschieden war; denn
noch im Laufe desselben erwartet er das Erscheinen des
Messias. Uebersehen wir nun die ganze Periode von 37
V. Gh. bis 6 n, Ch. oder auch, wenn man will, bis 44 n. Ch.,
so finden wir nach der Eroberung Alexandriens durch Octa-
vianus absolut Nichts, was im Entferntesten auf diese Schil-
derungen passte; vielmehr werden wir mit Noth wendigkeit
auf die Zeit vor dem Jahre 30 v. Ch. geführt und können
nicht umhin, in dem grossen Kriege, den Freunde mit
Freunden führen, den Bürgerkrieg zwischen Antonius und
70 0ctavianus (32 — 30 v. Ch.) wiederzuerkennen: wenn irgend
einer, war dieser ein allgemeiner Völkerkrieg, weil zu ihm
von beiden Seiten die sämmtlichen Contingente der unter-
worfenen Völker und Konige aufgeboten wurden. Erst unter
diesem Gesichtspunkte erhält die Stelle 9, Iff. ihre rechte
Bedeutung als ein Blick des Sehers auf die Ereignisse der
jüngsten Vergangenheit. Die Anschläge der Nationen
weisen hin auf den Einfall der Parther und ihren Versuch,
sich in Palästina festzusetzen (40 v. Ch.), die Befleckung
des ,,Volkes'' auf den verheerenden Krieg zwischen den
Anhängern des Antigonos und des Herodes, auf die Er-
stürmung Jerusalems durch Sossius^ auf das Blut^ericht, das
Herodes nach dem Siege über die Patrioten hielt (37 v. Ch.),
auf die Ermordung des Knaben Aristobulos, der der Hohe-
priester Gottes war (36 v. Ch.), die Uneinigkeit der Für-
sten auf den Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen An-
tonius und Octavianus, die Rathlosigkeit der Toparchen
auf das Entsetzen, in welches Herodes durch die Nachricht
von der Schlacht bei Aktion gerieth : er selbst und alle seine
Freunde und Feinde — erzählt Jos. A. J. XV, 6, 1 — gaben
UND IHRE SPAETEREN BEARBEITUNGEN. 275
ihn verloren, und, um keinen Pitltendenten hinter sich zu
lassen, Hess er vor seiner Abreise zum Octavianus den
greisen Hyrkanos unter einem nichtigen Yorwande hinrichten
und gab seinen Vertrauten den geheimen Befehl, sobald sie
die Nachricht erhielten, dass ihm etwas zugestossen sei, sein
Weib, di6 Makkabäerin Mariamme, und deren Mutter Ale-
xandra zu todten. Bekanntlich entging Herodes glücklich
aller Gefahr ; die Apokalypse des Esra muss verfasst sein
vor seiner Rückkehr und ehe Octavianus in Aegypten dem
Kriege ein Ende machte, im Spätherbst 31: die Zwischen-
zeit schwüler Erwartung nach der Abreise des Herodes
eignet sich am besten zu dem ganzen Tone des Buches, sie
war ganz darnach angethan, mitten unter dem ärgsten Druck
die Messiashoffnungen, welche Esra als der Erfüllung ganz 71
nahe ansieht, neu zu beleben. Sollte ja noch ein Zweifel
obwalten, so wird dieser durch die Anspielung auf ein Erd-
beben beseitigt: im Jahre der Schlacht bei Aktion erfolgte
zu Anfang des Frühjahres in Judäa ein Erdbeben von solcher
Heftigkeit wie nie eins zuvor; 30000 Menseben wurden da-
durch verschüttet, das umgekommene Vieh war zahllos (Jos.
B. J. I, 19, 3. A. J. XV, 5, 2). Da auch noch von den
fünf möglichen Terminen für den Messias, die in die Hero-
dianische Zeit fallen, der eine gerade auf das Jahr 31 v. Oh.
trifft, so kann dieses Datum als völlig gesichert gelten. Also
sind die 3000 Jahre von der Schöpfung bis zum Tempelbau
Abrundung von 3013, und vom Tempelbau bis zur Tempel-
zerstorung sind nach den Jahren der Könige von Israel 411
Jahre gerechnet; jedes der 12 Weltalter misst 365 Jahre,
die Schöpfung fällt nach Esra in das Jahr 4011, der Tempel-
bau 998, die Tempelzerstörung 587, die Mitte des zehnten
Weltalters in das Jahr 543 (also nur 15 Jahre später als
558, das Datum des Esra- Sealthiel), der Messias 31 v. Ch.
Somit wäre denn das Resultat Hilgenfelds, der die Abfassung
in die Zeit des dritten Bürgerkrieges versetzt hat (S. 222.
236), auf etwas verschiedenem Wege glänzend bestätigt.
Nachdem so aus den sicheren chronologischen Judicien
des Buches ein Schluss gezogen worden ist, wird es gestattet
18*
276 DIE APOKALYPSE DES ESRA
sein, eine Angabe in Betracht zu ziehen, die bisher von uns
absichtlich bei Seite gelassen worden ist, weil sie auf die
wirkliche Abfassungszeit des Esrabnches zwar anspielen kann,
aber nicht anspielen muss.^) Ich meine die Worte 3, 1 (1, 1):
„im 30. Jahre des Unterganges unserer Stadt war ich in
72 Babylon, ich Sealthiel, auch Esra genannt^ und lag beun-
rahigt auf meinem Lager'', und die ähnlichen 3,29 — 30
(1, 28 — 29): „Und es geschah, als ich hierher gekommen
war, sah ich Ruchlosigkeiten ohne Zahl, und viele Gottlose
sah meine Seele diese 30 Jahre; und das Herz lief mir über,
als ich sah, wie du jene Sünder erhalten und die ruchlos
Handelnden verschont hast!'' Das Jahr 31 v. Ch. ist das
33. der Römerherrschaft über Judäa; es ist also allerdings
sehr wahrscheinlich^ dass die 30 Jahre des Unterganges von
Jerusalem, die der arabische Uebersetzer ganz im Geiste des
Apokalyptikers als die Jahre der Gefangenschaft bezeichnet,
in runder Summe ^) die Zahl der Jahre angeben, die seit
der Einnahme Jerusalems durch Pompejus bis auf die Zeit
des Apokalyptikers verflossen waren. Die Vernichtung der
jüdischen Selbstständigkeit, die Niederreissung der Mauern,
die Profanirung des Allerheiligsten bot die allergenügendste
Parallele mit der chaldäischen Eroberung. Somit bestätigt
sich die von uns gewonnene Zeitbestimmung auch noch auf
einem vierten Wege. Enthält das Datum eine Anspielung
auf die Situation des wahren Verfassers, so erwartet man
aus Gründen schriftstellerischer Symmetrie dasselbe für den
Ort, wo das Buch abgefasst sein will. Babylon bezeichnet
symbolisch den Sitz der auf Israel lastenden Fremdherr-
schaft, daher in christlicher Zeit ohne Weiteres Rom. Es
fehlt aber jede Spur, dass die Esra - Apokalypse in Rom
geschrieben sein sollte; aus diesem Grunde und schon an
sich vermag ich jenen Sprachgebrauch Späterer unserem
Apokalyptiker nicht zu vindiciren, sondern nur den Keim
1) In diesem Sinne hat bereits Lücke über die Stelle verständig
geurtheilt (S. 195).
2) Der Apokalyptiker rundet überhaupt ab, wie wir an seinen
3000 Jahren bis Salomo statt 8013 gesehen haben.
UND IHRE SPAETEREN BEARBEITUNGEN. 277
zu demselben. Nun aber war im Jahre 31 v. Ch. der Sitz
derjenigen Fremdherrschaft, die auf Judäa lastete, also das
derzeitige Babylon, nicht Rom, sondern Alexandrien, die
Residenz von Antonius und Eleopatra; das ruchlose Treiben,
das der Apokalyptiker mit eigenen Augen gesehen hat, wäre 73
also das an ihrem sittenlosen Hofe. Ist das Buch in Ale-
xandrien verfasst, so dürfte sich der früher berührte Wider-
spruch am einfachsten lösen, dass nämlich Sprache und Ort
der Verbreitung auf Aegypten führen, während alle An-
spielungen auf Tradition und Zeitgeschichte uns vielmehr
in dem Verfasser einen Palästinenser erkennen lassen. Der
Verfasser war, so stelle ich mir die Sache vor, ein geborener
Palästinenser, der den Traditionen seiner Heimath (z. B. dem
Rechnen nach dem hebräischen Codex) treu bleibt und die
Schicksale des Vaterlandes mit regem Antheile verfolgt, sich
aber in Alexandrien, vielleicht als Verbannter, aufhielt und
die Apokalypse, die er dem alten Schriftgelehrten Esra in
den Mund gelegt, unter seinen eigentlichen Landsleuten nicht
verbreiten konnte oder nicht wollte, es vielmehr vorzog, sich
damit an die Gesammtheit der jüdischen Gemeinden zu wen-
den und deshalb die griechische ViTeltsprache wählte.
Es bleibt uns nur noch übrig, zu zeigen, dass mit der
Abfassungszeit im Jahre 31 v. Gh. nicht nur Andeutungen
allgemeinerer Natur, die das Buch enthält, sich vertragen,
sondern auch Dinge, die sonst für uns beziehungslos wären,
erst unter jener Voraussetzung Licht erhalten. Zu Ersterem
gehört namentlich die schon berührte gedrückte und doch
kraft der Messiashofinung nicht verzweifelnde Stimmung,
unter deren Eindrucke das Buch verfasst ist. Die Resignation,
die in den Worten gipfelt „Menschenwerk muss von der Stätte
verschwinden, auf der die Stadt des Höchsten erscheinen
soll'', hat ihr ebenbürtiges Analogon in der Selbstüberwindung,
mit der bei Herodes' Tode die Besten des Volkes, die ünver-
meidlichkeit der Fremdherrschaft einsehend, selbst den ersten
Schritt thaten, um die bisher bewahrte scheinbare Selbst-
ständigkeit, die den Juden schmeicheln musste, mit der un-
mittelbaren Herrschaft der Römer zu vertauschen: ein Schritt, 74
278 DIB APOKALYPSE DES ESRA
den Ewaldy Geschichte des Volkes Israel IV S. 516 (2. Aus-
gabe) so richtig gewürdigt hat.
Femer gehören hierher die interessanten Vorstellungen,
die wir aus 13, 39 — 47 (13, 42 — 50) kennen lernen. „Und
was — heisst es dort — die friedliche Menge betrifft, die
du den Messias hast um sich yersammeln sehen, das sind
die 972 Stämme^), die gefangen weggefahrt wurden aus
ihrem Lande in den Tagen des Königs Osee, den Salama-
nasar^), der König von Assyrien, in die Gefangenschaft
führte. Und er führte sie über den FIuss und versetzte
sie in ein fremdes Land. Sie aber fassten den Entschluss,
sich von der Masse der Heiden zu trennen und in ein ent-
ferntes Land zu ziehen, wo nie ein Menschenkind gewohnt
hatte, um daselbst ihr Gesetz zu beobachten, das sie nicht
beobachtet hatten in ihrer Heimath. Und sie zogen ein
durch eine schmale Strasse des Euphrat; denn der Höchste
that damals an ihnen ein Zeichen und hemmte die Wasser-
adern, bis dass sie durchgezogen waren. Durch jenes Land
aber war es ein weiter Weg, eip und ein halbes Jahr zu
reisen: und das Land heisst Arsareth (so Lat; Azaph Aeth.;
Acsaräri Kararäwin Arab.). Da nun wohnten sie bis auf
die jüngsten Zeiten; und jetzt^), wo sie aufgebrochen sind,
um zurückzukehren, wird der Höchste die Wasseradern aber-
75mals hemmen, auf dass sie durchziehen können. Darum
hast du gesehen die Menge, welche friedlich versammelt
1) Diese Lesart des Arabers ist schwieriger und darum gewiss
richtiger als die nenn der äthiopischen und die zehn der lateinischen
Uebersetzung; auch der erste Brief Baruch Cap. 1 zählt 9y, Stämme.
Von den zwölf Stämmen sind nämlich Juda, Simeon und die Hälfte
Ton Benjamin als zum Reiche Juda gehörig abgezojfen; vgl. Ewald,
Geschichte des Volkes Israel m S. 410.
2) So liest der Lateiner, der Aethiope dagegen Samnasor, der
Araber A^mouna rex Syriae, das iat wohl Asmouna-Sor. Beide scheinen
eine Nebenform Zafiavaamif vorgefunden zu haben, die zwischen Sal-
roanasar und der Form 'EvsfiaaaaQ im Buche Tobit in der Mitte steht
3) Hat der Lateiner richtig übersetzt, so folgt daraus, daes der
Seher die Ankunft des Messias noch vor anderthalb Jahren erwartet.
Doch hat der Aethiope postea statt nunc.
UND IHRE SPAETBREN BEARBEITUNGEN. 279
war.'' Das Auseinandergehen der Texte in Bezug auf das
fabelhafte Land weit im Osten jenseit des Euphrat hat
gewiss nicht in Schreibfehlern, sondern in abweichenden
Deutungen seinen Grund. Am augenscheinlichsten ist dies
bei der arabischen Lesart der Fall, die sich durch zwei ganz
leichte Verbesserungen, nämlich Ausmerzung eines j im ersten
und Verwandlung von ^ in J im zweiten Worte, auf ein ganz
Tcrstandliches Aqsaräi Kozaräwin zurückführen lässt. Aq
Sarai heisst im Türkischen „das weisse Schloss'', ist also
ein Synonymon für die unter Kaiser Tbeophilos (829 — 842)
erbaute Stadt der Chazaren (arab. Eozar) Namens Sarkel
am Don, deren Name nach Const. Porph. de adm. imp. 42
p. 177 (ed. Bonn.) aöXQov ofSTcCtiov^ das ist eben „weisses
Schloss'', bedeutet; die Araber werden den Namen von tür-
kischen Nachbarstämmen gehört haben. Der Khan Bulan
war ums Jahr 740 n. Ch. zum Judenthum bekehrt worden,
und seine Nachkommen blieben Juden bis auf den Sturz des
Reiches im zehnten Jahrhundert; offenbar ist dies der Grund
gewesen, dass man das grosse Land, welches an den Erd-
enden von den Zehnstämmern bewohnt werde, auf das Cha-
zarenreich bezog. Was das Azaph der äthiopischen lieber-
Setzung sein soll, verstehe ich nicht; wüsste ich, dass Asow
oder, wie man sonst schrieb, Azof schon vor der Polowzer-
herrschaft vorkäme oder dass man die äthiopische lieber-
Setzung bis ins elffce Jahrhundert hinabrücken dürfte, so
würde ich nicht anstehen, beide Namen zu identificiren und
den Aethiopen derselben Tradition wie den Araber folgen
zu lassen: Sarkel scheint nicht viel weiter oberhalb am Don
gelegen zu haben wie das spätere Asow. Für die ursprüng-
liche Bedeutung des Namens Arsareth haben diese Meinungen
natürlich keine Beweiskraft;. Dass der Apokalyptiker von der
Lage des Landes keine genauen Vorstellungen hatte, liegt
klar zu Tage; damit ist aber nicht bewiesen, dass es nicht 76
ein wirkliches Land gewesen sein könne, und es verdient
Beachtung, dass nicht die Reise bis zu jenem Lande, son-
dern die Reise durch jenes Land anderthalb Jahre betragen
soll: also war es die Ausdehnung ins Lmere, die fabelhaften
280 DIE APOKALYPSE DES ESRA
Ueberireibungen unterlag. Da nan der Name Arsareth sich
in einem notorisch alten Wohnsitze der Juden wirklich nach-
weisen lasst, so halte ich ihn für historisch. Der älteste
Sitz der Juden in Grossarmenien war die Gegend um Ar-
mawir und Yardges (dem späteren Yalarschapat) im Osten
des Landes; nach Moses von Chorene sollen sie schon unter
dem armenischen Könige Hraöeah, einem Zeitgenossen Nebu-
kadnezars, hier eingewandert sein. Ein zweiter Mittelpunkt
der Juden war der Südosten Grossarmeniens, die Landschaft
Tosp und die Stadt Van am Ostufer des gleichnamigen Sees;
Moses lässt die Juden nach der Einnahme Palästinas durch
Barzaphranes 40 t. Gh. von den Parthern hierher Tersetzt
werden. In dem zuerst genannten Gebiete kennen wir nun
in der That aus Ptolemäos V, 13, 11 eine Stadt !//p<rapara,
an der Grenze der Kadusier gelegen: war dieses Arsareth
die Hauptstadt der dortigen Juden und zugleich der am
weitesten nach Osten gelegene von Juden bewohnte Or^ yon
dem man Kunde hatte, so begreift es sich, wie derartige
Sagen, wie sie die Apokalypse des Esra enthält, aufkommen
konnten. Wie verbreitet unter den späteren Juden der
Glaube war, die Zehnstämme seien in einem fernen Lande
im Osten mächtig und glücklich und würden dereinst wieder-
kommen und sich mit ihren Stammgenossen vereinigen, ist
bekannt; bekannt auch, wie dieser Glaube durch die Be-
kehrung des adiabenischen Konigsgeschlechtes zum Juden-
thum neue Nahrung erhielt und wie die Juden in ihrem
Aufstande gegen Gessius Florus bestimmt auf Hülfe von
ihren Brüdern jenseit des Euphrat rechneten. Aus diesem
77 Grunde hat man das Esrabuch in die Zeit der Zerstörung
Jerusalems versetzen wollen. Allein das Datum 31 t. Gh.
passt mindestens eben so gut: waren doch neun Jahre vor-
her die Parther wirklich nach Palästina gekommen und
hatten für die Anhänger der Makkabäer gegen die römische
Gewaltherrschaft gestritten, gewiss nicht ohne lebhafte Be-
theiligung der zahlreichen im parthischen Reiche wohnenden
Juden: eine Wiederholung lag bei den Wirren im römischen
Reiche durchaus nicht ausser dem Bereiche der Möglichkeit;
UND IBRE SPAETEBEN BEARBEITUNGEN. 281
sehr natürlich daher, dass die Blicke der Patrioten auf den
Osten gerichtet waren. Wir können während der ganzen
Regierung des ersten Herodes einen lebhaften Verkehr zwi-
schen den palästinensischen und den transeuphratensischen
Juden nachweisen. Der alte Hohepriester Hyrkanos war
während seiner Gefangenschaft bei den Parthern von den
dortigen Juden mit den höchsten Ehren empfangen worden
und kehrte im Jahre 37 v. Gh. zurück, in dem Wahne,
vom Herodes noch mehr geehrt zu werden. Der erste von
Herodes eingesetzte Hohepriester Ananel war ein Babylonier.
Um das Jahr 10 v. Ch. war das Gerede, Herodes habe Ver-
bindungen mit dem Partherkönige Mithridates ^) angeknüpft
in römerfeindlicher Absicht (Jos. A. J. XVI, 8, 4). Endlich
im Jahre 7 v. Ch. kam ein babylonischer Jude Namens Simri
(ZäiiaQtg) mit 5(X) reitenden Bogenschützen und 100 Gefolgs-
leuten nach Antiochien und siedelte sich, von Herodes ein-
geladen, mit den Seinen zu Bathyra im Lande Basan an,
Ton wo aus er die aus Babylonien nach Jerusalem reisen-
den jüdischen Pilgrime gegen die Kaubanfalle der Beduinen
schützte (Jos. A. J. XVll, 2, IE).
Wir können nunmehr auch bestimmter scheiden, welche
unter den im fünften und sechsten Capitel aufgeführten
Zeichen vor dem Nahen des Messias mythisch, welche da- 78
von historisch sind. Mit Sicherheit darf man jetzt wohl
die Worte 5, 6 (3, 10) „und regieren wird Einer, den die
Menschen nicht erwarten'^ auf Herodes beziehen, dessen Er-
nennung zum Könige der Juden Allen überraschend kam;
er selbst hatte ausgesprengt, er wolle beim Antonius das
Reich für seinen Schwager Aristobulos erbitten (Jos. A. J.
XIV, 14, 5). Hiigenfeld S. 237 versteht darunter den Octa-
yianus; aber Herodes lag dem Palästinenser näher, auch
passen die Worte besser auf ihn. Auch die Stelle 5, 1 — 2
(3, 2 — 3), wo geklagt wird, dass der Weg der Wahrheit ver-
borgen und das Land unfruchtbar an Glauben geworden sei,
1) Da der alte Phraates lY. damals noch lebte, so kann nur sein
Sohn und Mitregent gemeint sein, der sonst Phraatakes (d. i. wohl
„kleiner Phraates") genannt wird. [Vgl. „Geschichte Irans'* S. 116. F. R.]
282 DIE APOKALYPSE DES ESRA
die Ungerechtigkeit aber unerhört zugenommen habe, erhält
ihre Bedeutung erst als eine Rüge der Tyrannei des Herodes
und seiner Griechenfreundlichkeit, die er auf Kosten der Re-
ligion seines Volkes bei jeder Gelegenheit bethätigte. Am
merkwürdigsten wohl ist 5, 8 (3, 11): ,,Und ein Schlund
wird sich aufthun an vielen Orten, und Feuer wird häufig
ausbrechen, und die wilden Thiere werden ihr Lager ver-
lassen!'' Diese drei Zeichen finden wir nämlich unter den
Prodigien wieder, die vor der Schlacht bei Aktion gemeldet
wurden: Pisaura am adriatischen Meere ward von einem
Erdschlunde, der sich unter der Stadt aufthat, verschlungen
(Plui Anton. 60); Feuer brach in Rom aus und verzehrte
einen Theil des Gircus, das Ceresheiligthum und den Tempel
der Spes (Cass. Dio L, 10); ein Wolf kam in die Stadt ge-
laufen und ward erlegt (Oass. Dio a. a. 0.). Von diesen
Prodigien konnte man in Alexandrien, wo der Apokaljptiker
schrieb, gar wohl Kunde haben. Andere von den hier ge-
nannten Vorzeichen sind natürliche Begleiter eines Erd-
bebens, daher wahrscheinlich Symptome, die man bei dem
des Jahres 31 wirklich zu beobachten Gelegenheit hatte.
Dahin rechne ich, dass angebaute Striche plötzlich wüst-
gelegt werden 5, 3 (3, 4), 6, 22 (4, 25), ferner das Zusammen-
79 fliegen der Vögel 5, 6 (fehlt Aeth.), das nächtliche Getose
aus dem Grunde des Todten Meeres 5, 7 (5, 10), das Ein-
treten von Salzwasser in süsse Gewässer 5, 9 (3, 13), viel-
leicht auch das dreistündige Versiegen der Quellen 6, 24
(4, 28). Endlich glaube ich auch, dass sich aus den An-
gaben, die wir bei Josephos über das Erdbeben des Jahres
31 haben, die räthselhaften Worte 5, 4 (3, 5), „nach der
dritten Posaune wirst du sehen, wie die Erde erschüttert
wird'^, erklären lassen. Lücke hat S. 164 nachgewiesen,
dass der Sabbat in allen jüdischen Städten durch Blasen
auf einer Tuba angezeigt wurde, und versteht unter der
dritten Sabbatposaune die dritte Fastwoche des Esra. Gegen
diese Deutung hat Hilgenfeld S. 237 mit Recht eingewendet,
dass sich an der betreffenden Stelle Alles deutlich genug
auf die Zukunft bezieht. Trotzdem, glaube ich, lässt sich
UND IHRE SPAETEREN BEARBEITUNGEN. 283
die Beziehung auf das Posaunenblasen am Sabbat retten.
Aus Bp J. I^ 19^ 3 wissen wir^ dass das Ej-dbeben sich zu
Anfang des Frühjahres ereignete, also nach jüdischer Zeit-
rechnung zu Anfang des Jahres: ,,nach der dritten Posaune''
heisst yermuthlich nichts weiter als ^^am dritten Sabbat des
Jahres'', eine Anspielung, die Späteren freilich dunkel, im
Jahre des Erdbebens selbst aber Jedem sofort verständlich
sein musste. Also erfolgte das Erdbeben in der Mitte des
Monates Nisan.
*
Nachdem die Abfassungszeit der verschiedenen Bestand-
theile des Esrabuches erörtert worden, sei zum Schlüsse noch
ein Wort gesagt über die Verknüpfung der christlichen Zu-
thaten mit dem Kerne des Buches. Gemeinsam ist allen vier
Stücken im Grunde nur der Gedanke, dass die Welt alt und
der Messias nahe sei, also ein nicht dieser einzelnen Apo-
kalypse eigenthümlicher Gedanke; es mQssen ausser diesem 80
inneren Zusammenhange noch äussere Motive mitgewirkt
haben. Der Verfasser von Cap. 15 — 16 glaubte offenbar die
vom jüdischen Esra angegebenen Zeichen des Weltendes, die
grosse Volkerbewegung, den Krieg zwischen Freunden, das
Erdbeben, iu der Zeit, wo er schrieb, erfüllt und ward da-
durch bewogen, diese seine Auffassung in einer Fortsetzung
des Buches auszuführen und durch deutlichere Hinweise auf
die Gegenwart zu bekräftigen. Den Andrang der Perser und
Gothen, die Bürgerkriege in der Zeit der 30 Tyrannen, das
Erdbeben des Jahres 262 als eine Erfüllung der Prophezeiung
des älteren Sehers anzusehen, lag nahe genug; stimmen doch
eioige der von Treb. Pollio Gallien. 5 angegebenen Details
fast wörtlich mit Esra Cap. 5, z. B. auditum praeter ea toni-
iruum terra mugiente, non Jove tonante . . . hiaius terrae pluri-
mis in locis fuerunt, cum aqua salsa in fossis appareret; maria
etiam multas urbes occuparunt. Die christliche Einleitung
Cap. 1—2 knüpft an den Gedanken der jüdischen Apokalypse
an, dass das jüdische Volk in die Hand seiner Feinde gegeben
284 DIE APOKALYPSE DES ESRA ETC.
und vor allen anderen Völkern unglücklich sei, wendet den-
selben aber in christlichem Sinne so^ dass die Juden von
Gott völlig verworfen und die Heiden berufen seien (Lücke
8. 159). Eine andere Bewandtniss hat es mit der Ein-
schaltung des Adlergesichtes. Wir haben oben in den
beiden orientalischen Uebersetzungen des Buches Zahlen-
interpolationen nachgewiesen ; durch welche Esras Weltara
der alexandrinischen angepasst und seine Zahlenangaben in
christlichem Sinne umgedeutet werden sollten: ein Beweis,
dass man sich in christlichen Kreisen wie mit dem ganzen
Buche, so auch insbesondere mit seinem prophetischen Zahlen-
schematismus lebhaft beschäftigt hat. Ein Römer nun, der
von der Eintheilung des Weltalters in zwölf Theile las,
musste unwillkürlich an die zwölf römischen saecula denken:
kam noch dazu, dass er an die Authenticität des Esra-
Sibuches glaubte, bald nach 950 u. c. (198 n, Gh.) schrieb
und in jenem Buche las, wenn 9% Zeittheile vorbei seien,
begännen die Geschicke sich zu erfüllen, so musste er frappirt
werden und meinen, der Prophet habe die Gegenwart im
Auge. Aus diesem Grunde schaltete denn ein römischer
Christ das Adlergesicht ein, welches in ähnlicher Weise
wie der Schluss die jüdische Prophezeiung durch Hinzuthat
einer detaillirten Vision beglaubigen und der Gegenwart an-
passen will.
Die Aufgabe des Historikers ist hiermit zu Ende; es
wird Sache des Theologen sein, zu prüfen, ob der Urheber
des Adlergesichtes sich auf diese Zuthat beschränkt oder
ob er sich etwa auch sonst, z. B. in den Stellen, die von
der Herrschaft der Sünde von Adam an handeln, christliche
Ueberarbeitungen erlaubt hat.
ANZEIGE VON HILGENFELD, ESRA UND DANIEL. 285
4.*)
HUgenfeld, Prof. Dr. A., die Propheten Esra und Danieli033
und ihre neuesten Bearbeitungen. Halle 1863. Pfe£Fer.
(2 Beilagen, IV, 102 S. 8^) 15 Sgr.
Der um die Eenntniss der jüdischen Apokalyptik bereits
so vielfach verdiente Verfasser bietet uns in diesem Buche
einen neuen werthvoUen Beitrag dazu. Den Hauptinhalt
bildet eine zum Theil bereits in der Zeitschrift für wissen-
schaftliche Theologie abgedruckte Polemik gegen die neueste
Arbeit Volkmars über die Esra -Apokalypse. Da sich eine ^
Kritik schwer kritisiren lässt, so heben wir hier nur wenige
Punkte aus, in denen wir die Ergebnisse des Verfassers oder
doch deren Sicherheit in Abrede stellen zu müssen glauben.
Hilgenfeld hält den arabischen Text für den ursprünglich-
sten, den äthiopischen für den abgeleitetsten. Bedenklich
ist dabei das augenscheinliche Bestreben des Arabers, die
charakteristischsten Stellen des Buches, und gerade die, auf
die es bei der Bestimmung seiner Abfassungszeit am meisten
ankommt^ zu umschreiben und so die Schwierigkeiten zu um-
gehen, und der Umstand, dass eine inzwischen durch Ewald
bekannt gewordene zweite arabische Bearbeitung sich der
äthiopischen mehr nähert; die S. 9 vermuthete Abhängigkeit
des äthiopischen Textes von dem lateinischen wäre ein so
beispielloser Ausnahmefall von dem, was sonst von den
Wechselbeziehungen der abendländischen und der morgen-
ländischen Eirchenliteratur gilt, dass nur die stärksten Gründe
UDS bewegen konnten, daran zu glauben. Neu ist die Er-
klärung des Adlergesichtes aus der Seleukidengeschichte,
die den Verfasser von vornherein nöthigt, die bedeutsamen
Worte sed nee dimidium eins einem Glossator zuzuschreiben,
der an Augustus gedacht habe; zugegeben selbst die Statt-
haftigkeit einer Verquickung der Seleukiden mit den Trium-
*) [Literarisches Centralblatt 1863 S. 1083—1034.]
286 ANZEIGE VON HILGENFELD,
yim zu einer einzigen Herrscherreihe; ist doch der Sprang
von dem letzten Seleukiden auf Julius Cäsar ganz unmotivirt,
Pompejus wenigstens durfte ^ wie Yolkmar richtig gefühlt
hat; nicht übergangen werden; und was die zur Erklärung
der beiden letzten Fittige in Anspruch genommenen Eonige
von Kommagene betrifft; so führen diese zwar das Abzeichen
des Ankers ; aber nicht als Seleukiden ; sondern nur wegen
einer Verschwägerung des Stifters mit Antiochos dem Grossen;
und der Verfasser ermöglicht die Beziehung auf sie auch nur
durch Wiederholung eines Irrthums des Fabricius, der den
ersten und zweiten Antiochos von Eommagene mit einander
verwechselt hat; es ist ja bestimmt überliefert, dass Antio-
chos I. im Jahre 52 wegen Parteinahme für die Parther von
Gassius getodtet wurde (Oros. VI; 13 aus Livius). Diese
sachlichen Uebelstände sind aber nichts im Vergleich mit
dem Verstösse gegen den ganzen Geist des Gesichtes; dass
die Juden sich um die Nachfolger des Antiochos Sidetes
gar nicht mehr bekümmerten, könnten wir, auch wenn es
Josephos nicht ausdrücklich sagte, schon aus dem blossen
Verlaufe der Thatsachen hinlänglich ersehen; und was gingen
nun vollends die Könige von Kommagene einen jüdischen
Seher an? Diese Erklärung des Adlergesichtes ist also
ebenso unhaltbar als die von Hilgenfeld früher versuchte
aus der Ptolemäergeschichte. Mit grosser Sorgfalt aber ist
I034d[er Verfasser dann den Spuren einer Benutzung des Esra-
buches aus älterer Zeit nachgegangen und hat S. 64 ff. die
von ihm vermutheten Anklänge an dasselbe im neuen Testa-
mente und im Briefe des Barnabas zusammengestellt.
Der zweite Theil der Schrift ist gegen den neuesten
rechtgläubigen Erklärer des DanielbucheS; Zündel, gerichtet,
und enthält Wahrheiten; die der Historiker längst für keines
Beweises mehr bedürftig erachtet; die aber immer von Neuem
wieder einzuprägen bei den eigenthümlichen Bestrebungen
unserer Modetheologie nicht unerspriesslich sein mag. Inter-
essant sind die Erörterungen Hilgenfelds über die äussere '
Bezeugung des Buches, S. 90 ff.; den Eupolemos übrigens
hat Kuhlmey vollkommen richtig in das Jahr 159 gesetzt;
ESRA UND DANIEL. 287
wie sich der Verfasser durch Einsehen der von K. Müller
aus dem Zusammenhange gerissenen Stelle des Clemens von
Alezandrien überzeugen wird.^) Derselben Zeit gehört auch
Abydenos an, von dem wir beweisen zu können meinen^ dass
er unter Antiochos Epiphanes schrieb.
•) [Siehe oben S. 191 f. F. R.],
XI.
Recensionen und Anzeigen zar jfidischen Gescbiehte nnd
Literatar.
1.*)
78iJatho, Georg Frledr., Gonrecior am Gymnasium zn Hildes-
heim^ die Grundzüge der alttestamentlichen
Chronologie ^ in Uebereinstimmung mit den Zeit-
bestimmungen der Classiker. Hildesheim 1856. Gersten-
berg. (IV, 41 S. 8«. und eine Tabelle in Quer -Folio.)
geh. 10 Sgr.
Auf den Verfasser haben die neuen Hülfsmittel (über
die Schöpfungsnrkunden) den Eindruck gemacht^ als sei viel-
fach über dem wissenschaftlichen Standpunkte der theologi-
sche zurückgetreten (S. II) ; dieses ehrliche Zugeständniss,
dass die Modetheologie unwissenschaftlich ist^ überhebt uns
der Mühe, die Anschauungsweise des Verfassers zu kritisiren.
Wer entdeckt hat, dass die Formation des Tertiärgebirges
in den sechs Schöpfungstagen vor sich gegangen ist (S. III),
wer alles Ernstes die GOYg Jahrwochen Daniels von 453 v. Ch.
bis auf Christi Tod berechnet (S. 40), wer sich freut, dass,
Christi Geburt 4 v. Ch. angesetzt, nach seiner Rechnung von
der Schöpfung bis zu Christi Auftreten 4300 Jahre, also
geraae die zehnfache Zeit der israelitischen Knechtschaft in
Aegypten, verflossen seien (S. 8), mit dem wird die Wissen-
schaft nicht rechten. Die erste Hälfte des Büchleins (S. 1 —
19) beschäftigt sich mit dem Aufbau der hebräischen Chrono-
logie aus der Bibel selbst, und hier findet sich manches
*) [Literarisches Centralblatt 1866 S. 781—782.]
JATHO, ALTTESTAMENTLICHE CHRONOLOGIE. 289
Gute; natürlich werden aber alle Schwierigkeiten nicht gelöst^
sondern hinweggedeutelt Bei der Bestimmung der Richter-
zeit geht der Verfasser von den 450 Jahren bei Lukas Apostel-
geschichte 13^ 20 aus^ und findet sich mit den 480 Jahren^
die L [«=» IIL] Könige 6^ 1 zwischen Exodos und Tempelbau
gesetzt werden, durch die abgestandene Erklärung ab, dass
diese durch Abziehung der Fremdherrschaften gefanden seien
(S. 11). Bei der Schwierigkeit, dass im Buche der Richter
für manche Begebenheiten jede Zeitbestimmung fehlt, hält
er für die ^^natürlichste Annahme'' die, dass in diesen Fällen
die Zeitdauer so kurz war, dass sie schon in den Endpunkt
des Yorhergehenden und den Anfangspunkt des nachfolgen-
den Ereignisses hineinfällt (S. 10). Wenn der Verfasser die
Differenzen in den Regierungen der Konige von Israel und
Ton Juda dadurch ausgleicht, dass bei ihren Jahren der ter-
minus a quo und ad quem stets mitgezählt worden sei, und
den Widerspruch der synchronistischen Daten in der Weise
zu beseitigen meint; dass diese die Salbung, nicht den Re-
gierungsantritt, der Könige im Auge hätten, so kann Re-
ferent freilich einen so willkürlichen Ausweg nicht gutheissen,
muss aber doch loben, dass hier endlich einmal der alte
Schlendrian verlassen worden ist, der die Jahre der Könige
von Juda einfach addirt und die abweichenden Angaben
nicht berücksichtigt. Was die zweite Hälfte (S. 19 — 34)
anbetrifft; in welcher die Angaben der Profanschriftsteller
mit den biblischen vereinigt werden sollen, so sagt der Ver-
fasser, welcher seine schon 1853 als Programm erschienene
Abhandlung unverändert hat abdrucken lassen, Brandis habe
ihm durch seine „Rerum Assjriarum tempora emendata^' nur
Veranlassung gegeben, zu zwei Stellen (werthlose) Noten
hinzuzufügen (S. II); dagegen bekämpft er mit Hülfe des
Daniel den Herzog von Manchester in einer eigenen Nach-
schrift; (S. 35 — 41). Dies ist freilich sehr natürlich , da
Brandis schwer, besagter Herzog auch ohne den Daniel sehr
leicht zu widerlegen ist; es gehört aber ein hoher Grad in
der Kunst des Ignorirens (in der die moderne Orthodoxie
allerdings Anerkennenswerthes leistet) dazu, um nach den
V. GuTscHMiD, Kleine Schriften. II. 19
290 EBCENSIONEN UND ANZEIGEN.
lichtvollen Uniersachungen von Brandis solch' ungewaschenes
Zeug zu Markte zu bringen. Die sprachlich unmögliche, von
Hupfeld vergebens vertheidigte Erklärung, dass die Meder
128 -f- 28 Jahre geherrscht^ davon 6 in Anarchie, 150 unter
Konigen gelebt hätten, wird S. 21 wieder aufgewärmt Die
Angabe Herodots über die lydischen Herakliden wird so ab-
surd wie möglich dahin interpretirt, dass sie 22 yavsai und
505 Jahre, also im Ganzen 123878 J&^o regiert hätten, und
diese werden mit den 1239 Jahren des assyrischen Reiches
beim Eusebios verglichen (S. 23). Der Letztere wird näm-
lich nicht nur als voUgiltiger , sondern sogar als glaub-
würdigerer Zeuge neben Etesias aufgeführt, und die 1360
782Jahre des Letzteren bei Diodor sehr naiv so aufgefasst, dass
die letzten 120 Jahre des assyrischen Reiches doppelt ge-
rechnet seien (S. 28). Als eine Probe der Kritik des Ver-
fassers heben wir S. 26 aus: „Ueber ihn (Abydenos) finden
wir (Arm. Euseb. S. 76) die Notiz: deinde singulos a Nino et
Semiramide recenset usque ad Sardanapalum, a quo usque ad
primam Olympiadem efficiuntur anni sexaginta Septem, Hier
wird nicht genauer angegeben, wie man zählen soll; wir
setzen indessen Sardanapal 67 Jahre später, als die erste
Olympiade, also 709 v. Ch/' Der Verfasser will offenbar
die Stelle nicht verstehen! Das Berosische Dynastien ver-
zeichniss wird S. 25 für ein unzuverlässiges Machwerk er-
klärt, wozu allerdings nach den Nachweisungen von Brandis
und Anderen eine ungewöhnliche Dreistigkeit gehört; beson-
ders findet der Verfasser S. 37 das mittlere Stück ergötzlich,
indem die 458 Jahre der Chaldäer bis auf die Sassaniden
und die 245 (wie er will, 145) Jahre der Araber bis zum
Jahre 371 n. Oh. reichten, mit welchem Eusebios schliesse
(Eusebios schliesst 328 n. Gh.). Wir finden die Art, wie
der Verfasser sich gegen die Wahrheit verschliesst, durchaus
nicht ergötzlich. S. 33 erklärt er die mit der Bibel stimmen-
den Angaben des Herodot über die Nachfolger des Psamme-
tichos für „gesichert^^, und hat dies Wort gesperrt drucken
lassen; dies soll also vermuthlich eine stillschweigende Pole-
mik gegen die Grabstelen der beiden Psametik (besprochen
PREUSS, ZEITRECHNUNG DER LXX. 291
bei Boeckh, Maneiho S. 345) sein^. welche Herodots Zeit-
rechnung umstossen. Das Schrifteben macht einen um so
unangenehmeren Eindruck ^ als daraus deutlich hervorgebt^
dass der Verfasser Besseres hätte leisten können, wenn er
nur hätte Besseres leisten wollen.
2.*)
Prenss, Dr. Ed., Die Zeitrechnung der Septuaginta vor223
dem yierten Jahre Salomos. Berlin 1859. Oehmigke.
(2 Beilagen, 83 S. 8«.) 20 Sgr.
Während jetzt für die Kritik der LXX der richtige
Grundsatz gilt, dass diejenige Textesgestalt die echteste ist,
die am wenigsten mit dem Urtexte gemein hat, so war die
von Origenes in seiner Hexapla gegebene Recension der LXX
vielmehr eine Verbesserung derselben nach dem hebräischen
Originale; da sich nun auch unsere beste Ueberlieferung (der
Codex Vaticanus, controlirt durch den Alexandrinus) von
Origenianiscben Einflüssen nicht &ei erhalten hat, so folgt
daraus, dass sich die ursprüngliche Form des Textes nur da
mit absoluter Gewissheit wiederherstellen lässt, wo er durch
Zeugnisse aus der Zeit vor Origenes sichergestellt ist. Diesen
grossen Vorzug hat die Zeitrechnung, die der Verfasser mit
Recht für das sicherste Capitel der ganzen LXX erklärt.
Die Jahrhunderte lang ununterbrochen fortlaufende Reihe
von Zeugnissen hat derselbe mit grossem Fleisse zusammen-
gestellt und kritisch beleuchtet. Sie beginnt mit dem jüdi-
schen Historiker DemetrioS; den der Verfasser S. 47 allzu
vorsichtig ,,vor dem Jahre 100 a. C' leben lässt, da doch
daraus, dass das erste Jahr des Ptolemäos Philopator der
Endpunkt seiner Rechnungen ist, mit Sicherheit zu schliessen
ist, dass er unter der Regierung dieses Königs schrieb**);
*) [Literarisches Centralblatt 1861 S. 223—224.]
•*) [Vgl. oben S. 186 ff. F. R.]
19*
292 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
sie endet mit der 236 n. Gh. verfassten Weltchronik^ die hier
als yyChronicon Anonymi^' angezogen wird, aber schon von
Ducange mit Sicherheit auf Hippolytos zurückgeführt worden
ist (vgl. Mommsen^ lieber den Chronographen vom Jahre 354^.
S. 595). Der Verfasser hat sich damit nicht begnügt, son-
dern ist in dem Zeugenverhöre sehr oft bis auf die Byzan-
tiner heruntergegangen, Ton denen viele die echten Zahlen
224der xoi^vfj bewahrt haben; Referent wusste nicht, dass dem
Verfasser hier eine erhebliche Autorität entgangen wäre,
ausser etwa des Q. Julius Hilario Büchlein de mundi dura-
tione aus dem Jahre 397 (in der Bibliotheca Patrum ed.
de la Bigne VII p. 277 fiF.), welches bei aller Gonfusion wegen
der kühnen Selbstständigkeit seiner Forschung nicht uninter-
essant und für die Frage nach den Jahren des Methusalah
sogar recht wichtig ist. Nachdem der Verfasser so die erste
Hand der LXX wiederhergestellt, geht er an eine Vergleichung
ihrer Zahlen mit denen des Urtextes und gelangt durch metho-
dische Kritik zu dem Resultate, dass die LXX ihr Original
durchweg verfälscht haben, und zwar hat dieses Verfahren
nicht etwa in einer Bezugnahme auf gewisse ägyptische Syn-
chronismen seinen Grund, sondern „es beruht auf einer Kritik,
die sich nicht mit selbstloser Treue in ihre Objecte vertiefte,
sondern die heilige Urkunde nach ihren eigenen, sehr nüch-
ternen Begriffen von Gonsequenz und Wahrscheinlichkeit
glaubte corrigiren zu müssen/^ Ist die Art, wie dieser Satz
an den einzelnen Beispielen ausgeführt wird, zwar meistens,
doch nicht immer überzeugend (vgl. namentlich die Motivirung
der 565 Jahre Lamechs nach Noahs Geburt S. 41), der Satz
selbst, dass die Zahlen der LXX verglichen mit denen des
Urtextes nicht die geringste Autorität haben, ist durch den
Verfasser bis zu unumstosslicher Evidenz dargethan worden.
Als einen sehr wesentlichen Factor bei den von den LXX
vorgenommenen Zahlenänderungen hat er die Rücksicht auf
die biblischen Geschlechtsregister nachgewiesen: sie war das
Motiv, die 430 Jahre des Aufenthaltes der Israeliten in
Aegypten zu halbiren, sowie die 480 Jahre zwischen Aus-
zug und Tempelbau in 440 zu verändern, weil die LXX in
PREÜSS,- ZEITRECHNUNG DER LXX. 293
den 480 Jahren 12 Generationen zu 40 Jahren zu finden
und diese Zahl nach I. Chron. 6, 50~in 11 Generationen ver-
bessern zu müssen glaubten. Der Verfasser selbst hält mit
Recht die Zahl für unabhängig von der Geschlechterrechnung
und fdr ein authentisches Datum, nach welchem die Richter-
zeit zu bestimmen ist. Die ;;gegen 450 Jahre^' Apostelgesch.
13, 21 weist er durch Zurückgehen auf die echte handschrift-
liche Lesart als dieser Frage ganz fremd zurück und bezieht
sie auf den Zeitraum von der Berufung Abrahams bis auf
die Vertheilung des Landes, nämlich „215 + 215 + 40 «=470
oder mg 450" (S. 76) — in der Theorie richtig, aber in der
praktischen Ausführung wunderlich: da die Berufung Abra-
hams mit der Einsetzung der Beschneidung in seinem 99.
Jahre erfolgte (Gen. 17, Iff.), und von dem Eindringen der
Israeliten in Kanaan bis zur Vertheilung des Landes fünf
Jahre verfiossen (nach Jos. 14, 10), so ergeben sich: ein Jahr
Abrahams bis zur Geburt des Isaak + 60 Jahre Isaaks bis
zu der des Jakob + 130 Jahre Jakobs bis zur Einwanderung
in Aegypten + 215 Jahre des Aufenthaltes in Aegypten
+ 40 Jahre Moses + 5 Jahre Josuas ■= 451 Jahre oder tag
450. Da der Verfasser auch den von den LXX abhängigen
samaritanischen Text in den Kreis seiner Betrachtungen ge-
zogen hat, so hätte er noch einen Schritt weiter gehen und
das mit dem samaritanischen Pentateuch eng verwandte Buch
der Jubiläen mit berücksichtigen sollen; sein Urtheil S. 42
betreffs der Angabe des Hieronymus über die samaritanischen
Zahlen des Methusalah, der gewiss nur ein Gedächtnissfehler
zu Grunde liegt, würde dann wohl anders ausgefallen sein.
Auch das hätte man im Interesse der Sache gewünscht, dass
er die Zeitbestimmungen aus den Büchern der Könige, in
denen sich die LXX Tom Grundtexte entfernen, auch noch
besprochen und somit die Untersuchung abgeschlossen hätte,
da jene Stellen schwerlich den Stoff für eine eigene Mono-
graphie liefern. Doch wird das treffliche Schriftchen hoffent-
lich auch so den Erfolg haben, dem Missbrauche, der auch
jetzt noch mitunter mit den Zahlen der LXX getrieben wird,
zu steuern.
294 BECENSIONEN UND ANZEIGEN.
3.*)
633Rockeratliy Pet. Jos., Biblische Chronologie bis auf das
Jahr der Gebart Jesu. Nach den biblischen und ausser-
biblischen Quellen bearbeitet. Münster 1865. Aschen-
dorfif. (Vin i^nd 331 S. 8^.) 1 Thlr. 20 Sgr.
Der Verfasser stellt es sich zur Aufgabe^ die gesammte
biblische Chronologie ,,so klar und eingehend zu erörtern^
dass auch ein nicht eingeweihter Leser sich ein begründetes
ürtheil bilden könne*', glaubte dagegen von einer Vorführung
und Widerlegung abweichender Ergebnisse früherer Unter-
suchungen über denselben Gegenstand absehen zu müssen,
durch die der übersichtliche Gang der Darstellung wesent-
lich beeinträchtigt worden wäre (Vorwort S. III). Sehen wir
zu, wie der Verfasser seiner Aufgabe nachgekommen ist.
Eiugehende Erörterung der einschlägigen Fragen darf
ihm in der That nachgerühmt werden. Er hat sehr wohl
eingesehen, dass die wichtigsten Probleme der biblischen Zeit-
rechnung sich definitiv erst durch Vergleichung der Annalen
der Nachbarvölker entscheiden lassen, und diese so ausführ-
lich berücksichtigt, dass ein Titel wie Chronologie des alten
Orients keine Anmassung gewesen sein würde. Auch Partien
der biblischen Zeitrechnung, die von der Heerstrasse abliegen,
wie die Hohenpriesterliste, sind nicht vergessen worden. Vor
Allem aber ist Ealeuderwesen und Datirungsweise als durch-
aus massgebend für jede Feststellung der israelitischen Zeit-
reihe in dieser Bedeutung richtig gewürdigt und z. B. durch
Anwendung der schonen Entdeckung von Pospinh und Movers,
dass die Jahre der Könige Israels von einem anderen Jahres-
anfang gerechnet sind als die der Könige Judas, die schwierige
Synchronistik beider Reiche zufriedenstellender behandelt wor-
den, als dies meistens zu geschehen pflegt. Auch hat, dass
der Verfasser seinen eigenen Weg geht, seine guten Seiten;
er hat Manches gesehen, woran seine Vorganger vorüber-
*) [Literarisches Centralblatt 1866 S. 633—635.]
ROECKERATH, BIBLISCHE CHRONOLOGIE. 295
gegaügeu waren; wir rechnen dahin z. B. den hübschen
Nachweis S. 23ff.^ dass die biblischen Angaben auf drei
verschiedene Pharaonen als Zeitgenossen Salomos führen.
Bei diesem Nichtberücksichtigen früherer Untersuchungen
überwiegen aber doch die Uebelstände bei Weitem; die
Fälle ^ wo das Richtige längst gefunden^ als solches all-
gemein anerkannt und vom Verfasser doch etwas ganz
Anderes hingestellt wird^ sind so häufig, dass man nicht
anders als annehmen kann, dass er mit den neueren Unter-
suchungen nur sehr massig vertraut ist. Dies gilt nament-
lich von dem Abschnitte über Aegypten, wo der Verfasser
sich im Wesentlichen an Bunsen hält; z. B. die Tafel der
22. Dynastie 8. 204 ist durch neuere Entdeckungen längst
völlig antiquirt. Wir meinen, einige einfache Verweisungen,
durch die manche Zweifel beseitigt worden wären, würden
das Buch nicht zu sehr angeschwellt haben.
Der Verfasser schöpft durchaus nicht immer aus den
Quellen, wie man nach der Ankündigung des Vorwortes
glauben mochte, verlässt sich vielmehr häufiger als billig
auf schlechte Texte oder auf Hülfsmittel; er wiederholt z. B.
die Stelle des Herennius über die Gründung von Babylon
S. 132 aus Bunsen (Aegypten V, 2 S. 315) sammt dessen
falscher Uebersetzung*), giebt S. 175 die Synkellische Liste634
der ägyptischen Könige mit allen Flüchtigkeitsfehlern der
lateinischen Uebersetzung und citirt S. 203 den margo Syn-
celli (d. h. leichtfertige Conjecturen Goars) als Quelle. Ueber-
haupt ist bei ihm von einem Ueben der niederen Kritik,
ehe zur höheren geschritten wird, keine Rede; so wird die
ganze Chronologie der Richterzeit auf die 450 Jahre der
Apostelgeschichte basirt, die nach der echten Lesart sich
auf einen ganz anderen Zeitraum beziehen. Möglich, dass
der Verfasser auch hier wieder durch Bunsen (Aegypten I
S. 239) irregeführt worden ist.
Am schlimmsten steht es mit der Quellenkritik. Dem
Verfasser gelten in der biblischen wie in der profanen
*) \ys^- „Beiträge zur Geschicbte des alten Orients" S. 99 f.
F. R.]
296 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
Literatur alle Quellen so ziemlich gleich; welche vorzuziehen,
wird in jedem einzelnen Falle nach der Convenienz entschieden,
von dem kritischen Grundsatze, dass eine als gut erkannte
Ueberlieferung festzuhalten und von ihr nur da abzugehen
ist, wo ihr Irrthum erwiesen ist, hat der Verfasser keine
Ahnung. Er hält es z. B« für sehr wahrscheinlich, dass der
samaritanische Pentateuch auf Handschriften zurückznftihren
ist, welche vor der nach dem Tode Salomos eintretenden
Trennung des Reiches geschrieben worden sind, und für un-
streitig, dass alte vorexilische Handschriften die Quelle des
Septuagintatextes waren. Ihm sind Daniel und Baruch den
von ihnen geschilderten Ereignissen gleichzeitige Verfasser.
Dass der Autor der Judith ihre Geschichte in nachexilische
Zeit versetzen will, giebt der Verfasser zu, combinirt aber
trotzdem einen vermeintlichen Kern derselben mit der medi-
schen Eönigsreihe des Ktesias und setzt daraufhin die Judith
in die Zeiten der Konige Jehu und Joas. Von diesen streng
orthodoxen Prämissen ausgehend, bewegt sich der Verfasser
doch im Einzelnen mit grösster Freiheit*, die Patriarchenreihe
ist ihm nur eine Auswahl besonders bedeutsamer Namen;
die Lebensjahre Jakobs müssen seiner Meinung nach reducirt
werden, weil sie mit den Voraussetzungen seiner eigenen
Geschichte in Widerspruch sind ; Zahlenverschreibungen,
Lücken und runde Zahlen werden in der umfassendsten
Weise angenommen. In dem Gebrauche von 40 und 400
als runder Zahlen statt der verloren gegangenen genauen
meint der Verfasser das wahre Arcanum für die Her-
stellung der biblischen Chronologie gefunden zuhaben.
Er zerlegt alles Ernstes die 480 Jahre zwischen Auszug und
Tempelbau in 400 + 80 und erklärt sie für eine runde Zeit-
bestimmung statt 580 Jahre (S. 71). Auf diese Art ist eine
Concordanz herzustellen freilich nicht schwer, und es begreift
sich, dass der Verfasser zu anderen, etwas in Misscredit ge-
kommenen Kunststückchen, wie z. B. S. 230, dass derselbe
Mann Jojada und Achitob geheissen habe, verhältuissmässig
selten seine Zuflucht zu nehmen brauchte. Man kann sich
nur wundem, dass der Verfasser mit solchen Voraussetzungen
EOECKEBATH, BIBLISCHE CHRONOLOGIE. 297
zu immer noch leidlichen Resultaten gelangt ist; so setzt er
z. R den Tempelbau mit Movers richtig in 968 v. Ch.*)
Nicht anders verföhrt er mit den Profanquellen. Die ver-
schiedenen Manethonischen Becensionen haben fär den Ver-
fasser ungefähr gleichen Werth, und wenn er auch zugiebt^
dass die Liste des Synkellos und die alte Chronik keinen
besonderen Vorzug verdienen, so kann doch Niemand aus
seiner Auseinandersetzung entnehmen, welche 6runddifferenz635
diese von den echt Manethonischen Recensionen scheidet.
Und doch kennt der Verfasser Lepsius' Einleitung, dessen
Untersuchungen gerade für die Bedeutung des Sothisbuches
bahnbrechende sind! Man sieht, er legt eben auf dergleichen
Fragen der Quellenkritik kein Gewichi — Der Verfasser
rechnet es sich zum Verdienste an, nicht durch Zahlen-
änderungen im Manethos eine Harmonie erzwungen zu
haben. Mit Unrecht; denn seine Auswahl von Zahlen der
verschiedenen Recensionen unter Bevorzugung der des Eu-
sebios ist nicht weniger willkürlich. Angelpunkt der ganzen
ägyptischen Chronologie ist ihm die in der Sothis und einer
ihr verwandten trüben Quelle erhaltene Notiz von einer Um-
gestaltung des ägyptischen Kalenders unter einem Hirten-
könige, von der er S. 150 mit Unrecht behauptet, sie sei
bisher meist todtgeschwiegen worden.
Dass der Verfasser das Streben hat, objectiv zu sein,
soll gern zugegeben werden; dass er aber seine Auseinander-
setzung so gehalten habe, dass ein nicht eingeweihter Leser
sich ein begründetes Urtheil bilden könne, ist arge Selbst-
täuschung. Zwei Beispiele mögen genügen. Ungemeines
Gewicht wird 8. 64 ff. für die Zeitrechnung der Richterzeit
auf die Genealogie von 18 Geschlechtem vom Auszuge bis
auf Heman, Salomos Zeitgenossen, I. Paralip. 6,33 — 38
gelegt; keine Silbe davon, dass jene Namenreihe nichts als
eine durch Versehen der Abschreiber verschuldete Ver-
schmelzung zweier verschiedener Genealogien ist, wofür die
Parallelstelle 6, 22 — 28 den unzweideutigen Beweis liefert.
*) [Vgl. Bd. I S. 249 f. 800. F. R.]
298 . RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
und welcher Leser wird aus des Verfassers Auseinander-
setzung der schwierigen und yielbehandelten Chronologie
des Lebens Jesu S. 247 ff. sich über den Stand der Unter-
suchung zu Orientiren im Stande sein? Genfigt der Nach-
weis, dass bei Josephos einige falsche Data über das Lebens-
alter des Herodes und ähnliche Nebenpunkte mit unterlaufen,
um seine allseitig begründete Angabe über Regierungsdaner
und Todesjahr des Herodes umzustossen? und ist wirklich
nichts weiter nöthig, als einigen Staub aufzuwirbeln, um
dem Leser die Ueberzeugung beizubringen, dass unsere her-
kömmliche Zeitrechnung richtig und Herodes nicht 4 y. Gh.,
sondern 2 n. Ch. gestorben ist? In der That, auch abgesehen
davon, dass der Verfasser von Zumpts Untersuchungen über
Sulpicius Qairinius offenbar nichts weiss, hat er sich die
Sache hier sehr leicht gemacht, leichter, als er yielleicht
selbst wähnte.
Der Verfasser hat durch seinen Fleiss doch nur er-
reicht, dass die yielen schon vorhandenen Systeme der alt-
orientalischen Chronologie um ein neues vermehrt worden
sind. Der Grund liegt darin, dass trotz der Neuheit der
Ausfuhrung doch der Unterbau unverändert geblieben ist
Sollen auf diesem Gebiete bleibende, allgemein gültige Re-
sultate erreicht werden, so müsste strengste Uebung der
niederen Kritik jeder weiteren Untersuchung vorangehen,
sodann müsste die Findung des von den Alten f&r wahr
Gehaltenen von der Findung der absoluten Wahrheit streng
auseinandergehalten, es müssten zunächst die chronologischen
Systeme unserer Quellen jedes für sich ermittelt werden;
dann erst wäre zu untersuchen, ob das absolut Wahre sich
überhaupt noch finden lässt, es müsste also der eigentlichen
Herstellung die sorgfältigste Quellenkritik vorausgehen, auf
Grund dieser wäre zunächst die (bei dem Verfasser des vor-
liegenden Buches gänzlich in den Hintergrund getretene)
Frage zu beantworten, wo in den Annalen der verschiedenen
Völker die Sage aufhört und die Geschichte anlangt, dann
endlich unter strengstem Anschlüsse an die je besten Quellen
die Synchronistik festzustellen. Dies sind lauter Postnlate,
i
BÜNSEN, BIBLISCHE GLEICHZEITIGKEITEN. 299
die sich auf anderen Gebieten der Geschichte allgemeiner
Anerkennung erfreuen; dass sie auf das Gebiet der alt-
orientalischen, speciell der biblischen Chronologie nicht
schon längst übertragen worden sind^ hat wohl darin seinen
Grund) dass dasselbe bisher vorzugsweise von Amateurs oder
von Theologen und solchen, die Theologen gleich zu achten,
bearbeitet worden ist. Dogmatische Voraussetzungen aber
sind ein Mehlthau für jede geschichtliche Forschung.
4.*)
Bunsen, Ernst v., Biblische Gleichzeitigkeiten oder über-977
einstimmende Zeitrechnung bei Babjloniem, Assyrern,
Aegyptem und Hebräern. Berlin 1875. Mitscher und
Kosten. (4 Beilagen, 143 S. gr. 8^. und 2 Tabellen.)
3 Mk. 60 Pf.
Referent schlug das vorliegende Buch auf und las
S. 25 f.: „Die Meder, nach Herodot ursprünglich „Arier"
genannt, aber mit den Euschitischen Kolchiern verbunden,
waren Iranier, nämlich über Kuschiten herrschende Arier,
welche seit ihrer Eroberung Babylons Easdim oder Eroberer
genannt wurden. Mit diesen Easdim oder Ealdäem wohnten
die Vorfahren Abrahams in Ur zusammen. Schon daraus
lässt sich schliessen, dass die Hebräer mit den Indiern zu
verbinden sind, nämlich mit den vom Hindu -Eusch über
Indien nach Mesopotamien gezogenen Japhetisch - Hamiti-
sehen Völkerschaften, mit den Babyloniern, dass also das
die Hebräer mit den Medem oder Ealdäern verbindende
Volks -Element das Japhetisch -Hamitische war. Weil das
reine Arisch - Japhetische Element in Mesopotamien wahr-
scheinlich schon vor Abrahams Zeit mehr oder weniger
zurückgedrängt worden war durch das Ueberwiegen des
sicher numerisch stärker vertretenen Turanisch-Hamitischen
*) [Literarisched Centralblatt 1876 S. 977—979.]
300 KECENSIONEN UND ANZEIGEN.
Elementes^ deshalb veranlasste der Regierungsantritt Kedor-
laomers von Elam im Lande der Kossäer oder Euschiten
den gleichzeitigen Aufbruch Abrahams von Haran. Schon
aus ethnischen Gründen konnte der Arische Hebräer-Häupt-
ling die bald darauf strategisch wie politisch so wichtige
Fühlung und spätere Verbindung mit den in Aegypten
herrschenden Hyksos für geboten halten. Sollte das durch
Bildung so hervorragende Arische Element auch in Zukunft
eine gebührende Stellung einnehmen in dem Lande zwischen
dem Euphrat und dem Nil, welches der Zankapfel der Zu-
kunft zu sein bestimmt war^ so musste Abraham sogar als
Indier den Hjksos als Iraniern sich anschliessen. Eedor-
laomer scheint den Plan ins Auge gefasst zu haben, in
Verbindung mit den Aegyptischen Kuschiten die Hyksos aus
Aegypten zu vertreiben'^ Referent las, um den Schlüssel
dieser Räthsel zu erhalten, zurück und fand, dass dem Ver-
fasser der Semitismus das Product einer in Babylonien ein-
gegangenen Verbindung von indisch-turanischem Hamitismus
und iranischem Japhetismus ist: „Nicht nur fand eine Ver-
mischung der Worte beider Sprachen statt, seit der Geburt
978Sems 2458 v. Gh., sondern die Grammatik der Iranischen
Ealdäer wurde im Laufe der Zeit die Grammatik der ge-
mischten Mesopotamischen Landessprache, der Sprache der
Eroberer oder Easidim im Lande der Ealdäer. Allerdings ist
eine solche Umbildung und Uebertragung einer Grammatik
auf andere Nationen ohne Beispiel in geschichtlichen Zeiten,
aber eine Umwälzung wie die durch die sogenannte Semiti-
sirung des Westens durch den Osten herbeigeführte lässt
sich mit keinen späteren Umwälzungen vergleichen" (S. IV).
Die „Geburt Sems" bezeichnet den Anfang der Semitisirung:
die Hebräer waren Hamiten, die in Folge der japhetischen
Eroberung Babylons Semiten wurden. Den Eckstein in der
Beweisführung des Verfassers bildet das Jahr 2458, in welches
nach seinen Berechnungen der Anfang der historischen Dy-
nastien des Berossos und zugleich Sems Geburt ßlllt: es ist
ihm der feste Punkt in der biblischen Zeitrechnung, von
dem ab sicher nach unten gerechnet werden kann. Auch
BÜNSEN, BIBLISCHE GLEICHZEITIGKEITEN. 301
die Hjksos waren Tränier und semitisirten die Sprache der
hamitischen Aegypter (S. III). Referent war nunmehr be-
firiedigty warf noch einen scheuen Blick auf die in Meso-
potamien zur Zeit Abrahams hausenden „Jehovistisch-Irani^
sehen und Elohistisch- Indischen Arier'^ der folgenden Seite,
sowie auf die Worte ebendaselbst: „wie David und Jethro
gehört Melchisedeky mit dem der Davidssohn Jesus von
Nazareth direct verbunden ist, zu den Jehovistischen und
Iranischen Nicht-Hebräern^^ (S. 27), und schlug das Buch
zu, um an einem anderen Ende desselben einen neuen Ver-
such zu machen. Er las nun S. 72 ff., dass der Eonig Artha-
sastha, unter dem Esra nach Jerusalem kam, Dareios Hystaspis
war, dass der damalige Hohepriester Josua mit Jesus Sirach
identisch und auch mit seinem eigenen Ururenhel Josua Eines
ist^ den sein Bruder, der Hohepriester Johanan, im Tempel
ermordete. „Wurde^^, heisst es S. 85, „Josua durch einen
gleichzeitigen Hohenpriester im Tempel ermordet, so liegt
die Annahme nahe, dass der Prophet Sacharja, dessen Schütz-
ling Josua war, ebenfalls ermordet wurde ^'. „War^', lesen
wir dann S. 86, „Josua nicht nur der Schützling Serubabels
und Sacharjas, sondern auch von Bagoses, dem Assyrischen
Heerführer in Samarien, so wird dieser ohne Zweifel Jeru-
salem für diesen Mord bestraft haben*^ Schliesslich heisst
es ebenda von Esra: „Blieb er in Jerusalem bis zur Ankunft
des Bagoses, so wird er ohne Zweifel zu dieser Zeit seinen
Tod gefunden haben, wie Seroja nach der Belagerung von
Nebukadnezar; da Esra nicht später genannt wird, darf dies
angenommen werden'^ Bestürzt über ein Beweisverfahren,
welches zur Folge hat, dass das Blut von Propheten und
Schriftgelehrten wie Böhrwasser fliesst, stellte Referent hier
das Weiterlesen ein und schlug auf gut Glück S. 96 ff. auf,
um hier zu seiner Verwunderung zu lesen, dass wir berechtigt
seien, die Stelle des Lukasevangeliums über das 30. Lebens-
jahr Jesu bei seinem Auftreten als ein Einschiebsel aus dem
dritten oder aus späteren Jahrhunderten zu betrachten; der
Verfasser will vielmehr aus Evang. Joh. 2, 18 — 21 in Ver-
bindung mit der mündlichen presbyterischen Ueberlieferung
302 EECENSIONEN UND ANZEIGEN.
bei Iren. Haer. II, 22, 4 — 6 beweisen, dass Jesus im ersten
Jahre seiner Lehrzeit 46 Jahre alt war. Das Gewicht,
welches wir den Verfasser hier auf die mündliche Tradition
legen sehen, wird nicht langer aoffallen, wenn man weiter
liest und erföhrt, dass ihm die mündliche Tradition Quelle
der heiligen Schriften und ihre allmählige Veröffentlichung
der Grund der Lehrentwickelung in denselben ist; seine
eigenthümlichen Ansichten hierüber sind S. 114S1 eingehend
entwickelt Mit dem eigentlichen Thema steht das Alles in
so gut wie keinem Zusammenhange, und man würde es nach
dem Ergebnisse dieser dreimaligen Befragung des Stich-
orakels einem anderen Sterblichen verzeihen^ wenn er sich
Yon einer wirklichen Leetüre des Buches dispensirt hätte.
Ein Recenseni kommt nicht so billigen Kaufes daTon, und
so will denn Referent zur Steuer der Wahrheit bemerken,
dass in dem Buche zwar etwas viel von Euschiten, Hamiten,
979Turaniem und Akkadiern die Rede ist, dass aber die Ab-
schnitte S. 34 — 51 und 57 — 72, welche den Kern der syn-
chronistischen Untersuchungen des Verfassers und das ent-
halten, was man nach dem Titel des Buches zunächst
erwartet, weniger wunderlich als das sie umrankende Bei-
werk, und nicht schlechter und nicht besser sind als das,
was man auf diesem Gebiete von englischen und deutschen
Assjriologen geboten zu bekommen längst gewohnt ist. Der
Anhang enthält neben eigenen Ausführungen des Verfassers
Beiträge von Mr. Basil Cooper über das Jahr der Thron-
besteigung des Königs Tuthmosis III. (S. 130 ff.) und über die
Mitregentschaft von Psusennes II. und Sesonchis I. (S. 139 ff.),
von Mr. Sayce über Dajukku oder Deiokes (S. 142 f.).
MENDELSSOHN, DE SENATI CONSDLTIS APÜD JOSEPHüM. 303
5.*)
Hendelssolin, Dr. Lndw., De senati consultis Roinanoruml269
ab Josephe Antiq. XIII, 9, 2; XIV, 10, 22 relatis
commentatio. (Leipziger Habilitationsschrift.) 1874.
(36 p. 8^.)**)
Es ist das grosse Verdienst Ritschis, das Stadium der
lange Zeit arg vernachlaiBsigten, in Josephos' Jüdischen Alter-
thümem enthaltenen Urkunden wieder angeregt, in der Ab- 1260
handlung „Eine Berichtigung der republicanischen Consular-
fasten'' im Neuen Rheinischen Museum XXVIII (1873)
S. 586 — 614 den Weg gezeigt und zu eingehender epi-
graphischer, philologischer und historischer Untersuchung
derselben einen Schüler veranlasst zu haben, der seine Be-
fahigung hierzu bereits in der Promotionsschrift De senatus
consulti Romanorum ab Josepho Antiq. XIV, 8, 5 relati
temporibus commentatio (Lipsiae 1873. 8^.) an den Tag
gelegt hatte. Die letztere Urkunde, bei Josephos unter die
auf Hyrkanos II. bezüglichen Actenstücke gerathen, war
vom Verfasser als mit der I. Macc. 15, 16 — 23 erwähnten
identisch nachgewiesen und demgemäss auf den Hohen-
priester Simon und das Jahr 139 bezogen worden. Die
in der vorliegenden Habilitationsschrift besprochenen zwei
Senatsbeschlüsse setzt der Verfasser beide in das Jahr 133
und bringt sie mit dem Kriege des Antiochos VII. von Side
gegen die Juden unter Johannes Hyrkanos I. in Verbindung.
Der auf Poseidonios zurückgehende Bericht über das Ende
dieses Krieges bei Josephos geht dahin, Antiochos habe
nach längerer Belagerung von Jerusalem aus tvaißaia sich
damit begnügt, den Juden gegen einen für den Besitz von
*) [Literarisches Centralblatt 1874 S. 1259—1266.]
**) [Diese Schrift bildet ebenso wie die von Gutsohm id im Ein-
gange erwähnte Promotionsschrift einen Theil der Abhandlung ^Senati
consnlta Bomanomm, qnae sunt in Josephi Antiquitatibns : disposuit
et enarravit Lndovicus Mendelssohn' in den Acta societatis philologae
Lipsiensis V S. 87—288. F. B.]
304 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
Joppe .und den angrenzenden Städten , deren Wegnahme
durch die Juden den Anlass zum Kriege gegeben hatte , zu
entrichtenden Tribut, Zahlung von 500 Talenten und Stellung
von Geiseln (unter denen der Bruder des Hyrkanos) den
Frieden zu gewähren, und sei nach Einreissung der Zinnen
der Stadtmauer abgezogen. Der Verfasser bemerkt mit
Recht; dass die svödßsia des Königs unmöglich das wahre
Motiv der Gewährung von der ganzen Sachlage nach un-
erwartet günstigen Bedingungen an die Juden gewesen sein
könne, und findet dieses vielmehr in einer diplomatischen
Intervention der Romer, von welcher uns die zwei Senatus-
consulte Kunde gäben: ein erstes, von Joseph os A. J. XIIX,
9, 2 an der richtigen Stelle mitgetheiltes, in welchem die
Juden mit ihren Bitten, die Römer möchten ihnen Joppe
und Gazara mit Zubehör, das sie im Kriege mit Antiochos
verloren , wiederverschaffen , im Wesentlichen abgewiesen
werden, ein zweites, in einem Decrete der Pergamener ent-
haltenes und von Josephos A. J. XIY, 10, 22 fälschlich auf
Hyrkanos IL bezogenes, in welchem der Senat, auf die
Bitten der Juden eingehend, beschliesst, dass König Antio-
<3hos, Sohn des Antiochos, die Juden in Ruhe lassen, dass
Castelle, Häfen und Land, und was er sonst noch den Juden
weggenommen, ihnen zurückerstattet werden, dass ihm die
Ausfuhr aus den (occupirteä) Häfen verboten^), den Juden
dagegen die Erhebung eines Ausfuhrzolles erlaubt sein sollte,
von dem nur zu Gunsten des alexandrinischen Königs Ptole-
mäos als eines Freundes und Bundesgenossen des römischen
Volkes eine Ausnahme gemacht wird, und endlich, dass man
die (syrische) Besatzung von Joppe entfernte. Ist „Antiochos
Sohn des Antiochos'^ richtig, so kann allerdings nur Antio-
chos IX. von Kyzikos gemeint sein, und die Urkunde gehört
in die letzte Zeit des Hyrkanos L, zwischen 114—105; allein
der Verfasser sucht zu zeigen, dass sie sich mit der damaligen
1} Referent kann es nicht über sein philologisches Gewissen
bringen, in den Worten xal firj i^ij a^rcöf (oder avtoCg) i% tmv Ufii-
vcDv i^dytiv das in den besten Handschriften überlieferte fiiq einfach
zu streichen, schlägt vielmehr vor, avr(ofr in avrm zu verwandeln.
MENDELSSOHN, DE SENATI CONSÜLTIS APÜD JOSEPHüM. 305
Situation durchaus nicht vertrage^ sich dabei wesentlich auf
die Aussage des Josephos A. J. XIII^ 10^ 1 stützend, dass
HyrkanoB nach dem Tode des Antiochos von Side von den
Seleukiden abgefallen sei und seine Angelegenheiten nament-
lich zur Zeit der Brüder Antiochos VIII. von Aspendos und
Antiochos IX. von Eyzikos einen grossen Aufschwung ge-
nommen hatten ; ohne dass er nothig gehabt, sich um die
beiden feindlichen Brüder irgendwie zu kümmern: er will
also 6 ßaöiXsvg ^Avxioxov vtog entweder mit Bitschi in 6
ßaöiXevg ^tiiiriVQiov vtog ändern oder darin nach einem
Vorschlage des Referenten*) eine falsche Uebersetzung von
rex Antiochinus sehen.
Diese im Wesentlichen schon von Ritschi a. a. 0. XXYÜI
S. 606. 610f. skizzirten Combinationen sind in hohem Gradel26i
ansprechend; so sicher, wie sie dem Verfasser scheinen, sind
sie nicht, und Referent hatte jenen Erklärungsversuch von
*Avri6xov vtog auch nur als einen Fingerzeig gegeben, der
eine Losung im Sinne des Verfassers zu erleichtern geeignet
wäre, nicht als einen, der seine eigene Ueberzeugung wieder-
gäbe. Im Grunde genommen spricht für den Verfasser nur
ein, allerdings, wie wir gern zugeben, schwerwiegender '
Grund: dass sich so, was wir über Joppe wissen, am un-
gezwungensten in einen passenden Zusammenhang bringen
lässt Dass derselbe Apollonios Sohn Alexanders beidemal
unter den nach Rom geschickten jüdischen Gesandten er-
scheint, kann, da beide Urkunden, auch wenn man an der
Ueberlieferung festhält, doch höchstens 15 — 20 Jahre aus-
einanderliegen, weder dafür noch dawider geltend gemacht
werden. Die etwas spitzfindige Auseinandersetzung aber
(S. 19 f.), warum der alexandrinische König Ptolemäos, zu
Gunsten dessen die Romer eine Ausnahmestipulation in den
zweiten Senatsbeschluss aufnehmen, nicht Ptolemäos Soter IL,
sondern nur Ptolemäos Euergetes IL sein könne, da doch
alle Lagiden seit Ptolemäos Epiphanes Freunde und Bundes-
genossen des römischen Volkes waren, bekennen wir ofifen,
*) [Mitgetheilt von Mendelssohn in den Acta BOcietatiB philologae
LipsienBÜ Y S. 140. F. B.]
▼. OuTBCHViD, Kleine Schriften. II. 20
306 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
nicht zu verstehen. Die gewaltsame Beseitigung von ^Jvtioxov
vCog nöthigt zu weiteren Gewaltthätigkeiten. Der Hypothese
des Verfassers wird nämlich ohne Weiteres der Boden unter
den Füssen entzogen, wenn die überlieferte Verbindung des
zweiten Senatsbeschlusses mit dem Pergamenischen Psephisma
richtig ist; denn in diesem erscheinen die Pergamener als
autonome, mit Rom verbündete Gemeinde, was weder unter
dem letzten Attalen, noch viel weniger aber zur Zeit des
Aristonikos möglich war, sondern mit vollkommener Sicher-
heit auf die Zeit nach 129 hinweist. Der Verfasser ver-
muthet nun, dass das Pergamenische Psephisma sich auf
einen zu Gunsten der jüdischen Cultusfreiheit von Hyr-
kanos IL in Rom erwirkten Senatsbeschluss beziehe und
diesem durch ein Versehen des Josephos oder, wie der Ver-
fasser S. 34 wenig wahrscheinlich annimmt, eines späteren
Redactors eine andere Urkunde aus der Zeit des Hjrkanos I.
substituirt worden sei, und stützt diese Vermuthung mit
Geschick und Scharfsinn auf den Umstand, dass wider Er-
warten nicht einer der fünf nach Rom geschickten jüdischen
Gesandten, sondern ein Theodoros die Sache der Juden in
Pergamos führt Von geringem Gewichte ist ein anderer
von ihm geltend gemachter Umstand, dass die Worte Tva
(pQovtC6(oiJLav tavta ovrcag yCvB0^ai xa^mg ij övyTckritog
idoy^drtöe jetzt beziehungslos seien: die Clausel Iva xa fiij-
dalg ataXrlg ^ rfjg ^lovSalcDv xcigag iq täv ki^ivcDV avtäv
il^dyov ßaötksvg ^ drj^og war allerdings eine solche, die
auch die Pergamener betraf und der nachzukommen sie sich
ausdrücklich zu verpflichten hatten. Die Verwechselung, zu
deren Annahme sich der Verfasser genothigt sieht, ist aber
doch etwas ganz Anderes, als wenn gelegentlich bei Josephos
Urkunden, die sich auf Hyrkanos I. beziehen, unter solche
des Hyrkanos IL gerathen sind, oder eine Urkunde, die als
Anlage zu einer anderen gegeben war, von dieser getrennt
worden ist; hier handelt es sich um eine Urkunde, die mitten
in einer anderen steht, gar nicht wörtlich reproducirt, son-
dern deren Inhalt nur in Genitivis absolutis dieser anderen
einverleibt ist. Und Josephos oder, wie wir behaupten, der
MENDELSSOHN, DE SENATI CONSÜLTIS APÜD JOSEPHüM. 307
Publicist, dem er alle diese Doeumente entnommen hat,
sollte^ ganz gegen seine sonstige Gewohnheit, sich dieser
mühsamen Zurechtmachung unterzogen und, wenn er es
that, nicht einmal gemerkt haben , dass ein Schriftstück, in
dem ein Krieg mit einem Antiochos Sohn des Antiochps
vorkommt, sich nicht auf Hjrkanos U. beziehen kann? Das
ist so unwahrscheinlich wie möglich; es blieb nur übrig,
anzunehmen, dass die Verwechselung schon im Pergameni-
schen Archive vor sich gegangen wäre. Zu dieser aus der
Ueberlieferung resultirenden Schwierigkeit gesellt sich eine
weitere aus dem Inhalte der Urkunde selbst. Am Schlüsse
derselben findet sich der wunderliche Hinweis auf die Freund-
schaft ihrer Vorfahren mit den Hebräern zu Abrahams Zeiten
und die womöglich noch wunderlichere Berufung auf die esl262
bescheinigenden dtiiioöia y(f(i(A[iata, Den Anlass dazu gab,
denken wir, eine Gleichsetzung der Eeteier des Eurypylos
(Od. X, 521) mit den Chettäem, die zu Abraham „lieber
Herr^' sagten und vor denen dieser sich bückte als dem
Volke des Landes (Gen. 23, 3 ff.), und diplomatische Höflich-
keit mag dem Einfalle eines hellenisirenden Juden eine
Stelle in der den Juden zu Liebe ausgefertigten Urkunde
vergönnt haben. Wer denkt dabei nicht an die bei Gelegen-
heit des Verkehres zwischen Sparta und dem Hohenpriester
Jonathan gemachte und auch da wieder durch eine ältere
Urkunde belegte Entdeckung^), dass die Spartiaten Brüder
der Juden und vom Geschlechte Abrahams seien (L Macc.
12, 5 — 23)? So isolirt die beiden Geschichten stehen, die
eine stützt die andere. Es begreift sich, wie unter dem
frischen Eindrucke des Freiheitskampfes und des achtungs-
werthen politischen Aufschwunges der Juden unter den
ersten Hasmonäem solche Concessionen an den jüdischen
Ideenkreis gemacht werden konnten: unter Hyrkanos U.,
1) Vermittelt, meine ich, darch den Anklang von Eedma, lamaels
jüngstem Sohne (Gen. 25, 15), an Lakedämon; wer die Art kennt, wie
die Juden vergleichende Ethnographie betrieben und an Sepharad «>
Bosporos, Edom <=» Rom und Aehnliches denkt, wird nns beistimmen,
dass die Sache sich so am einfachsten zurechtlegen lässt.
20*
308 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
nachdem die Hasmonäermacht in Staab gesunken und die
Juden nichts mehr waren als die despeciissima pars servien-
tium, die sich noch obendrein mittlerweile durch den grau-
samen Ausrottungskrieg gegen ihre hellenistischen Nachbarn
den Abscheu der gesammten griechischen Welt zugezogen
hatte, konnte unmöglich noch eine griechische Gemeinde auf
den Einfall kommen, sich so compromittirender Beziehungen
zu berühmen. Wir werden also för das Pergamenische Pse-
phisma mit Nothwendigkeit auf dieselbe Zeit zurückgeführt,
in die auch der eingelegte Senatsbeschluss gehört, und wer-
den die in der Urkunde noch übrig bleibenden Unebenheiten,
statt mit dem Verfasser den Knoten zu zerhauen, vielmehr
auf Rechnung der vom Gewährsmanne des Josephos vor-
genommenen Kürzungen setzen, durch die in so vielen
anderen Fällen der Zusammenhang verdunkelt worden ist.*)
Ist wirklich die politische Situation, welche der zweite
Senatsbeschluss voraussetzt, mit der Zeit zwischen 114 — 105
so unvereinbar, wie der Verfasser behauptet? Da muss denn
gleich constatirt werden, dass Josephos die allgemein ge-
haltene Angabe, Hyrkanos habe sich nach dem Tode des
Antiochos von Side um die Seleukiden nicht im Geringsten
mehr zu bekümmern gebraucht, durch seine eigene weitere
Erzählung nicht unerheblich modificirt; Antiochos von Kyzikos
verwüstet Judäa, als aber Hyrkanos sieht, dass Antiochos von
seinen ägyptischen HfJ.lf svölkern verlassen und durch den Krieg
mit seinem Bruder geschwächt ist, geht er zur Offensive über
und belagert Samaria; Antiochos eilt zum Entsatz herbei,
wird in einer entscheidenden Schlacht von den Söhnen des
Hyrkanos geschlagen, intervenirt ein zweites Mal, muss aber,
da es ihm nicht gelingt, durch Verwüstung des Landes die
Juden von Samaria abzuziehen, schliesslich die Samaritaner
ihrem Schicksale überlassen. Alexander Jannäos stand ganz
anders mächtig da, als sein Vater Hyrkanos; und doch kann
noch unter ihm Demetrios HI. in den von den Pharisäern
*) [Vgl. dazu Mendelssohns AnsfAhrungen in den Acta societatis
philologae Lipsiensis Y S. 287 nnd im Rheinischen Mosenm N. F.
Bd. XXX (1876) S. 118 ff. F. R.]
MENDELSSOHN, DE SENATI CONSULTIS APÜD JOSEPHÜM. 309
angezettelten Bürgerkrieg eingreifen und bei Sichern dem
Jannäos eine völlige Niederlage beibringen; ja noch der
letzte Seleukide Antiochos XII. Dionysos ist stark genüge
die Befestigungswerke^ die Jannäos zum Schutze gegen ihn
von Chabarzaba bis Joppe aufgeführt, zu durchbrechen und
mitten durch Judäa hindurch gegen die Araber zu mar-
schiren. So auffallig diese militärische Superiorität bei der
notorischen politischen Ohnmacht dieser letzten Seleukiden
ist; sie erklärt sich daraus, dass diese sich unvermerkt in
Gondottieri verwandelt hatten , die mit ihren Soldnerheeren
der Sache der mächtigen hellenistischen Städte dienten: so
kommt es, dass sie bald als Herren ohne Land eine precäre
Existenz führen, bald wieder, wo Lebensinteressen der Städte
ins Spiel kommen, mit ungewöhnlichem militärischen Nach- 1263
drucke einzugreifen im Stande sind. Ein solches- Lebens-
interesse aber war der Kampf gegen die Juden, von denen
die Städte in ihrer Existenz bedroht waren, und so un-
gleich wie zu den Zeiten des Jannäos stand der Kampf
einige 20 Jahre früher noch keineswegs; erst der seit 112
* ununterbrochen wüthende Bruderkrieg hat die Machtverhält-
nisse so sehr zu Ungunsten der Seleukiden verschoben.
Freilich behauptet der Verfasser S. 17, nimmermehr habe
Antiochos von Kjzikos den Juden Gastelle, Häfen und Land
wegnehmen können, er, den Hjrkanos bei blosser Yerwüstuif^
des Landes mit so leichter Mühe zu vertreiben vermocht
habe, und die flehiles querelae der Juden in Rom setzten
eine ganz andere Nothlage voraus. Dass die Juden selbst
die Gefahr als eine keineswegs geringe angesehen haben,
ergiebt sich daraus, dass sie dem Hyrkanos den Sieg seiner
Sohne durch ein göttliches Gesicht offenbart werden liessen;
und wir sehen nicht ein, warum die Juden nicht bei der
ersten von Josephos erwähnten „Verwüstung des Landes'^, als
Antiochos von Kyzikos noch von ägyptischen Hülfsvölkem^)
1) Das Bind nicht Truppen des Ptolemäoe Soter IL, der sich erst
später während der Belagerung von Samaria zu Gunsten des Antiochos
einmischte, sondern es sind die, welche diesem seine Frau Kleopatra
aus Cypem zugeführt hatte (Just XXXIX, 3, 3).
310 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
unterstützt, durch den Bruderkrieg noch nicht geschwächt
und Hyrkanos noch in der Defensive war, die in dem zweiten
Senatsbeschlusse erwähnten Einbussen erlitten haben können.
Von einer besonderen Kläglichkeit des jüdischen Schmerzens-
Schreies finden wir in der Urkunde nichts; und wer kann
sich darüber wundern, dass Hyrkanos den Versuch machte,
durch ProYOcirung einer diplomatischen Intervention dem
nichts weniger als ungeßLhrlichen Gegner Einhalt zu ge-
bieten? Man darf nicht vergessen, dass unsere Geschichts-
Überlieferung über diese Zeiten ungleich spärlicher fiiesst,
als über die des Antiochos von Side, dass also hier eine
Ergänzung derselben aus der Urkunde verhältnissmässig
leichter ist. Auch noch in einer anderen Beziehung entr
spricht diese gut den Zeitverhältnissen. Hyrkanos hat nach
dem Tode des Antiochos von Side zahlreiche Städte erobert,
die Josephos A. J. XIII, 9, 1 aufzählt; darunter ist nicht
eine einzige Eüstenstadt, gegen diese hat erst Jannäos seine
Waffen gekehrt. Die Natur hat zwischen dem palästinischen
Küstenlande und dem hochgelegenen Binnenlande eine scharfe
Scheidewand gezogen. Es begreift sich, dass die Hasmonäer
darauf bedacht waren, belehrt durch den Misserfolg unter
Antiochos von Side, vorerst im Innern ihre Macht abzu-
runden und völlig sicherzustellen, und dann erst, jene natür*
iFche Schranke überschreitend, gegen die Eüstenstädte vor-
gingen, deren Bedrohung mit Noth wendigkeit auswärtige
Verwickelungen zur Folge haben musste. Der Versuch des
Hyrkanos, auf diplomatischem Wege Joppe wiederzuerlangen,
geht, auf die Zeit des Antiochos von Kyzikos bezogen, den
gegen die Küste gerichteten Eroberungskriegen seines Sohnes
Jannäos nur um ein Weniges voran, was gewiss der über-
lieferten Datirung der Urkunde nur zur Empfehlung gereicht
Dass von einer diplomatischen Intervention der Römer
die Urkunde selbst uns die einzige Kunde giebt, hat etwas
Auffälliges, namentlich wenn die Intervention erfolgreich
war. Immerhin kann man es auf Rechnung unserer mangel-
haften Ueberlieferung setzen. Dass eine Intervention, die
unter den vom Verfasser angenommenen Umständen erfolgte
MENDELSSOHN, DE SENATl CONSüLTIS APÜD JOSEPHüM. 311
und dem Äntiochos von Side in einer der des Antiochos
Epiphanes, als ihm Popilius Länas vor Alexandrien Halt
gebot, völlig analogen Situation die Früchte seiner Siege
verkümmerte y in unserer hier, wie gesagt, viel reichlicher
fliessenden Tradition gänzlich verschollen sein sollte, ist
schon recht unwahrscheinlich; es ist nicht richtig, dass, wie
der Verfasser S. 7 behauptet, auch der Bericht des Por-
phjrios wie die übrigen auf Poseidonios zurückgeht: er
weicht völlig ab von Josephos und Diodor. Dass aber eine
so geartete Intervention, um so bemerkenswerther als einzigei264
eclatante Ausnahme in einer Zeit, da die Romer längst
gewohnt waren, den Orient sich selbst zu überlassen, einem
sorgfältigen und in römischen Dingen anerkannt vortrefflich
unterrichteten Historiker wie Poseidonios vollkommen un-
bekannt geblieben sein sollte, auf den doch der Bericht von
der svöißeia des Königs unzweifelhaft zurückgeht, das ist
Dicht unwahrscheinlich, sondern unmöglich und würde in
unseren Augen allein genügen, des Verfassers Hypothese
hinfällig zu machen. Auch wir sehen in jener svöißsia nur
ein vorgeschobenes Motiv: war denn aber die Situation in
der That eine solche, dass nur ein Druck von Aussen die
glimpflichen von Antiochos den Juden gewährten Friedens-
bedingungen erklärt? waren diese überhaupt in der Sache
so glimpflich wie in der Form? Da ist es nun nicht wahr,
was der Verfasser S. 6 behauptet, dass der Krieg von An-
tiochos von Side nur um der Wiedergewinnung von Joppe
willen unternommen und somit der Hauptzweck nicht er-
reicht worden sei. Der Krieg hatte die Forderung des
Königs, die Juden sollten für Joppe und Gazara, wenn sie
diese Städte nicht wieder herausgeben wollten, 500 Talente
Tribut zahlen, während sie sich nur zu 100 Talenten ver-
stehen wollten, zum Anlass, und diese ursprüngliche
Forderung ist auch im Frieden durchgesetzt worden. Der
wahre Zweck des Krieges war, die Juden, die sich unter
seinem elenden Vorgänger gänzlich unabhängig gemacht
hatten, von Neuem zur Anerkennung der syrischen Ober-
hoheit zu zwingen, nachdem er vorher militärisch ihre Macht
312 RECBNSIONEN UND ANZEIGEN.
gebrochen und genügende (rarantien dafür erlaugt haben
würde^ dass diese Anerkennung keine blosse Form bliebe.
Diesen Zweck hat Antiochos glücklich erreicht: Entwaffiiung
der Besatzung von Jerusalem ^ Stellung von Geiseln ^ unter
denen der Bruder des Hohenpriesters ^ Zahlung von 500
Talenten ; Einreissung der Mauern von Jerusalem^); das
waren Bedingungen^ die die Juden auch für die Folgezeit
völlig in seine Hand gaben. Wer in der Hauptsache so
Grosses erreicht hatte, der konnte schon in einem Neben-
punkte eine Concession machen, die geeignet war, die Be-
siegten seiner Sache und den grossen Plänen, die er verfolgte,
geneigter zu machen, und die Rückgabe von Joppe gegen
den ursprünglich ausbedungenen Tribut den Juden gewähren.
Im Uebrigen musste Antiochos in der ganzen politischen
Lage Grund genug finden, die Dinge den Juden gegenüber
nicht auf das Aeusserste zu treiben und namentlich (was
viel wichtiger war, als der Joppe betreffende Punkt) nicht
auf der Aufnahme einer syrischen Besatzung in der Akra
von Jerusalem zu bestehen. Zwar die platonische Freund-
schaft der Römer für die Juden war mehr unbequem als
bedrohlich; aber der Zustand des syrischen Reiches drängte
zu einem raschen Abschlüsse: erst ganz kürzlich war es
Antiochos gelungen, nach jahrelangem Bürgerkriege den
Usurpator Tryphon zu überwältigen und die Reichseinheit
wenigstens in Syrien wiederherzustellen, aber im Osten
griffen die Parther immer weiter um sich, jeden Augenblick
musste Antiochos gewärtig sein, dass sein elender Bruder
Demetrios H., von den Parthern seiner Haft entlassen, zurück-
kehrte , und den Bürgerkrieg wieder nach Syrien trug ;
das letzte Ziel seiner energisch und umsichtig betriebenen
Restaurationspolitik musste die Zurückwerfung der über-
mächtigen Parther sein, und für dieses galt es, die eigenen
Kräfte möglichst zu sparen, andererseits alle militärisch in
1) Diese bezeugt der aus Poseidonios schöpfende Diodor so gut
wie der unabhängige Porphyrios; wahrscheinlich also hat Josephos,
der nur von einem Einreissen der Zinnen redet , den Berioht des
Poseidonios absichtlich abgeschwächt.
MENDELSSOHN, DE SENATI CONSÜLTIS APÜD JOSEPHüM. 313
Betracht kommenden Factoren seines Reiches für den grossen
Zweck Terfflgbar zu machen. Antiochos konnte aus der
bisherigen hartnäckigen Yertheidignng von Jerusalem ent-
nehmen^ dass die Jaden den Widerstand bis an die änsserste
Grenze des Möglichen yerlängem wQrden, ehe sie sich eine
heidnische Besatzung gefallen liessen^ und war zu einsichtig^
um sich nicht zu sagen, dass die Aufnothigung einer solchen
in Kurzem den Religionskrieg wieder anfachen musste, deri266
während des letzten Menschenalters der syrischen Macht so
schwere Wunden geschlagen hatte. Er erreichte mit seiner
von der Lage des Reiches erforderten Mässigung^ die er den
Juden gegenüber lediglich als Ausfluss seiner evöißsta dar-
zustellen wusste. Alles, was überhaupt erreichbar war: ausser
der Unterwerfung der Juden auch noch ihre Unterstützung
in dem bevorstehenden Partherkriege.
Ist denn aber die Rückgabe von- Joppe wirklich erfolgt?
Dass Ajitiochos es sammt Gazara im Laufe des Krieges den
Juden entrissen hatte, wissen wir aus dem ersten Senats-
beschlusse. Wir haben Freiheit, in welche Zeit wir diesen
setzen wollen, da die Datirung des Josephos, der ihn gleich
nach dem Tode des Antiochos von Side ansetzt, nur seine
eigene Ansicht wiedergiebt, und an sich wäre aus histori-
schen Gründen nichts dagegen zu erinnern, wenn die Ur-
kunde mit dem Verfasser mitten in den Krieg zwischen
Antiochos und Hyrkanos verlegt würde: sie enthält keine
sichere Andeutung, dass Antiochos schon todt war. Aber
freilich ebensowenig eine vom Gegentheile; und durchweg
wird auf den Krieg als auf einen zu einem Abschlüsse ge-
kommenen Bezug genommen, namentlich der Wendung, die
von Antiochos xata tbv TtoXs^iov iocstvov getroffenen Ver-
fügungen sollten ungültig sein, kann die Diplomatie sich
unmöglich bedient haben, während die Kriegsereignisse noch
ihren Lauf nahmen. Ist dies festgestellt, so folgt aus der
ganzen politischen Situation von selbst, dass die Auffassung
des Josephos die allein richtige ist; gehört aber der Senats-
beschlass in die Zeit unmittelbar nach dem Tode des An-
tiochos von Side (Frühjahr 128), so ist die Zusf^e der
314 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
Rückgabe von Joppe nicht erfüllt worden. Daraus ergiebt
sich dann sofort die weitere Consequenz^ dass der Antiochos
der zweiten Urkunde ein späterer sein muss als Antiochos
von Side; denn darin hat der Verfasser unzweifelhaft Recht^
dass die Zeitfolge beider Senatsbeschlüsse die umgekehrte
als die von Ritschi angenommene ist, dass der zweite später
erlassen ist als der erste. Noch entscheidender in demselben
Sinne ist eine exacte Interpretation des zweiten Senats-
beschlusses. In diesem heisst es von Antiochos Sohn des
Antiochos: oicoöa^) xe q)Q0VQia xal Xtiiivag xal %^Qav xal
et XL aXko dipsiksxo ccircäv, anodod^^ und erst ganz am
Schlüsse; getrennt durch eine Reihe von Bestimmungen über
die Ausfuhr, ist von der Zurückziehung der Besatzung von
Joppe die Rede. Daraus folgt mit Nothwendigkeit, dass
Joppe nicht unter die von Antiochos von Eyzikos eroberten
Plätze gehorte, sondern dass es mit seinem Besitze eine
andere Bewandtniss hatte : es war eben noch von der
Wiedereroberung durch Antiochos von Side her in syrischen
Händen. Der Verfasser hat selbst gefühlt, dass dieser Punkt
für seine Hypothese geradezu todtlich ist, und in seinem
Versuche, die ursprüngliche Form der Urkunde wiederherzu-
stellen, S. 23 den Passus über Joppe umgestellt und ihn
unmittelbar hinter den von den anderen Plätzen handelnden
gerückt; allein mit dieser Willkür wird der beabsichtigte
Zweck immer nur zur Hälfte erreicht; es bleibt auch so
noch der Erklärung bedürftig, warum in einer formelhaft
gehaltenen und Präcision heischenden Urkunde Joppe beson-
ders genannt ist, die anderen tpQovQia aber nicht. Wie es
kam, dass die Abtretung von Joppe nicht perfect geworden
ist, lässt sich noch mit Wahrscheinlichkeit erklären. Der
wichtigste aller Erfolge des Antiochos von Side wird in den
Bedingungen seines Friedens mit den Juden nicht erwähnt:
es ist die Heeresfolge der Juden gegen die Parther unter
Anführung des Hohenpriesters in eigener Person. Die Rück-
gabe von Joppe wird ihnen als Preis dieser Heeresfolge von
1) So scheint statt Znmi geschrieben werden zu müssen.
MENDELSSOHN, DE SENATl CONSÜLTIS APÜD JOSEPH UM. 315
Antiochos zugesagt worden und nach dessen Katastrophe
unterblieben sein. Sobald der Vertragsbruch von syrischer
Seite constatirt war, also bald nach Frühling 128, reclamirfcen
die Juden in Rom, das erste Mal ohne Erfolg. Erst als
Antiochos von Eyzikos während seiner Alleinherrschaft
(114—112) wieder offensiv gegen Judäa vorging, erlangtent266
die Juden endlich von Rom einen günstigen Bescheid. So
lange es die Juden mit den Syrern allein zu thun gehabt
hatten, war der Senat seiner Nichtinterveutionspolitik un-
wandelbar treu geblieben; dass er ganz zum Schlüsse doch
noch aus seiner Reserve heraustrat und seine Willensmeinung
bestimmt kundgab, geschah vermuthlich nur, um die jetzt
zum ersten Male in Aussicht stehende Allianz Aegyptens
mit Syrien gegen die Juden womöglich zu hintertreiben:
eine solche Allianz konnten die Romer nach den ganzen
Traditionen ihrer Politik im Orient unmöglich gern sehen.
Die Juden erhielten Joppe in der That zurück, sei es in
Folge der römischen Yermitteluug, sei es etwas später durch
den Yerrath des syrischen Feldlierm Epikrates; als Jannäos
seinen Eroberungskrieg gegen die palästinischen Eiistensiädte
begann, finden wir Joppe in jüdischen Händen (Josephos
A. J. XIII, 12, 2; cf. 15, 4). Das nicht an der Küste
gelegene Gazara, von dem in dem zweiten Senatsbeschlusse
nicht mehr die Rede ist, wird schon vorher von Hyrkanos
zurückerobert worden sein.
316 EECENSIONEN UND ANZEIGEN.
6.*)
521 1) Brann , Marcus, de Herodis, qui dicitur, Magni
filiis patrem in imperio secutis. Pars prima. Disser-
tatio inauguralis historica quam ... in ... universitate
Viadrina . . . d. XX. m. Martii a. MDCCCLXXIII . . .
publice defendet auctor. Erotoschini, typis B. L. Mo-
nasch et Co. (34 p. 8®.) 10 Sgr.
2) Brann, Dr. M., die Sohne des Herodes. Eine bio-
graphische Skizze^ zugleich ein Beitrag zur neutesta-
mentlichen Zeitgeschichte. Breslau 1873. H. Skutsch.
(IV und 87 S. 8«.)
(Sonderabdruck aus der „Monatsschrift för Geschichte und Wissenschaft
des Judenthums*^)
Die vorliegenden beiden eng zusammenhängenden, nur
in Folge äusserer Umstände getrennt veröfiFentlichten Unter-
suchungen beschäftigen sich mit einer wichtigen und neuer-
lich vielfach behandelten Periode der jüdischen Geschichte,
zu der sie einen . achtungswerthen Beitrag liefern. Sie
zeichnen sich in hervorragender Weise durch Fleiss und
Scharfsinn aus.
Wird ihnen durch dieses Urtheil ein wohlverdientes
Lob gespendet, so ist in ihm zugleich angedeutet, was wir
an der Forschung des Verfassers zu tadeln finden. So sehr
es anzuerkennen ist, dass mit ausnehmendem Fleisse durch-
gängig auf die entsprechende neuere Literatur Rücksicht
genommen worden ist, so können wir doch nicht umhin zu
glauben, dass die Unbefangenheit des Urtheiles mitunter
dabei zu Schaden gekommen ist. Nicht, als ob der Ver-
fasser seinen Vorgängern gegenüber zu abhängig wäre: im
Gegentheil; aber auch das Streben, sich möglichst von den
Vorgängern zu emancipiren, recht Neues, recht Selbststän-
diges zu bringen, kann auf Abwege fuhren. Wir zweifeln
nicht, dass derselbe über manche Frage anders geurtheilt
*) [Literarisches Centralblatt 1874 S. 621—624.]
BRANN, DE HBRODIS MAGNI FILIIS. 317
haben würde, wenn er die Aufstellungen unserer neuesten
theologischen Historiker gar nicht gekannt hätte. So wird
z. B. II S. 36 ff. das Luftige der Combinationen, durch die
Keim und Hausrath das Datum der Ehe des Herodes und
der Herodias zu bestimmen gesucht haben ; gut aufgedeckt;
aber in der gleich daran geknüpften Behauptung, dass, wenn
die Erzählung der Evangelien von dem tanzenden xoQaeiov
richtig sei, Philippos als ein Fünfziger die Tochter der
Herodias im Alter yon 8 — 9 Jahren geheirathet haben
müsste, liegt eine starke Uebertreibung. Wem, der die Vor-
liebe der späteren Gräcität für Deminutiva kennt und sich
Sinn und Zusammenhang der evangelischen Erzählung ver-
gegenwärtigt, ist wohl je in den Sinn gekommen, das xo-
Qa6Lov von einem 8 — 9jährigen Mädchen zu verstehen?
Der Verfasser mochte vielmehr den Abschluss der Ehe der
Tochter zwischen 17 — 20 n, Ch. setzen, als diese vielleicht
16jährig, Philippos gegen Ende der Dreissiger war; und
erst nach ihrer Verheirathung lässt er die Mutter entführt
werden. Warum, dafür lässt sich schlechterdings kein anderes
Motiv als das entdecken, möglichst das Gegentheil von dem622
bisher Angenommenen aufzustellen. Uns scheint, offen ge-
standen, als hätten die Deductionen sowohl des Verfassers
als seiner christlichen Vorgänger die Sachlage eher ver-
dunkelt als klar gestellt: der Zeitpunkt der Verheirathung
der Salome und die Frage nach der Glaubwürdigkeit der
evangelischen Erzählung vom tanzenden xoQd6iov ist etwas
völlig Irrelevantes. Anstoss veranlasst nur zweierlei: 1) der
Altersunterschied zwischen Philippos und Salome; allein
dieser Altersunterschied ist eine unzweifelhafte Thatsache,
von der wir unter Umständen etwas mehr oder weniger ab-
handeln können, die wir aber im Wesentlichen acceptiren
müssen, wir mögen rechnen, wie wir wollen, und. der Ver-
fasser scheint ganz zu übersehen, dass das Missverhältniss
nur um so fühlbarer wird, je früher wir die Heirath der
Salome ansetzen; 2) die Scylla und Charybdis, zwischen der
wir uns in Bezug auf die Entführung ihrer Mutter Herodias
befinden; mögen wir immerhin, was der Verfasser mit Recht
318 BECENSIONEN UND ANZEIGEN.
betont, oLQ%ii i%^Qag als Anfang der Feindschaft zwischen
Aretas und Herodes, nicht als Anlass des Krieges aaffassen,
es bleibt unpassend, den Krieg des Jahres 35 und die Straf-
predigt und Katastrophe des Jobannes (um 28), die auch
der Verfasser nicht ganz von der Entf&hrung der Herodias
loszulösen wagt, durch einen gar zu grossen Zwischenraum,
eine formliche Verjährungsfrist, von dem letzteren Ereignisse
zu trennen; andererseits machen wir, je näher wir diese
Dinge aneinanderrücken, die Herodias um so viel älter und
ihre Entführung auffallender. Führen wir die Untersuchung
aus dem Gebiete luftiger Combinationen auf das der That-
sachen zurück, so ergiebt sich Folgendes. Aristobulos, Sa-
lomes zweiter Gemahl, war ein Sohn des Herodes von Ghalkis
Yon Mariam, der Tochter Josephs und der Olympias, einer
Schwester des Archelaos, die nach 7, aber vor 4 y. Gh.
geheirathet hatte. Also konnte Mariam frühestens 5 v. Gh.,
ihr Sohn Aristobulos kaum vor 14 n. Gh. geboren sein.
Dies giebi einen ungefähren Anhalt für die Bestimmung des
Alters der Salome, die wir, da ihre zweite Ehe, aus der drei
Söhne entsprossen, offenbar eine rechtzeitige gewesen ist^
nicht ohne Noth viel älter als Aristobulos werden machen
dürfen. Philippos, ihr erster Gemahl, war 4 oder doch 3
Y. Gh. in regierungsfähigem Alter, also spätestens 21 t. Gh.
geboren. So gross der Altersabstand Beider unzweifelhaft
war, so werden wir ihn doch ohne Un Wahrscheinlichkeit
nicht zu mehr als 30 Jahren veranschlagen dürfen: dies
würde als spätesten Termin für die Geburt der Salome das
Jahr 10 n. Gh. ergeben. Dass sie wahrscheinlich auch nicht
früher geboren ist, ergiebt sich aus dem Alter ihrer Mutter
Herodias, einer Tochter des Aristobulos, Sohnes des Herodes,
52dund der Berenike. Aus dieser um das Jahr 17 und wahr-
scheinlich in sehr jugendlfchem Alter (beide sind frühestens
35 geboren) eingegangenen und durch die Hinrichtung des
Aristobulos 7 v. Gh. aufgelösten Ehe gingen filnf Kinder
hervor, über deren Alter wir nur so viel wissen, dass
Agrippa, der mittelste der drei Söhne, 11 v. Gh. geboren
war. Da Herodias die ältere von zwei Schwestern war, so
BRANN, DE HERODIS MAGNI FILIIS. 319
•
ist sie spätestens 9 y. Ch. geboren. Es liegt aber auch kein
stichhaltiger Grund vor, sie älter zu machen ^ und hiesse
nach dem oben Bemerkten die vorhandenen Schwierigkeiten
ohne Noth vermehren. Ist 9 v. Ch. ihr Geburtsjahr, so
konnte ihre Tochter Salome kaum vor 10 n. Ch. geboren
sein. Philippos konnte sie also frühestens 24 n. Ch. heim-
fuhren, und Referent vermag nicht einzusehen, warum es
(wozu die evangelische Erzählang allerdings nothigen würde)
unwahrscheinlicher sein soll, den 49jährigen eine 19jährige
als den 44jährigen eine 14jährige heimführen zu lassen. Im
Jahre 28 würde das tanzende Tcogäütov 18 Jahre alt gewesen
sein: Referent würde es sehr gelassen hinnehmen, wenn die
betreffende Erzählung definitiv in das Bereich der Sage ver-
wiesen würde, muss aber entschieden bestreiten, dass chrono-
logische Gründe derselben im Wege stehen. Was nun die
Entführung der Herodias betrifft, so halten wir es wegen
des engen Zusammenhanges mit den späteren Ereignissen
für unthunlich, sie vor das Jahr 25 n. Ch. zurückzuschieben.
Damals würde Herodias etwa 33, ihr Entführer Herodes, der
jünger war als Archelaos, aber so gut wie er 4 oder 3 v. Ch.
in regierungsföhigem Alter, folglich spätestens 21 v. Ch.
geboren war, mindestens 45 Jahre alt gewesen sein: viel
unter das Jahr 25 hinab wird man also auch nicht gehen
dürfen. Soll durchaus eine Hypothese gemacht werden, so
bietet sich die sehr naheliegende, dass die ßomreise des
Herodes, auf der die Entführung geschah, mit dem 26 n. Ch.
in Judäa eingetretenen Statthalterwechsel in Zusammenhang
gestanden hat. Der Versuch Eeims, aus den von Josephos
beschriebenen wechselreichen Schicksalen des Agrippa in den
Jahren 23 — 36 n. Ch. , innerhalb deren er einmal auch
Herodes und Herodias anbettelte, eine Zeitbestimmung für
die Entführung der Letzteren abzuleiten, ist vom Verfasser
II S. 52 ff. in schlagender Weise als unhaltbar nachgewiesen
worden; er schiesst aber sofort mit der Behauptung über
das Ziel hinaus, dass auf Grund der Biographie Agrippas
als äusserster Termin, an welchem dieser ihre Hülfe in
Anspruch genommen habe, spätestens das Jahr 24 n. Ch.
320 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
angenommen werden müsse. Es ist nicht wahr, dass Jose-
phos uns eine ;,in chronologischer Beziehung lückenlose'^
Darstellung des Lebens seines Helden gegeben habe: wie
derselbe nach seinem Weggange von Rom auf das abgelegene
Schloss Malatha in Idumäa gekommen ist, wo die Verzweiflung
ihn zu einem Selbstmordversuche trieb, darüber sagt uns der
Schriftsteller nichts Näheres und schliesst mehrjähriges da-
zwischenliegendes Elend keineswegs aus. Hierüber aber
schlüpft der Verfasser ganz weg und lässt den Agrippa
direct von Rom vor seinen Gläubigem nach Malatha eilen;
seine eigene Vertheilung der Ereignisse ist um kein Haar
weniger willkürlich als die Eeimsche, nur ist sie yiel ge-
suchter und unwahrscheinlicher.
Noch häufiger hat sich der Verfasser von seinem über-
sprudelnden Scharfsinne fortreissen lassen. Als Beispiel
genüge die I S. 3 sqq. gegebene Behandlung der berühmten
Stelle des Josephos A. J. XVTI, 6, 7. Der Historiker hatte er-
zählt, wie zwei Gesetzeslehrer, Judas, Sohn des Sariphai,
und Matthias, Sohn des Margaboth, während der letzten
Krankheit des Herodes das Volk aufreizten, den goldenen
Adler von dem Tempelportale herunterzuhauen: Herodes
aber, so fährt er fort, berieth, wie der Frevel zu bestrafen
sei, und setzte den gleichnamigen Hohenpriester Matthias,
der sich lau gezeigt, ab, ihn, der schon während seiner Amts-
zeit einmal, da er in der Nacht vor dem Versohnungstage
eine Pollution gehabt, einen Anderen, den Joseph, Sohn des
EUem, für sich hatte fungiren lassen müssen; den Gesetzes-
lehrer Matthias aber und seine Genossen Hess der Eonig
624lebendig verbrennen: Kai fi eskr^vri 8\ ty avrij vvxtl i^ili-
7CBV, Dem Herodes aber, heisst es dann, verschlimmerte sich
die Krankheit, indem Gott von ihm Strafe eintrieb für seine
ungerechten Handlungen, u. s. w. Von jeher hat diese Mond-
finstemiss kurz vor Herodes' Tode als ein untrüglicher Weg-
weiser für die Chronologie gegolten, und wohl nie im Laufe
der Jahrhunderte, seitdem die Wissenschaft angefangen hat,
sich mit diesen Fragen zu beschäftigen, ist einem Leser der
Gedanke gekommen, dass die Mondfinsterniss sich auf etwas
BRANN, DE HERODIS MAGNI FILIIS. 321
Anderes beziehen konnte ; als auf die Verbrennung der
Gesetzeslehrer. Der Verfasser aber argumentirt ksTCtotdrais
so: hätte Josephos das gemeint, so hätte er trj intovöy oder
tij JtQoVovöri vvxxC sagen müssen^ er sagt aber r^ avrii vvxri^
also muss schon vorher eine Nacht erwähnt worden sein,
und das ist nun die, in der der Hohepriester die Pollution
gehabt hat, und auf diese bezieht sich die Mondfinstemiss.
Hierzu wagt Referent, obgleich von Mutter Natur vielleicht
nicht mit der erforderlichen dsLv6ti]g ausgestattet, folgendes
Seitenstück zu improvisiren: Nach Jos. B. J. IV, 11, 3 ging
Cäcina Alienus bei Cremona zum Antonius Primus über; zijg
dl avrijg vvxrog nahmen ihn seine Soldaten fest und liessen
es auf einen Kampf mit den Antonianern ankommen; also
muss die Nacht schon vorher erwähnt worden sein: die
letzte Nacht aber, die bei Josephos vorgekommen ist, ist
die Paschanacht, in der nach IV, 7, 2 die Sicarier £ngaddi
überrumpelten: ergo sind beide Nächte identisch. Wir
mochten wissen, was Herr Brann von seinem Standpunkte
aus hiergegen einzuwenden vermöchte. Die Methode des
Verfassers erinnert in ihren Vorzügen wie in ihren Mängeln
stark an die von Grätz; man wird seine Untersuchung nach
der negativen Seite hin als sorgföltige und kundige Con-
trolirung der neuesten neutestamentlichen Forschungen mit
Erfolg benutzen; um seinen positiven Ergebnissen ohne
weitere Prüfung Eingang zu verschaffen, dazu fehlt dem
Verfasser noch die objective Buhe der historischen Kritik.
y. QuTSCHMiD, Kleine Schriften. IL 21
322 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
7.*)
445Ewald, Heinr., Abhandlung über Entstehung, Inhalt
und Werth der Sibyllischen Bücher. (Aus den
Abhandlungen der königlichen Gesellschaft der Wissen-
schaften zu Göttingen.) Göttingen 1858. Dieterich.
(112 S. 4^.) 1 Thlr.
Das wesentliche Verdienst dieser Abhandlung besteht
darin, Anlage, Gliederung und inneren Zusammenhang in
den älteren nichtchristlichen Sibyllenbüchem schärfer als
die vorhergehenden Forscher ins Auge gefasst und hier-
durch auf Vieles ein neues Licht geworfen zu haben. In
Bezug auf das älteste von einem ägyptischen Juden yer-
fasste Sibyllenbuch (die Fragmente bei Theophilos und III,
97 — 828) war dem Verfasser durch Hilgenfeld trefflich vor-
gearbeitet worden, welcher in der jüdischen Apokalyptik
S. 51 f. wider die herrschende Ansicht, das Buch sei um
165 V. Ch. geschrieben, die Abfassungszeit desselben um
ein Vierteljahrhundert herabgerückt und die Stelle über
die Seleukiden III, 388 f., welche für die genauere Zeit-
bestimmung entscheidend ist, zuerst richtig als eine freie
Ausdeutung von Daniel 7, 7 — 8 erkannt hat. Dass der Ver-
fasser genau ebenso urtheilt, ist nur zu billigen, um so
schwerer freilich zu begreifen, warum er Hilgenfelds im
Jahre vor der seinigen erschienene Schrift, die er selbst in
seinen Jahrbüchern wegwerfend recensirt, folglich gekannt
hat, hier mit keiner Silbe erwähnt. Dass jener das Buch
um 140, er dagegen um 124 setzt, berechtigt ihn nicht im
Geringsten zu einer derartigen Ignorirung seines Vorgängers:
für die richtige Würdigung des Schriftwerkes in seinem
Zusammenhange mit der Zeitgeschichte ist durch den Nach-
weis, dass es nach der Zerstörung von Korinth und Kar-
thago geschrieben ist, das Hauptsächlichste gethan; ob man
gerade das von Hilgenfeld gegebene Jahr annimmt oder
- — ■
*) [Literarisches Centralblatt 1861 S. 446—448.]
EWALD, SIBYLLISCHE BUECHER. 323
nichts ist von secundärem Belang. Noch dazu ist unter den
Gründen; die der Verfasser für die Herabrückung des Buches
in das Jahr 124 geltend macht; nur der, dass sich lU; 464 f.
erst durch den vorhergegangenen Untergang des Tiberius
Gracchus erklären lasse ; stichhaltig; dagegen die Beziehung
des Verses 'Oxtcots xal ^eiecg (sehr, ^dsi sig) [itaQov ysvog
iv xd'ovl (aviia in dem phrygischen Orakel III; 402 auf
den von seiner Mutter Eleopatra ermordeten Seleukos V.,
selbst wenn die Lesart 'PaCrig zulässig wärC; seltsam will-
kürlich; und die Annahme; der von Alexander Balas ge-
gründete Nebenzweig; auf den Hilgenfeld das TcaQatpvo^svov
xigag III; 400 bezieht; sei erst mit Alexander Zebinas 123
V. Gh. untergegangen; ist äusserst zweifelhaft; da nach der446
besten Quelle (Trogus XXXIX; 1; 5) Zebinas sein Erbrecht
nicht auf eine (nur von dem in der Geschichte der letzten
Seleukiden nicht überall zuverlässigen Porphyrios behauptete)
Vaterschaft des BalaS; sondern auf seine angebliche Adoption
durch Antiochos Sidetes gründete. Ein viel unbedingteres
Lob kann man den Untersuchungen des Verfassers über das
vierte Buch zoUeU; dessen Abfassungszeit im Jahre 80 n. Gh.
zwar allgemein; dessen kleinasiatischer Ursprung so ziemlich
anerkannt ist^ das man aber bald einem Ghristen, bald einem
Juden zuschrieb — das Eine so wenig wahrscheinlich wie
das Andere; hier wird nun überzeugend nachgewiesen; dass
der Ursprung des Buches in den Kreisen der Essäer (der
Verfasser meint; speciell der Hemerobaptisten) zu suchen
ist. *) Neu und zutreffend ist ferner; was der Verfasser über
das fünfte Buch ermittelt. Dieses ward bisher in seiner
Gesammtheit unter Hadrian gesetzt; doch einem um 70 n. Gh.
lebenden jüdischen Verfasser hatte schon Bleek; wenn auch
zweifelnd, das Stück V. 333 — 483 zuschreiben wollen, das
mit anderen noch älteren, ebenfalls jüdischen Stücken von
einem unter Hadrian in Aegypten lebenden Ghristen seinem
Werke einverleibt worden sei. Der Verfasser zeigt nun,
dass das ganze Buch von V. 52 an ein in sich zusammen-
*) [Vgl. unten S. 330 f. F. E.]
21
324 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
hängendes Ganze und um das Jahr 79 n. Ch. in Aegypten
verfasst ist^ und zwar von einem Juden. Hierbei ist aller-
dings eine Schwierigkeit noch nicht genügend hinweg-
geräumt; die Verse 255 ff. nämlich:
,^Elg di tig ieöstai (sehr. i66vxaC) avd-vg an ald-dgog i^oxog
Ov nakd^ag ijjtXcoöev inl ^vkov TCoXvxaQjtov
'EßgaCmv 6 agiötog (sehr. oagLöxvg), og tjUlov noxa ötrjösv
(sehr. rjeXiov rors öri]6ei)
Ocaviqöag Q'^Cei ts xaXy xal xbCXbClv ayvolg''
lassen sich^ wollte man selbst unsere, ebenso sehr durch das
Metrum und die Regel über das v iipeXxviStLxov^ wie durch
den Zusammenhang gebotenen Emendationen nicht gelten
lassen 9 mit dem Verfasser S. 56 auf den wiederkehrenden
Moses nur beziehen, wenn den Worten Gewalt angethan
wird: die bisherige Erklärung, dass hier der wiederkehrende
Jesus Christus gemeint ist, für den in judenchristlicher Weise
Jesus Nave als Typus dient, bleibt die einfachste und allein
mögliche. Will man also nicht den Verfasser für einen
Judenchristen von einer schroffer als je anderswo aus-
geprägten jüdischen Richtung erklären, so wird die Stelle
als eine Zuthat des Christen gelten müssen, der dem fünften
Buche die ersten 51 Verse vorausschickte. Diesen setzt der
Verfasser mit Recht statt, wie bisher allgemein geschehen,
in die erste, vielmehr in die allerletzte Zeit Hadrians. Ihn
aber, wie er meint, mit dem Dichter des sechsten und
siebenten Buches zu identificiren , dazu reichen die S. 67
geltend gemachten sprachlichen Gründe durchaus nicht aus.
Er behauptet, das sechste und siebente Buch, das er mit
Recht nach Alexandres Vorgange einem Verfasser zuschreibt^
falle in dieselbe Zeit, und uXXoi lUgöat VII, 40 bedeute
„nach dem Zusammenhange der Rede nur solche, welche in
Rom und im römischen Reiche in Ehesachen so gottlos
sind, wie bekanntlich die Perser^' (S. 67). Der Zusammen-
hang ist nun aber der, dass unmittelbar an die Schilderung
der bei diesen „anderen Persern'^ üblichen Blutschande sich
EWALD, SIBYLLISCHE BÜECHER. 325
die Worte anschliessen V. AbS.i'^TötsQa d' avtotg \ 'ExXd^il;€L
^P&}liatog''j4Qi^g vcoXXilg a«o XoyxVS — V. 48: ^IxaUrig 61 ngo-
(iog Tote (peviata^ ix dogog dXx'^g. Die vom Verfasser für
ganz anrichtig erklärte Beziehung auf die Sasaniden ist hier-
nach die einzig mögliche, und Alexandre war vollkommen im447
Rechte y das sechste und siebente Buch um 234 anzusetzen.
Dass der Dichter einer judenchristlichen Sekte angehört hat^
ist allgemein anerkannt; Alexandre hielt ihn für einen phry-
gischen Enkratiten, der Verfasser für einen ägyptischen
ELxaiten. In Bezug auf das achte Buch schlägt der Ver-
fasser einen von seinen sämmtlichen Vorgängern abweichen-
den Weg ein und scheidet es in zwei Theile, V, 1 — 360
und V. 361 — 501, von denen der erste mit Alexandre auf
einen ägyptischen Christen zurückgeführt wird, der aber
nicht, wie bisher angenommen ward, unter den Antoninen,
sondern im Jahre 211 geschrieben habe. Diese Ansicht
fusst auf einer eigenthümlichen Berechnung der V. 131 und
sonst erwähnten ysvsai der römischen Kaiser, hinsichtlich
welcher der Verfasser aber so wenig das Richtige gesehen
hat als seine Vorgänger; in Folge derselben findet er in
dem Abschnitte von V. 131 — 202 statt, wie man meinte,
Vorstellungen aus dem Kreise der apokalyptischen Eschato-
logie lauter geschichtliche Beziehungen auf die Vergangen-
heit. Den V. 139 £ geschilderten Verwüster Roms erklärt
er nicht für den als Antichrist wiedererscheinenden Nero,
sondern für Seyerus, trotzdem, dass V. 71 auf eine Schil-
derung des wiederkehrenden tpvyäg ^ritQoxtovog vorbereitet^
und dass die im Jahre 197 erfolgte Hinrichtung einiger
unbotmässiger Senatoren durch Severus, den anerkannten
Wiederhersteller des Reiches, doch unmöglich noch 14 Jahre
später mit Worten wie: "HXato xfig 'Ptofirig «p^ ^^^* trjls-
d'iowfa, I ^AQ%ali/i itoXUööL neQvxtioveöiJiv ava66a (V. 143 f.)
beschrieben werden konnte. Die Worte V. 140 f.: '^ü^f^ ^oq-
^öanf laäv yivog axQira qnJXa^ \ ^Eßgaüov id'vog werden
S. 76 auf eine Verfolgung der Hebrfter, d. i. Christen, bezogen,
was, auch wenn man die durchaus nöthigen Aenderungen
"AliBi und ^ivog nicht vornehmen wollte, mit dem Wortlaute
326 RECEN8I0NEN UND ANZEIGEN.
nicht wohl verträglich ist; es wird hier vielmehr die Rück-
kehr der Zehnstamme zur Zeit des Antichrist beschrieben.
Der Hund; welcher den die Hirten verderbenden Löwen in
die Flucht schlägt, ist dem Verfasser nicht der Messias,
sondern Caracalla. Das Weib, welches nach Erwähnung
des Messias und der Vorzeichen des jüngsten Tages V. 200
unmittelbar vor dem Weltende als herrschend eingeführt
wird, soll nicht, wie man sonst erklärte^ einer Ausdeutung
der apokalyptischen Babylon seinen Ursprung verdanken, son-
dern wird auf Julia Domna bezogen. Dieser Auffassung ist
aber der ganze Ton, in welchem von dem Allen geredet wird,
nicht günstig. Viel ansprechender ist die Ansicht, welche
der Verfasser über den Abschnitt VIII, 361 — 501 entwickelt,
den er als ein nichtsibyllisches ^ in die Form eines Zwie-
gespräches zwischen Gott und dem Menschen eingekleidetes
Gedicht eines Christen aus dem zweiten Jahrhundert charak-
terisirt und nach Verdienst würdigt. Das Sibyllenwerk,
welches aus Buch I, II und III, 1 — 96 besteht, führt der
Verfasser mit Lücke auf einen ägyptischen Christen zurück,
setzt ihn aber um 300 an. Am weitesten entfernt er sich
von den früheren Forschem in Hinsicht auf die Bücher
11 — 14, die er von einem in Alexandrien lebenden mono-
physitischen Christen 670 — 672 n. CL verfasst sein lässt,
während Alexandre sie in das Jahr 267 setzte und die
lange Kaiserreihe des 14. Buches sammt seiner unerhörten
Geschichtserzählung für Phantasien des Sibyllisten erklärte.
Der Verfasser versucht dagegen die 27 nach ihren Anfangs-
buchstaben bezeichneten Herrscher mit Hülfe der endlosen
Zahl der uns bekannten Gegenkaiser nachzuweisen, und
meint, es möchten in der Liste der Sibylle manche uns
ganz unbekannte sein (was wegen der Münzen und des
Polemius Silvius eine bedenkliche Ausflucht ist); er hilft
sich mit der Annahme starker Lücken und Umstellungen,
zu welcher die gerade bei den letzten Büchern verhältniss-
mässig gute üeberlieferung nicht sehr einladet, und muss
auch so noch zu den gewagtesten Erklärungen greifen, wie
z. B., dass der XIV, 94 f. genannte greise, kluge, beliebte,
EWALD, SIBYLLISCHB BÜECHER. 327
durch gute Thaten ausgezeichnete, eines natürlichen Todes
verstorbene Herrscher mit dem guten Omen im Namen
,,offenbar^^ Eugenius sein solle, der junge, thorige, als Königs-
mörder yerhasste, endlich strangulirte Gegner des Theodosius,
der bei seiner ephemeren Herrschaft weder zu guten noch
zu bösen Thaten Zeit hatte — ferner, dass der Y. 149 f.
auftretende Kaiser D. Threskyllas, d. i. Zeno, sei, womit die
Schreibart Dreskyllas gewechselt, haben möge — oder, dass
der Sieg im Namen Führende Y. 249 gewiss Basiliskos sei,
^der sich lateinisch Yictorinus nennen konnte '^ Sähe man
aber auch von dem Allen ab, welchen denkbaren Sinn hätte
eine Liste, in der gerade die berühmtesten Namen, Con-
stantin, Julian, Justinian, Mauricius, Phocas fehlten, die aber
in planloser Auswahl eine Menge zum Theil obscurer 6egen-448
kaiser enthielte? Yiel scheinbarer ist die Beziehung des
letzten Theiles des 14. Buches, in welchem u. A. von einem
Einfalle der Araber in Aegypten und von der Ankunft eines
sicilischen Heeres die Rede ist, auf die Kämpfe der Byzan-
tiner mit den Moslems in Aegypten unter Constantin Pogo-
natus, der vom sicilischen Heere auf den Thron gesetzt
worden war. Prüft man aber etwas näher, wie der Yer-
fasser seine Hypothese im Einzelnen durchführt, so schwindet
auch dieser Schein YÖllig. Der olympische Sieg dreier Knaben
Y. 300 soll die Erlangung der Kaiserwürde durch die drei
Söhne des Gonstans bedeuten, die einfache Schilderung einer
Lustration Y. 302 wird auf den Untergang des unschuldigea
Prätendenten Mezizios bezogen, den man wohl spottweise
das Lamm genannt haben werde, und um Y. 303 y^Tgls
xoCvw "TUfiötog ayai dsigr^v (sie) tors dsLvrjv^^ auf seinen
Erdrosselungstod beziehen zu können, erfindet der Yerfasser
S. 102 ein neues Wort a^fo, welches so viel wie ayx^
bedeuten soll (die richtige Lesart ^loigi^v statt daCfftiv ergiebt
sich aus YIII, 171, von wo der Yers entlehnt ist). Weiter
soll der ermordete Löwe und die blutige Löwin Y. 312 f.
den Mezizios (der aber eben noch ein Lamm war) und das
byzantinische Yolk, die Juden Y. 340 die den Juden näher
als den Christen stehenden Moslems bezeichnen (da ^lovöatoi
328 RECENSIüNEN UND ANZEIGEN.
in diesen letzten Büchern nie dreisilbig gemessen wird, so
ist für ^lovdaCovq mit Bückbeziehung auf 7uxv%iii Y. 334
Bovyatovg herzustellen). Liesse es sich wirklich erweisen,
dass ein derartiges Yersteckenspielen in unseren Sibyllen-
bQchem vorläge (zum Glück ist es nicht der Fall), so hatten
alle Dentungsversache höchstens noch den Werth von Ver-
standesspielen. Das Kesultat, zu dem Alexandre über die
vier letzten Bücher kam, ist durch diesen Versuch, es um-
zustosseu, nur bestätigt worden, und es ist eine unbedacht-
same Insinuation des Verfassers, wenn er S. 99 behauptet,
es sei zu deutlich, dass jene über das 14. Buch aufgesteUten
Ansichten „mehr aus Verzweiflung, einer schwierigen Auf-
gabe zu genügen, als aus guter Erkenntniss der Sache selbst
entsprossen sind''. Wie auffillig die Thatsache eines 30
Jahre nach der moslemischen Eroberung in Aegypten grie-
chisch geschriebenen Werkes sein würde, giebt der Verfasser
selbst zu; aber fast noch auffalliger wäre bei einem so späten
Schriftsteller die im 13. Buche zum Vorschein kommende
genaue Eenntniss der Geschichte der Mitte des dritten Jahr-
hunderts, die schon 100 Jahre später so wenig bekannt war
und hinsichtlich welcher in den byzantinischen Chroniken
auch des sechsten Jahrhunderts völlig Tabula rasa ist Das
14. Buch enthält nichts als einen von nicht eben grosser
Erfindungsgabe zeugenden Abklatsch der Vorfalle und Zu-
stände jener Periode, in der Aegypten ein Zankapfel zwischen
Rom und dem arabischen Staate von Palmyra war.
Diesen Untersuchungen über die christlichen Sibyllen-
bücher kann man hiernach bei der äusserst subjectiven
Betrachtungsweise des Verfassers höchstens das Lob zu-
gestehen, dass sie, abgesehen von manchen richtigen Er-
klärungen im Einzelnen, durch den Widerspruch, den sie
gegen die herkömmlichen Ansichten erhoben haben, und
durch den Widerspruch, den sie bei dem sibyllenkundigen
Leser hervorrufen werden, anregend wirken können; sehen
wir auf den inneren Werth derselben, so ist der Abstand
von Ewalds Untersuchungen über die älteren Sibyllenbücher
ein sehr grosser. Man möchte glauben, dass der Verfasser
BADT, VIERTES BUCH DEE SIBYLLINISCHBN OBAKEL. 329
durch Quellenstudien über die Ausgänge der israelitiscben
Geschichte auf eine eingehende Prüfung der in diese Zeit
gehörenden Sibyllenbücher geführt worden ist und die
späteren nur beiläufig und wegen der Unthuolichkeit einer
Trennung der Untersuchung mit in den Kreis seiner Be-
trachtungen gezogen hat. Aber auch dann muss man sich
wundem^ dass ein Mann von dem Rufe des Verfassers es
über sich gewinnen konnte, durch Veröffentlichung einer so
unfertigen Arbeit seine Verehrer in Erstaunen zu setzen.
8.*)
Badt» Dr. B., Ursprung, Inhalt und Text des yierten723
Buches der sibylliniscben Orakel. Eine Studie.
Breslau 1878. Druck von Fiedler & Hentschel. (24 S. 4«.)
Der erste Abschnitt der vorliegenden Abhandlung liefert
Beiträge zur Textkritik und Exegese des vierten Sibyllen-
buches, verständige, von eingehender Beschäftigung mit dieser
eigenartigen Literatur zeugende Bemerkungen, denen man
nach der negativen Seite hin, der Aufdeckung von Gorruptelen,
fast immer, nach der positiven, den Verbesserungsvorschlägen,
wenigstens vielfach beistimmen kann. Die Aenderung öv^
BaQig, naöeai für SvßaQtg niöatai V. 99, die Umstellung
von V. 108 vor V. 105, dgatftrjQ für ccöttiq V. 119 sind
vortrefflich. Ebenso aXbg für aXlog V. 113, aber rechter
Sinn kommt in die Stelle auch so noch nicht, das ist erst
der Fall, wenn man schreibt:
*Hvixa dfj JlaräQOiv oiiddotg score dva^eßisööi
BQOvtatg xal üHöiiotöiv alog jteXdifsv fidXav vSag.
Nicht glücklich scheint dem Referenten die Behandlung
der Eingangsworte, die sich vielmehr mit Aenderung eines
einzigen Buchstabens in V. 2 so herstellen lassen:
^ [LiterariBcheB Centralblatt 1880 S. 723—724.]
330 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
t>60a 7CoXvq>d^6yyoLO 8 im 6x6(ULXog (isyaQoto
MiXXm ag>^ rjiisteQov ^avaXri%^ia fiavrsvso&ai.
Ebensowenig ist es V, 121 mit der leichten von dem
Verfasser vorgeschlagenen Aenderung og Tcora für omcoxe
abgethan: das olg noLvr]v der besseren Handschrifteuclasse
führt auf ganz Anderes: Referent vermuthet:
Ttog ngly iiritQciov ayog ötvyeQoto (povoto
TXriösxai,
724 Ohne Noth ist Y. 82 das in den Zusammenhang ganz
passende Kgoxmv mit ßgoxmv vertauscht: dass die dem Yer-
schüttetwerden verfallene Stadt nicht genannnt sein sollte,
würde ganz gegen den Sibyllenstil Verstössen.
Eine Analyse des Inhaltes, welche den zweiten Abschnitt
bildet, bereitet auf den dritten vor, der über Zeit und Ort
der Abfassung und die Persönlichkeit des Dichters handelt.
Dass das Buch 80 n. Gh. abgefasst ist, ist allgemein an-
erkannt; der Nachweis, dass der Dichter in Earien gelebt
hat, wird kaum auf ernstlichen Widerspruch stossen; um so
bestrittener ist bekanntlich die Frage, welchem Glauben er
angehört hat. Des Verfassers Ergebniss ist kurz das, dass
er ein Jude, und zwar ein pharisäischer Jude gewesen sei,
und dieser Nachweis ist, wie aus S. 2 zu ersehen^ der Haupt-
zweck seiner Arbeit. Die Gründe für die Christlichkeit des
Dichters stehen in der That auf schwachen Füssen; freilich
dürfte es Ueberscharfsinn sein, wenn der Verfasser aus dem
wiederholten Betonen, dass Gott selbst das Weltgericht herbei-
führen werde, sogar eine Polemik gegen das Ghristenthum
herausliest. Schwieriger und darum wichtiger war der Nach-
weis, dass auch die für den essäischen Ursprung des Gedichtes
angeführten Gründe nicht zwingend sind, imd diesen scheint
uns der Verfasser in der That S. 16 geführt zu haben: er
zeigt, dass das Gebet vor der Mahlzeit (V. 25) auch phari-
säische Observanz war, und dass das Gesetz, auf welches
V. 165 anspielt, dass Heiden, die zum Judenthume über-
treten, sich vorher der Taufe unterwerfen müssen, ein all-
gemein jüdisches, noch heute geltendes ist; mit Recht legt
BADT, VIERTES BUCH DER SIBYLLINISCHEN ORAKEL. 331
er hierbei auf die Worte Xov6B6d'£ oXov diiucg besonderes
Gewicht. Aber wenn es auch dem Verfasser gelungen ist,
das Judenthum des Dichters wahrscheinlich zu machen, so
bleibt es doch nach wie vor bedenklich, in ihm einen ortho-
doxen Juden zu sehen. Wenigstens wenn man mit dem Ver-
fasser V. 28 ff. an der Lesung elxata ki^cDv aq>LdQviiata
xotpmv, I JZ^iaöLv i(iilwx(DV fie^iaöfidva xal ^öiatöt | Tstga-
Ttodoiv festhält; denn ganz dasselbe geschah im Jerusalemi-
schen Tempel, und nach wie vor wird man in einer so gefassten
Polemik nur eine Wendung gegen blutige Opfer überhaupt
erkennen können. Anders würde sich die Sache stellen,
wenn man sich für die Lesung derjenigen Handschriften-
classe entschiede, die sich sonst immer als die bessere
erweist; sie lautet:
slxata Xl&(ov atpidQvyiaxa^ qxoräv
j4t^a6Lv i^ilwxaiv [isfiiaOfidva Tcal d^6£y0L
TtXQanodmVj dmodcavj ntrivmv dTjQtSv ts (povoiötv
— s^ I (vielleicht ovxidavmv^ was wegen des näch-
sten Versanfanges ovxb (povov leicht ausfallen konnte).
Die Verse sind nicht schon, womit aber nicht bewiesen ist,
dass sie nicht doch das Ursprüngliche geben.
Den Beschluss macht S. 18 ff. ein Abdruck des Textes
des vierten Buches, in welchen die Verbesserungsvorschläge
des Verfassers aufgenommen sind.
XII.
leiDie KSnigsnanien in den apokryphen Apostelgeschichten.
Ein Beitrag zur Kenntniss des geschichtlichen Romans.*)
Der englische Numismatiker Gunningham hat in seiner
Abhandlung „Coins of Indian Buddhist satraps with Greek
inscriptions'^ (im Journ. of the Asiat, soc. of Bengal yoI.
XXni. 1854) in dem sonst nur aus Münzen bekannten
indisch -parthischen Könige Gondophares den König Gunda-
forus wiedererkannt, unter welchem nach der Legenda aurea
der Apostel Thomas das Ghristenthum in Indien gepredigt
haben soll. Meines Wissens ist diese Entdeckung bisher
weder zu einer Umgestaltung der nur zu sehr in der Luft
schwebenden Zeitrechnung der indoskythischen und parthi-
schen Könige von Ariana verwerthet, noch von den Theo-
logen irgend welche Notiz von dem unsanften Stosse
genommen worden, welchen die gewöhnliche Ansicht von
dem höchst ungeschichtlichen Charakter der nichtkanoni-
schen Apostelgeschichten dadurch erhält. Je schlagender
mir Gunninghams Gombination zu sein scheint, um so mehr
dünkt es mir Pflicht des Historikers, sie auf eine bessere
Grundlage zu stellen, als die Gompilation des Jacobus a
*) [RheiniBches MuBeum für Philologie. N. F. Bd. XIX (1864)
S. 161 — 183. 380 — 401. Es liegen einige Anhaltspunkte dafür vor,
dasB Gutschmid eine Üeberarbeitong dieser Abhandlung mit Rücksicht
auf die seitdem von Wright veröffentlichten syrischen Texte der apo-
kryphen Apostelgeschichten beabsichtigte; etwa in den Noten auf die
danach eventuell zu modificirenden Stellen hinzudeuten, erschien in-
dessen dem Herausgeber aus verschiedenen Gründen misslich. Im
AUgemeinen mag es genügen, auf Lipsius, Die apokryphen Apostel-
geschichten (Braunschweig 1883/87) hinzuweisen. F. R.]
KOENIGSNAMEN I. D. APOKE. APOSTELGESCHICHTEN. 333
Yoragine*) ist, am so mehr an der Zeit, einen Streifzug auf
jenes von Niehttheologen selten betretene Gebiet zu unter-
nehmen, um zu ermitteln, wie sich die apokryphen Apostel-
geschichten überhaupt zur profanen Geschichte stellen.
In den nach Thilos Untersuchungen in ihrem Kerne
auf den in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts
lebenden Manichäer L. Charinus zurückgehenden üegiodot
zov ayCov anoöxolov ßo^iä^) wird erzählt, wie Abbaues,
der Kaufmann des indischen Königs Gundaphoros, in dessen
Auftrage nach Jerusalem kommt, um einen kundigen Bau-
und Zimmermeister zu suchen, der dem Konige einen Palast
bauen soll, und wie Thomas von Christus selbst dem Abbaues
als Sklave verkauft wird, um den Heiden das Evangelium
zu verkünden. Thomas kommt erst nach Andrapolis, dann
an den Hof des Gundaphoros, und es gelingt ihm, den Königl62
und seinen Bruder Gad, der als auf freundschaftlichstem
Fusse mit Gundaphoros stehend geschildert wird, zum Chri*
stenthum zu bekehren. Eine unvollendete Homiliensamm-
lung eines ungenannten Verfassers zum Matthäos erzählt
Hom. II (bei Thilo p. 102), die Magier, welche das Christus-
kind angebetet hatten, seien zum Thomas gekommen und
hätten sich von ihm taufen lassen. Damit stimmt, dass wir
den Namen jenes Königs in zwei beim syrischen Lexiko-
graphen Bar Bahlül erhaltenen Verzeichnissen der Weisen
aus dem Morgenlande wiederfinden, einmal als Güdophorhüm,
das andere Mal vertreten durch Vashthaph^) bar Güdophor
(bei Hyde, Veterum Persarum religionis historia, p. 383
ed. 2). Ja wir brauchen nicht einmal so weit zu suchen.
Von den uns geläufigen Namen der heiligen drei Könige
ist Melchior „König des Lichtes^', Balthasar der chaldäische
*) [Im Originaldruck steht Viiriaco. F. R.]
1) Herausgegeben von Thilo, Acta S. Thomae apostoli, Leipzig
1828, und von Tischendorf in den Acta apostolomm apocrypha p. 190 ff.,
lateinisch bearbeitet von Abdias, Apost. bist. IX, 1 — 7 (bei Fabricins,
Cod. apocr. N. T. p. 687 ff. ed. II).
2) Dass Hyde Unrecht hatte et Shetaph zu übersetzen, geht daraus
hervor, dass keiner der übrigen Namen durch die Copula yerbnnden
ist. Vashthaph ist vielmehr Entstellung von Vashthasph (Tetdanrig),
334 DIE KOENIGSNAMEN
N'ame Daniels (Dan. 1, 7)^ Kaspar (Gaspard) hat aber noch
Niemand erklärt. Die Excerpta barbari bei Scaliger p. 67
(81) [p. 228 Schöne]; wohl eine der ältesten Quellen^ welche
die jetzt gebräuchlichen Namen der Eonige enthält, geben
den erwünschten Aufschluss: hier lautet der Name Gatha-
spar*); was augenscheinlich Entstellung von Godaphar ist.
Thilo hat p. 108 zu zeigen gesucht, dass die älteste Tra-
dition den Thomas zum Apostel der Parther mache und erst
bei Späteren yon Indien die Bede sei. Allein aus älterer
Zeit ist überhaupt nur das eine Zeugniss der Clementinischen
Recognitionen da, die allerdings IX, 29 Parthieu nennen; erst
im vierten Jahrhundert werden die Angaben sehr häufig,
und die Reihe der Zeugen für Parthien beginnt mit Eusebios
von Käsareia, die der Zeugen für Indien mit Gregorios von
Nazianzos, die doch nur durch einen geringen Zwischenraum
getrennt sind. Der ganze Streit läuft auf einen Streit um
des Kaisers Bart hinaus: wir können nicht länger zweifeln,
dass es sich auf beiden Seiten um eine und dieselbe Localität
handelt, seitdem wir wissen, dass eine parthische Dynastie
in indischen Gebieten geherrscht hat, und dass laut Münzen
der Beschützer des Thomas eben dieser Dynastie angehört.
Auf den sehr zahlreichen numismatischen Denkmälern dieses
Königs kommen die verschiedensten Varianten seines Namens
vor, die sich auf zwei Hauptformen zurückführen lassen: die
eine, HyndopherrSs^), ist von Spiegel, Die altpersischen Keil-
inschriften S. 217 als die ältere und identisch mit dem alt-
persischen Namen Vifidafrä nachgewiesen worden, den auf
der Inschrift von Behistun Tafel III, § 14 ein Feldherr des
Dareios, ein Meder von Geburt, führt; die andere, Gondo-
I68phares, in der arianischen Legende Godaphara und ähnlich^),
*) [Nach Schone liest die Handschrift Oathaspa. F. R.]
1) Die Numismatiker haben sich verschworen, den König Tndo-
pherrds za nennen; es ist nicht überflüssig zu bemerken, dass dies
gegen ein bekanntes griechisches Lautgesetz verstösst.
2) Man findet die verschiedenen Formen beisammen in dem
neuesten Oatalog der baktiischen und arianischen Münzen von Thomas
(zu Prinseps Essays on Indian antiquities II, 177 ff.) No. XXXIII.
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 335
verdankt ihren Ursprung der Neigung, welche die Pärsi-
sprache mit den romanischen Dialekten theilt^ anlautendem
V ein g vorauszuschicken.^) Auf die Uebereinstimmung der
Magierverzeichnisse mit der arianischen Schreibart in Aus-
stossung des Nasals wird kein zu grosses Gewicht gelegt
werden dürfen, da hier möglicherweise bloss eine Eigenheit
der arianischen Schrift vorliegt: dagegen ist kaum zu ver-
kennen, dass Güdophorhüm ein nach Art der Syrer dumpf
ausgesprochener persischer Accusativ (altpersisch Yiüdafräm)
ist. Daraus folgt aber, dass die Sage von Gundaphoros
unter den Magiern und die Thomassage unabhängig von
einander entstanden sind, dass mithin die Traditionen der
älteren Christen des Ostens von jenem Könige ein Mehreres
zu erzählen gewusst haben. Nach den Münzen erstreckte
sich sein Reich über Areia, Drangiana und Arachosien (vgl.
Lassen, Indische Alterthumskunde II S. 395 [S. 408 f. der
2. Aufl.])*), das zuletzt genannte Land wurde aber, wie wir
aus Isidoros von Charax (§ 19 bei Müller p. 254) wissen,
von den Parthern das weisse Indien genannt, und so er-
klären sich die betreffenden Angaben der christlichen Legende.
In dieser wird leider die Hauptstadt des Gundaphoros nicht
namentlich genannt; der einzige Ordericus Yitalis (bei Thilo
p. 111) erwähnt die Hauptstadt Hieropolis und die Ebene
am Berge Gazus als Schauplatz der Thaten des Thomas.
Erinnert man sich^ dass der Landesname Aria oder vielmehr
Haria (altpersisch Hariva) bei Hieronjmus^ Quaest. Hebr. in
Genesin (HI p. 322** ed. Vallars.)*) in Hieria entstellt
worden ist, und erwägt dazu^ dass gadha im Indischen Brust-
wehr^ Feste bedeutet, Fd^og als indische Localität auch sonst
[Vgl. jetzt Sallet, Die Nachfolger Alexanders des Grossen in Baktrien
und Indien S. 157 ff. und Gutschmids „Geschichte Irans'* S. 134 f. F. B.]
•) [Vgl. „Geschichte Irans" S. 136. F. R.]
1) Daher finden wir bei den Griechen FoQaQdvTjg neben Ovaqa-
^vfjg, und Aehnliches.
2) Vgl. mit Josephos A. J. I, 6, 4. [Bei Josephos ist 'AQÜcg eine
CoDJectnr von Bochart, die Handschriften bähen theils evgiag theils
eri^iag. Bei Eusehios Onomast. p. 252, 100 (Lagarde) ist ö^lac^ p. 290, 71
ZvQCac^ p. 304, 98 r^^iaa überliefert. F. B.]
336 DIE KOENIQSNAMEN
bezeugt ist^)^ so wird man mir zugeben, dass es verführerisch
ist, Hariopolis (^AgsCiov noXvg) zu lesen und bei Gazos an
die Ashekic'eh, die feste Citadelle von Herat, und den zwei
Parasangen von der Stadt auf einem Berge gelegenen Feuer-
tempel Arshek zu denken^), Oertlicbkeiten, die noch im
Mittelalter in ihren Namen die Erinnerung an eine arsakidi-
sche Gründung bewahrten. Indess darf nicht verschwiegen
werden, dass Ordericus Yitalis bei einer anderen Gelegenheit,
164WO er Namen nennt, die in den älteren Texten fehlen, sicht-
lich nur den Eingebungen seiner eigenen Phantasie gefolgt
ist^): man darf also nicht zu viel auf ihn bauen.
Doch sehen wir von diesen vielleicht trügerischen Ver-
gleichungen der christlichen Sage mit den thatsächlichen
Verhältnissen ab, so hat sich ihre Uebereinstimmung mit
den urkundlichen Denkmälern durch eine neuere Entdeckung,
von der Cunningham noch nichts wusste, in wohl einzig
dastehender Weise bewährt Es ist nämlich eine Münze
gefunden worden (abgebildet bei A. de Longperier, Memoires
sur la Chronologie et l'iconographie des rois Parthes Arsa-
cides p. 94; beschrieben bei Thomas a. a. 0. No. XXXIV),
welche auf dem Avers einen König zu Pferde, mit flattern-
dem Diadem und ausgestreckter Rechten darstellt; vor dem
Pferde befindet sich ein Symbol, wie es scheint ein
Caduceus, ringsum läuft die Legende BACIAEVÄOA-
AArVNAI<t)EPDAAEA(DIAELUC.*) Der Revers zeigt
uns eine schreitende Figur, ebenfalls mit flatterndem Dia-
dem und erhobener Rechten, in der Linken ein Scepter,
einen Mantel um die Hüften geschlungen, wahrscheinlich
1) Freilich nur in des Dionysios Bassarika, Buch III bei Stephanos
8. Y. Fafofi, wo Gazos als mit einer zanberhaften Mauer von Linnen
nmgeben geschildert wird.
2) Vgl. den persischen Geographen bei S. de Sacy, Memoires sur
diverses antiquit^s de la Perse p. 889.
8) Die Königstochter von Andrapolis und ihren Bräutigam nennt
er Pelagia und Dionysios.
*) [Sallet, Die Nachfolger Alezanders d. Gr. in Baktrien und Indien
S. 169 liest ABAAA statt ADAi^A. Vgl. denselben in der Zeitschrift
für Numismatik VIT S. 303 f. F. R.]
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 337
Zeus; vor ihm im Felde, wie es scheint, ein Thronsessel,
hinter ihm ein Monogramm, die Elemente V, T, D und N
enthaltend : ringsum eine arianische Legende, von welcher
nur die Worte Mähärag'a (sie) tradatasa dhramiasa (d. i ßaöi-
kdmg ^toviiQog jdiTtalov) leserlich sind. Longperier theilte
die barbarische Umschrift so ab: ßMikav ^AoaSa^ und ver-
glich den Namen mit dem aus Tac. Ann. VI, 31 bekannten
Abdus; doch ist es fraglich, ob bei dem dort genannten
Eunuchen nicht eine naheliegende semitische Etymologie
▼OTZuziehen ist, überdies ist die Yocalhäufung in 'Joddag
unerhört. Der Barbarismus ist incommensurabel : warum
sollte der arianische Münzpräger nicht eben so gut einen
Genitiv ßaöilsva gebildet haben, der eine wenigstens mög-
liche Genitivendung hat? Dann bleibt für den Namen *Odda,
worin sich leicht der auf den Münzen der Turushkakönige in
der Nominativform OA AO vorkommende, zendischem Yäta,
neupersischem Bad entsprechende Name des Izeds des Windes
wiedererkennen lässt (vgl. Lassen, Ind. Alterth. II S. 842
[S. 837 f. der 2. Aufl.]). Dafür, dass zur Zeit dieser Parther-
könige Namen von Izeds mit Vorliebe auf Menschen übertragen
wurden, ist der Eönigsname Orthagnes ein genügendes Beispiel.
Im Pars! konnte nach der oben bemerkten Eigenthümlichkeit
dieser Sprache zu dem anlautenden v des Namens der Vor-
schlag eines g treten: in der That ist Gväd (hier Gavät
geschrieben) eine durch das Pärsiverzeichniss der Monats-
namen bei Hyde p. 192 bezeugte Form. Dieses Gväd nun
ist, wie Jeder sieht, in dem Fad der Thomaslegende ganz
correct wiedergegeben. So grosser üebereinstimmung gegen-
über wird man die kleine Ungenauigkeit, dass Oadas oderi65
Gad nach der Münze nicht Bruder, sondern Neffe des Gunda-
phoros war, leicht verschmerzen. Wie gross ist aber unser
Erstaunen, wenn wir sehen, dass eine andere christliche
Tradition den von Thomas bekehrten Inderfürsten in der
That nicht zum Bruder, sondern zum Neffen des regieren-
den Königs macht! Das Evangelium Joannis de obitu Mariae
(bei Thilo p. 100) lässt den Thomas sagen: tov vCov tijg
adsXq>rig tov ßaöiXsmg ovoiucu Aaßdavovg vtc iiiov iiiXXovrog
T. GuTBCHMiD, Kleine Schriften. IL 22
338 DIE KOENIfiSNAMEN
aipQay^^aöd'at iv tä %akaxCci. Hier ist so wie so wohl ^Jß-
ddvovg herzustellen, worin entweder eine freiere Wiedergabe
der Form 'Oddag zu erkennen oder, was wahrscheinlicher ist,
eine Verwechselung mit dem Namen des Kaufmanns, dem
Thomas verkauft wurde, anzunehmen ist. Immerhin behält
die Notiz als eine von der gewohnlichen Thomaslegende
unabhängig dastehende Nachricht ihr grosses Interesse.
Kaum brauche ich noch besonders hervorzuheben, wie gut
auch das von der Thomassage vorausgesetzte freundschaft-
liche Verhältniss zwischen Gundaphoros imd 6ad zu der
auf der Münze bezeugten Mitregentschaft Beider passt. Da
alles Uebrige so gut stimmt, so trage ich kein Bedenken,
anzunehmen, dass auch in der Angabe, dass Gundaphoros
sich zum Bau seines Palastes einen Baumeister aus dem
romischen Reiche kommen lässt, auf thatsächliche cultur-
geschichtliche Zustände Rücksicht genommen worden ist*
Sowohl der Zeit als dem inneren Gehalte nach steht
hinter den bisher* betrachteten UsqCoSoi Sm^iM das kleine
Schriftchen weit zurück, welches den Titel führt ^H xbXbC(o-
6 ig 0(O(ia tov azoötoXov und von Tischendorf in den
Acta apostt. apocr. p. 235 ff. herausgegeben worden ist. Der
griechische Text ist durch Verkürzung aus denjenigen Akten
des Thomas entstanden, die lateinisch bei Abdias (IX, 8 — 25)
erhalten sind. Der Inhalt ist kurz dieser. Thomas folgt
Syphor, dem Fürsten eines anderen indischen Königs Namens
Misdeos, in des Letzteren Reich und bewegt hier verschiedene
Angehörige des Misdeos zum Verlassen des Götzendienstes,
weshalb ihn der König vor der Stadt von vier Soldaten
durch die Spiesse rennen lässt Sein Leichnam wird von
den Christen heimlich nach Edessa gebracht; der Staub, auf
dem er gelegen, genügt aber, um lange Zeit nachher einen
mit dem bösen Wesen behafteten Sohn des Misdeos wieder
gesund zu machen, und wird das Mittel zur Bekehrung des
Königs. Die vorkommenden Eigennamen sind theils erfun-
dene, wie Charisios, ein Freund des Königs, und sein Weib
Mygdonia, desgleichen Narkia, deren Amme, und Treptia
{^Teqtco), die Königin: die beiden letzteren Namen wohl
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 339
abgeleitet von vaQXfi und tQsmi^. Echt persische Farbe
tragen dagegen die folgenden: Mtödiog (Mesdeus), d. i. Maz-
däOy der zweite^ öfters alleinstehende Bestandtheil des Gottes-
namens Ahnromazdäo ^ aus dem im Neupersischen Ormuzd
geworden ist und der von mehreren Sasaniden geführt wird;
sein Sohn heisst ^loviavrjg (worauf auch das Luzanis statt
Zuzanes in den Ausgaben des Abdias vor Fabricius führt) :166
wahrscheinlich eine Umschreibung Yon Wij'en^ der Pehlewi-
form des neupersischen Bij'en^); der Name seines Weibes
Manazara scheint eins zu sein mit dem armenischen Mannes-
namen Manag'ihr (Mos. Choren. 11^ 82; 5 p. 213 ed. Whiston.);
neupersisch Manüshg'ihr (himmlischer Keim); endlich Syphör
oder Syphoros ist der Name Sufrai^ den ein Vezier des Sa-
saniden Qobäd führt (Mirkhond bei Sacy p. 353). Bei Ab-
dias wird unter den Wundem, die Thomas vor seinem Tode *
gethan haben soll, auch die durch seine Beschwörung be-
wirkte Zertrümmerung einer goldenen Bildsäule des Sonnen-
gottes mit goldenem Viergespann gemeldet; der Sonnengott
wird hier als Invictissimus Sol bezeichnet , also als Mithras,
eine dem indisch-parthischen Locale angemessene Erfindung.')
Da es durch ein vollgültiges Zeugniss feststeht^ dass Thomas
in Edessa eines natürlichen Todes gestorben ist (?gl. Thilo
p. 105 ff.), damit aber der TsXeicoöig der Boden unter den
Füssen weggezogen wird, so liegt es nahe genug, anzunehmen,
dass auch die Einkleidung nichts ist, als die Erfindung eines
mit persischem Wesen vertrauten Christen. Hierfür hat Thilo
p. 119 ff. besonders den Namen der Stadt geltend gemacht,
in der Thomas den Märtyrertod erlitten haben soll: er kommt
zwar nicht in unserer Legende, aber in verschiedenen Zeug-
nissen griechischer Kirchenväter vor, deren ältestes das des
Sophronios im Anhang De vita apostolorum zur griechi-
schen Uebersetzung von Hieronymus De viris illustribus c. 8
p. 265 ist'), und lautet KaXafiivti. Thilo bemerkt mit einem
1) Vgl. über diesen Namen meine Bemerkungen in der Zeitschrift
der deutschen morgenländischen Gesellschaft XV S. 672.
2) Ueber den Cultus dieses Gottes in Ostiran vgl. Lassen, Ind.
Alterthumsk. II S. 887 ff. [S. 882 ff. der 2. Aufl.]. 3) Vgl. Thilo p. 100 ff.
. 22*
340 DIE KOENIGSNAMEN
Scheine von Recht^ dass dies ein griechisclies Wort sei, und
sucht darzuthun, dass der Name den Darstellungen des
Thomas mit dem xdXafiog oder Messstabe seine Erfindung
verdanke. Dies ist ein vergebliches Beginnen: tä KdXaiia
9
ist in der That als Dorf an der Küste Gedrosiens bezeugt
durch Nearchos bei Arrian Hist. Ind. c. 26; eine gegenüber-
liegende Insel hiess nach Arrian Kagßiv^q, nach Ptolemäos
VI, 8, 16 und Stephanos u. d. W. aber Rdg^iiva, die Bewohner
derselben KaQfitvoi; den ganzen Küstenstrich nennt Arrian
Kagßis^ und noch jetzt bewahrt der Fluss Kaiami oder
Kurmut (sprich Karmat) den alten Namen: vgl. die Nach-
weisungen Müllers zu den Geogr. Gr. min. I p. 344. Die
OerÜichkeit muss als- Schiffsstation von Bedeutung gewesen
sein und war aller Wahrscheinlichkeit nach von Gundar
* phoros abhängig, der, wie Lassen, Ind. Alterth. 11 S. 394
[S. 408 der 2. Aufl.] aus den Münzen gefolgert hat, auch
Gedrosien beherrscht hat.*) Hierauf aber beschränkt sich
der Einklang der Legende mit den geschichtlichen Verhält-
nissen nicht. Derselben indisch - parthischen Dynastie wie
l67Gundaphoros gehört ein König Orthomasdes an, dessen
Münze Cunningham im Numism. chron. YIII (1846) 'p. 175 ff.
angeführt, aber, soviel ich weiss, noch nicht veröffentlicht
haf^*) Cunninghams Vorschlag, den Namen mit Omospades
bei Tac. Ann. VI, 37 zu identifiziren, ist werthlos; nach An-
leitung des auf den Münzen der Turushkakönige vorkommen-
den Gottesnamens APJOXPO^ in welchem Benfey (Zeit-
schrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft VIII
8. 455) „der reine Ahurö^^ erkannt hat, wird man Ortho-
masdes, d. i. altpersisch Arta- Mazda, als Synonym davon
(„der reine Mazdäo'^) fassen und als einen von dem Gott
auf Menschen übertragenen Namen betrachten dürfen. Von
diesem ist das Miödiog der Legende eine einfache Ver-
kürzung, die in der Etymologie selbst ihre Begründung
findet
Ziehen wir aus dem bisher Erörterten die Consequenzen.
•) [Vgl. „Geschichte Irans" S. 186. F. R.]
**) [^gl* SaUet in der Zeitschrift für Numismatik Yll S.806. F. R.]
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 341
1) Gondophares ward von Lassen früher in die zweite
Hälfte des ersten Jahrhunderts n. Ch. gesetzt (Zur Geschichte
der Griechischen und Indoskythischen Eonige S. 275); später
hat er demselben, theils wegen des Znsammenhanges mit der
übrigen numismatischen Chronologie dieser Periode, theils
wegen eines entfernten Namensanklanges in chinesischen
Berichten, die Jahre 90^40 y. Ch. zugewiesen (Ind. Alterth.
II S. 305 [S. 409 der 2. Aufl.]). Gegen die ganze Chrono-
logie der Indoskjthen, wie sie in den Werken von Wilson
und Lassen vorliegt und von der die uns beschäftigende
Zeitbestimmung nur ein Ausflnss ist, habe ich vornehmlich
Eines einzuwenden: auf den Münzen des Guptakonigs Skanda-
gupta, der nach Lassen von 240 — 270 n. Ch. regierte, er-
scheinen noch leserliche indoskythische Titel in griechischer
Schrift (Lassen, Ind. Alterth. II S. 969 [8. 989 der 2. Aufl.]),
ein Beweis, dass das Griechische als Münzsprache sich in
Ostiran genau ebenso lange erhalten hat als in Westiran.
Hiermit kann ich es nicht vereinigen^ dass man die bisher
aus Münzen bekannt gewordenen 21 Eonige (in welcher
Zahl die Unterkönige nicht mit inbegriffen sind) als theils
hintereinander, theils gleichzeitig regierend in die 180 Jahre
von 120 V. Ch. bis 60 n« Ch. einzwängt und den ebenso
langen Zeitraum von 60 bis 240 n. Ch. völlig leer lässt.^)
Noch obendrein sind die Legenden einzelner jener Könige
barbarischer als die der letzten parthischen Grosskönige;
auch ist kaum anzunehmen, dass mit jenen 21 die Zahl der
wirklich regierenden indoskythischen und indoparthischen
Könige erschöpft ist, so dass die Zahl selbst unter der An-
nahme des gleichzeitigen Bestehens mehr als eines Reiches
für den ganzen Zeitraum von 120 v. Ch. bis 240 n. Ch. aus-
reichen dürfte. Ich kann also den Ansätzen der Numis-
matiker bei Weitem nicht den Werth zugestehen, den Lassen
1) Die von Lassen II S. 868ff. [S. 866 ff. der 2. Aufl.] anfgefclhrten
zwei Classen indoskythiacher Münzen mit unleserlichen Namen reichen
znr Ansfällang um so weniger aus, als die zweite Olasse eine Nach-
ahmung sasanidischer Münzen ist, also über die Grenzen dieses Zeit-
raumes hinausfäUi.
342 DIE KOENIGSNAMEN
168m seinem neuesten Werke denselben beigemessen hat^) und
bestreite y dass die aus der christlichen Tradition sich er-
gebende Zeit des Gondophares als eines neben Oadas und
Orthomasdes in den Jahren 7 y. Ch. bis 29 n. Ch. regierenden
Königs mit den Münzdenkmälem irgendwie im Widerstreit
seL Ohne eine Ahnung Ton den Akten des Thomas zu
haben, hat schon Longp^rier, Chronologie et iconographie
des rois Parthes p. 94 ausgesprochen, dass Gondophares ein
Zeitgenosse Artabanos' III. (16 — 42 n. Ch.) gewesen sein
müsse, weil Gondophares und seine Nachfolger sich auf
ihren Münzen als Reiter abbilden lassen, was von allen
parthischen Grosskönigen nur Artabanos thut. Hiernach
darf die Zeit des Gondophares, Oadas und Orthomasdes als
festgestellt betrachtet werden.*)
2) Es sind bis jetzt 12 indisch-parthische Könige bekannt
geworden, Ton denen sich aber mindestens vier aus den
Münzen selbst als Verwandte und Unterkönige des Gondo-
phares herausstellen« Der Periplus des erythräischen Meeres,
dessen von Schwanbeck ermittelte Abfassungszeit um 70
n. Ch. ich durch den geistreichen Angriff Reinauds nur als
erschüttert, nicht als widerlegt erachten kann, berichtet § 38
(bei Müller p. 287), dass zu seiner Zeit in dem indischen
1) Ein schlagendes Beispiel, wie nnsicber alle Resultate der
Numismatik sind, wo ihr keine schriftlichen Denkmäler zur Seite
stehen, hat Eckhel selbst in seiner Classification der älteren armeni-
schen Königsmünzen gegeben. Er legte die grössere oder geringere
Einfachheit der Königstiara seiner Anordnung zu Grunde und erkannte
in Sames einen der ältesten Könige aus der Zeit des Antiochos Epi-
phanes. Gewiss wird, wer diese Untersuchung (D. N. V. III S. 203 ff.)
gelesen hat, die Folgerichtigkeit und methodische Strenge, die den
grössten Münzkenner anderwärts auszeichnen, nicht zu vermissen An-
lass gefunden haben. Und doch hat ihm der Erfolg ein vollständiges
Dementi gegeben, neue Münzfunde haben uns den Sames als einen
ganze 200 Jahre später lebenden ünterkönig der Pythodoris kennen
gelehrt. Kein Verständiger wird darum von Eckhel geringer denken;
es ist aber gut, sich an so etwas zu erinnern, weil die Numismatiker
das Gewicht der rein archäologischen Zeitkriterien ganz unglaublich
zu Qberschätzen gewohnt sind.
*) [Vgl. „Geschichte Irans" S. 136. F. B.]
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 343
Partherreiche ununterbrochen gewaltsame Thronwechsel statt-
fanden, was ein gewöhnliches Vorzeichen des herannahenden
Unterganges einer orientalischen Dynastie ist. Es ist hier-
nach und nach der Zeitdauer, welche die Regierungen von
höchstens acht Königen (von denen zwei sicher vor Gondo-
phares fallen) in Anspruch nehmen, nicht wahrscheinlich,
dass diese Dynastie die Anfänge des zweiten Jahrhunderts
n. Ch. überdauert hat.*^) Hiermit aber stürzt meines Er-
achtens die Annahme, dass die Manichäer die Erfinder der
Thomaslegende sind, rettungslos zusammen. Denn wenn
auch zugegeben werden kann, dass man sich, so lange das
Hauptreich der Arsakiden noch bestand, über jene aus-
gestorbene indische Nebenlinie ausreichend informiren konnte,
so würde es doch den höchsten Grad von Unwahrscheinlich-
keit gegen sich haben, anzunehmen, dass selbst in Edessa,
dem ältesten Sitze morgenländischer christlicher Wissenschaft,
unter der Herrschaft der Sasaniden ein Christ im Stande
gewesen sein sollte, sich eine so genaue Eenntniss jeneri69
Dynastie zu TerschafiPen, wie die Thomaslegende sie in allen
Stücken verräth. Wir müssen vielmehr nothwendig an-
nehmen, dass die Sage viel älter ist und in ihren Grund-
zügen längst feststand, als die Manichäer sich ihrer bemäch-
tigten und sie zu ihren dogmatischen Zwecken verwertheteu.
Der heikligen Frage nach der Entstehung der Thomas^
sage dürfen wir uds hier nicht entschlagen. Es lassen sich
verschiedene Erklärungsweisen denken. Man könnte ledig-
lich einen frommen Betrug annehmen und die Behauptung
aufstellen, dass ein Christ des zweiten Jahrhunderts sich die
Könige ausgerechnet habe, die zur Zeit des Thomas regierten,
um mit deren Namen der sagenhaften Geschichte des Apostels
den Schein urkundlicher Beglaubigung zu verleihen. Auf
diese WeLse scheinen wirklich die Verzeichnisse der
Weisen aus dem Morgenlande entstanden zu sein, die
uns Bar Bahlül (bei Hyde p. 383) aufbewahrt hat^), von
*) [Vgl. „GeBchichte Jrans«* S. 186. F. R.]
1) "Zum VerständnisB des Folgenden theile ich die VeczeichniBse
hier mit, das dritte ausgenommen, dem eine werthlose Spielerei za
344 DIE EOENIGSNAMEN
denen das eine die auffällige Zahl von 13 Weisen enthält,
die alle mit ihren Yätem genannt werden (soviel sollen es
nämlich nach den Eingangsworten sein, ein Name ist aus-
gefallen). Von diesen Namenpaaren sind, was die ersten
neun betrifft, sieben sicher, zwei wahrscheinlich rein iranisch,
dann kommt ein Paar, in welchem der Vater einen semiti-
schen, der Sohn einen iranischen Namen hat^ den Beschluss
machen zwei rein semitische Gruppen. Dies drückt im
Ganzen sehr richtig das numerische Verhältniss des irani-
schen Elementes im Partherreiche zu dem semitischen aus,
da Yon dessen Vasallenstaaten nur Adiabene, Atra^ Elymais
und theilweise Charakene semitische Beherrscher gehabt
haben, und die Aufzählung schreitet, sobald man in ihr
eine Liste der zur Zeit von Christi Geburt herrschenden
parthischen Unterkonige sieht, ganz richtig von Nordost
nach Südwest vor. Ich glaube, dass allerdings hier ein
Christ die östlichen Zeitgenossen jenes Ereignisses, soviele
ihrer ihm bekannt waren, zusammengestellt hat; denn: 1) sind
die iranischen Namen theilweise in der Partherzeit wirk-
iTOlich nachweisbar, und die Mehrzahl gehört zu den selteneren;
läge ein blosses Spiel der Phantasie vor, so würden wohl
die bekannten Namen der Sasanidenzeit eine grössere Rolle
spielen; 2) würden in diesem Falle iranische und semitische
Namen bunter durcheinander gewürfelt sein; 3) wäre dann
die Abwesenheit alttestamentlicher Namen (die von einander
Grande liegt: 1) ^Arüphon (Tiolleicht veiBchrieben für *üdü-
phor,'Tvdoq>iffifrig)f Hürmon(yielleioht für Hürmoz), Tachshash.
2) Güdophorhüm , Artachshaahth Labüdö, Alpharö (vgl. UläxaQog
bei Berosos; Sync. p. 71, 6). 4) Ahdüj&d, Hadündad bar Art&bao,
Vaskthaph bar Güdophor, Arsbikh (vgl. 'AQainag bei Ktesias fr.
38a, p. 69 ed. Müller) bar Tahdüs, Zervand (Zoroande, Ort in
Armenien bei Plin. N. H. 71,27,81 §128) bar Yarvarand, Artbü
(vgl. 'AQiaiog Diod. II, 1. Ariöcb GeneB. 14, 1) bar Ehosrav,
Artachshashth bar Chashlith, Esbthanbüzon (d. i. Zad-Qaßovtdprig
Esdr. Graec. 6, 8 mit pehlewischer Verwandlung des r in n)
bar Cbashrün, Mabdüq (vgl. Madavxrig bei Ktesiaa; Diod. II, 32)
bar Hüboui (d. i. Haoma), ein ausgefallener Name, Achshiresh (d. i.
Eh8ayärB&) bar Qachbon, Qordolach bar Baidan, Mardüq bar Bil.
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHIC BTEN. 345
getreonten Baidan und Mardüq scheinen unverfänglich zu sein)
sehr zu verwundern. Den einen dieser Könige, Artachshashth
bar Ghashlith (wohl nur semitische Aussprache von Ehsa-
thrita Inschrift von Behistun Tafel II, § 5), der auch in den
kürzeren Verzeichnissen als Tachshash und Artachshashth
Labüdö wiederkehrt, darf man vielleicht dem Reiche Persis
zuweisen, in welchem nach Isidoros von Charax (bei Lukian
Makrob. c. 15) in der ersten Hälfte des ersten Jahrhunderts
V. Ch. ein Artaxerxes, Bruder eines Gösithras (Geusc'ithra,
d. i. Same des Stiers), regiert hat Bei den Magierverzeich-
nissen liegt die Sache aber doch anders als bei der Thomas-
legende: es handelt sich dort eben um Christi Geburt, die
für jeden Christen ein so ¥dchtiges Ereigniss war, dass es
sich sehr wohl begreift, wie zur Blüthezeit der christlichen
Chronographie, etwa zur Zeit des mit dem Edessenischen
Eonigshause befreundeten Ji:^ius Africanus, ein morgen-
ländischer Christ es fQr der Mühe werth halten konnte, die
ostlichen Synchronismen jenes Ereignisses auszurechnen und
die damals im Partherreiche herrschenden Könige zusammen-
zustellen: die Vergleichung der Letzteren mit den Weisen
aus dem Morgenlande ergab sich dann ziemlich von selbst
Im Allgemeinen wird eine solche Entstehung auf rein ge-
lehrtem Wege doch nur ganz ausnahmsweise stattgefunden
haben.
Das entgegengesetzte'Eztrem wäre, dass man die Thomas-
legende in der Hauptsache für rein geschichtlich erklärte.
Dem steht jedoch die grosse innere Unwahrscheinlichkeit
entgegen, dass das Christenthum so frühzeitig sich nach
einer so entlegenen Gegend verbreitet haben sollte , bevor
es noch in Westiran irgendwo festen Fuss gefasst hatte.
Einen passenden Prüfstein giebt für uns die berühmte Sage
von dem Verkehr zwischen Abgar und Christus ab,
und wir gehen um so lieber etwas näher auf dieselbe ein,
als sie den Inhalt der einen Theil der Tischendorfschen
Sammlung bildenden Ugd^ig xov ayCov anoöxoXov &ad8aCov
ivbg xmv iß' (Acta apostt apocr. p. 261 ff.) ausmacht, also
recht eigentlich in den Bereich unserer Untersuchung gehört
346 DIE KOENIGSNAMEN
Die ältere Sage bei Eusebios H. E. I, 13 weiss nur yon
dem brieflichen Verkehre zwischen Christus und Abgar und
von der Heilung des Letzteren rom Aussätze^ die nach Christi
Tod durch Thaddäos im Jahre 340 d. Seleuk. (29 n. Ch.)
erfolgt sein soll; die jüngere Sage, wie sie in den Akten
des Thaddäos vorliegt, fügt den wunderbaren Abdruck der
Gesichtszüge Christi auf dem Schweisstuche (eine berühmte
Reliquie der Edessener) als Werkzeug der Heilung hinzu
und schliesst an die Bekehrung des Königs einen Bericht
I7iüber die fünfjährige Missionsthätigkeit des Thaddäos in
Amida^), seine Bundreisen in den syrischen Gemeinden und
seinen Tod in Berytos. Von dieser Erweiterung der Sage
kann füglich abgesehen werden, die ursprüngliche Legende
aber zeichnet sich durch ihren schlichten und sachlichen
Charakter so vortheilhaft aus, dass selbst nüchterne Forscher
an die Echtheit geglaubt haben. Darüber ist kein Streit,
dass Abgar eine historische Person ist.*) Es ist der fünf^
zehnte König von Edessa Abgar V. mit dem Beinamen
Ükhama (der Schwarze), der nach Dionysios von Telmahar
von 9 — 46 n. Ch. regierte. Ich will bei dieser Gelegenheit
bemerken, dass die Zeitrechnung des syrischen Patriarchen
beinahe nie mit den classischen Angaben stimmt: statt zu
untersuchen, wo der Fehler steckt, hat Bayer (seit welchem
Niemand die Sache wieder geprüft hat) Regierungsjahre nach
Belieben weggeschnitten und zugelegt, und wo auch diese
Pfuschmittel nicht anschlugen, zu der bekannten Ausrede
seine Zuflucht genommen, dass Abgar ein Dynastiename sei.
Diese Phrase hat dann ein Philolog dem anderen nach-
gebetet, ohne zu ahnen, dass sie damit eine eben solche
1) Der Text dieser Akten wimmelt von Glossemen. Die be-
treffende Stelle (S. 263): jydnrjld'sv eig "Afiida noXiv, fisydXriv iirttgo-
noXiv Mecrjxdldmv xal SvQmv^ i^yovv Msconozuftiag JSvQiag^ Tcuf^ tov
Tiygiv ffOTttju^y" ist so wiederherzustellen: „dnfiXd'sv elg ''Afuda, koXw
(isydXfiv IfAfitffonoXiv] ftiariv XdXdmv xal ZvqodVj {rJYOVv Msconotaiiiitg
Z%iQ{as] naqd xov TCygiv notafiov.^'^ Amida wurde durch Constantinns
Metropolis der Provinz Mesopotamien.
*) [Zu dem Folgenden vgl. Gutschmids ,, Geschichte des Eönig-
roichs Osroöne" (St. Petersburg 1887) S. 10 ff. F. B.]
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 347
Albernheit sagen ^ als die sein würde , dass Antiochos und
Seleukos „bedeutsame Namen'' seien. Die Hülfe ist sehr
leicht: 1) das osroenische Reich hat nach der Chronik von
Edessa^ einer älteren Quelle^ nicht 136; sondern erst 132
Y. Ch. seinen Anfang genommen ^ und die Daten der ersten
18 Eonige beim Dionysios sind alle um vier Jahre herunter-
znrücken; 2) die Jahre des letzten Königs Manu IX. waren,
da sich die Dynastie ausserhalb Edessas noch bis unter
Gordianus erhielt, nicht bis zur Einziehung Edessas durch
Caracalla, sondern bis zum Tode Manüs gezählt: Dionysios
verstand dies nicht und setzte in Folge davon die letzten
acht Könige viel zu früh an, sie sind alle um 21 Jahre
hinabzurücken; 3) zwischen Abgar VI. bar Manu und Ab-
gar YIL bar tzat ist eine Lücke von 17 Jahren, die durch
die verkehrte Zeitrechnung des Dionysios verdeckt worden
ist: wir ^ssen aber durch' Mos. Chor. II, 32, 3 p. 144 und
Suid. s. V. mvqx'q (ans Arrian), dass Edessa in dieser Zeit
(91 — 108 n. Ch.) von der armenischen Nebenlinie der Parther-
könige erobert und später von den Parthem an Abgar YII.
verkauft worden ist. Wird die Zeitrechnung des Dionysios
in dieser Weise berichtigt, so stimmt sein Verzeichniss in
allen Stücken mit den Angaben der Classiker, und die in
ihrer Art einzige Urkunde, die bisher nur als Curiosum be-
handelt worden ist, tritt, wie sie es verdient, in den Rang
einer kostbaren Geschichtsquelle ein. Abgar V. regierte nachl72
der so berichtigten Zeitrechnung von 13 — 50 n. Ch., und wir
sehen nun, dass es derselbe Abgar ist, der nach Tac Ann.
XII, 12 im Jahre 49 n. Ch. den Meherdates verrieth.*) Die
Herrschaft scheint später seinem Hause verloren gegangen
und an eine Nebenlinie der adiabenischen Dynastie gekommen
zu sein: der neunzehnte König Abgar YII. (108 — 115) und
der zweiundzwanzigste Ma^nü VII. (121—138) waren Söhne
des tzat, der durch seinen Namen eine Verwandtschaft mit
dem adiabenischen Izates verräth, wenn er nicht gar mit
ihm identisch ist.^) Da die Namen Abgar und Ma'nü auch
*) [V^gl- „Geschichte des Königreichs Osroene'* S. 23 f. F. R.]
1) Da die 24 Begierungsjahre des Izates nach verschiedenen An-
348 DIE KOENIGSNAMEN
in der neuen Linie wiederkehren^ so ist eine yerwandtschaffc-
liche Verbindung zwischen den beiden benachbarten Dynastien
wahrscheinlich. Der vorletzte Konig der neuen Linie, Ab-
gar VIIL Severus bar Manu (176 — 213), war Christ, ein
Freund des Bardesanes und Julius Africanus (vgl. Eusebios
Ghron. Arm. z. Jahre Abr. 2235. Bardesanes bei Eusebios
Praep. evang. VI, 10 p. 279 D. Suid. s. y. Bagdriöiavtig.
Chronik von Edessa No. VIII in Assemani Bibl. orient.
I, 391), sein Sohn Manft IX. (211—216) ohne Zweifel auch,
da er vertrauten Umgang mit Africanus pflog (vgL Keötoi
c. 29 p. 300 ed. Thevenot). Das Christenthum der letzten
Eonige, die Bekehrung ihres Ahnherrn Izates zum Juden-
thum und die Thatsache, dass Edessa der älteste Sitz christ-
lichen Lebens in den Ostländern war, legen vereint genügende
Rechenschaft davon ab, wie die Tradition von der Bekehrung
Abgars V. durch Thaddäos sich bilden und noch während
des Besteheus des Edessenischen Reiches officielle Geltung
erlangen konnte. Mit der Legende von der Bekehrung des
Gundaphoros durch Thomas verhält es sich jedoch ganz
anders: es ist nicht möglich, die indisch- parthische Dynastie
so weit hinabzurücken, als nothig wäre, um die Bekehrung
des Gundaphoros oder eines seiner Nachfolger zum Christen-
thum glaubhaft zu machen. Also auch eine Zurückdatirung
erklärt jene eigenthümliche Tradition nicht, zu deren Auf*
hellung wir andere Wege aufsuchen müssen.
Mit Thomas concurrirt als Apostel der Inder Bartholo-
mäos. Näheres giebt das MaQzvQtov rov ayiov xal iv-
do^ot; a7to6x6Xov BaQd'oXofiaCoVj dessen griechischer
Text zuerst von Tischendorf in den Acta apostt apocr.
p. 243 ff. herausgegeben worden ist. Bartholomäos kommt
hier nach Indien, welches ausdrücklich zum Unterschiede
von Abyssinien und Arachosien als das eigentliche Indien
beschrieben wird. Er schlug im Tempel des Götzen Asta-
ro th ('AötaQOvd') sein Lager auf, der die Heiden mit Uebeln
plagte, und, wenn sie ihm opferten, wieder von ihnen wich,
deatongen bei Josephos zwischen 35 and 59 n. Ch. einzurahmen sind,
so ist die Zeitrechnung einer solchen Annahme nicht im Wege.
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 349
80 dass sie von ihm geheilt zu sein wähnten. Von der An-
wesenheit des Apostels an konnte Astaroth weder den ihn
Befragenden antworten noch Kranke heilen^ und als sie sichl73
nach einer anderen Stadt an den Hauptgott Beireth (Bsx^q)
um Auskunft wandten, hörten sie von diesem ^ dass sein
Bruder Astaroth auf Befehl des wahren Gottes , den der
Fremde verehre^ in feurigen Banden gefesselt sei. Polymios,
der Eonig des Landes, der von einer wunderbaren Heilung
des Bartholomäos gehört hat, lässt ihn kommen, und es
gelingt ihm, eine besessene Tochter des Königs wieder
gesund zu machen. Dann zwingt er den Astaroth zum
Selbstgestandniss seiner Ohnmacht^ bannt ihn in die Wüste
und zertrümmert sein Bild, worauf der König mit seinem
Weibe und zwei Söhnen und all sein Volk das Christen-
thum annehmen. Die Götzenpriester beklagen sich nun bei
dem Könige Astyages {^AötQT^yrig)^ dem älteren Bruder des
Polymios, über die ihren Göttern zugefügte Unbill, und
Astyages schickt 1000 Bewaffnete aus, die den Apostel er-
greifen und gebunden vor ihn bringen. Bartholomäos wird
von Astyages aufgefordert, seinen Göttern zu opfern, statt
dessen bewirkt er, dass sein Götze YualdatK {Bakddd) in
Stücke bricht, und wird deshalb auf Befehl des Königs ge-
geisselt und enthauptet. 30 Tage nachher wird Astyages
sammt den Götzenpriestern von den Dämonen umgebracht,
nachdem sie zuvor die höhere Macht des Apostels anerkannt.
Da bekehrt sich alles Yolk, und Polymios steht ihm 20
Jahre als Bischof vor, verrichtet Wunder und stirbt in
Frieden. Es sind Spuren da, dass der griechische Text aus
einer lateinischen Quelle geflossen ist, derselben, die auch
der Erzählung im achten Buche des Abdias zu Grunde
liegt (vgl. Tischendorf, Prolegg. p. LXIX). Abdias ist daher
für die Kritik nicht nur ein vollgültiger Zeuge neben der
griechischen Legende, sondern vertritt sogar eine reinere
Textesgestalt. Am deutlichsten lehrt dies der Schluss. Hier
sagt Abdias, die Bewohner der zwölf Städte, die durch
Bartholomäos zum Ghristenthume bekehrt worden waren,
hätten seinen Leichnam geholt und beigesetzt. Daraus
350 DIE KOENIGSNAMEN
macht der Grieche Folgendes: an 12000 Christen hätten
den Leichnam feierlich bestattet^ da habe ihn Astreges ins
Meer werfen lassen ^ und er sei bei der Insel Liparis an-
geschwommen (9 p. 259). Doch scheint ^ auch von dieser
späten Zuthat ganz abgesehen, Alles auf eine weniger ent-
fernte Localität als Indien hinzuweisen, der Name Astyages
deutet auf Medien, die Namen der Götzen klingen semitisch.
Die von unserer Legende unabhängige Tradition^) lautet
auch nur sehr vereinzelt zu Gunsten Indiens. Dieses nennt
allerdings Eusebios H. E. Y, 10, scheint aber darunter das
glückliche Arabien zu verstehen. Die Acta Philippi (bei
Tischendorf, Acta apostt. apocr. 31 p. 88. 36 p. 91. 42 p. 94)
lassen den Bartholomäos das Christenthum in Lykaonien
predigen und ebendaselbst den Märtyrertod sterben. Mehr
und mehr ist in der Folge die armenische Localsage zur
i74Geltung gelangt, die wegen der genauen Ortsangabe aller-
dings einige Beachtung beanspruchen darf: sie nennt als
Ort des Martyriums die grossarmenische Stadt Areban (Mos.
Chor. II, 34 bei Le Yaillant de Florival I p. 232; Areuban
beiWhiston 11,31,5 p. 143), Albanopolis (Sophron. 7 p.265A),
Eorbanopolis (Pseudodorotheos im Anhang zum Ghron. Pasch.
II, 138 ed. Bonn.), Albana (Theodoros Studites im Spicil. III
p. 16. 18) oder Urbanopolis (Niketas Paphlagon im AucL III
p. 396 B. 397 B. und Nikeph. Kall. H. E. II, 39).«) Mit dieser
letzteren Localität würden sich die Angaben der Legende sehr
gut vertragen; dies haben schon neugriechische Bearbeiter
derselben, wie Theodoros Studites und Oekumenios, gef&hlt
1) Zusammen gestellt bei Tillemont, M^moires ponr servir ä Thi-
stoire eccläsiastique I S. 881 fiF. 648 ff. (Qaartausgabe).
2) Der Letztere, der Urbanopolis nach Eilikien verlegt , will
wahrscheinlich das pamphylische Uranopolis (Ptolem&os Y, 5, 6) ver-
standen wissen nnd sacht so die zu seiner Zeit recipirte Tradition mit
der in den Akten des Philippos enthaltenen anszugleichen. Wahr-
scheinlich ist aber Erowandashat (d. h. Erowands Stadt) gemeint, die
damalige Hauptstadt von Armenien; vgL Mos. Choren. II 86, 1 p. 160.
Der armenische Name Erowand ist derselbe, der im P&rs! Aryanda
und Uryanda lautet und sich anderw&rts in Elyend verwandelt hat
(vgl. Bumouf, Commentaire sur le Ya9na I S. 248 ff.).
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 351
und reden deshalb frischweg von einem indischen Armenien
als Schauplatz des Martyriums. Selbstverständlich ist dies
bloss gerathen.
Weiter bringt uns der Name des von Bartholomäos
bekehrten Königs. Die Varianten ^ welche in den Acta SS.
Augast. Tom. Y p. 36 aus Handschriften des Abdias an-
gefahrt werden (Polymius, Polimius^ Polomius, Polemon),
führen auf PolemioS; und es liegt — worauf auch der eine
Schreiber verfallen ist — nahe genüge in diesem in der
christlichen Kaiserzeit gewöhnlichen Namen die stellvertre-
tende Form für ein älteres Polemon zu erkennen. Ein Zeitr
genosse dea Bartholomäos war jener Polemon IL; Sohn
Polemons I. und der Pythodoris, König erst von Pontos und
Bosporos, dann von Pontos und Kilikien, zuletzt von Kili-
kien allein, der wegen der Heirath mit der Herodianischen
Prinzessin Berenike, Wittwe des Herodes von Chalkis, das
Judenthum annahm, aber später, als Berenike ihn verlassen
hatte, wieder abtrünnig ward (Josephos A. J. XX, 7, 3).
Der ofScielle Titel der Beherrscher des bosporanischen
Reiches, den noch Asandros, der Vorgänger Polemons I.,
geführt hat, war „Archon von Bosporos und Theodosia und
König der Sinder, Toreten und Dardarier (öder König der
Sinder und aller Ma'iten)''; erst die Könige der späteren
thrakischen Dynastie führen den Titel „grosser König der
Könige des ganzen Bosporos ^^ (vgl. Boeckh zum G. I. Gr.
II p. 105 ff.). Wie das Polemonische Haus es gehalten hat,
wissen wir nicht, da wir von keinem Mitgliede desselben In-
schriften besitzen; das aber kann unbedenklich angenommen
werden, dass der alte Titel „König der Sinder'' (dieses Volk
wird stets an der ersten Stelle genannt) zur Zeit Polemons IL
noch bekannt sein musste. Erwägt man, dass Inder undi76
Sinder nicht bloss in den Handschriften verwechselt^), son-
dern die Sinder wegen der Namensähnlichkeit geradezu für
1) z. B. bei StepbanoB s. vv. Tof^Ctateia, 'l^ißdtai. 2avQ0fidtaij
nicht aber s. y. 'Aategova^ay wo Meineke Zivdi%ri mit unrecht in den
Text gesetzt hat. Auch in den lamben des Phönix bei Athenäos Xll
p. 680 ist jetzt lUvdoß für 'ivdog hergestellt.
352 DIE KOENIGSNAMEN
ein indisches Volk erklärt werden^), so klärt sich uns voll-
kommen auf, wie die Unterthanen des Polemios in der Bar-
tholomäoslegende zu Indern geworden sind.
Einen starken Beweis fQr die Richtigkeit unserer Ver-
muthung liefern die bosporanischen Götternamen, die wir
durch die Inschrift der Königin Komosarye kennen (C. I. Gr.
No. 2119). Ihre Weihgeschenke sind gewidmet l6%vQä ^aCm
UaveQyet Tcal ^Aöxaqa. In der letzteren Gottheit erkennt
man augenblicklich den Astaroth der Legende wieder, und
wer die Sache auf die Spitze treiben wollte, könnte sogar
auf Grund jener neuen Quelle die Behauptung aufstellen,
dass nicht ^ 'jäötaga, sondern 6 *A6xäQag der Nominativ
sei. Allein da Asthardth die genaue aramäische Form des
Namens der Astarte ist (Movers, Phönizier I S. 606), so
kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die Verwandlung
von Astaroth in eine männliche Gottheit nur auf Rechnuog
der Unwissenheit des christlichen Erzählers zu setzen und
beidemal die von Köhler auch auf den Münzen der bospo-
ranischen Könige erkannte Astarte gemeint ist. Die Neben-
einanderstellung macht es wahrscheinlich, dass in Astaroths
Bruder, dem (liyag xal i^oxcitatos avtäv d^sbg Be^tiff (1 p- 244
ed. Tischend.) oder Beireth der löxvQog dstog £av€Qyi]s zu
erkennen ist, den Köhler scharfsinnig mit dem assyrischen
Nergal verglichen hat. Nergal ist der Planet Mars (vgl.
Movers, Phönizier I S. 365), sein bei den Arabern üblicher,
mit den übrigen Planetennamen aber wahrscheinlich von
einem älteren semitischen Volke überkommener Name ist
Merrich'), und auf diesen führen die Varianten, denen eine
Form BaiQT^x ^^^^ BeQtjx zu Grunde liegen wird. Auch in
der dritten Gottheit, welche als die speciell vom Astyages
verehrte dargestellt wird, lässt sich unschwer eine bekannte
semitische Göttin erkennen: aus Vualdath (was schon des
unerhörten Anlautes wegen Anstoss erregt) oder BaJidad
1) Vgl. Hesych. 8. v. SUvSoi.
2) Diese Form verhält sich zu der aramäischen Nirig ganz ebenso
wie die armenischen Namen der Städte Medsbin und Nepherkert zu
den syrisch -griechischen Nisibls und Maipherakta.
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 353
ist zu machen MaXddd', das ist Moledetb^ die genaue ein-
heimische Form des Namens der babylonischen Göttin My-
litta (vgl. Movers, Phönizier I S. 586). Deren Dienst hat
nicht bloss auf den der Änaitis den grössten Einfluss geübt^
sondern sie ist auch unter ihrem eigenen Namen ziemlich
weit nach Norden hinauf verehrt worden: dies beweist der
kleinarmenische Tempel ort Melite, von dem die Provinz
Melitene den Namen erhalten hat.
Es bleibt uns nur noch übrig, den Bruder des Polemiosi76
nachzuweisen. Polemon IL hatte einen Bruder Zenon, der
schon im Jahre 18 n. Ch. unter dem Namen Artaxias III.
den Thron von Grossarmenien bestiegen hatte (Tac. Ann.
II, 56. Strab. XII, 3, 29 p. 556): gerade in Grossarmenien
aber haben wir die Bartholomäoslegende bestimmt localisirt
gefunden. Für ^AötQfjytig finden wir aus Abdias in den Acta
SS. a. a. 0. p. 38 die Varianten Astriges, Astraiges, Asti-
arges, Astyages angeführt, die sich in lateinischer Schrift
mit Leichtigkeit auf ein ursprüngliches Artasyes, d. i. Ar-
taxias oder, wie der Name bei den Armeniern lautet, Arta-
shes (im Altpersischen vermuthlich Artakhsajan9) zurück-
führen lassen«
Da alle einzelnen Bestandtheile der Bartholomäoslegende
so wohl mit der Geschichte harmoniren, so zweifle ich nicht,
dass sie wirklich nach Bosporos und Armenien gehört und
ihre zuerst bei Eusebios vorkommende Verlegung nach Indien
oder dem glücklichen Arabien ein blosses Missverständniss
ist Ich sage absichtlich, die Bestandtheile seien geschichtr
lieh: die Verwerthung derselben und der pragmatische Zu-
sammenhang, in den sie gebracht werden, ist es nicht. Denn
Artaxias III. von Grossarmenien starb bereits im Jahre 35
n. Ch. (Tac. Ann. VI, 31), sein Bruder Polemon IL dagegen
war in den Jahren 39 — 41 König von Bosporos (Cass. Dio
LIX, 12. LX, 8), und sein Uebertritt zum Judenthum fällt
erst um das Jahr 53 (Jos. A. J. XX, 7, 3; vgl. 5, 21). Da
er wahrscheinlich 74 n. Ch. gestorben ist^), so kommen die
1) Yaillant hat aus Tac. Eist. III, 47 gefolgert, dass Polemon
im Jahre 70 verstorben gewesen sei (Achaemenidarum imperiam p. 242
T. GxrrscHMXD, Kleine Schriften. IL 28
354 DIE KOENIGSNAMEN
17720 Jahre y welche die Bartholomäoslegende den Polemios
naeh seinem Uebertritt noch leben lässt, genau heraus:
der Octavausgabe), und diese ganz unberechtigte Annahme ist vielfach
ohne Prüfung angenommen worden. In welchem Theile Eilikiens Po-
lemon herrschte, wird nirgends überliefert; blosse Vermuthung ist es,
wenn Marquardt (Handb. d. Rom. Alterth. ni, 1 S. 169 [Marquardt und
Mommsen, Böm. Alterth. IV' S. 886]) ihn nach Olba yerweist. Ein
Theil Kilikiens ward bekanntlich von Vespasianus in eine römische
Provinz verwandelt (Sueton. Yesp. 8, aus dem Victor, Orosius und
Eutropius, aus diesem wieder Hieronymus geschöpft haben). Mar-
quardt a. a. 0. S. 170 [386] bezieht dies auf die kilikischen Besitzungen
des Königs Antiochos lY. von Eommagene. Der einzige Anhalt, den
wir über den Zeitpunkt der von Vespasianns in Eilikien getroffenen
Veränderung haben, ist die Aera von Flaviopolis. Hätte Marquardt
Recht, so müsste man erwarten, dass diese von derselben Epoche liefe
wie die komm agenische Aera, vom Herbst 71. Nach Vaillants von
Eckhel (D. N. V. III S. 66) gebilligter Annahme beginnt sie im
Herbst 74. Dies stützt sich darauf, dass Hieronjmus die Verwand-
lung Eilikiens in eine römische Provinz in das Jahr 2090 Abr. "» 75
n. Ch. setzt, also, da Hieronymus nur aus Eutropius geschöpft hat, auf
Nichts. Die Frage ist nur' a posteriori durch die Münzen selbst zu
lösen. Entscheidend sind folgende: eine des Elagabalus vom Jahre
0MP (Mionnet, Suppl. VII, 213), welche beweist, dass die Aera vor
dem 11. März 74, und eine des Diadumenianus vom Jahre JMP (Eckhel
III S. 56. Mionnet ÜI S. 581), welche beweist, dass sie nach dem
11. April 73 ihren Anfang genommen hat. Eine Münze der Mäsa mit
177dem verstümmelten Datum £iV, welches, da Mäsa das Jahr 228 n. Ch.
nicht erlebt haben kann, sich nur zu EMP ergänzen lässt (Mionnet
Suppl. VII, 213), ergiebt als genaueren Terminus ante quem non den
8. Juni 78. Von dem so gewonnenen Ausgangspunkte findet man auch
für die verlesenen Daten PMF auf einer Münze des Macrinus (Mionnet
SuppL VII, 212) und IZP auf einer der Eaiser Gallus und Volusianus
(Mionnet III, 582) Verbesserangen, die mindestens nicht so gegen die
Paläographie und die vier Species sündigen als die Mionnetschen Vor-
schläge, nämlich PME für die Münze des Macrinus, IIP für die des
Gallus und Volusianus. Unter der Voraussetzung eines Jahresanfanges
mit dem Herbste ergeben also die Münzen den Herbst 78 n. Ch. als
Epoche der Aera, und diese föllt zwei ganze Jahre später als die
komm agenische. Flaviopolis liegt in dem Theile Eilikiens, der in
einer früheren Zeit dem Hause des Tarkondimotos gehörte. Ich
glaube, dass diese (regend es war, die Polemon U. beherrschte, und
dass auf dieses Reich, nicht aber auf die Besitzungen des kommageni-
bchen Antiochos die Nachricht von der Verwandlung Eilikiens in eine
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 355
ungeuaa aber ist die idealistische Auffassung seines Ueber-
tritts und das völlige Yerscbweigen seines späteren Rück-
falls zum Heidentlium. Bei dem erbaulichen Zwecke, den
mehr oder weniger jede Bekehrungsgeschichte verfolgt^ ist
dies nicht eben zu verwundern. Ferner ist^ wie dies die Art
der Sage ist, die Bekehrung Polemons und irgend eine uns
nicht weiter bekannte Bedrängung der in Grossarmenien sehr
zahlreichen Juden (vgl. Mos. 'Choren, I, 21, 6 p. 58. II, 15, 1
p. 111. 46,4 p. 161. III, 35, 5 p. 271) unter der Regierung
seines Bruders Artaxias in einen ganz unmöglichen Causal-
nexus gebracht und das Colorit, obgleich Polemon zur Zeit
seiner Bekehrung nur noch den Pontos beherrschte, ganz
den bosporanischen Verhältnissen entlehnt worden. Es er-
klärt sich dies daraus, dass gerade der Bosporos ein Haupt-
sitz jüdischer Gemeinden war^), und die Nachrichten über
jene Vorgänge dem Mutterlande vermuthlich von den bos-
poranischen Juden zukamen.
In naher Beziehung zu Polemon IL steht auch eine
Fürstin, die in einer anderen christlichen Legende als
Christenfreundin vorkommt. Die nicht allein durch ihr
Alter (ihre Entstehung im zweiten Jahrhundert ist beglau-
bigt), sondern auch durch den Ton') von allen diesen
Apostelgeschichten vortheilhaft abstehenden JlQa^sis IlavXov
xal SixXris (bei Tischendorf, Acta apostt. apocr. p. 40fif.)
erwähnen nämlich eine in Antiocheia in Pisidien wohnende
angesehene Frau Namens Tryphäna, die sich in Erinnerung
ihrer eigenen frühverstorbenen Tochter Falconilla der zu den 178
wilden Thieren verurtheilten Christin Thekla möglichst an-
nimmt und nach deren wunderbarer Rettung von ihr zum
römische Provinz durch Vespa&ianuB zn beziehen ist. Polemon II. starb
also im Laufe des Jahres 1 der Aera von Flaviopolis (Herbst 73/74).
1) Vgl. C. 1. Gr. No. 2114^, die unter Rhesknporis III. im Jahre
81 verfasste Inschrift No. 2114^^ bei Boeckh II p. 1005 nnd eine erst
kürzlich entdeckte aas der Zeit des Mithradates 11. , des Nachfolgers
Polemons 11.
2) Man liest sie, was in diesem Literaturzweige viel sagen will,
sogar mit Vergnügen.
23*
356 DIE KOENIGSNAMEN
Cbristenthum bekehrt wird. In völlig unverfänglicher Bei-
läufigkeit geschieht c. 36 (p. 57) des Umstandes Erwähnung,
dass Tryphäna eine Königin und Verwandte des Kaisers ist.
Die Anwesenheit des Apostels Paulos in Ikonion, wo Thekla
bekehrt worden sein soll — und zwar ein Jahr vor ihrer
Errettung von den Thieren (c. 45 p. 61) — , lässt sich aus
Lukas wenigstens annähernd bestimmen; Tillemont (Mem.
eccles. I S« 230) hat das Jahr 45 angenommen, was als Zeit
der Handlung etwa 46 n. Gh. ergiebt. In dieser Zeit ist
eine Königin Tryphäna aus einer Münze wirklich nachweisbar
(bei Visconti, Iconographie grecque tom. II tab. IX, 3 p. 201 f.
der Octavausgabe). Der Avers zeigt den jugendlichen dia-
demirten Kopf Polemons II. mit der Umschrift BACIAEAC
nOAEMnN[off], der Revers die Legende BACIAICCHC
TPY0AINHC in einem Diadem. In dieser aus schriftlichen
Quellen bis dahin nicht bekannten Gemahlin Polemons ver-
muthete Visconti eine Tochter Jubas 11. von Mauretanien
von Kleopatra Selene, der Tochter der berühmten ägyptischen
Kleopatra: [1)] weil der Name Tryphäna in keinem anderen
Fürstenhause als dem der Ptolemäer nachweisbar ist^ 2) weil
die Münzen Jubas IL sonst die einzigen sind, auf deren Re-
vers der Name der Königin ohne ihr Bild erscheint Diese
Vermuthung, fein und scharfsinnig, wie man es von Visconti
gewohnt ist, erhält durch die Akten des Paulos und der
Thekla eine glänzende Bestätigung: unter allen Fürsten-
häusern jener Zeit konnte nur das mauretanische sich der
Verwandtschaft mit dem Geschlechte der Cäsaren rühmen.
Die Verwandtschaft zwischen Tryphäna und Claudius ist
diese :
M. Antonius (der Triumvir)
Antonia minor Kleopatra Selene
(Gem. DruBus) (Gem. Jaba II.) ^
I .1
Kaiser Claudius Tryphäna
(Gem. Polemon II.).
1) Ich bemerke bei dieser Gelegenheit, dass es unmöglich ist,
mit Boeckh 2um C. I. Gr. I p. 431 zwischen Juba U. und dem letzten
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 357
Die von Visconti unentschieden gelassene Frage, ob Try-179
phäna vor oder nach der Berenike mit Polemon IL yer-
heirathet war, findet durch die Akten ebenfalls ihre Er-
ledigung. Sie war die frühere Gemahlin und lebte schon
um das Jahr 46, wie aus dem Zusammenhange der Er-
zählung hervorgeht, getrennt von ihrem Manne in der
Zurückgezogenheit Bei der Lakaiennatur, die Polemon sein
Leben lang bethätigt hat, ist es nicht unwahrscheinlich, dass
er Tryphäna nach der Katastrophe, die im Jahre 40 n. Ch.
über das mauretanische Königshaus hereinbrach, aus Gefällig-
keit gegen Gaius Cäsar Verstössen hat. Sie zog sich dann
vermuthlich unter Claudius nach dem pisidischen Antiochien
auf romisches Gebiet zurück. Es begreift sich, dass dies
für die Provinzialstadt ein Ereigniss war, und dass sich dort
die Erinnerung an Tryphäna noch 150 Jahre später er-
halten hatte.
Wir haben in den *auf Polemon IL von Pontos bezüg-
lichen apokryphen Apostelgeschichten ein sicheres Beispiel,
mauretanischen Könige Ptolemäoa zwei Generationen Ptolemäos I. und
Jaba III. einzuschalten; denn 1) sagt Strab. XYII, 3, 7 p. 828, der
zwischen 18—21 schrieb, der bekannte Jnba II. sei vscacti gestorbeD,
nnd SnetoD. Calig. 26 macht den letzten König Ptolemäos aasdrück-
lieh zum Sohne der Selene und Enkel des Antonius: ein Irrthum
wenigstens des Ersteren ist undenkbar, wogegen Jos. A. J. XYII, 18, 4,
nach dem Juba II. um 4 y. Gh. gestorben sein müsste, leicht Tod des
Mannes statt Scheidung als Grund des Aufenthaltes der Glaphyra im
Täterlichen Hause vermuthen konnte. 2) Die Münzen nennen ein
48. Jahr des Juba IL (Mionnet VI, 602. Suppl. IX, 216) und ein 19.
des Ptolemäos (Mionnet VI, 608), so dass für die vermeintlich fehlen- 179
den ziwei Generationen nur drei Jahre übrig bleiben. 3) War Selene
frühestens 40 v. Ch. geboren und konnte frühestens 23 y. Gh. einen
Sohn haben, der letzte Ptolemäos aber war 24 n. Ch. schon ein selbst-
ständig handelnder Mann (Tac. Ann. IV, 26), also nicht später als
4 n. Ch. geboren, so dass zwischen ihm und Selene höchstens für eine
Generation Baum ist. Hiemach ist es wohl unzweifelhaft, dass die
Worte ßaatliong JlzolBfialov ^xyoyov in der athenischen Inschrift
No. 360 [=• C. I. A. lU No. 555] den mauretanischen Ptolemäos als
Kachkommen des Ptolemäos Soter, yon Seiten seiner Mutter bezeichnen
sollen. So hatte sie schon Visconti gefasst, nur, ich weiss nicht
warum, an Philadelphos gedacht.
358 ME KOENIGSNAMEN
dass die Christen eine ursprünglich jüdische Bekehrungs-
geschichte sich angeeignet haben. Die Annahme einer ähn-
lichen Umwandlung scheint mir der einzige Weg, die selt-
same Mischung von Geschichtlichem und üngeschichtlichem
in der Thomaslegende, auf die wir jetzt noch einmal
zurückblicken wollen, befriedigend zu erklären. An das
ifoikov noiisö^ai, einer jüdischen Bekehrungsgeschichte ist
freilich nicht zu denken, wohl aber an das einer buddhi-
stischen.
Die Vorbedingung solcher Bekehrungsgeschichten, eine
eifrige und umfassende Missionsthätigkeit, findet bei Christen
und Buddhisten in gleichem Masse statt; und dass die be-
kehrten Konige vor ihrer Umwandlung als Verfolger der
Apostel der neuen Religion geschildert werden, ist ein die
Macht der Letzteren verherrlichendes Motiv, das begreiflicher-
weise von den Buddhisten eben so gut wie von den Christen
in ihren Legenden verwerthet wird (Beispiele aus Lassens
Indischer Alterthumskunde sind A^oka II S. 225; Kanischka
II S. 857; Schile von Heutschao II S. 1082 [S. 235 f. 853 f.
1101 der 2. Aufl.]). Der dogmatische Theil der Thomas-
legende kann natürlich nicht anders als christlich sein, doch
ist es bemerkenswerth, dass die Hauptitendenz der Schrift^ die
asketische, bei den Buddhisten womöglich noch stärker hervor-
tritt als bei gewissen christlichen Sekten. Ihnen gilt das
iSoSichzurückziehen vom Weltlichen als hohes Verdienst^ früh-
zeitig haben sich Männer und Frauen ihres Glaubens ein
solches dadurch erworben, dass sie das Gelübde der Armuth
und Keuschheit abgelegt und sich als Bhikshu in ein Kloster
begeben haben (vgl. Lassen II S. 449 [S. 448 der 2. Aufl.]),
was dann in folgerichtiger Weiterbildung dahin gefiihrt hat,
dass, wie in der katholischen Kirche, das Cölibat der Geist-
lichkeit obligatorisch geworden ist. Die Bekehrung der Königs-
tochter und ihres Bräutigams in Andrapolis zum ehelosen
Leben (Acta Thomae 11 p. 199 ed. Tischend.) ist also ganz
buddhistisch und hat ihr Seitenstück in dem Monchwerden
vieler in den Annalen des Buddhismus berühmter fürstlicher
Personen, wie in Magadha des Mahendra und der Sanghamitra
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 359
(Lassen II S. 230 [S. 242 der 2. Aufl.]), in Lanka des Arishta
und der Anulä (II S. 253)^ der Matter des Königs Eälakana-
tishja (II S. 989 [S. 1009 der 2. Aufl.]); ja selbst die Tonsur
des zum Diakonus ordinirten Königs von Andrapolis, von der
freilich nur Abdias IX, 4 weiss, ist buddhistisch (Lassen III
S. 442). Desgleichen lässt sich die Christophanie, welche das
Mittel zur Bekehrung des Bräutigams wird, mit ähnlichen
Erscheinungen Buddhas vergleichen (Lassen II S. 248. 428
[S. 261. 426 der 2. Aufl.]). Die Heilkraft, welche die Legende
(Gonsummatio Thomae 11p. 249) den Reliquien des Thomas
zuschreibt, beruht auf einem Glauben, den anerkanntermassen
Christen und Buddhisten mit einander theilen: nicht bloss
die Reliquien des Buddha, sondern auch die seiner Schüler
und anderer in der Geschichte ihrer Religion hervorragender
Männer sind Gegenstand der Verehrung. Und die Wunder,
die der christliche Apostel lebend bewirkte, rechtfertigen
sich für den buddhistischen Standpunkt durch die Vor-
stellung, dass jeder, der die höchste Stufe der buddhistischen
Hierarchie erlangt hat, jeder Arhat, übernatürliche Kräfte
besitze (Lassen II S. 451). Was die Wunder im Einzelnen
betrifft, so vermag ich freilich für die Wiederbelebung des
ermordeten Mädchens (die übrigens lediglich als Einkleidung
für den Bericht über ihren Gang durch die Straforte der
Verdammten dienen soll, in welchem der christliche Ver-
fasser der Acta 50 ff. p. 229 ff. seine eigenthümlichen dog-
matischen Ansichten entwickelt hat) in buddhistischen Le-
genden kein Analogon nachzuweisen, weil der Buddhismus,
dem die vollige Vernichtung der Existenz als höchstes Ziel
gilt, auf eine durch Eingreifen in die Naturgesetze bewirkte
Verlängerung dieses Erdenlebens begreiflicherweise keinen
besonderen Werth legen kann. Ebensowenig kann in einer
buddhistischen Quelle der Teufel in einer Schlangengestalt
erscheinen, wie Acta 31 p. 217, weil die von den Urein-
wohnern Indiens angebeteten Schlangengotter einer bevor-
zugten Stellung im buddhistischen Pantheon theilhaftig
geworden sind. Nehmen wir aber diese beiden Punkte aus,
die in bekannten neutestamentlichen Vorbildern ihre Erklärung
360 PIE KOENIGSNAMEN
finden^ so sind alle übrigen Einzelheiten der Legende als
gleichmässig christlich und buddhistisch nachweisbar. Einiges
ist sogar weit mehr buddhistisch als christlich. Das Bannen
böser Geister durch buddhistische Missionäre ist nichts Sel-
tenes (z. B. Lassen lY S. 716); die Befreiung der Frau von
isidem Incubus, der sie seit fünf Jahren plagt (Acta 39 p. 229)
vergleicht sich mit der Yerscheuchung der kinderfressenden
Bäkshasi durch die frommen Sendlinge A^ökas (Lassen II
S. 237; vgl. II S. 1003 [S. 249. 1023 der 2. Aufl.]). Und ist
auch der Drache keine buddhistische Erfindung, sein Yer-
schlungenwerden von der Erde ist ein auch in buddhistischen
Legenden vorkommendes Motiv: der Brahmane von Brahma-
pura, der die Lehren des grossen Fuhrwerkes verleumdet hatte,
fiel durch einen Graben lebendig in die Hölle (Lassen III
S. 515. lY S. 708). Die Yerfluchung des Mundschenken, der
den Thomas geohrfeigt hat, in Folge deren er von einem
Löwen zerrissen wird (Acta 6 p. 195), schickt sich für einen
Elias, aber schlecht genug für einen Apostel der christlichen
Nächstenliebe: ein Seitenstück bietet aber der Untergang der
Leute von Ealinga durch die Yerwünschung eines wunder-
thätigen Büssers (Lassen III S. 528). Und bei dem Löwen
als Werkzeug der Strafe (Acta 8 p. 107) wird man passender
eine symbolische Beziehung auf den Löwen aus dem Ge-
schlechte der 9^^^; ^'^ ^^^ ^^^ Löwen vom Stamme Juda
annehmen: Löwengebrüll schreckt den Buddhistenverfolger
Pushpamitra von dem Angriffe auf ein vihära zurück (Lassen
H S. 347 [S. 362 der 2. Aufl.]). Eigenthümlich ist Thomas'
Aufforderung an die beiden von ihm bekehrten Könige, den
Graben, durch den der Drache gefallen, auszufüllen und
Wohnungen darüber zu bauen, die den Fremden zum Auf-
enthalt dienen könnten (Acta 33 p. 219). Irre ich nicht, so
liegt hier die buddhistische Sitte zu Grunde, an den Orten,
welche durch eine That Buddhas und seiner Schüler oder
Nachfolger verherrlicht worden waren, Stüpas und Klöster
zu errichten (Lassen II S. 454. 514 [S. 453. 521 der 2. Aufl.].
III S. 676. lY S. 662); die Klöster waren zur Beher-
bergung der fremden Pilger eingerichtet (lY S. 317 f. 648).
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 361
Die buddhistisch gesinnten Konige waren es, von denen die
Gründung solcher Anstalten ausging: durch Dotirung der-
selben oder Anlegung eigener Herbergen für die Reisenden
haben sich A96ka (Lassen II S. 258 [S. 271 der 2. Aufl.]),
^iladitja (III S. 676), die singhalesischen Eonige Lag^tishja
und Prakramabähu (II 8.431 [S. 428f. der 2. Aufl.]. IV
S. 317 f.) grossen Ruhm erworben. Auch die Anlage von
Wittwenhäusem durch den Apostel (Acta 56 p. 233) lässt
sich aus den buddhistischen Quellen belegen, in welchen
derartige Anstalten als besonders verdienstlich hervorgehoben
werden (Lassen III S. 705. 881). Thomas wird mit Lanzen
durchstochen ^Consummatio 9 p. 239): diese weder bei Juden
noch Römern noch Griechen übliche Hinrichiungsweise ist
noch jetzt im Königreiche Siam, dessen Gesetzbuch auf einer
vorderindischen Grundlage beruht, die verfassungsmässige
Strafe für politische Verbrechen (Lassen IV S. 441. 444).
Entschiedener aber als alles bisher Angeführte weist auf
buddhistischen Ursprung der Umstand hin, dass die Christen
den Leichnam des Thomas in feine Liunendecken gewickelt
in den Gräbern der alten Landesk'önige beisetzen (Gons. 9
p. 240): eine Unwahrscheinlichkeit, die sich um so unnothiger
ausnimmt^ als gleich darauf in derselben Legende (11 p. 241)
gemeldet wird, ein Christ habe den Leichnam nach Edessa
entführt, dass der König, der den Thomias hatte todten lassen,
ihn später nicht mehr finden konnte. Für den BuddhistenlB2
hat jenes königliche Begräbniss einen tieferen Sinn: Buddha
wird nämlich mit einem dakravartin (Oberkonig) verglichen,
und seinem Leichnam wurden alle die Ehren eines verstor-
benen dakravartin erwiesen (Lassen II S. 75 f. [S. 80f. der .
2. Aufl.]).
Das beste Argument für die Richtigkeit der hier von
uns entwickelten Vermuthung liefert der Nachweis, dass in
der von der Thomaslegende angegebenen Zeit Weiss -Indien
oder Arachosien wirklich zum Buddhismus bekehrt worden
ist: nach einer dem Buddha (selbstverständlich post eventum)
zugeschriebenen Weissagung sollte 500 Jahre nach seinem
Tode seine Lehre nach Kipin oder dem nordostlichen
362 DIE KOENIGSNAMEN
Arachosien verbreitet werden (Lassen II S. 1074 [S. 1093 der
2. Aufl.]). Dies würde 44 v. Ch. sein; bringen wir aber den
Fehler von 66 Jahren in Anschlag , der sich durch einen
grossen Theil der buddhistischen Zeitrechnung hindurchzieht^),
so erhalten wir das Jahr 23 n. Gh. als Datum der Bekehrung
von Eipin, also bis auf 6 Jahre dasselbe, welches die christ-
liche Quelle angiebt. Auch auf den Münzen der parthisch-
indischen Könige hat sich uns wenigstens eine sichere Spur
buddhistischen Einflusses erhalten. Ein naher Verwandter
des Gondophares, wahrscheinlich sein Vater und Mitregent^
Namens Sasa, legt sich auf seinen Münzen') den rein bud-
dhistischen Titel ,, Diadem des wahrhaftigen Gesetzes'^ bei,
und Gondophares selbst nennt sich^ so scheint es, in der
arianischen Legende devahada (d. i« devahrida, gottgesinnt),
was Uebersetzung des griechischen Titels d'eoxQoxog sein
wird, den sonst nur noch die Königin Agathokleia führt
(Lassen II S. 333 [S. 347 der 2. Aufl.J): gerade sie aber
gehört durch ihren Gemahl Straton der Dynastie des bud-
dhistischen Menandros (Milinda) an.
Nunmehr wird auch der Weg, den Thomas in der
Legende nimmt, verständlich. Er reist von Jerusalem zur
See nach dem Reiche des Gondophares; ist schon dies ein
schwer begreiflicher Umweg, so wundert man sich noch
mehr über den Namen der ersten indischen Stadt, in der
er landet, Andrapolis (Acta 3 p. 192). Dies ist nämlich ein
gut indischer Name; da die Griechen die Gewohnheit haben,
1) Vgl. Lassen II S. 62 ff. 412 [S. 65 ff. 768 der 2. Aofl.].
2) Die hier in Frage kommenden Münzen finden sich in Thomas*
Catalog No. XXXIY yerzeichnet und ähneln am meisten denen des
Abdagases. Sie haben bloss arianische Legenden, nämlich Mähä-
rugasa (sie) 8a66a - Dha[mapida8a] Sasasa (ergänzt aas Münzen der
Indoskjthen Eadphises I. und Eadaphes) und Mähäragasa (sie) Maha-
tasa Tradatasa Devahadasa Godaphrasa Sasasa, d. i. nach Thomas
BaciXitog MsyaXov EatrJQog Gtotgonov rovSotpagov xov Eaea, Dass
der Vater des Königs nur in arianischer Schrift und als Nebenkönig
vorkommt , kann allerdings Bedenken erregen ; trotzdem möchte
Cannioghams Uebersetzung „Sasa, Vetter des Godaphra" kaum zu-
lässig sein.
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 363
die indischen Eonige nach dem Namen des von ihnen be-
herrschten Volkes au benennen, ''AvSqu nokiq also Stadt des
Andras, d. h. des Königs der Andhra, bedeutet, so habenl83
wir hier den Namen einer in Südindien mächtigen, auch den
Classikern bekannten^) Dynastie so genau wiedergegeben, als
es in griechischer Schrift nur möglich ist. Aus Inschriften
wissen wir jetzt, dass die Andhra, deren grosste Macht in
die ersten nachchristlichen Jahrhunderte fallt, ihr Reich bis
an die Meeresküste ausgedehnt hatten und die Gegend um
Bombay (wo die griechischen Nachrichten Ealliena oder
Hippokura liegen lassen) beherrschten, und dass einzelne -
Mitglieder dieser Dynastie dem Buddhismus anhiugen; vgl.
Lassen IV S. 81. 88. Sobald man weiss, dass die Thomas-
legende nur eine umgeschmolzene buddhistische Bekehrungs-
geschichte ist, statt des Thomas also ursprünglich irgend
ein berühmter Arhat, etwa ein Schüler des Nägärguna, als
Ausgangspunkt nicht Jerusalem, sondern ein heiliger Sitz des
Buddhismus, wie die siughalesische Hauptstadt Anurädhapura,
genannt war, yersch windet alles Auffallige: der Apostel hat
dann den geraden Weg nach dem Reiche des Gondophares
eingeschlagen.
Die Möglichkeit, dass eine buddhistische Legende bei
den Christen sich einbürgern konnte, wird Niemand be-
streiten wollen: ist auch der Einfiiuss des Buddhismus auf
die Gnostiker mitunter auf Kosten des semitischen, der auf
die Manichäer auf Kosten des iranischen Elementes über-
trieben worden, ganz wegleugnen lässt er sich nicht, und
mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit lässt sich noch der Ganal
angeben, durch welchen jene buddhistische Legende den
Edessenischen und anderen orientalischen Christen zuge-
kommen ist: der zu Ende des zweiten und Anfang des
dritten Jahrhunderts lebende Syrer Bardesanes ist es, der
sich eine gründliche Kenntniss der buddhistischen und indi-
schen Zustande überhaupt verschafit hatte und in den Resten
1) Andarae bei Plin. N. H. VI, 19, 22 § 67; König EiqmoXB^tatog
bei Ptol. Vü, 1, 82,
364 I^IE KOENIGSNAM£N
seiner Schriften auch für uns werthvolle Nachrichten über
dieselben mittheilt (Lassen III S. 367flF.; vgl. III S. 61f.
348 ff. 361 ff. 404 ff.). Durch ihn mag die Legende bekannt
geworden sein, wegen ihrer vielen Christen zusagenden
asketischen Tendenz grossen Anklang gefunden und schliess-
lich — ob unwillkürlich durch Weitererzählen von Mund
zu Mund; ob durch einen frommen Betrug^ wird schwer
zu entscheiden sein — ein christliches Gewand augelegt
haben«
380 Wir gehen zur Betrachtung zweier nur in lateinischer
-Ueberarbeitung erhaltener Apostelgeschichten über, zunächst
der Thaten des Simon und Judas bei Abdias YI, 7—23.
Die beiden Apostel machen sich nach Persien ^) auf, um das
Evangelium zu verkündigen und die ketzerischen Lehren,
welche die beiden Magier Zaroes und Arfaxat (^jiQipa^dd)
dort verbreitet hatten, zu bekämpfen. Diese Magier sollen
von Matthäos aus Aethiopien vertrieben worden sein —
augenscheinlich ein Zusatz des Abdias, um diese Akten mit
denen des Matthäos, in denen jene beiden Persönlichkeiten
wiederkehren, wenigstens äusserlich zu verbinden. Die beiden
Apostel treffen auf ihrem Wege mit Varardach, dem Feld-
herrn des über Persien herrschenden und rex Babyloniorum
genannten Xerxes, zusammen: Varardach zog damals mit
einem Heere wider die Inder, welche die Tributzahlung ein-
gestellt hatten und in Persien eingefallen waren, um die
Grenzen zu schützen und die Vereinigung der Inder mit den
Medern zu verhindern. Die von Varardach über den Erfolg
des Unternehmens befragten Priester seiner Gotter weissagen
eine blutige Schlacht, die Apostel dagegen einen friedlichen
^Ausgang. Am folgenden Tage kehren mit den auf Drome-
daren vorausgeschickten Herolden des Perserfeldherm vor-
nehme Inder als Gesandte zurück, welche sich zur Zurückgabe
der besetzten Landschaften, zur pünktlichen Tributzahlung
und zu jeglicher Friedensbedingung verstehen. Die der Lüge
1) Für cum . . . per fidem fuissent reUgionem ingressi (VI, 7) ist
natürhch zu schreiben cum . . . Persidem fuissent regionem ingresai.
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 365
überfQhrten Priester werden nur durch die Fürbittte der
Apostel von dem ihnen drohenden Feaertode errettet. Simon
und Judas erlangen bei Yarardach grosses Ansehen und
werden von ihm dem Könige Xerxes empfohlen. Zaroes
und Arfaxat^ welche bis dahin an seinem Hofe sehr an-
gesehen waren y unterliegen in einem Wettstreite Tor den
Aposteln, wie einst die ägyptischen Zauberer vor Moses; sie
räumen das Feld, und die beiden Apostel bleiben auf Bittenasi
des Königs und seines Feldherm in Babylon, thun während
ihres Aufenthaltes von einem Jahre und drei Monaten allerlei
Wunder und bekehren den Xerxes mit seinem ganzen Volke
zum Christenthum. Von Babylon brechen sie auf, um in
den zwölf Provinzen Persiens das Evangelium zu predigen;
die beiden Magier ziehen überall vor ihnen her und schwärzen
sie aus Rachsucht bei der Bevölkerung an. Sie kommen auch
nach der grossen civitas Suanir, wo 70 Tempelpriester waren,
die jährlich bei den an den vier iVova oder Jahrpunkten
abgehaltenen Festschmäusen des Sonnengottes je ein Pfund
Goldes vom Konige erhielten. In einer Capelle des Tempels
stand aus Gold gegossen der Sonnengott auf einem Vier-
gespanne, in einer anderen aus Silber die Mondgöttin, ge-
zogen von vier Rindern. Als Simon und Judas in jene
Stadt kommen, verlangen die Priester, deren Eigennutz von
Zaroes und Arfaxat aufgestachelt worden war, von ihnen
die Anbetung der Götterbilder: statt dessen bewirken sie
durch ihr Gebet deren Zertrümmerung und werden dafür
sammt ihrem Wirthe Sennes hingerichtet. Da schlägt der
Blitz in den Götzentempel und erschlägt die beiden Magier.
Nach drei Monaten aber schickte König Xerxes hin und
confiscirte das Vermögen der Tempelpriester: über dem
Grabe des Simon und Judas baute er eine prächtige Kirche,
deren Vollendung drei Jahre in Anspruch nahm.
Als Quelle für die Thaten und Leiden der beiden
Apostel während ihrer 13jährigen Mission in Persien beruft
sich Abdias VI, 20 auf ein Werk ihres Schülers Kraton in
zehn Büchern, welches der Geschichtsschreiber Africanus ins
Lateinische übersetzt habe. Diese Notiz hat man als Variante
366 DIE KOENIGSNAMEN
einer anderen betrachtet, die sich, in der Praefatio des an-
geblichen Africanus (bei Fabricius p. 391) findet: ihr zufolge
soll die Geschichte aller Apostel von Abdias, Bischof von
Babylon, einem Schüler des Simon und Judas, in hebräischer
Sprache aufgezeichnet, von dessen Schüler Eutropios ins
Griechische übersetzt und dessen Werk endlich von Africanus
ins Lateinische übertragen und in zehn Bücher vertheilt
worden sein, so dass auf jeden Apostel eins komme. So
verhält es sich in der That, nur das sechste Buch umfasst
ausser dem Leben des jüngeren Jakobos auch das des Simon
und Judas: offenbar will der * lateinische Bearbeiter die Ge-
schichte des Letzteren als einen aus anderer Quelle ein-
geschalteten Anhang zum sechsten Buche betrachtet wissen,
ist keineswegs im Widerspruche mit sich selbst. Es sind
beidemal verschiedene Autoritäten gemeint, die eine natür-
lich so plump erfunden als die andere^ und nichts kann
unkritischer sein, als diese Notizen zu Folgerungen über
die wahren Quellen des angeblichen Africanus benutzen zu
wollen. Hinsichtlich der Thaten des Simon und Judas ist
nur so viel sicher, dass Moses von Chorene (der zwischen
459 und 481 schrieb) sie zwar nicht^elbst gekannt (II, 31, 6
p. 143), aber eine Quelle benutzt hat, in der sie bereits vor-
ausgesetzt sind (II, 30, 16 — 21 p. 140 f.). Er theilt nämlich
382zwei Empfehlungsbriefe mit, die Abgar für Simon an den
Knaben Nerseh, König von Assyrien zu Babylon, und an
dessen Vater Artashes, den König der Könige, geschrieben
haben soll. Beide standen, was man dem Moses gern glaubt^
nicht im Edessenischen Archiv (§ 16), und dies wird dadurch
motivirt, dass Abgar gestorben sei, ehe er die Antwortbriefe
erhalten habe (§ 21). Artashes IL regierte nach Moses von
Chorene von 7 — 41 n. Ch., was nur um ein Jahr zu früh
ist: der ihm entsprechende Artabanos III. der Classiker starb
nach den Münzen im August 42. Abgars Regierung föUt
nach der Synchronistik des armenischen Historikers in die
Jahre 5 — 43, was sich, wie wir gesehen haben, von der
wahren Zeitrechnung stärker entfernt. Moses ist also mit
sich selbst in einem Widerspruch, den ich bereits an einem
IN DEN APOKKYPHEN APOSTELGESC SICHTEN. 367
anderen Orte^) aus der Yerniischung zweier ganz verschiedener
Traditionen zu erklären gesacht habe: der vom Abgar, die
von seinem Verkehre mit dem Perserkonige Artash§s II.
wusste, und der Legende von Simon, die denselben um das
Jahr 43 unter einem Eonige Namens Nerseh in Persien das
Evangelium predigen liess; um beide vereinigen zu können,
hat der Erfinder des Briefes den Nerseh zum Unterkonige
von Assyrien bei Lebzeiten des Yaters gemacht. Die Thaten
des Simon und Judas, die mir, als ich dies schrieb, noch
nicht bekannt waren, bestätigen meine Yermuthung voll-
kommen: sie stehen in keinem Zusammenhange mit der
Abgarsage, die beiden Empfehlungsbriefe haben nur den
Zweck, einen ganz äusserlichen herzustellen; von Artash^s
ist keine Bicde, dagegen erkennt man den Nerseh sofort in
dem Xerxes wieder, unter welchem Simon und Judas in
Persien wirken. Der seltene Name Nerses ist vom lateini-
schen Bearbeiter mit dem geläufigeren Xerses*) vertauscht
worden. Die Verzeichnisse der Ashkanier (Arsakiden) bei
Arabern und Neupersern, welche auf unter Ghosru Nushir-
wan gemachte Aufzeichnungen zurückgehen, kennen in der
That zwei Könige jenes Namens. Dass diese wenn auch
späten Quellen echte Nachrichten enthalten und wie sie zu
benutzen sindf habe ich a. a. 0. S. 55 f. auseinandergesetzt
und erlaube mir zur Begründung meiner Ansicht, dass die
Einkleidung auch dieser Akten auf die wahre Geschichte
Rücksicht nimmt, auf jenen Artikel zu verweisen. In den
letzten Jahren des Abgar regierten zwei Söhne des Arta-
banos in Persieu, Vardanes und 6ot£g*zes; einem derselben
muss der religiöse Zuname Nerseh (entstanden aus zendi-
1) Artikel Gotarzes in der Allgemeinen EncyklopäUie der Wissen-
Schäften und Künste. Erste Section. LXXV S. 27.
2} Diese Form findet sich so häufig in selbst alten Handschriften,
dass ihre grundsätzliche Verbannung aus den Texten mir nicht gerecht-
fertigt erscheint. Freilich wird sie nur der Rücksicht auf den Wohl-
klang ihren Ursprung verdanken und der Umstand, dass sie der
ursprünglichen Namensform (altpersisch Ehsajärsä, syrisch Achshiresh)
näher kommt als die griechische, ein blosser Zufall sein.
368 DIE KOENIGSNAMEN
3838chem Nairjö^a ha, d. i. männliches Wort^)) zukommen, und
zwar dem Vardanes, da die neupersischen Quellen Göderz
und Nerseh zu Brüdern machen. Vardanes hatte seinen Sitz
in Babylonien; sein Bruder Gotarzes machte ihm den Thron
streitig und behauptete sich neben ihm in den oberen Sa-
trapien. Die in den Thaten des Simon und Judas aus-
gesprochene Befürchtung, die Meder möchten den rebellischen
Indem gegen das Heer des Nerses zu Hülfe kommen, ent-
spricht also genau den (in späterer Zeit nicht wiederkehren-
den) geschichtlichen Verhältnissen. Auch die Tributleistung
der Inder, ihr Aufstand und Einfall in Persien ist keines-
wegs so apokryph, als es auf den ersten Blick scheinen
könnte: man erinnere sich, dass in Weiss-Indien eine parthi-
sche Nebenlinie regierte und dass gerade Vardanes nach
Tacitus grosse Eroberungen im Osten machte. Ja es findet
sogar das überraschende Zusammentreffen statt, dass der
indische Geschichtsschreiber Ferishtah von einer Tribut-
leistung redet, die der Inderkönig den Ashkaniern Goderz
und Nerseh geschuldet habe (bei Dow I S. 27 der deutschen
Uebersetzung), die Nachricht der Thaten des Simon und
Judas also direct zu bestätigen scheint.^) Auch der Name
des Feldherm, den Nerses gegen die Inder schickt, sieht
nicht wie erfunden aus: man erkennt in Varardach unschwer
eine der vielen Abwandlungen wieder, die der zendische
Name VSrethraghna in den iranischen Dialekten erfahren
hat: am nächsten kommt die Form OP/lArNO auf den
Münzen des Eanerki. Den Schauplatz des Martyriums der
1) Name eines Izeds, Über den man Spiegel zam Ayesta III
S. XLIII yergleicben kann.
2) Ich sehe mich in diesem Falle genöthigt, das in dem Artikel
Gotarzes S. 59 gefällte skeptische Urtheil zurückzunehmen, wie ich
denn überhaupt Yon der herrschenden ungünstigen Meinung über die
neupersischen Annalen mehr und mehr zurückkomme. Der Leser, der
über diese Palinodie den Kopf schüttelt, möge bedenken, dass die
neupersischen Chronisten des 15. Jahrhunderts und noch spätere für
uns genau den Werth haben , der unseren mittelalterlichen Welt-
chroniken für alte Geschichte zukommen würde, wenn die Chronik
des Eusebios verloren wäre.
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 369
beiden Apostel nennt das dem Hieronymus zugeschriebene
Martyrologium Suanis statt Suanir, und es ist darin schon
von Tillemont (Mem. eccl. I S. 425) mit vieler Wahrschein-
lichkeit der Name der Suanen im nordlichen Eolchis erkannt
worden. Denn in die nördlichen Yorlande Armeniens ver-
legen auch unsere anderen Quellen den Tod der beiden
Apostel. Moses von Chorene lässt den Simon in Yerio-
sphorä umkommen (II; 34 bei Le Vaillant I p. 232)^ was
bei Whiston (II, 31, 6 p. 143) mit „apud Bosporum Ibericum^^
übersetzt ist. Er scheint also anzunehmen, dass Moses
„Iberisch^' und „Eimmerisch^^ verwechselt hat, und aller-
dings wird der kimmerische Bosporos in den Menäen zum
30. November als Ort des Martyriums genannt: allein Phor
kommt als zweiter Bestandtheil iberischer Landschaftsnamen
sehr häufig vor (fünfmal in Yirch bei Mos« Chor. Geogr. 63384
p. 356, zweimal in Gugarch ebenda 78, dreimal in Tajch
ebenda 79 p. 161), wodurch der Name hinlänglich gesichert
ist. Da in die neugriechischen Heiligengeschichten Vieles
aus armenischen Quellen übergegangen ist^), so ist die um-
gekehrte Annahme, dass der kimmerische Bosporos aus Miss-
deutung des ähnlich klingenden Namens entstanden ist, die
wahrscheinlichere. Auch die einheimische Chronik des geor-
gischen Königs Wachtaug (bei Elaproth, Reise in den Kau-
kasus II S. 113) lässt den Simon das Christenthum in Egrissi,
d. i. Eolchis predigen. Gerade während der Jahre, in denen
die Thaten des Simon und Judas spielen, nämlich von 39 — 47,
stand Armenien unter unmittelbarer Herrschaft der Parther
(Tac* Ann. XI, 9)^); also auch in diesem Punkte erweisen
sie sich als wohl unterrichtet. Ebensowenig sind die Namen
der beiden Magier zufallig: Zaroes ist Zarvan (zendisch
1) Als Beispiel fahre ich an, dass nach den Menäen zum 19. Jali
Thaddäos mit Pfeilen erschossen worden sein soll Iv 'Affciq^ rj aroXet;
es ist zn schreiben h 'AQttQatri noln, „im Staate Ararat**, was mit
der armenischen Tradition übereinstimmt.
2) Der armenische Gauname KotaqirivT^ bei Ptol. V, 13, 9 darf
vielleicht bei der Seltenheit des Namens Gotarzes von dem Farther-
könige hergeleitet werden.
T. OcTscHMiD, Kleine Schriften. II. 24
370 DIE KOENIGSNAMEN
Zrväna), die Zeit^ das oberste kosmogonisclie Princip in den
Speculationen des späteren Parsismus^ Arfaxat aber trägt
den Namen des schon in der Bibel vorkommenden Stamm-
landes der Obaldäer. Jener ist also Repräsentant der persi-
sehen; dieser der chaldäischen Weisheit, beide kommen neben-
einander unter den Namen Ehesarvanüs^) und Arphäzad als
vierter und fünfter Konig einer angeblichen uralten chaldäi-
schen Dynastie bei Barhebräus^ Chron. Syr. p. 11 vor, ein
Beweis ; dass dieses Figurenpaar von dem christlichen Ver-
fasser aus der einheimischen Sage herübergenommen ist
Die Lehren, welche den beiden Magiern in den Mund gelegt
werden, sind schon von Fabricius als rein manichäisch er-
kannt worden; der Verfasser der Thaten des Simon und
Judas geht hier so ins Detail und stellt die beiden Magier
so in den Mittelpunkt seiner Erzählung, dass man die Be-
kämpfung der Manichäer wohl als die ^wesentliche Tendenz
der Schrift anzusehen hat. Auch in dem, was vom Cultus
der Perser vorkommt, erweist er sich als gut unterrichtet.
Dass das Pferd speciell dem Sonnengotte oder Mithras
geweiht war, ist bekannt genug (vgl. Brissonius, De regio
Persarum principatu p. 159); der Mond heisst im Zendavesta
Geber der Heerden und Bewahrer des Stiersamens; der Ana-
hita, die unter der Mondgöttin gemeint sein wird, wurden
heilige Kühe gehalten (Plut. Luculi. 24). Auch die festliche
Begehung der vier Jahrpunkte hat ihre Richtigkeit: auf die
Aequinoctien fallen die beiden grössten Feste der Perser, das
sSöNeujahrsfest am 1. Ferverdin und das Mihrgän am 16. Mihr,
und unter den übrigen Festen haben in späterer Zeit das
Abrizgän oder das Fest des mit Wasser Besprengens und
das Shab-i-Sada oder das Fest der hundert Nächte eine
hervorragende Bedeutung erlangt, von denen jenes am
30. Chordäd kurz vor der Sommersonnenwende, dieses am
10. Bahman kurz nach der Wintersonnenwende gefeiert wird
1) Die Erklärung dieses Namens, welche ich in der Zeitschrift
der deutschen morgenländi sehen Gesellschaft XV S. S3 [Abschnitt XVI
dieses Bandes] vorgeschlagen hatte, wird jetzt durch die Thaten des
Simon und Judas ausser Zweifel gesetzt.
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 371
(vgl. Hyde p. 242. 253). Der Ausdruck Nova^ dessen sich
Abdias für die Jahrpunkte bedient ^ ist wörtliche Ueber-
setzung des persischen Naurüz (d. i. neuer Tag), womit
nicht bloss das Neujahrsfest, sondern auch das Mihrgän
bezeichnet zu werden pflegt (vgl, d'Herbelot u. d. W. Neu-
rouz). Auch der den falschen Propheten angedrohte Feuer-
tod beweist nichts weniger als Unbekanntschaft des Erzählers
mit persischen Sitten; über diesen Punkt herrschen sehr
falsche Vorstellungen. Das den Vorschriften des Zendayesta
am besten entsprechende Institut der Leichenthürme^ durch
welches man die Verunreinigung eines der vier Elemente
durch die Verwesung zu yerhüten wähnte^ war selbstver-
ständlich nur in dünn bevölkerten Gegenden und bei kleinen
Gemeinden anw^dbar; in volkreichen Gegenden und in
grossen Städten nöthigt die factische Unmöglichkeit der
Durchführung zu Concessionen an die gesundheitspolizei-
liche Nothwendigkeit. Es fragte sich nur, welches ,die
geringere Ketzerei sei, ob Verbrennen oder Begraben der
Todten. In der Achämenidenzeit scheint es in verschiedenen
Provinzen verschieden gehalten worden zu sein, unter den
Sasaniden dagegen war das Verbrennen gesetzliche Vorschrift
(vgl. meine Bemerkungen in den Berichten der königlich
sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften 1861 S. 198).*)
Also beweist jener Zug nur aufs Neue die Vertrautheit des
christlichen Erzählers mit persischem Thun und Treiben.
Wie die christliche Tradition dazu gekommen ist, gerade
den Nerses = Vardanes zum Beschützer des Simon und
Judas und zum christlichen Proselyten zu machen, darüber
kann man wahrscheinlich auch noch Rechenschaft geben.
Vardanes war ein nicht bloss durch seine tapferen Thaten,
sondern auch durch seine Vorliebe für die Griechen berühmter
König; ihn besuchte gerade in den Jahren, in welche die
Ankunft des Simon und Judas verlegt wird, nämlich 44 — 46*),
*) \y^' Gutfichmids Bemerkung in der Praefatio zu Jeeps Aus-
gabe des Jnstinus zu XIX, 1, 10 und in der Anzeige von Rühls Textes-
qnellen des Justinas im Literarischen Centralblatt 1872 S. 660. F. R.]
1) Wie ich in dem Artikel „Gotarzes" S. 40 nachgewiesen habe.
24*
372 DIE KOENIGSNAMEN
in Babjlon Apollonios von Tyana mit seinem Schüler
Damis und gewann sich in dem Partherkönige einen eifrigen
Gönner und begeisterten Jünger. Da Apollonios von den
Neupjthagoreern neben Christus und ihm gegenübergestellt
worden ist und da zwischen den Anhängern Beider eine
notorische Rlyalität bestand, so begreift es sich, dass jener
Episode aus dem Leben des Apollonios in den Thaten des
Simon und Judas am Hofe des Nerses ein christliches
Seitenstück gegenübergestellt worden ist.
,;Es fehlte wirklich nur noch — so höre ich schon im
SSeGeiste den oder jenen an herkömmlichen Ansichten fest-
haltenden Leser ungeduldig ausrufen — dass uns die in den
Thaten des Matthäos (welche das siebente Buch des Ab-
dias bilden) yorkommenden äthiopischen Könige mit ihren
gut griechischen Namen als historische Personen aufgenöthigt
würden I^' Allerdings gedenke ich dies zu thun und erlaube
mir sogar, diese späteste aller Apostelgeschichten zum stärk-
. sten Beweise dafür zu verwenden, dass die herkömmliche An-
sicht Yon der gänzlichen Ungeschichtlichkeit dieses Literatur-
zweiges, wenigstens insoweit es sich um die Einkleidung
handelt, unhaltbar ist. Unwissend genug war freilich der
Gewährsmann, dem Abdias hier gefolgt ist. Er lässt näm-
lich den Evangelisten Matthäos nach Aethiopien kommen
und bei einem Eunuchen Namens Candacis einkehren, indem
er mit anderen schlechten Bibelerklärern^) in den Worten
der Apostelgeschichte 8, 27 Kavddxrig für den Nom. masc
statt des Gen. fem. gehalten hat. Die Königin der Aethiopen
nennt er statt Kavdaxri Euphenissa, und lässt ihr Söhnlein
Euphranon durch Matthäos von den Todten auferweckt wer-
den. Mit Sicherheit lassen sich hier die griechischen Namen
Evg>Qaivov0a und EvtpQalviov (oder, wie Fabricius vorschlug,
Evq)Qdv(0(f) herstellen. Euphränusas Gemahl, König Aeglippus,
hatte an seinem Hofe zwei Magier, Namens Zaroes und Ar-
faxat, die uns schon aus den Thaten des Simon und Judas
bekannt sind. Ihre Gaukelkünste wurden von Matthäos ent-
1) Vgl. Fabricins zu Abdias VII, 2 p. 639.
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 373
larvt; sie gaben sicli überwunden und flohen vor dem Apostel
nach Persien. Infolge jenes Wunders gelang es dem Matthäos,
den Eonig zu bekehren. Er lässt sich mit seinem Weibe, dem
wiederbelebten Knaben. und einer Tochter Namens Iphigenia
taufen; Iphigenia nimmt sogar den Schleier. Aeglippus rief
alles Volk zusammen, dass es die Kirche der Auferstehung
bauete, und das Gotteshaus kam zu Stande und Matthäos
waltete darin 23 Jahre lang. Der König beforderte die neue
Religion nach Kräften und zerstörte die Götzentempel, starb
aber bald darauf, und sein Bruder Hyrtacas ward König an
seiner Statt. Gegen sein Vorhaben, seine Nichte Iphigenia
zu heirathen, erhebt Matthäos Einspruch und wird dafQr
durch den von Hyrtacus abgeschickten Speculator am Altare
niedergestossen. Der König sucht hierauf vergeblich sich
Iphigeniens zu bemächtigen und legt Feuer an den Hof, in
welchem sie mit anderen Gott geweihten Jungfrauen wohnt;
der Wind aber treibt die Flammen von da weg und auf den
Palast des Königs, der abbrennt. Hyrtacus selbst wird mit
der Elephantiasis bestraft und stürzt sich, da er sich un-
heilbar weiss, in das eigene Schwert Da ward Beor, Iphi-
geniens Bruder, den sie durch den Matthäos hatte taufen
lassen, vom Volke zum Könige gewählt; und es wurden in
allen Provinzen Aethiopiens durch Iphigenia katholische (sie)
Kirchen gebaut, die bis auf den heutigen Tag stehen. 25 Jahre
alt war Beor, da er König ward und regierte 63, so dass die887
Jahre seines Lebens 88 waren; und er ernannte bei seinen
Lebzeiten den einen seiner Söhne zum HgerfQhrer, den an-
deren zum König und sah Kinder und Kindeskinder bis ins
vierte Glied und lebte in Frieden mit Römern und Persern.
Der Schluss der Erzählung giebt erwünschten Aufschluss
über den Ort der Handlung und die Zeit der Abfassung.
Von Krieg oder Frieden Aethiopiens mit Persien konnte erst
seit der Eroberung des Sabäerreiches durch den abyssinischen
König Elesbaas im Jahre 524 die Bede sein, von welcher
Zeit an die Römer öfters den Versuch machten, die glaubens-
verwandten Abyssinier zu Diversionen gegen die Sasaniden
zu bewegen. Unter dem Aethiopien des Abdias ist also
374 DIE KOENIGSNAMEN
Abyssinien gemeint, nicht das wahre Reich der Eandake,
welches yiel weiter nördlich in Nubien lag. Die Haupt-
stadt Aethiopiens, in der Matthäos den Märtyrertod erlitten
haben soll, nennt derselbe Abdias Naddaver, eine Form, die
von Napata, wie die Hauptstadt der Kandake hiess, zu weit
abliegt, um für eine blosse Entstellung Yon Napatis gelten
zu können, und sonst nirgends vorkommt ausser bei Venantius
Fortunatus VII, 4. 5. Dieser hat sie gewiss erst aus unserer
Stelle. Da Venantius 609 starb, so ergiebt sich mit grosser
Sicherheit die zweite Hälfte des sechsten Jahrhunderts als
Abfassungszeit der den Namen des Abdias tragenden Apo-
stolica historia. Der Evangelist Matthäos ist natürlich so
wenig in das Reich der Kandake wie nach Abyssinien
gekommen, das notorisch erst im Jahre 331 zum Christen-
thume bekehrt worden ist; den Anlass, ihn mit diesen Gegen-
den in Verbindung zu bringen, wie dies schon von Rufinus
und Sokrates geschehen ist, bot wohl einzig und allein die
bei Eusebios Hist. eccl. V, 10, 3 erhaltene Nachricht, dass
Pantänos bei den unter den Indern (d. i. den Sabäern) wohnen-
den Christen das Evangelium des Matthäos in hebräischer
Sprache vorgefunden habe. Bereits Fabricius hat darauf auf-
merksam gemacht, dass christianissimus rex, wie Aeglippus
VII, 8 genannt wird, der Ehrenname ist, der im griechischen
Synaxar zum 24. October dem oben genannten Elesbaas bei-
gelegt wird. Ja die Anklänge an dessen Geschichte sind
sogar noch viel schlagender. Im äthiopischen Synax&r zum
20. Ginbot (d. i. 15. Mai) ^) heisst es ganz wie vom Beor
des Abdias von Käleb (dies ist der wahre Name des Eles-
baas), dem Eroberer von Sabä: „und er schickte dorthin als
Konig seinen erstgeborenen Sohn Namens Esrä'el, welcher
seinem Willen gemäss im Verborgenen auf einem Wagen
regieren sollte, ohne sich sehen zu lassen und schickte ihn
ins Feld gegen die, welche das Gesetz Gottes nicht hatten •••
Und Gabra-Masqal, den jüngeren, Hess er öffentlich regieren,
weil er ihn liebte, und er ward genannt König von Zion
1) Bei Sapeto, Yiaggio e missione cattolica fra i Mensä, i Bogos
e gli Habab (Roma 1857. 8^) p. 422 f.
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 375
und sass auf dem Throne seines Vaters/' Es liegt also388
hier eine Zurückdatining des Christenthums der Abyssinier
bis in die apostolische Zeit vor, bei der einzelne Züge aus
dem Leben des durch seinen Eifer für das Christenthum
besonders berühmten Elesbaas auf seine angeblich christ-
lichen Ahnen Aeglippus und Beor übertragen worden sind.
Je näher wegen der vielen griechischen oder griechisch
klingenden Namen der Verdacht gelegt ist; dass hier durch-
weg ein reines Spiel der Phantasie vorliegt, um so über-
raschender ist das EnÜastungszeugnisS; welches dem Abdias
durch die abyssinischen Konigslisten zu Theil wird. Für die
älteste Zeit giebt es deren zwei, über deren Verhältniss zu
einander und ihre Glaubwürdigkeit Dillmann in der Zeit-
schrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft VII
S. 339 ff. zu vergleichen ist. In beiden finden wir die zwei
christlichen Aethiopenkonige des Abdias in derselben Auf-
einanderfolge, durch einen Zwischenkonig getrennt, wieder,
nämlich:
Abdias. Liste A. Liste B.
Aeglippus 1 regieren 23 Jahre Aglebü reg. 3J.(34y.Ch.— 31) Aglebül.
HyrtacQS l(etwa45n.Cb.— 68) Ausenft „ lJ.(31~30) BawaweL
Beor . . . regiert 63 Jahre Beriwäs „ 29J.(30— Iv.Ch.) Bawariä.
(etwa 68—131)
Die Zeitrechnung dieser ältesten Könige ist sehr un-
sicher: die Regierungsjahre sind nur in der einen Liste
angegeben und die Nebenlinien nicht von den Hauptlinien
getrennt, so dass die Summe der einzelnen Regierungsjahre
in dem Zeitraum von Bäzen, unter den nach der in den auf
uns gekommenen Chroniken befolgten Synchronistik Christi
Geburt gesetzt wird^ bis auf die Einführung des Christen-
thums unter Abreha und Atzbeha 425 statt 333^ die Zeit
von da bis auf Gabra-Masqal 245 statt 184 Jahre beträgt
Schon die abyssinischen Gelehrten, welche diese Listen nach
der Wiederherstellung des Reiches durch Ikünö-Amläk (1270
n. Ch.) zusammengestellt haben, sind augenscheinlich nicht
im Besitze der Mittel gewesen, für die ältesten Perioden
ihrer Geschichte eine im Einzelnen genaue Zeitrechnung
376 DIE KOENIGSNAMEN
herzustellen; sie können leicht zwischen Bazen und den
ersten christlichen Eonigen zu wenig Nebenkönige aus-
geschieden haben und so zu einem Synchronismus gelangt
sein, der den Bazen etwa um ein Jahrhundert zu früh setzte.
Weder dies noch die abweichende Angabe der Regierungs-
jahre kann bei solcher Beschaffenheit der Quellen der völligen
Identität der Namen Aglebü und Aeglippus, Bawaris und
Beor gegenüber in die Wagschale fallen. Es ist sogar
fraglich, ob ein abyssinischer König so früh wie 34 v. Ch.
schon den Namen Aglebü oder Aglebül geführt haben kann.
Von diesen beiden Namensformen ist nämlich die letztere
ohne Zweifel die ursprünglichere, und es liegt in ihr ein
gutes Stück Geschichte verborgen. Aglebül ist unverkennbar
derselbe Name wie 'Aglibol, der uns aus einer römischen
Inschrift aus dem Jahre 236 n. Ch. (griechischer Text im
3890. I. Gr. No. 6015, Palmyrenischer bei Eichhorn in den
Comment. Gotting. recent. VI p. 98*)) als einer der xatgäoc
d'soi von Palmyra bekannt ist. Dieses Zusammentreffen
verliert an Auffälligkeit durch eine bisher gänzlich verein-
samt dastehende Notiz. Wir meinen die merkwürdige Er-
zählung des Philostorgios p. 470 (aus dem sie Nikeph.
Kaliist. IX, 18 hat) von der syrischen Golonie östlich von
Axum an der Meeresküste, die von Alexander dem Grossen
aus ihrer Heimath dorthin verpflanzt worden sei und sich
noch im vierten Jahrhundert n. Ch. ihrer eigenen syrischen
Sprache bediente. Der Ursprung dieser Golonie ist natür-
lich sagenhaft — höchstens könnte man an Ptolemäos IIL
denken; wahrscheinlicher aber ist es, dass diese Syrer nicht
durch einen Eroberer verpflanzt worden, sondern freiwillig
im Gefolge des alexandrinischen Welthandels dorthin ge-
kommen sind. Dieser nahm in jenen Gegenden erst von der
Zeit des Augustus an seinen rechten Aufschwung; das Haupt-
emporium Adulis wird zuerst von Juba erwähnt. Auch die
Bedeutung von Palmyra als Handelsstadt ist nicht älter als
die erste Kaiserzeit; die früheste Palmyrenische Inschrift ist
*) [Vgl. jetzt Zeitachrift der deutschen morgenl&n diseben Gesell-
schaft XVm S. 99 ff. F. R.]
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 377
aus dem Jahre 3 d. Ch. (C. I. Gr. No. 4504). Es ist also
wahrscheinlicher, dass ein abyssinischer König, der nach dem
syrischen Gotte benannt ist, 45 n. Gh., als dass er 34 v. Ch.
gelebt hat. Doch das mag sein, wie es wolle, an diesem
interessanten Beispiele der Verpflanzung eines Cultus durch
den Handel ist nicht zu ^zweifeln.
Hinsichtlich des Morders des Matthäos, in dessen Namen
auch die zwei abyssinischen Eönigslisten auseinandergehen,
stimmt Äbdias mit keiner von beiden, sondern giebt ihm
den gar nicht abyssinisch klingenden Namen Hyrtacus. Dies
sieht ganz wie die durch eine Homerische Reminiscenz beein-
fiusste Umschreibung eines persischen Namens aus: Bagtccxr^g
im Esdr. Gr. 4, 29^) ist ganz dasselbe. Ich glaube, dieser
Name und unsere alten Bekannten Zaroes und Arfaxat, die
schon durch ihre Namen verrathen, dass sie nicht nach
Aethiopien gehören, sind Beste der älteren Matthäostradition,
die Abdias in seine Erzählung mit hinübergenommen hai
Diese weist nämlich ziemlich einmüthig dem Evangelisten
dasselbe Missionsgebiet zu, wie dem Simon und Judas ^):
Paulinus von Nola (carm. 26) sagt, er sei in Parthien ge-
storben, die neugriechischen Menäen zum 16. November
lassen ihn den Parthern und Medern das Evangelium pre-
digen, Ambrosius (zu Psalm 45) den Persem; die lateinischen
Martyrologien endlich nennen als Ort seines Martyriums bald
Persis, bald genauer Tarsiana in Earmanien. Diese Tradition390
scheint Beachtung zu verdienen; denn ein Ort Namens TacQ-
övava in dem genannten Lande ist durch Ptolemäos VI, 8, 13
gesichert. Daran wenigstens ist nicht zu zweifeln, dass diese
Nachrichten ursprünglicher sind als die, welche den Matthäos
nach Aethiopien bringen. Ich erkenne daher in Hyrtacus
denselben Namen wie OP^ArNO^ OP&ArNHZ^ denselben
1) Beiläufig, 'Atedftriv triv GvyatiQcc BaQtunov tov d'avfucßtov oder
tov 0avficce£oVf wie Jos. A. J. XI, 3, 6 gelesen hat, ist nicht ,,Tochter
des wanderbaren Bartakos^*, wie Ewald, Geschichte des Volkes Israel
lY S. 133 übersetzt hat, sondern es ist tov Qap.ao£ov herzastellen, was
als persischer Eigenname aus Herodot YII, 194 bekannt ist.
2) Die Nachrichten findet man zusammengestellt bei Tillemont,
Mdm. eccl. I S. 386.
378 DIE K0ENIG8NAMEN
Mann wie den Yarardach der Thaten des Simon und
Judas, der in der Matthaossage eine von seiner dortigen
verschiedene Rolle gespielt haben mag, und vermuthe, dass
auch die beiden Magier in der älteren Darstellung in engerer
Beziehung zum Tode des Matthäos gestanden haben werden,
als jetzt. ^)
Die apokryphen Apostelgeschichten, die wir bisher zu
betrachten Gelegenheit hatten, rühren aus sehr verschiedenen
Zeiten her: die Acten des Paulos und der Thekla aus dem
Ende des zweiten, die TlBgCodoi des Thomas aus dem Ende
des dritten, der Briefwechsel zwischen Christas und Abgar
aus dem vierten, die Acten des Simon und Judas spätestens
aus dem fünften, die TsXeimöig des Thomas und das Mar-
tyrium des Bartfablomäos vielleicht, die Acten des Matthäos
sicher erst aus dem sechsten Jahrhundert. Trotzdem lässt
sich in ihrer Stellung zur Geschichte kein wesentlicher Unter-
schied wahrnehmen: ein Beweis, dass der Kern dieser Legen-
den sich unter den Christen viel früher consolidirt haben
muss, als man insgemein annimmt, und dass die späteren
Bearbeiter sich auf eine dogmatischen oder rein erbau-
lichen Zwecken entsprechende Ausfüllung des überkommenen
Rahmens beschränkt haben. Nicht chronologische Kriterien,
nur innere, aus Inhalt und Farbe der Einkleidung entnommene
Gründe können über die historische Brauchbarkeit derartiger
Schriften entscheiden. In dieser Hinsicht stechen die beiden
auf die Schicksale des Matthäos und Andreas bezüglichen
Geschichten von den übrigen ungemein ab , wie ein Blick
auf den Inhalt darthun wird. Nach den IlQa^svg Mat-
%'Cov Hai ^AvSgiov iv tfi x^oga räv avd'Qa)7Cog)dy{ov^)
kam Matthäos in die Stadt der Menschenfresser, welche die
1) Eine Spur davon hat sich bei Abdias YII, 36 erhalten, wo
Ilyrtacus die Magier aufbietet , um durch ihre Künste Iphigenien in
seine Gewalt zu bringen, obgleich die Flucht des Zaro^s und Arfaxat
nach Persien schon vorher erzählt worden war.
2) Herausgegeben von Thilo, Acta SS. apostoloram Andreae et
Matthiae et commentatio de eorundem origine, Halle 1846. 4^, und
Yon Tischendorf in den Acta apostt. apocr. p. 132 ff.
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 379
Fremden, die zu ihnen kamen, blendeten und durch einen
Zaubertrank zu Thieren erniedrigten, um sie nach 30 Tagen
zu fressen, und theilte jenes Schicksal. Christus gab ihm
auf sein Gebet das Augenlicht wieder und entbot den An-
dreas zu seiner Rettung. Aus dem Lande, wo Andreas da-
mals predigte (Abdias III, 2 — 3 nach dem Cod. Guelf. bei
Thilo p. VII nennt Achaia), wurde er in wunderbarer Weiseso l
auf einem Fahrzeuge, das Christus selbst mit zwei Engeln
als Steuermann lenkte, in einem Tage zu den Menschen-
fressern gebracht und ausserhalb ihrer Stadt schlafend ans
Land gesetzt. Andreas geht in die Stadt hinein, vor dem
Zeichen des Kreuzes offnen sich die Thüren des Gefängnisses,
die sieben Wächter fallen entseelt nieder, Matthäos wird von
ihm befreit und mit ihm die übrigen Gefangenen, denen der
Apostel Gesicht und Menschenverstand wiedergiebt. Den
Matthäos entrückt eine Wolke in Petros' Nähe, Andreas
aber beobachtet hinter einer ehernen Säule das Treiben der
Eingeborenen. Als die Befreiung der Gefangenen entdeckt
ist, beschliessen die Oberen der Stadt, zunächst die Leichen
der Wächter in die Mitte der Stadt zu bringen, wo Back-
ofen und Kelter das Fleisch und Blut der Geopferten in
Empfang nahmen. Als aber die Henker im Begriff waren,
hier Hand an die Leichen zu legen, fielen ihnen auf das
Gebet des Andreas die Messer aus den Händen, welche er-
starrten. Darauf wird das Loos über sieben Greise geworfen,
die zum allgemeinen Besten geschlachtet werden sollen; einer
derselben kauft sich durch das Opfer seiner beiden Kinder
los. Als die Henker den Letzteren nahen, fallen ihnen
wiederum die Messer aus deü Händen. Als hierauf Rath-
losigkeit sich der Menschenfresser bemächtigt, macht sie der
Teufel auf den Andreas aufmerksam; sie können ihn nicht
sehen, auf Christi Geheiss aber giebt er sich ihnen zu er-
kennen, wird ergriffen und drei Tage hintereinander mit
einem Strick um den Hals durch die Strassen geschleift,
jeden Abend in den Kerker zurückgeführt. Von Christus
aufgerichtet wird er sofort gesund und beschwort nun eine
auf einem Pfeiler mitten im Kerker stehende Bildsäule,
380 DIE KOENIGSNAMEN
Wasser über die Stadt auszuspeien.^) Gleichzeitig umgab
eine Feuerwolke die Stadt^ dass Niemand entrinnen konnte.
Als Viele ertrunken waren und das Wasser den Ueberleben-
den bis an den Hals ging, thaten sie Busse und Andreas
gebot der Bildsäule aufzuboren, Wasser auszuspeien. Sie
befreiten den Andreas und flehten ihn um Erbarmen an;
da wich das Wasser vor seinen Füssen und da, wo die
Kelter stand, auf der die Menschen geopfert worden waren,
that sich die Erde auf und verschlang das Wasser, und mit
dem Wasser die Henker und den Rabenvater. Alle Uebrigen,
die umgekommen waren, lebten durch das Gebet des An-
dreas wieder auf und wurden von ihm getauft und der Grund
zu einer Kirche gelegt. Auf Christi Befehl verweilte er noch
sieben Tage, die Neubekehrten zu unterweisen, und zog dann
seines Weges. Die Vollendung des begonnenen Werkes durch
Matthäos bildet den Inhalt des MaQxvQiov xov aylov Max-
d'aiov xov dxoöxokov (bei Tischendorf p. 167 flf.). Mat-
392thäos erhält von Christus selbst einen Zweig, mit dem er
sich nach der Stadt der Menschenfresser begiebt, die hier
den Namen Mvgvr^ erhält (nach Nikeph. Kall. H. E. II, 41
MvQinfjvi], nach Abdias a. a. 0. Myrmidona, nach „Andreas
und^lene^' bei J. Grimm S. XIX Mermedonia). Hier pflanzt
er den Zweig iu die Erde, der sofort zu einem mächtigen
Baum voll süsser Früchte heranwächst, unter dessen Wurzeln
eine reichliche Quelle hervorspringt In deren Wasser müssen
die Einwohner sich baden und von den Früchten essen, wo-
durch sie ihre Menschenfressernatur ablegen; zugleich er-
kennen sie ihre Nacktheit und eilen heim, ihre Blosse zu
bedecken. Hierauf versammelt Matthäos alles Volk, das
vorher den Satyr angebetet hatte, in der Kirche und tauft
die Königin, welche später Ziphagia, hier aber nach dem
Namen ihres Mannes Phulbana genannt wird, und den
Königssohn Phulbanos und dessen Weib Erba. Alle drei
weichen fortan nicht von der Seite des Apostels. Darüber
1) Naob der elften Sure des Korans kam die Sintflutb ans einem
Backofen heraus.
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 381
erzürnt der Eöuig der MenscheDfiresser^ der ebenfalls Phul-
banos heisst^ und schickt zu yerschiedenen Malen Eriegs-
lente aas, den Matthäos gefangen zu nehmen; immer aber
erbUnden sie and dasselbe Schicksal hat Phulbanos, als er
sich selbst aufmacht, um ihn zu greifen. Durch des Apostels
Gebet erhält er das Augenlicht wieder, bemächtigt sich aber
gleich darauf hinterUstig seiner Person und befiehlt , am
Meeresufer einen Scheiterhaufen um ihn aufzuthürmen. Die
Flammen vermögen nicht ihm zu schaden, verbrennen da-
gegen, als der Eonig zur Hebung der von ihm vermutheten
Zauberei die zwölf Götter um das Feuer stellen lässt, die
Götter und verfolgen in Gestalt eines Drachen den Eönig,
der nun den Apostel um Gnade bittet. Dieser gebietet dem
Feuer Einhalt und stirbt. Der Eönig lässt des Matthäos
Leichnam in einen eisernen Sarg legen und mit Blei ver-
siegelt in das Meer werfen, in der Absicht, ein Gottesurtheil
über die Wahrheit der von ihm gepredigten Religion ent-
scheiden zu lassen. Da der Sarg an das Land schwimmt,
lässt sich Phulbanos von dem von den Aposteln eingesetzten
Bischof Piaton taufen und nimmt den Namen Matthäos an;
auch seine schon erwähnten Angehörigen erhalten christ-
liche Namen. Der Eönig gebietet darauf, in seinem ganzen
Reiche die Götzenbilder zu zertrümmern und übergiebt, als
der Bischof drei Jahre darauf stirbt, sein Reich einem An-
deren, um Piatons Nachfolger zu werden, und wird mit der
Eraft begnadigt, zu heilen und Teufel auszutreiben.
So phantastisch auch diese beiden Erzählungen sind, das
Local, auf dem sie spielen, ist doch nicht so fabelhaft, als
es auf den ersten Anblick scheinen könnte. Wollte man
mit dem angelsächsischen Gedichte Andreas und Elene die
Menschenfresserstadt in Aethiopien wiederfinden, so würde
Andreas in einem Tage von Achaia aus durch die Strasse
von Gades und um Afrika herumgefahren sein: eine Ver-
stärkung des Wunders, die hervorzuheben der wundersüchtige
Erzähler sich schwerlich versagt haben würde. Es bleibt
also nur die näherliegende Annahme übrig, dass Andreas
zu den menschenfressenden Skythen an die unwirthlichen
382 DIE KOENIGSNAMEN
393Gestade des Pontes gekommen ist. Der Ruf, in welchem
die Skythen oder wenigstens ein Zweig derselben im Alter-
thume standen, ist bekannt genug. Auch unter den an den
Küsten wohnenden Stämmen werden mehrere für Menschen-
fresser erklärt, so um von den Taurem abzusehen, nament-
lich die Achäer und Heniocher (Aristot. Polit VIII, 4
p. 1338 b 22). Auch die in den Acten des Matthäos und
Andreas (22 p. 153) beiläufig erwähnte Absicht der Oberen
der Menschenfresser, die junge Mannschaft in Fahrzeuge zu
werfen und in die umliegenden Gegenden auf Menschenraub
auszuschicken , passt besonders gut auf diese pontischen
Stämme: die Achäer, Zyger und Heniocher waren nach Stra*
hon XI, 2, 12 p. 495 verrufene Seeräuber. Die Tradition*)
versetzt denn auch einstimmig den Andreas nach Skythien
(Origenes bei Eusebios H. £. III, 1) oder, was auf dasselbe
hinausläuft, nach dem Pontos (Philastrius c. 88; die griechi-
schen Menäen zum 30. November). Entscheidend hierfür ist
die von den erhaltenen griechischen Acten sehr abweichende
Erzählung des Abdias (III, 4: — 10), bei dem Andreas von
Myrmidona aus über Amaseia, Sinope, Nikäa, Nikomedien,
Byzanz und Perinth nach Makedonien wandert. Sophronios
im Anhange zu Hieronymus, De viris illustr. (2 p. 262 D),
aus dem Oekumenios geschöpft hat, und Pseudo - Dorotheos
(im Anhang zum Chron. Pasch. II p. 136 ed. Bonn.) heben
als die Stadt, von der aus Andreas den Skythen das Evan-
gelium predigte, Sebastopolis in Kolchis hervor. Andere
Nachrichten nennen sehr bestimmt Sinope als den Ort seiner
Marter (die Menäen; Pseudo - Dorotheos II, 132, aus dem
Nikephoros Eallistos YIII, 6 geschöpft hat; Epiphanios'
Leben des Andreas p. 47 ff. ed. Dressel; die Ueberschrift der
Acten des Matthäos und Andreas im Cod. Reg. 881). Die
Behauptung der Byzantiner, Andreas habe das Bisthum
Byzanz gegründet, ist eine notorische Fälschung, sie setzt
aber das pontische Apostolat desselben als etwas allgemein
Angenommenes voraus. Ueber Matthäos sind, wie wir ge-
1) Zusammengestellt bei Tillemont, Mäm. eccl^s. I S. 336 f.
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 383
sehen haben^ zwei verschiedene Traditionen im Umlauf, von
denen die ältere seine Missionsthätigkeit nach Persien, die
jüngere nach Aethiopien verlegt. Einige Griechen (Paeudo-
Dorotheos II, 136; die Menäen^) zum 9. August) haben sich
die Mühe genommen, diese zweite Tradition mit der Andreas-
sage dadurch auszugleichen, dass sie den Schauplatz der
Wirksamkeit beider Apostel nach Kolchis versetzen und
dieses unter Benutzung einer Herodotischen Reminiscenz
für das innere Aethiopien erklären. Dieser harmonistische
Versuch beweist wenigstens soviel, dass über Andreas Ein-
helligkeit herrschte. Da in den Acten der Name der Men-
schenfresserstadt genannt ist und die ehemals wasserspeiende394
Bildsäule, der Andreas Aufstellung in der von ihm zu er-
bauenden Kirche verheisst (Acta Matth. et Andr. 30 p. 163),
ganz wie ein zur Zeit des Erzählers noch existireudes Wahr-
zeichen aussieht, so ist in MvQvrj^ MvQ^k'qvri^ Myrmidona oder
Mermedonia eine wirklich existirende Stadt zu vermuthen.
Abdias hat, wie anderwärts, die Namensform am treuesten
bewahrt: aus Myrmidona lässt sich mit völliger Sicherheit
Myrmiciona herstellen, vulgäre Form für griechisches Mvq-
lifixiciv. MvQiLTiKiov ist eine Stadt auf der taurischen Gher-
sonnesos; die verschiedenen Namensformen, untet denen sie
vorkommt, findet man bei Müller zu den Geogr. Gr. min. I
p. 57 zusammengestellt: MvQfirjxiciv ist durch Arrian bei
Leo Diacon. IX, 6 bezeugt. In diese Gegend weist auch die
Verehrung des Satyr, unter welchem Priapos gemeint sein
wird, dessen Gultus in den pontischen Niederlassungen der
lonier verbreitet war. Von den Eigennamen ist wenigstens
der der Königin als mäotisch nachweisbar: Zitpayia (so hat
die Pariser Handschrift des Martyrium Matthaei 28 p. 187)
ist die weibliche Form des Namens Zaßdyiog, der auf einer
Inschrift von Gorgippeia aus der Zeit des Sauromates IL
vorkommt (C. L Gr. No. 2130, lin. 27). Wenn Nikephoros
1) Die Menäen nennen fälschlich den Matthias statt desMatthäos;
dieselbe Yerwechselnng findet sich in der von Tischendorf zu Grunde
gelegten Handschrift der Acten. lieber Matthias ist augenscheinlich
Nichts bekannt gewesen.
384 DIE KOENIGSNAMEN
Eallistos Recht hätte, i^rern Gemahle und ihrem Sohne den
römischen Namen OovXßtavos zu geben ^ so wäre dies ein
weiterer Beweis, dass reale Zustände den Hintergrund der
fabelhaften Handlung bilden. Die Eonige der pontischen
Barbaren fuhren in der Kaiserzeit als Nebennamen, oft aber
auch als Hauptnamen römische, die meistens, jedoch nicht
immer dem des regierenden Kaisers entnommen sind: ein
von Trajanus eingesetzter König der Apsilen hiess ^lovliccvos
(Arrian. Peripl. Ponti Eux. 15), wohl einem benachbarten
römischen Statthalter zu Ehren. Möglich aber, dass OovX-
ßiavog richtig und ein sonst nicht zu belegender mäotischer
Name ist.
Auf diesen eigenthümlichen Widerspruch zwischen den
Namen und dem Inhalte der Andreasfabel fallt, glaube ich,
ein Licht durch Vergleichung derjenigen Fassung der Sage,
die uns Epiphanios (aus dem zehnten Jahrhundert) erhalten
hat. Er nennt Sinope als Schauplatz und beruft sich aus-
drücklich auf die dortige Localtradition; wie unsere Acten
erzählt er die Einkerkerung des Matthäos, seine und seiner
Mitgefangenen wunderbare Befreiung durch Andreas, die
Taufe der Letzteren, endlich die Schleifung des Andreas: zu
Thätern aber macht er die in Sinope sehr zahlreichen Juden,
die wegen ihrer Barbarei und Wildheit Menschenfresser ge-
nannt worden seien. Dass Epiphanios die Acten des Mat-
thäos und Andreas benutzt, nur sorglich alle fabelhaften
und phantastischen Details weggeschnitten hat, liegt auf
der Hand, dass er sie allein benutzt haben soll, glaube
ich nicht, weil sie nicht Juden, sondern Heiden und bestimmt
eine andere Stadt als Sinope nennen, und weil gerade Sinope
in einer Reihe änderer Zeugnisse vorkommt, die in der Local-
396tradition eine Stütze finden. Ich halte yielmehr dafür, dass
es ausser den erhaltenen noch andere Acten des Andreas
gab, die Sinope zum Schauplatz und die dortigen Juden zu
Gegnern des Andreas machten und die eine nüchternere, dem
Charakter der übrigen apokryphen Apostelgeschichten näher
kommende Färbung trugen; Epiphanios hat in seiner Dar-
stellung beide mit einander zu vereinigen gesucht, aber, wie
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 385
man aus seiner Erklärung des Namens Anthropophagen sieht,
nicht eben glücklich. Unsere Acten, in denen die Handlung
einen unverhältnissmässigen Raum einnimmt, augenscheinlich
nicht blosser Rahmen für dogmatische oder erbauliche Aus-
einandersetzungen, sondern Selbstzweck ist, sind als märchen-
hafte Ausschmückung eines ihnen mit den anderen Acten
gemeinsamen historischen oder vielmehr quasihistorischen
Kernes zu betrachten, zu welcher zweierlei Elemente benutzt
worden sind: 1) Sagen, die sich von den ersten griechischen
Colonisten jener Gegenden herschrieben und ihr Ringen mit
den barbarischen Eingeborenen zum Inhalt hatten. Sagen,
die freilich nicht mehr auf das erste Jahrhundert n. Ch.
passten, in welchem die Bewohner von Sinope, Sebastopolis
(d. i. Diosknrias), Myrmekion längst in ehrsame Spiessbürger
verwandelt waren, sich aber im Munde derselben erhalten
hatten und durch sie den dortigen Judengemeinden ^) bekannt
geworden waren; 2) SchifiFermärchen: auf die, allerdings ab-
geblassten, Reminiscenzen aus der Odyssee brauche ich nicht
erst aufmerksam zu machen, wohl aber darauf, dass der Zug,
dass die Menschenfresser ihren Opfern erst durch Vorsetzung
von Zauberkräutern den Verstand rauben und sie dann wie
Thiere mästen, um sie, wenn sie fett geworden sind, zu
fressen, — genau ebenso in der vierten Reise Sindbads des
Seefahrers (1001 Nacht übersetzt von Habicht II S. 193)
wiederkehrt.
Die Aufgabe, welche wir uns gestellt hatten, die Prüfung
der in den apokryphen Apostelgeschichten vorkommenden
Eönigsnamen, ist erledigt. Ich erlaube mir zum Schluss,
hieran Bemerkungen über einige Punkte zu knüpfen, die mir
beim Lesen jener Schriften aufgefallen sind, Bemerkungen,
die nicht auf Vollständigkeit Anspruch machen, sondern nur
1) Dass diese im bosporanischen Reiche zahlreich waren, hatten
wir schon Gelegenheit zu erwähnen. Auch Sinope wird als Judensitz
hervorgehoben; von dort stammte der bekannte Bibelubersetzer Akylas
(vgl. Anger, De Onkelo I, 9).
V. GüTSCUMiD, Kleine Schriften. IF. 25
386 DIE EOENIGSNAMEN
anderen Alierthumsforscliem als Fingerzeige dienen sollen,
in welchen Richtungen dort vielleicht noch etwas för sie zu
finden ist, in welchen nicht.
Da die grossere Hälfte der apokryphen Apostelgeschichten
396ini romischen Reiche spielt^ so sollte man meinen, dass viele
Statthalternamen genannt werden würden. Diese Er-
wartung wird jedoch gänzlich getäuscht; es kommen deren
in den griechischen Texten überhaupt nur drei vor, von
denen einer auf einer falschen Lesart beruht, ein anderer
sehr verdächtig ist. Nach den Acta Bamabae auctore Marco
23 p. 72 wollten die kyprischen Juden (nach 56 n. Gh.) den
Barnabas überantworten ^ITjcatiG} tä ijysiiovt tijg Ualafiivrig.
Dieser angebliche Hypatios (selbstverständlich hat so kein
Romer des ersten Jahrhunderts heissen können) ist, wie man
aus seiner Verbindung mit dem falschen Propheten Bariesus
sieht, identisch mit dem bei Lukas Apostelgeschichte 13, 6ff.
genannten Proconsul Sergius Paulus. Also ist die von
Tischendorf mit unrecht verlassene Lesart des besseren
Cod. Paris, vxaxca in ihr Recht einzusetzen: vnatog steht
ja nicht selten för consularis; der Artikel freilich wird sich
nicht wohl entbehren lassen. — Die Acta Andreae 2 p. 106
nennen den Proconsul von Achaia, auf dessen Befehl Andreas
in Paträ gekreuzigt worden sein soll (um 66 n. Gh.), AlyBoxfig^
beim Abdias (III, 35 ff.) heisst er bald Aegeates, bald Aegeas
(Gen. Aegeatis). Dieser Name ist wegen der Nähe von Aegä
und Paträ dringend verdächtig; auch wüsste ich nicht, aus
welchem römischen er entstellt sein könnte. Diese Acten
des Andreas gelten för verhältnissmässig alt (vgl. Tischen-
dorf Prolegg. p. XLII), und es muss allerdings anerkannt
werden, dass ihr Verfasser ungleich mehr Takt verräth als
die Erzähler ähnlicher Martyrien, dass er namentlich den
Proconsul nicht nach der vulgären Wütherichsschablone malt,
sondern ihn so reden lässt, wie ein römischer Untersuchungs-
richter wirklich geredet haben kann. Allein wir glauben
gezeigt zu haben, dass das Alter dieser apokryphen Apostel-
geschichten für ihre Stellung zur Geschichte keinen sicheren
Gradmesser abgiebt, und wir fanden andere auf die Schicksale
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 387
des Andreas bezügliche Acten in einer Weise fabelhaft^ wie
keine der übrigen Schriften dieser Gattung. In .den von
den griechischen wesentlich abweichenden Acten des An-
dreaSy welche dem dritten Buche des Abdias einverleibt sind^
geschieht auch des Amts Vorgängers des Aegeates Namens
Lisbius (oder Ljsbius, bei Fabricius Lesbius) Erwähnung,
den Andreas bekehrt haben soll (III, 25 ff.), sowie auch des
gleichzeitigen Proconsuls von Makedonien Quirinus (III, 19 ff.).
Platz genug ist da für alle drei, da wir vom Jahre 44 an,
in welchem Claudius Achaia wieder von Makedonien trennte
und beide Provinzen dem Senate zurückgab, bis herab auf
das Jahr 70 n. Ch. von allen Statthaltern Achaias nur zwei,
von den makedonischen aber gar keinen kennen (vgl. A. W.
Zumpt, Gommentationes epigraphicae II S. 259 ff.). Indess
lässt weder die Beschaffenheit der Namen noch der sonstige
Werth der Quelle, die sie uns bietet, eine Ergänzung der
Lücken auf diesem Wege als rathsam erscheinen. — Es
bleibt nur der rjys^v KaOtdXcog (so Pariss. A. C; Ka6ti^ltog
Paris. B; KatekXtog^ dann Kaötilltog Barocc.) übrig, vor397
dem nach den Acta Pauli et Theclae 14. 15 p. 46 Paulos
um das Jahr 45 n. Ch. in Ikonion verhört wurde. Es muss
dies der damalige legatus Augusti pr. pr. Galatiae gewesen
sein^); sein wahrer Name war vermuthlich Cäsellius.*) An
seiner wirklichen Existenz zu zweifeln ist, da die Zuverlässig-
keit der Acten sich sonst bewährt, kein Grund vorhanden.
Am unverfänglichsten ist die Benutzung der in den apo-
kryphen Apostelgeschichten zerstreuten geographischen
Notizen, weil diese von dem Urtheile über die Glaub-
würdigkeit des Inhaltes nicht berührt werden. Reich an
1) Von Bämmtlichen liegaten Galatiens dieser Periode finde ich
bei Pighiaa, Ann. Rom. III p. 606 uur den Calparnins Asprenas (seit
68) aufgeführt.
2) Einen Caeflellius Bassus erwähnt Tac. Ann. XVI, 1 im Jahre
65 n. Ch. An sich wäre der Name Castilius ebenso richtig von CMtulus
gebildet, wie Aemilius, Romilius, Caecilius, Rntiliua von aemulus^ Ho-
molus, caecuJus, Rutulus; ich bin aber nicht im Stande, ihn als wirk-
lichen Gentilnamen nachzuweisen.
25*
388 DIE EOENIGSNAMEN
solchen sind namentlich die Acten des Petros und Paulos
in Bezug auf Latium, die des Barnabas fQr Gypern. Die
Letzteren dürften in kundiger Hand für die wenig bekannte
Geographie des Inneren der Insel wohl noch einige Ausbeute
gewähren. Ich beschränke mich hier auf Hervorhebung einer
ethnographischen Notiz in den Acta Barnabae 24 p. 73. Es
wird dort erzählt, die Begleiter des Barnabas hätten sich mit
seiner Asche in einer Hohle zwischen EakayLlvq und xa
AiÖQa verborgen, wo ehemals das Volk der Jebusäer ge-
wohnt habe. Da Ledra oder Ledron ein Ort in der Nähe
von Leukosia war (vgl. Engel, Eypros I S. 152), so ergiebt
sich fdr die Hohle und den alten Sitz der Jebusäer die
Gegend um Tremithus. Unmittelbar vorher (23 p. 72) war
berichtet worden, die Juden seien im Begriff gewesen, den
Barnabas an den romischen Statthalter auszuliefern, avösßovs
dh ^leßovöaiov övyysvovg NiQfovog xatavri^öavtog iv KvnQo
seien sie sofort zur Lynchjustiz geschritten. Hier ist natür-
lich Evösßovg herzustellen, ein Eigenname, der durch eine
Inschrift von Aphrodisias im C. I. Gr. No. 2772 und eine
lateinische bei Muratori 518, 6 [= C. L L. V No. 1012]
gesichert ist; avyysvi^g wird am passendsten in orientalisch-
hellenistischer Weise als Titel gefasst, den die intimsten
Freunde des Herrschers erhalten. Eusebes kann nur ein
Freigelassener Neros gewesen sein. Aus dieser anderen
Stelle geht also hervor, dass man zur Zeit entweder des
Barnabas oder des Erzählers noch sei es einen bestimmten
kyprischen Stamm, sei es die Bewohner einer bestimmten
kyprischen Stadt (etwa Tremithus) als Nachkommen der
Jebusäer von anderen Bewohnern der Insel unterschied.
Trotz des biblischen Namens halte ich diese Angaben für
echt und glaubwürdig: 1) sie sind ganz beiläufig ein-
398geschaltet und es ist in keiner Weise abzusehen, aus was
für einer Absicht sie erdichtet worden sein sollten; 2) eine
derartige Stammtradition konnte sich sehr wohl unter der
älteren semitischen Bevölkerung der Insel erhalten und auf
diesem Wege den ihnen nahe verwandten Juden, die sich
in Menge auf Gypern niedergelassen hatten, bekannt werden;
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 389
3) eine Auswanderang von den IsraeliUn vertriebener Ka-
naanäer (yon denen die Jebusäer bloss ein Zweig sind) nach
dem phonicischen Coloniallande Cypem wird zwar nirgends
ausdrücklich berichtet ^)^ hat aber, da Eanaanaer und Phö-
nicier ein Volk sind und diese ohne starken Nachschub aus
dem Inneren Kanaans ihre grossartigen Colonisationen gar
nicht hätten ausfahren konneU; so grosse innere Wahrschein-
lichkeity dass jeder darauf hinzielenden Notiz ein günstiges
Yorurtheil entgegenkommt*)
Endlich fehlt es in den apokryphen Apostelgeschichten
nicht an mancherlei Notizen antiquarischen, namentlich
mythologischen, Inhaltes, die wenn auch nicht ohne Wei-
teres Glauben, doch Prüfung verdienen dürften. Ich wähle
ein Beispiel aus den TlsgCodoi OiXlmcov xov &no6t6Xov aus,
weil gerade dieses von Thilo (Acta S. Thomae apostoli
p. LXI) als Beweis für die Dreistigkeit und Geschmack-
losigkeit des betrügerischen Verfassers geltend gemacht
worden ist. Es betrifft den Schlangencultus zu Hierapolis
in Asia'), welches nach 7 p. 77 von demselben den Namen
'Otpio^vyLT^ erhalten haben soll. Die Einwohner hätten, heisst
es da, von alten Zeiten her die Schlangen (^^sig) und die
grosse Schlange (ßxidva) verehrt und die Bilder derselben
angebetet. Die Schlangen werden von den Priestern der
Echidna 17 p. 81 „die Söhne unserer Göttin^^ genannt.
Der Echidna werden Weinspenden dargebracht, sie zu
laben und einzuschläfern (17 p. 82. 25 p. 85). Das sMaXov
der Echidna hat einen Tempel, in welchem ihre Priester
wohnen (16 p. 81). Hier wird Philippos auf Befehl des Pro-
consuls eingesperrt; in Folge seiner Anwesenheit welken die
*) [Vgl. oben S. 66 f. F. K]
1) Das angebliche Zeugniss des Eusebios, den Engel (Eypros I
S. 166) berichten läset, Paphos sei von den unter Athniel veitriebenen
Israeliten (sie) gegründet worden, beweist Nichts als die gewohnte
Nachlässigkeit des Compilators: er 'meint Easeb. Chron. Lat. No. 689.
2) Es ist ein blosses Versehen, wenn Thilo an das syrische Hiera-
polis denkt und die Echidna mit der Derketo vergleicht: nicht bloss
die spätere Tradition, sondern auch eine Stelle der Acten selbst (42 p. 94)
läset keinen Zweifel, dass die phrygische Stadt dieses Namens gemeint ist.
390 DIE KOENIGSNAMEN
Schlangen und sterben (17 p. 81. 30 p. 88). Als Philippos
gekreuzigt wird, verflucht er die Heiden, der Abgrund oflnet
sich und der Proconsul, der Tempel, die Echidna; das Heiden-
volk und die Priester der Echidna werden von der Erde ver-
schlungen (37 p. 86); durch Christi Dazwischenkunft kommen
aber Alle wieder an das Tageslicht, nur der Proconsul und
die Echidna bleiben unten (32 p. 89). Hierapolis lag in
399einer ganz vulcanischen Gegend: überall brachen heisse
Quellen hervor, ein Schlund, das Tlkovtdviov^ hauchte tödt-
liehe Dämpfe aus, in deren Bereich nur die Galler, die ver-
schnittenen Priester der Eybele, sich ungestraft wagen durften
(Strabon XIII, 4, 14 p. 629 f.). Im Jahre 64 oder 65 n. Ch.
ward Hierapolis durch ein Erdbeben verschüttet (Eusebios
Chron. No. 2079 Arm., No. 2080 Hier.), auf welches auch
in den Sibyllinen Y, 317 angespielt wird. Es unterliegt
keinem Zweifel, dass das Versinken von Hierapolis durch
den Fluch des Philippos sich auf ein Erdbeben bezieht, und
zwar wahrscheinlich auf dasselbe, welches Eusebios erwähnt;
denn wenn auch unsere Acten 1 p. 75 sein (durch ein glaub-
haftes Zeugniss widerlegtes) Martyrium in das Jahr 105 n. Ch.
hinausschieben, so setzen es Andere unter Domitianus oder
Claudius (vgl. Tillemont, Mem. eccies. I S. 645), und die Sage
bindet sich ja überhaupt nicht an die Zeitrechnung. Wegen
des vulcanischen Charakters der Gegend und der häufigen
Erdbeben hat man, wahrscheinlich mit Recht, die Arimer
und das Lager des gefesselten Typhon in den Theil Phry-
giens verlegt, welcher Kataxexavii^vij heisst (Strabon XII,
8, 19 p. 579). Typhon, der Erdbebenriese, erzeugt nach
Hesiodos mit Echidna den Orthros, den Kerberos und die
Hydra. Echidna selbst ist die Tochter des Chrysaor und
der Kalliroe: der Name der Mutter bezieht sich wohl auf
die heissen Quellen, die aus vulcanischem Boden hervor-
sprudelten, der Vater aber ist trotz des griechisch gemodelten
Namens gewiss identisch mit dem karischen Nationalgotte,
dem Zsvg XQVöaoQiog oder XQvöaoQ€vg (C. T. Gr. No. 2720.
2721. Strabon XIV, 2, 25 p. 660). Auch Echidna wird nach
Hesiod Theog. 304, wie Typhon, von den Göttern unter der
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 391
Erde in einer Felshohle im Lande der Arimer gefangen
gehalten. Aus diesen Genealogien geht erstens hervor^ dass
man von Alters her jene mythischen Ungethüme in die
Yulcanlandschaft an den Grenzen Phrygiens und Eariens
verlegte, zweitens die innige Verbindung, die im Volks-
glauben zwischen Erdbeben oder ähnlichen vulcanischen
Eruptionen und Schlangen (Echidna, Eerberos, Hydra) statt-
fand. Man sieht daraus, wie sehr dem Verfasser der Acten
des Philippos Unrecht geschieht, wenn man ihn beschuldigt,
diesen echten mythischen Zug erdichtet zu haben. Es würde
also nicht im Mindesten auffallen, zu hören, dass die Be-
wohner jener Gegend den Schlangen als Repräsentanten der
unterirdischen Naturmächte Verehrung erwiesen hätten: pri-
mus in orbe deos fecit timor. Wirklich haben sich auf den
Münzen von Hierapolis Spuren eines Schlangencultus erhalten.
Schon die unverhältnissmässige Bevorzugung aller möglichen
Stoffe der griechischen Mythologie, bei denen sich Schlangen
anbringen lassen, wird man, wenn man die Typen der Münzen
von Hierapolis bei Mionnet IV S. 296 ff. Suppl. VII S. 566 ff.
mit denen anderer phrygischer Städte vergleicht, nicht für
zufällig halten können. Beim Raube der Persephone durch
Pluton mag die Schlange bloss das Local andeuten; wir
finden aber ausserdem den Serapis (d. i. den Unterweltsgott400
der synkretistischen Religion der Eaiserzeit), die Hand auf
den Kopf des Eerberos legend, Demeter auf einem von zwei
geflügelten Schlangen gezogenen Wagen, neben Apollon mit
der Leier die Schlange Python, sich um einen Blumenstrauch
ringelnd, einen Asklepioskopf mit der Schlange, die sich um
einen Stab windet (ohne Zweifel Anspielung auf die Heil-
kraft der heissen Quellen), ferner sehr häufig Hygieia, einer
Schlange aus einer Schale zu essen gebend, und hinter ihr
Telesphoros. Noch wichtiger ist ein ganz ähnlicher, eben-
falls mehrfach vorkommender Typus, der uns auch den
Telesphoros, statt der Hygieia aber die Kybele zeigt, sitzend,
mit dem Modius auf dem Kopfe, die Linke auf dem Tym-
panon ruhend, mit der Rechten einer vor ihr sich aufrichten-
den Schlange eine Schale reichend (Mionnet IV S. 298.
392 DIE KOENIGSNAMEN
No. 588; S. 299. No. 597). Wir haben offenbar dort die
hellenisirie, hier die echte einheimische Darstellung: in der
Darreichung der Schale an die Schlange erkennt man die
in der christlichen Legende erwähnte Weinspende wieder.
Endlich kommt auch noch Doppelbeil und Schlange auf einer
Münze aus Neros Zeit vor (Mionnet IV S. 302. No. 616).
Das Doppelbeil erscheint sonst auf Münzen von Hierapolis
in der linken Hand eines in einen kurzen Rock gekleideten
MauneS; der in der Rechten eine Schale hält^ wahrscheinlich
des Atjs^ und als Attribut einer Amazone^ in der man die
mythische Gründerin von Hierapolis zu erkennen haben wird.
Hat jenes Emblem die erstere Beziehung, so ist es ein neuer
Beweis für die wichtige Rolle, welche die Schlange im Cultus
der phrygischen Götter zu Hierapolis spielte; im anderen
Falle würde sie sogar gewissermassen als das Wappen der
Stadt erscheinen. Die Münzen bestätigen also die Erzählung
der Acten des Philippos wenigstens insoweit, als sich aus
ihnen folgern lässt, dass in Hierapolis die Schlange wo nicht
als solche verehrt , doch als heiliges Thier der Eybele in
deren Tempel gehegt, von den Gallern gewartet und von
den Frommen mit Libationen bedacht wurde. Ich bekenne
auch offen, keinen rechten Grund zu sehen, warum der zweite
Name von Hierapolis 'OtpLOQv^r] (von den schnellen Win-
dungen der Schlange hergenommen, also etwa „Schlangen-
wirbeln'' zu übersetzen) eine Erdichtung des Legenden-
erzäblers sein soll, und halte es für viel wahrscheinlicher,
dass die Sage von der Höllenfahrt der Echidna aus dem
Namen der Stadt entstanden ist, als umgekehrt. Da es
viele Städte Namens Hierapolis gab, so ist nichts natür-
licher, als dass für die phrygische im Volksmunde ein von
einem Wahrzeichen derselben entlehnter unterscheidender
Beiname aufkam; in ähnlicher Weise ist das benachbarte
Apameia von der dort localisirten Sage vom Landen der
Arche Apameia Kibotos genannt worden. Ein höchst inter-
essanter Umstand ist, dass wir jene Schlaugengöttin bei den
Armeniern wiederfinden, mit denen nach Zeugnissen des
Alterthumes die Phryger unter allen Völkern am nächsten
IN DEN APOKRYPHEN APOSTELGESCHICHTEN. 393
Terwandt waren. Dem griechischen Typhon entspricht in
der iranischen Mythologie ziemlich genau der Schlangenriese
Aj'dahak; der schliesslich von Hrodan in einer Hohle des40i
DembawSnd mit ehernen Ketten gefesselt wird. Seine Sage
hat Moses von Chorene im Anhange zum ersten Buche
(p. 77 fp.) gerade so wie Firdüsi erzählt, im Laufe seiner
Geschichtserzählung aber euhemerisirt er sie völlig, identi-
ficirt den Aj'dahak (Dahäk) mit dem letzten Mederkönige
Astyages und substituirt dem Hrodan (Feridün) einen ar-
menischen König Tigran. Zum Glück ist er so ehrlich, sein
Verfahren offen einzugestehen und die Volkslieder der Land-
schaft Golthan als seine Quelle zu nennen. Er ej'zählt
I, 29, 3 ff. p. 72, Tigran habe nach dem Siege über Aj'dahak
dessen Weibe Anojsh und ihren Söhnen Sitze an einem in
Folge eines furchtbaren Erdbebens eingestürzten Berge
angewiesen. Ihre Söhne heissen das Drachen geschlecht,
sie selbst die Mutter der Drachen (I, 30, 3 p. 74): hier
haben wir die Schlangen, die „Söhne unserer Göttin Echidna'^,
wieder, von denen die Acten des Philippos reden. Ganz bei-
läufig erfahren wir, dass die Volkssage die Drachenbrut nicht
am Fiisse des Berges, sondern in dem Berge wohnen Hess,
und dass dieser Berg der Masis ist, derselbe, auf dem die
armenische Tradition die Arche landen lässt (I, 29, 7 p. 73).
An dieses mythische Drachengeschlecht knüpfte sich eine
von Moses leider bis zur Unkenntlichkeit historisirte Helden-
sage: man sieht nur so viel, dass das Weib eines armenischen
Königs nach dem Besitze entweder einer Tarnkappe oder
zauberkräftiger Kräuter lüstern wird, die dem Drachenfürsten
gehören, und ihren Mann und ihre Söhne gegen diesen auf-
stachelt, dass darauf die Drachenbrut fast gänzlich ausgerottet
wird, sich aber dadurch rächt, dass sie für den Thronfolger
einen Wechselbalg unterschiebt, der seine Brüder und sich
selbst ins Verderben stürzt. Für uns ist wichtig, dass bei
dieser Gelegenheit ein Tempel der Drachen erwähnt wird
(I, 29, 6 bei Whiston p. 73 f. II, 48 p. 164f. vgl. I, 30 bei
Le Vaillant I p. 125). Aus Allem geht zur Genüge hervor,
dass Anojsh und ihre Drachen keine historische Personen,
394 KOENIGSNAMEN I. D. APOKR. APOSTELGESCHICHTEN.
sondern Gegenstände des Cultus gewesen sind Dass dieser
Cultus aus der Zeit vor Einführung des Zoroastrischen Glau-
bens in Armenien herrührt^ versteht sich^ da Schlangen und
alle ähnlichen Eharfesters dieser Lichtreligion ein Greuel sind,
von selbst: man darf ihn unbedenklich mit der Schlangen-
verehrung in Verbindung bringen, die wir im stammver-
wandten Phrygien an den Eybeledienst geknüpft sehen. Und
so wäre denn gerade in dieser als abschreckendes Beispiel
hervorgehobenen Notiz der Acten des Philippos eine der
werthvoUsten Nachrichten nachgewiesen , die uns in den
apokryphen Apostelgeschichten überhaupt erhalten sind.
XIIL
Verzeichniss der Patriarchen von Alexandrien.'^)
Quellen.
I« Grieehlsch-Bömische Qaellen.
I. Classe.
1) Laterculus ßomanorum Alexandrinorumque
pontificum ex ms. Bibliothecae 8. loannis Laudunensis
(saec. YII) hinter Montfaucons Vita S. Athanasii in ^S. Atha-
*) [üeber die bei der Herausgabe dieser Abbandlong befolgten
Grundsätze sei bemerkt, dass das (oft sehr schwer leserliche) Mana-
script hier wortgetreu zum Abdrucke kommt. An einer einzigen Stelle
hat Gntschmid selbst am Rande «bemerkt ,fZu modificiren". Hier dient
ein Verweis auf eine seiner späteren Arbeiten (die unten Abschnitt XIV
No. 3 abgedruckte Besprechung von Hamacks Schrift „Die Zeit des
Ignatins^*) dazu, den Leser darüber in Eenntniss zu setzen, in welchem
Sinne er diese Modification beabsichtigte. Das Verzeichniss der Patri-
archen reicht bis in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts; eine Fort-
setzung desselben bis auf die Gegenwart konnte nicht die Aufgabe des
Herausgebers sein. Die Anmerkungen unter dem Texte rühren zum bei
weitem grössten Theile yon Gutschmids eigener Hand her. Einige wenige
vom Unterzeichneten hinzugesetzte Hinweise auf andere Arbeiten Gut-
schmids sowie auf die sonstige, grösstentheils noch zu seinen Lebzeiten
erschienene Literatur über die behandelten Einzelfragen sind in eckige
Klammern geschlossen. Die Orthographie der orientalischen Namen
schwankt öfters in Gutschmids eigenem Manuscript; der Herausgeber
hat sich daher für verpflichtet gehalten, wenigstens innerhalb dersel-
ben Abhandlung eine gewisse Gleichmässigkeit herzustellen. Eine von
Professor NOldeke übernommene Durchsicht der Correcturbogen hat
die Richtigkeit der Wiedergabe jener Namen überwacht. Im üebrigen
sei auf das Vorwort Professor Rühls zum ersten Bande dieses Sammel-
Werkes verwiesen.
Jena, 11. Mai 1890. Lipsius.]
396 VEßZElCHNISS
•
nasii opera omnia op. et stad. monachoruin ordinis S. Bene-
dicti' (Paris. 1698, foL), Tom. I, 1 p. XC. Der Verfasser
schrieb unter dem römischen Papste Johannes III., da sein
Vorgänger der letzte ist, dessen Amtsjahre beigeschrieben
sind, und unter Apollinarios, mit dem die Reihe der alexan-
drinischen Patriarchen schliesst, also zwischen 560 — 569,
benutzte aber, wie es scheint, für die Chronologie der letz-
teren ein älteres unter Timoth'eos Salophakialos , zwischen
460 — 475, yerfasstes Verzeichniss, da mit seinem Vorgänger
Timotheos Ailuros die Beischreibung der Amtsjahre aufhört.
Der Fortsetzer schrieb unter Kaiser Maurikios und Papst
Gregorius L, also zwischen 590 — 602. Diese Quelle ist von
Eusebios unabhängig und hat allein die richtige Amtszeit
des Alexandros bewahrt.
II. Classe.
2*) Eusebios' Kirchengeschichte, die bis 324 reicht.
Die Regierungsjahre der Kaiser, nach denen die Zeiten der
Bischöfe bestimmt werden, sind selbstverständlich nach dem
von Eusebios selbst zu dem Behufe gegebenen Verzeichnisse
zu berechnen, welches sich von der wahren Zeitrechnung oft
genug entfernt.*) Dodwell und Andere, welche in diesen
Angaben nicht durch Rechnung gefundene, sondern dem Eu-
sebios wirklich überlieferte Synchronismen zu finden gemeint
haben, haben so eine Kette von Widersprüchen des Eusebios
mit sich selbst herausgeklügelt und viel Mühe und Papier
verschwendet, um die selbstgeschaffenen chronologischen
Schwierigkeiten auszugleichen.
2^) Theodoretos, dessen Kirchengeschichte bis 429
reicht, hat unter allen Fortsetzen! des Eusebios auf die
Fortführung der Diadochae der Bischöfe die meiste Sorgfalt
verwendet, giebt aber keine Amtsjahre an.
3*) Eusebios' Chronik, die bis 326 reicht, aber vor
der Kirchengeschichte geschrieben ist. Die armenische üeber-
*) ly^}' ^' ^* Gatschmid, De temporum notia qnibas Easebias
utitur in chronicis canonibus. Kiel 186S^ oben Bd. I S. 448 ff. Lps.]
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 397
setzang (deren verlorener Schluss vom Jahre 300 an aus
Samuel von Ani zu ergänzen ist) und die lateinische Bear-
beitung des Hieronymus geben dieselben Ämtsjahre^ weichen
aber in der Vergleichung der Eaiserjahre stark von einander
ab. In dieser Beziehung herrscht im armenischen Texte die
grosste, wahrscheinlich von Eusebios selbst verschuldete Sorg-
losigkeit^ Hieronymus hat etwas mehr Einklang zwischen den
Amtsjahren und den Synchronismen der Eaisergeschichte her-
zustellen gewusst^ seine Ansätze haben aber nur den Werth
von Conjecturen. Die Bestimmungen Beider weichen von
den (viel sorgfaltigeren) der Eirchengeschichte stark ab;
Hieronymus scheint zu Anfang der Liste einige Ansätze aus
ihr herQbergenommen zu haben. In seinen beiden Werken
hat Eusebios in Folge eines hinsichtlich der flegierungs-
dauer des Kaisers Philippus begangenen Irrthumes zwei
Jahre zuviel herausbekommen, so dass das Jahr 326 , in
welchem Constantinus seine Yicennalien feierte, welches nach
der in dem ganzen älteren Theile seiner Chronik bis in die
Mitte des dritten Jahrhunderts hinein befolgten Rechnungs-
weise dem Jahre 2341 nach Abraham entsprechen müsste,
von ihm vielmehr dem Jahre 2343 gleichgesetzt wird, und
dieses Versehen hat unter Anderem die Verfälschung der
Amtsdauer des Bischofs Alexandros zur Folge gehabt.
3^) Hieronymus, der die Chronik des Eusebios bis
378 fortgesetzt hat, giebt von Petros Martyr an die Amts-
jahre nicht mehr an und verzeichnet auch die Bischöfe nicht
regelmässig unter dem Jahre ihres Antritts; die Brauchbar-
keit seiner Arbeit föngt erst in deren zweiter Hälfte an, wo
er als Zeitgenosse redei
4) Excerpta Latin a barbari in Scaligers Thesaurus
temporum, ad calc. Victoris Tununensis p. 83*), eine ale-
xandrinische Chronographie, verfasst unter Zenos zweiter
Regierung (477 — 491), der ersten, deren Zeit nicht bei-
geschrieben ist, übersetzt unter Anastasios (491 — 518),
*) [Nach dem Cod. Paris. Lat. 4884 neu heraasgegeben von
A. Schöne in 'Eusebii chronicomm liber prior' (Berlin 1876) Append.
VI p. 175 sqq. Lps.]
398 VEBZEICHNISS
dessen Name nachgetragen ist. Erhalten ist ein Bruchstück
von Petros Martyr bis Theophilos; die Angaben der Amts-
jähre sind sehr authentisch, die Jahrreihe ist durch bunt
durcheinander gewürfelte Gonsulate dargestellt, die man ein-
fach zu zählen hat, ohne sich durch die Namen beirren zu
lassen. Die Befestigung der Antrittsjahre der Bischöfe inner-
halb dieser Jahrreihe kann übrigens ebensowenig auf Genauig-
keit Anspruch machen, als die ähnlichen Angaben dieser
Art bei E^sebios und anderen Chronographen. Wichtig ist
das Document dadurch, dass es allein vor Severus von Ash-
munin die Todestage der Bischöfe aufbewahrt hat.
5) XgovoyQafpatov övvto^ov ix xmv Evöeßiov rov
UaiLtplXov novtiiicct(ov in Scriptt. vett. noya collectio ed. Mai
I, 2 p. 12*), im Jahre 854 zusammengestellt unter Zugrunde-
legung einer 818 gemachten Arbeit^); später durchaus mit
den Excerpta Latina barbari stimmend — das zuverlässigste
aller erhaltenen Verzeichnisse.
6) Laterculus episcoporum Alexandriae Graece ex
cod. Colbertino no. 3558 (saec. XVI) hinter Montfaueons Vita
S. Athanasii, p. LXXXIX. Mit der vorigen Chronographie
völlig übereinstimmend, aber aus einem vollständigeren
Exemplare derselben geflossen. Die in jener wegen der
Nichtberücksichtigung der Vacanzen an der Gesammt'Summe
fehlenden zwei Jahre sind hier durch vier willkürlich ver-
theilte Halbjahre eingebracht worden.
TTT Classe.
7^) Georgios Synkellos schrieb seine bis zum Jahre
284 reichende Chronographie 792; seine Liste ist am näch-
sten mit der lateinischen bei Montfaucon verwandt, aber so
*) [Mit zahlreichen VerbesBernngen v. Gutscbmids neu heraaa-
gegeben von A. SchOne in ' Eosebii chronicorum über prior ' Append.
IV p. 69 sqq. Lps.]
1) Für die älteste Zeit aus Eusebios' Chronik geflossen; der
fünfte Bischof 'Aliiavdqog beruht auf Missverständniss ; es ist zu
schreiben: KiQdmv itog a\ alXog d' ixri im\ d. L ein Anderer giebt
11 Jahre an.
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 399
zugeschnitten; dass das Martyrium des Markos in das Jahr
64 fällt.
7^) Theophanes, Fortsetzer des Synkellos, schrieb 813.
Dem Bischof Alexandros hat er in Folge einer Verwechselung
mit seinem Zeitgenossen Alexandros von Constantinopel 23
Amtsjahre gegeben und so den Defect bei den Jahren des
Maximos (8 statt 18 bei Synkellos in Folge eines vorgefun-
denen Schreibfehlers) wieder eingebracht. Die Verwirrung
in den Jahren der Bischöfe Petros II. und Timotheos I.
findet sich bei ihm zuerst^ das Zuviel wird dann den Jahren
des Dioskoros abgezogen. Die Liste ist unter den griechi-
schen die allerschl echteste. Dass die Einreihung der Amts-
jahre in das Schema nach Jahren der Welt völlig gleich-
gültig ist^ hat man längst richtig erkannt.
8) Nikephoros, Patriarch von Constantinopel, in der
zwischen 820 — 828 geschriebenen , von dem Herausgeber
aber bis 878 — 886 fortgesetzten Chronographie, deren durch
Lücken und Verschiebungen entstellter Text aus der lateini-
schen Cebersetzung des Anastasius Bibliothecarius ergänzt
werden muss; wo nicht aus der Liste des Synkellos und Theo-
phanes geschöpft, doch aus den von diesen benutzten Materia-
lien, woraus sich ihr geringer Werth von selbst ergiebt.*)
II« Melchitische Quellen«
9) Eutychios (Sa^id ihn Batriq), Patriarch von
Alexandrien, in seinem 938 geschriebenen Nazm al^auhar.
In seiner Quelle war das Martyrium ' des Markos in das
Jahr 68 heruntergerückt, und, um Platz zu gewinnen, die
Jahre der Bischöfe Agrippinos und Heraklas verkürzt wor-
den: er Hess die gewaltsamen Aenderungen stehen, machte
aber das beabsichtigte Resultat durch Einschaltung einer
fün^ährigen Vacanz vor Achillas wieder rückgängig, üebri-
gens ergiebt sich seine Abhängigkeit von der Chronologie
des Eusebios aus den 16 Jahren, die er dem Alexandros
giebt, seine Abhängigkeit von schlechten byzantinischen
*) [Nea herausgegeben von Carl de Boor, ,,Nicephori archiepiscopi
Constantinopolitani opuscnla historica" (Lipsiae 1880) p. 81 sqq. Lps.]
400 VERZEICHNISS
ChroDOgraphien aus der Verwirrung, die auch bei ihm mit
den Jahren des Petros IL und Timotheos I. vor sich ge-
gangen ist Den Bischof Timotheos III. lässt er, weil er
ihn mit seinem Nachfolger Theodosios verwechselt, nach
zwei Jahren abgesetzt werden und bringt die dadurch ein-
gebüssten 15 Jahre durch Verdoppelung der Amtszeit des
folgenden Bischofs nur zum Theil wieder ein. Weitere Defecte
gleicht er dadurch aus, dass er vier häretische Bischöfe, die
nie im wirklichen Besitze des Patriarchats gewesen sind,
mit 10 Jahren 5 Monaten Amtszeit einschaltet. Diese Bei-
spiele genügen zur Charakteristik der unglaublichen Lüder-
lichkeit, mit welcher Eutychios seine vom fünften Jahr-
hundert an gar nicht so schlechten Materialien verarbeitet
hat. Die Amtsdauer der Melchitenpatriarchen der moslemi-
schen Zeit ist nach arabischen Mondjahren berechnet, die
beigefügten Bestimmungen des Amtsantrittes nach Hegra-
jahren sind aber in Folge einer Verwechselung hinsichtlich
des Todesjahres des Sophronios durchgängig um 13 Jahre
falsch.
10) Zwei Listen der auf Eutychios folgenden Melchiten-
patriarchen, benutzt von Le Quien, Oriens Christianus II p.475;
sie reichten, wie es scheint, bis 1730, enthielten aber die
blossen Namen ohne Angabe der Amtsdauer.
IIL Jakobilische Qnellen.
Von Dioskoros I. an liegt allen jakobitischen Patri-
archenlisten ein gemeinsames ürverzeichniss zu Grunde: alle
erkennen die orthodoxen Bischöfe Proterios, Timotheos Salo-
phakialos und Joannes nicht als solche an und geben fol-
gende Zeitbestimmungen: Dioskoros 14, Timotheos (Ailuros)
22, Petros 8 Jahre, wobei es ihnen passirt ist, den Timo-
theos Salophakialos für den Ailuros zu nehmen; andernfalls
hätten sie den betreffenden Zeitraum vielmehr so zerlegen
müssen: Dioskoros 12, Timotheos Ailuros 20, Petros 12 Jahre.
Dasselbe ergiebt sich aus der Wiederholung verschriebener
Zeitbestimmungen nach Jahren Diocletians in sämmtlichen
Quellen: 245 statt 258 für den Bau jakobitischer Kirchen
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 401
während der Verbannung des P. Theodosios (Patriarchen-
geschichte Chron. or. Makr.), 330 statt 333 für den Tod des
P. Anastasios (Patriarchengesch. Elm. Makr.); endlich auch
in der Unbekanntschaft aller späteren jakobitischen Chro-
nisten mit dem zehnjährigen Zwischenregiment nach Theo-
dosios' Tode, welche die Verschiebung der Anfange des Petros
und Damianos zur Folge gehabt hat.
A. Menologien.
11) Der koptische Kalender a) bei Abulberekät, be-
nutzt von Renaudot, fiüistoria patriarcharum Alexandrinorum
lacobitarum, Paris 1713, 4^.; b) in einer arabischen Hand-
schrift der Eyangelien vom Jahre 1286 bei Seiden, De syn-
edriis veterum Ebraeorum lib. III p. 221 ff.; c) bei Abulabbäs
Ahmed Calcaschendi, ebenda lib. III p. 204 ff. Der koptische
Kalender ist nach 819 ^ aber wohl nicht zu lange nachher
abgeschlossen worden, vermuthlich unter dem Patriarchen
Jakob) der die Namen aller seiner Vorgänger vom Evan-
gelisten Markos bis auf Markos II. in die Liturgie auf-
nehmen liess (Renaudot p. 271).
12) Das äthiopische Synaxar, ausgezogen von Ludolf
bei lo. Bapt. Sollerius *ad tom. V lunii tractatus praeliminaris
de Patriarchis Alexandrinis' (Acta Sanctorum lunii V p. I —
XX. *1 — 106*); Fasti sacri ecclesiae Aethiopicae, bei Ludolf,
Ad historiam Aethiopicam commentarius p. 389 ff. Die be-
treffenden Abschnitte des Synaxars sind sicher nach 1145,
wahrscheinlich bald nach 1216 zusammengestellt worden
und stimmen am nächsten mit der Patriarchengeschichte
überein.
B. Chronographien.
I. Classe.
13) Historia patriarcharum Alexandrlnorumque
lacobitarum (bearbeitet von Renaudot^ Paris 1713, 4^.):
a) Die Geschichte des Zeitraumes von 61 — 880, verfasst
von Severus, Bischof von Ashmunin, der uro 975 blühte.
V. QuTscuMiD, Kleine Sührifteu. II. 26
402 VERZEICHNISS
Severus hält sich iQr die älteste Zeit ziemlich genau an
Easebios, dessen chronologischem System auch die Be-
stimmung der Amtsdauer des Alexandros auf 16 Jahre entr
spricht; doch sind dem Heraklas drei Jahre abgezogen worden,
um das Martyrium des Markos auf das Jahr 64 zu bringen.
b) Die Geschichte von 880 — 1046, verfasst von Michael,
Bischof von Tanis, im Jahre 167 Mart. = 1051 (Renaudot
p. 399).
c) Die Geschichte von 1046 — 1243, zusammengestellt
von Manhüb ben Mansür, zwischen 1243 — 1250.
Für die Zeiten der moslimischen Herrschaft auf officiellen,
grossentheils gleichzeitigen Aufzeichnungen beruhend: daher
Hauptquelle.
Die Quellen, die in den Patriarchengeschichten erwähnt
werden, sind:
a) Die Geschichte der Patriarchen von Kyrillos I. bis
Simon I. ist von Vielen geschrieben worden, und vorzüg-
lich von dem Mönche Georgios, dem Archidiaconus und
Secretär des Simon (lebte unter Alexandros IL), welcher
das, was die Jakobiten vom Kaiser Marcianus ertragen
und was in der Folgezeit ihre Patriarchen gelitten haben,
durchgegangen hat bis auf Soleimän, den Sohn des Abdel-
melik (714 — 717, also nahe bis unter Alexandros IL);
ß) der zeitgenössische Biograph Michaels L führte die
Geschichte fort bis auf den Tod des Theodoros und be-
schrieb dann ausführlich das Leben Michaels, unter dem
er lebte.
y) Mit dem Tode Simons IL schliesst eine Quelle ab, da
S) der Biograph des Jusäb dieser Widersprechendes
berichtet: derselbe redet von den durch Almamün nach
Bagdad deportirten Baschmüriten , dass deren Colonie
noch bis auf seine Zeit fortbestände, während ein Theil
unter Almamüns Nachfolger zurückgekehrt sei. Der Bio-
graph des Jusäb ist auch verschieden von
e) dem Biographen des Sanythios L, dem Joannes
Diaconus, einem jüngeren Zeitgenossen des Joseph. Von
Michael IL beginnt ein neuer Theil der Patriarchen-
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 403
geschichte, der demnach den Letzteren zum Verfasser hat.
Mit Sanythios I. schliesst Severus, Bischof von Ashmunin,
der aus vereinzelten griechischen und mehrentheils kopti-
schen Denkmälern, die in verschiedenen Kirchen, nament-
h'ch im Kloster zum heiligen Makarios im Thale Habib
aufbewahrt werden, die Patriarchengeschichte in arabischer
Sprache zusammenstellte und übersetzte. Von nun an redet
Michael von Tanis, der gleich anfangs von dem durch
Sanythios I. errichteten Altar des heiligen Markos in Ale-
xandrien redet, der 115 Jahre gestanden habe. Yermuth-
lich waren die Biographien von Chail IL von Anfang an
arabisch geschrieben. — Michael von Tanis schrieb 767
und zwar arabisch; ziemlich schlecht unterrichtet.
aa) Christodulos' Leben beschrieb Manhüb ben Man-
sür ben Mofrah, Diaconus von Alexandrien, der 804 Mari
480 H. = 1087/1088 die im S. Makarioskloster im Thale
Habib und in anderen Klöstern vorgefundenen arabisch
geschriebenen Patriarchenleben abschrieb, zusammenstellte
und fortsetzte.
ßß) Die Zeit von Kyrillos 11. bis Makarios IL Johannes
ben Salud ben Jahja ben Mina genannt Ebn el-Kolzumi,
Zeitgenosse des Kyrillos IL und des Makarios IL, bringt
die Geschichte bloss bis 1122 n. Ch. Das letzte Stück
seiner Geschichte fehlt ganz.
yy) ^^^ Gabriel 11. bis Joannes V. Markos ben Zo/a,
der PatriarcL
dd) Von Markos III. bis Joannes VI. ein Ungenann-
ter, der einseitig auf die politische Geschichte Bücksicht
nimmt, jüngerer Zeitgenosse des Markos.
es) Von der Vacanz bis Kyrillos IIL, Zeitgenosse (der
Name Manhüb ben Mansür ist ein Irrthum von Renaudot).
Hieraus ergiebt sich, dass der Patriarchengeschichte
von ungefähr 680 n. Ch. an bis 1243 mit alleiniger Aus-
nahme des Zeitraumes von 880—1004 zeitgenossische Auf-
zeichnungen zu Grunde liegen.
14*) Catalogue des Patriarches Coptes d'Alexan-
drie, tire de TAbulberekat, bei Yansleb, Histoire de T^lise
26*
404 VKRZEICHNISS
d'Alexandrie, Paris 1677. 16°. (p. 301 flf.), mit Berichtigungen
von Renaudot a. a. 0., geschrieben zwischen 1363 — 1369,
aus guten Quellen mit gewissenloser Willkür zusammen-
gesudelt: auf die Zeitbestimmungen nach Jahren Diocletians
ist für die ganze ältere Zeit gar nichts zu geben, da sie
bloss in dem Zeiträume von 831 — 950 leidlich mit den
authentischen stimmen, ebensowenig auf die Angaben über
die Monate der Ordinationen, die mit seltenen Ausnahmen^)
durch willkürlichen Ansatz 30 oder 40 Tage nach dem Todes-
tage des Vorgängers gefunden sind. Die Amtszeiten der
Patriarchen stimmen im Ganzen mehr mit der Patriarchen-
geschichte als z. B. die Zahlen des Chronicon Orientale: wie
er aber mit den ihm überlieferten Zahlen umgeht, mag man
daraus ersehen, dass er dem Alexandros ganze 24 Jahre zu
viel beilegt, und dafür dem Dionysios fünf, den drei Patri-
archen Athanasios IL, Joannes I. und IL je drei und dem
Theodosios zehn Jahre abzieht; das Todesjahr des Letzteren
283 Diocl. fand er überliefert, lenkt aber sofort wieder von
der wahren Zeitrechnung ab, indem er die zehnjährige Vacanz
nach Theodosios nicht berücksichtigt, den nächsten vier Patri-
archen Petros, Damianos, Anastasios und Andronikos je ein
Jahr abzieht und die eingebüssten 14 Jahre erst lange nach-
her wieder einbringt^ indem er die Amtsdauer der I^atriarchen
Markos, Jakob und Simon um 3 + 8 -f- 3 Jahre erhöht, um
zu dem überlieferten Datum 548 für Josephs Antritt zu ge-
langen. Erst von 1131 an wird Abulberekät zuverlässig.
Vansleb hat die üble Gewohnheit, die sich schon bei Euty-
chios findet, daher wahrscheinlich bei den Kopten selbst
herrscht, die Namen der römischen Monate ohne Weiteres
für die koptischen zu brauchen, denen sie zum grössten
Theile entsprechen.
14**) Fortsetzung des Abulberekät bis 1673, bei Vansleb
p. 329. Berichtigungen bei Renaudot a. a. 0.
1) Diese sind die Ordinationsdaten: Mesori 283 für Petros IV.,
Pharm uthi für Alezander IL, Phamenoth fSr Kosmas L, Thoth für
Michael I., Athyr 648 für Joseph, Pachon für Gabriel I., Tybi für
Zacharias, Phamenoth für Kyrillos IL
DEtt PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 405
15) Gatalogus patriarcharum Alexandrinorum,
a P. du Bemat ex Goptica S. Cyrilli liturgia descriptus,
bis 1706 (bei SoUerius a. a. 0. p. IXfif.). Aus Abulberekät
gescbopft; von 1363 an selbstständige Quelle und^ obgleich
die Dauer der Vacanzen nicht angegeben ist, als Norm für
die Chronologie der neueren Zeit nicht zu verachten.
16) Katalog der Patriarchen, aus der Bibliothek
der Medresse von Eahira von Peirescius ausgezogen^ bis
1633 (bei Eircher, Lingua Aegjptiaca restituta p. 518 ff.),
ohne Chronologie und nur der Sprache wegen interessant,
in der man lächerlicherweise Koptisch gefunden hat^ ob-
gleich höchstens Formen wie Tviietgiov für jdtjfiriTQiov einen
koptischen Schreiber verrathen. Es ist gewohnliches Grie-
chisch, wie die Abwesenheit aller specifisch koptischen Buch-
staben auch in Namen wie Senodios^ Xenodios, die massen-
haften griechische^ Genitive und wiederholten xs d. i. xccl
zur Genüge darthuu. Der Katalog ist aus arabischen Quellen
geflossen: Beweis fehlerhafte üebersetzung von ^ J| mit 9qch
statt IlQtiios, von ^j^y^jii mit FQixJCovrig statt ^AyQL%7ilvog,
von v^d^ mit 'Imöi^ß statt ^ImCiqn.
n. ClasBe.
Sie ist aus einer gemeinsamen Quelle geflossen. Bis
ins fünfte Jahrhundert hinein ist eine andere viel schlechtere
Quelle als in der Patriarchengeschichte zu Grunde gelegt,
die sich bald mit Theophanes und Nikephoros (wie in den
23 Jahren Alexanders), bald (in der Herabrückung von Mar-
kos' Martyrium in 68, in den Ansätzen für die Bischöfe
Petros II. und Timotheos) mit Eutychios berührt und mit
den Jahren der ältesten Patriarchen, namentlich des dritten
Jahrhunderts die gewaltthätigsten Manipulationen vorge-
nommen hat, deren Grund man nicht einmal errathen kann.
Bemerkenswerth ist nur, dass das Chrouicon Orientale über
die Gegenbischöfe des Petros Mongos ganz gut unterrichtet
ist, die es Timotheos, Ansus und Joannes Duinasades nennt:
Letzteres ist richtiger Davinisades, d. i. Taßsvvri6t<6trig zu
406 VERZEICHNISS
Yocalisiren, aus Ansus aber erhält man durch Veränderung
eines Punktes Asbus, ein seltener Beiname des Salophakialos^
den sonst nur noch Liberatus bewahrt hat. Die auf die Zeit
vor 700 im Chronicon Orientale vertheilten sieben Yacanzen
beruhen nicht auf Ueberlieferung, sondern sind blosse FQU-
jähre, die anderweitige chronologische Defecte wieder aus-
gleichen sollen. Allmählich ändert sich der Charakter der
Chroniken dieser Classe immer mehr zu ihrem Yortheil und
sie werden von 1004 an besonders zuverlässig.
17) Ebn Rahib, Chronicon Orientale p. 107 ff.^ verfasst
1259, der beste Repräsentant dieser Classe, mit ungewöhn-
licher Sorgfalt gearbeitet und in einer Weise, die gegen
Schreibfehler hinreichend garantirt, daher sehr beachtens-
werth: die Wochentage der Todesdaten der einzelnen Patri-
archen sind aber für die ganze ältere Zeit durch Rechnung
gefunden, können daher nicht als chronologische Charakte-
rismen gelten; erst von 1004 an lässt sich wirkliche Ueber-
lieferung derartiger Daten annehmen. In der controlirenden
Berechnung nach Weltjahren ist nicht selten eine andere
Tradition über den Todestag befolgt als im Texte.
18) Elmakin (G'ir^s ben el-'Amid) im Tarich el-Mus-
limin, ed. Erpenius, Lugduni Batavorum 1625, fol., um-
fasst den Zeitraum von 641 — 1131. Der erste Theil des
Elmakin, der die Zeit von 61 — 641 behandelt, ist von
Renaudot a. a. 0. ausgezogen worden, der dritte Theil von
1131 — 1262 noch unbenutzt. Elmakin schrieb zwischen
1262 — 1268.
19) Makrizis Geschichte der Kopten, mit üebersetzung
und Anmerkungen von Wüstenfeld (Göttingen 1847, 4^.)
S. 5 (16) ff. Fast ausschliesslich aus Elmakin geschöpft,
schliesst daher auch 1262. Die Zeitangaben nach moslemi-
scher Zeitrechnung hat Makrizi nicht vorgefunden, sondern
selbst ausgerechnet; er schrieb um 1438. Eutychios ist von
Makrizi und, wie es scheint, schon von Elmakin viel um-
fassender benutzt, als im Chronicon Orientale.
i
I
/ DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 407
i
HfLlfsmittel.
lo. Bapi Sollerii S. J. ad tom. V lunii tractatus prae-
liminaris de Patriarchis Alexandrinis. Cum appeudice de
initiis , erroribus , institutis Copto - lacobiticis ( Antv erpiae
1709, fol.) p. I-XX. *1— 156*
[Eusebius Benaudot], Historia patriarcharum Alexan-
drinorum lacobitarum a D. Marco usque ad finem saeculi
XIII. Cum catalogo sequentium patriai^charum et coUectaneis
historicis ad ultima tempora spectantibus* Parisiis 1713, 4^.
Michael Le Quien, Oriens Christianus Tom. II (Parisiis
1740, fol.) p. 329-512.
Henry Fynes Clinton, Fasti Bomani Vol. II. Appendix
(Oxford 1850, 4«.) p. 535 flf. 544—548.
Das nur die älteste Zeit umfassende Cap. VI (Successio
sedis Alexandrinae) in H. Dodwells Dissertatio singularis
de pontificum Bomanorum primaeva successione, angehängt
an J. Pearsons De serie et successione primorum Bomae
episcoporum dissertatio. London 1687, 8% p. 53 — 81, eine
echt Dodwüllsche Tüftelei, und der nach abgeleiteten Quellen
gearbeitete Index chrouologicus episcoporum , archiepisco-
porum et patriarcharum Alexandrinorum in Fabricius'
Bibliotheca Graeca VEI p. 594—599 (Hamburg 1717, 4^)
gewähren wenig Hülfe.
Methode der Herstellung.
Die Gelehrten, welche bisher die Zeitrechnung der
alexandrinischen Patriarchen im Zusammenhange behandelt
haben, haben die Verzeichnisse der Amtsjahre bei den
Chronographen den Zeitbestimmungen, welche gelegentlich
von den Geschichtsschreibern gegeben werden, in der Weise
untergeordnet, dass sie nur da, wo sie von Letzteren in Stich
gelassen wurden, eine der verbreitetsten Listen zur Aushülfe
benutzten und an dieser weiter rechneten, bis wieder ein
Datum aus anderen Quellen eintrat: stimmte dies mit dem
aus den Listen gewonnenen Besultate, so war es gut; wo
nicht, so wurden an der betreffenden Stelle Jahre weg-
408 VEftZEICHNISS
geschnitten oder zugelegt. Ein solcbes Verfahren ist schon
principiell nicht unbedenklich: denn warum soll im CoUisions-
falle eine möglicherweise auf ganz authentische Quellen
zurückgehende Liste allemal Unrecht, ein vielleicht schlecht
unterrichteter Historiker allemal Recht haben? Noch bedenk-
licher wird aber die Sache durch die Ausf&hrung. Einer der
Geschichtsschreiber^ für die so das Gewicht eines potior testis
in Anspruch genommen wird, ist Sokrates, obgleich der Nim-
bus, den seine genauen Aqgaben in Consulaten um ihn ver-
breitet haben, vor eingehenderer Betrachtung bedeutend
schwindet: und solche ergiebt, dass er einen guten Theil
seiner^ oft nur auf ziemlich luftigen Gombinationen beruhen-
den, Ansätze erst nach einer der cursirenden Consullisten
ausgerechnet hat. Wie auffallend schlecht Sokrat^s und der
mit ihm in enger Verbindung stehende Sozomenos über die
Geschichte des Athanasios unterrichtet sind, ist bekannt
genug. Doch dies möchte noch hingehen: viel weniger zu
billigen ist die Bevorzugung des Victor Tununeusis, eines
Chronisten, dessen Sorglosigkeit so arg ist, dass es selbst
in Betreff von Ereignissen, deren Zeitgenosse er ist, schon
als ein günstiger Ausnahmefall gelten muss, wenn er sich
in der Zeitbestimmung nur um drei Jahre versehen hat.
Zu diesen Missgriffen nach der einen Seite kam ein eben so
schlimmer nach der anderen hin: die Listen, die man zu
Hülfe nahm, waren die des Theophanes und Nikephoros^ die
sich uns als beinahe die werthlosesten von allen heraus-
stellen werden.
Wir werden einen anderen Weg geben. Dass man der
fortlaufenden Controle durch authentische Angaben der Hi-
storiker nicht entrathen kann, versteht sich von selbst: die
Grundlage aber, von der man auszugehen hat, müssen die
Listen bilden und zwar nicht die erste beste, sondern die,
welche die meisten Garantien für ihre Ursprünglicheit bietet.
Um diese zu ermitteln, muss man sich die Entstehungsweise
dieser Listen vergegenwärtigen. Die officiellen Aufzeichnungen
der alexandrinischen Kirche enthielten ohne Zweifel, so gut
wie die der römischen, die Amtsdauer der Patriarchen in
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 409
Jahren^ Monaten und Tagen: aus einer Abrundung dieser
Zahlen sind die erhaltenen Verzeichnisse entstanden. Bis
auf den jakobitischen Patriarchen Isaak zu Ende des
siebenten Jahrhunderts sind uns die Amtszeiten nicht anders
als in vollen Jahren überliefert; wo Monate oder gar Tage
darüber angegeben sind^ haben wir es, vielleicht zwei Fälle
ausgenommen, nicht mit glaubhafter Ueberlieferung, sondern
mit einem Wiederherstellungsversache auf gelehrtem Wege
zu thun. Ein Yerzeichniss, in welchem die Abrundung plan-
massig vorgenommen worden wäre, etwa so, dass nach dem
Principe des Ptolemäischen Kanons das ägyptische Jahr, im
Laufe dessen ein Patriarch ordinirt ward, als sein erstes ge-
golten hätte, haben wir leider nicht: ja nicht einmal die
Erwartung, dass man einen Ueberschuss von weniger als
sechs Monaten unberücksichtigt gelassen, einen von mehr
als sechs für ein Jahr gerechnet haben werde, bestätigt sich
bei näherer Prüfung; nur darauf scheinen die Urheber der
auf uns gekommenen Listen gehalten zu haben, dass nicht
durch zu einseitige Abrundung Fehler in der Gesammt-
berechnung entstanden. Die Yacanzen waren, wie man aus
der Analogie der durchaus auf ofGcielle Angaben basirten
Liste der constantinopolitanischen Patriarchen bei Nikephoros
folgern darf, in dem authentischen Verzeichnisse der alexan-
drinischen Kirche nicht ausdrücklich angegeben, fehlen daher
auch in allen aus diesem abgeleiteten Verzeichnissen bis ins
achte Jahrhundert n. Ch. hinein. Die Schwierigkeit für die
Chronographen, die Jahre der alexEmdrinischen Patriarchen
in dem Zeitschema der allgemeinen Geschichte richtig unter-
zubringen, liegt daher auf der Hand; es war kaum zu ver-
meiden, dass man später vermeintlichen Lücken der Zeit-
rechnung durch Zahlenänderungen abzuhelfen suchte. Die
einzige Liste nun, die völlig von Interpolationen frei ist und
bis in den Anfang des siebenten Jahrhunderts an allen ander-
weitigen authentischen Zeitangaben die Probe besteht, ist
die bisher ganz unbeachtet gebliebene des XQOvoygatpetov
övvto^v. Sie ist für die früheste Zeit bis auf Alexandros
treu aus Eusebios entlehnt, stimmt von da bis auf Theo*
410 VEBZEICHNISS
philos durchweg mit den Excerpta Latina barbari, unserer
für diese Zeit ältesten und hinsichtlich der Amtsjahre auch
ganz glaubwQrdigen Liste. Diesen zuverlässigen Charakter
bewahrt das XQOvoygaipBtov auch für den folgenden Zeit-
raum^ wo wir die Quelle nicht mehr nachweisen können;
nur soviel ist wahrscheinlich, dass dieselbe nur bis dahin
reichte, wo auch fast alle noch erhaltenen Geschichtsquellen
abschliessen, bis zur Regierung des Phokas.^) Wir legen
also bis zum Anfange des siebenten Jahrhunderts Eusebios,
die Excerpta und das XQovoyQatpstov der Zeitrechnung zu
Grunde, indem wir dabei neben Eusebios nur noch Lat.
Montf. berücksichtigen. Alle übrigen Listen können erst
in zweiter Linie in Betracht kommen. Ganz zu verwerfen
sind ihre Angaben darum nicht: bei der planlosen Art, wie
die ursprünglich genaueren Zahlen abgerundet worden sind,
liegt es in der Natur der Sache, dass die Abrundung von
verschiedenen Chronographen in verschiedener Weise aus-
geführt worden ist: wenn die 12 Jahre 9 Monate des Abilios
von Eusebios als 13 Jahre berechnet werden, so ist es darum
kein Fehler, wenn Lat. Montf. 12 Jahre angiebt.
Eine zweite Stütze für die Zeitrechnung sind uns die
nur in späten jakobitischen Quellen bewahrten, aber durch
eine Reihe gleichzeitiger Angaben aus dem vierten Jahr-
hundert glänzend bestätigten Todestage der Patriarchen, die
sicher so gut, wie ähnliche Nachrichten über die romischen
Bischöfe aus viel älterer Zeit, auf das Eirchenarchiv zurück-
gehen. Dass uns aus der ältesten Zeit oft nur die Begräb-
nisstage überliefert, dass in CoUisionsfällen mit den Festtagen
1) Diese Lücke unserer Eenntniss scheint schon im 14. Jahr-
hundert gefühlt worden zu sein und den Nikephoros Eallistos bewogen
zu haben, seinen Plan einer allgemeinen Kirchengeschichte nur bis
zur Begierung des Phokas auszuführen. . Sie hat wohl weniger in dem
Verloste älterer Geschichtswerke, als darin ihren Grund, daes mit der
Regierung des Phokas die Jteihe der Katastrophen begann, unter denen
der höchst morsche Bau der alten christlich - orientalischen Welt
zusammenbrach, und dass sich an die furchtbar grosse Zeit, die nun
folgte, keine der kleinen Mönchsseelen wagte, die fortan allein die
byzantinische Historiographie vertraten.
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 411
berühmter Heiliger die Gedächtnisstage um einen oder mehrere
Tage verschoben, dass endlich auch später noch mitunter
anderweitige Gedächtnisstage statt der Todestage genannt
worden sein mögen, soll nicht bestritten werden: im Ganzen
aber scheinen mir diese Angaben volles Vertrauen zu ver-
dienen. Eine einzige Ausnahme macht vielleicht die dunkle
Periode, während welcher die Jakobitenpatriarchen unter
fortwährenden Verfolgungen durch die Melcbiten in Ober-
ägypten residirten, von Theodosios I. bis Benjamin I.; denn
es ist zu auffallig, dass die drei aufeinander folgenden Patri-
archen Theodosios I., Petros und Damianos alle in derselben
Woche des Payni, Andronikos sogar an demselben Tage wie
sein Nachfolger Benjamin I. gestorben sein sollen. Ich
glaube, dass die Todestage des Petros, Damianos und An-
dronikos in Wahrheit vergessen waren und erst später von
einer schematisirenden Historik durch Verdoppelung der be-
nachbarten Nummern hergestellt worden sind, und betrachte
die Todestage des Theodosios I., Anastasios und Benjamin I.
als die einzigen wirklich überlieferten Daten jenes Zeit-
raumes. Es liegt auf der Hand, dass uns die Tagesdaten
in allen den Fällen, wo eine Zahl in verschiedenen Quellen
verschieden abgerundet worden ist^ in den Stand setzen, die
ursprüngliche bis auf Jahr und Tag genaue Angabe der
Amtszeit wiederzufinden, und auf diese Art gewinnen auch
die geringeren Listen, insoweit sie von einander unab-
hängig sind, ihre Bedeutung für die Ermittelung der Zeit-
rechnung. Für den ältesten Zeitraum freilich bis auf Petros I.
kann eine solche Wiederherstellung, wie wir sie unten geben
werden, nur ein Versuch heissen; denn weun auch keines-
wegs alle späteren Chronographen aus Eusebios geschöpft
haben ^), so liegt doch bei der Mehrzahl derselben die Be-
fürchtung nahe, dass sie die Jahre der ältesten Patriarchen
zugeschnitten haben, um den Märtyrertod des Markos in ein
1) Ein Znrflckgehen auf die authentischen Listen lässt sich z. B.
bei den gegen Ensebios polemisirenden ägyptischen Chronographen
Anianos nnd Panodoros, zwei Hauptgew&hrsmännem des Synkellos,
mit Fug voraossetzen.
412 VERZEICHNISS
ihnen passender dünkendes Jahr zu bringen: wir sind also
selten sicher, dass wir es nicht statt mit abweichender Ab-
rundungy vielmehr mit willkürlicher Verkürzung der ursprüng-
lich überlieferten Zahl zu thuu haben. Dagegen können für
die drei folgenden Jahrhunderte des alexandrinischen Patri-
archats, während welcher uns gleichzeitige authentische An-
gaben als Gorrectiv nie ganz fehlen, die auf diesem Wege
erzielten Resultate einen hohen Grad von Sicherheit in An-
spruch nehmen. Von Theodoros an^ der unter Phokas
Patriarch wurde, verliert die Liste des XQOvoyQatpetov ihren
zuverlässigen Charakter. Dagegen ändert sich gerade von
dieser Zeit an die des Eutychios, welche bis dahin wegen
vielfacher Schreibfehler und Interpolationen nur wenig in
Betracht kommen konnte, sehr zu ihrem Vortheil und ist
uns schon jetzt die vorzüglichste für die Zeit der moslemi-
schen Herrschaft, die einzige Quelle für die Geschichte des
melchitischen Patriarchats von Alexandrieu.') Für den letz-
teren Zeitraum sind die Amtsjahre der Patriarchen nach
Jahren der Hegra gemessen; wir haben weiter nichts zu
thun, als einen Irrthum des Eutychios, der das Todesjahr
des Ghristophoros (233 Hegra) für das des Sophronios I.
gehalten hat, zu beseitigen und darnach die Amtsjahre
der vorangegangenen Patriarchen zu berichtigen, und die
gelegentlichen Erwähnungen derselben in anderen Quellen
einfach daneben zu stellen: aus der vollständigen Ueberein-
stimmung wird sich dann die Bi<^htigkeit unserer Herstellung
von selbst ergeben. Von der Zeit des Eutychios bis ins
vorige Jahrhundert sind wir nur durch zwei Listen der
Patriarchen ohne Angabe der Amtsdauer, die Le Quien zu
1) Ich braache als Belbstverständlich wohl kaum noch besonders
in Erinnerung zu bringen, dass die Urtheile, welche ich hier und sonst
über den Werth oder ünwerth der Chronographen fälle, sich nur aaf
die das alexandrinische Patriarchat betreffenden Abschnitte beziehen
und nicht ohne Weiteres verallgemeinert werden dürfen: so sind z. B.
die von Eutychios gegebenen Listen der Patriarchen von Antiochien
und Jemsalem auch für die vormoslemische Zeit die relativ besten von
allen uns erhaltenen.
DER PATRIARCH KN VON ALEXANDRIEN. 413
Gebote standen^ mangelhaft genug unterrichtet: ein Uebel-
stand, der freilich leicht zu verschmerzen ist^ da dieses
alexandrinische Melchitenpatriarchat im Laufe des zwölften
Jahrhunderts zu einer Filiale des constantinopolitanischen
Patriarchats herabgesunken ist und alle nationale Bedeutung
eiugebusst hat (vgl. Renaudot S. 157). Wir müssen uns für
diese Periode darauf beschränken, die Le Quienschen Listen
in ihrer ursprünglichen Form wiederherzustellen, indem wir
die ergänzenden Combinationen des Herausgebers in An-
merkungen verweisen: Le Quien schaltet nämlich vier in beiden
Listen fehlende Namen aus der Zeit von 1019 — 1118 da,
wo es ihm passend schien, ein und muss so nicht weniger
als drei Lücken annehmen, was wenig wahrscheinlich ist.
Die Auslassung kann eine absichtliche gewesen sein, indem
die Unrechtmässigkeit der Wahl, oder Heterodoxie, oder
sonst etwas die Zusammensteller bewog, mehrere Patriarchen
hintereinander aus den Listen zu streichen; noch wahrschein-
licher aber ist es, dass gar keine Lücke vorliegt und dass
die von Le Quien ergänzten Namen, von denen keiner ganz
gesichert ist, theils auf Missverständniss beruhen, theils in
Const^ntinopel ordinirten Patriarchen in partibus angehören:
in Bezug auf Jerusalem hat Le Quien selbst ein solches Ver-
hältniss für das Ende des zehnten Jahrhunderts wahrschein-
lich gemacht (III S. 482).
Für die ungleich wichtigere Geschichte des monophy-
sitischen Patriarchats ist Severus von Ashmunin unser
sicherster Führer. Die Behandlung der Zeitrechnung nimmt
bei ihm mit dem Ende des siebenten Jahrhunderts einen
völlig neuen Charakter an: von nun an werden die Amts-
zeiten der Patriarchen häufig in Jahren und Monaten an-
gegeben, die Vacanzen ziemlich regelmässig verzeichnet,
endlich, was noch wichtiger ist, treten auch, anfangs selten,
später immer häufiger, bestimmte Jahresangaben nach Dio-
cletianischer Aera und chronologische Gharakterismen auf,
nicht nur Verbindungen des Wochentages mit dem Monats-
tage, sondern mitunter auch Bezeichnung der Stellung des
Datums im österlichen Jahre. Ohne Zweifel hängt dies
414 VEBZEICHNISS
damit zusammen, dass der Arbeit des Severus bis 700 das
Geschichtswerk des Georgios zu Grunde liegt, der die Amts-
zeiten aller früheren Patriarchen nur nach vollen Jahren
bestimmt und nur bei den letzten, deren Zeitgenosse er war,
genauere Angaben geliefert hatte: von 700 an aber schöpft
Severus im Wesentlichen aus zeitgenössischen Aufzeichnungen.
Dass wir ihn bei der Herstellung der Zeitrechnung zu Grunde
legen, bedarf daher keiner Rechtfertigung. Vom Jahre 880
an, mit welchem Severus schliesst, ändert sich der Charakter
unserer Quellen und nöthigt uns zu einem eklektischen Ver-
fahren. Michael von Tanis, dem Fortsetzer des Severus, habein
bis zum Jahre 1004 keine zeitgenossischen Aufzeichnungen
vorgelegen, daher müssen neben ihm auch die übrigen Quellen
berücksichtigt werden, und von 1004 an treten £bn Rahib,
Elmakin und Makrizi als völlig gleichberechtigte Zeugen
neben Michael und die ihn fortsetzende von Manhüb ben
Mansür angelegte Sammlung, da sie ausser den Verfassern
der Patriarchengeschichte noch andere, in der Zeitrechnung
oft sorgföltigere Autoritäten zu ßathe gezogen haben.
Die Normen, welche sich mir für die Feststellung der
Chronologie des Zeitraumes von 700 bis in die Mitte des
13. Jahrhunderts, wo unsere besten Quellen abbrechen, er-
geben haben, sind diese. Die Zeitbestimmungen nach He^ra-
Jahren bei jakobitischen Historikern sind gänzlich werthlos,
da sie ausser in den sehr seltenen Fällen, wo sie als Zeit-
genossen Tag und Jahr mit dem christlichen Datum ver-
gleichen, jene Angaben erst dem Ergebnisse einer Rechnung
verdanken, bei der nicht einmal die Differenz zwischen dem
arabischen Mond- und dem alexandrinischen Sonnenjahre in
Betracht gezogen worden ist. Dasselbe gilt von den An-
gaben nach Jahren moslemischer Herrscher: die Gleichgiltig-
keit der jakobitischen Geschichtsschreiber in Betreff ihrer
Herren ist so gross, dass selbst da, wo es sich um Zeit-
genossen und nicht um einen blossen Synchronismus, son-
dern um ein Eingreifen derselben in die Geschicke der
ägyptischen Christen handelt, mitunter die unglaublichsten
Fehler begangen werden. Auf authentischer Ueberlieferung
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 415
berahea einzig und allein die Jahre nach Diocletianischer
Aera und die ihnen gleich zu achtenden Eharä^'ahre. Eine
Vergleichung der Stellen , an denen die Letzteren erwähnt
werden, ergiebt, dass es vom 1. Moharrem 366 Heg. ^= 1. Thoth
693 Diocl. = 29. August 976 n. Ch. an laufende alexandrini-
sche, aber in der Aera der Hegra fortzählende Sonnenjahre
sind, nach denen unter der Herrschaft der Fatimidendynastie
bei der Erhebung der Eharag (der Grundsteuer) gerechnet
worden ist: man kann sie ihrer Natur nach mit den In-
dictionsjahren vergleichen; mit denen sie auch bis auf drei
Tage zusammenfallen. Da das binnen Kurzem durch alle
Jahreszeiten laufende He^ajahr für ^ eine Regelung von
Steuern (vollends wenn diese etwa von den Bauern in
Naturallieferungen erhoben werden) so unbequem wie mög-
lich ist, so war die Neuerung eine augenscheinlich zweck-
mässige und scheint, wie sich aus der häufigen Erwähnung
in der Patriarchengeschichte folgern lässt, als solche von
den Christen anerkannt worden zu sein. Der Ghalif Mustas-
hir schaffte das Eharä^ahr, vermuthlich weil es einer
koranischen Vorschrift direct widerstreitet, im Jahre 501
Hegr. (1108) wieder ab (Renaudot p. 489). Noch zuver^
lässiger freilich als die Jahresangaben nach Diocletianischer
und Eharägära sind die oben erwähnten chronologischen
Charakterismen, in denen man hier wie in anderen Fällen
die eigentlichen Marksteine für die Zeitrechnung zu erkennen
hat. Allen derartigen Angaben wohnt ein so untrQglicher
Charakter inne, dass ich ihnen auch in den Fällen, wo sie
nur in Quellen zweiten Banges aufbewahrt waren, sobald
nur einmal ermittelt war, dass sie wirklich überliefert und
nicbt etwa bloss durch Rechnung gefunden waren ^), un-
bedingtes Gewicht für die Herstellung der Chronologien ein-
räumen und ihnen selbst entgegenstehende Zeitangaben aus
sonst besseren Quellen unterordnen zu müssen geglaubt habe.
Wo der Monatstag der Ordination eines Patriarchen
1) Für die Ansscheidnng der künstlichen Charakterismen und
der durch Bückrechntmg gefundenen Diocletianiachen Jahre ist bereits
in der Quellenkritik die erforderliche Anweisung gegeben worden.
416 VERZKICHNISS
überliefert ist, so ist damit, wenn auch nicht in allen, so doch
in den meisten Fällen, eine Handhabe zur Berichtigung der
Zeitrechnung gegeben. Von der altkirchlichen Bestimmung
nämlich, dass die Ordination nur an Sonn- und hohen Fest-
tagen vorgenommen werden sollte, die auffalligerweise, wie
die Beispiele des Athanasios und Eyrillos lehren, gerade in
der Glanzperiode des alexandrinischen Episkopats nicht ein-
gehalten worden ist, sind die Jakobiten wenigstens in der
späteren Zeit kaum je abgegangen. Wir haben die aus-
drückliche Angabe des Severus (bei ßenaudot p. 177), dass
bei Gelegenheit der Einsetzung des Patriarchen Isaak im
Jahre . 690 von seinem Anhange der alte Brauch wieder
eingeschärft und mit Berufung auf ihn die Ordination seines
Nebenbuhlers, des Diaconus Georgios von Xois, hintertrieben
wurde. Wir würden also in allen Ordinationsdaten zuver-
lässige chronologische Kriterien haben, wenn nicht nach-
weislich öfters der Tag der Wahl oder der Inthronisation
statt des Ordinationstages genannt worden wäre. Unter
diesen Umständen habe ich der Rücksicht auf dieses Her-
kommen der jakobitischen Kirche nur insoweit Einfluss auf
die Herstellung der Zeitrechnung gestattet, dass ich da, wo
zwei verschiedene Angaben sich gegenüberstanden, der den
Vorzug gegeben habe, welche die Ordination auf einen Sonn-
tag bringt.
Von der Mitte des dreizehnten bis in die Mitte des
vierzehnten Jahrhunderts müssen wir uns an Abulberekät
halten, dessen Liste übrigens schon seit 1131 einen zuver-
lässigen Charakter angenommen hat. Du Bemats Katalog,
der für die frühere Zeit aus Abulberekät abgeschrieben ist,
ist von da an, wo dieser aufhört, bis zum Anfange des acht-
zehnten Jahrhunderts die einzige Quelle, in der uns die Amts-
dauer der Patriarchen überliefert ist. Die Liste ist von
allen bisherigen Bearbeitern dieses Theiles der Patriarchen-
geschichte als ganz werthlos verworfen und grundsätzlich
ignorirt worden, ohne dass irgend ein triftiger Grund fQr
diese Zurücksetzung angegeben worden wäre. Da sie die
Vacanzen nicht angiebt, die unter der Mamlukenherrschaft
i
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 417
oft genug über ein Jahr dauerten, so lässt sich aas ihr da,
wo ihr nicht gelegentlich andere Erwähnungen zur Seite
stehen y die Zeitrechnung der Patriarchen nur annähernd
wiederherstellen. Allein dies thut ihrer Glaubwürdigkeit so
wenig Eintrag y wie der Umstand , dass bei zwei Nummern
die Zehner ausge&Uen sind. Das eine Mal, bei den Jahren
des Matthäus I., lässt sich der Fehler aus dem Zeitgenossen
Makrizi yerbesaem, dessen sorgfältige Angaben über mehrere
Patriarchen aus der Zeit von 1381 — 1427 (in Quatrem^res
Memoires sur TEgjpte II p. 220 ff.) die Daten des Du Ber-
natschen Katalogs vollkommen bestätigen. So ist es denn
nur der Zeitraum von Matthäus IL bis auf Gabriel YIL, .von
der Mitte des fünfzehnten bis in die Mitte des sechzehnten
Jahrhunderts^ über dessen Herstellung wir, da an den Amts-
jahren irgend eines der in Betracht kommenden Patriarchen
40 Jahre abgefallen sind, in Ermangelung anderweitiger
Zeitbestimmungen zu keinem sicheren Resultate gelangen
können.
üeber die Zählungsweise.
Markos ist anfangs in der Reihe der Patriarchen nicht
mitgezählt worden, wie ihm denn auch in keiner älteren
Liste eine bestimmte Amtsdauer beigelegt wird. Daher
rechnet Ensebios den Alexandros als den achtzehnten Patri-
archen, Hieronymus den Petros 11. als den zwanzigsten (die
drei arianischen Gegenpatriarchen Gregorios, Georgios und
Lukios werden natürlich als Eindringlinge nicht mit berück-
sichtigt), Anianos bei Synk. p. 59, 6 den Theophilos als den
zweiundzwanzigsten. Aber im sechsten Jahrhundert rechnet
Lat Montf. den Markos als ersten, den Anianos als zweiten
Patriarchen und so alle Späteren, sowohl Melchiten als Jako-
biten. Bei den Letzteren hat sich eine feste officielle Zählungs-
weise ausgebildet, die sich in allen ihren Listen wiederfindet
und nach der sich die Patriarchen selbst im sechzehnten Jahr-
hundert in ihren Briefen an die romischen Päpste bezeichnen.
Sie schliesst die arianischen, und seit dem Goncil von Ghalkedon
alle nichtjakobitischen Bischöfe aus, verfährt dann aber sehr
T. ChJTscBMZD, Kleine Sohrlften. IL 27
418 VERZEICHNISS
folgerichtig.^) Erst in neuerer Zeit ist einiges Schwanken in
die Zählung gekommen, wahrscheinlich durch das ephemere
Patriarchat eines nur aus Makrizi bekannten Michael (1427),
welcher in den officiellen Aufzeichnungen übergangen, in
einzelnen Listen aber mitgerechnet war: der Katalog der
Patriarchen von Alexandrien, der in die Chronik von Axum
(Cod. Aethiop. Bodlej. XXVI fol. 96 — 99) aufgenommen wor-
den ist, schliesst nach Dillmann mit dem achtnndneunzigsten,
Gabriel, der sich aber selbst dem Papste Clemens VII. gegen-
über den siebenundneunzigsten Patriarchen nennt Es lässt
sich jedoch nachweisen, dass diese ezclusive Zählungs weise
in den jakobitischen Quellen nicht von jeher befolgt worden
ist. In der Erzählung von der Translation S. Joannes des
Kleinen unter dem 30. Mesori im koptischen Synaxar (bei
Quatrem^re, Memoires sur l'Egypte I p. 160) wird Joannes IV.,
nach den späteren Jakobiten der vierzigste Patriarch von Ale-
xandrien, der zweiundvierzigste genannt. Diese Zahl lässt
sich nur so erklären, dass der ältesten Zählung der alexan-
drinischen Kirche gemäss Markos und die drei Arianer-
patriarchen übergangen , Dioskoros als vierundzwanzigster
gerechnet und vom Concil von Chalkedon an alle wirklich
regierenden Patriarchen, also auch die Synoditen Proterios^
Timotheos Salophakialos und Joannes Tabennesiotes, gezählt
wären: so erhielt Theodosios, nach den späteren Jakobiten
der dreiunddreissigste Patriarch, die fünfunddreissigste Stelle.
Ob sich bei den Melchiten die Zählungsweise jemals in ähn-
licher Weise fest gestaltet hat, wie bei den späteren Jako-
biten, wissen wir nicht; einer ebenso starren Durchfilhrung
des entgegengesetzten synoditischen Standpunktes stellten
sich gleich von vornherein eigenthümliche principielle und
praktische Schwierigkeiten entgegen: sollte man den Dios-
koros, dem die Eigenschaft eines rechtmässigen Nachfolgers
des Kyrillos ebensowenig wie die eines Erzketzers bestritten
1) Vielleicht hängt die Aufstellung dieser auf dem Standpunkte
der jakobitischen Orthodoxie stehenden Liste mit der Anordnung des
Patriarchen Jakob zusammen, dass alle seine Vorgänger bis auf Mar-
kos II. in der Liturgie erwähnt wflrden.
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 419
werden konnte ^ mitrechnen oder nicht? und wie, misslich,
dann für alle die 58 Jahre^ während welcher das Henotikon
galt, fQr die 20 Jahre des monotheletischen Patriarchats
fingirte Yacanzen ansetzen zu müssen! Die Chronographen
konnten sich darauf natürlich nicht einlassen und zählen
einfach alle thatsächlichen Patriarchate: da die Melchiten
nichts Anderes als die Hofkirche waren, so ist es im Grunde
genommen auch die dem melchitischen Principe am besten
entsprechende Methode, als rechtmässige Patriarchen aller die
zu betrachten, welche von der kaiserlichen Regierung ein-
gesetzt oder doch anerkannt worden sind. Nur darüber
herrschte unter den Chronographen Schwanken, ob die
arianischen Patriarchen mitzuzählen wären oder nicht. Für
die Ausschliessung hat sich Lat. Montf., für die Aufnahme
Nikephoros entschieden-, das Verfahren des XQOvoyQag)Btov
6vvto(iovy welches Gregor und Georg übergeht, aber Lukios
mitzählt, verdient als planlos keine Beachtung. In dem
Weglassen der drei liegt, man mag es betrachten wie man
wolle, eine Inconsequenz: in den Augen der Kirche waren
Timotheos Ailuros, Petros Mongos und ihre Nachfolger genau
ebenso arge Ketzer wie die Arianerpatriarchen, vom Stand-
punkte des Hofes betrachtet aber war die Legitimität dieser
Letzteren viel weniger zweifelhaft als z. B. die des Synoditen
Joannes Tabennesiotes. Andererseits aber entspricht die Aus-
scheidung der arianischen Patriarchen den Traditionen der
alexandrinischen Kirche. Auch wir haben uns der nach-
weislich ältesten Zählungs weise, welche den Markos und die
Arianer ausschliesst, angeschlossen, um so mehr, da diese
allein für Melchiten und Jakobiten bezeugt ist. Markos ist
von der alexandrinischen Kirche selbst in der älteren Zeit
als der Schutzheilige des Patriarchats, aber nicht als der
erste Patriarch angesehen worden. Dass die Folgenden von
Anianos an historische Personen gewesen sind, braucht füg-
lich nicht bestritten zu werden; damit ist aber freilich noch
nicht gesagt, dass sie als Bischöfe im späteren Sinne des
Wortes aufeinander gefolgt sind. Für die früheste Erwähnung
eines christlichen Patriarchen in Alexandrien gilt die in dem
27*
420 VERZEICHNISS
Briefe Hadrians an Serviauus bei Vopiscus SaturDin. 8^ der
wahrscheinlich im Jahre 132 geschrieben ist (s. Clinton^
F. R. n p. 20)*), sie würde also nach der traditionellen
Chronologie in die Zeit des Eumenes fallen. Allein Hadrian
sagt von dem Patriarchen^ er werde, wenn er nach Aegypten
komme, von den Einen gezwungen, den Serapis, von den
Anderen Christus anzubeten: folglich war weder sein Sitz in
Aegypten noch seine Religion die christliche, und man kann
Gratz (Geschichte der Juden IV S. 155) nur beipflichten,
wenn er die Stelle auf den jüdischen Patriarchen in Tiberias
bezieht. Wenn auch die Namen der ältesten Bischöfe echt
sind, so ist es doch hinsichtlich der beigeschriebenen Amts-
jahre sehr fraglich, ob sie auf geschichtlicher Ueberlieferung
beruhen. Die Jahre der ersten sieben nach Markos zeigen
eine grosse Symmetrie, die noch auffalliger wird, wenn man
unter Beiseitelassuug der überschüssigen Monate nur die
vollen Jahre ins Auge fasst**):
[1. Markos] )
= 45 J. 7 Mon.
= 45 J. 7 Mon.
^ . . i 22J. — Mon.
2. Anianos )
3. Abilioa 12 J. 10 Mon. 1 33 J. 7 Mon.
4. Eerdon 10 J. 9 Mon. )
5. Primos 12 J. 2Mon.l 23J._Mon.
6. Justos 10 J. 10 Mon.l
7. Eumenes 12 J. 4Mon.|_ 22J. 7 Mon.
8. Markos 10 J. 3 Mon.J
Dass eine solche ebenmässig durchgeführte Gliederung Zufall
sein sollte, ist schwer glaublich. Vielmehr scheint mir die
Anordnung der Liste ein stummes Zeugniss dafür abzulegen,
*) [Vgl. Gatachmid zn Sharpes Geschichte Egyptens II S. 146 f.
F. R.]
**) [Zu der nachfolgenden Tabelle ist am Rande bemerkt: „Zn
modificiren*^ In welchem Sinne y. Gutechmid diese Modification yor-
genommen wissen wollte, erhellt aus seiner Besprechung der Hamack-
schen Schrift „Die Zeit des Ignatius" in der Theologischen Literatur-
zeitung 1880 Spalte 76 ff., unten Abschnitt XIV No. 3, insbesondere
S. 77 f. des Originaldrucks. Vgl. hierzu auch Lipsius, Neue Studien
zur Papstchronologie II, 2. Jahrbücher für protestantische Theologie
1880 S. 246—262; 286—293. Lps.]
DEft PATRIABCIIEN VON ALEXANDRIEN. 421
dass die histoiiSche Zeitrechnung erst mit dem neunten
Bisehofe Eeladion (seit 152 n. Ch.) beginnt. Da man sich
nun zu der Zeit, als man diese Liste aufstellte, der Amts-
zeiten der unmittelbar vorhergegangenen Bischöfe bis etwa
40 Jahre rückwärts wohl noch ' erinnert haben wird, so kann
man ihre Entstehung und den damit vermuthlich verbundenen
Anfang gleichzeitiger Aufzeichnungen mit einiger Wahrschein-
lichkeit um 190 n. Oh. ansetzen. Dieser Zeitpunkt empfiehlt
sich auch von anderer Seite: er trifft zusammen mit den
Bestrebungen des Bischofs Demetrios um die Regelung der
Osterfeier, mit der Blüthezeit eines Clemens von Alexandrien
und den Anfangen einer christlichen Chronographie in Ale-
xandrien.
Verzeichniss der Patriarohen von Alexandrien."^)
1. Markos I., der Evangelist, verkündigte in Alexandrien
das Christenthum und setzte den Anianos zum Bischof ein
im siebenten Jahre Neros (Eusebios Arm. XQovoyg. övvt,
Chron. or.) 61 n. Ch., sass neben Anianos 2 Jahre (Acta
8. Marci Latina. XQovoyg. övvr, Nikeph. Sev., während ihm
in den ttltesten Quellen, Eus. und Lat. Montf. und noch bei
Synk. Abulb. und Makr. keine Amtszeit beigeschrieben ist),
ward ergriffen an der „festivitas nostri paschatis id est do-
minicus dies sanctus'^ am 29. Pharmuthi solis (nach Anleitung
des Chron. or. aus den Lesarten XX oder XXIY herzustellen),
a. d. VIII Kai. Mai. (24. Nisan, Sev. Chron. or. Elra.) an
den Serapiaka (die aber am 25. April gefeiert werden), und
hingerichtet am folgenden Tage, nämlich Montag, den
30. Pharmuthi im neunzehnten (sehr, neunten) Jahre Neros,
25. April 63 n. Ch. So die ältere lateinische Becension der
Acta S. Marci § 7. 12 bei SoUerius.**) Dass die Verlegung
des Martyriums auf Ostern, die übrigens in den von Baronius
benutzten Acten ganz fehlt^ nur in falscher Ausdeutung eines
altchristlichen, nicht den österlichen, sondern jeden Sonntag
*) [Hier hat Gutschmid am Rande bemerkt: „Die Zeitrechnung
ist zu berichtigen". Lps.]
**) [Ueber die verschiedenen Recensionen der Acta Marci vgl.
LipsiuB, Die apokryphen Apostelgeschichten U, 2 S. 329 ff. Lps.]
422 VERZEICHNIS8
bezeichnenden Ausdruckes ihren Grund hat, das Todesjahr
mithin nicht^ um ein wenigstens annäherndes Zutreffen zu
ermöglichen ; mit Severus in 64 n. Gh. gerückt werden darf,
hat SoUerius genügend dargethan. Die übrigen Zeitangaben,
in denen augenscheinlich zwei yerschiedene Traditionen ver-
schmolzen sind, lassen es allerdings zweifelhaft erscheinen,
ob die Charakterismen besser auf das Jahr 62 oder 63
passen, dafür aber, dass wenigstens der Bearbeiter der Acta
das letztere im Sinne gehabt hat, ist das beigefügte Kaiser-
jähr entscheidend, das sich unter dieser Voraussetzung mit
Leichtigkeit emendiren lässt. In diesem Sinne haben ihre
Quelle auch die jüngeren von Henschen herausgegebenen
Acta S. Marci, das arabische Leben des Markos und das
aus diesem schopfende Chronicon Orientale verstanden, indem
sie das Martyrium des Evangelisten, um seine Anwesenheit
beim Tode des Petrus und Paulus möglich zu machen, bis
in das Jahr 68 hinabrücken, welches ganz dieselben Cha-
rakterismen hat, wie das Jahr 63.
2. Anianos (Ananios Eus. Arm., Hanänjä oder Ananja
Makr., Hailanjä Eut), seit dem siebenten Jahre Neros = 61
n. Ch., sass 22 Jahre, anfangs neben Markos, dann allein,
f 20. Athyr im zweiten Jahre Domitians = 16. November 82.
3. A biliös (Avillius Lat. Montf. , AtßCkkios Nikeph.,
daraus Al^LiXiog Synk. Gr. Montf., Milios Abulb. Bern., Melioä
Acta S. Marci. Synax., Melianos Ebnr., Filitius d. L MsXiriog
Eut.) sass 12 Jahre 9 Monate (Elm. Makr.), f 1. Thoth
(Sev. Ebnr. Synk.) im fünfzehnten Jahre Domitians (Eut.
Sev.) = 30. August 95.
4. Eerdon (Kerdänös d. i. KsQScavig Sev., Eerdianos
Bern., Kerthiano Makr., Kerdios Eut.) sass 10 Jahre (Synk.
Eui) oder 11 Jahre (Lat. Montf. Eus. Sev. Makr.), f 11. Payni
(Abulb. Ebnr.) im neunten Jahre Trajans (Hieron.) = 5. Juni
106 oder 21. Payni (Sev. Synax.).
5. Primos (Phrim Peiresc.) sass 12 Jahre, f 3. Mesori
im zweiten Jahre Hadrians (nach Anleitung des Eut.) =
27. Juli 118.
6. Justos (Jostos Eus« Arm. Synax., Justinos Nikeph.
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 423
Bern.) sass 10 Jahre (Sync. Eut) oder 11 Jahre (Lat Montf.
Eu8. Sev. Makr.), f 12. Payni (Sev. Abulb. Makr. Ebnr.
im Texte) im dreizehnten Jahre Hadrians (Eus. H« E.) s=
6. Juni 129.
7. Eumenes (Eumenios Gr. Montf. Eut. und sämmtliche
Jakobiten, Hymeneus Hieron.) sass 12 Jahre (Eus.) oder 13
Jahre (Lat. Montf. Eus. Synk. Sev.), f 10. Phaophi im fönften
Jahre Antonius (Hieron. Sev. Elm.) = 7. October 141.
8. Markos ü. (Markianos Synk. Nikeph. Eut. und die
Jakobiten) sass 10 Jahre (Lat. Montf. Eus. Synk. Eut.
Abulb.), t 6. Tybi (Sev. Ebnr. Elm. Makr. Synax.) im fünf-
zehnten Jahre Antonius (Sev. Elm. und indirect Eut.) =
2. Januar 152.
9. Keladion (Eelärios d. i. Kskadiog Eut., Eeladianos
Bern. Synax., Eelandianos Peiresc. Sev. Ebnr. Elm., Eelauthiano
Makr., Gelaudion ^ieron. cod. Petav., Calendion vel Celadion
Hieron. cod. Fux.*), Calendion Lat Montf.) sass 14 Jahre
6 Monate (Ebnr.), f 9. Epiphi (Ebnr. Elm. Makr. Synax.) im
sechsten Jahre des Marcus und Commodus (Hieron.) =» 3. Juli 166.
10. Agrippinos (Agripinos Lat. Montf. Eus« Arm.
Graec. Montf., Grippones Peiresc, Agrippios Eut. Abulb.)
sass 12 Jahre, f 5. Mechir (im achtzehnten Jahre des
Marcus und Commodus) = 30. Januar 178.
11. Julian OS (Julios Synk., Jolianos Synax., Lolianos
Sev.) sass 10 Jahre, f 8. Phamenoth (Ebnr. Makr. Synax.)
(im achtundzwanzigsten Jahre des Marcus und Commodus)
= 4. März 188.
12. Demetrios sass 43 Jahre (Lat. Montf. Eus. Synk.
Eut. Sev.), t 12. Phaophi (Ebnr. Synax.) nicht lange nach
dem Weggange des Origenes, im zehnten Jahre Alexanders
(denn dass dies, nicht das zwölfte Jahr bei Eusebios in der
Eirchengeschichte die richtige Lesart ist, ergiebt sich aus
seiner eigenen Rechnung) =» 9. October 230. Uebrigens
halte ich es für ausgemacht, dass jenes Datum aus der
Lebensgeschichte des Origenes dem Eusebios nicht wirklich
*) [Nach Schöne lesen Cod. Fnx. Celadion, Bong. Gelaudion
Petav. Caelaudion. F. £.]
424 VERZEICHNISS
überliefert; sondern von ihm erst aus dem durch Rechnung
für den Tod des Demetrios gefundenen^ hier zufällig mit der
wahren Zeitrechnung übereinstimmenden Jahre abstrahirt
worden ist.
13. Heraklas (Herakles Eus. Arm., Hirqal d. i. 'Hqcc-
xXsiog Eut., Hierokles Peiresc. Sev. Synax. Ebnr., verschrieben
in Theokläs Abulb. Makr.) sass 16 Jahre (Lat. Montf. Eus.
Synk. Elm. Makr.), f 8. Choiak im vierten Jahre des Philippus
(Eus. Arm.) = 4. December 246.
14. Dionysios sass 17 Jahre (Lai Montf. Eus. Synk.
Eut. Sev.), t 13. Phamenoth (Sev. Synax.) im elften Jahre
Galliens (Eus. Chron.) = 9. März 264. Eine andere Tra-
dition hält einen zweiten Gedenktag, den 3. Thoth (Elm.
Makr. Kai. Seiden.; 17. Thoth Synax.) für seinen Todestag,
der dann mit Eusebios' Eirchengeschichte in das zwölfte Jahr
Galliens fallen und dem 31. August 264. entsprechen würde.
15. Maximos (Maximianos Nikeph.) sass 18 Jahre
(Eus. Eut. Sev.), f 14. Pharmuthi (im siebenten Jahre* des
Probus) = 9. April 282. *Babnüda sass nach Maximos
6 Monate, entmannte sich selbst und ward deshalb im Athyr
(des ersten Jahres des Carus, in welches Eus. Arm. und Sev.
den Antritt des Theonas setzen) = November 282 abgesetzt
und aus der Liste der Patriarchen gestrichen. So Abul-
berekat, der seine Eenntniss dem Junis von Damiat ver-
dankte und ausdrücklich hervorhebt, dass Severus den Bab-
nüda übergangen habe. Auch die anderen Listen schweigen
über ihn, nur Ebn Bahib verzeichnet wenigstens an dieser
Stelle eine einjährige Vacanz. — Ein ägyptischer, aber nicht
alexandrinischer Bischof Paphnutios verfocht auf dem Concil
von Nikäa mit Wärme die Priesterehe, obwohl er selbst von
Jugend an das Keuschheitsgelübde streng beobachtet hatte
(Sokr.): sollte auf diesen etwa von der Sage die That des
Origenes übertragen und er durch irgend eine Verwechselung
der Reihe der alexandrinischen Bischöfe einverleibt worden
sein? Immerhin treten die Angaben des Junis zu bestimmt
auf, um sie ohne weiteres zu verdammen.
16. Theonas (Theonus Hieron., Närön d. i. &siov Eut),
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 425
dessen drittes Jahr Severus einen Abschnitt machen lässt
(weil in dieses der Anfang der Diocletianischen Aera,
29. August 284, fallt), sass 18 Jahre (Lat. Montf.) oder
19 Jahre (Eus. Sjnk. Eut. Sev. Elm.), f 2. Tybi (im sieb-
zehnten Jahre Diocletians) = 28. December 300.
17. Petros L, Martyr (Lat. Montf. Nikeph. Xgovoyg.
tSvvt. Graec. Montf.) oder Hieromartyr (Theoph. Ebnr.),
regierte nach Eusebios' Eirchengeschichte 12 Jahre^ davon
nicht volle drei vor dem Anfange der Verfolgung im März
303, und ward im neunten Jahre der Verfolgung hingerichtet.
Sein Todestag ist nach dem MagtVQiov xov ayiov [eQOficcQ-
tvQog xal aQ%iB%L6x6n(yv 'AXs^avÖQsiag IlitQov (Illustr. mar-
tyr. triumphi ed. Franc. Combefis. Paris 1660. 8^ p. 214)
dem ältesten lateinischen Martyrologium Usuardi, dem maro-
nitiscben Martyrologium und den als älteste Geschichtsquelle
besonders wichtigen Exe. Lat. barbari der 25. November, nach
sämmtlichen jakobitischen Chroniken und Ealendarien der
29. Athyr, zwei Tage, die sich nur in dem dem Julianischen
Schaltjahre vorausgehenden Jahre nicht decken. Zählt man
die Jahre der Verfolgung von März bis März, so fällt Petros'
Martyrium auf den 29. Athyr 28. Diocl., welcher gerade in
dem entsprechenden Jahre 311 n. Gh. nicht dem 25., son-
dern dem 26. November gleich ist, der sich nur in dem
späteren Martyrol. Rom. als sein Gedenktag verzeichnet
findet. So erhalten wir für die Amtszeit des Petros nicht
wie Eusebios meint 12, sondern nicht ganz 11 Jahre, und
so viele geben dem Petros, offenbar nach Eusebios, das
XQovoyg. 6vvr. Theoph. Nikeph. und Makr. Ebn Bahib
giebt ihm 10 Jahre 333 Tage, berechnet sie aber im Texte
vom 10. bis 20. Diocl., also im Widerspruch damit nur zu
nicht vollen 10 Jahren; die Osterchronik wiederholt die
12 Jahre des Eusebios, berechnet sie aber vom 16. bis
16. (sehr. 26.) Diocl, also auch nur zu 10 Jahren (p. 514
Bonn.). Bedeutsamer als dies ist der Widerspruch des Eu-
sebios mit sich selbst, dessen von Samuel wiedergegebener An-
satz im Chron. Arm. dem Petros 10 Jahre gab; dieselbe Zahl
wiederholt die lateinische Liste Montfaucous, deren Zeugniss
426 VERZEICHNISS
als das eiuer alten yon Eusebios unabhängigeu Quelle beson-
ders schwer ins Gewicht fallt, Graec. Montf., Eutych. und
Bern. Nimmt man^ was sehr nahe liegt, an, dass in Eu-
sebios' Quelle ägyptisch datirt war, d. i. dass das erste Jahr
der Verfolgung vom März 303 bis zum Schluss des laufen-
den ägyptischen Jahres, 29. August 303, gerechnet, die fol-
genden Jahre der Verfolgung aber den ägyptischen gleich-
gesetzt waren, so erhält man für Petros' Amtszeit allerdings
ziemlich 10 Jahre und sein Martyrium föUt auf den 29. Athyr
27. DiocL, der dem 25. November 310 n. Gh. entspricht. Auf
diese Weise ist die Concordanz der lateinischen und der
jakobitischen Quellen hinsichtlich des Datums hergestellt;
nur so lässt sich ferner (was wir hier gleich vorwegnehmen
wollen) die überlieferte Zahl für Alexandros retten, und da
man so wie so die von Eusebios in der Eirchengeschichte
dem Petros gegebenen 12 Jahre nur als das Ergebniss einer
unbedachten Addition von drei nicht vollen und neun nicht
vollen Jahren verwerfen muss, so ist es auf jeden Fall kriti-
scher, sich an die von Eusebios selbst in seinem anderen
Werk;^ gegebene, auch anderweitig gut bezeugte Zahl von
10 Jahren zu halten, statt eine Mittelzahl zu wählen.
Vacanz nach Gelasius Gyzicenus ein Jahr, ein offenbares
Missverständniss , das sich am einfachsten daraus erklärt,
dass Achillas erst in dem auf Petros' Tod folgenden Juliani-
schen Jahre ordinirt wurde.
18. Achillas (Achilas Nikeph., Ashilä Eut., Archillas
Peiresc, Arshillä Abulb., Archelaos Chron. or. Bern., Arse-
laos Makr.) sass nach der genauesten Angabe des Gelasius
Gyzicenus 5 Monate, also seit Januar 311 (Tybi 27. DiocL),
unter welchem Jahre (2328 Abr.) ihn Hieronymus nach
Petav. und anderen guten Codices anmerkt*), und f 19. Payni
(27. Diocl.) «» 13. Juni 311. Die Ansätze seiner Amtsdauer
zu 7 Monaten bei Eusebios Chron. Arm. oder zu 6 Monaten
20 Tagen bei Ebn Bahib und Elmakin rechnen vom Tode
des Vorgängers an. Die verbreitetste Annahme (bei Eut.
*) [Nach Schöne nur der Fuxensis unter 2828, alle anderen Hand-
schriften, auch Peta?., unter 2327. F. R.]
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN.
427
imd Sev., verschrieben im Lat. Montf.) bestimmt seineu Epi-
skopat auf 6 Monate.
Die Zeiten der berühmten Bischöfe Alexandros und
Athanasios sind schon in den ältesten , fast zeitgenossischen
Quellen in sehr abweichender Weise bestimmt worden, wie
dies die folgende Tabelle veranschaulicht:
Tod des Achillas 19. Payni (27. Diocl.) = 13. Juni 311.
19. Alexandros I.
15 J. (Lat. Montf.)
sass
Alexandros sass 17 J. (Eus.
Chron., daraus XgovoyQ. övvt,)
oder 16 J. (Eut. Sev.)
in seinem 15. Jahre (Eut. Ebnr.) wurde das Concil von
Nikäa abgehalten, 19. Juni 325.
Dauer des Goncils bis YIII.
Kai. ßept. Paulino et luliano
coss. = 25. August 325. (Cres-
conii collectio Canonum apud
Heinichen ad Eus. vit. Const.
III, 10; die kurze Dauer be-
stätigen alle authentischen
Quellen.)
Dauer des Goncils 3^^ J.
vom 15. April (324) bis in
den September (327) (Acta
Metrophanis et Alexandri ap.
Phot. 256 p. 471 f. Bekk.;
spätere Orientalen bei Benau-
dot p. 71. 82), nämlich von
seiner Ausschreibung bis zum
Zusammentritt 1 J. 2 Mon.
(Eutych. I p. 441) und die
eigentliche Sitzungszeit 2 J.
und darüber (Severus u. A.
bei Renaudot p. 76).
Alexandros starb kaum 5 Monate nach der durch das
Concil von Nikäa verfügten Wiederaufnahme der Mel^ianer
(Athanas. Apologia contra Arianos 59 bei Montf. 1, 1 p. 178 A)
oder 5 Monate nach dem Concil von Nikäa (Theodoret) oder
in der Frist von 5 Monaten nach seiner Bückkehr von Nikäa
(Lib. synodicus über die Synodus Caesariensis Palaestinae in
den Acta conciliorum stud. Labbei et Cossartii [Paris 1671.
fol.] II p. 85 A) oder in demselben Jahre, in welchem das
Concil von Nikäa stattfand (Epipb. Haer. 69, der damit
schwerlich etwas Anderes sagen will, als dass Alexandros
noch vor Umlauf eines Jahres gestorben sei), und zwar am
22. Pharmuthi (Vorbericht zu den Festbriefen des heiligen
428
VERZEICHNISS
Athanasios S. 26, Exe. Lat. barbari, Chron. Pascb. p. 530
und Bämmtliche jakobitiscbe Chroniken und Kaiendarien)
also 22. Pharmuthi (42. Diocl.)
= 17. April 326.
also 22. Pharmuthi (44. Diocl.)
(Vorher, z. d. Pestbriefen, Hist.
aceph.) = 17. April 328.
Yacanz 3 Monate nach Epiph. Haer. 69 ^ nämlich ein
voller und zwei angerissene.
20. Athanasios I.^ der Grosse (Nikeph.) oder der Apo-
stolische (Synax. Ebnr. Abulb. Makr.), ordinirt 14. Payni
(Vorbericht zu den Festbriefen; Hist. aceph.),
also = (Mittwoch) 8. Juni 326
[starb im 46. J. (Rufinus, dessen
Angaben, wenn sie mehr als
ein ungenauer Ausdruck wären,
mit keiner von beiden Rech-
nungen stimmen würden)]
sass 46 J. (Sokrates (Sozom.),
Eyrillos, Lat. Montf. Exe. bar-
bari, Xgovoyg. 0vift.y dieselbe
Zahl verschrieben im Graec.
Montf., Theoph., welcher ihn
40 davon unter Verfolgungen
zubringen lässt, was stimmt,
wenn man sie vom 8. Juni
326 bis 1. Februar 366 rechnet;
Eutych. Chron. or, (welches
die ihm mit Ebnr. Makr. ge-
meinsame Angabe von 46 J.
auf 46 J. 15 Tage präcisirt)
und Nikephoros, in dessen Ur-
texte die Specialangaben aus-
gefallen, aber bei Anastasius,
wenngleich in den Zehnern
wunderlich entstellt^ erhalten
sind: Athanasios 42 (sehr. 12) J.,
Gregorios 46 (sehr. 6) J., Atha-
nasios zum zweiten Male 48
also = [Sonnabend] 8. Juni 328
sass 45 J. (Vorher, z. d. Fest-
briefen des heiligen Athanasios
Hist. aceph., mit dem Zusätze,
dass er davon 17 J. 6 Mon.
20 Tage auf der Flucht zu-
gebracht)
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN.
429
(sehr. 8) J., Georgios 49 (sehr.
9) J., Aihanasios zam dritten
Male im Ganzen 46 J.; beide
Rechnungen scheinen hier ver-
mischt worden zu sein, indem
Gregors Amtszeit mit B in
die Jahre 339 — 345 gesetzt,
die Amtsdauer des wiederein-
gesetzten Athanasios aber mit
A auf 8 Jahre beschränkt
und, um zu dem einstimmig
überlieferten Todesjahre Georgs
zu gelangen, dessen Amtszeit
falschlich auf 9 Jahre be-
stimmt ward
oder 47 Jahre (Sev., der ihn
die ersten 22 davon unter
Verfolgungen, die übrigen 25
in Frieden zubringen lässt
und zum Wendepunkt seine
Wiedereinsetzung durch Con-
stans macht, die er also 348
zu setzen scheint. 47 Jahre
giebt ihm im Texte auch
Abulb., der aber mit Lat.
Bernat. nur 46 in Rechnung
bringt),
schrieb 47 Festbriefe (Sev.) d. i.
Epiph. 327 bis Epiph. 373.
(13 Jahre bis 57. Diocl. =
Ostern 341 zu berechnen, wie
sich aus dem Folgenden er-
giebt , also seit 328 : wahr-
scheinlich aber sind die zwei
Jahre Exil in Gallien abge-
zogen), Gregorios 12 J. und
Athanasios wieder 3 J. (Der
Zwischenraum von 15. J., 57.
Diocl. (341) bis 72. Diocl. (356)
kommt richtig heraus, ist aber
in Folge der Verwechselung
der Dauer von Athanasios'
dritter Amtsdauer mit seiner
zweiten, die allerdings 3 J.
54. Diocl. (Herbst 337) bis
57. Diocl. (Ostern 341) dauerte,
falsch vertheilt), Georgios 6 J.,
72. Diocl. = Ostern 356 bis
78. Diocl. = Ende 361),
schrieb 45 Festbriefe (Vorher.)
d. i. Epiph. 329 bis Epiph. 373.
430 VERZEICHNISS
Athanasios reist von Alexasdrien zur Synode von Tyros
ab 17. Epiphi (51. Diocl.) = 11. Juli 335 (Vorher.) und wird
nach Treveri verhannt am 10. Athyr (52. Diocl.) «= 7. Nov.
335 (Vorher.) im 30. Jahre Gonstantins (Sokr. Theod.), ein
Jahr virenige (d. i. 6) Monate vor dessen (am 22. Mai 337
erfolgten) Tode (Theod.). Dauer der Abwesenheit des Atha-
nasios von Alexandrien 28 Monate 11 Tage (diese im Texte
der Hist. aceph. ausgefallene Zahl ergiebt sich^ wenn man
die Dauer der übrigen Exile von der angegebenen Summe
von 17 Jahren 6 Monaten 20 Tagen abzieht^ und stimmt
genau mit den Daten des Vorberichtes) oder 2 Jahre
4 Monate (Theodoret.^ der aber diese Zahl ungenau auf das
Exil in Treveri überträgt).
Rückkehr des Athanasios am 27. Athyr [54. Diocl.] =
23. November 337 (Vorbericht).
Hiermit stimmt vollkommen übereiU; dass der achte und
neunte Festbrief, die an den Epiphaniasfesten der Jahre 330
und 337 hatten erlassen werden soUeo , fehlen und es im
zehnten Festbriefe (erlassen Epiphanias 338) 8. 113 heisst:
„so hat er uns durch viele Prüfungen und Leiden .... zu
seiner heiligen Kirche hindurchgeleitet; damit wir von hier
an wiederum nach dem Brauch Euch schreiben und auch
von Euch Schreiben empfangen können".^)
1) Hiermit ist freilich schwer vereinbar, was im Eingänge des-
selben Schreibens S. 104 zu lesen ist: „Denn wenngleich harte Prüfungen
mir auferlegt waren, wozu noch die weite Entfernung kam .... so
fürchteten wir, weil der Herr nunmehr uns stark machte und in nn-
serm Leide tröstete, auch wenn wir mitten in solchen Unbilden und
Schändlichkeiten gefangen waren, keineswegs, selbst von den Enden
der Erde her zu schreiben, um Euch unser erlösendes Osterfest anzu-
zeigen. Auch den Presbytern von Alexandrien schrieb ich, mit dem
Wunsche, dies Schreiben durch sie an Euch gelangen zu lassen";
und S. 106: „Denn wenn uns auch der Ort trennt, so hat uns
doch der Herr .... in dem Bande des Friedens versammelt". Hier
lässt sich kaum ein anderer Ausweg denken, als der, dass Athanasios
den Brief schon vor dem 27. November 337 geschrieben hatte und bei
der Veröffentlichung nur den Schluss der neuen Sachlage gemäss um-
änderte. Eine ähnliche Incongruenz zwischen Eingang und Schluss
zeigt auch der dritte Festbrief, in welchem es S. 70 heisst: „Denn
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN.
431
Athanasios zum zweiten Male
im Amte 3 J. (ergiebt sicli aus
Eutych. 8. oben). Synode von
Antiocbia iv totg iyxaivioig . . .
VTOxtala MaQXsXkCvov %al ITqo-
ßivov, tvdixtimvog i8\ ixet ov-
xog KoDVötavtivov vov aösßs-
öxaxov (Athanas. De Synodis
c 25 ap. Montf. I, 2 p. 737 D).
Ganz dieselben Angaben hat
Sokrates mit dem Zusätze ^i/
8% xefiTCtov hog zovto anl
tijg tslsvtfig zov naxQog xäv
Avyovöxmv K(ovöxavx£vov.
Diese Zeitbestimmung allein
hat Sozom.; Theoph. nennt
dasselbe Jahr oder 5833 d. W.
Also im Jahre 341, für welches
auch durch ein Gesetz im Cod.
Theodos. V, 14, 1 p. 323 Wenck.
vom 12. Februar Constantins
Anwesenheit in Antiochien be-
zeugt ist
In Folge derselben Atha-
nasios vertrieben und (21.)
Gregorios eingesetzt iv uvxfi
x^ iyüc xsööaQaxotSxfj tcsqI xb
%a6xa ( A tb . Encyclica ad episco-
pos c. 4 bei Montf. 1, 1 p. 114),
also zwischen 13. Phamenoth
und 23. Phamenoth (genauere
Daten 22. Phamenoth =« 18.
März und 26. Phamenoth =
22. März) (57. Diocl.) « 341.
Athanasios aus A exandrien
vertrieben am 22. Phamenoth
(55. Diocl.) = 18. März 339
(Vorbericht); tinter demselben
Jahre = 2356 merkt Hieron.
den Beginn der Verfolgungen
des Athanasios durch die
Arianer an. Dauer der Ab-
wesenheit des Athanasios von
Alexandrien 90 Monate (ver-
zählt statt 91 Monate) 3 Tage
/
wenn wir auch gefangen gehalten werden von nnsern Unterdrdckern,
so dafls wir ihretwegen Euch den Tag nicht anzeigen**, was dann S. 76
in aller Ausführlichkeit ganz in der gewohnten Weise geschieht
432 VERZEICHNISS
(Hist. aceph.). (21.) Grego-
rios, eingesetzt am 26. Pha-
menoth (55. Diocl.) = 22. März
339 (Vorbericht) 0, war im
Amte 6 Jahre (Rufin. Theod.
Theoph. Anast. Sev.).
1) Hiermit verträgt sich vortrefflich, dass der zwölfte Festbrief,
der Epiphanias 840 hätte erlassen werden sollen, fehlt, der dreizehnte
aber (geschrieben Epiphanias 341) nach Athanasios' eigenen Worten
S. 129 von Rom aus geschickt ist. Es ist dies dasselbe Billet, welches
der Vorbericht irrthümlich an die Stelle des zwölften auf Epiphanias
340 fallenden Festbriefes gesetzt hat; indem in beiden Jahren Ostern
anf denselben Tag, den 4. Pharmuthi, fiel, denn in der Nachricht, die
uns der Vorbericht über das damals von den Arianem bei der Be-
stimmung des Osterfestes begangene Versehen giebt, finden offenbar
die Worte des Athanasios S. 141 ihre Erläuterung: „der Ostertag fällt
auf in. Eal. April, d. i. nach den Alexandrinern der 4. Pharmnthi, und
Niemand hege Zweifel in Betreff des Tages, auch trete keiner dagegen
mit der Behauptung auf: es sei angemessen, Ostern am 27. des Monats
Phamenoth zu feiern. Denn auf der heiligen Synode fand deshalb eine
Verhandlung statt und Alle bestimmten den Tag, der auf lU. Eal.
April., ich meine auf den 4. des Monats Pharmuthi fällt^S Die Bezug-
nahme auf die Synode sichert das Jahr 846. Auch bei den Jahren
341—344 muss sich in den Angaben des Vorberichtes eine Umstellung
oder sonstige Verwirrung eingeschlichen haben, welcher des dreizehnten
\ und vierzehnten Festbriefes als gar nicht erlassen, des fünfzehnten und
sechzehnten aber als noch erhalten gedenkt, während sich aus unserer
Sammlung gerade der umgekehrte Sachverhalt herausstellt. Der Fall
steht nicht vereinzelt da: was der Vorbericht hinsichtlich des dritten
Festbriefes bemerkt, bezieht sich, wie eine Vergleichung des Textes
S. 77 — 80 darthut, offenbar auf den vierten. Nicht aber würde es
stimmen, wenn der dem laut der Subscriptio von Rom aus geschriebenen
Brief an den Serapion beigeschlossene, diesem zur Mittheilung an die
Bruder geschickte Osterbrief (S. 127) der elfte (Epiphanias 839 ge-
schriebene) gewesen wäre, wie dies die Ansicht des Anordners der
jetzigen Sammlung gewesen ist. Aber der elfte enthält nicht die
leiseste Anspielung auf Verbannung oder Drangsale, die Athanasios
zur Zeit seiner Abfassung auszustehen gehabt hätte, ist vielmehr ganz
so, wie wir ihn von dem Epiphanias 339 noch im Amte befindlichen
Bischöfe erwarten dürfen. Der dem Briefe an Serapion beigeschlossene
Festbrief kann nur der dreizehnte (möglicherweise auch ein verlorener
zwölfter) gewesen sein. Mit der Notiz der Subscriptio scheinen allerdings
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN.
433
Synode von Sardika: ivde-
xatov irog lyv «äo zijg xbXsv-
zrjg tov TcatQog täv dvo
Avyovözcn/ j v%atoi d\ rjöav
^Povfptvog Tcal Eveißiog nach
Sokrates und Sozomenos also
347; aus dem ^, elften Jahre
nach Gonstantins Tode^' lässt
sich aber nicht beweisen^ dass
die Synode den 22. Mai 347
zusammentrat: als erstes Jahr
ist das Todesjahr 337 ge-
rechnet u. s. f., wie wir denn
oben die Synode von Antio-
chien^ die vor Mai 341 fällt,
in das fiinfte gesetzt fanden.
Vereitelter Anschlag des
Arianerbischofs Stephanos von
Antiochien gegen die vom
Concil kommenden Gesandten
iv avxalg xalg fj^iQaig toi
ayiandtov %d6%a (Äthan, ad
monach. 20 bei Montf. I, 1
p. 355), also Ostern 348, mög-
licherweise aber auch 347.
Durch den Scandal, welcher
Synode von Sardika 343
(Vorbericht), womit die Er-
neuerung einer Bestimmung
dieser Synode über die Oster-
feier in der kurzen Benach-
richtigung des Athanasios an
die Presbyter und Diakonen
von Alexandrien, die den acht-
zehnten, Epiphanias 346 zu
erlassenden Festbrief ersetzen
sollte (S. 141), völlig im Ein-
klänge ist. Unmittelbar vor-
her war Athanasios in Gallien
(Äthan. Apol. ad Gonst. 4 bei
Montf. I, 1 p. 298 A) und dar-
auf bezieht sich die Notiz des
Hieronymus über seine Auf-
nahme durch den Bischof
Maximinus von Trier, unter
demselben Jahre = 2360 Abr.
(die Zeitrechnung des Vor-
berichtes würde Ostern 344
ergeben).
die im Briefe selbst vorkommenden Worte za streiten: „Dass nicht
wenn alle Welt fastet, wir allein, die wir in Aegypten leben, wegen
Nichtfasten verspottet werden", woraus man folgern könnte, dass Atha-
nasios'sich zur Zeit, als er dies schrieb, noch in Aegypten verborgen
gehalten habe. Allein da er Epiphanias 340 auf keinen Fall mehr in
Aegypten gewesen sein kann, so wird man annehmen müssen, dass
^^CK ot Alyvnzioi oder eine ähnliche Wendung des Originals vom
Uebersetzer ungenau wiedergegeben worden ist.
▼. OuTBCHMiD, Kleine Schriften. II. 28
434
VERZEICHNISS
die Absetzung des Stephanos
und seine Ersetzung durch
Leontios zur Folge hat, wird
der Kaiser Constantius so
betroffen, dass er die Ent-
lassung der als Anhanger des
Athanasios nach Armenien
verbannten alexan dr inische«
Geistlichen verfugt. Ungefähr
10 Monate darauf f Gregorios
(ad mon. 21 ib. 1, 1 p.356C),
also Bückkehr der Geistlichen
im, Thoth = September des-
selben Jahres, Tod des Gre-
gorios 26. Juni des folgenden
Jahres. Bückkehr des Atha-
nasios, „da Constantius, wie
er selbst an Constans schrieb,
ihn ein ganzes Jahr lang er-
wartete und während dieser
Zeit keine frische Ordination
oder sonstige dem Athanasios
ungünstige Neuerung zuge-
lassen hatte, sondern ihm die
Kirchen vorbeliielt" (ad mon.
21 p. 356 D). Dieses Jahr hat
man, weil Athanasios vor dem
am 18. Januar 350 erfolgten
Tode des Constans zurück-
kehrte (Theod. II, 9. Brief des
Constantius an Athanasios ad
mon. 24 p. 358 A), allgemein
von der Bückkehr der Gesandten
von Sardika an gerechnet: in
dem Zusammenhange, in wel-
chem es Athanasios erwähnt,
kann es nach allen Begeln einer
(aus dorn Vorbericht würde
sich September 344 ergeben).
der nach den Vorberichten zu
den Festbriefen den 2. Epiphi
erfolgt, nach diesen aber eines
früheren Jahres, unklar ob 61
oder 62 Diocl. Nur das erstere
ist zulässig, also 26. Juni 34;').
Theophanes merkt, die Bech-
nungen A und B vermengend,
den Tod des Gregorios, trotz-
dem dass er seine sechs Amts-
jahre von 341 an gerechnet
hat, unter dem Jahre 5836
d. W. oder 344 n. Ch. an.
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIRN.
435
gesunden Kritik nur als vom
Tode des Gregorios an ge-
rechnet sein. Der Tag der
Rückkehr ist nach der Eist,
aceph. also: Attentat auf die
Gesandten der Synode von
Sardika Ostern 347, nicht 348,
Rückkehr der Kleriker nach
Alezandrien September 347.
Tod des Gregorios 2. Epiphi
(64. Diocl.) — 26. Juni 348,
Rückkehr des Athanasios 24.
Phaophi(66. Diocl.)=21. Octo-
ber 349. Hiermit verträgt sich
auch so leidlich das Verzeich-
niss der arianischen Bischöfe
von Antiochien, welches die
Amtszeit des Stephanos in die
Jahre 345 — 350 zu setzen
scheint. Die erhaltenen Listen
scheiden sich in zwei Giassen,
die aber beide wieder auf ein
einziges gemeinsames Urver-
zeichniss zurückgehen: 1) Eu-
tychios, 2) XffovoyQ. 6vvt.;
Syukellos » Theophanes und
Nikephoros, von welchen die
Letzteren beide wieder unter-
einander in einem engeren
Zusammenhange stehen. Eu-
tychios hat zwar die Episco-
pate der yordiocletianischen
Zeit interpolirt vorgefunden,
ist aber für die nachdiocle-
tianische Periode die beste
Quelle, was u. A. daraus her-
und dem Vorberichte der 24.
Phaophi, nach ihnen aber des
Jahres Oonstantio IV Con-
staute coss. oder 63. Diocl. <==
21. October 346. Dies bestä-
tigt der neunzehnte Festbrief
(erlassen Epiphanias 347), in
welchem Athanasios seiner
Rückkehr mit den Worten
gedenkt: „gelobt sei Gott
weil er uns aus der Ferne
herbeigeführt und uns wieder-
um gestattet hat, getrosten
Muthes an Euch nach der
Gewohnheit Festbriefe zu sen-
den (S. 141). Hieronymus
merkt die Rückkehr des Atha-
nasios nach den besten Hand-
schriften Fux. Petav. unter
Abrah. 2362 = 345 an*), also
unter dem Todesjahre des Gre-
gorios, und setzt nach denselben
Handschriften [nach Schone
bloss Fux. F. R.] sich gleich
bleibend den Tod des Bischofs
Maximos von Jerusalem, von
dem Athanasios damals auf
dem Wege nach Alexandrien
empfangen worden war (Apol.
c. Arianos 57 bei Montf. I
p. 175 A) in das Jahr 2365=
348.
•) [Nach Schöne Petav. 2361, Freher. Fux. Midd. 2362. F. R.]
28*
436
VERZEICHNISS
vorgeht, dass er zweimal, wo
in den anderen Listen Ver-
schiebungen der Amtsjahre
und in Folge davon Ausfall
einzelner Nummern eingetre-
ten ist, das Richtige bewahrt
hat. Für die uns angehende
Zeit sind feste Punkte die Ab-
setzung des Eustathios im
Jahre 328 und die Versetzung
des Eudoxios in Constantinopel
im Jahre 360. Die Listen
lauten:
EntychioB
Glasse A. Classe B.
EulalioB 11 J. f Eulalios 3 J.
(3 + 8) l Euphronios 8 J.
EnphronioB 2 J. Phlakitos 12 J.
Da wir aus Theodoretos
wissen, dass Eulalios kurz,
Euphronios aber ein Jahr und
einige Monate regierte, und
aus Sokrates, dass der Wahl
des Euphronios eine acht-
jährige Vacanz vorausging, so
ergiebt sich folgende auf Euty-
chios begründete Herstellung:
Eulalios 328— 33 ^
Vacanz 339,
Euphronios 341,
Phlakitos 345,
Stephanos 350,
Leontios 358,
Eudoxios 860.
Da die Vacanzen, wie die
Jahre des Eulalios bei Eutj-
chios lehren, nicht besonders
verzeichnet, sondern in die
Amtszeit des nächstvorher-
gehenden Bischofs eingerech-
net worden sind, so ist dieses
Ergebniss, dem sich auch
sonst die einzelnen Erwähn-
ungen der betreffenden Bi-
schöfe fügen, mit dem, welches
sich unter Ansetzung der Sy-
node von Sardika im Jahre
347 aus der Geschichte des
Athanasios ergeben würde,
zur Noth vereinbar.
Athanasios wiederum im Athanasios nach seiner Rück-
Amte 8 (Nikeph.) oder 7 J. kehr von Italien im Amte 9 J.
(Sev.). 3 Mon. 19 T^e (Bist aceph.).
*Ejtifpa)0ocov6fig tTJg xqo %bvxb bISAv ^svQovaQimv, tov-
TtöTL trjg iS' xov MsxIq fir^vog . . . rotg fistä xiiv vTCariav Wp-
ßaid'iavog xal KoXliavov . . . a%o6Bi%d^6oiiivoig tmdtoig Ver-
Phlakitos 4 J.
Stephanos 5 J.
Leontios 9 J.
Eudoxios 2 J.
Stephanos 4 J.
Leontios 8 J.
Eudoxios 2 J.
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 437
treibung des Athanasios durch Syrianos (d. L 72. Diocl.) «^
9. Februar 356 (Ath, ad mon. 81 I, 1 p. 394. 395 D. Bist,
aceph. und Yorbericht). Athanasios auf der Flucht 72 Monate
14 Tage (EUst. aceph.). 4 Monate darauf ergreifen die Arianer
für ihren Bischof Georgios Besitz von den Kirchen^ 4 Tage
nach dem 16. Payni^ 8 Monate 11 Tage vor dem 30. Mechir
des nächsten Jahres^ am 21. (sehr. 19.) Payni Gonstante VIII
luliano coss. (d. i. 72. Diocl.) :== 13. Juni 356; übereinstimmend
setzt Sozomenos die Besitznahme der Kirchen durch die Arianer
in den Sommer des Jahres nach der 355 gehaltenen Synode
von Mediolanum. Von hier an sind die sechs Amtsjahre des
22. Georgios I. (Eutych.) gerechnet^ obgleich er selbst
erst am 30. Mechir Constantio IX luliano II coss. (d. i. 73.
Diocl.) = 24. Februar 357 nach Alexandrien kam (Hist.
aceph. Yorbericht). Hierdurch wird die Angabe des Ath.
de fuga 6 I^ 1 p. 323 A (und aus ihm des Sokrates und
Tbeodoret)^ Georgios sei ry teööaQoxoöz'g (im Jahre 357, der
Zeit Tom 16. Mechir — 26. Phamenoth entsprechend) nach
Alexandrien gekommen, näher bestimmt und die naheliegende,
sich aber auf kein ausdrückliches Zeugniss stützende Com-
bination älterer Forscher, unter der betreffenden Fastenzeit
sei die des Jahres 356 gemeint, widerlegt: in diesem begann
die Quadragesima erst am 1. Phamenoth. Theophanes hat
die Einsetzung des Georgios unter dem richtigen Jahre 5849
d. W. es 357 n. Gh. angemerkt. Georgios behauptet die
Kirchen 18 Monate, wird bei einem Yolksaufstande mit Mühe
gerettet am 1. Thoth Tatianp Cereali coss. (es scheint^ dass
hinsichtlich des Monates ein Versehen untergelaufen und
vielmehr 1. Epagomenentag das richtige Datum ist: die in
der Uist. aceph. p. 64 lin. 18 an unrechter Stelle in den Text
gerathene Randglosse „sive ex die intercalariorum^' scheint
vielmehr eine Correctur zu p. 66 lin. 22 zu sein); verjagt „die
X. factae seditionis (sehr, mense I diebus X) hoc est Phaoph
die V" (Hist. aceph. p. 64, ebenso der Vorbericht), d. i. 75.
Diocl. = 2. October 358. 9 Tage darauf werden die Arianer
aus den Kirchen vertrieben, am 14. Phaophi =11. October
(Eist, aceph.)-, die Anhänger des Athanasios behaupten die
438 YERZEIGHNISS
Kirchen 2 Monate 14 Tage und werden daraus vertrieben
am 28. Cboiak =» 24. December (Hist. aceph.). 19 Monate
nach Georgs Vertreibung am 29. Pajni Eusebio Hypatio
C0S8. (359) kommt der kaiserliche Notar Paulus und trifft
Massregeln zur Befestigung der Autorität desselben. 5 Monate
(sehr. 2 Jahre 5 Monate) nachher kehrt Georgios selbst nach
Alexandrien zurück^ 3 Jahre 2 Monate nach seiner Vertreibung,
am 30. Athyr Tauro Florentio coss., d. i. 78. Diocl. = 26. No-
vember 361 (Hist. aceph.) und behauptet sich 3 Tage (ibid.).
Georgios von den Alexandrinern eingekerkert am 4. Ghoiak
= 30. November, 24 Tage gefangen gehalten und getödtet am
28. Choiak = 24. December 361 (Hist. aceph.). Theophanes
giebt ungenau das Jahr 5853 d. W. (welches schon mit dem
28. August 361 abgelaufen war) als Todesjahr Georgs an.
Athanasios kehrt nach Alexandrien zurück am 27. Mechir
post cons. Tauri et Florentii (d. i. 78. Diocl.) =»21. Februar
362 n. Ch. (Hist. aceph.; nur den Monat nennt der Vorbericbt).
Hieronymus hat die Rückkehr des Athanasios unier dem
richtigen Jahre 2379 Abr. angemerkt. Er ist im Amte
8 Monate bis zu seiner Vertreibung durch Julianus am
27. Phaophi Mamertino Nevitta coss. (d, i. 79. Diocl.) =
24. October 362 (Hist. aceph. Vorbericht).
Athanasios auf der Flucht in Aegypten und auf Reisen
1 Jahr 3 Monate 22 Tage (Hist. aceph.) bis zu seiner Rück-
kehr nach Alexandrien, die nach der Hist. aceph. am
19. Athyr (sehr. Mechir) loviano Varroniano coss. (d. i. 80.
Diocl.) e= 14. Februar 364 n. Ch. erfolgte (der Vorbericht nennt
den 25, Mechir = 20. Februar). Die Arianer herrschen, nach-
dem Athanasios sich auf sein Landgut am neuen Flusse zurück-
gezogen hatte, ' 4 Monate (dieselbe Zahl bei Solurates) vom
8. Phaophi Valentiniano Valente coss. (d. i. 82. DiocL) =
5. October 365 bis zu seiner Zurückrufung am 7. Mechir
Gratiano Dagalaipho coss. (d. i. 82. Diocl.) =» 1. Februar 366
(Hist. aceph.; der Vorbericht nennt nur das Jahr). Entychios
und Makrizi berechnen diese Zwischenherrschaft der Arianer
auf 5 (nicht volle) Monate und geben sie dem Gegenbischof
23. Lukios (der indess damals nicht selbst in Alexan-
DER PATBIAECHEN VON ALEXANDßlEN. 439
drien war). Athanasios stirbt am 9. Pachon Yalentiano Yalente
IV. coss. (d. i. 89. Diocl.) = 2. Mai 373 (Vorbericht. Exe. Lat.
barb.) die griechischen Menologien, das Martjrol. Rom. und
sämmtliche jakobitische Chroniken und Kaiendarien); der 8. Pa-
chon in der Hist. aceph. scheint das Resultat einer unacht-
samen Addition you 5 Tagen zum Ordinationstage des Petros
zu sein. Die diesem entsprechenden Jahre 2390 Abr. und
5865 d. W. nennen Hieronymus und Theophanes; uod dass
Athanasios nicht, wie Sokrates angiebt, schon im Jahre 371
gestorben sein kann, lehrt der Osterbrief des Proterios (bei
Bucherius, Commentar. de doctr. tempor. p. 84), durch wel-
chen Athanasios noch am 31. März 373 am Leben bezeugt
ist. Augenscheinlich ist Sokrates von der Angabe ausge-
gangen, dass Alexandros kurz nach dem Concil von Nikäa
gestorben sei und hat ungenau von 325, dem Jahre des Oon-
cils, an die 46 Amtsjahre des Athanasios weitergerechnet.
Die Hauptvertreter der Rechnung A sind Sokrates und
Sozomenos, deren Eirchengeschichten in einer engen, noch
nicht genügend aufgehellten Beziehung zu einander stehen,
mag dieselbe nun auf umfassende Benutzung derselben Ma-
terialien, oder gegenseitige Berücksichtigung während der
Arbeit, oder ein Plagiat zurückzufahren sein. B ist reprä-
sentirt durch die aus eineui unter Theophilos (385—412) ver-
fassten griechischen Originale übersetzte Historia acephala
ad Athanasium potissimum ac res Alexandrinas pertinens in
den ' Osservazioni letterarie' Tom. III (Verona 1738, 12®)
p. 60— 83 und den * Vorbericht zu den Pestbriefen des heiligen
Athanasius', aus dem Syrischen von Larsow (Die Festbriefe
des heiligen Athanasius, Bischofs von Alexandria, Leipzig
und Göttingen 1852, 8«) S. 25 — 46. Beide Schriften sind
aus einer gemeinsamen Quelle geflossen, die durch die
Datirung nach Consulaten und Amtsjahren der Praefecti
augustales^) und durch ihre bis auf den Tag genauen An-
1) Die betreffende Liste besteht auch bei einer Yergleiohong mit
den vereinzelten Angaben Über die Praefecti augastales dieser Zeit,
die man bei Franz zum C. I. Gr. III p. 323 gesammelt findet, die
Probe. Wenn im Codex Theodos. XVI, 2, 11 ein Präfect von Aegy-
440 VERZEICHNISö
gaben über die Schicksale des Athanasios schon auf den
ersten Blick den Eindruck grosster Sorgfalt in der Zeit-
rechnung macht. Mit ihr stimmt Hieronymus überein^ dessen
Angaben freilich, yornehmlich in Folge des elenden Vulgat-
textes, sehr in Misscredit stehen, der aber als zeitgenössischer,
stetig mit der einen der beiden Classen gegen die andere
stimmender Gewährsmann für die Entscheidung von nicht
zu unterschätzendem Gewichte ist. Hingegen schliesseu
sich die Chronographen mehr an A an, aber — und dies
schmälert ihren Werth als Zeugen beträchtlich — kaum
Einer consequent, sondern unter Einmischung von Zeit-
bestimmungen, die aus B geflossen sind. Unter diesen
Umständen ist es nicht zu yerwundem, dass die kirchen-
geschichtliche Forschung sich mit dem Bekanntwerden der
Festbriefe ohne Weiteres für die Zeitrechnung B erklärt
hat. Allein wirklich entscheidend sind nur die eigenen
Angaben des Athanasios, und wenn auch die in den Fest-
briefen enthaltenen Darlegungen mit B in Einklang sind, «o
scheinen es dagegen andere in den längst bekannten Schriften
des grossen Kirchenvaters nicht nur mit A zu halten, son-
dern sogar denen der Festbriefe selbst zu widersprechen.
So lange also diese Schwierigkeit nicht hinweggeräumt ist,
kann die Frage nicht als endgültig gelöst betrachtet werden.
Die ■ DiflFerenzen beider Rechnungen laufen auf drei Punkte
hinaus: die Zeitbestimmung der Wiederaufnahme der Meli>
tianer durch Bischof Alexandros, die der Synode von An-
tiochia, auf der Gregorios gewählt wurde, und die der Synode
von Sardika.
1) Die Stelle des Äthan. Apol. contra Arianos 59 ap.
X)ten LoDginianns unter dem Jahre 354 genannt wird, in welchem
nach dem Vorbericht Sebastian us dieses Amt bekleidete, so liegt ein
einfacher Schreibfehler vor, und das Datum Constantio Aug. VII. et
Gonstante Ang. coss. ist in Constantio III. Constanie zu verbeBsern:
im Jahre 342 führt der Vorbericht den Longinus von Nik&a richtig
als Bector und Eparchen von Aegypten auf. Und wenn der Vorbericht
den OlympoB aus Tarsos als Präfecten des Jahres 362 nennt, für welches
Ekdikios nrkundlich bezeugt ist, so löst sich die Schwierigkeit durch
die Annahme, dass der volle Name des Mannes Ekdikios Olympos war.
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 441
Montf. 1,1 p. 177E — 178A lautet: all' iv rfj öwodc) r»
xata Nixatccv fj vvv fiiv aigs^Lg av€^£(iart6^rj ^ nal ot
^AQBiavol i^sßXri^oav^ ol äh MsXitiavol onmoörinoxs idi-
X^Ti^av, Qu yccQ dvayxatov vvv triv aixiav ovoiia^etv'
ovnoi yccQ tibvxb (i^vss naQ'^k^ov^ xal o iihv (ucxaQitrig ^AXi-
i,av8Qog t€t€k6vn]7tav , ot Sl MsXtttavoiy diov ^^QsiiBtv xal
XCLQiv i%6Lv oxL x&v oAog idsx&rjtfav .... ndXiv tag ixxkri-
0tag itaQattov. Diese Worte sind schon vor Alters all-
gemein so verstanden worden, dass der Zeitpunkt der Wieder-
aufnahme der Melitianer mit dem des Goneils von Nikäa
zusammenfalle,' oder doch beide nur durch einen nicht der
Rede werthen Zwischenraum getrennt seien: und in der
That, wem wäre es vor der Veröflfentlichung des Vorberichtes
in den Sinn gekommen, ein anderes Yerständniss derselben
für möglich zu halten? 5 Monate vor dem sehr gut be-
zeugten Todestage des Alexandros, dem 22. Pharmuthi, liegt
der 9. Athyr, der im koptischen und äthiopischen Kalender
als Gedenktag der in Nikäa versammelten 318 Väter an-
gemerkt ist und nach der sehr wahrscheinlichen Annahme
SoUiers (p. 38*) als das Datum der Publication der Be-
schlüsse des Goneils in Alexandrien durch den zurück-
gekehrten Alexandros anzusehen ist. Diesen Tag, also den
5. November 325, als den Ausgangspunkt der Rechnung bei
Athanasios anzusehen, lässt der Zusammenhang der Stelle
zu und der Libellus synodicus, dessen Angabe ganz den
Eindruck einer bewussten Präcisirung der Worte des Atha-
nasios von wohlunterrichteter Seite macht, scheint diese Auf-
fassung sogar zu erheischen. Sobald man aber mit B die
Zulassung der Melitianer bis über zwei Jahre nach dem
Concile von Nikäa hinausschiebt, wird man zugestehen
müssen, dass Athanasios sich in einer unverständlichen, um
nicht zu sagen ungeschickten Weise ausgedrückt hat. Lar-
sow (S. 26) will, um die Richtigkeit der Rechnung B zu
retten, unter Berufung auf die Parallelsteller Apol. contra
Arianos 28 (I, 1 p. 148 B), die durch Alexander auf Befehl
der Synode mit den Melitianern bewirkte Vereinigung und
den Schluss des nikänischen Goneils auseinanderhalten, allein
442 VEUZEICHNISS
die Worte otB ^AX^I^avSQog iöi%Bto xaxa ipiXav^gooniav t^
(iBydkrig 6w6Öov xovg axb tov 6%i6^axog Mekixiov beweisen
nur aufs Neue, dass Beide Yon Athanasios in einem untrenn-
baren Zusammenhange gedacht worden sind. Dass die apo-
kryphen Angaben über eine mehrjährige Dauer des nikäni-
schen Concils keine haltbare Stütze für die Rechnung B
abgeben können, liegt auf der Hand. Gesetzt auch, die
wohlwollende Deutung Larsows wäre zulässig, dass diese
Angaben von der Frist zu verstehen seien, nach Ablauf
welcher die Beschlüsse der Concile zu Staatsgesetzen erhoben
wurden, so bliebe doch die Anwendung auf unseren Fall
höchst bedenklich. Dass für das Inkrafttreten kirchenrecht-
licher Bestimmungen, deren plötzliche Einführung in viele
bürgerliche Verhältiiisse störend eingegriffen hätte, eine mehr-
jährige Frist nachgelassen worden sei, kann man sich recht
wohl vorstellen; welchen Sinn aber hätte eine derartige
Zögeruug bei einer Verfügung gehabt, die keine principielle,
wohl aber eine um so entschiedener praktische Bedeutung
hatte, indem sie die Beendigung eines für den Frieden der
Kirche bedrohlichen Schismas im Auge hatte? Angenommen
selbst den unwahrscheinlichsten Fall, die Synode habe den
Zeitpunkt des Inkrafttretens ihrer Beschlüsse in Alexandros'
Belieben gestellt, welchen erdenklichen Grund hätte dieser
haben können, die Ausführung der nothwendigeu, heilsamen,
nicht für die Melitianer allein, sondern ebenso sehr für ihn
selbst wünschenswerthen Massregel über zwei Jahre hinaus-
zuschieben? Ausser der inneren Un Wahrscheinlichkeit der
Rechnung B spricht gegen sie auch eine Reihe achtbarer
Zeugnisse. Theodoret freilich und Sokrates (der, wie seine
Berechnung der 46 Jahre des Athanasios lehrt, auch nicht
anders wusste, als dass Alexandros kurz nach dem Concil
von Nikäa gestorben sei) mögen ihre Ansätze aus der Apo-
logia contra Arianos geschöpft haben: von Epiphanios ist in
diesem Punkte Abhängigkeit von Athanasios nicht wahr-
scheinlich; vielmehr wird insgemein angenommen, dass er
hier aus einer melitianisch gefärbten Quelle geschöpft habe.
Nicht minder wichtig ist die Einstimmigkeit hinsichtlich der
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 443
46 Amtsjahre des Athanasios^ die nur heraaskommeD; wena
man 326 als Anfangsjahr nimmt; es sind unter den Gewährs-
männern dafür nicht wenige von einander ganz uuabhäagige,
darunter ein Zeitgenosse (Rufinus) und einer der nächsten
Amtsnachfolger des Athanasios (Kyrillos); die Historia ace-
phala und der Yorbericht stehen mit ihren 45 (nicht vollen)
Jahren völlig vereinsamt. Für B lässt sich nur der fürs
Erste allerdings bestechende Umstand anführen , dass unter
Hera})rückung von Athanasios' Ordination in 328 die 17
Amtsjahre, die Eusebios dem Alexandros giebt, sich retten
lassen. Den Grund dieses, wie wir glauben, fehlerhaften An-
satzes haben wir oben in der Quellenkritik nachgewiesen.
Bei einer näheren Betrachtung schlägt der Beweis sogar in
den entschiedensten Gegenbeweis um: Eusebios' Kirchen-
geschichte ist vor der Hinrichtuog des Crispus (f 326)
geschrieben, das Chronikon aber, welches in derselben citirt
wird, ist noch früher veröffentliöht worden (vgl. Clinton
F. R. I p. 379); hat also Eusebios im Chronikon die Amts-
jahre des Alexandros als abgelaufen erwähnen können, so
muss dieser damals bereits todt gewesen sein — eine
Schlussfolge, der man sich nur durch die wegen der üeber-
einstimniuug des Xgovoyg. 6vvx. sehr missliche Ausflucht
entziehen könnte, dass die Zahl, die ia dem nur durch den
Auszug des Samuel von Ani uns erhaltenen Schlüsse vor-
kommt, später eingeschoben sei, in welchem Falle ihr aber
jede Beweiskraft abgesprochen werden müsste. Dürfen wir
nach dem Allen unbedenklich mit A die Wiederaufnahme
der Melitianer in 325, den Tod des Alexandros und die
Ordination des Athanasios in 326 setzen, so bleibt uns nur
noch übrig zu erklären, wie der Ansatz der Historia ace-
phala und des Vorberichtes entstanden ist. Am nächsten
scheint mir die 'auch aus anderen Erwägungen sich em-
pfehlende Annahme zu liegen, dass in der Lebensbeschreibung
des Athanasios, aus welcher Beide geschöpft haben, dieselbe
Sammlung der Festbriefe des Athanasios, die in syrischer
Uebersetzung auf uns gekommen ist, berücksichtigt und als
Quelle benutzt war: in dieser aber ist der Epiphanias 329
444 VERZEICÜNISS
erlassene Festbrief als erster angesehen , weil der Anordner
die beiden ersten nicht mehr vorfand. Für diese Auffassung
spricht zweierlei: Severus von Ashmunin (bei Renaudot p. 96)
kannte eine Sammlung von 47 Festbriefen des Athanasios,
die somit y wo nicht die verschollenen Festbriefe der Jahre
327 und 328 selbst, doch Notizen über dieselben gegeben
haben muss. Sodann enthält der vermeintlich erste Fest-
brief unserer «Sammlung nicht die leiseste Anspielung auf
den verewigten Vorgänger^ noch darauf, dass er, Athanasios,
sich einer der wichtigsten seiner Amtspflichten jetzt zum
ersten Male gegen das Volk entledige: ein Stillschweigen,
das im höchsten Grade auffallig sein würde , sich aber
völlig erklärt, wenn der betreffende Festbrief, wie wir
meinen, der dritte in der Reihe war.
2) Günstiger stellt sich die Sache für B hinsichtlich
der Synode von Antiochia und der Einsetzung des Gregorios
schon darum, weil B hier nicht allein steht, vielmehr die
einstimmig und schon von Rufinus überlieferten sechs Amts-
jahre des Gregorios sich nur mit der Zeitrechnung von B,
aber nicht mit der von A vertragen: auch Sokrates und
Sozomenos scheinen diese Zahl vorgefunden zu haben, da
sie gegen die Geschichte ins Jahr 342 einen Wechsel im
arianischen Episkopat setzen, wodurch dem neuen, von ihnen
fälschlich mit dem späteren Georgios zusammengeworfenen
Bischöfe sechs Jahre (— 348) zugewiesen werden. Der
scheinbare Widerspruch des Athanasios mit sich selbst, der
Epiphanias 341 von Rom aus als Verbannter schreibt und
doch ausdrücklich die Synode von Antiochien erst in das
Jahr 341 setzt, verschwindet vor einer eingehenderen Prüfung
der zwischen seiner Vertreibung und der Synode von Sardika
liegenden Ereignisse. Nach seiner Vertreibung durch Gre-
gorios verweilte Athanasios noch einige Zeit in der Nähe
von Alexandrien, ehe er sich nach Rom einschiffte. Hier
nahm sich sofort Papst Julius seiner warm an und schickte
Gesandte an Eusebios, das Haupt der in Antiochien ver-
sammelten Gegner des Athanasios, sie zu einem Ooncile,
welches zwischen ihnen und Athanasios entscheiden sollte.
DER PATRIARCHEN VON ALKXANDRIEN. 445
nach Rom vorladend (Monifaucon, Vita S. Athanasii p. XXXV,
meint auf Ende desselben Jahres). Eusebios und sein An-
hang hielten die päpstlichen Botschafter über den angesagten
Termin hinaus auf und entliessen sie erst im Janaar des
nächsten Jahres in ihre Heimath (Brief des Julius bei Äthan.
Apol. contra Arianes 25 ap. Montf. 1, 1 p, 145 C), mit einem
Schreiben, in welchem sie als Grund ihres Nichterscheinens
die Kürze der ihnen gegebenen Frist und seltsam genug die
von den Persern drohende Kriegsgefahr angeben (Hist. Aria-
norum ad monachos 11 apud Montf. I, 1 p. 350 D). Julius
wartete nach der Bückkehr seiner Gesandten, die nicht vor
Ablauf der Wintermonate erfolgt sein mochte (Montfaucon
p. XXXIX), noch geraume Zeit mit der Veröffentlichung des
erhaltenen Schreibens, in der Hoffnung, dass sich doch noch
wenigstens einige orientalische Bischöfe einfinden würden.
Dann erst berief er das romische Concil, welches sich zu
Gunsten des Athanasios entschied, und erliess als Leiter
desselben das in die Apologie gegen die Arianer (21 bei
Montf. I, 1 p. 141 A) aufgenommene Schreiben „^toyvtcj
xal OXaxtXXcDj NaQxieöG), Evöeßio), Mdgi, MaKsdovio}, @€0-
dcoQp xal tolq övv avtotg^ totg ado ^Avtio%BCag ygi'^aöLV
ißtv, ayaTCr^totg aSsktpoZg^' 1 Jahr 61Monate nach Athana-
sios' Ankunft in Rom (Brief des Julius 29 ib. 1, 1 p. 148 E).
Montfaucon p. XXXV beschränkte den Zeitraum von Atha-
nasios' Vertreibung aus Alexandrien bis zu seiner Ankunft
in Rom auf einen Monat, wonach also diese, entsprechend
den Ansätzen von A, in den April, die Ankunft der päpst-
lichen Gesandten in Antiochien in den Mai 341 fallen würde;
allein diese Zeitbestimmung ist zu knapp, weil dann die dem
Eusebios und Genossen gewährte Frist sieben Monate be-
tragen und deren Beschwerde über die ihnen zu kurz be-
messene Zeit nicht einmal den Schein mehr für sich gehabt
haben würde. Montfaucon setzte also die Entlassung der
Gesandten in den Januar 342, die romische Synode und den
Brief des Julius an die in Antiochien versammelten Bischöfe
in den October 342: und er konnte nicht anders, wollte er
die Behauptung des Athanasios (Apol. contra Arianos 36
446 VERZEICHNISS
bei Montf. I^ 1 p. 154 B)^ dass Bischof Eusebios von Con-
stantinopel auch nach Empfang des Briefes des Julius nicht
aufgehört habe Unfrieden zu stiften^ mit den unverdächtigen
Angaben des Sokrates und Sozomenos^ dass er kurz nach
der Synode von Antiochien, d. i. kurz nach 341, gestorben
und dass der nach dem Antritt seines Amtsnachfolgers aus-
gebrochene Aufstand in Constantinopel noch in das Jahr
342 gefallen sei, in Einklang bringeu. Wir bestimmen, von
der Angabe der Classe B ausgehend, dass Athanasios am
18. März 339 aus Alexandrien vertrieben ward, den Zeit«
räum, während dessen er sich noch in der Nähe dieser
Stadt aufhielt, auf vier Monate und setzen seine Ankunft in
Rom in den Juli, das Erscheinen der päpstlichen Gesandten
in Antiochien in den August; indem wir dann mit Mont-
faucon den Termin, auf welchen Eusebios und sein Anhang
nach Rom vorgeladen werden, gegen Ende desselben Jahres
setzen, ergeben sich uns für die Jenen zugemessene Frist
vier Monate, und auf diese Weise erhalten ihre Beschwerden
wenigstens einen Anstrich von Berechtigung. Auch die Be-
zugnahme auf den drohenden Perserkrieg, die nach A völlig
sinnlos ist, wird nach B etwas verständlicher: das Jiüit 339
verging unter Rüstungen des Constantius zu einem Perser-
kriege (vgl. die Stellen bei Clinton F. R. I p. 400), während
in den nächsten Jahren von einem solchen nicht mehr die
Rede ist. Die Entlassung der päpstlichen Gesandten fällt
nach B in den Januar 340, ihre Heimkehr nach Ablauf der
Wintermonate; und nun erklärt sich ganz von selbst das
längere Zaudern des Papstes Julius in seinem Vorgehen
gegen die Antiochener: in den April 340 fällt der Herr«*
Schaftswechsel in Italien ; Julius mochte erst abwarten
wollen, welche Stellung der neue Herrscher Constans zu der
Sache einnehmen würde. 1 Jahr 6 Monate nach Athanasios'
Ankunft in Rom, also im Januar 341, hält er dann das
römische Concil ab und erlässt im Auftrage desselben das
Schreiben an Diognios, Phlakillos u. s. w. Es ist dies eine
Anzahl von Amts wegen in Antiochien versammelter Bischöfe
mithin eine Synode, obwohl Julius, weil er ihre Berechtigung
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 447
nicht anerkennt, den Ausdruck absichtlich vermeidet. Hier
haben wir also die antiochenische Synode wiedergefunden
die nach Athanasios' eigener, sorgfältiger Angabe im Jahre
341 tagte nnd ein neues ^arianisches Glaubensbekenntniss
vereinbarte, mochte nun die Synode in Antiochien von 339
her in Permanenz, oder damals von Neuem wieder zusammen-
getreten sein. Nunmehr erklärt sich der Irrthum des So-
krates und Sozomenos: sie setzten die Eröffnung der antio-
chenischen Synode, mitbin die Vertreibung des Athanasios
und Einsetzung des Gregorios, wegen des vermeintlichen
Zeugnisses des Athanasios, in 341 statt in 339 und ver-
schoben so die Zeitrechnung dieser ganzen Periode. Es
braucht kaum noch besonders darauf hingewiesen zu wer-
den, dass wir nun auch hinsichtlich des Todesjahres des
Eusebios in keiner Weise mehr ins Gedränge gerathen.
Die Entscheidung des romischen Goncils zu Gunsten des
Athanasios ist, wie sich jetzt herausstellt, der durch den
Verlust des Eingangs unverständlich gewordene Terminus a
quo, von dem in der Historia acephala (p. 61) sechs Jahre
bis zu der am 21. October 346 erfolgten Rückkehr des Atha-
nasios gerechnet sind. Für die nächste Zeit haben wir die
Angaben der Apologia ad Const. 4 ap. Montf. I, 1 p. 297 E:
nachdem Athanasios drei Jahre in Rom verweilt hatte, berief
ihn im vierten Jahre Gonstans nach Mediolanum und dann
liess er ihn wieder zugleich mit Hosius nach Gallien kommen,
von wo aus sie sich zur Synode nach Sardika begaben. Clinton
(F. R. I p. 411) hat, A folgend, den Besuch des Athanasios
in Mediolanum vermuthungsweise an das Ende des Jahres
344 gesetzt. Es scheint aber fast, als habe Constans da-
mals in Trier Hof gehalten^ von wo Gesetze desselben unter
dem 30. Juni 343 (Cod. Theodos. IV p. 376) und 15. Mai 345
(ibid. III p. 435) erlassen sind. Constans führte während der
Jahre 341 und 342 in Gallien mit den Franken Krieg und
setzt unmittelbar nach Beendigung desselben Ende Januar
343 nach Britannien über (s. die Belege bei Clinton F. R.
I p. 406). Hiernach kann er sich nur unmittelbar nach der
Beendigung des britannischen Feldzuges in Mediolanum auf-
448 VERZEICHNISS
gehalten haben; wir werden folglich den Besuch des Atha-
nasios daselbst etwa auf April 343 bestimmen können, 3 Jahre
9 Monate nach seiner Ankunft in Rom. Da Trier in jener
Zeit die gallische Residenz war, so liegt es nahe genug an-
zunehmen ^ dass Athanasios damals den Constans in Trier
aufsuchte und es fallt jeder Grund weg, die dies bestimmt
aussagende Nachricht des Hieronymus für eine Verwechselung
zu erklären. Sonach kann man die Reise nach Gallien nach
Ende Juni, etwa in den Herbst 343 ansetzen und unmittelbar
darauf die Synode von Sardika.
3) War die Verschiebung von Athanasios' Vertreibung
aus dem Jahre 339 in das Jahr 341 einmal erfolgt, so ergab
sich die Hinausrückung der Synode von Sardika über das
Jahr 343 hinaus als nothwendige Folge von selbst, da der
Zwischenraum beider Ereignisse sich nach Athanasios' eigenen
Angaben auf mindestens drei Jahre und einen Theil eines
vierten belief. Es fragt sich nur, wie Sokrates und Sozo-
menos dazu kamen, für die Synode ein so spätes Jahr wie
347 zu wählen, sp dass der Zwischenraum bis zum Tode
des Constans, wie aus der Tabelle zu ersehen ist, für die
vielen Ereignisse gerade nur knapp zureicht. Ich zweifle
nicht, dass diese Bestimmung das Resultat einer gelehrten
Gonjectur ist: die beiden Eirchenhistoriker fanden in ihrer
Quelle das elfte Jahr des Constans genannt, von seiner Er-
hebung zum Caesar an gerechnet, und änderten es im Glau-
ben, die Zeitrechnung zu berichtigen, in das elfte Jahr seit
dem Tode seines Vaters Constantinus. Sie rechnen, wie oben
dargethan wurde, in Bausch und Bogen nach Julianischen
Jahren: war ihre Quelle sorgfältiger, so würde daraus folgen,
dass die Synode von Sardika erst nach dem 25. December
343, in welchem das elfte Jahr des Constans begann, ab-
gehalten worden ist. Hierzu passt sehr gut der Umstand,
dass Athanasios laut Vorbericht auf der Rückkehr von der
Synode von Sardika am 15. April 344 in Naissus das Oster-
fest feierte, und die planlose Anlage des Vorberichtes, welche
uns meistens im Dunkel darüber lässt, ob etwas, das als „in
diesem Jahre'' vorgefallen verzeichnet ist, in das Jahr vor
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 449
oder nach dem in der Ueberschriffc genannten Ostern gebort^
stellt jener Annahme kein wesentliches Hindemiss entgegen.
Da nach diesen Quellen in Bezug auf den zweiten und dritten
Punkt die Zeitrechnung von B als durchweg gesichert zu
betrachten ist, so werden wir uns auch nicht länger mehr
sträuben dQrfen, die Absetzung des antiochenischen Bischofs
Stephanos bald nach Ostern 344 zu setzen und die Liste der
arianischen Bischöfe von Antiochien, die sich Ton B um
sechs, aber auch Yon A immer noch um drei Jahre entfernt,
als an dieser Stelle unheilbar zerrüttet preiszugeben.
24. (21.) Petros II. sass im Ganzen 7 Jahre (Exe. Lat.
barb. Xgovoyg. avvt. — dieselbe Zahl hat Nikephoros in
1 Jahr des Petros -|- 5 des Lukios -f- 1 des Petros zerlegtf
wohl irregeleitet durch Theophanes, bei dem sich die Ver-
treibung des Petros unter dem ersten, seine Wiedereinsetzung
unter dem letzten Jahre angemerkt findet), oder 6 Jahre
(Theoph. Eutych. — wohl dieselbe Zahl in ann. II ver-
schrieben Lat. Montf.); die genaue Zahl Ton 6 Jahren
9 Monaten ist in 9 Jahre 6 Monate verschrieben von Severus
auf Timotheos übertragen worden.
Am fünften Tage vor seines Vorgängers Tode ordinirt
(Hisi aceph.), also am 3. Pachon 89 Diocl. =» (Sonntag),
28. April 373, 2 Jahre vor seiner Vertreibung (Theoph. in
der üeberschrift; Makr.). Die an die Einsetzung des Lukios
sich knüpfenden Unbilden gegen die Nitrischen Mönche setzt
Hieronymus (Petav. Fux.) in das Jahr 2392 Abr.*) =
91. Diocl. oder 375 n. Ch.
Lukios sass 3 Jahre (Eutych. Makr.), vertrieben nach
Sokrates zur Zeit von Valens' Aufbruch von Antiochien nach
Constantinopel (wo dieser am 30. Mai 378 anlangte), d. i.
etwa Pacbon 94. Diocl.
Petros IL wieder eingesetzt 1 Jahr (Nikeph. Ebnr. Elm.
Makr.), f 20. Mechir (96 Diocl.) (Exe. Lat. barb. Kalend.
Seid. Sev. übnr. laut Rechnung; Makr., der das Datum auf
seine Wiedereinsetzung übertragen hat) = 14. Februar 380.
*) [Nach Schöne hat nur Bong. 2392, die anderen Codices 2391.
F. E.]
T. Qdtsohmid, meine Schriften. II. 29
450 VERZEICHNISS
Sein Tod war am 28. Februar in Thessalonike noch nicht
bekannt (Cod. Theodos. VI p. 4).
25. (22.) Timotheosl. 6 äxti^iimv (Apophth. patrum)
sass 4 Jahre (Eist, aceph.) oder 5 Jahre (Lat. Montf. Exe. Lat.
barb. XQovoyQ. Cvvx. Gr. Montf.), f 26. Epiphi (Exe. Lat
barb. Theoph. SjnkeU. Sev. Abulb. Ebnr. laut Rechnung)
Richomedo Clearcho coss. (100 Diocl.) (Exe. Lat barb.) «=
20. Juli 384. Sokrates setzt seinen Tod in das folgende Jahr
Arcadio I Bantone coss., sein hinsichtlich des Sterbejahres
des Athanasios begangenes Versehen zeigt aber, dass er seine
Gonsulatsjahre erst durch Berechnung aus den Amtsjafaren
der Bischöfe gefunden hat, und seine Angabe muss hinter
der sehr viel glaubwürdigeren Historia acephala um so mehr
zurücktreten, als hier auch gezähltes Jahr und Consulatsjahr
in den Exe. Lat. barb. zusammentreffen, deren Zustimmung
also grössere Beachtung als sonst beanspruchen darf.
26. (23.) Theophilos sass 29 Jahre (Lat. Montf.) oder
28 Jahre (Exe. Lat. barb. XgovoyQ. övvt. 6r. Montf. Theoph.
Nikeph. Eutych.), t 18. Phaophi (129 Diocl.) (die jakobiti-
schen Chroniken und Ealendarien) oder 15. October Hono-
rio IX Theodosio V coss. = 412 (Sokrates). Das Datum
bestätigt der zeitgenössische Chronograph Anianos bei Syn-
kellos p. 59/9 (ed. Bonn.), der das Jahr 5904 d. W. (abge-
laufen am 28. August 412) als letztes des Theophilos rechnet.
Vacanz 3 Tage (Sokr. Sev.).
27. (24.) Kyrillos L, der Grosse (Abulb.), ord. (20. Phao-
phi 129 Diocl.) »= 17. October 412, sass bis ins 32. Jahr
(Liberatus c. 10 in Acta conc. Paris. 1671 V p. 754 A) oder 32
(die von Athanasios der chalkedonischen Synode überreichte
Anklageschrift in Acta conc. IV p. 406 E. XQOvoyQ. üvvx.
Graec. Montf. Theoph. Nikeph. Sev. Abulb. Elm. Makr.),
t 3. Epiphi (Sev. Abulb. Ebnr. Makr. Synax.) = 27. Juni
444. Dieses allgemein angenommene Datum stützt sich auf
die beiden Stellen der Anklageschrift des Athanasios über
die Amtsdauer seines Bedrängers Dioskoros; IV p« 407 E
Tcal Xoiicov intasrfj ;^()ot/oi/ ocatareXovfiav nXavoi^voi axb
xoTCov sig tojcov und IV p. 411 B ^toöxoQov vov svXaßstJta"
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 451
tov ijgiöxonov iv oxrco bxböv 6'^(1£qov 6v6X€va^6(iBv6v ns xal
imßovXevovta iioi. Dieser urkundlichen Evidenz gegenüber
werden weder die 33 Jahre des Kyrillos bei Lat. Montf. und
Eutych. (bei Ersterem vermuthlieh blosser Schreibfehler)
noch die mit; den sechs Amtsjahren bei Eutych. überein-
stimmende^ aber doch wohl nur auf ungenaue Ausdrucks-
weise zurückzuführende Angabe des Liberatus^ dass Dioskoros
septimo ordinationis suae anno gestorben sei^ noch auch die
gleich zu besprechende Zeitrechnung der Jakobiten geltend
gemacht werden können.
28. (25.) Dioskoros sass 7 Jahre {XQOvoyQ. 6vvr,),
genauer 7 — 8 Jahre (Anklageschrift des Athanasios), ab-
gesetzt 13. October 451 (Urkunde der Synode bei Euagrios)
= 15. Phaophi 168 Diocl., f ^^ ^^^ Verbannung am 7. Thoth
(171 Diocl.) (Abulb. nach Vansleb, Ebnr. Synax. Kai. Seiden.)
= 4. September 454; denn Papst Leo erwähnt seinen Tod
in einem Briefe vom 6. December dieses Jahres. Die jako-
bitischen Chroniken rechnen 14 Jahre von seiner Ordination
bis zu seinem Tode^ indem sie das ihnen als illegitim geltende
Episkopat des Proterios und aus Unachtsamkeit auch das
erste des Timotheos Ailuros zu seiner Amtszeit schlagen.
29. (von den Jakobiten übergangen) Proterios Martyr
(Lat. Montf.) sass 5 Jahre 5 Monate (Lat. Montf.), erwählt
Athyr 168 Diocl. = November 451; dies stimmt mit der
Erzählung des Liberatus, nach welcher Proterios nach der
Rückkehr der ägyptischen Bischöfe von der Synode gewählt
ward; die letzte Sitzung derselben war am 1. November
gehalten worden. Er wurde ermordet „ante triduum Paschae^
quo coena domini celebratur" (Brevis bist. Eutych., wört-
lich ebenso Liberatus c. 15 p. 763 E) oder am Gharfreitag,
der irrthümlich mit VI. Kai. April, verglichen wird, Con-
stantino Bufo coss. (Victor Tununensis) oder am heiligen
Osterfeiertage (Theophanes). Das richtige Datum ist der
grüne Donnerstag, 2. Pharmuthi 173 Diocl. = 28. März 457.
Die Angabe des Victor mag aus einer abweichenden Be-
rechnung der Zeitbestimmung „ante triduum Paschae'', die
des Theophanes aus zu buchstäblicher Deutung einer SteUe
29*
452 VERZEICHNISS
im Briefe der Bischöfe an Kaiser Leo (bei Euagrios), dass
der Mord am Osterfest geschehen sei^ entstanden sein.
30. (bei den Jakobiten 26.) Timotheos II. 6 MXovgog
(nach Lib. Theod. Euagr. Theoph.; ebenso Nikeph., aber in
der Uebersetzung des Änastasius Bibl. Heluros; "Ekovgog
XqovoyQ, 6vvt,, EUuros Lat. Montf., lUarus, d. i. wohl Hel-
luros oder Herulus Vict. Tunun., Jänürjos, woraus sich am
leichtesten Helüros machen lässt Eutych.)^), ord. bei Leb-
zeiten des Proterios (Euagr.), also Phamenoth 173 Diocl.
= März 457, sass 3 Jahre (Lat. Montf. XgovoyQ. 6vvx. Gr.
Montf. Eutych. Elm. Makr.) oder 2 Jahre (Theoph. Nikeph.),
vertrieben (Tybi 176 Diocl. = Januar) Magno Apollonio
coss. (Vict. Tunun.), d. i. 460.
Vacanz 5 Monate (Vict. Tunun.).
31. (von den Jakobiten übergangen) Timotheos III.
Sürus, d. i. ^(OQog (Eutych. Elm.; in Savirüs verderbt Makr.;
jisvxög augenscheinlich derselbe Beiname euphemistisch aus-
gedrückt Nikeph.; Asvxog 6 xal UaXog>axcaXog Theoph.;
UaXofpaxioXog Theodor. Lector ; 2]aXag>axiaXog XQOVoyg.
Cvvx.\ Salafatiatius oder Salafratatus entstellt Vict. Tunun.
EaXofpaxCoXog Euagr. Salophaciolus sive Asbus Lib. Ansus
Ebnr.)^) sass im Ganzen bis in des dreiundzwanzigsten Jahres
1) Dieses Zeagenverhör ergiebt, dass es nicht sicher ist, ob der
Spitzname den Kater oder den Hernier bedeutet: "EXüvqot ist die üb-
liche griechische Benennung dieses wegen seiner Wildheit vor anderen
Germanen verrufenen Volkes; der Vergleich lag bei der barbarischen
Handlungsweise jenes Sektenhauptes nahe genug. [Für einen wirk-
lichen Heruler hält den Ailuros Geizer, Zwei deutsche Patriarchen in
Ostrom, Jahrbücher für protestantische Theologie 1884 S. 818 flg. Lps.
Die Bedeutung „Kater" oder „Wiesel** ist völlig sicher durch die syr.
uebersetzung des Namens quzd „Wiesel'* und die Motivirnng, dass er
mager gewesen und deshalb scherzweise so genannt sei. Land, Anecd.
Syr. m, 135. Th. N.]
2) Salofaciolus scheint mir ein lateinisches Wort zu sein: qui salum
facit, etwa das Sturmmacherchen.*) Dass Asbus nicht in Albus geändert
werden darf, lehrt die lediglich durch falsche Punktation entstandene
Form Ansus bei Ebn Bahib, der keinesfalls aus Liberatus geschöpft
*) [Die syrische Uebersetzung „der, dessen faciolum {tpa%i6Uov)
wackelt** ist gewiss richtig. Th. N.]
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 453
sechsten Mooat (Lib.), wobei nothwendigerweise von der Ver-
treibung des Ailaros an gerechnet worden sein muss. Die
22 Jahre^ welche die jakobitischen Chroniken als gesammte
Amtsdauer dem Ailuros zutheilen^ gehören vielmehr dem
Salophakiolos, mit dem er vertauscht worden ist. Ordinirt
(Payni 176 Diocl. = Juni) Magno Apollouio coss. (Vict.
Tunun.), d, i. 460. Zu seiner Erhebung, die dem Papste Leo
am 17. Juni 460 laut zweien seiner Briefe noch nicht bekannt
war, beglückwünscht ihn derselbe unter dem 18. August 460.
Er sass zuerst 16 Jahre (XQOvoyQ. övvt,) oder 15 Jahre
(Theoph. Nikeph. Eutych.), von Basiliskos unmittelbar nach
seiner im November 475 (Athyr 192 Diocl.) erfolgten Thron-
besteigung vertrieben (Lib.), post cons. Leonis iun. (Vict.
Tunun.).
Timotheos Ailuros zum zweiten Male sass 2 Jahre
{XQOvoyQ. 6vvt. Theoph. Anastas. Bibl. Eutych. Makr.) und
vergiftete sich kurz nach der im Juli erfolgten Wiederein-
setzung des Zeno (Euagr.), am 7. Mesori (Sev. nach der Lesart
des Cod. Reg. Ebnr. Makr. Synax. Kalend. geld.) (193 Diocl.
= 31. Juli 477) post cons. Armati (Vict. Tunun.).
Petros IIL 6 Moyyog (der eine schwere Zunge hat),
sass 35 Tage {XQovoyQ, 6vvt.) oder 36 Tage (Theoph. Eut.),
die bei Nikeph. als ein Jahr berechnet sind, weil während
seiner Amtszeit der ägyptische Jahreswechsel eintrat, tumul-
tuarisch ordinirt, ehe sein Vorgänger noch begraben war (Brief
des Akakios von Constantinopel an Simplicius), also wohl (Sonn-
tag) 7. Mesori 193 Diocl. = 31. Juli 477; vertrieben (7. Thoth
194 Diocl. = 4. September 477) post cons. Armati (Vict.).
Timotheos Salophakiolos zum zweiten Male sass
5 Jahre {XgovoyQ. övvt.) oder 4 Jahre (Theoph. Anastas.
Bibl. Eut.), t (Payni 198 Diocl. = Juni 482). Seinen Tod
hat: die ErkläruDg wird man im Eoptischen snchen müssen. BaciUnög^
was EnagrioB als einen anderen diesen Timotheos unterscheidenden
Namen anfahrt, ist gehässiger gewendet dasselbe wie o Svvodixji^ im
Xqovoyq. avvx. Es drückt nnr die von ihm vertretene Secte ans and
ist von Interesse als das früheste Beispiel der Bezeichnong Melohiten,
d. i. Kaiserliche für die Anhänger der chalkedonischen Synode.
454 VERZEICHNISS
und die Erhebung des Johannes erwähnt Papst Simpliciüs
schon in einem Briefe vom 15. Juli 482, der aber nach Pagi
falsch datirt ist und vielleicht unter den 22. Juni gehört.
32. (von den Jakobiten übergangen) Joannes I. Ta-
bennesiotes (Victor. XgovoyQ. 6vvx. Theoph.; Tavenensis
Lat. Montf. Duinasades. Ebnr.), Aoxavtxog^) {XQovoyg. 6vvt.)
oder Talaia (Lib.), sass 6 Monate (Eutych.); seiae Amtszeit
ist im XQOvoyQ. övvr. nicht besonders berechnet und an-
scheinend wie in den jakobitischen Chroniken zu der des
Petros geschlagen worden. Abgesetzt (Choiak 199 Diocl.
BS December 482) ging er in die Verbannung nach Italien,
welches er nur vorübergehend im Jahre 492 in der vergeb-
lichen Hofihung, durch Anastasios restituirt zu werden ver-
Hess. Die irrige Meinung des Gennadios, Timotheos Ailuros
habe in dem Jahre, in welchem er schrieb (492), noch im
Exil gelebt, beruht vermuthlich auf einer Verwechselung mit
diesem Joannes.
33. (bei den Jakobiten 27.) Petros in. 6 Moyyog zum
zweiten Male, sass ßVg Jahre (Gr. Montf., was wohl nur aus-
drücken soll, dass seine Amtszeit zusammen mit der halb-
jährigen des Joannes I. 7 Jahre betrug) oder 6 Jahre (Theoph.
Nikeph.). Die 7 Jahre, welche ihm im XQOVoyg, 6vvx,y und
die acht, die ihm von Eutychios mit den Jakobiten (Sev. und
Elm.) zugeschrieben werden, sind vom Tode des Salopha-
kiolos an gerechnet. Er starb 2. Athyr (206 Diocl.) (Sev.
Abulb. Ebnr. und Makr. laut Rechnung. Synax. Kai. Seiden.)
= 29, October 489.
Dass er nicht früher gestorben sein kann, beweist seine
Gleichzeitigkeit' mit dem Patriarchen Euphemios von Con-
stantinopel, der bei seinem Amtsantritt den Namen des Petros
Mongos aus den Diptychen seiner Kirche strich: Petros starb,
als Beide eben im Begriff waren, mit Berufung von Synoden
einander zu bekämpfen (Euagr.). Euphemios ward, eines
geheimen Einverständnisses mit den Leitern der aufständi-
schen Isaurer verdächtig, abgesetzt, nach dem zuverlässigsten
1) Vielleicht 6 XB%avi%69, der Schüsselmaiin; der Beiname Talaia
trägt Byriflche Physiognomie.
DER PATRIAECHEN VON ALEXANDRIEN. 455
Gewährsmann, Theodoros Anagnostes, im fünften Jahre des
isaurischen EriegeS; also 496, und war nach Photios 6 Jahre
3 Monate im Amte, kann dasselbe folglich nicht vor October
489 angetreten haben; der Umstand, dass Theophanes die
3 Monate 17 Tage seines Vorgängers Fravita als ein Jahr
berechnet, scheint darauf hinzudeuten, dass der Jahreswechsel
(1. September) in seine Amtsdauer gefallen ist, und so das
erstere Datum zu bestätigen. Rechnen wir von dem nächsten
festen Punkte nach oben, der Absetzung des Patriarchen
Flavianus auf der am 8. August 449 ero&eten Räuber-
Synode, abwärts, so ergiebt siQh unter Zugrundelegung der
sorgfältigsten, die Vacanzen freilich nicht angebenden, Liste
des Nikephoros nur ein Deficit von 3 Monaten, welches
wahrscheinlich auf Rechnung einer Vacanz nach der Ab-
setzung des Flavianus kommt. Wollte man aber auch mit
Marcellinus die Absetzung des Euphemios in das Jahr 495
setzen, so beweist doch die eben angeführte Gegenprobe,
dass er keinesfalls vor Juli 489 das Patriarchat erlangt
haben kann:
Flavianus abgesetzt nach 8. August 449
Anatolios 8 J. 8 Mon. frühestens April 458
Gennadios 13 J. 2 Mon. „ Juni 471
Akakios 17 J. 9 Mon. „ März 489
Fravita — J. 3% Mon. „ Juli 489
Euphemios 6 J. 3 Mon. „ October 495.
34. (bei den Jakobiten 28.) Athanasios 11. 6 KfiXhfjg
(Theoph., vielmehr xiyAiJriy?, der mit einem Kropf Behaftete)
sass 7 Jahre {ÄQovoyQ. övvx. Theoph. Nikeph. Eut. Sev.
' Elm. Makr.), f 20. Thoth (213 Diocl.) (Sev. Ebnr. Makr.)
SB 17. September 496. Dass Athanasios nicht später ge-
storben sein kann, beweist das von Le Quien II S. 426 bei-
gebrachte, aber aus Versehen auf Joannes Nikiotes bezogene
und deshalb in seiner Wichtigkeit für die Herstellung der
Zeitrechnung nicht erkannte Citat eines ^Icnavvrig 6 ^j^Xs^av-
ÖQsiag iv rij TtQog FeXciöLov xov ^Pcoftijg anoXoyCa in den
Acten gegen die Pelagianer bei Phot. cod. 54 p. 15*^, 25
(Bekk.). Papst Gelasius (im Amte seit 492) starb nach
456 VEEZEICHNISS
dem liber Pontificalis, desseD auf ofScielle Aufzeichnungen
zurückgehende Angaben von dem nächsten festen Punkte,
dem Amtsantritt des Hormisdas am 27. Juli 514 zurück-
gerechnet, durch die Daten der päpstlichen Briefe und
andere Synchronismen bestätigt werden, am 21. November
496, womit es stimmt, dass der Antritt seines Nachfolgers
Anastasius nach dessen eigener Versicherung in dieselbe Zeit
wie Chlodwigs am 25. December 496 erfolgte Taufe fiel (vgl.
Clinton F. R. I p. 709. 713. 715). Das Schreiben des Joannes,
der der Zeit nach nur Joannes Hemula gewesen sein kann,
notificirte wahrscheinlich seine Inthronisation und verband
damit, wie es Sitte war, die Darlegung seines Glaubens-
bekenntnisses.
35. (bei den Jakobiten 29.) Joannes IL (nach jakobiti-
scher Zählung I.) 6 [Mva^mv (Theoph.^) Eut. Abulb. Gat.
Bern.), genannt Hemula (Vict. Theoph. Cognomento Mela
Lib. wohl verschrieben^)) sass 8 Jahre (XgovoyQ. 6vvr. Gr.
Montf. Sev.) oder 9 Jahre (Theoph. Nikeph. Eut Bim.
Makr.), f 4. Pachon (221 Diocl.) = 29. Aprü 505.
36. (bei den Jakobiten 30.) Joannes lU. (nach jako-
bitischer Zählung 11.) 6 iyxkcLötog (Sev. Abulb. Cat. Bern.
Ebnr. Makr.) genannt 6 NiTuiotrig (XgovoyQ. övvt.)^ Nixaid-
Tr^g (Theoph.), Niceta (Lat. Montf. Vict.), Machiota (Lib.
Abulb.), Nikiosi (Kai. copt. Abulb.), sass 11 Jahre {XgovoyQ.
övvt. Gr. Montf. Theoph. Nikeph. Eut. Sev. Elm.), f 27. Pachon
(232 Diocl.) (Sev. Ebnr. Makr. Sjnax. Kai. copt Abulb.] =
22. Mai 516.
Wegen der durch die weltliche Macht vorgenommenen
Inthronisation seines Nachfolgers Dioskoros brachen nach
1) Dass in der Bonner Ausgabe p. 217 6 Movaiöip nicht bloss im
Texte stehen geblieben, sondern zn grösserer Deutlichkeit noch durch
Joannes Monasco wiedergegeben, beweist wieder eindringlich, wie sehr
sich die Benutzer jener Sammlung das Horazische Nil admirari zur
Begel machen müssen. [Richtig in der Ausgabe von de Boor. F. R.]
2) Die Endung ist ausgeprägt lateinisch : sollte es nicht Ver-
kürzung von heminula sein und diesen Joannes als 'das Krüglein' von
dem anderen Joannes, dem ^Schüsselmann' in fetsslicher Weise unter-
scheiden?
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 457
Theophanes p. 251, 7 Unruhen aus, und auch als der Anlass
zur Unzufriedenheit durch Nachholung einer den kanonischen
Regeln entsprechenden Ordination beseitigt worden war, gaben
sich die aufgeregten Massen nicht zufrieden, sondern erhoben
sich in offener Empörung gegen den bei der Feierlichkeit
anwesenden Augustalis und erschlugen seinen Sohn. Den
Zorn des Kaisers wegen dieses Aufstandes wusste Dioskoros,
den die Alexandriner als Fürsprecher nach Constantinopel
schickten, zu beschwichtigen. Die Gesandtschaft des Bischofs
erzählt Theophanes unter dem Jahre 6009 d. W. (Herbst
516); es ergiebt sich aber durch Malala, dass der Aufstand
sich im 564. Jahre antiochenischer Aera, in der neunten
Indiction zutrug, Herbst 517, also zwischen 1. October 515
bis 31. August 516. Dadurch ist der Mai 516 als Zeitpunkt
des Todes des Joannes gesichert.
37. (bei den Jakobiten 31.) Dioskoros IL minor (Vici
Sev.) oder 6 fttx(>og (Theoph.) oder 6 viog (Makr. Cat. Bern.)
sass 2 Jahre 5 Monate (Ebnr. Elm. Makr.) oder 3 Jahre
(^XQOvoyQ, avvr. Gr. Montf. Theoph. Nikeph. Severus nach
Einigen), f 17- Phaophi (235 Diocl.) (Sev. Abulb. Ebnr.
laut Rechnung, Makr. Synax.) =« 14. October 518.
38. (bei den Jakobiten 32.) Timotheos IV. (nach jako-
bitischer Zählung IH.) sass 17 Jahre {XQtvoyQ. 6vvx, Gr.
Montf. Theoph. Nikeph. Sev. Elm., für dieselbe Zahl zeugt
Yict. Tunun., der die Amtszeit dieses Bischofs falschlich 521 —
538 berechnet hat), f 13. Mechir (Sev. Ebnr. Elm. Synax.
Kalend. Seid.) 252 Diocl. = 8. Februar 536. Der Patriarch
Severus von Antiochien flüchtete sich, wie Liberatus und mit
ihm Severus und Ebn Rahib angeben, nach seiner Absetzung
zu dem Nachfolger des Dioskuros, Timotheos und zwar
nach Euagrios im September des Jahres 567 aer. Ant. (d. i.
519 n. Ch.) oder im ersten Jahre Justins (d. i. 518). Von
diesen beiden unvereinbaren Angaben wird die zweite durch
Malalas ausdrückliches Zeugniss und durch den Zusammen-
hang der Ereignisse bestätigt. Der Widerspruch des Euagrios
mit sich selbst lässt sich durch die Voraussetzung beseitigen,
dass er ungenau die antiochenischen Jahre den mit September
458 VERZEICHNISS
beginnendeD Indictionsjahren gleichgesetzt hat. Feste Pankte
in der antiochenischen Patriarchengeschichte dieser Zeit sind
der Antritt des Severus am 6. November 512 und die Ab-
dankung seines Nachfolgers Paulos am 1. Mai 521. Letzterer
sass nach Eutych. und XQovoyQ, övvr, 2 (nach Theoph. und
Nikeph. gar 3) Jahre^ was genau mit seiner durch Briefe
an den Papst Hormisdas bezeugten Wahl Ende Mai (519)
stimmt Es waren derselben nach eben jenen Briefen länger«
Streitigkeiten vorausgegangen, weshalb Dionysios von Tel-
mahar 1 Jahr auf die Vacanz rechnet. Folglich muss die
Absetzung des Severus in den September 518 fallen. Zu
völliger Gewissheit wird dies durch das Zeugniss des Libe-
ratuS; dass Severus über 5 Jahre im Amte gewesen sei. Die
7 Jahre ^ die Theophanes und Nikephoros dem Severus bei-
legen {XQovoyQ. övvt. und Eut. nennen keine Zahl), können
dagegen nicht geltend gemacht werden, da sie nach Art der
Chronographen die Vacanz vor der Wahl des Paulos mit
zum vorhergehenden Episkopat geschlagen haben. Als den
Tag der Ankunft des Severus in Aegypten feiert das EaL
copt. (Benaudot p. 133) den 2. Phaophi =^ 29. September,
und dies verträgt sich sehr gut mit dem Monate der Ab-
setzung, weniger aber mit unserer Annahme, dass Dioskoros
erst am 14. October 518 gestorben sei. Es konnte also
scheinen, als müsste dessen Tod in das Jahr 517 zurück-
geschoben werden, um so mehr, da Euagrios den Timotheos
zu den alexandrinischen Bischöfen rechnet, welche die Send-
schreiben des Severus aufgenommen hätten: doch beweist
dies nichts, da Severus auch in der Verbannung nicht auf-
hörte, sich als Bischof zu geriren. Da m^n den Zwischen-
raum vom Tode des Petros Monges bis zu dem des Dios-
koros IL, will man die überlieferten Zahlen retten, nicht
niedriger berechnen kann, als von uns geschehen ist, so
müssten alle Todesjahre der vorhergehenden Bischöfe am
Eines zurückgeschoben werden, und dann würde nicht nur
der Amtsantritt des Dioskoros IL von dem seinetwegen er-
folgten Aufstande in sehr unwahrscheinlicher Weise entfernt^
sondern der Tod des Petros vor den Amtsantritt des Euphe-
DEE PATMABCHBN VON ALEXANDMEN. 459
mioB gesetzt, was erwiesen falsch isi Den kleinen Vortheil
unserer Anordnung, sich nie um mehr als 1 Jahr von den
Angahe^i des Victor Tununensis zu entfernen^ will ich hierbei
nicht einmal geltend machen. Es bleibt somit nichts übrig,
als die, wie mir scheint, ganz unanfechtbare Annahme, dass
Severus während der letzten Krankheit des Dioskoros nach
Alezandrien kam, daher nicht mit ihm, sondern erst mit
seinem Nachfolger Timotheos zusammentraf. Theophanes,
der p. 254, 18 ausdrücklich sagt, Severus sei noch unter
Dioskoros nach Aegypten gekommen, liefert uns* dafür eine
directe Bestätigung.
Theodosios L, ord. als die Leiche seines Vorgängers
noch über der Erde war (Lib.), also vermuthlich Sonntag,
den 15. Mechir 252 -Diocl. «» 10. Februar 536, sass 2 nicht
volle Tage (Lib.), wofür Sev. 2 Monate, Eutych. 3 Jahre
als die ganze bis zu seiner Verbannung verflossene Zeit an-
giebt; von den übrigen Quellen erwähnt nur noch Lat. Montf.
den Theodosios vor Gaianos; vertrieben etwa 16. Mechir 252
Diocl. = 11. Februar 536.
39. (von den Jakobiten übergangen) Gaianos (Theoph.
fölschlich FaVvasy Eutych. Gäbios, d. i. Fatog, Makr. Da-
kioSy Sev. Dakianos oder Akakianos), ein Aphthartodoket,
an demselben Tage mit Theodosios ordinirt (Vict. Tun.), also
wahrscheinlich Sonntag, den 15. Mechir 252 Diocl. «»= 10. Fe-
bruar 536^ sass 103 Tage (Lib., als 1 Jahr berechnet von
XQovoyQ. 6vvt. Gr. Montf. Theoph. Nikeph.; irrige Angaben
bei Eutych. und Sev.), abgesetzt etwa 28. Pachon 252 Diocl.
= 23. Mai 536.
Vacanz 2 Monate (Lib.), worauf Gaianos nach Sardinien
Verbannt wird.
40. (bei den Jakobiten 33.) Theodosios L wiederein-
gesetzt (Epiphi 252 Diocl. »=» Juli 536); im Amte 1 Jahr
4 Monate (Lib., dieselbe Zahl ergiebt sich aus den Ansätzen
bei Sev. 4 Jahre = 2 Monate + 6 Monate + 2 Jahre + x,
also X e= 1 Jahr 4 Monate; als 2 Jahre berechnet von
XQOvoyQ. ovi/i. Gr. Montf. Theoph. Nikeph., ebenso von
Victor, der den Theodosios fälschlich von 536—540 sitzen
460
VERZBICHNISS
lässt) bis zu seiner zweiten Vertreibung aus Alexandrien
(Athyr 254 Diocl. = November 537), lebte dann in Melicha
2 Jahre (nach Anleitung des Sey.) bis zu seiner Vorladung
nach Constantinopel und endlicheti Verbannung lustino cons.^
d. i. 540 (Vict.); also, da die ganze Zeit vom Tode des Timo-
tbeos bis dahin von Sev. auf 4, von Eut aber auf 3 Jahre
bestimmt wird, vermuthlich Tybi 256 Diocl. »» Januar 540.
Theodosios I. sass nach den Jakobiten, die ihn bis an seinen
Tod ^Is Patriarchen betrachten, 32 Jahre, davon 4 in der
Thebais und 28 in der Verbannung bei Constantinopel (Sev.
Makr.) und f 28. Payni (Sev. Ebnr. laut Rechnung, Eim.
Makr. Eal. copt. Synax.) 283 Diocl. nach dem hier zulässigen
Zeugnisse Abulb. (s. das Vorwort über die Quellen), 10 Jahre
vor der Ordination des Petros, welche wiederum 8 Jahre vor
dem Jahre 896 nach Alex. (aer. Seleuc.) erfolgte (Joannes
von Epbesos bei Land S. 132); Wixit usque ad primum
lustini iunioris Augusti consulatum' sagt Vict. Tunun. p. 9
(ed. Scaliger) und meint damit, da er Justins II. Begierungs-
antritt in 566 setzt, wahrscheinlich das Jahr 567; also Todes-
tag 22. Juni 567.
Die vorstehend gegebene Herstellung der schwierigen
Zeitrechnung der Jahre, in denen sich die vollige Los-
trennung der Jakobiten von der Staatskirche entschied,
beruht auf einer Vergleichung der drei Berichte, welche
allein specielle Zeitangaben enthalten:
Liberatus.
Theodosios wird, als
die Leiche seines Vor-
gängers noch über der
Erde war, yom Kleros
und den Behörden in-
thronisirt, am zweiten
Tage von dem Volke
und den Mönchen, die
dem Ga'ianos anhängen,
vertrieben.
Severus von Ash-
munin bei Benandot
p. 137—142.
Theodosios wird von
Klerus und Volk inthro-
nisirt, erst nach 2 Mona-
ten hört man von der
Ordination des Ga^nos,
und Theodosios wird
durch die vom Priester
Theodoros bestochenen
Behörden aus Alexandrien
vertrieben.
Eutycfa. Alex.
Annales II
p. 149—168.
Theodosios sass
3 Jahre im Amte,
dann abgesetzt.
'DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN.
461
Liberatns.
Gaiänofl sass 103^
Tage, nach Ablauf
deren er darch' rich-
terliches Erkennir
niBs entsetzt wird.
Nach 2 Monaten
Ankunft des Narses,
des Eammerherm
der Kaiserin Theo-
dora, durch den nach
heftigem Strassen-
kämpfe Theodosios
eingesetzt, Galanos
aber nach Karthago
und von da in die
Verbannung nach
Sardinien abgeführt
wird.
»4
D
Theodosios sass 1 Jahr
4 Monate, verl&sst aber
endlich Alezandrien
*tton ferens sediiiones et
hella, quae contra eum
exercebantur a popuio*.
«
4
B
Seyerns ron Ash-
munin bei Renaudot
p. 1S7— 142.
Theodosios verweilt
6 Monate an einem
Orte Namens Haris-
manos^). Damals rich-
tete Severus von Saca
(d. i. Xo!s) aus ein
tröstendes Schreiben
an . Theodosios 242
(sehr. 262) Diocl.
*Cum vero Theodo-
8iu8 continuis seditiO'
nibus eorum , gut
Qaumo adkaerehant,
vexaretur^f entwich er
2u Schiff nach Melicha
(d. i. Neilupolis in
Mittel&gypten) und
blieb da 2 Jahre.
Unterdessen wird Gaia-
nos Yon den Behörden
entsetzt, dann durch eine
auf Betrieb der Kaiserin
Theodora abgeordnete
Untersuchungscommis-
sion Theodosios zur gros-
sen Freude der Alexan-
driner wiederhergestellt.
Gaianos bezeugt Reue
und unterwirft sich ihm.
Theodosios sass^
1 Jahr 4 Monate (siehe
oben) , nach Ablauf
deren er sich, die Ver-
bannung der Aner-
kennung des chalke-
donisctaen Concils
vorziehend, zu Schiff
Eutjch. Alex.
Annales II
p. 149 —158.
Gaüos 2 Jahre im
Amte , dann abge-
setzt.
Theodosios wie-
dereingesetzt , sass
5 Jahre, ehe er bis
an sein Ende ver-
bannt wurde. Nach
Constantinopel vor-
geladen und mit dem
Tode bedroht, wenn
1) In der griechischen Quelle stand vermuthlich mQUfiiivog tonog:
dem Theodosios war ein Ort angewiesen, dessen Grenze er nicht fiber-
schreiten durfte.
462
VERZEICHNISS
LiberatuB.
An das vorher Er-
zählte Bchlieflsen sich
unmittelbar die Worte
an : 'Missus est Constan-
tinopölim cum honore^
eo quod ita Augustcie
scripta praeceperah t ' ,
wird aber, da er sich
weigert, das cbalkedoni-
sehe Goncil anzuerken-
nen, an einen Ort,
6 Meilen von der Haupt-
stadt yerwiesOD, Huxta
basilieam Arisphoccte
{Äristochae ?) in via, quae
ducit ad Stoma pontum^
(sehr. Stoma Pontu).
Paulus, unus abbatum
Tabennensinm , kommt
in Angelegenheiten sei-
nes Klosters nach Con-
stantinopel, der ^divino
nutu catkedram vakan-
tem ifweniens* das ale-
xandrinische Patriar-
chat erlangt.
Severus Ton Ash-
mnnin bei Benandot
p. 187—142.
d
o
«
nach Sa*!d (d. i. der^
Thebais) begab.
Hier lebte er 4 Jahre
und ermahnte während
dieser Zeit die Mönche
zu standhaftem Aus-
harren im monophy-
sitischen Glauben.
Um dem zu steuern,
lockt ihn Justinianus nach
Constantinopel , von wo
er ihn nach wiederholter
Weigerung, das chalke-
donische Goncil anzuer-
kennen, in die Verban-
nung schickt und den
Paulos an seiner Stelle
als Patriarchen einsetzt
(Theodosios sass bis an
seinen Tod 32 Jahre, von
denen er 28 in der Ver-
bannung zubrachte, dar-
unter 4 in der Theba'is).
Paulos ist 1 Jahr in^
Alezandrien, von Allen
ausser den kaiserlichen
Beamten und Officie-
ren geflohen 'wie der
Wolf von den Schafen'.
Darauf lässt der
Kaiser die Kirchen der
Monophjsiten schlies-
sen, die nun 1 Jahr
ohne Abendmall, Got-
tesdienst und Taufe
zubringen.
Durch ein von Theodo-
sios aus dem Orte seiner
Verbannung gesandtes
I
M
II
Eutych. Alex.
Annales H
p. 149—168.
er das ohalkedoni-
sche Goncil nicht
anerkennen würde,
wird er auf Ver-
wendung der Kai-
serin Theodora wie-
der nach Aegypten
entlassen.
Er hielt sich nun
zu Mustl, d. i. Mu-
telis und i^Jy^Jltf
(vielleicht|M^V a 4I ha
aus einem griechi-
schen UroXefiatdog)
in den westlichen
Landschaften Aegy-
ptens auf, wo sich
die Monophysiten
um ihn sammelten.
Deshalb yerbannt
ihn Justinian und
setzt den Paulos zum
Patriarchen ein.
Paulos sass 2
Jahre.
DER PATEIARCHEN VON ALEXANDRIEN.
463
Liberatus.
Severns von Aah-
mnntn bei Renandot
p. 187—142.
Scbreiben getrOstet, thun
sich die angesehensten
Monophysiten zasammeu
und banei» die Kirche im
Angelion, Andere, ihnen
nacheifernd, die Kirche
der H. H. Kosmas und Da-
mianos, im Jahre 248
(sehr. 268) Diocl. (das-
selbe Datum, in derselben
Weise verschrieben, bei
Sev. Chr. or. und Makr.).
Eutych. Alex.
Annales II
p. 149—163.
Dass der Bericht des Liberatas bei der Prüfung der
übrigen als Richtschnur dienen muss^ liegt auf der Hand,
nicht bloss weil er ein gleichzeitiger^ sondern auch weil er
als Synodit der unbefangenste Berichterstatter über einen
Streit zwischen strengen Monophysiten und Aphthartodo-
keten ist. Seine Zeitangaben über die erste Phase dieses
Streites sind bis auf den Tag genau, für die* spätere Zeit
giebt er dagegen gar keine oder nur ganz unbestimmte.
Schon darum ist eine Herbeiziehung der sehr ausführlichen
Erzählung des Severus nicbt zu umgehen, die schon von
Tornherein durch ihre sorgfältigen Zahlen- und Ortsangaben
den Eindruck einer gut unterrichteten Quelle macht. Sie
stimmt auch in Nennung von Namen der in diesem Drama
spielenden Personen, nicht bloss allbekannter, wie der Kai-
serin Theodora, sondern auch weniger hervortretender, wie
des Dux Aristomachos , mit Liberatus überein. Es kann
kaum einem Zweifel unterliegen, dass dem jakobitischen
Historiker der Brief des Severus an Theodosios und der,
welchen Theodosios aus dem Exile an die Alexandriner
schrieb, vorgelegen haben (der letztere wird von Severus
anscheinend p. 143 citirt) und dass gerade die beiden Daten
nach Diocletianischer Aera aus diesen ganz authentischen
Quellen geflossen sind. Dass Beide in den Zehnern ver-
464 VEEZEICHNISS
schrieben sind, thut ihrem Werthe keinen Abbruch: eine
ähnliche Interpolation zieht sich durch einen grossen Theil
der Eirchengeschichte des Joannes von Ephesos (Land
S. 56 — 132). In ihren Grundzflgen ist die Geschichts-
erzählung dieselbe wie bei Liberatus, und es hat allen An*
schein, als wenn die Abweichungen weniger in der Un-
wissenheit des Severus, als in dem Bestreben ihren Grund
hätten, die Vorgänge dem Leser in einem der jakobitischen
Sache möglichst günstigen, pragmatischen Zusammenhange
vorzuführen. So soll augenscheinlich der Umstand vertuscht
werden, dass der letzte wirklich regierende monophysitische
Bischof sich ganz wie die so sehr perhorrescirten Melchiten-
patriarchen nur durch militärische Unterstützung hat be-
haupten können und schliesslich nicht aus Ueberzeugungstreue,
sondern wegen der Unmöglichkeit, sich dem Yolksunwillen
gegenüber länger zu halten, das Feld räumte. Gründlich
verfälscht ist der Bericht über den Ausgang des Gai'anos:
diese Erdichtung kann nur politischen Zweck haben und ist
nur denkbar in einer Zeit, wo Monophysiten und Aphthar-
todoketen auf dem Fusse eines herzlichen Einverständnisses
zu einander standen; da wir von einem solchen nur aus der
Zeit des Melchitenpatriarchen Eulogios (580 — 607) wissen
(Phot. cod. 227 p. 244% 9 Bekker), so lässt sich anscheinend
die Entstehung des Berichtes des Severus ziemlich genau
bestimmen. Unter jener tendenziellen Ueberarbeitung scheint
die Zeitrechnung besonders gelitten zu haben; zum Glück
bietet die Darstellung des Severus in sich selbst die Mittel
zu einer Berichtigung derselben. Die 6 Monate der ersten
Abwesenheit des Theodosios von Alexandrien vergleichen
sich ganz von selbst mit den 57, Monaten, die sich aus
Liberatus für diesen Zeitraum ergeben; die zweite Amts-
dauer des Theodosios von 1 Jahre 4 Monaten ist bei
Beiden dieselbe ; die Abweichungen beschränken sich auf
drei Punkte:
1) Severus erzählt, noch vor der Untersuchungscom-
mission hätten die Gönner des Gai'anos seine Ordination für
die frühere und nach den kanonischen Vorschriften erfolgte
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 465
erklärt, seien aber durch Zeugen überführt worden, dass
beide Prädicate vielmehr von der Ordination des Theodosios
gälten und dass man erst nach Verlauf zweier Monate gehört
habe, dass Gaianos ordinirt wäre. Dass hier wirklich nur
durch ein Missverständniss „ Monate '' statt ,,Tage" genannt
sind, zeigt der Zusammenhang: eine Differenz von zwei Mo-
naten wegzuleugnen, wäre sinnlos und unausführbar gewesen;
über 2 Tage konnte man schon eher hoffen, mit Hülfe be-
stochener Zeugen hinauszuschlüpfen.
2) Direct ausgeschlossen wird durch den Bericht des
Liberatus der zweijährige Aufenthalt des Theodosios in Nei-
lupolis vor seiner Wiedereinsetzung; es liegt aber auch ein
innerer ^Widerspruch vor: die Volksauf laufe und Strassen-
kämpfe, die als Grund der Entweichung des Theodosios
nach Neilupolis angegeben werden, habqn in Harismanos
oder wie sonst sein Detentionsort geheissen haben mag,
keinen Sinn; man erkennt aber auf den ersten Blick die
von Liberatus fast mit denselben Worten geschilderten Vor-
fälle wieder, welche die Vertreibung des Theodosios aus Ale-
xandrien zur Folge hatten. Als Grund der letzteren giebt
Severus seine Weigerung an, das chalkedonische Concil anzu-
erkennen: es ist dies aber eine einfache Verdoppelung dessen,
was später in Gonstantinopel vorging und die Veranlassung
wurde, den Theodosios lebenslänglich in die Verbannung zu
schicken. Wir glauben also zuversichtlich, die iTrsprüngliche,
wahrscheinlich absichtlich verdunkelte, Folge der Ereignisse
wiederherzustellen, indem wir des Theodosios' Aufenthalt in
Neilupolis nach seinem abermaligen Weggange von Ale:xan-
drien setzen. Liberatus widerspricht einer solchen Anordnung
nicht, indem er sich darüber, wann Theodosios nach Gon-
stantinopel vorgeladen ward, nicht bestimmt äussert; der
Zusammenhang der ganzen Zeitrechnung der Jahre 536 —
569 verlangt sie sogar mit Noth wendigkeit, da man ohne
die Annahme einer mehrjährigen Vacanz bis zu dem näch-
sten festen Punkte, dem Todesjahre des Apollinarios , mit
den überlieferten Amtsjahren der Bischöfe in keiner Weise
gelangen kann.
y. GuTBCHMiD, Kleine Schriften, ir. 30
466 VERZEICHNISS
3) Von einem vierjährigen Exile in der Thebais weiss
Liberatus nichts^ ein solches wird aber auch darch die eigene
Rechnung des Seyerus ausgeschlossen: 4 Jahre bis zu Theo-
dosios' Austreibung + 4 Jahre ' Exils in der Thebais +
2 Jahre des Paulos würden 10 Jahre ergeben statt der
sechs durch die Jahreszahlen 252 und 258 abgegrenzten;
genau 4 Jahre sind vom Uebel. Erwägt man hierzu noch,
dass die Auswanderung des Theodosios nach der Thebais
imter denselben Umständen wie die nach Neilupolis erfolgt
sein soll (beide Male entweicht er zu Schiff stromaufwärts),
so wird es sehr wahrscheinlich, dass des Theodosios Auf-
enthalt in der Thebais mit dem in Neilupolis zeitlich
zusammenfällt und wiederum eine Verdoppelung vorliegt;
durch die 4 Jahre wird in der Quelle des Severus die
Dauer seines Aufenthaltes in Aegypten überhaupt aus-
gedrückt gewesen sein. Uebrigens darf man weder die
Nachricht des Severus von einem Besuche des Theodosios
in der Thebais, noch die mit bestimmten Ortsangaben auf-
tretende des Eutychios von einem solchen in den westlichen
Marken von Unterägypten verwerfen, zumal da sie mit der
später von demselben Patriarchen von Constantinopel aus
geleiteten ungemein rührigen monophysitischen Propa^^anda
im si^hönsten Einklänge stehen; nur wird man sie als Bund-
reisen anzusehen haben, die Theodosios von Neilupolis aus
unternommen hat. Die sonst wenig brauchbaren Angaben
des Eutychios lassen sich auf eine unkritische Verquickung
zweier verschiedener Quellen zurückführen: einer kurzen
Chronographie — wahrscheinlich der von ihm anderwärts
zu Grunde gelegten, den byzantinischen nahe stehenden —
und einer jakobitischen Geschichtserzählung. Jener entnahm
er die dreijährige Amtsdauer des Theodosios (von ihm falsch-
lich auf sein erstes Patriarchat beschränkt) und die Notiz,
dass er wegen seiner Weigerung, das chalkedonische Concil
anzuerkennen, nach Constantinopel citirfc und von da aus in
die Verbannung geschickt worden sei; der zweiten Quelle
folgend setzte er diese Weigerung in enge Verbindung mit
seiner zweiten Vertreibung aus Alexandrien und liess sich
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 467
dadurch verleiten, den Theodosios gegen alle Geschichte
zweimal nach Constantinopel zu bringen. Seine viel zu
hoch gegriffenen Ansätze von 2 Jahren für Gaianos und
fünf für den wiedereingesetzten Theodosios finden in den
entsprechenden Zeitbestimmungen yon 2 Jahren 6 Monaten
und 5 Jahren 4 Monaten bei Seyerus ihre Erklärung. —
Gegen unsere Herstellung kann Liberatus, der scheinbar
allerdings die Wahl des Paulos in 536 setzt , keineswegs
geltend gemacht werden. Nachdem derselbe die Ordination
des Paulos durch den Patriarchen Menas von Constantinopel
in Gegenwart von Abgeordneten der Bischöfe Vigilius von
Rom und Petros von Jerusalem berichtet hat, fährt er fort
(cap. 23 in den Act. conc. V p. 776 E): ^Severus autem An-
tiochenus tarn fuerat condemnatus et Anthimus Constantinopoli-
tanus ah Agapeto papa Romano et Mena Constantinopolitano et
libellis datis adversus eos imperatori lustiniano a praesulibus
monasteriorum, praesulibus primae et secundae Syriae et prae-
sulibus monasteriorum Hierosolymorum et eremi. Hoc ergo modo
unitas facta est ecclesiarum anno decimo imperii gloriosi lusti-
niani Augusti* — worauf mit: ^iste Paulus etc.^ eine Einzel-
heit, die Erhebung des Paulos betreffend, nachgetragen wird.
Für die Verdammung des Severus und Anthimos trifft die
Zeitrechnung zu: das Decret, durch welches Justiuian die^
vorangegangenen Yerdammungsurtheile des Agapetus und
Menas bestätigte, ward am 6. August 536 erlassen (siehe«
Clinton P. R. I p. 767); wollte aber Liberatus die Wahl des
Paulos wirklich in dieses selbe Jahr setzen, so würde er in
Widerspruch mit sich selbst gerathen, denn Yigilius wurde
erst Papst am 22. November 537, im elften Jahre Justinians
(siehe Clinton F. R. I p. 769. 803). Er wird sich aber wohl
nur nachlässig ausgedrückt haben. Mit uns stimmt auch
Victor Tununensis ganz überein, der die Verbannung des
Theodosios in das Jahr 540 setzt.
Vacanz 540-541 (Lib. Vici).
30'
468 VERZEICHNISS
Patriarcben der Melchlten.
41. Paulos 6 Taßsvvrjöicirrig (Lib. Vict. Bim.; Teumsi
Sev. Makr.; Thebanus Chron. or.) ord. Basilio cons. (Vict.),
d. i. 257 Diocl. = 541 , sass 2 Jahre (alle melchitischen
Chronographen und Sev.), abgesetzt (259 Diocl.) = 543. —
Da sich Victor soeben als gut unterrichtet ausweist, so wird
man ihm auch darin Glauben schenken dürfen, dass Paulos
erst im Jahre 541 gewählt worden ist, um so mehr da eine
Vacanz noch nach der Ausweisung des Theodosios aus Con-
stantinopel durch Liberatus bestimmt bezeugt ist. Es ist
wahr, dass man wegen der 2 Jahre, die Seyerus von der
Einsetzung des Paulos bis zum Eirchenbau rechnet, streng
genommen seine Einsetzung in das Jahr 256 Diocl. <» 540
setzen müsste; allein ich glaube nicht, dass wir verpflichtet
sind, die Ausdrücke des Severus in dieser Weise auf die
Goldwage zu legen. Auf jeden Fall ist es sicher, dass die
Absetzung des Paulos nicht vor dem Herbst des Jahres 259
Diocl. und frühestens Ende 542 erfolgt sein kann. Unter den
Anlässen derselben wird auch der angeführt, dass er den
Todestag seines ketzerischen Vorgängers Dioskoros gefeiert
habe (Vict. Tun. unter dem Jahre Basilio v. c. cons.) oder,
wie Theoph. p. 345, 10 sagt, das Gedächtniss des unheiligen
Severus. Wegen dieses Widerspruches ist die Nachricht
allgemein verworfen worden; allein gerade der vermeintliche
Widerspruch ist die sicherste Gewähr ihrer Glaubwürdig-
keit: das Gedächtniss des Severus wird nämlich von der
alexandrinischen Kirche zugleich mit Dioskoros am 7. Thoth,
dem Todestage des Letzteren, gefeiert (Renaudot p. 129).
Severus starb nach Severus von Ashmunin (bei Renaudot
p. 138) 30 Jahre nach seiner Erhebung zum antiochenischen
Patriarchate, d. i. nach dem 6. November 512; da sein Todes-
tag nach den koptischen und äthiopischen Ealendarien der
14. Mechir ist (Ludolf, ad hist. arm. comment. p. 403), so
muss er am 9. Februar 542 oder 8. Februar 543 gestorben
sein und seine Gedächtnissfeier konnte frühestens am 7. Thoth
259 «» 4. September 542 mit der des Dioskoros verbunden
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 469
werden. Da nun, ehe die Denunciation gegen ihn in Con-
stantinopel einlief, ehe zur Untersuchung der Sache eine
Synode einberufen wurde, ehe diesre die Absetzung des Pau-
los verfugte, gewiss ein paar Monate verflossen sein werden,
so ergiebt sich für letztere die obige Zeitbestimmung.
42. Zoi'los sass 7 Johre {Xgovoyg, 6vvt, Theoph. Nikeph.),
ward abgesetzt (266 Diocl.) = 550 und lebte noch 5 Jahre
in der Verbannung (Eutych.), f also 555.
43. Apollinarios sass 19 Jahre (XgovoyQ, 6vvt. Theoph.
Nikeph. Eutych.), f (285 Diocl.) = 569. Seine Einsetzung
setzt Victor Tun. ein Jahr später, 551; allein die aus den
Amtsjahren der Patriarchen sich ergebende Chronologie wird
auch hier wieder dadurch bestätigt, dass Apollinarios nach-
weislich im Jahre 569 nicht mehr am Leben gewesen ist.
Der Bischof Anastasios von Antiochien wagte es nämlich in
seinem durch Abschriften veröffentlichten Synodalschreiben,
den Patriarchen Joannes von Constantinopel wegen der Or-
dination des Joannes von Alexandrien und diesen selbst an-
zugreifen, was aber seine eigene Absetzung zur Folge hatte
(Theoph. p. 376, 1). Ihm folgte Gregorios und, als dieser im
März 593 gestorben war, Anastasios zum zweiten Male, wie
die Chronographen angeben nach 24, oder, wie des Gregorios
Freund Euagrios und sein Bival Anastasios rechnen, nach 23
Jahren. Demnach ist Anastasios nicht wohl vor Ende 569
oder Anfang 570 abgesetzt worden, und der Tod des Apolli-
narios musB wenigstens ein paar Monate früher erfolgt sein.
44. Joannes IV. mit dem Beinamen *der auf göttlichem
Befehl Stehende' (el-Qäim bi'l-amr nach Makr., der einen
vollständigen Text des Eutychios vor sich hatte; d. i. wohl
6 ^aoTtBi^i^g) sass II Jahre (alle melchitischen Chrono-
graphen und Makr.), f (296 Diocl.) = 580. Hiermit stimmt,
dasB sein Nachfolger Eulogios zur Zeit der gegen die syrischen
Heiden geführten Untersuchung, um den grünen Donnerstag des
zweiten Jahres des Tiberius (18. April 580), noch nicht Patri-
arch war (Joannes, Bischof von Ephesos bei Land S. 162).
45. Eulogios sass 27 Jahre (Nikeph. Kall. XgovoyQ.
fSvvx. Theoph. und Nikeph. Constantinop. nach der Lesart
470 VERZEICHNISS
des Anast. Bibl.). Sein Gedenktag ist nach dem griechi-
schen Menologion des E. Basileios (bei Le Quien II p. 444)*)
der 13. Februar, und höchst wahrscheinlich ist derselbe Eu-
logios auch in die äthiopischen Ealendarien aufgenommen
worden in Folge nicht sowohl einer loblichen Toleranz, als
eines bedauerlichen Uebersetzungsfehlers. Der 11. Mechir ist
daselbst als Gedenktag eines Anbasäwi Aulog oder ^lowen-
artigen Eulogios' vermerkt (Ludolf, Gommentar. p. 403).**)
Nun hatte sich der Melchitenpatriarch Eulogios, wie Phot.
cod. 230 p. 281^, 38 bezeugt, durch viele Schriften als war-
men Vorkämpfer der chalkedonischen Synode und des Briefes
des heiligen Papstes Leo bethätigt und eigens zur Verherr-
lichung des Letzteren und zur Niederschmetterung seiner
monophysitischen Widersacher eine Uwrjyogia täv iv rcS
xofLO) Aiovxog roi; iv aytoig rfjg ^Pdfiijs dQxt^BQems in zwei
Bänden geschrieben, die Phot. cod. 225 p. 240*, 12 und
cod. 226 p. 243*^, 25 ausgezogen hat. Der arglose Aethiope
wird in seiner Quelle 6 Aeovtsiog EvXoyiog vorgefunden,
die im Grase lauernde Schlange nicht bemerkt und, gewiss
sehr unfreiwilliger Weise, einen Hauptgegner seines Glaubens
dem Coetus der monophysitischen Heiligen einverleibt haben.
Eulogios starb also am 11. (19.) Mechir (323 Diocl.) »= 5.
(13.) Februar 607.
46. Theodoros 6 UxQißcov (Nikeph. Kall. Nikeph. Con-
stantinop.; UxQi^ßcav XQovoyg. övvt.) sass 2 Jahre (Nikeph.
Kall. Tbeoph. Nikeph. Constantinop. Eutych.), ermordet In*
dict. XII (Chron. Pasch, p. 699, 3)^) d. i. 325 Diocl. = 609.
*) [Migne, PatroL Ser. Gr. CXVII, 311. Lps.]
♦•) [Doch vgl. Wright, Catalogue of the Syriac Manuscripte in
the British Mubeum cod. DCCCCLX No. 37 p. 1129: Life of Eulogiaa
the Egyptian ascetic to whom a lion attached itself all bis life.
G. HofFmanD, Auszüge aus den syriBchen Acten persischer Märtyrer
S. 163. Lps.]
1) Die Worte lauten richtig übersetzt: ^In diesem Jahre fallen
Afrika und Aleiandreia ab: und ermordet wird von Seiten der Gegner
(dno ivavtCfov) der Papas von Alexandreia'. Die Gegner können nur
die Gegner des Aufstandes sein, zu denen also Theodoros* Partei
gehörte; der Satz bleibt unverständlich, wenn man ihn nicht mit dem
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 471
In den 5 Jahren^ welche XpovoyQ. övvt. und Gr. Montf. dem
Theodoros zuschreiben ^ ist die Vacanz bis zur Wahl seines
Nachfolgers mitinbegri£fen.
Vacanz (Metaphr. 1^ 4 in Acta SS. Januar. II p. 517)
609 — 611.
47. Joannes V. 6 KvTcgvog {Xgovoyg. övvt.), o Kvitgiog
6 'EAfi^fioii/ (Nikeph. Kall. Nikeph. Constantinop. Eutych. —
'Keri d. i. cfj*^, falsch punktirt^ oder ^Johannes der Barm-
herzige' äthiop. Synax.), Eleemon (Anastasius in der Vor-
rede zur Lebensbeschreibung des Leontios^ § 1 iu Acta SS.
Januar. II p. 498; Simeon Metaphrastes in seiner Lebens-
beschreibung 1, 1 ibid. II p. 517; die griechischen Martyro-
logien, das des Beda und Ms. S. Gudilae Bruxellis nach
Henschen ibid. II p. 495)*); von Herakleios zum Patriarchen
eingesetzt (Metaphr. 1,4 ibid.)^), nach Anleitung des XgovoyQ.
Vorangebenden« 6Dg verbindet. Dadurch wird der mögliebe Verdacht
beseitigt, als läge in dem sonst nirgends berichteten Factum nur eine
Verwechselung mit einem ebenfalls den Ausgängen des Phokas an-
gehöngen Ereignisse in Antiochien vor, wo der Patriarch Anastasios II.
in einem Aufstande ermordet wurde.
*) [Vgl* Crelzer, Ein griechischer Volksschriftateller des siebenten
Jahrhunderts in Sjbels Historischer Zeitschrift, Neue Folge, Bd. XXV
(1887) S. 1—88. Lps.]
1) Wenn Henschen und SoUier* diese Angabe verwerfen, weil
Leontios nichts davon sage, und sie kurzweg als eine werthlose Hypo-
these des Metaphnistes behandeln, so ist das ganz verkehrt. Aller-
dings hat Metaphrastes, dessen Autorschaft noch dazu problematisch
ist, den grössten Theil seiner Biographie Cap. 2 — 14 aus Leontios ent-
lehnt; aber gerade das erste Capitel enthält lauter Angaben, die bei
LeontioB fehlen und augenscheinlich aus einer zweiten kürzeren, aber
in historischer Hinsicht reichhaltigeren, Quelle geflossen sind. Ihr
allein verdanken wir einige Aufschlüsse über sein Jugendleben, den
Namen seines Vaters Epiphanios, Genaueres über seine Bestrebungen
in Bekämpfung der Häretiker, den Namen des persischen Feldherrn
Rasmiozus, der Jerusalem eroberte (aus syrischen Quellen bestätigt),
desgleichen dessen, den Joannes mit Geld, Lebensmitteln und Kleidern
zur Unterstützung der hülfsbedürftigen Einwohner nach Jerusalem
schickte, Namen und Titel der drei Geistlichen, die Joannes mit dem
Loskauf der Gefangenen betraute, Kenntniss von dem Antheil, den der
Patricius Niketas *qui tunc multum poterat apud imperatorem* an seiner
Ernennung zum Patriarchen hatte. Niketas war es, der gemeinsam
472 VERZEICHNISS
övvr. nach Februar 611 (327 Diocl.), vielleicht 13. Juli, der
in verschiedenen lateinischen Martjrologien bei Henschen II
p. 495 als sein Gedenktag verzeichnet ist; Amtsdauei: nach
sämmtlichen melchitischen Chronographien und Makrizi zehn
Jahre, worin aber noth wendig die Yacanz bis zur Wahl seines
Nachfolgers mitinbegriffen sein muss. Er floh beim Heran-
nahen der Perser im siebenten Jahre des Herakleios nach
syrischen Historikern nach Gypern (Leontios 14, 89 in Acta
SS. Januar. 11 p. 515; aus ihm Metaphr. 13, 73 ibid. II
p. 529 und Eutych.) und f ^^ ^^ 'I'&ge des heiligen Mennas
(Leontius 15, 97 ibid. II p. 517; Metaphr. 14, 79 ibid. II
p. 530; Bedae ms. Richenbergense, ms. S. Gudilae Bruxellis,
ms. monasterii S. Martini Tornac, ms. Florarium, antiquum
martyrologium Romanum Bellini bei Henschen 1. 1. II p. 495;
in den griechischen und einzelnen lateinischen Menäen und
im äthiopischen Synaxar ist seine Gedächtnissfeier auf den
folgenden Tag verlegt), also 15. Athyr 334 Diocl. = 11. No-
vember 617. Der hier eingeschlagene Weg scheint mir der
einzig mögliche zu sein, die authentische Angabe des Leon-
tios über die Todeszeit des Joannes mit der von sämmt-
lichen Chronographen ihm zugemessenen Amtsdauer zu ver-
einigen. Ohne der Darstellung des Leontios schreienden
Zwang' anzuthun, kann man schlechterdings nicht zwischen
Joannes' Flucht von Alexandrien und der Fahrt nach Con-
stantinopel, die er, seinen nahe bevorstehenden Tod ahnend,
schon in Rhodos aufgab, um nach Cypern zurückzukehren,
einen mehrjährigen Aufenthalt desselben auf Cypern ein-
schieben, an dem sein Gefährte auf der Flucht, der Patricius
Niketas (der ihn zu jenem Abstecher bewogen hatte), Theil
genommen haben müsste. Ebensowenig ist, wie aus der
Darlegung der Zeitrechnung der früheren Patriarchen her-
vorgeht, eine Zurückschiebung des Endpunktes der zehn
mit Herakleios die Erhebung gegen Phokas geleitet, sicli ihm dann
freiwillig untergeordnet hatte und 612 Cornea Excubitorum ward; cfr.
Theoph. p. 468, 10. 460, 2. Chron. Pasch, p. 703, 11. Wie kann man
im Ernste glauben, dass der Verfasser der zweiten Lebensbeschreibung
dies Alles aus den Fingern gesogen hat?
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DEE PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 473
Jahre irgendwie denkbar. Endlich ist aber auch; so mangel-
haft; wir auch über diesen Zeitraum orientalischer Geschichte
unterrichtet sind, doch eine Hinausschiebung der persischen
Invasion bis ins Jahr 621 nicht statthaft. In einer Quelle
findet sich dieses allerdings angegeben: nach Ebn Bahib
p. 123 f. nahm Ghosrau Syrien und Aegypten ein in dem-
selben Jahre y in welchem die Hegra erfolgte, im elften des
Herakleios, und die Perser herrschten zehn Jahre, bis Hera-
kleios Aegypten wiedergewann und den Eyros als Patri-
archen und praefectus augustalis einsetzte. Nimmt man die
in sich widersprechende Zeitangabe zum Ausgangspunkte,
und zählt zehn Jahre weiter, so gelangt man zu einer in
sich wohl zusammenhängenden: 10. Hegra «s 21. des Hera-
kleios, d. i. 9. April 631 — 4. October 631. In diese Zeit
fällt auch wirklich die Einsetzung des Eyros, nicht aber die
Räumung Aegyptens durch die Perser. Beide Ereignisse sind
in sänmitlichen jakobitischen Chroniken in eines verschmolzen
worden. Während wir also aus dem Datum des Ebn Rahib
eine werth volle Präcisirung des Anfanges des Eyros ableiten
dürfen, so kann doch die Angabe selbst nur als d&s Ergeh-
niss einer falschen Anwendung richtiger Rechnungselemente
gelten. — Theophanes p. 463, 20 setzt die Einnahme Aegy-
ptens durch die Perser in das Weltjahr 6107 (September
614— September 615), die syrischen Historiker, Michael der
Syrer in seinen armenisch übersetzten Annalen (Joum. asiat.
IVieme särie XII p. 309) und Barhebraeus im Ghron. Syr.
p. 99 dagegen in das siebente Jahr des Herakleios (October
616 — October 617). Die erstere Zeitangabe ist unvereinbar
mit der Geschichte der jakobitischen Patriarchen, der zufolge
die Perser zur Zeit des Patriarchen Andronikos einfielen (Se-
verus und Elmakin bei Renaudot p. 154; Ebn Rahib p. 123).
Freilich setzen die jakobitischen Quellen übereinstimmend
den Tod seines Vorgängers Anastasios auf den 22. Choiak
330 Diocl. = 18. December 613, allein dieselben berichten
den Besuch des jakobitischen Patriarchen Athanasios in
Aegypten unter Anastasios*), und in diesem Punkte wird
*) [Im ManaBcript steht Andronikos, ein offenbarer Schreibfehler. Lps.]
474 VERZEICHNISS
Seyerus (p. 152) durch das unantastbare Zeugniss des So-
phronios in dem Briefe an den Patriarchen Sergios von
Constantinopel unterstützt (cfr. Le Quien II p. 445). Dieser
Besuch erfolgte aber nach syrischen Historikern bei Le Quien
II p. 1362*) im Jahre 927 n. Alex. (October 615— October
616). Hiernach kann es nun kaum einem Zweifel unter-
liegen; dass in der von den jakobitischen Chroniken benutzten
gemeinsamen Quelle im Datum des Todes des Anastasios die
Einer ausgefallen waren; die Ergänzung derselben zu 333
empfiehlt sich paläographisch wie historisch in gleicher
Weise. Hiernach ist die Angabe der Syrer, dass die Perser
Aegypten erst in dem Jahre 5. October 616 — 4. October 617
eroberten, die allein zulässige. Der Zeitpunkt der Eroberung
lässt sich noch genauer auf spätestens Mesori 333 Diocl.
(August 617) bestimmen: Joannes f am 11. November nicht
616, sondern 617 (denn die Perser kamen erst nach dem
Tode des Anastasios, also nach dem 18. December 616); die
persische Invasion muss uach der Verkettung der Ereignisse
höchstens einige Monate vorher fallen, sie konnte aber nicht
in der Zeit von Mitte August bis Ende October erfolgt sein,
weil während dieser die auf ihrem Höhepunkte befindliche
Nilüberschwemmung dem Vordringen der Perser dieselbe
Schwierigkeit bereiten musste wie später den Arabern —
bleibt als spätester Termin August. Mit diesem Anfangs-
punkte stimmt vortrefflich die zehnjährige Dauer, welche
Ebn Rahib; Elmakin und Makrizi der Occupation Aegyptens
durch die Perser beilegen. Da sich nämlich über den Zeit-
punkt der Räumung dieses Landes nirgends die leiseste
Andeutung erhalten hat, so kann man nicht anders als
annehmen, dass sie zugleich mit der der übrigen von den
Persern besetzt gehaltenen Provinzen erfolgt ist, also in
Folge des Sonntag, den 3. April 628 von Herakleios mit
Kobad Schirujeh geschlossenen Friedens (Ghronikon pasch,
p. 733, 16. Theoph. p. 503, 11). Eingeleitet war diese Räu-
mung durch eine im Januar 628 mit dem aufständischen persi-
schen Feldherrn Sarbaros verabredete Convention (Theoph.
*) [Vgl. auch Barhebr. Chron. eccl. I p. 270. Lpe.]
DEB PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 475
p« 498; 5) und daraus erklärt sich der Irrthum des Nike-
pboros (Brev. p. 15 A), welcher die Räumung der eroberten
Länder dem Könige Sarbaros zuschreibt: seine Usurpation
füMi aber später, frühestens Mai 629. '^)
Vacanz 617—621.
48. Georgios IL, ord. (337 DiocI.) = 621 (nach An-
leitung der zehn dem Joannes beigelegten Jahre), sass 11
Jahre (Nikeph.), welche von Eutychios in 7 Jahre Yacanz
(auch von Makrizi erwähnt) und 4 Jahre des Georgios zer-
legt werden: er trat also sein Amt erst nach der Räumung
Aegyptens durch die Perser an, welche kraft des Sonntag,
am 3. April 628 = 8. Pharmuthi 344 Diocl. zwischen Hera-
kleios und Eobad Schirujeh geschlossenen Friedens (cfr.
Ghron. pasch, p. 733, 16) erfolgte, nachdem er die ersten
Jahre seit seiner Ordination ohne Zweifel in Gonstantinopel
verbracht hatte. 14 Amtsjahre geben dem Georgios Theo-
phanes und Anastasius Bibliothecarius (der vielleicht den
Text des Nikephoros an dieser Stelle bereits lückenhaft vor-
gefunden und aus Theophanes ergänzt hat), in \9^elcher Zahl
die Yacanz zwischen Joannes' Tod und Georgios' Ordination
nochmals mit verrechnet ist. Die 9 Jahre, welche er im
Xgovoyg. övvr, und Graec. Montf. hat, scheinen auf absicht-
licher Aenderung zu beruhen; soviel sind nämlich erforder-
lich, um mit den übrigen Zahlen des XgovoyQ. övvt. zum
Anfangsjahre des Eyros 631 zu gelangen. Georg starb
wahrscheinlich Payni 347 = Juni 631, da sich dieses Datum
aus jakobitischen Quellen für die Einsetzung des Kyros ab-
leiten lässt. Papst Martinus rechnet in den Acten des im
October 649 von ihm abgehaltenen Lateranischen Concils
(cfr. Clinton F. R. II p. 176; citirt von Eutych. II p. 326)
18 Jahre seit der Yerkündigung des Monotheletismus durch
*) [Die Räamang wird allerdings gleich nach dem Waffenstill-
stände 628 stattgefunden haben; der endgültige Friede kam aber
erst später zu Stande. Die Unterredung mit f,Sarbaros" d. i. Schahr-
baräz war erst Jani 629; siehe meine Tabari-Uebersetznng S. 302 etc.
„Sarbaros" war in der Hauptstadt König vom 27. April— Jani 630; siehe
ebenda S. 488. Th. N.]
476 VERZEICHNISS
Kyros, welche unmittelbar nach seiner Erhebung zum Patri-
archen erfolgt war.
49. Kyros (Kyrillos Xgovoyg. 6vvx, Gr, Montf.), mono-
theletischer Patriarch. Von der Einsetzung des Eyros mit
Vollmacht nicht bloss in geistlichen , sondern auch in welt-
lichen Dingen datirt zwar nicht, wie die jakobitischen Quellen
meinen, die Wiederherstellung der romischen Herrschaft in
Äegypten, aber doch eine festere Enüpfung der Bande, mit
denen dieses Land am Reiche hing. Einstimmig wird sie
von den Jakobiten als Grund der Flucht ihres Patriarchen
Benjamin aus Alexandrien angegeben. Severus, Ebn Bahib
und Elmakin sagen, er habe sich während der Herrschaft
des Herakleios 10 Jahre lang in einem Kloster bei Eos in
der Thebai's verborgen gehalten bis zur Ankunft der Araber
vor Babylon am 12. Payni 357 (6. Juni 641) und sei nach
der Einnahme Alexandriens 3 Jahre darauf 360 DiocI. (643/
644) von Omar zurückgerufen worden, nach dreizehnjähriger
Abwesenheit. In diesen Angaben bleiben sie sich gleich;
Makrizi und an einer zweiten Stelle schon Elmakin, noch
mehr aber Abulberekät richten arge Verwirrung an, be-
stätigen aber doch die Zwischenräume von 10 und 3 Jahren.
Die nachweislich falschen Jahreszahlen erklären sich durch
die Annahme, dass ihnen das Jahr 347 Diocl. als das der
Einsetzung des Eyros überliefert war; sie irrten nur darin,
dass sie die 10 Jahre, während welcher Benjamin sich ver-
borgen hielt, mit dem ersten Erscheinen der Araber vor
Babylon, welches in das Jahr 19 der He^ra, also auf den
12. Payni 356 (6. Juni 640) fällt^), ihr Ende erreichen
1) Arabische Quellen setzen den Anfang der Belagerung von
Babylon in den Moharrem 19 Heg. => Januar 640, und lassen sie
bald 4, bald 7 Monate daaem. Weil I S. 110 meint, sie müsse mehr
als 7 Monate gedauert haben, weil sonst die Uebergabe gerade in die
Zeit fiel, wo der Nil wieder im Steigen ist. Den höchsten Wasser-
stand erreicht der Nil zwischen dem 20. — 30. Septemher nnd bleibt
auf diesem 14 Tage. Sobald der Weg nach Alexandrien gangbar war,
brach Omar dahin auf; es ward bereits 6 Monate belagert, als Hera-
kleios starb, d. i. 11. März 641, der im arabischen Kalender dem
22. Babia hawwal 20 Heg. entspricht, also seit Anfang Dhülkadah
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 477
Hessen, während dieses Ende yielmehr von einem anderen
Wendepunkte im Verlaufe der arabischen Invasion aus dem
Jahre 357 abgehangen haben muss. Als ein solcher bietet
sich ganz von selbst der Separatfriede, den Muqauqis im
Namen der jakobitischen Bevölkerung mit den Arabern
schloss, als Babylon bereits nach siebenmonatlicher Be-
lagerung in ihre Hände gefallen war, die vierzehnmonatliche
Blokade von Alexandrien aber noch nicht begonnen hatte,
unmittelbar vor Beginn des Sinkens des Nils, dessen lieber-
schwemmung bis dahin dem weiteren Vordringen der Araber
ein Hindemiss entgegengesetzt hatte (vgl. Weil, Geschichte
der Chalifen I S. 110), also im Phaophi 357 = October 640.
Diese Berechnung der genannten 10 Jahre wird durch eine
Parallelstelle des Severus (bei Benaudot p. 165) bestätigt,
laut welcher der Priester Agathon unter Herakleios 10 Jahre
lang als Zimmermann verkleidet die Häuser der Jakobiten
besuchte, um sie mit dem Abendmahle zu versehen: hier
sind die 10 Jahre denen der Herrschaft des Kyros ganz
gleich gesetzt, diese aber reichen bis zur Einnahme Ale-
xandriens durch die Araber. Mit Hülfe des so für Benjamins
Flucht ermittelten Diocletianischen Jahres 347 lässt sich der
Zwischenraum, in den die Einsetzung des Kyros fallen muss
— nach dem Obigen 9. April bis 4. October 631 — , noch
etwas mehr nach unten einschränken, nach oben aber durch
die Rücksicht auf Eutychios, dem zu Folge das vierte Jahr
des Georgios nach seiner Wiedereinsetzung im April 628
19 Heg. «" finde October 640. Also hemmte nur das höchste Niveau
der üeberschwemmung die Kriegsoperationen der Araber. Die 7 Monate
der Belagerung von Babylon führen aber nicht weiter als bis mit
Regeb 19 He^. » Epiphi 366 Diocl. » Juli 640 als Termin der Ein-
nahme, der ganz angemessen ist: vor Mitte August nimmt das Aus-
treten des Nil keine grossen Dimensionen an. Die zwei entgegen-
stehenden Traditionen über die Daner der Belagerung erklären sich
daraus, dass die Griechen drei Schlachten zum Entsätze Babylons
lieferten und Omar genöthigt war, Verstärkungen abzuwarten: die
7 Monate sind vom ersten Erscheinen der Araber vor der Stadt, der
eine Monat vom eigentlichen Beginne der Einschliessung der Stadt
gerechnet, und mit letzterem ist das Datum 12. Payni »> 9. Djomäda II
im Einklang.
\
478 VERZEICHNISS
wenigstens angebrochen gewesen ist: so gewinnen wir den
Termin Mai bis August 631. Bei so bewandter Sachlage
ist man wohl berechtigt, darin, dass sich aas einer Angabe
des Abulberekät (bei Vansleb p. 318) ein ganz entsprechen-
des, aber noch genaueres Ergebniss ableiten lässt, mehr als
blossen Zufall zu sehen. Abulberekät lässt fälschlich den
Benjamin von Mechir 325 — 8. Tybi 364 im Amte sein, und
datirt die 10 Jahre seiner Flucht, die er confuserweise durch
die arabische Invasion motivirt, vom Payni 333. Mochte
ihm nun 356 für den Einfall der Araber oder 347 für die
Flucht Benjamins überliefert sein, beide Male lag für ihn
kein Grund zur Aenderung vor, da diese Jahreszahlen mit
der irrigen von ihm dem Benjamin zugetheilten Amtszeit
ebenso verträglich sind wie mit der richtigen. Der Umstand,
dass das falsche Fluchtjahr zu der falschen Amtszeit bei Abul-
berekät genau in derselben Proportion steht, wie das richtige
zu der richtigen Amtszeit, lässt sich gar nicht anders er-
klären, als dadurch, dass ihm dafür der Payni des neunten
Jahres des Benjamin überliefert war und von ihm seinem
verkehrten chronologischen Systeme gemäss berechnet wuisde.
Wir setzen also die Einsetzung des Eyros in den Juni 631.
Kyros sass 10 Jahre {XQovoyg, 6vvt. Gr. Montf. Theoph.
Anastas.). Nach Theoph. p. 518, 11, dessen lückenhafter Text
schon von Sollier p. 71 aus der Historia miscella wieder-
hergestellt worden ist, verpflichtete sich Kyros zu der Zeit,
als die Araber nach Einnahme Phöniciens Aegypten be-
drohten, gegen sie zu einem jährlichen Tribute von 200000
Denaren für Aegypten und versprach ihnen auch Gold für
Abschliessung eines WafiFenstillstandes , durch welche Lei-
stungen er Aegypten für 3 Jahre vor dem Untergange
sicherte. Er ward aber deshalb beim Kaiser verklagt, und
von diesem seines Amtes als Augustalis enthoben und nach
Constantinopel zur Verantwortung geladen. Theophanes,
dessen Chronologie dieser Periode sehr verwirrt ist, erzählt
es unter dem Jahre 634; nach den zuverlässigsten arabischen
Quellen bei Weil, Geschichte der Chalifen I S. 80 ßUt die
Unterwerfung von Jerusalem in den Rabia I 16 He^. =
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 479
April 637. Jerusalem hatte aber länger widerstanden , als
die übrigen Städte von Palästina und Phonicien. Dies be-
stätigt diejenigen Angaben^ nach welchen die Einnahme der
Eüstenstädte Bait-Gabrin, Askalon^ Gaza gegen das Ende
des Jahres 15 Heg. (14. Februar 636 — 2. Februar 637)
erfolgt ist (Caussin de Perceval III p. 500).. Nikephoros
Constantinop. sagt^ Eyros sei des Yerrathes von Aegypten
an die Sarazenen beschuldigt worden, weil er den Kaiser zu
bestimmen gesucht habe, sich gegen Omar zu einem Tribut
zu verstehen und ihm seine Tochter Eudokia zur Ehe zu
geben. Der letztere Punkt scheint so wenig glaublich, wie
die Angabe, dass der Kaiser darüber in solchen Zorn ge-
rathen, dass er den Kyros mit dem Tode bedroht und ihn
dem Stadtpräfecten zur Folterung überantwortet habe. Doch
mag man von dieser mit vielem Detail ausgeschmückten
Erzählung halten was man will, hinsichtlich des Zeitpunktes
stimmt Nikephoros mit Theophanes überein, indem er Brev.
p. 18 die Vorladung des Kyros nach Constantinopel einige
Jahre (xQovoig xidl tcqoxbqov) vor die Januar 639 erfolgte
Ernennung des Pyrrhos zum dortigen Patriarchat setzt Es
ist also ganz ungerechtfertigt, mit Clinton F. R. II p. 548
die Abberufung des Kyros erst nach dem wirklich erfolgten
Verluste Aegyptens zu setzen; auch in den Worten der Hi-
storia miscella ^quihus praestitis per ires annos Aegyptum
liberam ab exterminio staiuit' liegt nicht, dass Kyros selbst
den Tribut 3 Jahre lang bis auf die Invasion des Landes
durch die Araber im Jahre 639 entrichtet, sondern nur, dass
der von ihnen erkaufte Waffenstillstand auf 3 Jahre lautete:
diese kommen richtig heraus, wenn man sie von 636 an
rechnet. Eine dritte Version über denselben Vorfall haben
wir, wie ich nicht zweifle, in der Angabe des Eutychios
(II p. 386. 266) vor uns, dass der Patriarch Georg im dritten
Jahre Omars (die Parallelstelle ergiebt das vierte) auf die
Kunde, dass die Moslemin nach Besiegung der Bömer Palä-
stina in Besitz genommen hätten und gegen Aegypten zogen,
zu Schiff von Alexandrien nach Constantinopel geflohen sei,
worauf der melchitische Patriarchensitz 97 Jahre lang verwaist
480 VERZErCHNISS
gewesen sei, bis auf die Wahl des Eosmas im siebenten Jahre
des Hescham := 111 Heg. Der letztere Synchronismus ist
falsch, dient aber, wenn man die 97 Jahre von da zurück-
rechnet, dazu, das dritte Jahr Omars = 15 Heg. als dem
Eutychios überliefert sicherzustellen. Es ist dies dasselbe
Jahr, welches sich aus den Byzantinern fiir die Abberufung
des Eyros ergab. Dass der Name Georgios unhaltbar ist,
hat man längst erkannt. Eutychios hat die üble Angewohn-
heit, Nachrichten, die seinem synchronistischen Systeme
widerstreiten, durch Aenderung der Eigennamen diesem an-
zupassen.^) Hätte aber Le Quien H p. 457 Recht, dass hier
eine Verwechselung mit Petros IV. vorläge, so bliebe von
der ganzen Angabe nichts übrig, als dass ein Patriarch zu
einer unbestimmten Zeit aus einem unbestimmten Anlass
nach Constantinopel ausgewandert sei. Man ersetze den
Namen des Georgios durch den seines Nachfolgers Eyros,
und alles Uebrige bleibt stehen. Dass das Patriarchat des
Petros, der ohne Zweifel in Constantinopel residirte, und
die ephemere Amtszeit des wiedereingesetzten Eyros in der
Tradition der Melchiten ganz vergessen worden waren, kann
Niemand Wunder nehmen. Der Letztere ward nämlich nach
Theoph. p. 519, 9 noch von Herakleios selbst nach Aegypten
zurückgeschickt, in der Ho&ung, durch ihn die Araber zu
bewegen, gegen Entrichtung des früher ausbedungenen Tri-
butes Aegypten wieder zu räumen: sie gingen aber nicht
darauf ein. Man sollte meinen, dass zu einem solchen An-
erbieten der letzte passende Moment die Zeit vor der Be-
lagerung Alexandriens gewesen wäre, ehe noch Muqauqis
seinen Frieden mit den Eroberern gemacht hatte: allein
nach Nikeph. Gonstantinop. p. 20 A entliess erst Herakleonas
während seiner kurzen Regierung (22. Mai 641 — Anfang
October 641) den Eyros wieder nach Alexandrien. Und so
schwer es uns ankommt, die Verblendung des byzantinischen
Hofes für so gross zu halten, dass er sich damals noch von
1) So hat er z. B. gleich in den eben angeführten Acten des
LateVanischen Concils dem Papste Martin den Joannes IV. substitairt,
dem Kaiser Constons die Brüder Constantinns und Herakleonas.
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 481
Unterhandlungen auf der erwähnten Grundlage Erfolg ver-
sprochen haben sollte^ müssen wir doch der sehr bestimmt
auftretenden Aussage des Nikephoros grösseren Glauben
schenken; wir erfahren nämlich durch Severus (bei Renaudot
p. 183); dass der unglückliche Diplomat sich; als die Araber
Alexandrien einnahmen^ durch Gift todtete, sicher aus Yer-
zweifelung über das Scheitern seiner Yermittelungspläne und
aus Furcht; deshalb in Gonstantinopel ein zweites Mal auf
Hochverrath angeklagt zu werden : wäre die Sendung des
Eyros an Omar und ihr Fehlschlagen in dem früheren^ von
Theophanes angedeuteten Zeitpunkte erfolgt; so würde er
schwerlich fünf Vierteljahre mit dem Selbstmorde gewartet
haben. Wir bestimmen also die Abwesenheit des Eyros yon
Alexandrien auf Herbst 353 Diocl. (636) — Sommer 357
Diocl. (641) und setzen seinen Tod um den 14. Choiak 358
Diocl. oder 10. December 641. (Dass der 1. Moharrem 21;
nicht 20 Heg. das wahre Datum des Falles von Alexandrien
ist; hat Weil; Geschichte der Chalifen I S. 114flg.; nach-
gewiesen.)
50. Petros IV., raonotheletischer Patriarch, sass 9 Jahre
(Eutych.) oder 10 Jahre (Theoph. Nikeph.). Aus Theophanes
stellt sich nach Beseitigung einer in den Ueberschriften in
Betreff der Jahre des Kyros und Petros eingerissenen Ver-
wirrung das Jahr 6144 der alexandrinischen Weltära als
letztes Jahr des Petros heraus; im XQOVoyg. övvt. ist die
Zahl ausgefallen; in Graec. Montf. zu 8 Jahren ergänzt, mit
welchen man an der Hand der Zahlen des XQOvoyg. övvt.
von dem als ersten des Markos gegebenen Jahre 5568 d.W.
zu dem Endjahre 6160 der constantinopolitanischen Weltära
gelangt. Beide genannten Weltjahre entsprechen dem Jahre
1. September 651/31. August 652; das somit ah überliefert
angesehen werden darf. Petros f also im Herbst 368 Diocl.
= 31 Heg. = 651 n. Ch.
Vacanz 31 Heg. (Herbst 651) - 124 Heg. (742), also
nicht 97 Jahre; wie Eutychios angiebt; sondern 93 JahrC;
während welcher die Ordination der Bischöfe durch den
monotheletischen Metropoliten von Tyros erfolgte (Eutych.
y. GüTBCHMXD, Kleine Schriften. IL 31
482 VEBZEIGHNIS8
II p. 389). Es werden die Namen von folgenden Vicaren
genannt, die sich später den Bischofstitel beilegten:
Theodoros 6 roÄoriypi^TiJg , auf der monotheletischen
Synode des Jahres 655 (Makarios von Antiochien in den
Verhandlungen der sechsten Synode, Act. VIII).
Petros, als XQSOßvreQog xal ro^torij^i^r^g rov ajtoötoXi-
xov d'Qovov tilg 'jdke^avSQsiag (isyaXoJCoksmg, auf der sechsten
Synode von Constantinopel, November 680 (Brief des Photios
an Michael, Fürsten der Bulgaren ad calcem Nomocanonis
p. 272), für deren Zeit die Yacanz des alexandrinischen
Patriarchats von Zonar. XIV p. 21 und Eutych. II p. 349
ausdrücklich bezeugt ist. Derselbe Petros unterzeichnete als
ixLöxoTCog tilg '^Xs^ccvögeiag (isyakoTColscag die Eanones der
Trullanischen Synode, Januar 691 — eine Erhöhung, die viel-
leicht mit der von Jezid I. im Jahre 680 den Melchiten in
der Person des Theodoros, Befehlshabers der Mareotis, ver-
liehenen Macht zusammenhängt (vgl. Severus bei Renaudot
p. 173).
Theophiletos oder Theophylaktos erscheint als
Bischof auf einer 695 in Alexandrien zusammenberufenen
Synode (Severus bei Renaudot p. 183).
Onoprosopos (so lässt sich der mit Hono .... an-
fangende Zunam« nach Massgabe der Uebersetzung Pfades
asinV wiederherstellen) ward um das Jahr 711 mit Geneh-
migung des Emir Qurra ben Scharik zum Patriarchen der
Melchiten ordinirt, ging aber bald darauf zu den Jakobiten
über (Severus bei Renaudot p. 197).
Eusebios, Bischof von Alexandria, dessen handschrift-
liche Predigten Le Quien II p. 461 erwähnt, scheint in die-
selbe Zeit zu gehören.
Patriarchen der Melchiten.
47. Eosmas I. wird von den Melchiten mit Erlaubniss
des Chalifen Hischäm (f 125 Heg.) zum Patriarchen erwählt
und erhielt die von den Jakobiten in Besitz genommene
Kirche im Eaisarion mit anderen zurück unter ^Abdallah
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 483
ibn al - G'ihän al - Sakawi , wahrscheiDÜch einem Unter-
statthalter des Hanzalah ben (^^i^rka (im Amte 119 — 124
Heg.), mit dem er von Elmakin p. 70 zusammengeworfen
wird: nach der verkehrten Chronologie des Eutychios im
siebenten Jahre Hischäms «== 111 Heg. (nach der berich-
tigten Rechnung 124 Heg.) 15. November 741/3. November
742, womit es ganz stimmt, dass Severus (bei Renaudot
p. 204 ff.) die Wahl während der Yacanz des jakobitischen
Patriarchats (1. Februar 742 — 15. September 743) zur Zeit
der Abberufung des Qasim ben 'Obeidallah, eines anderen
Unterstatthalters des Hanzalah, vor der Ankunft des neuen
Statthalters Hafj ben al-Walid^ also 124 Heg. (vgl. Elma-
kin p. 81) erfolgen lässt' und Theophanes p. 641, 9 die Be-
kehrung Alexandriens von der monotheletischen Ketzerei
zur Orthodoxie mit dem Patriarchen Eosmas in das Jahr
6234 d. W. (1. September 741/31. August 742) setzt: dass
diese Nachricht ganz glaubwürdig ist und die Bekehrung
eben in der Wahl eines rechtgläubigen Patriarchen bestand,
ist von Le Quien II p. 459 sehr gut auseinandergesetzt. Es
steht darnach vollkommen fest, dass Eosmas zwischen Fe-
bruar und August 742 Patriarch geworden ist. Er sass 28
Jahre, starb also 151 Heg. = 768. Hiermit stimmen die
gelegentlichen Erwähnungen des Eosmas: Er suchte 749
oder 750 durch den Einfluss des antiochenischen Patriarchen
Theophylaktos am Hofe Merwäns IL die Eirche des heiligen
Menas in der Mareotis den Jakobiten zu entreissen, drang
jedoch vor dem Statthalter 'Abdalmelik ben Müsä mit seinen
Ansprüchen nicht durch (Renaudot p. 213 ff.); als Merwän IL
auf seiner Flucht im Juni 751 nach Aegypten kam, ward
Eosmas auf seinen Befehl eingekerkert und musste sich
mit 1000 Goldstücken die Freiheit erkaufen (Severus bei
Renaudot p. 226). Am 22. Mai 763 excommunicirte er den
eikonoklastischen Bischof Eosmas Eomanites von Epiphania
(Theoph. p. 669, 17), billigte die Synodika, in der der Patri-
arch Theodoros von Jerusalem den Bilderdienst vertheidigte,
und übersandjbe sie dem Papste Paulus I. (f 767), mit dem
er auch sonst in Verkehr stand (Paulus' Brief 7 an den
31*
484 VERZEICHNISS
Frankenkönig Pipin): sein Schreiben ward aber erst von
dessen Nachfolger Stephanus III. entgegengenommen (Brief
Hadrians I. an Karl den Grossen).
48. Politianos sass 46 Jahre (f 197 Heg. = 813);
er beschickte das am 24. September 787 zusammenberufene
zweite Nikänische Concil (Neilos von Rhodos in der Geschichte
des Concils ad calcem Nomocanonis; Ignatius, Yita Tarasii
§ 19) und erwirkte durch Heilung einer Lieblingssklavin des
Härün al- Raschid von diesem 796 oder 797 ein Decret,
welches die Restitution der von den Jakobiten usurpirten
Kirchen an die Melchiten verfügte (Eutych. II p. 409 f., vgl.
£lmakin p. 114). Es ist mir sehr wahrscheinlich^ dass der
melchitische Arzt Jüsäb, der sein Ansehen am Chalifenhofe
zu Intriguen gegen den Jakobiteupatriarchen Joannes Y.
(776 — 799) benutzte (Severus bei Renaudot p. 242), eine
Person mit Politianos ist.
49. Eustathios sass 4 Jahre (f 201 Heg. = 817).
50. Christophoros sass 2 (in der lateinischen Ueber-
setzung richtig 32) Jahre, wurde paralytisch und weihte
deshalb den Petros zum Bischof^ um bei Ordinationen seine
Stelle zu vertreten; er f im Jahre 233 Heg. = 848 (welches
Eütychios fälschlich für das Todesjahr des Sophronios ge-
halten hat). Er machte in Gemeinschaft mit den Patri-
archen Job von Antiochien und Basileios.von Jerusalem dem
Kaiser Theophilos Vorstellungen zu Gunsten der Heiligen-
bilder (Constantin. Porphyrogen., De imagine Edessena nach
der Verbesserung von Le Quien II p. 465); Eutych. II p. 450
hat dies auf Sophronios übertragen^ was mit der richtigen
Zeitrechnung unvereinbar ist^ aber beweist, dass der Schritt
in den Jahren 221—233 Heg. erfolgt ist, welche Eütychios
irrig als die Amtszeit des Sophronios ansieht und nicht, wie
SoUier p. 82 meint, um das Jahr 830: dadurch wird das von
Le Quien III p. 366 aus unzureichenden Gründen angezweifelte
Datum April 836, welches Dositheos von Jerusalem VII p, 4
einer arabisch geschriebenen Kirchengeschichte entnahm, voll-
kommen bestätigt.
51. Sophronios I. sass 13 Jahre und starb nicht 233,
PER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 485
sondern 246 He^. := 860. Er war mit dem am 20. October
849 verstorbenen Jakobitenpatriarchen Joseph befreundet
(Renaudot p. 289) und exeommunicirte den Photios am
25. December 857 , der den Patriarehen Ignatios von Con-
stantinopel verdrängt hatte (Breviarium synodi VIII).
52. Michael L Ibn Bakäm aus Bura sass nicht
24 Jahre, wie Eutychios, vielleicht in Folge einer Ver-
wechselung mit dem Jakobitenpatriarchen Michael I. , an-
genommen hat, sondern nur 10 Jahre und f 256 Heg. «s
870 (Eutych.). Er war Patriarch, als der fränkische Mönch
Bemardus zur Zeit des Papstes Nikolaus I. und des Patri-
archen Theodosios von Jerusalem, also zwischen 863 — 867,
nach Aegypten kam (cfr. Le Quien II p. 470. III p. 370),
schickte den Leontios um Almosen zu erheben nach Con-
stantinopel, wo sich derselbe auf der Synode des Jahres 867
als Werkzeug des Photios gebrauchen liess (Acta Latina
synodi octavae act. 9), ordnete dann zum achten Concil,
5. October 869, auf welchem Photios verdammt ward, den
Archidiaconus Joseph ab und sprach das Anathema über
Photios (Acta Latina synodi VIII, act. 9 sqq., Breviarium sy-
nodi VIII). Wenn trotzdem sein Nachfolger in einem Briefe
an Photios vorgeben konnte, dass Michael auf Seiten des
Letzteren gestanden und das Auftreten Josephs gemiss-
billigt habe, so lässt sich dies aus dem Umstände erklären,
dass Michael sehr bald nach dem Schiasse des Concils starb.
53. Michael 11. aus Bümia [d. i. Rom, Th. N.], Dach
einer anderen (richtigeren) Angabe aus Gaza (Eui), nahm
vermuthlich bei seiner Ordination seinem Vorgänger zu Ehren
dessen Namen an: denn er ist nach Le Quiens schöner Com-
bination (II p. 473) mit dem Joannes, Bischof von Majuma
(Hafen von Gaza) identisch, der unter Basileios I. (867 — 886)
nach Alexandrien versetzt wurde (Nikeph. EalLXIV, 39 p. 529 A.
Iuris Graeco-Romani Lib. IV cap. de translationibus episco-
porum). Er sass 34 Jahre und -f Sonntag, den 25. Ramadan
290 Heg. im zweiten Jahre des Al-Moktafi = 21. August 903
(so Eutych. richtig II p. 489, während er II p. 470 die 34 Jahre
fälschlich von 258 — 292 berechnet). Michael H. beschickte
486 VEEZEICHNISS
die Synode^ welche im Jahre 879 die Wiedereinsetzung des
Photios verfQgte; und instruirte seinen Abgeordneten, den
Presbyter Kosmas, ganz im Sinne des Photios (Acten der
Synode act. 2). In der Streitfrage zwischen Leo VI. und
dem Patriarchen Nikolaos von Constantinopel liess er miC
Elias von Jerusalem (f 907) und Simeon von Antiochien
(t 904) durch Abgeordnete ein den Wünschen des heiratha-
lustigen Kaisers günstiges Votum abgeben (Eutych. II p. 485).
Die Katastrophe erfolgte allerdings erst im Winter 906, wo
Leo seine von der Kirche nur als Concubine betrachtete
vierte Frau Zoe zur Augusta krönen liess und dafär von
Nikolaos excommunicirt wurde; aber der Conflict bestand
schon seit etwa 902 und es lässt sich sehr wohl annehmen,
dass Leo die Gutachten der orientalischen Kirchenfürsteh
gleich nach Beginn desselben einholte.
Yacanz 4 Jahre.
54. Christodulos aus Haleb, in Jerusalem am Sonn-
abend vor Ostern 4. Nisän oder 7. (sehr. 9.) Pharmuthi =^
4. April gewählt und ebenda am 19. G'omäda II 294 Heg.
im fünften Jahre des Moktafi «== Ostersonntag, 5. April 907
ordinirt, diese Ordination aber am 4. Bamadän 294 Heg. =
17. Juni 907 in Alezandrien wiederholt (Eut.), zur Zeit
während der Yacanz des Jakobitenpatriarchats (Michael von
Tanis bei> Benaudot p. 328), sass 26 Jahre 6 Monate und
t Mittwoch, 20. Dhü'lqa de 320 Heg. oder 25. Tishrin II
(hier ungenau dem Athyr gleichgesetzt) 649 Diocl. »= 21. No-
vember 932 (Eut).
55. Eutychios, vorher Sa td ibn Bätriq aus Fostät-Mi9r,
ord. Donnerstag, 13. Mechir, „das ist Shabät^', 649 Diocl.
oder 8. (^Vithr 321 Heg. im ersten Jahre des Al-Qähir =
7. Februar 933. Im Jahre 326 = 938, mit welchem Euty-
chios sein Geschichtswerk schliesst, erbat und erlangte der
Patriarch Theophylaktos die Erwähnung des constantinopoli-
tanischen Patriarchen in der Liturgie der alexandrinischen
Kirche (II p. 530). Eutycbios sass 7 Jahre 6 Monate und
t Montag, den 30. Regeb 328 Heg. = 11. Mai 940 (El-
makin p. 208).
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 487
56. Sophronios IL
57. Isaak.
58. lob.
59. Elias war Patriarch, als Joaones YII.; der jakobiti-
sehe Patriarch von Antiochien, in Constantinopel verhört
ward, 9. April 968 (Brief des Joannes an den Jakobiten-
Patriarchen Menas II. von Alexandrien).
60. Arsenios ward durch den Einfioss seiner Schwester,
die im Harem des ^Aziz Bi'llah war und diesem nach El-
makin p. 247 eine Tochter, nach Michael von Tanis den
Häkim gebar, uach der Geburt desselben (August 985) zum
Patriarchen ernannt nnd entriss den Jakobiten die Marien-
kirche in Abu ßusein (Renaudot p. 381).
61. Georgios IL
Möglicherweise ist hier eine Lücke in den beiden Ver-
zeichnissen, in welcher folgende Patriarchennamen unter-
zubringen sind:
1) Philo theos, welcher als Schiedsrichter zwischen
dem Kaiser Basileios IL und dem Patriarchen Sergios von
Constantinopel (im Amte 999 — Juli 1019; vgl. Le Quien I
p. 257) dem alexandrinischen Patriarchen den Ehrentitel xql-
x^g T^? oixovfiivr^g verschaffte (Grosslogothet Epiphanios bei
Dositheos de patriarch. Hierosolym. YII p. 19, 9). Le Quien U
p. 481 bringt dies mit einer Differenz zwischen dem Kaiser
und dem Patriarchen aus dem Jahre 1019 zusammen; wahr-
scheinlich aber gehört der Vorfall in die Jahre 999 — 1003,
während welcher ein Philotheos noch Patriarch der Jakobiten
war; und der Name desselben ist durch Verwechselung auf
den gleichzeitigen Melchitenpatriarchen übertragen worden.
2) Alexandres, unter dem Jahre 1059 in den Scheden
der Gebrüder St. Marthe als Patriarch aufgeführt (ohne An-
gabe der Quelle).
3) Kyrillos, von dem eine Beceptenlehre, jambische
Gedichte und ein Lexikon, im elften oder zwölften Jahrhundert
verfasst, handschriftlich erhalten sind (vielleicht absichtliche
Vertauschung obscurer Autornamen mit einem altberühmten,
wie eine Predigt des Patriarchen Christophoros in einigen
488 VERZEICHNISS
Handschriften dem Theophilos zugeschrieben worden ist;
vgl. Le Quien II p. 454. 465).
4) Eulogios, von dem eine Erzählung von der Bogo-
milischeu Ketzerei seiner Zeit und von dem gottlosen Basi-
leios (t 1118) auf uns gekommen ist (vielleicht ein Pseudonym,
gewählt; weil der alte Eulogios als Eetzerbestreiter einen
grossen Namen hatte).
62. Leontios.
63. Joannes YI.
64. Sabas.
65. Theodosios U.
66. Sophronios III. fungirte mit den Patriarchen von
Gonstantinopel und Antiochien bei der Yeipnählung Kaiser
Manuels I. und der Maria von Antiochien Ende 1166 (Joann.
Kinnamos V p. 7).
67. Eleutheros (denn das ist das Alfterus in dem einen
der beiden Verzeichnisse , wenn man es sich arabisch ge-
schrieben denkt). Einen Elias hatte sich Le Quien in seinen
Adversarien als Patriarchen im Jahre 1180 angemerkt, konnte
aber die Quelle nicht wiederfinden (U p. 487).
68. Markos IL richtete im Februar 1195 eine Reihe
von Fragen an den Kirchenrechtskenner Theodoros Balsamou,
die sich vorwiegend auf die Zulässigkeit verschiedener, der
alexandrinischen Kirche eigenthümlicher Gebräuche bezogen:
Balsamon erklärte alle von denen der constantinopolitanischen
Kirche abweichenden fQr unstatthaft und Markos verpflichtete
sich während eines Besuches in der Hauptstadt formlich,
sich in der Liturgie ganz nach Gonstantinopel richten zu
wollen (Balsamon bei Le Quien II p. 488 f.). Es bezeichnet
dies den Zeitpunkt, in dem das alexandrinische Melchiten-
Patriarchat den letzten Rest von Bedeutung für Aegypten
verlor.
69. Nikolaos I. unterhielt Verbindungen mit Papst
Innocentius III., der in einem Briefe vom 23. März 1210
seine Anhänglichkeit an die romische Kirche rühmt und
ihm auch Januar 1211 und im Jahre 1213 schrieb (vgl.
Le Quien III p. 1141); sein Brief an den Papst Honorius III.
DER PATRIABCHEN VON ALEXANDRIEN. 489
ans dem Jahre 1223 enthält, ausser einem Schmerzensschrei
über die Lage der ägyptischen Christen nach der Wieder-
eroberang von Damiette durch die Moslems, Nachweisungeu
über den günstigsten Landungsplatz für das erwartete Kreuz-
fahrerheer. Dieser Nikolaos L muss der (von Mauhüb ben
Mansür bei Renaudot p. 593) erwähnte Melchitenpatriarch
sein, der 1243 in grosster Armuth starb.
70. Gregorios L (in einem der beiden Verzeichnisse),
1243—1263.
71. Nikolaos 11. (in einem der beiden Verzeichnisse,
während das andere von dem ersten auf den zweiten Nikolaos
übergesprungen zu sein scheint), muss mit dem Augenarzte
Raschid identisch sein, den Sultan Beibars, yon Laskaris in
einem Briefe gebeten, den Melchiten einen Patriarchen zu
geben, im Jahre 661 Heg. = 1263 zu dieser Würde erhob
und in Begleitung des Emir Fareseddin Aküsch und mehrerer
Bischöfe nach Constantinopel schickte, von wo er mit Ge-
schenken des Kaisers zurückkehrte (Makrizi bei Quatrem^re,
M^moires sur TlSgypte II p. 222). Nikolaos sagte sich von
den Gegnern des auf Kaiser Michaels VIII. Betrieb ver-
dammten Patriarchen Arsenios von Constantinopel gänzlich
los (Pachym. Michael IV, 9 p. 271, 20 Bonn.). Le Quien 11
p. 491 hat dies irrthümlich von der ersten vorübergehenden
Verdrängung des Arsenios im Jahre 1260 verstanden, es ist
aber vielmehr von der zweiten die Rede, die einen tief-
gehenden Zwiespalt in der griechischen Kirche verursachte:
als nämlich Michael seinen Pflegebefohlenen und bisherigen
nominellen Mitkaiser Joannes Laskaris (mit welchem Michael
von Makrizi verwechselt worden ist) geblendet ins Kloster
schickte, ward er von Arsenios in den Kirchenbann gethan
und blieb in diesem, bis es ihm im Laufe von drei Jahren
gelang, einen Theil der Geistlichkeit zu gewinnen und durch
sie auf einer Synode am 30. Mai 1266 den Arsenios absetzen
zu lassen (vgl. Petr. Possini Observat. Pachymer. p. 752 ed.
Bonn., vgl. Gibbon XI p. 281 S,). Aus der Parteistellung
des Nikolaos erklärt sich die Bereitwilligkeit, mit der er
662 Heg. ^ 1264 auf Verlangen des Beibars mit der Ex-
490 VEßZEICHNISS
communication gegen Michael vorging, als dieser die von
Beibars mit Geschenken an den Khan von Kiptschak ge-
schickten Gesandten angehalten und beraubt hatte (Makrizi
bei Qaatrem^re II p. 223).
72. Athanasios III. aus dem Kloster auf dem Sinai
(Pachymer. Andr. YII p. 8); als Nachfolger des Nikolaos von
Nikeph. Kailist. XIV, 39 p. 530 D bezeugt, kam 1276, Rück-
halt gegen die Ungläubigen suchend, nach Constantinopel
und beobachtete hinsichtlich der von Michael verfügten Union
mit den Lateinern grosse Zurückhaltung (Pachym. YI p. 1),
erhielt vom Kaiser die Klöster zum ^AQ%i6tQaxriy6g und vom
Miyag ^AyQog für die alexandrinische Kirche geschenkt, be-
gleitete ihn 1282 auf seinem Zuge gegen die Türken in
Lazika (Pachym. Michael VI p. 29) und blieb auch unter
Andronikos IL in Constantinopel. 1283 präsidirte er der
Synode, auf welcher der Patriarch Joannes Bekkos als An-
hänger der Union abgesetzt wurde, wohnte 1284 dem GoUo-
quium bei, welches Bekkos und seinö Anhänger vor dem
Patriarchen Gregorios Kyprios zu bestehen hatten, schloss
sich aber der Formulirung des Dogmas, die der Letztere 1285
gab, nicht an und bewog ihn 1289 zur Abdankung; um die
Wiedervereinigung der Arseniten mit der Kirche bemühte er
sich ohne Erfolg. Um den Anfeindungen des neuen Patri-
archen Athanasios, der ihm das Kloster vom Miyag ^AyQog
entrissen hatte, auszuweichen, ging er nach Rhodos und
kehrte erst nach der Absetzung seines Namensvetters (1293)
nach Constantinopel zurück, wo der Kaiser ihm das Kloster
zum EvsQyitrig anwies. Seine Gesandtschaftsreise zum Konig
von Armenien schlug fehl, indem sein Schiff bei Phokäa in
die Hände von Seeräubern fiel. Nach Constantinopel ent-
kommen, nahm er 1303 an der wegen der Abdankung des
Patriarchen Joannes Kosmas aus Sozopolis berufenen Synode
Theil, weigerte sich aber, zur Zurückberufung des Athanasios
auf den Patriarchensitz von Constantinopel die Hand zu
bieten, weshalb sein Name aus den kirchlichen Diptychen
gestrichen, die Klöster zum ^AqxiöXQaxriyog und zum EvB^ixriq
der alexandrinischen Kirche entrissen und er selbst 1308 an-
DEB PATRIAECHEN VON ALEXANDRIEN. 491
gewiesen ward^ sieh nach Alezandrien zu begeben. Auf der
Heimreise hatte er auf Euboa und in Theben verschiedene
Fährlichkeiten zu bestehen (vgl. Pachym. Andron. YII, 8.
Nikeph. Gregor. VII, 2).
73. Gregorios II., aus einem ägyptischen Bisthume an
Athanasios' Stelle nach Alexandrien versetzt (Nikeph. Kall.
XIV, 39 p. 530 D).
74. Gregorius III. (in einem der beiden Verzeichnisse)
scheint, da sein Domesticus einen vom Patriarchen Eallistos
von Constantinopel eingeführten, von dessen Nachfolger
Philotheos aber 1354 abgeschafften Hjmnos absang, zu den
Gegnern des Letzteren gehört zu haben (s. die Katechese
des Nikolaos Bulgaros); vielleicht ist es derselbe Gregorios,
von dem ein Brief in Jamben an den ketzerischen Bischof
Theodoros von Mesopotamien erhalten ist.
75. Nephon (in einem der beiden Verzeichnisse) schrieb
in Gemeinschaft mit den Patriarchen von Constantinopel und
Jerusalem über die Wiedervereinigung der griechischen mit der
römischen Kirche an Papst Urban V., der ihm 1367 antwortete.
76. Markos III. (in dem einen Verzeichnisse).
77. Nikolaos III. (in dem einen Verzeichnisse).
78. Gregorios IV. (in dem einen Verzeichnisse, während
das andere von dem zweiten auf den vierten Gregorios über-
geglitten zu sein scheint).
79. Philotheos I. beschickte das Concil von Florenz,
dessen Beschlüsse im Jahre 1439 von seinem Stellvertreter,
dem Metropoliten Antonios von Herakleia, mit unterzeichnet
wurden, sagte sich aber 1443 von dem Patriarchen Metrophanes
von Constantinopel als einem Anhänger der Kirchenunion
los und betheiligte sich gegen 1450 an der Synode von
Constantinopel, auf welcher das Florentinische Concil ver-
dammt ward.
80. Athanasios IV.
81. Markos IV.
82. Philotheos IL, identisch mit dem Theophilos, der
1523 dem Papste Hadrian VI. in einem Briefe seine ünter-
thänigkeit bezeugte.
492 VERZEICHNISS
83. Gregorios V.
84. Joakeim, 1561 in einem Briefe des Patriarchen
Joasaph von Gonstantinopel erwähnt, ward in demselben Jahre
vom Grafen Albrecht von Löwenstein besucht und soll da-
mals 120 Jahre alt gewesen sein und 80 Jahre lang gefastet
haben; der abgesetzte Patriarch Joasaph appellirte an ihn 1564.
85. Silbestros, im October 1574 und am 26. November
1575 von Stephan Gerlach als Patriarch erwähnt, war 1579
auf einer Synode in Jerusalem und erklärte 1584 den Pa-
chomios von Lesbos, der das Patriarchat von Gonstantinopel
usurpirt hatte, für abgesetzt.
86. Meletias Ilijyäg aus Kreta, fungirte 1584 bei der
Inthronisation des Theoleptos, des Nachfolgers des Pachomios
(aus dieser Angabe des Leunclavius^ ergiebt sich das Todes-
jahr des Silbestros, und ich sehe keinen rechten Grund, sie
mit Le Quien II p. 504 für falsch zu erklären); er war 1593
auf einer Synode in Gonstantinopel, verfocht in zwei Briefen
1593 und 1594 die rechtgläubige Abendmahlslehre, regierte
während derx Verbannung des Patriarchen Makarios IL ein
Jahr laug (1595 — 1596) die constantinopolitanische Kirche
und verwaltete als ''El^aQxog derselben auch während der
zweiten Amtszeit des Matthaios 1596 — 1600 das Patriarchat
(nach dem von Bandurius herausgegebenen Patriarchenver-
zeichniss, wo xQovovg d' statt ;|^(»oi/ot;g dexa herzustellen ist).
87. KyrillosII. Lukaris aus Kreta, sass in Alexandrien
zuerst mit Meletios, dann allein 19 Jahre 19 Tage, also ordinirt
Sonntag 27. October 1602 n. St., kam während der Ver-
bannung des Patriarchen Neophytos (1611) nach Gonstanti-
nopel^ wurde wegen seiner Feindschaft mit dessen Nachfolger
Timotheos ausgewiesen und floh auf den Athos, trieb sich
dann, als eine Ausgleichung mit Timotheos zu Stande ge-
kommen war, in Polen herum und ward nach dessen Tode
am 15. November 1621 zum Patriarchen von Gonstantinopel
erhoben, 1623 aber wieder gestürzt.
88. Gerasimos I. Spartabiotes aus Kreta, ord. 1621,
unterstützte im ersten Jahre seines Patriarchats die stark
verschuldete Kirche von Jerusalem und schrieb am 18. Juli
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 493
1629 einen Brief gegen die Calvinisten, deren Schützling
Eyrillos Lukaris war. Er sas^ nach Demetrios Prokopios
bei Le Quien U p. 508 vtiIq xä büxoöl hr]^ dankte ab und
starb bald darauf; wahrscheinlich liegt eine Verwechselung
der zahlreichen 17' und x vor, und er war bis 1630 im Amte.
89. Metrophanes Kritopulos, vorher Protosynkellos
-des Patriarchen von Constantinopel^ galt für einen Protestanten,
unterzeichnete aber trotzdem in seinem Todesjahre 1638 die
Erklärungen der constantinopolitanischen Synode gegen Ky-
rillos Lukaris und seine Gesinnungsgenossen.
90. Nikephoros, vorher Nikolaos Isgsvg xXccQOvt^dv'^g
(d. i. wohl Priester aus Glarenza), in Constantinopel ordinirt
am 8. Juni 1638.
91. JoannikioSy vorher Metropolit von Berroia, unter-
schrieb 1643 das vom Patriarchen Parthenios II. von Con-
stantinopel erlassene Glaubensbekenntniss der griechischen
Kirche, lag 1661 in Streit mit den Mönchen vom Sinai,
denen er nicht gestattete, in ihrem Kloster in Alexandrien
Gottesdienst abzuhalten, und scheint 1665 gestorben zu sein.
Joakeim, vorher Bischof von Kos (fehlt in den Ver-
zeichnissen vermuthlich wegen der Kürze seiner Amtszeit),
ward 1665 vom Patriarchen Parthenios Mogilalos, dessen
Genosse in allen Gewaltthaten er war, in Constantinopel
ordinirt: sein Sturz erfolgte vielleicht gleichzeitig mit dem
seines Gönners, abgesetzt im September 1665.
92. Paisios, erhielt 1671 einen Brief von Nektarios
von Jerusalem über die Abendmahlslehre, war 1672 in Con-
stantinopel, wo er die Erklärung des Patriarchen Dionysios
gegen die Calvinisten unterschrieb, wird noch 1678 von
Ricalt als Patriarch genannt und scheint 1685 gestorben
zu sein.
93. Parthenios, vorher Prochoros, Bischof von Naza-
reth, ord. 1685, kam 1689 in Smyrna bei einem Erd-
beben um.
94 Gerasimos IL Palidas, war 1707 in Constantinopel
bei der Wahl und Inthronisation des Patriarchen Neophytos.
95. Samuel aus Keos, schrieb 1712 an die Königin
494 VERZEICeNISS
Anna von England (Mich, de la Boches, Memoire of Lite-
rature III p. 273) und war noch 1721 im Amte (Le Qaien U
p. 512).
96. Kosmas II. von Chalkedon, der sich vom constan-
tinopolitanischen Patriarchat auf den Sinai zurückgezogen
hatte, war im Jahre 1730 Patriarch von Alexandrien.
Bmclistücke
gajanitischer und panlitisclier Bischofsverzeichnisse.
Elpidios ward von den Gajaniten 565 zum Bischof
ordinirt, aber ins Geföngniss nach Constantinopel geschickt
und starb unterwegs xatä toi/ UiyQcv (sehr. v6 SCyQiVy nach
bekanntem Vulgarismus), au der Nordspitze von Lesbos.
Theoph. p. 372, 12. Eutychios und aus ihm Makrizi schalten
nach dem melchitischen Patriarchen ApoUinarios (550 — 569)
folgende Namenreihe mit Angabe von Jahren ein, die sich
nur aus der bekannten Amtszeit des Petros annähernd be-
stimmen lassen:
Joannes, ein Manichäer, 3 Jahre (573 — 576).
Petros, ein Jakobit, 2 Jahre (576-578).
Athanasios, ein Manichäer, 5 Jahre (578 — 583).
Joannes, der in der Wahrheit Stehende (el-Qäim bi*l-
haqq, d. i. 6 o^j-O-odogog), 5 Monate (583 — 584), nach welchem
Joannes der auf (göttlichem) Befehl Stehende 11 Jahre lang
Patriarch war, nämlich der melchitische Joannes IV. (569 —
580). So Makrizi, dem augenscheinlich ein vollständigeres
Exemplar des Eutychios vorgelegen hat; in unserem Texte
sind die fünfmonatliche Amtsdauer des ersten und der Name
des zweiten Joannes ausgefallen und so die zwei Nummern
in eine zusammengezogen worden. Die Annahme, dass Jo-
annes 6 OQ^oöoifig ein wegen seiner ephemeren Amtsdauer
von den übrigen Chronographen übergangener und vor Jo-
annes IV. einzuschiebender Melchitenpatriarch gewesen sei,
wird durch Euagrios und durch Leontios in der Abhandlung
über die Secten unmöglich gemacht, welche die gewöhnliche
Reihenfolge bestätigen. Es bleibt also nichts übrig, als dass
DER PATRIAECHEN VON ALEXANDRIEN. 495
Eutychios die Notiz einem Glaubensgenossen des betreffenden
Joannes verdankt. Unter den jakobitischen und paulitiscben
Patriarchen dieser Zeit ist keiner des Namens. Da wir hier
nur an eine der Hauptparteien denken dürfen, die sich noch
in die spätere Zeit hinein erhielten, so ist die Auswahl nicht
gross: am nächsten liegt es, an einen gajanitischen Patriarchen
und eine gajanitische Geschichtsquelle zu denken, vielleicht
dieselbe, der Severus seinen tendenziellen Bericht über die
Aussöhnung zwischen Theodosios und Gajanos verdankt;
Eutychios wird aus ihr das ganze Bruchstück geschöpft
haben, welches die jeweilig einflussreichsten unter
den häretischen Prätendenten des alexandrinischen
Patriarchats zusammenstellt. Das Anfangsjahr stimmt
in bemerkenswerther Weise mit dem Zeitpunkte der Wieder-
herstellung der monophysitischen Gemeinden überein (um 574;
8. die Zeittafel bei Land S. 196), und einer der vielen Spal-
tungen derselben werden wohl auch die beiden angeblichen
Manichäer Joannes und Athanasios angehört haben. Mit dem
Namen ^Manicbäer^ belegt Eutychios alle möglichen Secten,
von denen eine dunkle Ahnung ihm sagte, dass ihre Ketzerei
besonders arg gewesen sei. Eine besonders missliebige, ein-
mal aber in Aegypten sehr einflussreiche Secte jener Zeit
waren die Tritheiten; sie erkannten den Theodosios als Patri-
archen an, dessen Anhänger jedoch nichts von ihnen wissen
wollten (vgl. Land S. 129). Als den atQB^iaQxrig^ als den
eigentlichen Stifter dieser Secte, bezeichnet Leontios nsQl
a[(fd0siov 5, 6 (in Gallandi Bibl. patrum XII p. 641) den be-
kannten Grammatiker und aristotelischen Philosophen Joannes
Philoponos von Alexandrien; und wenigstens ist er es ge-
wesen, der die Lehre auf ägyptischen Boden verpflanzte und
ihr hier eine wissenschaftliche Begründung gab, weshalb er
von den Alexandrinern während der Yacanz nach Theodosios^
Tode aus der Kirche gestossen ward (Land S. 108). Sein
Schüler und eifrigster Verbreiter seiner Lehre war Athanasios,
ein Tochtersohn der Kaiserin Theodora, der Führer der
eigentlichen Tritheiten, die auch Philoponiaker oder nach
ihm Athanasianer genannt werden (Land S. 124). Dieser
496 VERZEICHNISS
Athanasios war es, der den antioehenischen Patriarchen
Paulos, von dem die Pauliten den Namen haben, zwischen
574 — 577 aus Aegypten vertrieb (Land S. 133). Er war ein
einflussreicher Mann und der Patriarch Entychios von Con-
stantinopel (577 — 582) galt für einen Anhänger seiner Hä-
resie (Land S. 123). Ich halte es fQr wahrscheinlich, dass
wir in diesen beiden Sectenhäuptern den Joannes und Atha-
nasios des melchitischen Chronisten wiederznerkennien haben.
Theodoros ward von den Pauliten 888 n. Alex. (1. Oc-
tober 576/30. September 577) noch vor dem Jakobiten Petros
zum Patriarchen ordinirt und lebte noch 896 n. Alex. ^=
585. Erst durch diesen Bericht des Joannes von Epbesos
(bei Land S. 131. 139) werden mehrere vereinzelte Angaben
in das richtige Licht gesetzt, aus welchen Le Quien, welcher
nicht wissen konnte, dass ausser den Jakobiten auch noch
andere monophysitische Theilungen ein Anrecht auf den
Namen Theodosianer hatten, die Lückenhaftigkeit des jako-
bitischen Patriarchenverzeichnisses folgern zu müssen glaubte.
Der Dorotheos, den nach Theoph. p. 372, 16 die Theodosianer,
dem Beispiele der Gajaniten folgend, heimlich in der Nacht
sich zum Bischof ordinirten, ist ganz unzweifelhaft mit dem
paulitischen Theodoros identisch. Theophanes fährt fort:
^xal dg *iv owBk%6vxeg oi xb Fatavtrai xal of Ssoäo6iavol
xoivbv intoxonov iavxotg ived'Qoviöav xal [ixBigoxövtjöav.
'Icaävvr^v {di) XLva (lova^ovy ov oi FaVavtxai öoXov vxo-
lie^vf^xivaL voiiiöavxsg] xov xoiycDva xov äßßa övv xä ddQ-
liaxt xal xy öaQxl i^ddeigav*. Die eingeklammerten Worte
fehlen in der Uebersetzung des Anastasius, gewiss bloss aus
Nachlässigkeit; mehr Glück hat die Lesart des Symeon Logo-
thetes (bei Le Quien II p. 438) gemacht, in dessen Annalen
dd ausgelassen ist, also ein Joannes als gemeinsamer Bischof
der Theodosianer und Gajaniten erscheint^ den man mit dem
Joannes 6 oQd'odo^og bei Makrizi zu identificiren versucht
sein könnte. Allein der Brief des Sophronios an Sergios
von Constantinopel führt den Dorotheos ausdrücklich unter
den Verfechtern des Gajanismus auf; also ist die Union
zwischen Theodosianern und Gajaniten auf ihn zu beziehen
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 497
und die Streichung von de erweist sich als blosse Gorrectur.
Es wird vielmehr ov als Wiederholung der letzten Silbe von
[lovaxov zu tilgen und im Folgenden eine anakoluthe Con-
struction anzunehmen sein, dadurch veranlasst^ dass Theo-
phanes (lovaxov nachträglich durch tov dßßa näher bestimmen
wollte. In der von Theophanes gemeldeten Anerkennung
des Paulitenbischofs Dorotheos durch die Gajaniten erkenne
ich die zur Zeit des Melchitenpatriarchen Eulogios (580—
607) erfolgte ^QOCTUcigog avcoöig der Theodosianer und Gaja-
niten ^ die ebenfalls Akephaler sind^ wieder, über die der
heilige Mann einen eigenen Xoyog ötriXttBwixog von unglaub-
licher Albernheit zu schreiben für gut fand (Phot. cod. 227
p. 244', 9 Bekk.); ihre baldige Wiederauflösung wird durch
die von Theophanes geschilderte Scene sehr gut illustrirt.
Die Union kann erst nach dem Jahre 585 erfolgt sein, bis
zu welchem die Nachrichten des Joannes von Ephesros
reichen; vielleicht hängt die Erneuerung selbstständiger
Bischofswahlen durch die Akephaler im achten Jahre des
Damianos (Juli 585/ Juli 586), von der Severus (bei Renau-
dot p. 145) redet, mit der Auflösung jenes Einverständnisses
zusammen.
Joannes^ 6 vvv ixCöKonog rdov ®Bo8o6iavAv iv ^AXb-
^avdQsicCj gegen dessen sechsten Festbrief das fünfzehnte
Capitel des böriyog des Anastasios Sinaites gerichtet ist,
muss einer der paulitischen Nachfolger des Theodoros
gewesen und sein mehr als fünfjähriges Patriarchat in eine
Zeit der Schwäche des kaiserlichen Ansehens in Aegypten
gefallen sein^ da nur eine solche einem häretischen Patri-
archen das Residiren in Alexandrien möglich gemacht haben
kann. Anastasios schrieb nach dem Auftreten der Moslems,
aber ehe Aegypten an sie verloren ging, also zwischen
622 — 641 (vgl. die umsichtige Untersuchung bei Sollier
p. 117* f.); mit dieser Zeitbestimmung verträgt sich recht
gut die Nachricht des Eutychios II p. 277, dass Anastasios
derselbe ist wie Vahän, der Feldherr des Herakleios, der
nach dem Verluste der Schlacht am Jarmük 634 in das
Kloster auf dem Sinai gegangen sei. Also wird Joannes
y. GüTBOHxiD, Kleine Schriften. IL 32
498 VERZEICHNISS
wohl nach der Abberufung des Eyros und vor dem Verluste
Äegyptens an die Araber, zwischen 636—641, der Pauliten-
gemeinde in Alexandrien vorgestanden haben.
Von Gajanitenbischofen der späteren Zeit werden genannt:
Menas der Alexandriner, mit dem Jakobiten Benjamin
zugleich im Briefe des Sophronios an Sergios verdammt
um 633.
Theodoros, ordinirte auf Bitten eines indischen Ge-
sandten ohne Vorwiesen des Emir ^AbduTaziz den Indem
einen Bischof, und ward dafür nach Entdeckung der Sache
gekreuzigt zwischen 695 — 698 (Sev. bei Renaudot p. 184).
Jakobitische Patriarchen.
Vacanz 10 Jahre (Joannes von Ephesos bei Land S. 132;
in der Tradition der ägyptischen Jakobiten weggelassen),
567 — Ende 576.
34. Petros IV., ord. 8 Jahre vor 896 n. Alex. (Joann.
Eph. a. a. 0.) also 888, wahrscheinlich zu Anfang des Jahres;
als Ja'qob Bürd'äjä am 30. Juli 889 n. Alex.^) starb, war
bereits sein Nachfolger im Amte (Joann. Ephes. S. 136).
Nach Eutych. und sämmtlichen Jakobiten sass er 2 (fälsch-
lich vom Tode des Theodosios gerechnete) Jahre und starb
nach der einstimmigen Angabe der Letzteren am 25. Payni
(siehe oben). Also Ordination im Herbst 293 Diocl. = 576,
Todestag im zweiten Amtsjahre 25. Payni 294 Diocl. =
19. Juni 578.
35. Damianos (Dimannos Peiresc), gen. der Schlangen-
tödter (Kai. Abulb.), ord. (Epiphi 294 Diocl.) = Juli 578,
sass nach Sev. Ebnr. Elm. Makr., welche die übergangenen
1) So Dionys. Telmahar. ap. Assem. I p. 242. 11 p. 65. Die kop-
tische und äthiopische Kirche feiert einige Tage später, am 17. Mesori,
das Andenken Jä.*q6b des Märtyrers mit seinen Genossen Johannes und
Abraham (Ludolf, Commentar. p. 426), obgleich Joannes von Ephesos
das Gerficht, als hätten Fauliten den Jakob und seine Begleiter mit
Steinen erschlagen, mit Entrüstung abgewiesen hatte (bei Land
S. 96. 186).
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 499
10 Jahre der Vacanz hier wieder einbringen, 36 Jahre, nach
Abulb. Bern. 24 Jahre 11 Monate (was nur durch Zufall
der wahren Zahl 26 Jahre 11 Monate naher kommt), und
starb 18. Payni (521 Diocl.) = 12. Juni 605.
36. ^nastasios 6 ^j^no^vydgiog (Brief des Sophronios
an Sergios von Gonstantinopel) sass 12 Jahre, f 22. Ghoiak
330 (Sev. Elm. Makr.), schreibe 333 Diocl. (siehe oben) =
18. December 616.
37. Andronikos sass 6 Jahre (Sev. Makr.), f? S. Tybi
(339 Diocl.) = 3. Januar 623.
38. Benjamin I. aus dem Kloster Deir Kirjos (d. i.
Kyrios) in der Sharqija (Sev.) oder aus Mariüt (Abulb.),
sass 39 Jahre (Sev. Ebnr. Makr.), deren erstes von Elmakin
richtig mit 1. He^. (16. Juli 622/4. Juli 623) verglichen
wird. 10 Jahre davon, von der Einsetzung des Kyros (Payni
347 Diocl. = Juni 621) bis zur Ankunffc der Araber vor
Babylon (vielmehr, wie oben nachgewiesen worden, bis zu
ihrem Vertrage mit Muqauqis, Thoth 357 Diocl. = Sep-
tember 640), brachte er in der Verborgenheit in einem
Kloster bei Kus in der Theba'is zu, und kehrte im dritten
Jahre nach dem Einfalle der Araber mit diesen nach Ale-
zandrien zurück (14. Choiak 358 Diocl.) = 10. December
641. Er starb nach der einstimmigen Angabe der jakobiti-
schen Chronographen 8. Tybi (378 Diocl.) «= 3. Januar 662.
Dass dieser Tag der wirkliche Todestag, und nicht, wie es
nach dem äthiopischen zweiten Synaxar (bei SoUier p. *75)
und dem koptischen Kalender Abulberekäts (bei Renaudot
p. 167) scheinen konnte, der Tag der Dedication der Ma-
karios- Kirche ist, ergiebt sich aus einer anderen Stelle des
Severus bei Renaudot p. 269, welche uns als das Datum
derselben den 1. Pharmuthi kennen lehrt.
39. Agathon (Sev. Abulb. Bern. Ebnr.) oder Agathos
(Peiresc), Agathis (Elm.), Agäthü (Makr. Kai. Copt.) von
Mariüt (Abulb.), sass 19 Jahre (Sev. nach unserem Texte,
Abulb. Bern.), f 16. Phaophi (397 Diocl.) (Sev. Ebnr. im
Texte, Elm. Kai. Copt. Synax.) = 13. October 680. Aga-
thon kann nicht früher gestorben sein, da er die Einsetzung
32*
500 VERZEICHNISS
des Synoditen Theodoros zum Präfecten der Mareotis durch
Jezid I. (regierte seit 1. Regeb 60 Heg. = 7. April 680) um
einige Zeit überlebte; vgl. Severus bei Renaudot p. 173.
40. Joannes III. von Semenüt^) sass 9 Jahre (Sev.
Abulb.) oder 8 Jahre (Ebnr. Elm. Makr.). Als sefai Todes-
tag wird von den jakobitischen Historikern einstimmig der
1. Ghoiak angegeben (Sev. Ebnr. Elm., mit einem Schreib-
fehler Abulb.) und an diesem ist allerdings im äthiopischen
Kalender ein Gedächtnisstag angemerkt; allein im Synaxar
heisst es zu dem betreffenden Tage (nach Ludolfs Ueber-
Setzung bei Sollier p. 76*: ^Saluto Joannem, officio et ortho-
doxia Patriarcham, qui tempore administrationis suae ecclesiam
aedificavit in nomine S, Marci, et ipso, quo ex hoc mundo
migravit, die requiem suam cum S. Aihanasio patriarcha con-
iunxit'. Ich kann dies nicht anders verstehen^ als dass er
an demselben Tage wie Athanasios gestorben ist, also am
7. Fachen. Und richtig erscheinen an diesem Tage im
äthiopischen Kalender (bei Ludolf, Commentar. p, 415) an
erster Stelle Athanasios, an zweiter ein Johannes, von dem
es im Synaxar heisst: ^Erogando stipem poscentibus consumpsit
vestimenta sua omnia, nee reliqui fecit cilicium suum, ita, ut
in spelunca nudus repertus fuerii* (Ludolf, Commentar. p. 289);
die grosse Mildthätigkeit gegen die Armen während einer
Hungersnoth wird gerade an unserem Joannes gerühmt von
Severus p. 176, so dass an der Identität Beider wohl kein
Zweifel sein kann.^) Dem bestimmten Zeugniss des Syn-
1) Ich glaube, dass von diesem Joannes die von Lndolf (bei
Sollier p. *61) fölschlich aaf Joannes Hemula bezogene Nachricht des
Synaxar zu verstehen ist, dass er ein getaufter Jude, seiner Heerde
ein g^ter Hirt gewesen sei und die Wunden (Christi) in grosser Trübsal
an seinem Körper erfüllt habe. Der Emir ^AbduTaziz liess ihn nlLitl-
lich martern, um Geld von ihm zu erpressen, und drohte überdies, er
werde ihn in einem Judenanzuge, das Gesicht mit Asche beschmiert,
schimpflich durch die Stadt fähren lassen (Severus bei Renaudot
p. 176) — eine Drohung, auf die erst, weun man sie mit der Notiz
des Synaxars combinirt, das rechte Licht fällt
2) Die strenge Mönchsregel musste auch in der Zelle des Patri-
archen beobachtet werden (cfn Benaudot S. 554).
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 501
axars gegenüber sieht man sich eu der Annahme genothigt,
dass uns in dem 1. Choiak nicht der Todestag des Joannes,
sondern wohl vielmehr der Jahrestag der Einweihung der
S. Markoskirche erhalten ist. Er starb also am 7. Pachon
405 Diocl. =a 2. Mai 689. Die Ordination des jakobitischen
Patriarchen Julianos II. von Antiochien im Jahre 999 n. Alex.
= 688 fallt in seine Amtszeit (Severus bei Renaudot p. 196.
Le Quien II p. 1364).
Yacanz (ohne Angabe der Dauer von Severus bezeugt)
689-699.
41. Isaak, koptisch tsäk (Elm. Makr.), mit dem Bei-
namen der Gerechte (Synax.), aus dem Makarioskloster (Sev.),
aus der Landschaft Gharbije (Abulb.), ord. (Mechir 406 Diocl.)
= Februar 690, sass 2 Jahre 9 Monate (Sev.), f 2. Athyr
(Sev. Ebnr. laut Rechnung; Elm.) oder 9. Athyr (Ebnr. im
Texte, Synax.; verschrieben 7. Athyr Abulb.) (409 Diocl.) =
29. October (5. November) 692.
42. Simon I. (Sev. Abulb. Bern. Ebnr. Elm. Makr.)
oder Simeon (Peiresc. Synax. Kai. Copt.), der Syrer, aus
dem Kloster ez Zeggäg (Sev.), ord. (Tybi 409 Diocl.) =
Januar 693, sass 7 Jahre 6 Monate (Sev. Makr.), f 24. Epi-
phi 416 Diocl. (Sev.) = 18. Juli 708.
Yacanz 3 Jahre (Sev. Ebnr. Elm. Makr.).
43. Alexandros IL, aus dem Kloster El Zegiage (Sev.),
von Bene (Abulb.), ord. Markustag 30. Pharmuthi 420 Diocl.
(Sev. Ebnr. Elm.) = 25. April 704, sass 24% Jahre (Sev.
Makr.), f ?• Mechir (445) (Ebnr. Elm. Synax.) = 1. Fe-
bruar 729.
44. Kosmas L, aus dem Kloster des Makarios (Sev.),
von Bene (Abulb.), seit Phamenoth (445) (Abulb.) = März
729, sass 1 Jahr 3 Monate, f 30. Payni (446) (Sev. Ebnr.
laut Rechnung, Elm.) = 24. Juni 730, oder 1. Payni (Ebnr.
im Texte, Synax.).
45. Theodoros, aus einem Kloster der Mareotis bei
Temnua (Abulb.), seit (Mesori 446) = August 730, sass 11
Jahre 6 Monate (Sev.), f 7. Mechir (458) = 1. Februar 742.
Yacanz 1 Jahr (Ebnr.).
502 VEBZEICHNI8S
46. Michael I. (Ebnr. Makr. Synax.) oder Chail (Peir.
Sev. Abulb. Elm.), aus dem Kloster des Makarios (Äbulb.),
durch den Statthalter Haff ben al-Walid, der von 124 He^.
= VNoTäW *>'« 125 Heg. - 4. November 742/24. Oc-
tober 743 regierte (Elmakin p. 81. 84), bestätigt am 14. Thoth
460 Diocl. = 12. September 743, ordinirt am Ereozesfeste
17. Thoth 460 Diocl. (Sev. Ebnr. Elm.) = 15. September
743, sass 23 Jahre 6 Monate (Bern. Ebnr.), f 16. Phamenoth
(485) « 12. März 767.
47. Menas I., aus dem Kloster des Makarios von Se-
menüt (Abulb.), sass 9 Jahre (Sev. Elm.), f 30. Choiak
(492) (Kai. Abulb.) = 27. December 775.^) Die Amtszeit
dieses Patriarchen ist durch Synchronismen der Geschichte
der Araber und des jakobitischen Patriarchats von Antiochien
hinlänglich sichergestellt. Als Menas schon einige Zeit im
Amte war, entwich sein Diaconus Petros, der sich wegen
einer Zurücksetzung an ihm rächen wollte, nach Syrien,
entlockte unter falschen Vorspiegelungen dem dortigen Patri-
archen Georgios eine bedeutende Geldsumme und begab sich
mit diesem zum Chalifen Alman^ür. Georgios ward von
David, einem Günstling Alman^ürs, verdrängt und blieb
nach Barhebräus 9, nach Elmakin 10 Jahre im Kerker bis
auf Alman9ürs Tod, der in das Jahr 1087 der Seleukiden-
ära fällt (vgl. Le Quien II p. 1369), muss also spätestens vor
Ablauf des Jahres 1078 Sei. (1. October 766/30. September
767) gestürzt worden sein. Petros wusste den Almanfür
ganz für sich zu gewinnen und überbrachte einen Befehl,
ihn als Patriarchen einzusetzen, an den Statthalter von
Aegypten. Letzterer, der noch von den Zeiten Michaels L
1) Die Angabe der Hietoriker Sev. Ebenr. Elm. und des äthiopi-
schen Synaxarg, dass Menas am 30. Tybi gestorben sei, muss ein Irr-
thum sein, da sein Nachfolger vom 16. Tybi an bis wieder znm 16. Tybi
nach dem niedrigsten Ansätze genau 23 Jahre sass, fOr eine Vacani
also kein Platz ist. Die Deutung der 23 Jahre bei Ebn Rahib als
22 Jahre l Tag hat so gut wie die Nennung des 3. Tybi bei Abul-
berekftt nur den Werth einer Conjectur.
DEE PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 503
her im Amte war — also Jezid ben Hätim (regierte nach
Elmakin p. 98. 101 von 144—152 Heg. « 761 — 769) — ,
machte einen Versuch, ihn mit Gewalt einzusetzen , stand
jedoch wegen des heftigen Widerstandes der Geistlichkeit
davon ab. Da aber Menas sich weigerte, die vermutheten
Kirchenschätze auszuliefern, ward er mit seinen Bischofen
zu Zwangsarbeiten nach den Schi£fswerften abgeführt. Erst
ein volles Jahr darauf kamen sie los, da Petros sich in-
zwischen mit dem Statthalter veruneinigt hatte und in das
Gefangniss geworfen ward, in welchem er 3 Jahre blieb,
bis ein neuer Statthalter kam und ihn aus seiner Haft ent-
Hess, damit er sich behufs Bevision seines Prozesses an den
Hof des Ghalifen begeben konnte. Der letzte Wechsel in
der Statthalterschaft unter Alman9ür erfolgte im Jahre 155
Heg.; die 3 Jahre der Gefangenschaft des Petros fallen mit den
3 Amtsjahren des ^Abdallah ben 'Abdarrahmän zusammen,
152—155 Heg. = 769-772 (Elmakin p. 98), und die Ab-
fdhrung des Menas ins Bagno gehört in das Jahr 768. Da
nun nach Makrizi im Jahre vorher, nämlich 150 Heg. «> 767,
die Kopten einen Aufstand gemacht hatten, so liegt die
VermuthuDg nahe genug, dass die Bestrafung de» Patri-
archen wohl nicht allein in den Umtrieben des Petros ihren
Grund hatte, sondern eine Folge der Niederwerfung jenes
Aufstandes war. Petros wusste sich in der Folge beim
Ghalifen wieder einzuschmeicheln, trat zum Islam über und
kehrte mit einem Diplome versehen, welches ihm grosse
Machtvollkommenheit verlieh, zurück, um sich an dem
Patriarchen zu rächen. Aber noch ehe er in Aegypten an-
gelangt war, kam die Nachricht vom Tode Alman9Ürs, der
alle seine Anschläge zu nichte machte; von den Christen
zurückgestossen, starb er bald nach dem Patriarchen eines
elenden Todes (vgl. Severus bei Renaudot p. 238). Menas
überlebte also den Alman9ür, der nach Tabari bei Weil,
Geschichte der Ghalifen H S. 92 f. eines Sonnabends, den
6. Dhu'ihiggah 158 Heg. starb = 7. October 775.
48. Joannes IV., von Baua (Sev.), von Bene (Abulb.),
ord. 16. Tybi (492) (Sev. Ebnr. Elm. Synax.) = Freitag,
504 VEBZEICHNIßS
12. Januar 776, sass 23 Jahre (Makr.), t 16. Tybi 515
Diocl. (Sev.) = 11. Januar 799.
Vacanz 15 Tage (Ebnr.).
49. Markos IL, von Alexandrien, sass 20 Jahre 81 Tage
(Ebnr.). Seine Amtszeit wird durch die Zahl von 20 Fest-
briefen (Epiphan. 800— Epiphan. 819) sichergestellt, welche
Seyerus bei Renaudot p. 257 überliefert und dadurch^ dass
Markos II. von Dionysios I., der seit Sonntag, 1. August
1129 Seleuc. «=818 jakobitischer Patriarch von Antiochien
war, ein Synodalschreiben erhielt, in welchem bereits die
dem Letzteren gelungene Wiedervereinigung der Anhänger
des Gegenpatriarchen Abraham mit seiner Kirche gemeldet
war (vgl. Severus bei Renaudot p. 256. Le Quien II p. 1373);
ord. Sonntag, 2. Mechir (515 Diocl.) (Sev. Elm.) = 27. Januar
799, t Ostersonntag, 22. Pharmuthi 535 Diocl. (Elm.) =
17. Aprü 819.
50. Jakob (Elm. Makr.) oder lakoboa (Peiresc.), Priester
an der Makarioskirche, seit Payni (535 Diocl.) (Abulb.) «= Juni
819, sass 10 Jahre 8 Monate (Sev. Elm. Makr.), f 14. Mechir
(546 DiocL) = 8. Februar 830.
51. Simon IL (Sev. • Abulb. Bern. Elm.) oder Simeon
(Peiresc. Makr. Synax.) Mönch, von Alexandrien, sass 5 Mo-
nate 16 Tage (Sev. nach unserem Texte-, auf dieselbe Lesart
führen die 5072 Monate im Synax.) seit 22. Pharmuthi (546
Diocl.) = Sonntag 17. April 830), f 3. Phaophi (547 Diocl.)
— 30 September 830.
Vacanz 1 Jahr 47 Tage (Ebnr.).
52. Jöseb (Peiresc) oder J6s§f (Synax.) aus OberMenuf
(Sev.) aus dem oberen Memphis (Abulb.), Praepositus der Ma-
karioskirche im Thale Habib, ord. Sonnabend (Elm.) am
21. Athyr nicht 547 DiocL, wie Severus und Elmakin an-
geben, sondern 548 Diocl. (Abulb.) = 18. November 831,
sass 18 Jahre (Abulb. Elm. Makr.) oder genauer 17 Jahre
338 Tage (Ebnr.), nicht 18 Jahre 11 Monate, wie Severus
angiebt, f Sonntag 23. Phaophi 566 Diocl. -= 20. October
849. — Die Synchronismen, welche uns aus der ersten Zeit
seines Patriarchats erhalten sind, vertragen sich mit der
DEE PATEIAECHEN VON ALEXANDRDEN. 505
einen Angabe über sein Ordinationsjahr so gut wie mit der
anderen. Nach dem in die Sammlung des Severus auf-
genommenen Leben des Patriarchen Joseph bei Renaudot
p. 279 und nach Ebn Rahib p. 130 empörten sich die Basch-
murischen Kopten zur Zeit des Joseph^ der einen vergeblichen
Versuch machte, sie zur Niederlegung der Waffen zu be-
wegen^ und dann nach der Ankunft des Almamün von
diesem mit dem Patriarchen Dionysios L von Antiochien,
der im Gefolge des Chalifen von Aegypten gekommen war,
zu demselben Zwecke, aber mit ebensowenig Erfolg an die
Aufständischen geschickt ward: diese Hessen es auf die Ent-
scheidung des Schwertes ankommen und unterlagen. Der
Aufstand • brach nach Makrizi 216 Heg. (19. Februar 831/
7. Februar 832) aus, Almamüp kam nach Aegypten Freitag
den 23. (Ebn Rahib p.l30) oder 9.Moharrem 217 Heg. (Eutych.
n p. 430) «= 1. März (16. Februar) 832 und zog am 1. Safar
=s 9. März gegen die Rebellen. Die abweichende Angabe Re-
naudots a. a. 0., dass im Leben des Jakob der Aufstand unter
diesen Patriarchen gesetzt werde, beruht wahrscheinlich auf
blosser Unachtsamkeit: jener Biograph berichtet nämlich
(p. 270) von einem Besuche des Dionysios von Antiochien
bei Jakob; allein dies ist ein früherer, der eine Besprechung
mit dem Statthalter 'Abdallah ben Tähir (825-828) zum
Zweck hatte (Elmakin p. 140, aus ihm Makrizi). Für die
Richtigkeit der Zeitrechnung des Ebn Rahib gegenüber der
des Severus entscheidet vor allem 1) der Wochentag. 2) weiss
Severus selbst (p. 277) von einer durch heftige Wahlkämpfe
verursachten längeren Yacanz vor Josebs Ordination. 3) setzt
er p. 289 in das siebente Jahr nach Jös^bs Ordination, welches
das Ö54. der Märtyrer (aer. Diocl.) sjei, die Erscheinung eines
grossen einem Schwerte gleichenden Kometen in der Richtung
von Morgen gegen Abend: es ist dies aller Wahrscheinlich-
keit nach derselbe Komet, der im Frankenreiche 838 während
des Osterfestes (das in diesem Jahre auf den 14. April fiel)
im Sternbilde der Jungfrau erschien, sich nicht wie die sieben
Planeten nach Morgen bewegte und 25 Tage lang sichtbar
war, ausführlich geschildert von dem sogenannten Astronomen
506 VERZBICHNISS
im Leben Ludwigs des Frommen^ Cap. 58. 4) erfolgte nach
Severus p. 291 die Erhebung Joannes' IIL zum jakobitischen
Patriarchen von Antiochien nach Dionysios' L Tode im fünf-
zehnten Jahre Josephs, dem 562. der Märtyrer, während £bn
Rahib p. 145 und nach ihm Elmakin in das fünfzehnte Jahr
vielmehr den Tod des Dionysios setzen. Die Yergleichung
nach Diocletianischer Aera ist ungenau, da Dionysios am
22. August 845, mithin vor Beginn des Jahres 562 DiocL
starb, die Ordination des Joannes aber erst (Sonntag) den
21. November 846, also nach Ablauf desselben erfolgte (vgl.
Le Quien II p. 1374). Wohl aber fällt Letztere nach Ebn
Rahibs Rechnung in das fünfzehnte Jahr Jösebs, und die
falsche Gleichung beweist wenigstens so viel, dass Severus
selbst, als er sie anstellte, nicht 547, sondern 548 Diocl. als
erstes Jahr dieses Patriarchen voraussetzte.
Vacanz 30 Tage (Ebnr. Elm. Makr.).
53. Michael IL (Ebnr. Elm. Makr. Synax.) oder Chaü
(Peiresc. Sev. Abulb.), Abt des Johannesklosters im Thale
Habib, ord. 24. Athyr (566) (Ebnr.) = Mittwoch 20. No-
vember 849, sass 1 Jahr 5 Monate, f 22« Pharmuthi 567 Diocl.
(Sev. Elm*) = 17. April 851.
Vacanz 81 Tage (Ebnr. Elm. Makr.).
54. Eosmas IL (Sev. Bern. Ebnr.) von Semenüt, Dia-
Conus der Makarioskirche, ord. 12. Epiphi 567 Diocl. (Sev.
Elm.) = Mittwoch ^8. Juli 851, sass 7 Jahre 5 Monate (Abulb.
Bern. Elm. Makr.), f 21. Athyr 575 Diocl. = 17. Novem-
ber 858.
Vacanz 51 Tage (Ebnr. Elm. Makr.).
55. Sanythios I. (Sev. Ebnr. Elm. Makr. Synax.) oder
Senodeos (Peiresc.) oder Schenüda (Abulb. Bern.), von Betenün
(Abulb.), Oekonomos der Makarioskirche, ord. 13. Tybi 575
Diocl. (Sev. Elm.) «= Sonntag 8. Januar 859, sass 21 Jahre
3 Monate (Sev. Abulb. Bern.), f 24. Pharmuthi (596) —
19. April 880 (Sev. Ebnr. im Texte Synax.).
56. Michael IIL (Ebnr. Elm. Makr. Synax.) oder Chail
(Mich. Abulb. Bern.), sass 27 Jahre (Mich.), f 20. Phamenoth
(623) (Abulb. Synax. Einige bei Elm.) «=. 16. März 907. —
DER PATEIAECHEN VON ALEXANDRIEN. 507
Die Amtszeit Michaels III. ist der Prüfstein , an welchem
sich der Vorzug der Zeitrechnung der Patriarchengeschichte
(mit der Abulberekät im Wesentlichen übereinstimmt) vor
der sehr abweichenden des Ebn Rahib, Elmakin und Makrizi
für den ganzen Zeitraum von Sanjthios L bis auf Menas IL
entscheidet Die sich gegenüberstehenden Ansätze sind:
Sanjthios I. sass nach der
Patriarchengeschichte . 859 — 880
Michael III 880-907
Vacanz 907—910
Gabriel 1 910—921
Kosmas III 921—933
Makarios 1 933—953
Theophanios ..... 953—956
nach Ebnr. 859—870
870-895
895—909
909—920
920—932
932—952
952-956.
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7t 77
)7 77
Michael III. muss länger als bis 895 gelebt haben; denn ihm
meldete Dionysios IL, jakobitischer Patriarch von Antiochien,
in hergebrachter Weise in einem noch erhaltenen Synodal-
schreiben seine im April 1208 Sei. «== 897 erfolgte Ordination
(vgl. Renaudot p. 291. Le Quien II p. 1375). Hinsichtlich
eines Synchronismus aus der Geschichte der Fatimidendynastie
tritt der seltsame Fall ein, dass jede der beiden Glassen
durch ihn ihre eigene Zeitrechnung Lügen straft und die
entgegengesetzte zu bestätigen scheint. Nach Elmakin p. 176^
aus welchem Makrizi geschöpft hat^ ward Chumäraweih er-
mordet am 26. Tybi 612 DiocL, der genau dem von mos-
lemischen Geschichtsschreibern (vgl. Elmakin p. 177) über-
lieferten Datum 3. Dhü'lhiggah 282 Heg. und dem christ-
lichen 22. Januar 896 entspricht^ unter dem Patriarchate
Michaels III., der doch nach denselben Quellen schon am
16. März 895 gestorben sein sollte. Dagegen setzt Michael
von Tanis (p. 328) yoraus, dass Chumäraweih noch während
der Vacanz lebte, die nach seinen eigenen Angaben erst am
16. März 907 eintrat. Er erzählt nämlich, gegen das Ende
von Michaels Patriarchat habe der Bischof Pachomios von
Saka (^oeg) die Gunst Chumäraweihs gewonnen, weil er mit
300 im Speerwerfen geübten Knechten nicht bloss die Be-
508 VERZEICHNISS
Sitzungen seiner Kirche^ sondern die ganze Landschaft gegen
arabische Freibeuter, die sich für Nachkommen der Fatime
ausgaben, geschützt habe. Als dann die Melchiten, die Ya-
canz des Jakobitenpatriarchats benutzend, auch einen Patri-
archen ordinirt hätten und übermüthig gegen die Jakobiten
aufgetreten seien, habe sich Pachomios mit Geschenken zum
Chumaraweih begeben und ihm den Argwohn eingeflösst,
dass die Melchiten, wenn man sie gewähren liesse, eine
Landung der Griechen in Aegypten begünstigen würden. Er
sei darauf mit einem Briefe Chumäraweihs, durch welchen
der Platzcommandant zur Ausführung aller Befehle des
Pachomios angewiesen ward, nach Alezandrien zurückgekehrt
und habe den Melchitenpatriarchen ergreifen und ihm die
Finger der rechten Hand, mit denen er beim Segnen das
Zeichen des Kreuzes machte, abschneiden lassen; nach dieser
That habe Pachomios die Bischöfe zur Wahlversammlung in
das Habibsthal berufen. Renaudot erklärt diese ganze Er-
zählung für erdichtet wegen der entgegenstehenden Angabe
über Chumäraweihs Tod und wegen des Stillschweigens des
Eutychios, und leugnet sogar, dass damals bei den Melchiten
eine Patriarchenwahl stattgefunden habe. Letzteres ist nicht
wahr: nach einer mehrjährigen Vacanz ward Christod ulos
am 4. April 907 in Jerusalem gewählt, am 5. April eben-
daselbst ordinirt und diese Ordination am 17. Juni in
Alexandrien wiederholt; somit fällt die Wahl nach der Zeit-
rechnung der Patriarchengeschichte 19 Tage nach dem Ein-
tritt der Vacanz des Jakobitenpatriarchats, wodurch der von
Michael von Tanis angegebene pragmatische Zusammenhang
mehr als wahrscheinlich wird. Da Eutychios beinahe nur
die Namen seiner Vorgänger nennt, so ist es sehr misslich,
ein argumentum a silentio aus seinen Annalen abzuleiten,
ganz abgesehen davon, dass Eutychios hier einen triftigen
Grund hatte zum Schweigen; denn Christodulos wurde durch
jene Verstümmelung zum Priesterthum untauglich und hätte
nach kanonischem Rechte nicht Patriarch bleiben dürfen. Dem
Einwände Renaudots: ^neque uüatenus verisimU est iniuriam
adeo insignem Patriarchae suo illaiam ah episcopo sectae con-
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 509
irariae taciturum Eutychium si scivisset, aut nescivisse st fuisseC
lässt sich die ebenso berechtigte Frage entgegenstellen^
welcher denkbare Grand die Jakobiten bewogen haben konnte,
einem ihrer Bischöfe eine so niederträchtige Handlung an-
zudichten. Die Verstösse gegen die Geschichte, an denen
der Bericht des Michael von Tanis leidet, beschränken sich
auf Einzelheiten, welche die arabischen Beherrscher Aegyptens
angehen, und reichen bei der grossen Sorglosigkeit, welche
die jakobitischen Historiker in der Geschichte derselben auch
sonst an den Tag legen, nicht aus, die ganze Erzählung ver-
dächtig zu n^achen. Der eigentliche Anfang der Fatimiden-
dynastie fällt allerdings erst in das Jahr 909, die Wühlereien
ihres Stifters 'Obeidallah hatten aber schon viele Jahre
früher begonnen, und da er von Anfang an ein Auge auf
Aegypten geworfen hatte ^) und mit den Earmathen die
engsten Beziehungen unterhielt, so gehört ein Zusammen-
hang zwischen ihm und den vom Bischof Pachomios im
Gebiete von Xo'is bekämpften Arabern nicht in das Reich
der Unmöglichkeiten. Damals war nicht Chumäraweih, son-
dern 'tsä ben Muhammed al-Nüshari Emir von Aegypten
(t 10. Sha bau 297 Heg. = 24. April 910; vgl. Elmakin
p. 187), der in der That noch von den Zeiten Michaels her,
nämlich seit 'Sha bau 292 Heg. = Juni 905 (Eutych. H p. 497),
im Amte war. Durch Beseitigung dieses falschen Synchro-
nismus wird die entgegenstehende Angabe Elmakins, dass
Chumäraweih zur Zeit Michaels HI. umgekommen sei, damit
aber auch gerade die von Elmakin verworfene Zeitrechnung
Michaels von Tanis erst recht sicher gestellt.
Yacanz nach Ebn Rahib, Elmakin und Makrizi 14,
richtiger nicht volle 4 Jahre.
57. Gabriel I., Mönch aus dem Dorotheoskloster, sass
l\ Jahre (Mich. Elm. Makr.) seit Pachon (626) = Mai 910;
t 21. Mechir (637) = 15. Februar 921 (Abulb. Ebnr. Elm.
Synax.).
1) Schon im Rab!* II 800 He^. = November 912 unternahm er
einen Handstreich gegen Alexandrien , das vorübergehend in seine
Hände fiel (Entychios II p. 602).
510 VEEZEICHNISS
58. Eosmas III., sass 12 Jahre (Mich. Elm. Makr.),
» t 3. Phamenoth (649) = 27. Februar 933. Der Amtsantritt
dieses Patriarchen wird dadurch annähernd bestimmt^ dass
ein Schreiben des jakobitischen Patriarchen Joannes IV. an
Eosmas IIL^ anscheinend die Antwort auf die Notificirung
seiner Ordination^ erhalten ist: dieser Joannes starb aber
Sonnabend 30. November 922 (vgl. Le Quien II p. 1376).
59. Makarios I. von Shebra (Chebra-Eebala Sev. Sei-
obre Abulb. Sebrä Synax.) im Bezirke el-Rif, Mönch des
Makariosklosters im Thale Habib, ord. Pharmuthi 649 DiocI.
(Mich. Abulb.) = April 933, sass 20 Jahre^ f 2^* Phamenoth
(Mich. Ebnr. laut Rechnung, Synax.) 669 Diocl. (Mich. Abulb.)
= 20. März 953. Der 2. Tybi, den Ebn Rahib im Texte als
seinen Todestag nennt^ erklärt sich aus dem Synaxar, welches
den 1. Tybi als seinen zweiten Gedenktag aufführt
60. Theophanios von Alexandrien, seit 25. Payni 669
Diocl. (nach Anleitung des Abulb., der den 24. Payni zum
Todestage des Makarios statt zum Endtage der Yacanz macht)
=> Sonntag 19. Juni 953; sass nach Michael 4 Jahre (aus
der falschen Angabe 4 Jahre 6 Monate bei Elm. und Makr.
lässt sich die Zahl der Monate entnehmen); ermordet 10. Choiak
(673) (Mich. Ebnr. Elm. Synax) = 6. December 956, oder
3. Choiak (nach Anleitung des Abulberekät, der diesen Tag
in Folge einer Verschiebung zum Todestage des Menas II. ge-
macht hat).
61. Menas n. von Sendala (Sev.) oder aus dem östlichen
Sodla (Abulb.)^ Mönch in dem Makarioskloster im Thale
Habib, ord. 673 Diocl. (Mich.) = 956 n. Ch., sass 18 Jahre
(Mich.), t 15. Athyr (691) (Ebnr. Elm. Synax.) = 11. No-
vember 974.
Yacanz 1 Jahr (Ebnr. Elm. Makr.).
62. Ephraim ben Zor'a, der Syrer (Mich. Elm. Makr.
Ebnr. Mari Ephrem Abulb.) oder Abraham (Peiresc. Bern.
Synax.), ord. (21. Thoth 692 = Sonntag 19. September 975),
nach Michael und Ebn Rahib unter Mu'izz (f 23. November
975), sass 3 Jahre 75 Tage (Ebn Rahib, der aber, das 1 Jahr
Yacanz zu buchstäblich nehmend, vom 16. Athyr 692 bis
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 511
30. Tybi 695 Diocl. berechnet hat), f 6. Choiak (695) (Abulb.
Synax.) «== 2. December 978.
Yacanz y^ Jahr (Elm. Makr.).
63. Philotheos oder Theophilos (Mich. Synax.), Mönch
im Makarioskloster, seit 2. Pharrauthi (695) (Ebnr. Elm.)
«= Freitag 28. März 979, sass 24 Jahre 7 Monate 16 Tage
(Ebnr.), f 12. Athyr (720) (Abulb. Ebnr. laut Rechnung,
Synax.) = 9. November 1003, oder 2. Athyr (Mich. Ebnr.
im berichtigten Texte).
Vacanz 67 Tage (Ebnr.).
64. Zacharias von Alexandrien, Presbyter der Michaels-
kirche, ord. Sonntag (Elm.) 20. Tybi 720 Diocl. (Ebnr. Abulb.
Elm.) oder 393 der Kharägjahre (Elm. Makr.) = Sonntag
16. Januar 1004, sass 28 Jahre, nämlich 7 vor, 9 während
und 12 nach der Christenverfolgung des Hakem (1011 — 1021)
(Mich.), t Dienstag 8. Tybi 748 Diocl. (Ebnr. Elm.) =
4. Januar 1032. Der 3. Athyr, den Abulberekät als Todestag
nennt, erklärt sich aus dem Synaxar, das am 13. Athyr
Zacharias' Errettung aus der Lowengrube anmerkt. Die üb-
liche Synodika, welche Zacharias bei seinem Antritt an den
jakobitischen Patriarchen von Antiochien Joannes YIII.
schickte, ist sammt der Antwort noch erhalten (Le Quien II
p. 1380). Dieser wurde zwar erst nach Zacharias, nämlich
Sonntag, den 9. Juli 1004, ordinirt, aber Zacharias konnte
sie erst an ihn richten, da zur Zeit seiner Ordination die
Kirche von Antiochien vacant war.
Vacanz 74 Tage (Ebnr. Elm. Makr.).
65. Sanythios II. (Mich. Ebnr. Elm. Makr.) oder Xe-
nodios (Peiresc.) oder Schenüda (Abulb. Bern.) von Tenaua
(Abulb.) oder Lebana Adi (Mich.), Mönch des Makarios-
klosters, ord. Sonntag 23. Phamenoth (Ebnr. Makr.) 421
Kharäg oder 748 Diocl. (Mich. Ebnr.) = 19. März 1032
n. Gh., sass 14 Jahre 225 Tage (Ebnr.), f Mittwoch 2. Athyr
733, schreibe 763 «- 29. October 1046.
Vacanz 1 Jahr 5 Monate (Elm. Makr.).
66. Ghristodulos, [sgofiovaxog im Kloster des Primos
im Thale Habib, gewählt im Choiak 764 Diocl. (Elm.) =
512 VERZEICHNISS
December 1047; ord. Palmensonntag (];iach Aoleitung von
Elmakin, der in Folge einer Verwechselung den> Palmen-
sonntag als Variante für den Ordinationstag des Eyrillos
anführt), 1. Pharmuthi (Ebnr.) 439 Heg. (Makr.), d. i. 764
Diocl. = 27. März 1048^ sass 30 Jahre (Manh. Eim. Makr.),
verlegte den Sitz des Patriarchats von Alexandrien nach
Kahira (Ebnr. p. 136. Vansleb, Histoire de T^glise d^Ale-
xandrie^ p. 11) und f Sonntag (Ebnr.), 14. Choiak 794 Diocl.
(Manh. Elm.) — 10. December 1077. ManhCib und Elmakin
machen diesen Tag zu einem Sonnabend. Dass aber der
Tod des Christodulos darum nicht in das Jahr 1076 zurück-
geschoben werden darf, auf welches jener Charakterismus passen
würde, geht daraus hervor, dass die übliche Synodika des
Dionysios V., jakobitischen Patriarchen von Antiochien, nach
seinem Amtsantritte Freitag vor Palmarum 1388 Sei. »=
7. April 1077 an Christodulos gerichtet, da dieser aber in-
zwischen gestorben war 795 Diocl. (1028/1029), von seinem
Nachfolger Eyrillos II. in Empfang genommen ward (Manhüb
bei Benaudot p. 451). Gegen das zuletzt genannte Jahr
spricht zwar nicht der von Le Quien II p. 1380 geltend ge-
machte Umstand, dass Dionysios es nicht erlebt habe — er
scheint vielmehr erst um den October 1078 gestorben zu
sein — , wohl aber die durch nichts motivirte lange Frist
zwischen der Absendung des Schreibens, zu deren Zeit
Christodulos' Tod dem Dionysios noch nicht bekannt war,
und der Entgegennahme durch Eyrillos: dieses Bedenken ist
aber für unseren Zweck gleichgiltig.
Vacanz 72 Tage (Elm. Makr.).
67. Eyrillos 11. (vorher Georgios von Aflake^ einem
Dorfe diesseits von Eairo, Mönch im Eloster Abu Eema),
gewählt 27. Mechir 794 Diocl. (Ebnr. Elm.) = 21. Februar
1078, ordinirt 22. Phamenoth 794 (Manh. Elm.) = Sonntag
13. März 1078, sass, vom Wahltage an gerechnet, 14 Jahre
3 Monate 15 Tage, f Sonntag 12. Payni 808 Diocl. (Manh.
Ebnr. laut Rechnung, Elm. Synax.) oder 481 der Helälischen
(vielmehr der Eharäg-) Jahre (Manh.) = 6. Juni 1092.
Vacanz 124 Tage (Ebnr. Elm. Makr.).
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 513
68. Michael IV. (Peiresc. Manh. Bern. Ebnr. Elm.
Makr. Synax.) oder Chail (Abulb.) von Singär im Gebiete
Nesterüh. Mönch in einem Kloster unweit seines Heimath-
ortes, inthronisirt 12. Phaophi 809 Diocl. oder 482 Kharag
oder im 58. Jahre Mustazhirs (nach ägyptischer Zählung)
(Elm, Manh.) = 9. October 1092, sass 9 Jahre 8 Monate,
t Pfingstsonntag, 30. Pachon 818 Diocl. (Manh. Ebnr. Elm.)
=» 25. Mai 1102. In seinem zehnten Jahre starb der Chalif
Mosta'li (3. December 1101) (Manh.).
Vacanz 167 Tage (Ebnr.).
69. Makarios IL, genannt der Rechtschaffene (Synax.),
Priester an der Makarioskirche, ord. Sonntag, 13. Athyr 819
Diocl. oder 496 Heg. im zweiten Jahre des Ämir (Elm.) oder
492 Kharäg (Manh. Makr.) = 9. November 1102, sass 26
Jahre 41 Tage (Ebnr. Elm. Makr.), f Mittwoch, 23. Choiak
845 Diocl. (Ebnr. Elm.) = 19. December 1128. Abschaffung
der Rechnung nach Khara^'ahren im fünften Jahre des Ma-
karios, 22. August 1107. Einnahme von Farama durch
Balduin im fünfzehnten Jahre des Makarios, 834 Diocl.
(1118 nach Wilhelm von Tyros).
Vacanz 2 Jahre 2 Monate (Elm. Makr.).
70. Gabriel IL, vorher Abu l-'alä ^ä'id ben Tarik, aus
einer vornehmen Familie zu Kairo, Diaconus an der Sergios-
kirche daselbst, gewählt Dienstag, 9. Mechir (Makr.) 847
Diocl. zu Anfang des Hafiz (Ebnr.) oder 525 Heg. (Makr.)
«=» 3. Februar 1131; reg. 14 Jahre 2 Monate (Abulb. Bern.),
t Donnerstag nach (vielmehr vor) Palmarum, 10. Pharmuthi
861 DiocL (Ebnr.) oder 539 Heg. (Manh.) = 5. April 1145
n. Ch.
Vacanz bis zur Wahl 3 Monate (Ebnr. Makr.), bis zur
Ordination über (vielmehr gegen) 4 Monate (Manh.).
71. Michael V., Ebn-Dakalti (Abulb. Ebnr.) oder ben
el-Faqdüsi (Makr.), Mönch des Makariosklosters in der Zelle
Demschiri, gewählt Donnerstag, 11. Epiphi 861 Diocl. im
fünfzehnten Jahre, des Hafiz (Ebnr.) = 5. Juli 1145, ordinirt
Sonntag, 5. Mesori 861 Diocl. (Abulb. Manh.) «= 29. Juli
1145, sass seit der Wahl 9 Monate (Makr. Ebnr.), seit der
▼. OvTsCHXiD, Kleine Schrifton. U. 33
514 VERZEICHNISS
Ordination 8 Monate 4 Tage (Abulb.), f Charfreitag (Ebnr.),
3. Pharmuthi 862 DiocL (Abulb.) = 29. März 1146.
72. Joannes V., ben Abulfath (Peiresc. Manh. Abulb.
Bern. Ebnr. Synax.) oder Jünus Abu'lfotüh (Makr.), Mönch
des Johannesklosters (in der Wüste des heiligen Makarios
Abulb.), ord. Sonntag, 2. Nisi 862 Diocl. (Manh. Abulb.) =
25. August 1146, sass 19 Jahre 8 Monate (Abulb. Bern.),
t Freitag, 4. Pachon 882 (Abulb. Ebnr.) oder 27. Djomäda
II 551, schreibe 561 Heg. (Makr.) = 29. April 1166.
Vacanz 43 Tage (Ebnr. Makr.).
73. Markos HI. (eigentlich Abü'l fardai ben AbÜ9ä'ad)
ebn Zor'a el-Surjäni, ordinirt Pfingstsonntag, 18. Payni 882
Diocl. (Ebnr.) = 12. Juni li66, sass 22 Jahre 6 Monate
25 Tage (Ebnr. Makr.), f Sonntag, 6. Tybi 905 Diocl. (Ebnr.
Manh.) = 1. Januar 1189. Das Jahr der Ordination des
Markos ist dadurch sichergestellt, dass Michael I., welcher
Dienstag, 18. October 1166 zum jakobitischen Patriarchen
von Antiochia ordinirt wurde, gleich nach seinem Amts-
antritte die übliche Synodika an diesen Patriarchen schickte
(Le Quien II p. 1389).
Vacanz 27 Tage (Ebnr. Makr.) oder 1 Monat 5 Tage
(Manh.).
74. Joannes VI. (Manh. Abulb. Bern. Ebnr., vielleicht
auch Synax.) oder Jünus (Makr.), vorher Abu'l megd ben
Abi'l ^ala Ebn Abigalib, ord. Sonntag, 4. Mechir 905 DiocL
(Abulb. Ebnr.) oder 10. Dha'lhiggah 584 Heg. (Makr.) =
29. Januar 1189 oder 11. Mechir 905 Diocl., 4 Jahre vor
Saladins Tode (f 4. März 1193) (Manh.), sass 26 Jahre
11 Monate 13 Tage (Ebnr. Makr.), f a™ Nachmittage des
Donnerstages nach Epiphanias, 11. Tybi 932 Diocl. (Ebnr.
Abulb., vielleicht auch Synax.) oder 16. Ramadan 612 Heg.
(Manh.) = 8. Januar 1216.
Vacanz 19 Jahre 5 Monate 10 Tage (Ebnr. Makr.).
75. Ky rill OS III. (vorher Däüd ben Jühannä Ebn
Laqlaq el-Fajjümi), von Fajjüm, ord. Sonntag, 23. Payni
951 Diocl. (Manh. Ebnr. im Texte), oder 29. Ramadan 633,
schreibe 632 Heg. (Makr.) = 17. Juni 1235, sass 7 Jahre
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 515
9 Monate und (sehr, weniger) 10 Tage (Makr.), f Dienstag,
14. Phamenoth 959 Diocl. (Ebnr.) oder 17. Ramadan 640
Heg. (Makr.) = 10. März 1243.
Yacanz 7 Jahre 6 Monate 26 Tage (Makr.).
76. Athanasios III., Sohn des Priesters AbiMmekarim
ben Eelil, Erzpriester an der Kirche Mo^allaqa zu Kairo
(Ebnr.), ord. Sonntag, 5. Phaophi 967 (Ebnr.) oder 4. Reg;eb
648 Heg. (Makr.) = 2. October 1250, sass 11 Jahre 1 Monat
26 Tage (Abulb.), f Sonntag, 3. Moharrem 660 Heg. (Makr.)
oder 1. Choiak 978 Diocl. (Abulb.) = 27. November 1261.
Vacanz 85, sehr. 35 Tage (Makr.).
78. Joannes VI., Abusa'id von Sokare, wird, den vor
ihm rechtmässig gewählten (77.) Gabriel verdrängend, ordi-
nirt am 6. Tybi 978 Diocl. = Sonntag, 1. Januar 1262
(Abulb. bei Benaudot), nach 6 Jahren 9 Monaten ab-
gesetzt und
79. Gabriel HL, Schwestersohn des Bischofs Petros
von Tamidi, ordinirt 24. Phaophi 985 Diocl. = Sonntag,
21. October 1268 (Abulb. bei Renaudot p. 601); dieser wird
trotz seiner später fallenden Amtszeit in der Reihe der
Patriarchen vor Joannes gezählt. Er sass 2 Jahre 2 Monate
10 (sehr. 14) Tage und wurde abgesetzt 7. Tybi 987 Diocl.
= 2. Januar 1271.
80. Joannes VI., zum zweiten Male, sass, seine erste
und zweite Amtszeit zusammengerechnet, 29 Jahre (1 Monat)
und 7 Tage (so Abulb. lückenhaft, die 29 Jahre 5 Monate
im cat. Bern, rühren von einem Corrector her) und starb
27. Pharmuthi 1009 Diocl. = 22. April 1293.
81. Theodos ios U., ben Zuäbel [?] al-Feringi (der
Franke), ord. 10. Epiphi 1010 Diocl. = Sonntag, 4. Juli
1294, sass 6 Jahre 6 Monate (Abulb. und cat. Bern., ver-
rechnet für 5 Jahre 6 Monate), f 5. Tybi 1016 Diocl. =
1. Januar 1300.
82. Joannes VII., ben Ishäq al-qaddis von Moniet-
Kufis (Abulb. bei Renaudot p. 602), ord. 14. Mechir 1016
Diocl. = 9. Februar 1300, sass 20 Jahre 3 Monate 20 Tage,
t 4. Payni 1036 Diocl. «= 29. Mai 1320.
33*
516 VERZEICHNISS
83. Joannes VIII., ord. 1. Phaophi 1037 Diocl. «= Sonn-
tag, 28. September 1320^ sass 7 Jahre 7 Monate 22 Tage
(so Abulb., wahrscheinlich verrechnet für 6 Jahre 6 Monate
22 Tage; die 6 Jahre 5 Monate in cat. Bern. Bclieinen eine^
das verstümmelte Datum 2. Pharmiithi voraussetzende Cor-
rectur zu sein), f 2. (sehr. 22.) Pharmuthi 1043 Diocl. =■
17. April 1327.
84. Benjamin IL, von Democrad, ord. 15. Pachon 1043
Diocl. = Sonntag, 10. Mai 1327, sass 11 Jahre (8 Monate)
1 Tag (so Abulb., aus cat. Bern, er^nzt), f 11. Tybi 1055
Diocl. = 6. Januar 1339.
85. Petros V., ord. 7. Tybi 1056 Diocl. «« 3. Januar
1340, sass 8 Jahre 6 Monate (so richtig cat. Bern, statt
der 7 Monate bei Abulb.) und 8 Tage, f 14. Epiphi 1064
Diocl. = 8. Juli 1348.
86. Markos IV., von Keliüb (ord. Mesori 1064 Diocl.
SS August 1348), sass 14 Jahre 6 Monate (cat. Bern.),
t 6. Mechir 1079 Diocl. = 31. Januar 1363,
87. Joannes IX., von Damaskos, ord. 5. Pachon 1079
Diocl. «=s Sonntag, 30. April 1363 (Abulb.), sass 6 Jahre
2 Monate (cat. Bern.) bis (Epiphi 1085 Diocl.) « Juli 1369.
88. Gabriel IV., vorher Abt des Klosters Moharrak,
ord. (spätestens Epiphi 1087 Diocl.) =» Juli 1371, sass
4 Jahre 3 Monate, f (spätestens Athyr) 1092 Diocl. (Patri-
archenverzeichniss Cod. Arkb. Vaticanus nach Le Qnien II
p. 499) — November 1375.
89. Matthaios L, ord. (spätestens Athyr 1092 Diocl.)
= November 1375, sass 3 (sehr. 33) Jahre 3 Monate (cat
Bern.), schrieb 783 Heg. «== 1381 im Auftrage des Gross-
emirs an David IL von Abyssinien, dass er die Feindselig-
keiten gegen die Moslems einstellen mochte (Makrizi bei
Quatremere, Memoires sur TEgypte II p. 276), virard im
Dhu'lhiggah 791 Heg. = December 1389 verhaftet und um
100000 Dirhems gestraft (Makrizi ibid. II p. 257), starb
spätestens Phamenoth 1125 Diocl. = März 1409 (nach An-
leitung von Makrizi).
90. Gabriel V. (vorher Raphael, Schreiber aus Djizeh),
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 517
eingesetzt 9. Safer 821 Heg. = 17. März 1418 (Makrizi ibid.
II p. 260). Dies ist nicht bloss mit cat. Bern, unvereinbar^
wo seine Amtszeit auf 17 Jahre 10 Monate bestimmt wird,
sondern auch mit dem Jahre 1127 Diocl. = 1411, in wel-
chem das verbesserte Bitualbuch der Sacramente nach den
Abschriften desselben von Gabriel sanctionirt worden ist
(Ilenaudot p. 513. 611). Das Hegrajahr zu ändern ist un-
thunlich, weil Makrizi die Sache im Verlaufe anderer Er-
eignisse desselben Jahres erwähnt un(L weil im Jahre 812
der 9. Safer dem 22. Juni entspricht, die Uebereinstimmung
mit cat. Bern, hinsichtlich der 10 Monate also wegfällt.
Man wird vielmehr annehmen müssen, dass das Datum von
Makrizi verschrieben vorgefunden und in dieser Gestalt auf
muhammedanische Zeitrechnung reducirt worden ist: etwa
21. Phamenoth 6910 der alexandrinischen Weltära statt 6901
= 1125 Diocl. = Sonntag, 17. März 1409. Gabriel V. starb
2. Rabia I 830 Heg. (Makrizi ibid. II p. 263) = 6. Tybi
1143 Diocl. = 1. Januar 1427.
91. Michael VI., aus dem Kloster Scharan im Bezirke
Tora, eingesetzt 13. Djomäda I 830 Heg. «= 16. Phamenoth
1143 Diocl. = 12. März 1427, abgesetzt im Regeb 830 Heg.
= Pacbon 1143 Diocl. = Mai 1427 (in den Verzeichnissen
übergangen und nur aus Makrizi ibid. II p. 264 bekannt).
92. Joannes X. (vorher Abu'lfarag), von Maks (Makrizi
II p. 264, Fortsetzer des Abulb.), eingesetzt im Pachon 1143
Diocl. = Mai 1427 (nach Anleitung von Makrizi), sass 25
Jahre (cat. Bern.). Er ordinirte im Epiphi 1154 = Juli
1438 den Amba Michael zum Metropoliten von Aethiopien
(koptische Ordinationsformel beiLeQüiennp.654); beschickte
das Florentinische Concil und schrieb einen Brief an Papst
Eugen IV. unter dem 12. September 6940 d. W. oder 1157
Diocl. oder 1440 n. Ch. (Acten des Concils bei Le Quien II
p. 500> Er starb (1168 Diocl. = 1452).
93. Matthaios IL, aus Sa'id (Fortsetzer des Abulb.,
cat. Bern.), sass 13 Jahre (c. 1169—1182 Diocl. = c. 1453—
1466). Er war am 24. November 1766 n. Alex. = 1454 im
Amte (Datum des Cod. Arab. Vatic. 40 bei Le Quien II p. 501).
518 VERZEICHNIS
94. Gabriel VI., vorher Abt des Westklosters (Fort-
setzer des Abulb. bei Renaudot p. 611), sass 8 Jahre 1 Monat
(c. Payni 1183-Epiphi 1191 Diocl. = c. Juni 1467 -Juli
1475).
95. Michael VII., Semeluti (Fortsetzer des Abulb. bei
Renaudot p. 611), sass 1 Jahr 3 Monate (c. Mesori 1191 —
Athjr 1193 Diocl. = August 1475 — November 1476).
96. Jonas III., Nekkädi (so nach dem Fortsetzer des
Abulb. bei Renaudoi^ p. 611, Joannes cat. Bern.-, fehlt cat.
Peiresc), sass 3 Jahre -4 Monate (c. Choiak 1193 — Phar-
rauthi 1196 Diocl. = December 1476 — April 1480).
97. Joannes XL von Mi9r, sass 4 (sehr. 44) Jahre
(c. 1197 — 1241 Diocl. = 1481 — 1525). Der Ausfall der
40 Jahre, die irgendwo zwischen Matthaios II. und Gabriel VII.
fehlen, hat hier die meiste paläographische Wahrscheinlich-
keit für sich.
98. Gabriel VII., Monschari (Fortsetzer des Abulb. bei
Renaudot p. 611), sass 43 Jahre (c. 1243 — 1285 Diocl. =
1526 — 1569). Er schickte 1557 seinen Agenten Abraham
den Syrer nach Rom und unterhandelte 1561 — 1563 mit
einer Gesandtschaft des Papstes Pius IV., zu welcher Zeit
er ein Greis genannt wird (Sollier p. 102*).
99. Joannes XIL, von Monfalüt, sass 15 Jahre 4 Mo-
nate (c. Payni 1286 — Thoth 1302 Diocl. = Juni 1570 —
September 1585). Papst Gregor XlII. (f 10. April 1585)
schrieb einen Brief an Joannes, dessen Antwort sein Nach-
folger Sixtus V. in Empfang nahm (Le Quien II p. 503).
100. Gabriel VIIL, von Kahira^ sass 17 Jahre (1302—
1319 Diocl. = 1585— 1602). Er schrieb unter dem 16. Athyr
1310 Diocl. = 22. November 1593 an Papst Clemens VIIL
und Hess durch seinen Botschafter Barsos, Archidiaconus der
Patriarchenkirche zum heiligen Markos, am 15. Januar 1595
in Rom ein dem Papste genehmes Glaubensbekenntniss unter-
zeichnen (Le Quien II p. 505). Mit ihm schliesst nach Dill-
mann die in das Buch von Aium (Cod. Bodlej. Aethiop.
XXVI fol. 96 ff.) aufgenommene Liste, die offenbar aus der-
selben Zeit stammt wie das zunächst vorhergehende Stück,
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 519
eine Chronik der Konige von Abyssinien bis auf Sartza
Dengel (f Ende August 1597).
101. Markos V., Beijädi (Fortsetzer des Abulb.), von
Bajadi (Bern.), ordinirt 15. Thoth 1319 Diocl. = Sonntag,
22. September 1602 (Fortsetzer des Abulb.), sass 16 Jahre
(Bern.), f 30. Tybi 1334 Diocl. = 4 Februar 1618 (Forir
Setzer des Abulb.). Im Jahre der Ankunft des Minoriten
Bucberius in Aegjpten (5. August 1610), also Herbst 1327
Diocl.^ wurde nach dessen eigenem Berichte (bei Le Quien II
p. 507) der Patriarch Antonios ab- und Joannes von S. Ma-
kariös eingesetzt. Da unsere zwei Hauptquellen sowohl unter
sich, als mit den Zeitangaben über die vorhergehenden und
die folgenden Patriarchen völlig im Einklang sind, so ist es
ungerechtfertigt, sie jener vereinzelten Angabe wegen hier
zu verlassen: wenn nicht irgend eine Verwechselung des
Reisenden vorliegt (indem er z. B. Bischöfe von Mifr für
Patriarchen hielt), so müssen es Gegenpatriarchen gewesen
sein, welche die Amtszeit des rechtmässigen Markos V.
unterbrachen und daher in den Listen übergangen worden sind.
102. Joannes XIU. Melawani (Fortsetzer des Abulb.
Bern.), sass 9 Jahre (c. 1335—1344 Diocl. = 1619—1628).
103. Matthaios IH. (so richtig Peiresc. Bern.) Toukhi
(Forts, d. Abulb.), sass 16 Jahre (c. 1345—1361 Diocl. =
1629—1645). Er sass im Jahre 1633, bis zu welchem das
Yerzeichniss des Peirescius reicht, und schrieb 1637 an Papst
ürban VIU. (Le Quien II p. 508).
104. Markos VI. von Bahjür, aus dem Kloster des
heiligen Antonius (Forts, d. Abulb. Bern.), ord. 17. Phar-
muthi 1362 Diocl. = Sonntag, 22. April 1646 (Forts, d.
Abulb.), sass 11 Jahre (Bern.), f (1773 Diocl. = 1657).
105. Matthaios IV. von Mi^r, aus dem Marienkloster
in der Eremos (Forts, d. Abulb. bei Renaudot p. 612), ord.
Athyr 1377 Diocl. = November 1660 (Forts, d. Abulb.), sass
14 Jahre (Bern.) f (1391 Diocl. = 1675). unter ihm war
Vansleb 1389 Diocl. = 1673 in Kairo.
106. Joannes XIV. el-Toukhi (Bern.), war am 11. April
1706 = 5. Pharmuthi 1422 Diocl., wo Du Bernat schrieb.
520 VERZEICHNISS
30 Jahre 10 Monate im Amte (bei Sollier p. 104*) und sass
43 Jahre 2 Monate (Brief an Le Quien aus Eahira vom Jahre
1730 bei Le Quien II p. 511), also ordinirt im Pachon 1391
Diocl. = Mai 1675; er bereitete 1703 unter grossen Feier-
lichkeiten Chrisma (Sollier p. 104*) und empfing 1706 den
Maroniten Gabriel Eva, Abt von S. Maura auf dem Libanon
(Assemani Bibl. or. I praef. § VII); er starb im Juni 1718
= Payni 1434 Diocl. (Le Quien II p. 511).
107. Petros VI cl- Sinti, ord. 20. (sehr. 21.) August
1718 c=s Sonntag, 17. Mesori 1434 Diocl., sass 7 Jahre
6 Monate 14 Tage, f 4. März 1726 = 27. Mechir 1442 Diocl.
Vacanz 1726—1727.
108. Joannes XV. el Mellawi, ord. 16. Februar 1727
=» Sonntag, 11. Mechir 1443 Diocl., sass noch im Jahre 1730
= 1446 Diocl. (Le Quien II p. 512).
Die Titnlarpatriarchen der Lateiner.
Vgl. die unkritische Liste aus Simonius, Lexicon bibli-
cum, Lyon 1703 bei Sollier p. *105. Le Quien Or. Christ. III
(Paris 1740), 1141 — 1146. — Die Ursprünge des alexandri-
nischen Patriarchats lateinischen Ritus' sind dunkel, und
Le Quien III p. 1143 betrachtet den Aegidius aus dem Jahre
1310 als den ersten gesicherten Namen der Reihe. Ueber
den ältesten bekannten Patriarchen Athanasius von Clermont
drückt er sich so eigenthümlich aus, dass es fast scheint,
als halte er ihn für eine Erdichtung gewisser Geschichts-
schreiber des Karmeliterordens. Inwieweit dieser Verdacht
begründet ist, weiss ich nicht; allein wir haben eine andere
hinlänglich gesicherte Hindeutung auf das lateinische Patri-
archat aus derselben Zeit, die uns zugleich, wie ich meine,
den gewünschten Aufschluss über dessen Entstehung giebt.
Albericus Trium fontium erzählt nämlich unter dem Jahr 1205,
am Johannisfeste dieses Jahres sei unter den Händen des
ehrwürdigen Jonas, eines Patriarchen surianischen (d. i. mono-
physitischen) Ritus' Un civiiate Susis, m partibus Asiae maioris
versus Mesopotamiam et Armetiiam\ ein Wunder zu Gunsten
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 521
des lateinisclien Abendmahlsritus geschehen^ in Folge dessen
sich mehrere surianische Kirchen ^ nämlich die Armenier^
Georgier, Sabieni (wohl verschrieben für A4)es8inier), Nubier
mid Jakobiten (worunter die koptischen vorzugsweise ge-
meint sein müssen), mehr und mehr zum romisch-katholischen
Ritus bekehrt hatten {^ad consuetudinem sanctae caiholicae et
Romanae ecclesiae de die in diem per hoc miraculum coeperunt
converii^)] jener Jonas aber habe dem grossen römischen
Concil (dem Lateranischen um 1215) beigewohnt und sei
nachher zum alexandrinischen Patriarchen befordert worden.
Le Quien II p. 489 hat diesen Jonas mit dem Jakobiten-
Patriarchen von Alexandrien Jonas 11. identificirt, was schon
darum unmöglich ist, weil dieser bereits 1189 Patriarch
wurde und 1216 starb. Unter Susa kann nach den hinzu-
gefügten geographischen Bestimmungen nur Sis, die Haupt-
stadt des armenischen Reiches in Eilikien gemeint sein, und
wirklich war von 1202— 1219 Joannes VIT. von Sis, genannt
der Erhabene, Patriarch (eigentlich nur Katholikos) der Ar-
menier (vgl. Mick Ghamieh, History of Armenia II p. 222.
225). An der Identität Beider ist um so weniger zu zweifeln,
da die Namen Jonas und Joannes auch sonst wechseln
(Le Quien II p. 1392), und die armenische Kirche jener Zeit
in Folge der politischen Verbindungen mit den Kreuzfahrern
wenigstens dem Scheine nach die Suprematie des Papstes
anerkannt und sich in mehreren Punkten dem lateinischen
Ritus anbequemt hatte: auf diese Bedingungen hin hatte der
damalige Herrscher Leo II. aus den Händen des Papstes die
Konigskrone erhalten (vgl. Le Quien I p. 1402. Ghamieh H
p. 216). Da Joannes YII. 1219 starb, so kann er mit keinem
gleichzeitigen Patriarchen von Alexandrien, weder dem mel-
chitischen noch dem jakobitischen, identificirt werden; seine
von Albericus angegebene Beförderung kann sich ebenso-
wenig auf das armenische Zweigpatriarchat oder richtiger
Episkopat in Aegypten beziehen, selbst wenn dieses damals
noch bestanden haben sollte^), da die Annahme desselben
1) Er ist UDS nur darch die Fatriarchengeschichte bekannt, in
der folgende Namen genannt Werden: Gregorios L, ein Nachkomme
522 VEBZEICHNISS
seitens des Katholikos von Sis ein Herabsteigen , keine Be-
förderung gewesen wäre: folglich kann es sich nur um eine
Tom Papste yolkogene Erhebung des Jonas zum Titular-
Patriarchen von Alexaudrien lateinischen Ritus' handeln^ wie
schon Sollier p. 85* ganz richtig mitgetheilt hat Die Ana-
logie der übrigen lateinischen Titularpatriarchate im Orient
weist fast mit Noth wendigkeit darauf hin, dass auch den
alexandrinischen ursprünglich wo nicht eine reale Basis, doch
wenigstens die bestimmte Aussicht auf eine solche zu Grunde
gelegen hat. Im Schoosse der jakobitischen Kirche Aegyptens
hatte sich einige Zeit vorher eine Reformbewegung ein-
gestellt, die bewusst oder unbewusst auf eine Annäherung
an die katholische Eirche hinauslief: im Jahre 890 Diocl.
=s 1174 unter dem Patriarchate des Markos III. trat Markos
ebn el- Eonbari mit seiner abweichenden Lehre von der
Beichte auf, musste aber schliesslich aus der jakobitischen
Eirche ausscheiden und ging zu den Melchiten über (Patri-
archengesch. bei Renaudot p. 550 ff.). Das Fehlschlagen der
Bestrebungen des Markos muss mit der Trennung der Jako-
biten von der katholischen Kirche gemeint sein, welche die
Acten des Concils von Florenz (bei Sollier p. 86*) erwähnen
und in das Jahr 900 Diocl. = 1184 setzen. Der von ihm
eingeschlagenen Richtung fehlte es aber auch nachher nicht
an Vertretern in den höchsten Ereisen der jakobitischen
Eirche. Beim Begräbnisse des Patriarchen Jonas II. im
Jahre 1216 war keiner seiner Bischöfe, sondern nur der
Bischof oder Patriarch der Melchiten anwesend, ein Umstand,
den Renaudot p. 567 sehr auffällig gefunden hat: er ist es
in der That ebenso sehr von seiner negativen, wie von seiner
Sennacheribs (also aus dem Eönigsgeschlecbte von Vasparakan),
SchweBtersohn des regierenden armenischen Patriarchen (d. i. Gre-
gorioB Vikajaser, Patr. 1065 — 1104), kam zwischen 1086 — 1088 nach
Aegypten (Renaudot p. 460 £f.) und lebte dort noch 1117 (ib. p. 491 f.).
— Gregorios IL, Verwandter des armenischen Königshauses, d. h. der
Kubeniden, Bruder des ägyptischen Vezirs Behräm, kam 1185 nach
Aegypten und starb dort (ib. p. 505). — Ananias, in Aegypten zu
seinem Nachfolger ordinirt, erschlagen 1187 (ib. p. 607). — Ein un-
genannter Bischof von Atfija, in Aegypten ordinirt 1187 (ib. p. 507).
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 523
positiven Seite: Melchitenpatriarch war aber damals jener
Nikolaos L, der durch seine intimen Beziehungen zu den
Päpsten bekannt ist. Fügt man zu dieser Thatsaehe noch
hinzu, dass die Erhebung des Jonas zwischen 1215—1219
erfolgt ist, also mit dem Beginn der laugen Yacanz des
Jakobitenpatriarchats zusammenfallt, so liegt die Yer-
muthung nahe, dass der Papst an das Letztere anknüpfte
und nach 1216 den Versuch machte, der monophysitischen
Kirche Aegyptens in der Person eines unirten Armeniers
einen Patriarchen zu geben und sie durch diesen der Curie
zu unterwerfen, wie dies mit der armenischen Kirche bereits
mit Erfolg unternommen worden war. Durch diese Annahme
würde sich auch das Bedenken Le Quiens (III p. 1143) er-
ledigen, wie sich die Creirung eines lateinischen Patriarchats
mit den freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Päpsten
und dem damaligen Melchitenpatriarchen Nikolaos I. vertrage;
denn man war in Folge der fast siebenhundertjährigen
Trennung längst gewohnt, die beiden alexandrinischen Patri-
archen, nicht jeden einzeln als Haupt der ägyptischen Christen-
heit, sondern nur als Patriarchen der betreffenden Beligions-
gemeinde zu betrachten. Eine passende Gelegenheit, jenen
Plan auszuführen, und ihm den nothigen politischen Rück-
halt zu sichern, bot die Invasion Aegyptens durch die Franken
und die Belagerung von Damiette im Juni 1218. Im folgenden
Jahre starb Joannes VIL, und in demselben erscheint Atha-
nasius von Clermont zum ersten Male als Patriarch latei-
nischen Ritus', ein Zusammentreffen, das geeignet sein dürfte,
die Angaben über ihn in ein besseres Licht zu setzen: die
von dem Kreuzheere in Aegypten gemachten Erfahrungen
mochten die Curie belehrt haben, dass sie sich hinsichtlich
der Stimmung der dortigen Jakobiten verrechnet hatte; sie
wählte deshalb bei der Wiederbesetzung der erledigten Stelle
keinen im Schoosse der monophysitischen Kirche erzogenen
Orientalen, sondern einen geborenen Lateiner und bezeichnete
damit unverhüllt als Zweck des Patriarchats die ägyptische
Mission, fdr deren Durchsetzung die Einnahme Damiettes, das
zwei Jahre (1219 — 1221) in den Händen der Franken blieb,
524 VEEZEICHNISS
günstige Chancen zu bieten schien. Als inzwischen die lange
Yacanz des Jakobitenpatriarchats mit der Ordination des
Eyrillos III. 1235 ihr Ende erreicht hatte, knüpfte Gregor IX.
(t 1241) mit dem neuen Patriarchen Verbindungen an, und
dieser ertheilte den an ihn geschickten Predigermonchen das
trügerische Versprechen, er wolle zur Eircheneinheit zurück-
kehren (Matthaeus Parisius). In Folge davon mag der 1237
von Kyrillos widerrechtlich ernannte Metropolit von Jeru-
salem durch die Franken in Schutz genommen worden sein
(Renaudot p. 580). Wahrscheinlich um diese freundschaft-
lichen Beziehungen nicht zu stören, sah die päpstliche Curie
nach Athanasius' Tode von einer Wiederbesetzung ihres
alexandrinischen Patriarchats ab, und fast möchte man
glauben, dass ihre Propaganda in der jakobitischen Kirche
sich vorübergehend eines grossen Erfolgs erfreut habe, da
der Patriarch Theodosios II. (1294 — 1300) ein Franke ge-
nannt wird. Papst Clemens V. trug sich mit neuen Hoff-
nungen einer Union der Jakobiten, über die Näheres nicht
bekannt ist (vgl. SoUier p. 85*). Erst als die Aussicht^ eine
stehende Eirchenprovinz Aegypten lateinischen Ritus' zu ge-
winnen, gänzlich geschwunden war, scheint die Curie den
Namen eines alexandrinischen Patriarchen als wohlfeiles Ge-
schenk für titelsüchtige Prälaten wieder hervorgesucht und
von den Zeiten des päpstlichen Exils in Avignon an ohne
Unterbrechung vergeben zu haben.
Die Namen der Titularpatriarchen aus älterer Zeit, welche
man zur Vermeidung von Verwechselungen kennen muss, sind
folgende:
Jonas oder Joannes I. von Bis, nach 1215 ernannt, f 1219.
8. Athanasius von Clermont, 1219. 1222.
Fr. Aegidius aus Ferrara, ord. Praedic, ern. 1310.
Oddo de Sala aus Pisa, ord. Praed., ern. 22. Mai 1322,
t 9. November 1323.
Joannes IL, Prinz von Aragon, ern. kurz vor 14. October
1328, t 19. August 1334.
Wilhelm von Chanac aus dem Limousin, ern. 1342,
t 3. Mai 1348.
DER PATRIARCHEN VON ALEXANDRIEN. 525
Humberty Dauphin von Viennois, ord. Praed., ern. An-
fang 1351, t 22. Mai 1355.
Arnaldus Bernardi de Montemajori, ein Franzose, wird
Cardinal 22. September 1368 (f 1369).
Joannes IIL, 26. Juli 1372. i)
Petrus I. Amelii de Brenaco aus dem Narbonnais, ord.
Eremit. S. Augustini, ern. nach 3. April 1393, wo er
zuletzt als Patriarch von Grado erwähnt wird (vgl.
Ughellus, Italia sacra, ed. 2. Venedig 1720. Tom. V
p. 1151), t gegen 1400.
Petrus II. Alexander, ern. 1400.
Leonardus Delfinus aus Venedig, ern. vor 27. August
1401.
ügo de Robertis de Tripoli aus Reggio, ern. 1402.
Simon de Cremeaux, ern. 1407 (vgl. Sammarthanorum
Gallia christiana I p. 782).
Petrus III. Aymericus aus Clermont, am 20. April 1405
noch als Erzbischof von Bourges erwähnt, f 1409
(vgl. Sammarthanorum Gallia christiana I p. 183).'*')
1) Hier schaltet Simonius einen Segninua I. und II. ein, die Beide
zugleich Erzbischöfe von Tonrs gewesen sein sollen. Allein es ist ein
und derselbe Seguin d*Authon gemeint, der aber Titnlarpatriarch nicht
von Alexandrien, sondern von Antiochien, auch nicht Erzbischof von
Tours, sondern Administrator perpetuus ecclesiae Turonensis gewesen
ist und als solcher gleichzeitig mit dem Erzbischöfe Guido de Boye
(1382. 1386) in den Jahren 1376. 1380 und noch 1394. 1395 (in welchem
Jahre er zweimal testirte) genannt wird. Vgl. Gallia Christiana cura
fratrum Sammarthanorum. Paris 1666, Tom. I p. 777 ff.
*) [Leider habe ich diese Abhandlung nicht im Manuscript
gelesen, sondern nur successive die einzelnen Druckbogen durch-
gesehen , zum Theil auf dem Lande. In Folge dessen ist die
Schreibung der orientalischen Namen ziemlich ungleichförmig ge-
blieben. Die ägyptischen Ortsnamen konnte ich nur zum kleinen
Theil verificiren; so auch manche Personennamen. Th. Nöldeke.]
XIV.
Recensionen und Anzeigen zar älteren Kirchen geschickte.
1*)
i877Zumpt, A. W., Das Geburtsjahr Christi. Geschichtlich-
chronologische Untersuchungen. Leipzig 1869. Teubner.
(XI, 306 S. gr. 8«.) 2 Thlr.
„Unser Sinn sträubt sich dagegen, eine Greuelthat, wie
es die Ermordung der Kinder war, als geschichtliche Thai-
sache anzunehmen: daher kommen die Zweifel so vieler Ge-
lehrten. Dennoch sind die Zeugnisse unwiderleglich: die
jüdische Geschichte um die Zeit von Christi Geburt ist voll
von Begebenheiten, die wir uns nur schwer als möglich
denken können. Es bleibt nichts übrig als . . . die Geschicht-
lichkeit von Matthäus' Berichte anzuerkennen.^^ Obgleich
diese zusammenfassenden Schlussworte einer Apologie des
Bethlehemitischen Kindermordes S. 229 zur Kritik dieses
Buches vollauf genügen, so wird es doch nothig, auf dessen
Inhalt näher einzugehen, da sich voraussichtlich die rabbini-
sche Exegese auf diese Arbeit eines Nichttheologen mit '
Vorliebe berufen wird. Mehr als dreihundert Seiten hat
der Verfasser gebraucht, um schliesslich genau zu denselben
Resultaten zu kommen, die kurz und bündig bereits vor
einigen 40 Jahren Ideler auseinandergesetzt hatte. In einem
einzigen Punkte weicht er von Ideler ab: er hat es möglich
gemacht, das einzige sichere Datum in der evangelischen
Chronologie, das fünfzehnte Jahr des Tiberius als Jahr des
Auftretens Jesu, wegzuinterpretiren. Dies sei nothig, weil
*) [Literarisches Centralblatt 1869 S. 1877—1381.]
ZÜMPT, GEBURTSJAHR CHRISTI. 527
es mit drei anderen Zeugnissen streite. Erstens mit dem
des Tertulliao^ dass Christus am 25. März im Jahre des
Consulats der beiden Gemini (29) gekreuzigt worden sei:
freilich sei der Tag gänzlich unhaltbar^ aber das Jahr müsse
man beibehalten, das Consulatsjahr könne nicht durch
Rechnung gefunden , müsse überliefert sein: ,,man setze
Mangel an allem gesunden Menschenverstände voraus, wenn
ifian annehmen wollte, die Leute, welche an Christi Taufe
in Tiberius^ fünfzehntem Regierungsjahre glaubten, hätten
durch irgend eine Berechnung eben dasselbe Jahr für seinen
Tod gefunden/' So steht S. 278, und daneben auf derselben
Seite die kurze Notiz, es sei eine weitverbreitete Meinung
der Eirchenschriftsteller gewesen, dass Christi Lehramt nur
ein Jahr gedauert habe. Das fünfzehnte Jahr des Tiberius,
nach jüdischer Weise vom 1. Nisan 28 gerechnet, ist eben
der ivtavTog xvgiov dsxrog^ und nach Ablauf desselben stirbt
Jesus am 15. Nisan 29: dieser aber fällt in das Consulat der
Gemini und nach römischer Datirung noch in das fünfzehnte
Jahr des Tiberius. Weiter ist auf derselben Seite zu lesen,
dass jene Ansicht (von der der Verfasser nicht weiss oder
nicht wissen will, dass sie in den ersten drei Jahrhunderten
der Kirche die allein herrschende gewesen ist) auch die desl378
Clemens von Alexandrien ist: Clemens ist aber älter als ^
Tertnllian. Und doch behauptet der Verfasser, TertuUian
stehe unabhängig da und sei für uns Quelle der Ueber-
lieferung über Christi Todesjahr! Zweitens stimme das
fünfzehnte Jahr des Tiberius nicht mit dem Johannes-
evangelium, welches beim ersten Passah nach Jesu Auf-
treten den Tempel 46 Jahre gebaut sein lässt. Sehr
richtig : der Tempelbau begann im achtzehnten Jahre des
Herodes, Nisan 20/Nisan 19 v. Ch., die 46 Jahre liefen also
am 1. Nisan 27 n. Ch. ab, mithin ist nach dieser Rechnung
Jesus im Jahre vorher, Nisan 26 /Nisan 27 aufgetreten,
welches nach jüdischer Rechnung das dreizehnte des Tiberius
i.st. Das Johannesevangelium hat also hier genau dieselbe
Differenz von zwei Jahren in Vergleich zu Lukas 3, 23, wie
in der angenommenen dreijährigen Wirksamkeit Jesu im
528 EECENSIONEN UND ANZEIGEN.
Gegensatz zu der einjährigen, welche die älteste Kirche aus
Lukas 4, 19 folgerte. Da der Verfasser des vierten Evan-
geliums sich gleichbleibt, so folgt, dass er von einer jene
herrschende Auffassung wiedergebenden Tradition, Jesus sei
im Nisan des neunundvierzigsten Jahres des Tempels =
29 n. Gh. gekreuzigt worden, ausgegangen ist und von dieser
die drei Jahre der Lehre zurückgerechnet hat: es sollte dies
eine Berichtigung der synoptischen Evangelien sein. Der
Widerspruch ist schlimm für das Johannesevangelium , aber
nicht für Lukas. Drittens soll Lukas sich selbst wider-
sprechen, indem er Jesus im ftmfzehnten Jahre des Tiberius
' ungeföhr 30 Jahre alt sein und doch bei Lebzeiten des
Herodes oder, wie Herr Zumpt ausrechnet, 7 v. Gh. geboren
werden lässt. Warum die ganz unbestimmt gehaltene
Schätzung m08l iziSv tQidxovta mit 32 Jahren vereinbar
sein soll, mit 34 Jahren aber nicht, ist nicht abzusehen.
Aus diesen vermeintlichen Schwierigkeiten bilft dem Ver-
fasser die klägliche Hypothese, dass Lukas die Jahre des
Tiberius von der Uebernahme der proconsularischen Gewalt
im Januar 12 gerechnet habe. Die Selbstgenügsamkeit des
Verfassers in kritischen Fragen kennzeichnet die S. 283 ge-
gebene Widerlegung des Einwandes, dass man im Alterthum
keinen anderen Regierungsanfang für Tiberius benutzt hat,
als den unmittelbar nach Augustua' Tode: „Man kann dies
zugeben, ohne die Folgerung, dass Lukas nothwendigerweise
von Augustus' Tode an gerechnet haben müsse, als richtig
anzuerkennen.^' Was nun die Stelle des Lukas über Christi
Geburt und die Worte avtr^ rj anoyQcifpii nQfozri iyivBxo
iiyeiiovsvovtog r^g IJvgiag KvqIvov betriflft, so wird S. 188
behauptet, bei der Erklärung, die Schätzung sei die erste
gewesen, welche überhaupt in Judäa gehalten wurde, lasse
man den Evangelisten unklar sprechen, und viel Staub wird
aufgewirbelt, um die Verschiedenheit dieser Schätzung von
I379der bekannten des Jahres 6 n. Gh. plausibel zu machen.
S. 19ß wird sogar ein erheiternder Beweis dafür aus Jose-
phos' Berichte über Judas den Galiläer abgeleitet: „Quirinius'
zweite Schätzung soll nach Josephus' Schilderung hart gewesen
ZUMPT, GEBURTSJAHR CHRISTI. 529
sein und einen Aufstand der Juden verursacht haben; folg-
lich war die erste, mochte sie auch an sich drückend sein^
doch milder als die zweite/' Natürlich wird weiter yon der
Entdeckung einer früheren Statthalterschaft des Quirinius,
die vom Verfasser zwar mit zum Theil falschen Gründen
bewiesen wird, die aber doch nicht zweifelhaft ist, Gapital
gemacht. Aber Quirinias war in den Jahren 3 — 2 v. Ch.
Statthalter von Syrien, während Jesus 7 v. Ch. geboren sein
soll, und erstaunt fragt man, was denn damit für Lukas
gewonnen* sei? Doch der Verfasser weiss auch hier Rath:
das von Lukas erwähnte Gebot des Kaisers Augustus, sich
schätzen zu lassen, sei bereits im Jahre 27 v. Gh. erlassen
worden, und in ähnlicher Weise bestehe zwischen der Schätzung
und der Geburt Christi nur ein Verhältniss der Veranlassung,
nicht der Zeit. „Hieraus ergiebt sich" — schliesst er S. 210
— ^die HinßLUigkeit des Schlusses, wenn man daraus, dass
Christus zur Zeit der Schätzung geboren worden sein soll
und diese Schätzung P. Quirinius^ Statthalterschaft zuge-
schrieben wird, folgert, Christus sei unter Quirinius' Statt-
halterschaft geboren. Lukas, der diese Verhältnisse wohl
kannte, sagt das nicht, und daraus, dass er es nicht sagt,
darf man vermuthen, dass er es nicht sagen wollte, dass
eine andere Ausdrucksweise ihm zweckmässiger erschien. Er
wollte nicht die Zeit der Geburt Christi bestimmen, sondern
die zu jener Zeit gehaltene Schätzung näher bezeichnen.^' Ist
das Pietät, wenn man die eigene Gewohnheit, sich verworren
auszudrücken, durch exegetische Gaukeleien dem Evangelisten
andichtet? Auf diesem Wege kommt der Verfasser glücklich
zu dem Idelerschen Resultate, dass Jesus unter Sentius Satur-
ninus 7 v. Ch. geboren sei. Dazu muss in letzter Instanz
der Stern der Magier und die Wiederaufwärmung des Eep-
lerschen Einfalls verhelfen, dass dieser Stern eine Conjunction
von Jupiter und Saturn im Sternbilde der Fische gewesen sei.
Bekanntlich hatte sich auch Ideler, um wenigstens irgend ein
bestimmtes Jahr namhaft machen zu können , jenen nicht
eben sehr kritischen Ausweg gefallen lassen. Neu aber und
dem Verfasser durchaus eigenthümlich ist die chronologische
T. GuTBCHMiD, Kleine Schriften. H. 34
530 . RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
Tüftelei S. 804, die YoUig sinnlos sein würde, läge ihr nicht
die Voraussetzung zu Grunde, dass Jesus an keinem anderen
Tage, als am 25. December geboren sein könne. Welche
Tiefe entweder der Gläubigkeit oder der Unwissenheit! In
dem endlosen Gerede des Verfassers über die Schätzung beim
Lukas haben wir nur ein Goldkömchen gefunden, S. 181:
„Wenn er sagt, die Schätzung sei geschehen unter Quirinius'
Statth alter schafk, so ist das nicht eine blosse Zeitbestimmung:
sie wäre unzweckmässig, wenn Syriens Statthalter nichts mit
Judäa, nichts mit seiner Schätzung zu thun geUabt hätte,
sondern es liegt darin die Andeutung einer wesentlichen
Theilnahme des Statthalters an derselben.^' Ein neuer Be-
weis dafür, dass Lukas an. keine andere Schätzung als die
des Jahres 6 n. Ch. gedacht hat: dem Verfasser freilich
wird jenes richtige Gefühl nicht ein Mittel zur Erkenntniss
des wahren Sachverhalts, sondern eine Brücke, um auch an
anderen Stellen der Evangelien eine Erwähnung des syri-
schen Statthalters zu vermissen und S. 263 einen Beweis
a silentio anzutreten, dass Jesus zu einer Zeit, als kein
römischer Statthalter in Syrien gewesen, gekreuzigt worden
sei, also zur Zeit des in Rom residirenden Aelius Lamia
und vor 32. Was der Verfasser überhaupt aus den Worten
des biblischen Textes heraus und in diesen hineinzulesen
versteht, streift an das Unglaubliche: die Enthüllungen^ was
alles in den harmlosen Worten Lukas 3, 1 xal jivöaviov tfjg
*j4ßiki]vrjg TSXQaQxovvrog liegen soll (S, 298) lassen auch das
Stärkste, was das Seder Olam Rabba in diesem Fache ge-
leistet hat, hinter sich.
Man erstaunt über den grellen Contrast zwischen dem
Inhalte des Buches und dem in der Widmung vorangestellten
löblichen Grundsatze, dass bei einer solchen Untersuchung
die volle Freiheit, wie sie die Wissenschaft fordert, nur durch
I380die Besonnenheit der Forschung zu beschränken sei (S. VI),
der Klage, dass man bei der Beurth eilung den geschicht-
lichen Standpunkt dem dogmatischen dienstbar zu machen
gesucht habe (S. 14), und wiederholten Aeussernngen ähn-
licher Art. Sieht man jedoch näher zu, so findet man,
ZÜMPT, GEBURTSJAHR CHRISTI. 531
dass dergleichen auf Strauss gemüDzt ist, und dass der Ver-
fasser sein Lieblings wort ,, besonnen'' in allen den Fällen
verwendet^ wo der gewöhnliche Sprachgebrauch dafür ,,un-
kritiscV sagt. Im Uebrigen genüge die Bemerkung, dass
der Verfasser^ der nicht Anmerkungen genug machen kann,
um den Gegensatz seiner „besonnenen^' Forschungen zu den
Mommsenschen zu constatiren, dem elenden Machwerk des
Herrn Gerlach über die romischen Statthalter in Syrien und
Judäa das Lob spendet, es sei „ein Versuch, die Frage auf
das Gebiet der rein geschichtlichen Forschung zurückzuführen.''
Ein Streben nach Gründlichkeit und Unparteilichkeit ist in
dem längsten und yerhältnissmässig am besten gearbeiteten
zweiten Abschnitte über die Schätzung nicht zu verkennen,
in welchem alle möglichen und unmöglichen Combinationen,
mit denen man eine Schätzung in Judäa bei Lebzeiten des
Herodes zu rechtfertigen gesucht hat, der Reihe nach durch-
genommen und als unhaltbar dargethan werden, um das Feld
für seine eigene, freilich ebensowenig bewiesene, Hypothese
frei zu machen, dass die Schätzung nach jüdischen Grund-
sätzen geschehen sei und sich auf die Kopfsteuer bezogen
habe. Nur Schade, dass dabei das Nächstliegende, die Vor-
frage, ob überhaupt eine solche Schätzung unter Herodes
stattgefunden habe, gar nicht erörtert worden ist. Davon,
dass jeder geschichtlichen, ganz besonders jeder chronologi-
schen Untersuchung die Feststellung des Werthes der Quellen
vorausgehen muss, hat der Verfasser keine Ahnung. Hielt
ihn die Pietät vor der heiligen Ueberlieferung davon zurück?
Wir haben es bisher angenommen und hierin eine gewisse
Entschuldigung für seine vollendete Kritiklosigkeit gesehen.
Blickt man jedoch auf andere Seiten seiner Arbeit, so wird
diese Erklärung sehr problematisch. Macrobius hat Sat. II, 4
Folgendes aus zwei disparaten Elementen drollig zusammen-
geschweisste Geschichtchen: ^Cum audissef inter pueros, quos
in Syria Herodes, rex ludaeorumy inira bimattim iussit inter-
fici, filium quoque eins occisum, ait: melius est Herodis per cum
esse quam filium,^ »Nur dadurch" — erfahren wir S. 228 —
^dass man Macrobius unbegreifliche Erdichtungen aufbürdet,
34*
532 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
kann man die von Matthäus anabhängige Quelle^ aus der er
schöpfte, leugnen... Dass Herodes nach der Sitte orientali-
scher Könige ausser den uns bekannten Söhnen noch manche
andere hatte und einer derselben bei der allgemeinen Er-
mordung bethlehemitischer Kinder umkam, ist an sich nicht
unwahrscheinlich." Und welche Kindlichkeit der Auffassung
prägt sich aus in dem Grunde, mit dem S. 151 die Genauig-
keit einer unklaren Notiz Gassiodors über den Augusteischen
Census bewiesen werden soll: „weil Cassiodor alle Wissen-
schaften seiner Zeit umfasste und mit besonderem Eifer die
Geschichte und Alterthümer seines Volkes trieb, die er in
den Erlassen, welche er im Namen des Königs Theodorich
schrieb, amtlich verwendete!" Nicht genug. S. 113 werden
sogar die Censuslisten Von Servius Tullius an gegen Zweifler
in Schutz genommen: kurz, überall auch auf profanem Gebiete
dieselbe Uokritik, derselbe Köhlerglaube jeder auch noch so
schlechten Ueberlieferung gegenüber. Und die absurde Er-
klärung, die S. 182 von den Worten contra imbelles regis
copias bei Tac. Ann. VI, 41 gegeben wird, beweist, dass die
Exegese des Verfassers in profanen Texten ebenso Unglaub-
liches zu leisten im Stande ist, wie da, wo es gilt, den
Buchstaben der Evangelien zu retten.
Dem Inhalte des Buches entspricht die Form. Fast die
Hälfte desselben beschäftigt sich mit Untersuchungen über
den römischen Census, für diese eine Bibelstelle zum Aus-
gangspunkte nehmend, die im günstigsten Falle Aufklärung
von jenen Untersuchungen erhalten kann, nicht aber um-
gedreht: zum eclatantesten Beweise, dass auch heute die
Philologie noch nicht ganz aufgehört hat, als Magd der
Theologie dienstwillig die Schleppe zu tragen. Aber jene
iSSlUntersuchungen allein haben das Buch nicht so dick gemachi^
vielmehr in erster Linie eine grenzenlose Breite und zweck-
lose Weitschweifigkeit, die der Verfasser für Gründlichkeit
zu halten scheint Zum Beispiel, dass Kappadokien erst 17
n. Ob. römisch geworden ist, ist eine bekannte Thatsache,
die noch nie Jemand bestritten hat: trotzdem verschwendet
der Verfasser S. 56, wo er apagogisch beweisen will, dass
ZÜMPT, GEBÜETSJAHB CHRISTI. 533
nur Syrien die Provinz des Quirinius gewesen sei, eine halbe
Seite; um zu zeigen ^ dass er nicht Statthalter von Kappa-
dokien gewesen sein könne. Die Ansicht einiger Eirchen-
yäter^ dass zur Zeit Yon Christi Geburt auf der ganzen Welt
Friede geherrscht habe, wird angeführt und als unhistorische
Erfindung verworfen: nachdem dieses Thema auf zwei Seiten
durchgesprochen worden und der Leser zu hoffen anfangt,
es sei nun genag leeres Stroh gedroschen, wird er S. 234
enttäuscht durch das Aufwerfen der Frage, ,,ob nicht trotz-
dem um die wahrscheinliche Zeit der Geburt Christi Friede
im romischen Beiche geherrscht hat?'^ die dann auf weiteren
acht Seiten erörtert wird. Störender noch als die ermüdende
Breite und zahlreiche Wiederholungen ist das Unvermögen
des Verfassers, sich klar und präcis auszudrücken. S. 26 und
sonst verbreitet er sich wiederholt und mit Wohlgefallen über
eine Lücke, die gerade um Christi Geburt in der Geschichte
des Josephos sei. Entweder ist damit nur gesagt, was Jeder
von selbst sieht, dass mit dem Ende des Jahres 4 v. Ch.
Josephos' Nachrichten von grosser Ausführlichkeit zur ausser-
sten Spärlichkeit herabsinken: dann wird eine leere Phrase
breitgetreten, die nichts erklärt; oder der Ausdruck ist buch-
stäblich zu nehmen, und dann ist damit eine arge Thorheit
gesagt, da die „Lücke'' sich sowohl in den Alterthümern wie
im Jüdischen Kriege findet Jene Verschwommenheit des
Ausdrucks hat zur Folge, dass der Verfasser nicht selten
trotz seiner demonstrirenden Manier gegen die Logik zu
Verstössen scheint. Oft, wie gesagt, mag dies blosser Schein
sein; es bleiben aber genug Stellen übrig, wo mau den Ver-
fasser von dem Vorwurfe nicht freisprechen kann: sich in
petitiones principii zu bewegen oder sich selbst zu wider-
sprechen. Die Beweise sind schon in den oben angeführten
Beispielen gegeben worden, zu deren Ergänzung dieses Eine
genügen möge: S. 146 ist der ziemlich unnöthige Beweis
geführt worden, dass mit olxov^avrj bei Lukas das römische
Beich gemeint sei, aber schon S. 150 wird als Grund dafür,
dass eine Notiz Cassiodors von Lukas unabhängig sei, gel-
tend gemacht, dass Lukas von einer Schätzung der bewohnten
534 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
Erde, Cassiodor vom römischen Reiche spreche. Sollen wir
unser Urtheil zusammenfassen, so lautet es dahin ^ dass das
Buch in jeder Beziehung als Muster dienen kann, wie man
eine chronologische Untersuchung nicht fQhren soll.
2.*)
279Lipsias, Rieh. Adalb., Die edesseuische Abgar-Sage
kritisch untersucht. Braunschweig 1880. Schwetschke
und Sohn. (92 S. gr. 8^) M. 2, 40.
Ein weitverzweigter, sehr verschiedene Elemente in sich
aufnehmender und im Laufe seiner Ausbildung diese Ele-
mente in mannigfachster Yerschlingung untereinander auf-
zeigender Sagenkreis ist es, welchen der um Aufhellung der
ältesten christlichen Legenden -Literatur hochverdiente Ver-
fasser aus Anlass von C. A. Hases fünfzigjährigem Professor-
Jubiläum kritisch untersucht hat: die Edesseuische Abgar-
Sage und die mit ihr in Verbindung stehenden Sagen.
Die Ergebnisse seiner umsichtigen, durchweg überzeugenden
Prüfung sind die folgenden. Die älteste Legende ist die von
dem Briefwechsel zwischen König Abgar üchama und Chri-
stus, und die mit ihr untrennbar verbundene von der Be-
kehrung Abgars durch Addäus. Am vollständigsten ist sie
erhalten in der syrischen Doctrina Addaei, am ursprünglich-
sten in der Eirchengeschichte des Eusebios, der aus einer
syrischen, im Edessenischen Archive aufbewahrten Auf-
zeichnung der Legende geschöpft hat, welche letztere nicht
früher ah unter dem ersten christlichen Könige Abgar Se-
verus entstanden sein kann, wahrscheinlich aber auch nicht
später, da das Interesse, die ersten Anfänge des Christen-
thums in Edessa an die Apostelzeit anzuknüpfen, natürlich
alsbald mit der Bekehrung erwachen musste (S. 11). Aber
Eusebios hat jene Aufzeichnung direct benutzt, nicht durch
*) [Literarisches Centralblatt 1881 S. 279 -282.]
LIPSIÜS, DIE EDESSENISCHE ABGAK-SAGE. 535
das Medium der Docirina Jdäaei. Yielmehr stellt der Text
des Briefes in der Doctt^ina eine jüngere Sagengestalt dar:
die zuerst in einem Briefe des Comes Darius an Augustin
(ep. 230) bezeugte Yerheissung der Uneinnehmbarkeit der
Stadt Edessa ist hinzugetreten, der Schnellläufer (tabellarius)
ist zu einem Archivar (iabularius) befördert^ die schriftliche
Antwort Christi aus dogmatischen Gründen in eine münd-
liche verwandelt worden. Zu demselben Resultate führt eine
Yergleichung der Bekehrungsgeschichte, die von Eusebios nur
auszugsweise mitgetheilt worden ist, mit den entsprechenden
Abschnitten der JDoctrina Addaei. Was diese Eigenes hat,
sind spätere Erweiterungen der ursprünglichen Legende: die
Sage von der Mission in Assyrien hat ursprünglich mit der
Abgar-Sage nichts zu thun; der Briefwechsel Abgars mit
Tiberius ist aus der Angabe der Acten, wie sie dem Eusebios280
vorlagen, ausgesponnen, dass Abgar, um nicht römisches
Gebiet zu verletzen, von seinem Vorhaben, die Juden für die
Kreuzigung Christi zu bestrafen. Abstand genommen habe,
und scheint überdies im Texte B des syrischen Transitus
Mariae in relativ ursprünglicherer Form vorzuliegen als in
der Docirina Addaei; endlich die Sage von Aggäus ist nichts
als eine Doublette der Sage von seinem Lehrer Addäus.
Moses von Ehoren hat den Eusebios (durch den ihm
auch die Angabe TertuUians von dem Antrage des Tiberius
beim Senate, dass Christus gottliche Ehren erwiesen würden,
vermittelt worden ist) und die armenische Uebersetzung der
Docirina Addaei nebeneinander benutzt; was er noch darüber
hat, beruht theils auf Kunde der Legende von der Predigt
des Apostels Simon in Persien ^ theils ist es eigene Com-
position. Zwischen Eusebios und Moses liegt die Docirina
Addaei, über deren Entstehungszeit Genaueres der enge
Zusammenhang ergiebt, in dem sie mit den Acten der
heiligen Scharbil und Barschamja steht. Entscheidend für
diesen sind, von allen anderen Punkten abgesehen, nament-
lich die beiden Schriften gemeinsamen Notizen, erstens, dass
Palut vom Antiochenischen Bischöfe Serapion* (c. 190 — 210),
dem Zeitgenossen des römischen Zephyrinus, zum Bischöfe
536 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
von Edessa ordinirt worden sei, und zweitens, dass trotzdem
derselbe Palut zu einem Schüler des Apostels Addäus gemacht
wird. Der gleiche chronologische Widerstreit setzt sich in
den Acten darin fort^ dass sie Paluts zweiten Nachfolger
Barschamja in den Tagen des romischen Bischofs Fabianus
(Märtyrers unter Decius 250) leben und ihn trotzdem in der
Trajanischen Verfolgung Confessor werden lassen, gerade wie
die Doctrina Addaei ihn noch zum Schüler des Addäus macht.
Treffend hat Lipsius S. 8 ff. nachgewiesen, dass die Ordination
des Palut durch Serapion von Antiochia eine geschichtliche
Thatsache ist, die den ersten christlichen Bischof von Edessa
gerade in die Zeit des nachweislich ersten christlichen Königs
Abgar Severus bringt, und dass die noch sehr durchsichtige
Verbindung, in die Palut mit dem Apostel Addäus gesetzt
wird, sammt dem Einrücken des Abgar Uchama in die Stelle
des Abgar Seyerus nur dem bekannten katholischen Interesse,
die bischöfliche Succession bis auf die Apostelzeit zurückzu-
führen, ihren Ursprung verdankt, und dass im Zusammen-
hange damit Barschamja in die Verfolgung des Trajanus
28lhinaufgeschoben worden ist, während er in die des Decius
gebort (sollte hier nicht auch mit hineingespielt haben, dass
Trajanus einer der Namen des Decius ist?). So einleuchtend
das ist, so ist es doch nicht minder einleuchtend, dass eine
solche Verschiebung erst geraume Zeit nach den verschobenen
Begebenheiten möglich wurde; da hinzukommt, dass die Acten
des Scharbil und Barschamja die Diocletianische Verfolgung,
das Nikänische Symbol und in der Legende von der ver-
suchten Wegführung d^r Gebeine des Petrus und Paulus
durch Fremdlinge aus dem Orient sogar den Vatican als die
einzig legitime Begräbnissstätte des Petrus voraussetzen, so
ergiebt sich, dass die Acten und folglich auch die Doctrina
Addaei nicht vor etwa 360 n. Gh. entstanden sein können:
ansprechend sucht der Verfasser S. 51 ihre Entstehung in
den Kreisen des heiligen Ephrem.
Bei Allen ausser Eusebios ist mit der Bekehrungs-
geschichte des Abgar schon verschmolzen die Sage vom
wahren Bilde Christi, das derselbe dem Könige übersendet
LIPSIUS, DIE EDESSENISCHE ABGAR-SAGE. 537
habe. Sie soll den Ursprung eines schon im vierten Jahr-
hundert vorhandenen Edessenischen Ghristusbildes erklären,
weiss aber in ihrer ältesten Form in der Doctrina Addaei
noch nichts von einer wunderthätigen Heilkraft desselben;
von dieser und dem dadurch nothwendig werdenden über-
natürlichen Ursprünge des Bildes berichtet erst die jüngere
Edessenische Legende, die uns am frühesten in den nicht
vor dem fünften Jahrhundert entstandenen griechischen Acten
des TliaddäoS; am ausführlichsten in der von dem Verfasser
zuerst analysirten und in Auszügen mitgetheilten 'E7Cc6tokii
j4vyaQ0v des Cod. Vindob. 315 entgegentritt Aus einer Ver-
schmelzung dieser jüngeren Form der Edessenischen Sage mit
der Geschichte von der Bildsäule Christi in Paneas ist die
lateinische Veronica-Sage hervorgegangen, deren Entstehungs-
zeit frühestens in das fünfte, vielleicht erst in das sechste
Jahrhundert zu setzen ist; die älteste Gestalt, in der sie
auf uns gekommen ist, findet sich in der Mors Pilati,
Endlich ist mit der Abgar-Sage in der Doctrina Addaei,
wennschon ganz äusserlich, auch noch die Sage von der Auf-
findung des Kreuzes Christi durch Protonike verbunden. Auch
von ihr giebt.es ein lateinisches Seitenstück in der Sage von
der Ereuzauffindung durch Helena; diesmal aber ist diese die
ursprünglichere. Die Sage von der Kreuzauffindung lässt sich
nicht über die Mitte des vierten Jahrhunderts hinauf ver-
folgen; dafür, dass Helena mit ihr in Verbindung gebracht
wird, ist der heilige Ambrosius in der Rede auf den 395
verstorbenen Theodosius unser ältester Zeuge. In dieser
Form ist sie in den Orient gedrungen und hat hier zwei
verschiedene Bearbeitungen erfahren, die eine in den (mit
den Acten des Silvester eng zusammenhängenden) Acten des
Cyriacus etwa aus dem Anfange des fünften Jahrhunderts,
der jüngsten Form der Helena- Sage, in der aber die histo-
rische Persönlichkeit der Mutter Constantins noch festgehalten
worden ist, und eine zweite, vielleicht ein wenig ältere, in
welcher Protonike (oder Petronike oder ähnlich), die Frau
des Kaisers Claudius, ihre Stelle eingenommen hat. Bei dem
noch nicht befriedigend erklärten Namen denkt der Verfasser
538 BECENSIONEN UND ANZEIGEN.
an eine symbolische Bezeichnung derjenigen, an der sich
zuerst der Sieg des Kreuzes erprobt habe: sollte nicht viel-
mehr eine absichtliche Verhüllung der historischen Beziehungen
vorliegen und IlQBxtavixri^) der wahre Name eein^ gewählt,
um die Mutter des aus Britannien gekommenen Constantin
anzudeuten, gleichwie in dem ihres Mannes Claudius sich die
Erinnerung an Claudius IL, den Ahnherrn des Constantini-
sehen Hauses, mit der an den ersten Eroberer Britanniens
verschmilzt? — Diese Analyse wird genügen, um einen
Begriff von dem reichen Inhalte der vorliegenden Schrift
zu geben, die nicht bloss um der Ergebnisse selbst willen,
sondern ebenso sehr wegen der musterhaften kritischen
Methode, durch welche diese gewonnen worden sind, und
282wegen des Lichtes, das durch sie auf das Ganze der älteren
christlichen Legenden -Literatur fallt, unsere lebhafkeste An-
erkennung verdient.
3.*)
75Hamaok, Adolf, Die Zeit des Ignatius und die Chrono-
logie der autiochenischen Bischöfe bis Tyrannus
nach Julius Africanus und den späteren Historikern.
Nebst einer Untersuchung über die Verbreitung der
Passio S. Polycarpi im Abendlande. Leipzig 1878.
Hinrichs. (III und 92 S. gr. 8^.) M. 3. —
Die Frage nach der Echtheit der Briefe des heiligen
Ignatios, die nicht wohl vor Ende der Regierung Hadrians
geschrieben sein können, deren Schreiber aber nach der
kirchlichen Tradition unter Trajan Märtyrer geworden ist,
führte den Verfasser auf eine Prüfung der Grundlagen dieser
Tradition. Als durch Zahn erwiesen setzt er dabei voraus,
1) Das späte Imgebrauchsein der Form mit 17 ist durch Marcian
von Herakleia gesichert.
*) [Theologische Literatnrzeitmig 1880 S. 76—86.]
HAENACK, DIE ZEIT DES IGNATIÜS. 539
dass die beiden erhaltenen Martyrien des heiligen Ignatios
Yon Eusebios abhängig sind, und wendet sich sofort der
Untersuchung der von Eusebios im Chronikon gegebenen
Chronologie der Antiochenischen Bischöfe zu.
Auch wir können deshalb die Frage, ob die Daten der
Martyrien aus Eusebios allein erklärbar sind, hier auf sich
beruhen lassen, vermögen aber unsere Bedenken dagegen
nicht zu unterdrücken, dass der Verfasser auch andere
Behauptungen Zahns yon vornherein als gegeben nimmt,
namentlich, dass er den Satz aufstellt, es scheine, als habe
Eusebios für den Amtsantritt des Ignatios ein überliefertes
Datum besessen, während ihm ein solches für das Jahr des
Martyriums fehlte, sich dafür auf die Worte Zahns berufend:
„nur im Zusammenhange der Erwähnung der Verfolgung
unter Trajan wird das Martyrium des Ignatius neben dem
des Simeon angeführt, aber ebensowenig zu diesem, als zu
dem darnach erwähnten Berichte des Plinius in ein chrono-
logisches Verhältniss gestellt ^^ (Ignatius von Antiochien
8. 57 f.). Der zufällige Umstand, dass unsere Texte zwi-
schen der Erwähnung des Martyriums des Simeon und den
Worten „itidem [et Ignatius] Antiochensium episcopus^^ statt
eines Kommas einen Punkt setzen, kann doch nicht das
Geringste an der Thatsache ändern, dass Eusebios, über
dessen Auffassung ein Zweifel nicht möglich ist, die dem
Lemma vorangestellten Worte „Traiano adver sus Ühristianos
persecutionem movente^* auf beide Hälften desselben hat be-
zogen wissen wollen. Aber auf diese vermeintliche Lücke
in den Angaben des Eusebios kommt der Verfasser wieder-
holt zurück und setzt sogar in der aus ihm S. 11 zusammen-
gestellten Bischofsliste den Amtsantritt des Heron statt 2123 76
9,post 2123''; schon dass eine solche Ausnahme nicht bloss
in dieser einen Liste, sondern im ganzen Kanon des Eu-
sebios einzig dastehen würde, hätte ihn, meinen wir, an der
Richtigkeit seiner Prämisse irre machen müssen. Der Sach-
verhalt ist hiermit geradezu auf den Kopf gestellt worden:
Eusebios macht von der Regel, bei den Antiochenischen
Bischöfen nichts als Namen, Ordnungszahl und Jahr der
540 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
Einsetzung zu nennen^ nur zwei Ausnahmen, bei Heron und
Domnos. Unter dem Jahre 2123 steht: „Traiano adversus
Christianos persecutionem movente . . . Uidem [et Ignatius] An-
tiochensium episcopus martyrium passus est, post quem IlL
Antiochensium episcopus constitutus est Eron", und 2283:
„Polus Samosatenus sanos canones resciäit et Artemonis haere-
sim renovavtt, in cuius deiecti locum sufficitur XVL episcopus
Domnus*', Also waren ihm gerade über den Märtyrertod des
Ignatios und die Absetzung des Paulos, und nur über diese,
besondere Angaben überliefert. Wenn der Verfasser S. 12
eine weitere Unsicherheit in Bezug auf den Amtsantritt des
Fabius findet, von dem es zum Jahre 2270 heisst: „Aniio-
chenorum ecclesiae XII. episcopus constitutus est Babilas, post
quem XII L Fabianus", so scheint mir in einer Liste, bei
welcher der Schriftsteller nicht, wie bei der der Bischöfe
Ton Jerusalem, auf chronologische Einreihung der einzelnen
Namen geradezu verzichtet hat, nur zwischen zwei Möglich-
keiten die Wahl zu sein: soll die Liste nichts als die un-
gefähre Blüthezeit der einzelnen Bischöfe vermerken, so muss
hier dem Eusebios ausnahmsweise eine Angabe vorgelegen
haben, dass Babylas nur kurze Zeit Bischof gewesen ist;
macht sie dagegen den Anspruch, die wirklichen Antritts-
jahre zu geben, so kann die Verzeichnung des Fabius unter
gleichem Jahre mit Babylas nach stehender Sitte der Ohro-
nographeii nichts Anderes bedeuten, als dass des Letzteren
Amtszeit weniger als ein Jahr gedauert hat. Die Stelle
enthält also über das, was im Sinne des Eusebios die Epoche
des Fabius ist, keine Unsicherheit, hingegen eine sehr posi-
tive Aussage über Babylas.
Nicht diese von einer inneren Kritik der Eusebiosschen
Liste hergenommenen Bedenken, wohl aber die Widersprüche,
welche eine Prüfung derselben an sicheren anderweitigen
Angaben aufdeckt^), berechtigen den Verfasser zu seinen
1) Unter diesen würde ich jedoch nicHt, wie S. 14 geßchehen ist,
die Ansetzung des Asklepiades, der noch während der Yerfolgang
nnter Severus Bischof geworden iat, unter dem ersten Jahre des Cara-
calla aufgeführt haben: diesem wird zwar das Jahr 2228 Arm. (2227
HARNACK, DIE ZEIT DES IGNATroS. 541
Zweifeln an ihrer Anthenticitat. Er führt nun S. 15 ff. den
überraschenden Nachweis , dass in der Bischofsliste des Eu>
sebios bis auf Sarapion und Philetos jeder Antiochenische
Bischof vier Jahre , d. h. eine Olympiade, nach dem ent-
sprechenden römischen^ von Asklepiades und Zebennos an
jeder Antiochener ein Jahr vor dem Römer sein Amt an-
tritt. Diese schematische Anordnung könne als Ganzes
nicht das Werk des Eusebios sein, weil er sich dann wohl
mit der Aufstellung eines einzigen Schemas begnügt haben
würde und weil seine Bemerkung über die Jerusalemische
Bischofsliste zum Jahre 2200 auf den Besitz chronologischer
Ansätze für die Antiochenische schliessen lasse; vielmehr sei
das zweite Schema sein eigenes Werk, das erste sei, da der
Antritt des Philetos, des letzten Bischofs, bei dem es sich
angewendet finde, in das Jahr 215 n. Cb. gesetzt werde,
aus der Chronographie des damals schreibenden Africanus
herübergenommen. Daraus folge weiter, dass auch die Reihe
der römischen Bischöfe bis Callistus, nach der die Antio-
chenische Liste zurecht gemacht ist, aus Africanus stammen
müsse. Der Verfasser macht sich hier selbst den Einwurf,
dass die Harmonie beider Listen schwinde, sobald man von
den Ansätzen nach Jahren Abrahams absehend die römische
Bischofsliste nach den Amtsjahren, auf welchen jene Ansätze 77
beruhen, reconstruirt, aber nur, um die Consequenz zu ur-
giren, dass Eusebios aus Africanus nicht bloss die Liste
entlehnt, sondern auch die Ansätze aus den seinigen um-
gerechnet haben müsse. Endlich glaubt der Verfasser auch
eine gewisse Beziehung zwischen den Antrittsjahren der
alexandrinischen und der römischen Bischöfe nachweisen zu
können, indem beide immer durch Zwischenräume von 1, Vf^
oder 2y2 Olympiaden voneinander getrennt seien, und folgert
daraus, dass auch die alexandrinische Liste aus Africanus
herübergenommen sei. Nur bei den Bischöfen von Jerusalem
Iiat.) von EnsebioB und Hieronymus gleichgesetzt, nacli der richtigen
Gleichung entspricht es aber dem nachchristlichen 210 oder 209,
welche beide noch unter Seyerus fallen.
542 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
sei keine derartige Beziehung wahrzunehmen^ diese sei dem
Eusebios aus anderer Quelle zugekommen.
Die Deductionen des Verfassers sind glänzend und wer-
den als anregendes Ferment ffir jede weitere Forschung
ihren Werth behalten, auch wenn die Entdeckung in mancher
Hinsicht der Einschränkung bedarf und von den weittragen-
den Folgerungen, die an sie geknüpft worden sind, kaum
alle die Probe bestehen dürften.
Am misslichsten sieht es aus mit der Goncordanz zwi-
schen der alexandrinischen und der römischen Bischofsliste.
Auch der Verfasser kann sie nur dadurch herstellen, dass
er von den neun in Betracht kommenden Epochen zwei
ändert und ein Mal ein Jahr Abrahams ergänzt, das weder
mit dem des Hieronymus, noch mit dem aus der Berechnung
der Amtsjahre sich ergebenden stimmt. Hält man sich an
die überlieferten Zahlen des armenischen Textes, nur die
Epoche des Markos in der zuletzt angegebenen Weise er-
gänzend, und vergleicht man, was das einzig Zulässige ist^
die einander am nächsten liegenden Antrittsjahre in
beiden Reihen, so ergeben sich die Abstände von — 5,
— 4, +3, +5, — 4, — 3, +6, +3, — 4 Jahren,
so dass jeder Schimmer eines synoptischen Schematismus
schwindet. Das Schema der Zeitrechnung der alexandrini-
schen Bischöfe, wie es in beiden Werken des Eusebios vor-
liegt, ist, wenn man sich nur erinnert, dass die alten Chrono-
graphen in einem solchen Schema die runden Grundzahlen
desselben selten in ihrer ganzen Ursprünglichkeit hinstellen,
sondern durch Addition und Subtraction von ein, zwei, auch
wohl drei Einern so zu variiren pflegen, dass sie wie
Klammern übergreifen und ineinander haken, durchsichtig
genug :
HARNACK, DIE ZEIT DES IGNATIUS.
543
Arm.
•
Lat.'
)
2048.
2047.
2057.
2069.
(ist) (soll sein)
(ist) (soll sein)
2077.
2078.
2078.
2077.*)
2099.
2100.
2100.
2099.'j
2113.
2113.
2112.
2124.
2122.
2123.
2136.
2186.
2147.*)
2146.
• « . •
2160.
2159.
2171.
2170.
2169.
2186.
2184.
2182.
2183.
2197.
2196.
2196.
2206.
2205.
2260.
2249.
2247.
2248.
2266.
2266.
2264.»)
2282.
2281.
2302.
2300.
2299.
• • • •
2319.
2320.
2318.
(von Christi Kreu-
zigung 9 J.)
(von der Predigt
Markos d. Evan-
gelisten in Ale-
xandria 20 J.)
61
1. AnianoB 22 J
2. Abilios 13 J. l=-j
3. Kerdon 11 J. i24l
4. Primos 12 J. 1 = .i 47-U
6. JnstQB ....
6. Eumenes ...13J. l«"
7. Markos 10 J. )23
8. Keladion . . .14J. 1 = 49-1
12 J. 1 =
llJ. i23J
1
. I26.
9. Agrippinos .12J. |
10. Julianos 10 J. j
100
.43J.
.16J.
.17J.
.18J.
63-
lOOi
200
70
11. Demetrios
12. Herakles
13. Dionysios
14. Mazimos ,
16. Theonas 19 J.
16. Petros (Mär-
tyrer im 9. J.
der Verfolgung.)
Die Liste erklärt sich selbst: der älteste Theil rechnet
von der Kreuzigung bis auf den Tod des Demetrios (31 —
231) 200 Jahre, unter Markos und elf Bischöfe vertheilt,
die in streng symmetrischer Anordnung paarweise gegliedert
sind, und der Fortsetzung, welche die 70 Jahre bis auf den
Amtsantritt des Petros (231 — 301) unter vier Bischöfe zu
vertheilen hat, liegt ebenfalls eine schematische Zahlenpro-
gression zu Grunde. Kraft des Satzes von der causa sufficiens
braucht mithin für die Liste nach einem weiteren ausserhalb
ihr gelegenen Erklärungsgrunde nicht gesucht zu werden.
1) Hieronymus hat die ganze Reihe um ein Jahr zurückgeschoben,
wohl ans Rücksicht auf die Earchengeschichte , die den Anfang der
Verfolgung (nach Hieronymus 2320 Abr.) in das laufende dritte Jahr
des Petros setzt. 2) Dies hat in der That Codex M. 3) So B,
4) So JV, der hier, wie anderwärts, die echte Lesart des Eusebios
bewahrt hat; 2148 G, 5) So A,
78
544
RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
Was die Liste der römischen Bischöfe betrifift, so hat
schon Lipsius in der Jenaer Literaturzeitung von 1878,
No. 14, S. 202 die Herleitung aus Africanus für unwahr-
scheinlich erklärt, weil die Zeitangaben gerade über die
Bischöfe Victor, Zephyrinus und Callistus zu sehr ron
Fehlern wimmelten, als dass sie von einem Zeitgenossen
herrühren könnten. Den möglichen Einwand, dass der
Lrrthum vielmehr auf Seiten unserer übrigen Quellen zu
suchen sei, schneidet eine Einsicht in die schematische An-
ordnung dieser Papstliste ab; in der auch allein die vielen
Fehler derselben ihre Erklärung finden:
Arm.
Text.*)
(ist) (soll sein)
2056.
2082.
2080.
2095.
2094.
2108.
2102.
2110.
2211.
2119.
2180.
2129.*)
2140.
2150.
2151.
2154.
2155.
2168.
2170.
2180.
2181.
2189.
2202.
2204.
2216.
2229.
2228.
2236.
2287.
2246.
'81
«=29
46.
=75
[-100]
'100
Petras der Apostel 20 (sehr. 25) J. [Com-
plement zu 75]
1. Linus 14 J.
2. Gletas 8J.
8. Clemens 9J.
4. Euarestas 8 J.
5. Alexander 10 J.
6. Xystus I llJ.
7. Telespboras 11 J.
8. Hygienns 4 J.
9. Pias 16J.
10. Anicetus 1 IJ.
11. Soter 8J.
12. Eleatherios 16 J.
13. Victor *12J.]»)|
14. Zephyrinus 12 J. J
15. Callistus 9 J
16. Urbanus [*9J
17. Pontianus 9J.
1) Hieronymus kommt, als eine bis auf das letzte Drittel yöllig
verschiedene Liste gebend, hier nicht in Betracht.
2) So Codex N, der wieder das Richtige bewahrt hat.
8) Die Zahlen der Amtsjahre, welche durch den Catalogus lAbe-
rianus oder Spuren in diesem bestätigt werden, sind mit einem Stern
bezeichnet.
4) Diese Zahl ist bei möglichster Anlehnung an die überlieferten
Intervalle aus dem Cot. Ltberianus ergänzt.
50"
50.
HAENACK, DIE ZEIT DES IGNATIüS.
545
Ann.
Text
(ist) (soll sein)
2256.
2256.
2264.
2268.
2268.
2271.
2271.
2278.
2279.
2284.
2289.
2293.
2296.
2298.
16J. IM.
2313. *)
(2320.)
(2329.)
18. Anteros *-J.lM.
19. FabianuB 13 J.
20. Cornelias *3J.
21. Lncias — J.2M.
22. Stephanns 2 J.
23. Xystus II IIJ. I 22 J. 2 M. J
24. Dionysius *9J. ')
25. Felix . ...19(8chr.*5)J.^ ^
26. Entychianns ... — J ^ B^* [ 20 J. 2 M.
27. Gaius 15J. '
28. Marcellianus, unter ihm
Aasbruch d. Verfolgung.
Vom Antritt des Marcellianus
sassen 4 Bischöfe *16J 7M.«)_
bis zum Ende der Verfolgung.
38 J. 3 M.
36J. 9M.:
76 J.
Auf die 14 Bischöfe nach Pontianus his zum Ende der
Verfolgung ist die runde Snmme Yon 75 Jahren oder drei
Vierteln eines Jahrhunderts gerechnet (gegen die wirklich
verflossene Zeit vier Jahre zu viel); gleich getheilt in zwei 79
Hälften, auf die beide Mal gleich viele Bischöfe kommen^
eine grössere von 38 Jahren für die sieben von Anteros bis
Dionysius und eine kleinere von 37 Jahren für die sieben
von Felix bis Miltiades. Auf die 18 Amtszeiten vom An-
fange des Petrus bis zum Ende des Pontianus sind wiederum
1) Diese Zahl, welche durch die Codices ÄBPM des Hieronymus
und den Cat Liberianus bestätigt wird, giebt ^; 12 liest G.
2) Aus Hieronymus ergänzt.
3) Soviel rechnet Hieronymus, indem er den Marcellus auslässt,
und das vierte Jahr des Bischofs Silvester zum Endjahr der Verfolgung
macht. In Wahrheit fSAlt das Ende der Verfolgung (Januar 313) in
das vierte Jabr seines Vorgängers Miltiades, und die 16 Jahre 7 Monate
kommen vom Antritt des Marcellianus (Juni 296) bis dahin genau
heraus. Es scheint hier eine einfache Verschiebung der Epochen vor-
zuliegen: das Jahr 2321 ist aus dem Antrittsjabre des Marcellus oder
eigentlich dem Todesjahre seines Vorgängers) zu dem Antrittsjahre
des Eusebios und Miltiades, das Jahr 2326 aus dem des Eusebios und
Miltiades zu dem des Silvester gemacht worden.
y. OuTBOHxzD, Kleine Schriften. IL 35
546 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
in runder Summe 200 Jahre gerechnet^ gleichmässig ver-
theilt, so dass die neun Bischöfe yon Pius bis Pontianus
gerade ein Jahrhundert erhalten und bei ihren acht Yor-
gängern von Linus bis Hygienus die 75 Jahre des letzten
Abschnittes sich wiederholen, welche durch die 25 Jahre
des Apostel Petrus abermals zu einem Jahrhundert ergänzt
werden. Es fragt sich, ob hier ein einziges chronologisches
System vorliegt, in welchem Falle das Ganze erst ganz kurz
vor Eusebios zurechtgemacht sein könnte, oder zwei Sy-
steme, eines, das bis zum Ende des Pontianus, und ein
zweites, das von da bis zum Ende der Verfolgung reichte.
Der Umstand, dass die römischen Bischofslisten des Chroni-
kon und der Eirchengeschichte, die bis auf Pontianus aus-
einander gegangen sind, von Anteros an, abgesehen von den
Monaten des Lucius und Eutychianus, die für die Gesammt-
berechnung nichts austragen, miteinander übereinstimmen,
macht es wahrscheinlich, dass ihnen von da an eine gemein-
same Liste zu Grunde liegt und vor Anteros ein Quellen-
wechsel eingetreten ist, und lässt somit die Wagschale zu
Gunsten der zweiten Alternative sinken. Aber auch dann
kann das ältere bis auf Pontianus reichende chronologische
Schema erst geraume Zeit nach dem Ende des Pontianus
entstanden sein. Dies beweist ausser der falschen Angabe
über dessen Amtsdauer die Hinabrückung des Anteros und
Fabianus um vier Jahre, die einen noth wendigen Bestand-
theil des ganzen Systemes bildet: wird der 200jährige Zeit-
raum von Petrus bis Pontianus in die Jahre 39 — 239 ein-
gespannt, aber auch nur dann, trifft der Tod des Petrus auf
das Jahr der Neronischen Verfolgung 64 n. Gh., was selbst-
verständlich Absicht, nicht Zufall ist. Yon Africanus als
Quelle des ältesten Theiles dieser römischen Bischofsliste
muss also ganz abgesehen werden.
Wie steht es weiter mit den zwischen der römischen
und Antiochenischen Bischofsliste angenommenen Wechsel-
beziehungen? Für die auf Eusebios zurückgeführte Concor-
danz der Periode von Asklepiades und Callistus an hat der
Verfasser drei Ausnahmen zugegeben, die Anfangsjahre des
HARNACK, DIE ZEIT DES IGNATlüS 547
4
Philetos, Demetrianos und Domnos, und die dadurch von
ihm selbst in das angenommene Schema gelegte Bresche
ist durch den von Lipsius a. a. 0. geführten Nachweis ^ dass
nicht bloss Philetos durch einen vierjährigen Zwischenraum
von Callistus, sondern auch Demetrianos und Domnos durch
denselben Zwischenraum von Stephanus und Dionysius ge-
trennt sind; nur noch erweitert worden. Statt aber mit
Lipsius anzunehmen^ dass zwei verschiedene Schemas in
diesem späteren Theile der Bischofslisten bei Eusebios durch-
einander gehen, gehe ich weiter und behaupte, dass hier die
angebliche Römisch- Antiochenische Goncordanz gar nicht vor-
handen ist. Eine der vom Verfasser für seine Ansichten
geltend gemachten Epochen ist zu streichen: das S. 16 für
den Amtsantritt des römischen Bischofs Eutychianus ge-
gebene Datum 2298 Abr. ist das des lateinischen, nicht des
armenischen Textes, der vielmehr 2296 giebt, — vom Stand-
punkte des Verfassers, dem der armenische Text ohne Wei-'
teres als der Text des Eusebios gilt, auf jeden Fall eine
durch Nichts motivirte Inißonsequenz und vermuthlich ein
blosses Versehen. So bleiben von den zehn zu vergleichenden
Epochen nur fünf übrig, die sich der These des Verfassers
fügen, aber auch diese nur, wenn man nicht das Nächst-
liegende mit dem Nächstliegenden vergleicht. Thut man
dies, so entspricht die Amtszeit des Antiochenischen Bischofs
Zebennos der der vier römischen Pontianus, Anteros, Fabianus
und Cornelius, die des Antiochenischen Bischofs Eyrillos der
der drei römischen Eutychianus, Gaius und Marcellianus, als 80
Entgelt die der zwei Antiochenischen Bischöfe Paulos und
Domnos der des einen römischen Dionysius. Die so corre-
spondirenden neun Epochen von Asklepiades (2228) und
Callistus (2229) bis auf Tyrannos (2319) und Eusebios oder
vielmehr Marcellus (2321) bewegen sich in den Abständen
- 1, - 3, - 1, + 2, + 1, - 1, - 1, + 1, - 2.
Da in diesem Zeiträume durchschnittlich in Antiochia alle
9, in Rom alle 6 — 7 Jahre ein Bischofswechsel stattgefunden
hat, so ist ein Spielraum* von fünf Jahren, innerhalb dessen
die beiderseitigen Antrittsjahre sich nähern, ebenderselbe^
35 •
548 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
den auch eine Wahrscheinlichkeitsrechnung ergeben wQrde:
von einem synoptischen Schema bleibt Nichts übrig.
Günstiger stellt sich die Sache in den älteren Partien,
wo die Beobachtung des Verfassers^ dass Eusebios die An-
tiochenischen Bischöfe vier Jahre nach den römischen an-
treten lässt, sich unter acht Malen fünfmal bestätigt; dass
Theophilos fünf Jahre nach Soter antritt, führt der Verfasser
auf einen Schreibfehler zurück, dass der Abstand zwischen
Euodios und Petrus, Tgnatios und Linus drei Jahre beträgt,
bringt er S. 27 mit Störungen in Verbindung, zu denen eine
in der Quelle zwischen Petrus und Linus angesetzte Sedis-
yacanz von 1 — 2 Jahren Anlass gegeben habe: ein Ausweg,
über den ich die von Erbes in den Jahrbüchern für pro-
testantische Theologie V S. 468 erhobenen Zweifel völlig
theile. An sich würde es unbedenklich sein, auch hier die-
selbe Erklärung anzuwenden wie in dem ersten Falle; aber
der Verfasser hat einen guten Grund, hier so ängstlich con-
servativ zu sein; seine ganzen Annahmen haben zur aus-
schliesslichen Grundlage die zu den Jahren Abrahams
gemachten Anschriften des armenischen Textes, also gerade
den schon aus äusseren Gründen am wem'gsten zuverlässigen
Theil unserer üeberlieferung. Bei der römischen Bischofs-
liste gehen die Abweichungen der Anschriften von den sich
aus der Berechnung der Amtsjahre ergebenden Daten bis zu
fünf Jahren hinauf, und man sieht, dass an der betreffenden
Stelle der erste Anlass zu sich steigernder Verwirrung da-
durch gegeben ward, dass zu den Antrittsjahren 2268 und
2271 nicht Stephanus und Xystus Tl., sondern ihre Vor-
gänger Cornelius und Stephanus angeschrieben wurden. An
derselben Stelle ist im armenischen Texte die Antiochenische
Liste dadurch in Unordnung gerathen, dass sich der Antritt
des Babylas' und Fabius vom ersten Jahre des Decius (2269)
zum ersten Jahre des Gallus (2270) verschob, während
Hieronymus das Richtige bewahrt hat. Innerhalb einer
Fehlerweite von 1—2 Jahren bewegen sich mehr oder
weniger sämmtliche Ansätze^ was sich nur zum Theil daraus
erklärt, dass Eusebios, der immer nach vollen Jahren rechnet,
HARNACK, DIE ZEIT DES IGNATIüS. 549
die Amtswechsel inconsequent bald beim Antrittsjahre, bald
beim Todesjahre des Vorgängers angemerkt hat. Um einen
Massstab dafür zu gewinnen, was dem Eusebios, was seinen
Abschreibern zugetraut werden kann, berücksichtige man,
dass sich dieselben Schwankungen in den ahnlich über-
lieferten Thalassokratien bei Eusebios, aber auch in der
romischen Bischofsliste beobachten lassen, welche Hierony-
mus an die Stelle der von Eusebios gegebenen setzte, und
dass so viel auch die Abweichungen der besten Hand-
schriften des lateinischen Textes untereinander und vom
armenischen zu betragen pflegen. Dass Eusebios die den
Zahlen der Amtsjahre gegenüber völlig werthlosen Antritts-
daten, so wie sie jetzt dastehen, aus einer älteren Quelle
herübergenommen und mühsam umgerechnet haben sollte,
halte ich für einfach unmöglich; es fehlt aber auch jeder
Beweis dafür, dass so grobe Fehler von Eusebios selbst
begangen worden sind. Es ist nun ein gutes Zeichen für
die Entdeckung des Verfassers, dass sich für den ältesten
Theil der Antiochenischen und römischen Bischofsliste kein
wesentlich ungünstigeres Resultat herausstellt, wenn man
der Vergleichung statt der Jahre Abrahams, bei denen zu-
fallig die Anzeichnung in unseren Texten steht, diejenigen
Jahre substituirt, die sich aus einer Reconstruction der Liste 81
nach den Amtsjahren ergeben. Bei einer solchen kommen
die folgenden Abstände heraus: zwischen Euodios und Petrus
+ 3 Jahre (5 Jahre Lat.), für die folgenden Epochen + 5,
4- 4, + 4, -f 3, + 4, + 4, -f 2 Jahre. Mit dem ersten,
scheinbar dreijährigen, Intervall kann es seine Richtigkeit
haben, da Eusebios die Gewohnheit hat, bei Beginn neuer
Regentenlisten die Ankündigung derselben und Nennung des
Ersten der Reihe nicht bei, sondern vor dem ersten Jahre
anzumerken, so dass nicht 2058, sondern 2059 als Anfangs-
jahr des Euodios anzusehen wäre; und das Intervall zwischen
Sarapion und Victor kann leicht Eusebios selbst auf zwei
Jahre ermässigt haben, um von der vierjährigen Distanz auf
das Zusammenfallen der Antrittsepochen von Asklepiades und
Callistus überzuleiten. So würde nur in zwei Fällen, bei
550 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
Ignatios and Eros, eine Verschiebung der Anschrift um ein
Jahr angenommen werden müssen , was keinem Bedenken
unterliegen dürfte. Wir haben also festen Boden unter den
Füssen.
Der Africanussche Ursprung dieser Synchronistik föllt
mit der Africanusschen Herkunft der das Vergleichungs-
object bildenden romischen Bischofsliste; es fragt sich aber,
ob es überhaupt uöthig ist, anzunehmen, dass Eusebios
das Schema schon vorgefunden hat. Der Verfasser folgert
S. 10 f. 35flF. aus seiner Bemerkung über die J^usalemische
Bischofsliste zum Jahre 2200^), dass er für die Antiocheni-
sehe irgend welches chronologische Material vorgefunden
habe, und zwar seien dies nicht die Amtsjahre, sondern die
Amtsantrittsjahre gewesen. Aber dann begreift man nicht,
warum er sie in der Kirchengeschichte, nicht eben so gut
gab, wie die Eaisergleichzeitigkeiten der Bischöfe von Rom
und Alexandria ; kritische Zweifel an der Authenticitat der
Liste sind es schwerlich, die ihn davon abgehalten haben.
Sowohl im Chronikon als in der Eirchengeschichte (IV, 5)*)
sagen die Worte von den Bischöfen von Jerusalem überhaupt
aus, aber allerdings beide Male in einem solchen Znsammen-
hange, dass sie sich zunächst nur auf die älteste Zeit, im
Chronikon speciell auf die bis zur zweiten Amtszeit des
Narkissos, beziehen; von Narkissos an sind hier die An-
trittsjahre der Bischöfe wirklich eingetragen. Die Liste
sieht so aus: 213 n. Ch. (210 n. Ch. Lai) Alexander, 251
(250 Lat.) Mazabanos, 264 (265 Lat.) Hymen äos, 299
(298 Lat.) Zabdas, 301 Hermon, . . . (312 Lat.) Maka-
rios. In der Kirchengeschichte VII, 14 sagt uns Eusebios,
dass Hymenäos „sehr viele Jahre", und schon bei Lebzeiten
des Schreibenden, Bischof war, Eirchengeschichte VII, 32,
1) Tot in Hiemaälem episcapis constitutis non convenit nobia
singulorum tempora disponerej eo quod non invenimus integros annas
praefecturae.
2) Tmv ys fiijv iv *JsQoaoXv(jLOLg iitLanonmv zovg XQOvovg ygatpy
amiofiivovg ovdufimg evQOV nofiidfj yocQ ovv ßffaxvßCovg avrovg Xoyog
Tiatixsir ysvsad^ai.
HARNACK, DIE ZEIT DES IGNATIüS. 551
dass des Zabdas Amtsdauer ^^nicht lange^' währte^ und dass -
unter Hermon die Verfolgung eintrat; eine Zeitgrenze nach
unten Hess sich für den Antritt des Hymenäos aus seiner
Theilnahme an der Synode entnehmen, welche die Absetzung
des Paulos von Samosata beschloss. Der Tod des Alexander
im Kerker unter Decius war ein fester Punkt. Endlich der
Antritt des Alexander ist gerade 100 Jahre vor das Ende
der Verfolgung gesetzt, schwerlich mehr als eine runde Zeit-
bestimmung in Ermangelung einer genaueren. Die Liste
enthält somit nichts, was nicht der in Palästina lebende
Eusebios aus eigener Kunde wissen konnte, und beweist,
dass sein Zeugniss über das Fehlen von Angaben über die
Amtsdauer der Bischöfe von Jerusalem buchstäblich zu
nehmen ist« Für Antiochia kann aus ihm meines Erachtens
nichts Anderes folgen, als dass es hier allerdings eine
Bischofsliste mit Jahren gab, die aber nicht bis zum An-
fange hinaufreichte: und das ist der Grund, warum er es
weder im Chronikon noch in der Kirchengeschichte für der
Mühe werth gehalten hat, ihre Jahrreihe gleich der römi-
schen und alexandrinischen mitzutheilen; denn für ihn hatten 82
diese Listen nur insofern Werth, als sie den Nachweis
der ununterbrochenen apostolischen Succession der Bischöfe
lieferten. Daraus folgt wiederum mit Nothwendigkeit, dass
die ältesten Ansätze der Antiochenischen Bischofszeiten von
Eusebios herrühren.
Es ist von Wichtigkeit, zu wissen, wo die dem Eusebios
überlieferte Liste beginnt. Die Antwort ist durch das bisher
Ermittelte bereits gegeben: der Abschnitt ist da^^wo die Syn-
chronistik mit den römischen Bischöfen aufhört, also zwischen
Sarapion und Asklepiades. Eine sehr bemerkenswerthe Be-
stätigung kommt uns von Seiten der späteren Listen, die,
wie der Verfasser S. 60 richtig bemerkt hat, bis auf Sara-
pion von Eusebios abhängen, von da ab bis zum Schluss
weit auseinander gehen: nur möchte ich dies dahin modi-
ficiren, dass die Uebereinstimmung sich bis auf Asklepiades
erstreckt. Um die Vergleichung richtig anstellen zu können,
muss zuvor die Liste des Eutychios in Ordnung gebracht
552 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
werden, der anderwärts dem XgovoyQafpetov övvtofiov am
nächsten steht , hier aber völlig abzuweichen scheint. Es
scheint aber nur so: indem sein Auge von Heron auf Eros
abglitt, erhielt des Ersteren Nachfolger Cornelius die Ajnts-
zeit, welche Theophilos, dem Nachfolger des Eros, zukam,
und die Jahre aller folgenden Bischöfe wurden so um zwei
Stellen verschoben; als er bei Fabius angelangt war, waren
keine Amtszeiten mehr disponibel, und er schaffte solche für
ihn und seinen Nachfolger Demetrianos durch Wiederholung
der Jahre ihrer beiden nächsten Vorgänger, elf {eväsxa statt
ivvia) und acht, wodurch er wieder in das richtige Geleis
einlenkte. Bei Nikephoros scheinen die 23 Jahre des Euodios
gegenüber den 29, welche ihm die nächstverwandte Liste des
Synkellos giebt, auf ein Gompromiss mit der eigenthümlichen
Antiochenischen Tradition bei Jo. Malalas I p. 325 Oxon.
zurückzugehen, wonach Euodios bis zum Weggange des
Petrus unter ihm des Bischofsamtes waltete, die Anwesen-
heit des Petrus daselbst aber in die Jahre 4 — 10 nach der
Himmelfahrt fiel. Die übrigen Schreibfehler derselben Liste
sind schon vom Verfasser S. 57 berichtigt worden. Die Listen
vergleichen sich also untereinander in folgender Weise:
Eusebios. Synk. und Xqovüyq. ovvx.
Arm. Lat. Nikeph. nnd Eatjcb.
2068 (2060). 1. Euodios 27(25)J. 29 J. (Petrua 11 27 J.
2085. 2. Ignatios 38 J.
2123. 8. Heron 21J.
2144. 4. Cornelius .. 14 J.
2168. #Ero8 27 J.
2185. 6. TheophiloB. 8J.
2193. 7. Mazimos... 13 J.
2206. 8. Sarapion ... 22 (21) J.
2228 (2227). 9. Asklepiades.
Die Zahlen des Ignatios und des Theophilos beruhen
auf absichtlicher Aenderung, indem dem Ersteren sechs Jahre
genommen und dem Anderen ebensoviele zugelegt worden
sind; die übrigen Differenzen bei den Späteren lassen sich
auf abweichende Anschriften in den von ihnen benutzten
u. Euodios 23 J.)
*30 J.
*32J.
20 J.
20 J.
18 J.
14 J.
26 J.
26 J.
♦13 J.
*14 (16) J.
13 J.
14(13)J.
25 J.
25 (21) J.
HAENACK, DIE ZEIT DES IGNATIUS. . 553
Exemplaren des Eusebios zurückführen. Von Asklepiades
an gehen Beide völlig eigene Wege. ^Die bis dahin nach-
weisbare üebereinstimmung führt darauf, dass auch den
Urhebern der späteren Listen für die Zeitrechnung der
Bischöfe bis mit Sarapion keine andere Quelle zu Gebote
gestanden hat als Eusebios.
Es leuchtet ein, dass einer Liste, die darauf verzichtet,
die Chronologie in Zeiten zurück zu verfolgen, von denen
man Sicheres nicht wohl wissen konnte, ein sehr günstiges
Yorurtheil entgegenkommt. Wenn man erwägt, 1) dass auch
das beste nach vollen Jahren abrundende Verzeichniss, so-
bald die Abrundung nicht planmässig erfolgt ist, um ein
Jahr ab und zu gegen die richtige Zeitrechnung Verstössen
kann, 2) dass nicht der geringste Grund vorliegt, in Fällen,
wo der im Cod. Petavianus vortrefiFlich überlieferte lateinische
Text gegenüber dem auf eine einzige Handschrift des zwölften 83
Jahrhunderts zurückgehenden armenischen das wahre Datum
bewahrt hat, immer nur an eine Correctur des Hieronymus
zu denken, 3) dass in den Ansätzen einer nicht durch eine
nebenher gehende Verzeichnung der Amtsjahre geschützten
Liste eine Fehlerweite von 1 — 2 Jahren für Abschreiber-
versehen immer offen gelassen werden muss, — wenn man
dieses Alles erwägt, wird man finden, dass die Liste allen
billigen Anforderungen, die man an sie stellen kann, genügt.
Die Yeigleichung ist erst möglich geworden durch die vom
Verfasser S. 42 — 55 gegebene Herstellung der historischeu
Zeitrechnung der Antiochenischen Bischöfe, eine in hohem
Grade anerkennenswerthe Leistung von bleibendem Werthe.
Das Ergebniss ist folgendes:
Jahre n. Abr. Jahre n. Gh. Wahre
Arm. Lat. Arm. Lat. Antrittszeit.
(209). 9. Asklepiades. zw. 202—211.
(216). 10. Philetos.
11. Zebennos. vor 231.
(260). 12. Babylas. vor 249.
(260). 13. Fabius. 260.
(261). 14. Demetrianos. 252 oder 263.
2228 (2227).
210
2238 (2234).
216
2246
227
2270 ») (2268).
262
2270 (2268).
262
2272 (2269).
264
1) Siebe oben.
554 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
Jahre nach Abr. Jahre n. Gh. Wahre
Arm. Lat Arm. Lat. Anirittszeit.
2278 od. 2277 *) (2278).') 260 od. 269 (260). 16. Paulos v. Samosata.
2283 (2284).^) 265 (266). 16. Domnoa. zw. 266—268.
(2288). . . . (270). 17. TimaeoB.
(2297). . . . (279). 18. Kyrillos.
(2319). . . . (801). 19. TyrannoB. 303.
fehlt (2320). — (302).*) unter ihm Ausbruch
der Verfolgung.
Es liegen nur zwei wirkliche Widersprüche vor, beim
Antrittsjahre des Babylas und beim Endjahre des Kyrillos.
Das Geschichtchen des Chronicon Paschale p. 503 Dind.^
dass Baby las dem christlichen Kaiser Philippas wegen des
an seinem Vorgänger begangenen Mordes den Eintritt in- die
Kirche verwehrt habe^ stammt zwar aus einer nicht zu ver-
achtenden Quelle^), enthält aber eine so handgreifliche Un-
möglichkeit; dass auf den daraus abgeleiteten Synchronismus
schlechterdings nicht gebaut werden kann. Das Endjahr des
Kyrillos beruht auf einer Gombination aus der Passio SS. IV
Coronatorum, nach welcher derselbe unter Diocletian zur Haft
in die Bergwerke abgeführt worden ist, was nur beim Aus-
bruch der Verfolgung 303 geschehen sein könne. Gegen
diese Gombination habe ich ernstliche Einwendungen zu
machen. Freilich lassen sich mit ihr die Worte des Eusebios
,y(i€ta d^ KvQillov TvQavvog trjg ^Avxio%imv ycaQOixiag tiiv
1) 2277 Abr. hat N. 2) So P. 3) So P.
4) Die nur im lateiniBcheu Texte erhaltenen Autrittsjahre der
letzten Bischöfe sind in der Voraussetzung directer Herübemahme
durch Hieronymus von mir nach dem in diesem Abschnitt für Eusebios
geltenden Verhältnisse, wonach von den Jahren Abrahams 2018 ab-
zuziehen ist, reducirt worden. Trifft die Voraussetzung nicht zu, so
sind alle Daten um ein Jahr hinabzurücken; für das Jahr der Ver-
folgung ist es mit Sicherheit anzunehmen.
5) Der nicht genannte Gewährsmann der Osterchronik sagt: xara
Sia8o%riv ^^ TjX^ey bI^ rniäg %al xovto nsgl tov ayCov Baßvla^ mg
9iTjYi^aaT0 totg n^b ruimv 6 fianplQiog As6vxu)s o inicmonoq 'AvxioxiCag,
Ihr gewiss gut rechtgläubiger Verfasser hat die im Grase sich ringelnde
Schlange nicht bemerkt: der „selige" Leontios ist kein Anderer als
der schlimme Arianer, der 349 — 358 den Bischofssitz von Antiochia
inne hatte. Der Redende kann also nur Philostorgios sein.
HAßNACK, DIE ZEIT DES IGNATIÜS. 555
inLiSxonriP dudi^ato^ xa-ö*' ov i^xfiaösv ^ täv ixxXrj^iäv
ÄoAtopxta" (Kirchengeschichte VII, 32) dem Wortlaute nach
vereinigen, nicht aber dem Geiste nach: der Historiker führt
in diesem Capitel die Successionen der vier Hauptkirchen
bis auf den Ausbruch der Verfolgung herab und sagt am
Schluss ausdrücklich, er schliesse sie hier ab (setzt sie auch
in der That in den drei letzten Büchern nicht weiter fort);
er kann also mit jenen Worten nichts Anderes gemeint
haben, als dass unter Tyrannos die Verfolgung eingetreten
sei. Eine solche positive Aussage des Zeitgenossen hat ein
ganz anderes Gewicht als eine Schreibfehlern ausgesetzte
Anschrift im Gbronikon. Kaum minder schwer wiegt aber
hier das Argumentum a silentio : in einer der grossten
Städte der damaligen Welt sollte die Verfolgung damit 84
erofiPnet worden sein, dass der Bischof in die Bergwerke
abgeführt wurde, und das dollte so spurlos an der Christen-
welt vorübergegangen sein, dass weder Eusebios noch eine
andere Quelle das Geringste davon erfahren hat? Ich meine,
Kyrillos ist bei einer anderen Gelegenheit und möglicher-
weise aus einem Grunde, aus dem von christlicher Seite
Capital nicht geschlagen werden konnte, zu den Bergwerken
verurtheilt worden ;~ eine pracise Zeitbestimmung lässt sich
aus der Passio SS. IV Coronatorum dafür nicht ableiten.
Für die ältere Zeit, aus der ihm die blossen Namen
überliefert waren, half sich Eusebios, wie gesagt, durch eine
Synchronistik mit der römischen Bischofsliste. Der vier-
jährige Abstand bedarf aber einer Erklärung, da ja die
völlige Gleichsetzung das Natürliche gewesen wäre; zu dem
Verdachte, er habe durch die Differenzirung nur den That-
bestand verdunkeln wollen, liegt nicht der geringste Grund
vor. Sie fällt um so mehr auf, als gerade bei der ersten
und der letzten Epoche, in denen man am ersten den Grund
der durchgehenden Verschiebung zu finden erwarten sollte,
der Antritt des Antiochenischen und des römischen Bischofs
in ein Jahr fallen: nach der auch dem Eusebios^) bekannt
1) Vgl. die Bemerkung zum Jahre 2065.
556 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
gewordenen Tradition der Äntiochener trifift der Antritt ihres
ersten Bischofs zusammen mit dem Weggange des Petrus
nach Rom, und der erste Antiochenische Bischof, über dessen
Zeit Easebios genauere Kunde hatte, Asklepiades, beginnt
bei ihm im gleichen Jahre mit dem romischen Callistus.
Es bleibt nur die Annahme übrig, dass Eusebios den Ab-
stand von vier Jahren bei einer der mittleren Epochen über-
liefert gefunden und in der Meinung, dem Wahren damit
am nächsten zu kommen, als Schablone für die Recon-
struction der früheren und späteren Synchronismen ver-
werthet hat. Welche Epoche das gewesen ist, kann nicht
zweifelhaft sein, wenn man sich erinnert, dass abgesehen
von der Namenliste nur zwei Thatsachen der Antiocheni-
sehen Bischofsgeschichte ihm mit jener zugleich überliefert
worden sind und eine dieser beiden der Märtyrertod des
Ignatios ist Es darf dies als um so sicherer angesehen
werden, als auch in der Reihe der Bischöfe von Jerusalem
ausser dem Ende Jacobus' des Gerechten, dessen Zeitpunkt
sich aus Josephos entnehmen liess, der Märtyrertod des
Simeon unter Trajan das einzige Ereigniss ist, für das Eu-
sebios ein bestimmtes Datum zu geben gewagt hat. Er
setzt Beide in dasselbe Jahr, das ihm offenbar als Jahr der
Trajanischen Verfolgung überliefert war und in seinen Augen
einen ebensolchen Markstein für die Chronologie der Bischofs-
zeiten abgab, wie etwa die Verfolgung des Decius. Es ist
das Jahr 107 n. Ch., dasselbe, welches das Martyrium Ignatii
Colhertinum c. 7 (p. 305, 31 ed. Zahn) durch die Consoln
Sura Senecio IL ausgedrückt hat, eine Uebereinstimmung,
die sich in befriedigender Weise nur daraus erklären lässt,
dass eben diese Zeitbestimmung schon dem Eusebios vor-
gelegen hat.^)
1) Dass dieses Jahr von demselben Martyrium c. 2 (p. 802, 6)
falschlich mit dem neunten Jahre Trajans statt mit dem von Eusebios
richtig angegebenen zehnten geglichen wird, ist der sicherste Beweis,
dass seine Daten nicht etwa erst durch Rechnung aus diesem gefunden
sind. Auch die Bolle, welche der Aufenthalt des Trajan in Antiochia
und sein Zug gegen Armenien und die Parther im Mart, Colbertinum
HARNACK, DIE ZEIT DES" IGNATIUS. 557
In der Erkläroiig, die ich im Vorstehenden von den
vierjährigen Intervallen zu geben versncht habe, ist schon
ausgesprochen^ wie ich mich zu den Folgerungen stelle^ die
der Verfasser von S. 66 an aus seiner schönen Entdeckung
für die Ignatiosfrage gezogen hat. Sobald die Daten für
die älteren Antiochenischen Bischöfe sich als ein künstlicher
Schematismus erweisen^ falle, meint der Verfasser, auch der
Synchronismus zwischen Ignatios' Märtyrertod und Trajan;85
ferner scheine die Antiochenische Bischofsliste, da sie den
Euodios ohne jede nähere Bestimmung an den Anfang stelle,
nicht mit der Absicht construirt zu sein, die Geschichte dieses
Episkopats bis in die apostolische Zeit zurückzudatiren : da
nun der Zeitraum von etwa 75 Jahren zwischen dem Tode
des Ignatios und dem des ersten einigermassen sicher zu
datirenden Bischofs Theophilos (c. 185)^), in welchem nur
vier Bischöfe regiert haben sollen, ein auffallend grosser sei,
so sei man bei der Werthlosigkeit der überlieferten Daten
berechtigt, die Amtsdauer der vier Bischöfe auf nur etwa
spielen, verrathen seine Unabhängigkeit von Eusebios, der von dem
Allen nicht das Geringste weiss.
1) Der Verfasser glanbt S. 43 f. in der bei Joannes Malalas wieder-
holt angeführten Chronographie eines Theophilos die Schrift neifl ferro-
Qtav wiedergefunden zu haben, auf die der Antiochenische Bischof an
Tier Stellen der BQcher an Autoljkos verweist. Hinsichtlich dieser
scheint mir aber Erbes in den Jahrbüchern für protestantische Theo-
logie V 8. 622 ff. den Beweis geführt za haben, dass daranter nichts
als das jetzt an falscher Stelle stehende III. Bach an Autoljkos zu
verstehen ist, wenn auch sein Versuch, alle zehn Citate des Malalas
ans eben diesem uns noch erhaltenen Werke abzuleiten, ganz unhaltbar
ist. Selbst an den beiden Stellen, zwischen denen die Aehnlichkeit
noch am grössten zu sein scheint, Theoph. II, 81 und Mal. I p. 71,
ist sie lediglich trügender Schein: Theophilos hat seinen ersten Pharao
Kechaöth aus Jos. B. J. V, 9, 4, der Narachö, welchen die ägyptische
Urgeschichte bei Malalas und seines Gleichen zum Nachfolger des
Sesostris ma«ht, ist identisch mit dem Nencoreus, Sohn des Sesosis
bei Plin. N. H. XXXVI § 74. Der Theophilos des Malalas ist ein
später Antiochenischer Chronograph; die Possen von Demokrit, der
nach I p. 104 den zukünftig erscheinenden Gott Heiland, Gottes Sohn,
Logos, den Leidlosen, dem Leiden Unterworfenen, geweissagt haben
soll, scheinen monophjsitische Färbung zu tragen.
558 RECENSION. U. ANZEIG. HARNACK, D. ZEIT D. IGNATICS.
48 Jahre zu berechnen, und komme so mit dem Tode des
Ignatios hypothetisch auf c. 138, unter welcher Voraus-
setzung manche gegen die Echtheit der Briefe erhobene
Bedenken sich erledigen würden. Die Tradition vom Mar-
tyrium des Ignatios im zehnten Jahre Trajans kann echt
sein oder auch nicht echt: dass aber Eusebios sie gekannt
haty setzt seine Behandlung der Zeitrechnung der ältesten
Antiochenischen Bischöfe mit Nothwendigkeit voraus.
Ein Excurs S. 73 f. behandelt die ältesten römischen
Bischofslisten und sucht zu zeigen, dass nicht bloss der
vom Verfasser für Africanus genommene Gewährsmann des
Eusebiosschen Chronikon eine römische Bischofsliste bis zum
Tode des Eleutherus besessen habe, die mit der in der
Eirchengeschichte verwendeten wesentlich identisch gewesen
sei, sondern auch dass überhaupt er, Eusebios und der Cat.
Liberianus bis zum Amtsantritt des Victor im Wesentlichen
übereinstimmen, wodurch das Ergebniss von Lipsius bestätigt
wird, dass wir in der ihnen gemeinsamen Liste ein zur Zeit
des Victor angefertigtes Verzeichniss der römischen Bischöfe
zu erkennen haben. Mit diesem Abschnitte des Baches sind
jetzt die neueren Untersuchungen zu vergleichen^ die Lipsius
in den Jahrbüchern für protestantische Theologie VI S. 80 fT.
über den römischen Bischofskatalog der Chronik des Philo-
calus angestellt hat. Den Beschluss macht ein Anhang
S. 75 — 90, welcher Mittheilungen giebt über einige vom
Verfasser verglichene Pariser Handschriften der Passio S,
PolycarpU
XV.
lieber die Chronik des Josua Stylites.'*')
ClLToniqne de Josnö le Stylite, ecrite vers Tan 515; texte eti4i7
tradactioQ par Tabbe Paulin Martin. Leipzig 1876.
Brockhaus in Comm. (2 Beilagen, LXXXVI und 82 S.
gr. 8«.) 9 M.
(Abhandinngen für die Ennde des Morgenlandes herausgegeben von
der deutschen morgenländischen Gesellschaft VI No. 1.)
Die hier zum ersten Male herausgegebene und über-
setzte Chronik ist von Dionysios von Telmahr (f 845)
wortlich und allem Anscheine nach unverkürzt in seine
grosse chronographische Compilation aufgenommen worden;
einzig und allein in einer Vaticanischen, aus der Nitrischen
Wüste stammenden Handschrift dieses Werkes aus dem
neunten oder zehnten Jahrhunderte hat sie sich erhalten.
Ihr Verfasser ist der Priester Mar Jeschrf, Stylit des Klosters
Zuqnin; er schrieb das den anspruchslosen Titel ^^Becit en
forme de Chronique des mauz qui ont assailli Edesse, Amid
et toute la M^sopotamie" führende Werkchen auf Aufforderung
eines Archimandriten, an den es auch gerichtet ist. Seit lange
war man auf diese wichtige Geschichtsquelle aufmerksam
geworden y und wenn die neue Ausbeute aus ihrer nun-
mehrigen vollständigen Publicirung nicht so bedeutend ist,
wie man vielleicht hätte meinen sollen, so ist das lediglich
dem vom Herausgeber S. IV gebührend anerkannten Ver-
dienste Assemanis zuzuschreiben, welcher mit dem bewun-
dernswürdigen Sinne für das Wesentliche, der ihn überall
auszeichnet, in der Analyse, die im ersten Bande seiner
*) [Literarisches Centralblatt 1876 S. 1417—1422.]
560 UEBER DIE CHRONIK
Bibliotheca Orientalis von derselben gegeben ist, bei aller
Kürze doch die für den Historiker wichtigsten Nachrichten
herauszuheben verstanden hat. Immerhin ist das erst jetzt
bekannt Werdende noch wichtig genug.
Die Chronik hebt mit einer Einleitung an, welche die
Gründe des Krieges zwischen Römern und Persern zur Zeit
des Anastasius und Qavad auseinandersetzt und in der
Geschichte beider Reiche bis zum Jahre 484 zurückgreift;
diese sachkundige Erzählung zeichnet sich vor dem ver-
worrenen Gerede des Prokopios über dieselben Dinge vor-
theilhaft aus und gewährt uns, abgesehen von den neuen
Thatsachen, wichtige Einblicke in die inneren Zustände des
Sasanidenreiches; wir lernen z. B., dass die Ohnmacht des
Königs BalascU daher kam, dass er ausser den Soldaten
auch die Magier gegen sich hatte, deren Gebräuche er ab-
schaffen wollte (§ 20), und erfahren Näheres, wie es in der
ersten Regierungszeit des Qavad drunter und drüber ging,
wie verschiedene Bergvölker sich gegen ihn erhoben, wie
sie und die Araber plündernd das Land durchzogen (§ 23).
Die eigentliche annalistische Geschichtserzählung beginnt mit
dem Jahre 806 nach Alexander (495 n. Gh.) und umfasst die
14l8dreizehn Jahre bis 818 (507); verloren ist ein Blatt aus der
Geschichte des Jahres 817 (506). Als seine Quellen giebt
Josua § 26 an: 1) Geschichtsbücher, 2) Berichte, die er von
den zwischen beiden Reichen hin- und hergehenden Gesandten
vernommen, 3) Erzählungen von Augenzeugen der Begeben-
heiten. Einen Einblick in die Composition des Buches ge-
währen zwei chronologische Widersprüche. § 28 ist eine
Notiz, deren Datirung nur für Ostern 495 zutrifft, unter
dem Jahre 496 eingetragen, § 48 eine andere, deren Zeit-
charakterismus auf den 22. August 503 passt, unter 502
gestellt; wenigstens in dem letzteren Falle meint der Her-
ausgeber, Josua habe sich nicht um ein ganzes Jahr irren
können; Referent glaubt aber, man hat von der Regel der
chronologischen Kritik, dass Zeitcharakterismen bei Weitem
sicherer sind als die zufällige Stellung eines Datums in
einem Geschichtsbuche, auch hier nicht abzugehen, vielmehr
DES JOSüA STYLITES. 561
anzunehmen^ dass Josna die aus verschiedenen Quellen als
ihre Umgebung ihm zugeflossenen Notizen in beiden Fällen
in einem unrichtigen Zusammenhange untergebracht hat.
Einer der wichtigsten Augenzeugen ist der Autor selbst; er
ist Edessener, den Mittelpunkt seiner ganzen Darstellung
bildet Edessa, welches während des ganzen Krieges der
Hauptstützpunkt der romischen Heere war. Der Archi-
mandrit hatte ihn aufgefordert, zu schreiben „sur la plaie
des sauterelles, les eclipses de soleü, les treniblements, la famine^
les epidemies et la guerre des Romains avec les Perses*^ {% 1),
und nochmals hebt er § 25 dessen Bitte hervor, ihm zu
schreiben „5wr les prodiges qui eureni Heu ä cette epoque, sur
la plaie des sauterelles , sur la mortalite et sur les embrase-
ments". Diese Dinge nehmen denn auch einen breiten Baum
in dem Werkchen ein, das dadurch denselben Stempel auf-
gedrückt erhalten hat wie unsere mittelalterlichen Annalen
oder wie die Antiochenische Stadtchronik des Joannes Ma-
lalas. Dabei ist aber Josua doch nicht Stadtchronist im
engen Sinne des Wortes, sein Horizont ist ein ungleich
weiterer als der des Malalas. Aus seinen Schilderungen
jener Dinge lernen wir, schon weil sie sehr ins Detail
gehen, ungemein viel und erfahren mehr vom wirklichen
Leben des romischen Orientes als aus irgend einem der auf
hohem Kothurn einherschreitenden Geschichtswerke jener
Zeit; beispielsweise sei daran erinnert, dass Josua vielfach
den Preis für den Scheffel Roggen, den Scheffel Gerste und
das Mass Wein angiebt, und zwar nicht bloss in Hunger-
jahren. Besonders werthvoU ist natürlich seine Darstellung
des Perserkrieges, für welchen sein Buch unter allen Quellen
den ersten Rang einnimmt; beiläufig hat sich der Heraus-
geber durch den äusseren Schein täuschen lassen, wenn er
S. II die Ansicht ausspricht, der von Josua beschriebene
Zeitraum gehöre zu denen, über die wir aus der ganzen alteni4l9
Geschichte am besten unterrichtet seien. Dies ist erst von
einer etwas späteren Zeit richtig; unter allen von ihm dort
aufgezählten Historikern kommen nur Marcellinus Comes,
Joannes Malalas, Prokopios und von Späteren Theophanes
V. QoTsoHMiD, Klelno Schriften. II. 36
:i
■ I
562 ÜBBER DIE CHRONIK
neben Josua in Betracht. Ans keinem bekommt man ein
so anschauliches Bild von dem Belagerungskriege jener Zeit
wie aus ihm, nirgends einen besseren Einblick in das Ver-
pflegungswesen der römischen Heere. Wiederholt wird an-
gegeben, wie yiel Tausend Scheffel Korn die Stadt Edessa,
mit welcher der romische Commandant Contracte darüber
abgeschlossen hatte, zu Paxamata für die Soldaten verbuk;
auch in der ganzen Umgegend wurden die Bäckereien in
Requisition gesetzt; einmal ging ein höherer romischer
Officier nach Alexandrien, um von dort Paxamata und Brod
kommen zu lassen (§ 71. 78). Die gothische Einquartierung,
welche zu sehr auf den armen arabischen Bauern lastete,
wurde später den Grundbesitzern zugeschoben, dabei aber
die monatliche Lieferung für je zwei Gothen auf ein espodä
(Bleigefass, 6novdBlov) Oel, 200 Pfund Holz, ein Bett und
eine Matratze normirt; dies hatte eine Meuterei der Gothen
zur Folge, bei welcher der römische Dux mit genauer Noth
sein Leben rettete, und da diese nicht bestraft ward, schal-
teten die Gothen von nun an nach Belieben, quartierten sich
in den Dörfern und den Klöstern, selbst bei den Styliten ein,
tranken den Mönchen ihren Weinkeller aus und trieben in
der Trunkenheit allerhand, Anderen und ihnen selbst ver-
derblichen Unfug (§ 95 ff.). Auch anderwärts kommt Josua
auf die Zuchtlosigkeit der römischen Soldaten zu sprechen,
rügt auch einmal die Bestechlichkeit der Notabein des Ortes
bei der Zutheilung der Quartierbillets (§ 87). Den Quell
alles Unheiles sucht Josua in den Sünden der Menschen,
namentlich giebt ihm wiederholt ein „heidnisches'', in der
Nacht vom Freitag auf den Sonnabend neun Tage vor Ostern
durch Aufführung von Tänzen im Theater und Illumination
von den Edessenern gefeiertes Fest Aergerniss; von einem
durch den Kaiser gegen die Tänzer ^ergangenen Verbote leitet
er den Nachlass der Theuerung ab (§ 47). Unbeschadet
dieses frommen, bei einem Geistlichen sehr erklärlichen
Pragmatismus verleugnet er doch nie den gebildeten Mann
und ist, wie man schon aus der Scheidung der drei Arten
von Quellen, die er benutzt habe, ersieht, in seiner Weise
DES JOSÜA STYLITES. 563
ein wirklich kritischer Geschichtsschreiber. Angaben wie
diC; dass bei einer Hungerpest aus einem Hospitale in
Edessa fünf Monate lang täglich 100, 120, ja 130 Todte
hinausgetragen worden seien (§ 44), oder wie die von den
Heuschrecken, die ein kleines Kind gefressen hätten (§ 39),
stehen durchaus vereinzelt da; und was die letztere betri£Ft,
so werfe unser erleuchtetes Jahrhundert darum keinen Stein
auf den armen syrischen Mönch : seine Heuschrecken sind
die leibhaftigen Geschwister der vor etwa drei Jahren in
einem geographischen Unterhaltungsblatte dem deutschen
Publikum gebotenen Papageien, die, von einem durch Dar-
wins Schule gegangenen Farmer hinten in Neuseeland sinn-
voll dazu angeleitet, sich zu Carnivoren umbildeten und
schliesslich lebendigen Schafen Fetzen Fleisches aus dem
Leibe rissen. So mancherlei Prodigien Josua erzählt, schwer-
lich ist es zufällig, dass es sich das einzige Mal, wo er einen
Gewährsmann namentlich nennt und sein Zeugniss wortlich
anführt (§ 69) , um eine Gans handelt, die laut Brief der
Geistlichkeit von Zengma am Charfreitage 504 ein bekreuztes
Ei mit der Inschrift iv xovxfp vioca legte: gewiss soll damit
stillschweigend die Verantwortlichkeit für die patriotische
Handlung der Gans den geistlichen Brüdern überlassen
werden. Durchweg macht Josua den Eindruck eines wahr-
heitsliebenden und unparteiischen Berichterstatters von hu-
maner Gesinnung. Es liegt eine leise Missbilligung in der
Art, wie er § 80 das Umhauen der Fruchtbäume auf persi-
schem Gebiete durch die Römer berichtet; und nachdem er
§ 98 das Schicksal der Gothen, die darauf bestanden hatten,
sich auf dem flachen Dache des Klosters einzuquartieren,l420
und von denen dann Viele in der Nacht, sinnlos trunken,
vom Dache fielen und den Hals brachen, mit einer keuschen
Objectivität berichtet hatte, die nicht errathen lässt, ob sein
Bedauern mehr dem ausgetrunkenen Weine oder den ge-
brochenen Hälsen gilt, fügt er gutmüthig hinzu: „// y avait
neanmoins dans cette armee des soldats qui vivaient dune
maniere reglee. Votre Science ne Vignore pas, car il est
impossible que dans des troupes aussi nomhreuses il ne se
36*
564 UEBER DIE CHRONIK
irouvät pas quelques personnes saffes". Um so schwerer wiegen
aus solchem Munde Aeusserungen wie die § 87, dass die
Romer y die zu ihnen als Befreier gekommen seien , sie
beim Kommen und Gehen nicht viel anders wie Feinde
ausgeplündert hätten, oder § 80: „Comme je sais que Votre
Sainiete examine avec soin chaque chose^ eile comprendra
facilement, que cette guerre fut pour les Arabes des deux
partis vne source de profit et qu'elle re'alisa leurs de'sirs dans
les deux royaumes'^ Auf solche directe Interpellationen hat
man zu achten, sie treten bei Josua fast immer da ein, wo
es sich um herrschende Ansichten handelt, für die der
Adressat gewissermassen zum Zeugen aufgerufen wird; der
Historiker, der die Situation und die Stimmungen jener Zeit
studieren will, erhält in ihnen sehr werthvoUe Winke. Aus
diesen lernt man, dass die öffentliche Meinung in Mesopota-
mien im Allgemeinen den Römern ungünstig und dass die
Ansicht sehr verbreitet war, Kaiser Anastasios habe den
Krieg mit den Persern muthwillig provocirt. Dieser Ansicht
will (und das ist der einzige Punkt, in welchem bei dem
ohne Hass und Liebe schreibenden Chronisten eine bestimmte
Tendenz wahrzunehmen ist) Josua durch sein Buch entgegen-
treten und nachweisen, dass vielmehr die Perser der schuldige
Theil gewesen seien. Die Apologie ist indess bei der grossen
Aufrichtigkeit des Mannes so ausgefallen, dass wir aus
den angeführten Thatsachen eher zu dem entgegengesetzten
Schlüsse gelangen werden, dass nämlich die Perser den
Krieg eröffneten, nachdem sie von den Römern in eine
Nothlage versetzt worden waren. Denn wir können dem
Grunde, die Perser hätten Nisibis nach Ablauf der 120jährigen
Frist, auf welche es von Jovian abgetreten worden, den
Römern nicht zu]:ückerstattet, das Gewicht nicht beilegen,
welches Josua ihm beigelegt hat; es ist doch schwerlich
Zufall, dass kein dem Jovian gleichzeitiger Historiker von
einer Abtretung der Stadt auf Zeit etwas weiss und dass
die 120 Jahre genau in dem Jahre ablaufen, in welchem
König Phirüz in der Schlacht gegen die weissen Hunnen
verschollen und das persische Reich an den Rand des
DES JOSÜA STTLITES. 565
Unterganges gebracht worden war. Josua, der allein die
Angabe hat (§ 8), hat sicher an ihre Richtigkeit geglaubt;
wir können darin nur eine Behauptung sehen, die erst da-
mals Ton romischer Seite absichtlich in Umlauf gesetzt
worden ist. In dem ganzen Buche kommt, was bei einem
syrischen Mönche sehr anzuerkennen ist, nichts von theo-
logischem Gezänk und keine Silbe von den zwei Naturen
Yor, was es Assemani möglich gemacht hat^ ihn als Katho-
liken zu reclamiren; der Herausgeber hat vollkommen Rechty
dies im Hinblicke auf die damaligen kirchlichen Zustände
Syriens für sehr unwahrscheinlich zu erklären und in Josua
einen Monophysiten zu erkennen (S. V). Unter diesen Um-
ständen kann die grosse Unbefangenheit, mit der er über
die Kaiser Zeno und Anastasios, die beiden Beschützer der
Monophysiten, urtheilt, nicht genug anerkannt werden. Von
der Schlechtigkeit des Zeno redet er unverhohlen (§ 15);
den Anastasios nimmt er zwar in Schutz gegen „quelques
hommes insenses", welche ihm die Verantwortlichkeit für
den Perserkrieg in die Schuhe schöben (§ 6), und billigt
es, dass er die weitere Zahlung der zum Zwecke der
Yertheidigung der Grenze gegen die Kaukasusvölker aus-
gemachten Subsidien an die Perser verweigert habe: „que
ceux donc*^, sagt er § 22, „qui le hläment (Tavoir refuse de
donner de Vor, bläment plutöt celui qui reclama avec violence
ce qui ne lui appartenait poinf^i allein er verschweigt nicht^l42i
wie schwer es Anastasios fiel, sich vom Gelde zu trennen,
und erzählt Dinge von ihm, die wir zwar nur in der
Ordnung finden, die aber von den Zeitgenossen schwerlich
gebilligt wurden, z. B. dass er einen Bischof, der nach
Gonstantinopel gekommen war, um vom Kaiser Erlass der
Abgaben für das von Krieg und Hungersnoth schwer heim-
gesuchte Edessa zu erbitten, hart anliess, wie er in einem
solchen Augenblicke seine Heerde habe im Stiche lassen
können, dann aber durch eine andere Mittelsperson und
hinter dem Rücken des Bischofs den ersehnten Erlass ver-
kündigen Hess (§ 79), und am Schlüsse des Buches findet
sich der merkwürdige Passus: „Si, ä la fin de sa vie, Pem-
566 UEBER DIE CHRONIK
pereur Anastase s'est montre sous un autrc aspect, que personne
ne s'offense de nos eloges et qu'on se rappeile ce qtie fit Salo-
mon a la fin de ses jours" (§ 103). Trotz desselben hat der
Herausgeber S. IV f. aus dem Umstände, dass bei der Nennung
des Comes Justinus § 82 jeder Hinweis fehlt, dass dies der
spätere Kaiser sei, gefolgert, Josua habe bei Lebzeiten des
Anastasios zwischen 510 — 515 geschrieben. Referent hält
dies nicht für wahrscheinlich; ein so rücksichtslos die Wahr-
heit sagendes Buch musste, unter dem frischen Eindrucke
der Ereignisse veröffentlicht, nach allen Seiten hin verletzen
und dem Verfasser und seinem Kloster, wo nicht Gefahr,
doch Unannehmlichkeiten bereiten; wozu noch kommt^ dass
sich in der Chronikenliteratur der späteren Kaiserzeit mehr
und mehr die anständige Sitte eingebürgert hatte, die Ge-
schichte nicht über den Antritt des regierenden Kaisers
hinabzuführen. Vielmehr glaubt Referent, dass das Buch
zwar unter dem frischen Eindrucke der Ereignisse, also
wohl , noch 507 , verfasst , aber erst nach dem Tode des
Anastasios 518 veröffentlicht worden ist; zu einer Zeit, wo
in Folge des eingetretenen Systemwechsels Alles über Ana-
stasios herfiel, musste das Buch in seiner schlichten und
ehrlichen Darstellungsweise die beste Schutzschrift für den
todten Wohlthater sein.
Zu der Ausgabe des Textes hat der Herausgeber ausser
einer Liste der bei Josua vorkommenden neuen oder wenig
bekannten Wörter eine möglichst wörtliche französische
Uebersetzung hinzugefügt und sehr zweckmässiger Weise
eine Paragrapheneintheilung eingeführt, welche für Text
und Uebersetzung dieselbe ist. Die in der letzteren befolgte
Transscription der Namen ist die im Französischen übliche;
dass Qoph durch qu, statt durch blosses q, wiedergegeben
wird, ist eine Neuerung, die keine Nachahmung verdient
Der Uebersetzung sind ganz kurze sachliche Anmerkungen
beigegeben, welche namentlich Verweise auf die Parallel-
stellen der übrigen Historiker und besonders auf die Werke
von Tillemont und Lebeau enthalten; das nicht Viele, was
seitdem aus Zacharias von Mytilene u. A. neu hinzugekommen
DES JOSUA STYLITES. 567
ist^ findet sich nachgetragen, so dass für den bequemen
Gebrauch des Historikers gesorgt ist. Aufgefallen ist dem
Referenten die Bemerkung zu S. LVII, die Provinz Beith
Oromoi'e sei nicht bekannt: Beth Armaje (denn so ist zu
yocalisiren) ist die mehrfach vorkommende Eernprovinz des
persischen Reiches^ in der Seleukeia, Ktesiphon, Koche und
Mahüza lagen; vgl. Nöldeke in der Zeitschrift der deutschen
morgenländischen Gesellschaft XXY S. 113 ff. Ein Sprach-
gebrauch ^ auf den der soeben genannte Gelehrte den Re-
ferenten aufmerksam gemacht hat, liegt wohl § 40 vor, wo
der Herausgeber übersetzt: „et dispensa les hahitants de la
ville de fournir de Veau aux Romains^' \ hier und in vielen
anderen Fällen^ wo das Wort in dem Buche vorkommt, lässt
sich Rhomoje geradezu durch ,, Soldaten'' wiedergeben: so
sagt man in Esthland von Einem ^ der zu den Soldaten
genommen worden ist, er sei Russe geworden. § 10 ist
Kunoje als Name der Hunnen, gegen die Phirüz Krieg
geführt hat, schwerlich richtig, sondern in Kushanoje zu
verbessern. Sodann ist der Eigenname Metronin § 18 wohl
aus Saturnin entstellt. Die gänzlich unbekannten Tamuroj§,
die während der Wirren unter Qavad von ihren Bergen
herabstiegen, um zu plündern, kommen allerdings zweimal
vor, § 23 und 25, so dass möglicherweise Josua selbst denl422
Namen verlesen oder verhört hat; es sind aber doch wohl
keine Anderen als die Bewohner von Taberistan gemeint
und Tapuroje ist der richtige Name. Referent musste sich
der Natur der Sache nach darauf beschränken, auf die
Wichtigkeit der neuerschlossenen Geschichtsquelle hinzu-
weisen; eine Kritik der Ausgabe zu geben liegt ausserhalb
seiner Gompetenz; zudem ist soeben eine solche von sach-
kundigster Seite erschienen, nämlich von Nöldeke in der
Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft XXX
S. 351 ff.
XVI.
iDie Nabatäische Landwirthschaft und ihre Geschwister.'^)
Seitdem es bekannt geworden war, dass Herr Professor
Chwolson das von Quatrem^re nur theilweise und oberfläch-
lich untersuchte Original der Nabatäischen Laudwirthschaft
und anderer von Ibn Wahshijjah ans Licht gezogener naba-
taischer Schriften einer genauen Prüfung unterzogen habe
und für die Herausgabe vorbereite, herrschte allgemein das
grösste Interesse fUr dieses unternehmen, und die Erwar-
tungen wurden namentlich durch die Yerheissungen des
künftigen Herausgebers, der sich durch sein Werk „Die
Ssabier und der Ssabismus'^ der Gelehrtenwelt als tüchtigen
Forscher über die Ausgänge des orientalischen Heidenthums
und als wohlbewanderten Kenner der Literatur dieser Zeit
empfohlen hatte, auf das Höchste gespannt. Auch ich habe
diese Auffassung mit anderen Wohlmeinenden getheilt und
ihr in meinen „Beiträgen" S. 52 Worte geliehen. Nach dem
Erscheinen von Chwolsons Schrift „üeber die üeberreste der
altbabylonischen Literatur in arabischen üebersetzungen^
(Petersburg 1859. 4^.) ward ich allerdings vollkommen er-
nüchtert, glaubte es aber Fachmännern überlassen zu können,
die über diesen Punkt herrschenden Illusionen zu zerstören.
Da aber die günstige Auffassung Chwolsons ziemlich viel
Beifall gefunden hat, da Mähner wie Bunsen, Ewald, Spiegel,
so sehr sie auch in ihren Ansichten über das Alter und den
Grad der Authenticität jener Schriftwerke auseinandergehen,
doch darin übereinstimmen, dass hier wirkliche Reste einer
*) [Zeitschrift der deutschen morgenländiachen Gesellschaft XV.
Band (1860) S. 1—110.]
DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAPT. 569
eigenen nabatäischen Literatur vorliegen ^), da man endlich,
wie ich höre, schon anfangt, Ihn Wahshijjahs Uebersetzungen 2
als Quelle zu citiren, so halte ich es nicht nur für sehr an
der Zeit, sondern geradezu für Pflicht, mit dem Urtheile,
welches ich mir in dieser Frage gebildet habe, vor die
Oeffentlichkeit zu treten. Ich verhehle es mir nicht, dass
ich den Kampf unter nicht eben günstigen Auspicien auf-
nehme: abgesehen von jenen schwerwiegenden Präjudicieu,
die mir hier entgegenstehen, abgesehen von der Unzuläng-
lichkeit des Materials, sieht Chwolson S. 3 den, Grund der
Yon ihm erwarteten heftigen Opposition darin, dass durch
seine Ansichten eine Unzahl von Hypothesen und allgemein
recipirten historischen Annahmen umgestossen werden würde,
schiebt somit gleich von vomfaerein seinem Gegner ein un-
wissenschaftliches Motiv imter.^) Und da derselbe S. 44
schon im Voraus über gewisse biblische Kritiker spottet,
die das Werk in die Zeit des Nabopolassar oder Sanherib
herabzurücken geneigt sein könnten, so ist wenig Hoffnung
vorhanden, dass die^von mir hier zu entwickelnde Ansicht
1) Nur Renan theilt in seinem in der Bevne Germaniqne X (1860)
p. 136—166 erBchienenen Aufsätze Chwolsone Optimismus hinsichtlich
der nabatäischen Schriftwerke durchaus nicht. Leider habe ich die
Arbeit dieses ausgezeichneten Forschers zur Zeit noch nicht erlangen
können; nach einigen Andentungen, die mir über sie zugekommen
sind, ist Renan im Frincip zu demselben Ergebnisse gelangt wie
Meyer, der in dem trefflichen Abschnitte seiner „Geschichte der
Botanik" III S. 43 ff. die Nabat&ische Landwirthschaft für ein sich
trflglich in eine ältere Zeit yersetzendes Machwerk erklärt hat. Nur
setzt es Renan in das sechste, Meyer etwa in das zweite Jahrhundert
n. Ch.
2) In einer noch entschiedeneren, den Leser oft peinlich beräh-
renden Weise hat Chwolson diese Verdächtigungen wiederholt in der
Schrift „Ueber Tammüz und die Menschenverehruog bei den alten
Babyloniem", Petersburg 1860. 8^ Diese Studie, die ich erst un-
mittelbar nach Vollendung des yorstehenden Aufsatzes erhielt, hat
mich nicht in die Nothwendigkeit versetzt, auch nur ein Wort an
demselben zu ändern, wohl aber eine ganze Reihe der erwünschtesten
Bestätigungen für meine Ansicht geliefert, von denen ich die haupt-
sächlichsten noch habe nachtragen können.
570 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
vor Chwolson Gnade finden werde. Doch das Bewusstsein,
hier eine gewissenhaft erworbene Ueberzeugung zu vertreten^
hebt mich über dergleichen Bedenken hinweg.
I.
Vorbemerkungen.
Chwolson wirft im Eingange die Fragen auf, ob die
Babylonier (denn das sind die Nabatäer des Ibn Wahshijjah)
schon in alter Zeit eine ausgebreitete Literatur besassen und
ob diese schon zu einer Zeit blühte, als die Griechen noch
kaum mit den Elementen des Wissens bekannt waren, und
bejaht beide. Versteht man darunter eine in dem Masse
ausgebreitete Literatur, wie es die anderer alter semitischer
Culturvölker ist, der Hebräer, Phönicier, Syrer, und präcisirt
die nur scheinbar unverfängliche zweite Frage dahin, ob die
Entwickelung der babylonischen Literatur über das Zeitalter
der Homerischen Gedichte hinaufreicht, so stimme ich Chwol-
son unbedenklich bei und zweifle, dass irgend ein mit dem
Entwickelungsgange des alten Orients vertrauter Historiker
jene Frage mit „Nein" beantworten wird. Allein diese Frage
hat mit der, welche uns hier beschäftigt, ob das, was uns
Ibn Wahshijjah als Geistesprodukte der alten Nabatäer bietet,
Sauch wirklich üeberreste jener altbabylonischen Literatur
sind, nicht das Mindeste zu schaffen, darf daher ganz bei
Seite bleiben.
Vier Schriften sind es, die uns in der arabischen Ueber-
setzung des Ibn Wahshijjah erhalten sind: 1) das bei Weitem
wichtigste Buch über die Landwirthschaft der Nabatäer,
dessen Autor Qüthsämi nach Chwolson im vierzehnten Jahr-
hundert V. Ch, lebte; 2) das Buch von den Giften, von Jär-
büqä noch vor Qüthsämis Zeit verfasst; 3) das Buch über
die Bilder der Grade der Sphären und über das, was sie
über die Umstände der in denselben Geborenen anzeigen,
von Thenkelöshä dem Babylonier herrührend, den Chwolson
spätestens in das erste Jahrhundert n. Ch. setzt; 4) Frag-
mente des Buches von den Geheimnissen der Sonne und des
UND IHRE GESCHWISTER. 571
Mondes^ welches nach der Yermuthang desselben Gelehrten
eine Verschmelzung zweier uralter Schriften des Asqülebithsä
nnd des Adami war.
IL
Das Yerhältniss der nabatäischen Verfasser zu ihren
Gewährsmännern.
Hinsichtlich des Verhältnisses aller dieser Schriften zu
ihren Quellen liegen widersprechende Angaben vor. Der
Grundstock der Nabatäischen Landwirthschaft soll nach der
Vorrede des arabischen Uebersetzers von Dzaghriths her-
rühren. Janbüshäd habe gar nichts in den Worten und
der Anordnung seines Vorgängers geändert, sondern nur zu
einem jeden Capitel Zusätze gemacht, Qüthsämi endlich habe
in derselben Weise das Werk zu Ende geführt (S. 20): aus
dem Werke selber stellt sich aber heraus, dass dies gar
nicht der Fall, Qüthsämi vielmehr der einzige Verfasser ist,
der nur von seinen Vorgängern jene beiden am häufigsten
citirt hat, wie dies Ghwolson S. 21 ff. nachgewiesen hat.
Das Buch von den Giften ist nach der Vorrede eine Com-
pilation aus zwei chaldäischen Schriften, von denen die ältere,
weniger vollständige einen gewissen Sühäbsät und die jüngere,
aber vollständigere und ausführlichere Järbüqä zum Verfasser
habe: in der That aber besteht der Kern des ganzen Buches
aus dem Werke Järbüqäs, aus der anderen Schrift werden
nur einzelne Stellen mitgetheilt (S. 118). Endlich deuten
zwei Stellen an, dass das Buch über die Bilder der Grade
der Sphären schon lange vor Thenkelöshä verfasst, dieser
bloss der Herausgeber desselben gewesen sei, dagegen docu-
mentirt sich Thenkelöshä anderwärts auf das Deutlichste als
einziger Verfasser (S. 149). Ghwolson sucht diese Wider-
sprüche durch die Annahme zu heben, dass Ibn Wahshijjah
ein Wort wie „Wissenschaft" fälschlich durch „Buch" wieder-
gegeben habe; allein das ist nicht eben wahrscheinlich, da
der Uebersetzer seine Originale doch zu gut kennen musste,
als dass er in einen solchen Irrthum hätte verfallen können.
572 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
^Die nächstliegende Erklärung wäre die^ dass jene Stellen
gar nicht von Ihn Wahshijjah herrührten, sondern Yon
seinem Schüler Abü-Tälib ez-Zajjath, der die übersetzten
Schriften nach dem Tode des Lehrers herausgab; sind sie
aber als von Ihn Wahshijjah herrührend ausdrücklich be-
zeichnet, so lässt sich bloss annehmen , dass derselbe den
Mund Yollnahm und uralte in den von ihm ans Licht
gezogenen Werken angeführte Gewährsmänner als Mit-
verfasser aufzählte, um seiner Arbeit eine erhöhte Wichtig-
keit zu verleihen. Soviel ist durch die Untersuchungen
Chwolsons, welcher hier als der Einzige, der bis jetzt die
Originale der Schriften Ibn Wahshijjahs untersucht hat,
competenter als irgend ein Anderer ist, sichergestellt, dass
die fraglichen Schriften sich in der That als Werk des
Qüthsämi) Jarbüqä, Thenkelosha ankündigen, und dass jene
widersprechenden Angaben der Vorreden zum Beweise für
die Berechtigung einer Scheidung älterer und jüngerer Be-
standtheile in jenen Schriften unbrauchbar sind. Es handelt
sich einfach darum: 1) ob die Zeit, in welche sich Qüth-
sämi, Jarbüqä, Thenkelosha versetzen, von Chwolson richtig
bestimmt worden ist? 2) ob sie in der Zeit, in der sie
geschrieben haben wollen, auch geschrieben haben können?
IIL
Die Verwandtschaft der nabatäischen Schriften
untereinander.
Alle diese Schriften zeigen eine grosse Verwandtschaft
untereinander: es kehren dieselben biblischen Figuren (Adami,
Achnochä, Sämä) wieder, dieselben griechischen (Ermisä), es
werden dieselben babylonischen Autoritäten (Dewänät, Re-
wähtä) angezogen, dieselben Lieblingsthemas werden wieder-
holt, z. B. die Polemik gegen blutige Opfer, endlich, was
wichtiger als diese Einzelheiten ist, überall bewegen wir
uns, wie schon Chwolsons Analysen hinreichend zu erkennen
geben, in demselben eigenthümlichen Dunstkreise, der für
mich wenigstens nichts Erquickliches hat und schwerlich
UND IHRE GESCHWISTER. 673
geeignet ist^ dem Leser Vertrauen zu erwecken. Mich däucht,
als könnten selbst die Yertheidiger der Echtheit aller dieser
Schriften der von ihnen vertretenen Sache nur nützen^ wenn
sie eine zu einer bestimmten Zeit vorgenommene, sich über'
alle vier erstreckende Ueberarbeitung annähmen. Trotzdem
werden wir das Buch des Thenkelösha für eine abgesonderte
Prüfung aufsparen, einerseits weil Ghwolson zwischen der
Abfassungszeit der Nabatäischen Landwirthschaft und des
genethlialogischen Buches einen Zwischenraum von anderthalb
Jahrtausenden annimmt, uns also Parteilichkeit gegen Qüth-
sämi vorwerfen konnte, andererseits weil uns umgedreht
Thenkelöshäs Sache nicht ganz so verzweifelt zu stehen
scheint wie die des Qüthsämt Wir beschränken also vor-
erst die Untersuchung auf die Landwirthschaft und die 5
Bücher von den Giften und von den Geheimnissen der
Sonne und des Mondes, welche beide in derselben citirt
werden: diese drei stehen und fallen miteinander.
IV.
Ueber die kanaanäischen Könige von Babylon und
die Zeit des Qüthsämi.
Qüthsämi sagt, er schreibe unter der Herrschaft der
kanaanäischen Könige von Babylon, nicht zu lange nach
Nemrüdä, dem Stifter der Dynastie. Chwolson giebt sich
S. 65 ff. grosse Mühe, Andeutungen für die Herrschaft dieser
Dynastie in guten Quellen wiederzufinden; allein weder der
angebliche Gebrauch von Kanaan als Synonym für Chaldäa
beim Hesekiel, noch die lediglich durch das Vorkommen
Bels sowohl in Phönicien als in Babylonien hervorgerufenen
Mythen von Wanderungen des Gottes aus dem einen Lande
in das andere^ noch die uralte Einwanderung der Phönicier
vom erythräischen Meere, noch die von M. v. Niebuhr vor-
geschlagene bedenkliche Deutung des Ki]q)svg als eines
Heväers geben dafür auch nur den leisesten Anhalt. Die
Notiz, die noch am ersten hierher zu« gehören scheinen
könnte, ^^Xakdatoi xara Ooivixav iötgarsv^av^' bei Synk.
574 DIE NABATAEISCHE LANDWIBTHSCHAFT
p. 290,'5 und Eusebios zum Jahre 483 Abr. = 1533 v. Ch.*),
war ohne Zweifel von einem Apologeten aus Berossos oder
Menandros zur Bewahrheitung der Eroberung Kanaans durch
Kusan Risathaim beigebracht worden; die Chronographen,
welche mit einziger Ausnahme des Eusebios die Zwischen-
zeit zwischen Auszug und Tempelbau nach dem Buche der
Richter berechnen , setzen den Kusan genau in diese Zeit
(Tempelzerstörung 587, Tempelbau 430 Jahre vorher =
1017, Auszug mindestens 584 Jahre vorher = 1601; davon
abgezogen Moses' 40 und Josuas 30 Jahre giebt für Kusan
das Jahr 1531). Allein aus dieser Nachricht lässt sich eine
Herrschaft der Kanaanäer über Chaldäa etwa mit demselben
Rechte ableiten, wie sich aus dem Richterbuche eine Er-
oberung Mesopotamiens durch Athniel folgern Hesse.
Ich kann aber die verlangte kanaanäische Dynastie
wirklich nachweisen, allerdings in einer nicht eben lauteren
Quelle, dem etwa in der ersten Hälfte des ersten Jahr-
hunderts V. Ch. verfassten Buche der Jubiläen, Cap. 46 (in
Ewalds Jahrbüchern III S. 64). Dort gebietet Joseph den
Kindern Israel, bei ihrem einstigen Auszuge aus Aegypten
seine Gebeine mitzunehmen; denn er wusste, dass die Aegy-
pter ihn nicht in Kanaan begraben würden, „weil der
kanaanitische Konig Memkeron, der das Land Assur inne-
hatte, in dem Thale mit dem Konige von Aegypten kämpfte
und ihn da tödtete und die Aegypter verfolgte bis zum
Thore von Eromon (Hq(6(ov xoXig)] aber er konnte nicht
6 hineinkommen, denn es kam ein anderer neuer König über
Aegypten zur Regierung und war mächtiger als er: und er
kehrte zurück ins Land Kanaan, aber die Pforten von Aegy-
pten wurden verschlossen und Niemand kam nach Aegypten'^.
Dann heisst es, der König von Aegypten sei ausgezogen, um
mit dem Könige von Kanaan zu streiten, im siebenand vier-
zigsten Jubiläum in der zweiten Woche im zweiten Jahre,
das ist nach der Rechnung des Buches 21 Jahre nach
Josephs Tode, 147 Jahre vor dem Auszuge aus Aegypten;
#
*) [478 Abr. nach Schöne. F. R.]
UND IHRE GESCHWISTER. 575
„und der König von Kanaan besiegte den Konig von Aegy-
pten und yerschloss die Thore Aegyptens". Die Erzählung
erinnert sehr an die Manethonische bei los. c. Ap. I, 14,
dass der erste Hirtenkonig Salatis yorzüglich den Osten
Aegyptens befestigt habe in der Voraussicht^ dass die da-
mals übermächtigen Assyrer Lust zu einem Handstreiche
auf das ägyptische Reich bekommen würden. Da die Hirten-
könige von den alexandrinischen Juden schon frühzeitig mit
Joseph und seinen Brüdern in Verbindung gebracht worden
•sind, so haben yermuthlich beide Nachrichten eine und die-
selbe Grundlage. Die Manethonische Tradition enthält eine
Goncession an die sagenhafte Erzählung des Ktesias: nur
nach dieser, nicht aber nach der beglaubigten Geschichte
konnte zur Zeit des Salatis (etwa 2170 v. Gh.) von einem
assyrischen Reiche die Rede sein. Das Buch der Jubiläen
rückt zwar den Vorfall seiner biblischen oder quasibiblischen
Zeitrechnung zu Liebe herunter, bietet aber auch seinerseits
eine überraschende Berührung mit der Liste des Ktesias: in
dieser findet sich Memkeron als Manchaleos wieder. Derselbe
regierte nach Ktesias von 1735 — 1705; die Zeitrechnung des
Buches der Jubiläen hängt in der Luft, wir wissen nicht, ob
es den Auszug mit der kürzeren Rechnung in das Jahr 1496
setzte oder mit der längeren in 1601 oder noch höher hinauf-
rückte: in letzterem Falle würde der Vorfall mit dem Könige
Memkeron etwa in das Jahr 1748 gehöreo. Die Ueberein-
stimmung ist gross genug, um uns zu der Vermuthung zu
berechtigen, dass der Verfasser des Buches den assyrischen
Synchronismus aus einer auf Ktesias zurückgehenden Quelle
genommen hat. Benutzung der Ktesianischen Liste finden
wir auch bei dem Samaritaner Eupolemos, der den Meder-
könig Astibares mit Nabuchodonosor Jerusalem belagern
lässt (bei Müller, Fragm. bist. Graec. III p. 229).
Die assyrische Dynastie für kanaanäisch zu erklären
ist natürlich weder dem Ktesias noch dem Manethos in den
Sinn gekommen: die Ansicht ist eine dem Buche der Jubi-
läen eigenthümliche. Den Schlüssel dazu giebt eine ver-
wandte, nicht minder trübe Quelle, eben jener 'im zweiten
576 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
Jahrhundert vor Christus lebende Eupolemos (bei MoUer III
p. 212), welcher nach der Tradition der Babylonier (d, h*
babylonischer Juden) Chanaan, den Vater der Phonicier,
7 nicht zum Bruder, sondern zum Vater des Chus macht ^):
auf diese Art wird Nimrod, der Sohn des Chus, zu einem
Enkel Kanaans. Eine ähnliehe, von der biblischen ab-
weichende Genealogie des Nimrod ist von den Juden den
Muhammedanern mitgetheilt worden; diese macht den Nim-
rod sogar zum Sohn des Kanaan und Bruder des Chus
(Herbelot s. v. Nemrod ; El - Mas^üdis Historical encyclo-
paedia, translated by Sprenger I p. 80). Juden und Christen
fanden den biblischen Nimrod in dem assyrischen Beichs-
gründer Ninos wieder (Clement. B>ecognit. IV, 29 p. 540;
cf. Chron. Pasch, p. 50, 17)*), und legten den Nachfolgern
des Nimrod -Ninos, die nach der unhistorischen Darstellung
des Ktesias Assyrien und Babylonien zugleich beherrscht
haben sollten, eine erst aus der apokryphen Genealogie des
Stifters abstrahirte kanaanäische Herkunft bei. Auch die
Muhammedaner reden von kanaanäischen Konigen, die in
Babylon regiert hätten, und diese Tradition cursirte schon
vor Ibn Wahsbijjah, wie Chwolson S. 68 aus dem Ashkäl
el-Boldän des Abu Zaid nachgewiesen hat. Dass auch diese
Erwähnung kanaanäischer Konige von dem Namen Nimrod
unzertrennlich ist, lehrt die von Chwolson ebendaselbst aus
1) Da die Worte des Eupolemos sehr im Argen liegen, so setze
ich sie hier mit den nöthigen YerbeBgeningen her, die übrigens den
Inhalt nicht wesentlich afficiren: Baßvhoviovg ya^ IsyBiv icgATOv ysvi-
a^cti B^lov, ov slvai Kq6vov' i% tovzov dh ysvsa^ai Bijlov %al Xu^
{Xavccäv vulg.)* tovzov 8\ zov Xäfi (deest vulg.) Xavaav yewrjaat
zbv wazi^a zav ^oivUrnv zovzov 8e Xovg {Xov(i vulg.) vtov y^vioQ'at^
ov vno zciv ^ElXiqvcjv Xiysüd'at "AaßoXoVy nazigcc dh AlQ'ionmv, aSsXtpov
d\ zovzov {zov vulg.) MsazQatfi, notziga Alyvntiatv, Die Namens-
ähnlichkeit von Xovfk'*'Aa(^oXov mit dem zweiten babylonischen Könige
XcaiJkdapriXog kann nur irreführen; Bel-Kronos ist an die Stelle des
Koah, der zweite Bei an die des Sem getreten.
2) Andere in seinem Vater Belos, wie Alezander Polyhistor fr. 4
(bei Müller III p. 218) und Moses von Chorene I, 4, 7 p. 13; 6, 1 p. 19
(ed. Whiston).
UND IHRE GESCHWISTER. 577
einer handschriftlichen persischen Geographie mitgetheilte
Angabe^ dass Babylon nach Dzahhäk die Residenz kanaanäi-
scher Eonige gewesen sei: Dzahhak wird nämlich von Abü'l-
fedä und im Thärich Guzideh (bei Herbelot s. y. Nemrod)
mit Nemrüd identificirt. Dass diese Notizen aus anderen
als jüdischen Quellen geflossen sein sollten, ist nichts weniger
als wahrscheinlich; auf keinen Fall sind sie authentischer
als die des Buches der Jubiläen. Die kanaanäischen Könige
▼on Assur oder von Babel erklären sich also zur Genüge
aus dem jüdischen Sagensynkretismus der hellenistischen
und einer noch späteren Zeit; sie unter diesem Namen in
dem authentischen Dynastienverzeichnisse des Berossos wieder-
finden zu wollen, kann von vornherein als ein vergebliches
Bemühen bezeichnet werden.
Nach der berichtigten Zeitrechnung des Etesias würde
die Gründung von Ninive in das Jahr 1913 v. Ch. fallen,
also in die Anfänge der Berossischen Dynastie von 49 chal-
däischen Eonigen, die 458 Jahre (1976 — 1518) in Babylons
regierten; sonach liegt es, da wir aus Genes. 10, 10 wissen,
dass der Gründer Ninives von Babel ausging, am nächsten,
jene chaldäische Dynastie für die des Nimrod zu erklären.
Da nun Qüthsämi, wie S. 68 nachgewiesen ist, etwa unter
dem sechsten Eonige dieser Dynastie, bald nach Abraham,
geschrieben haben will, so ergäbe sich als die Abfassungs-
zeit der Nabatäischen Landwirthschaft das neunzehnte Jahr-
hundert vor Christus. Ich bin nun allerdings der Ansicht,
dass das Buch sich in diese Zeit versetzen will; da aber ein
Zeitgenosse nimmermehr die von einer unantastbaren Auto-
rität als Chaldäer bezeugten Eönige Eanaanäer hat nennen
können ; so würde meine Annahme implicirt schon das ent-
halten, was hier erst bewiesen werden soll, nämlich dass wir
ein apokryphes Machwerk vor uns haben: ich sehe also für
jetzt von derselben ab.
Chwolson, der ohne Grund den Abrühüm der Nabatäi-
schen Landwirthschaft für eine von dem biblischen Abraham
ganz verschiedene Persönlichkeit erklärt, identificirt die
kanaanäische Dynastie des Nemrüdä mit der arabischen, die
▼. GuTBGHXiDf Kleine Sohrilten. IL 37
578 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
von 1518 — 1273 in Babylon regierte. Die Stützen hierfür
sind schwach genug: Berossos — meint er S. 70 — habe
den den Griechen bekannten und geläufigen Namen Araber
statt des der Eanaanäer gebraucht, weil dieser den Griechen
fast ganz unbekannt war; diese Eanaanäer aber seien Reste
der HyksoS; welche nach Manethos von Einigen für Araber,
von Anderen aber für Phönicier erklärt wurden. Allein die
Eanaanäer waren den Griechen wohl bekannt als OoCvixegj
und so hat denn auch Manethos richtig übersetzt; eine
Gleichsetzung von Phöniciern und Arabern ist nie Jemandem
in den Sinn gekommen. Man sollte meinen, dass das Sprich-
wort Genes. 10, 9, durch welches Nimrod in eine sehr alte
Zeit hinaufgerückt wird, dieser Deutung im Wege stünde.
Für Chwolson aber zeigt es vielmehr, dass Nimrod „eine
echt, historische Personlicheit der neueren Zeit war, dessen
Ruhm im Munde aller Welt und dessen Andenken frisch im
Gedächtniss lebte. Wir (?) sagen z. B. ja auch von einem
ausserordentlich kräftigen und unerschrockenen Manne, er
sei „ein wahrer Napoleon", aber nicht „ein wahrer Friedrich
Barbarossa'' oder „ein wahrer Earl der Grosse", weil diese
Männer unserem Zeitalter zu sehr entrückt sind (S. 72)."
Diese* selbstgemachten und nicht gerade glücklich gewählten
Beispiele^) und das ganze Raisonnement^ welches dem Sprich-
worte einen, der Natur desselben ganz fremden, historischen
Charakter beimisst, zu widerlegen ist nicht nothig: ich berufe
mich einfach auf den gesunden Sinn jedes Lesers, der in der
9 fraglichen Stelle nichts Anderes finden wird, als was alle
Ausleger von jeher darin gefunden haben. So misslich es
auch hiemach um die Identificirung der Eanaanäer Qüth-
sämis mit der arabischen Dynastie des Berossos steht,
immerhin ist dieser Ausweg, in welchem Chwolson durch
Bunsen wesentlich bestärkt worden ist, derjenige, der ver-
hältnissmässig noch die wenigsten Unzuträglichkeiten mit
sich bringt.
1) Chwolson vergisst, dass wir noch hente einen eifrigen Waid-
mann „einen wahren Nimrod" nennen, ohne dass darans folgte, dass
Nimrod zu den Zeiten Napoleons gelebt hat.
\
UND IHRE GESCHWISTER. 579
Chwolson hält sich aber noch eine Rückzugslinie offen,
indem er die Dynastie, welche von 1273 — 747 in Babylon
regierte, als anonym betrachtet: er rechnet die herrschende
Ansicht, die sie für assyrisch erklärt, S. 75 zu der „grossen
Reihe von Yermuthungen, an denen die assyrisch-babylonische
Geschichte überreich ist". Im Dynastienverzeichnisse aus
Qerossos heisst es: „nach den Jahren der Araber, erzählt
er auch, habe Semiramis Assyrien beherrscht, und wiederum
zählt er genau die Namen von 45 Königen auf und giebt
ihnen 526 Jahre; nach welchen, sagt er, ein Eonig der
Chaldäer gewesen sei, dessen Name Phulos war". Da ist
es nun freilich nicht ausdrücklich gesagt, dass die Dynastie
der 45 Eonige die der Semiramis ist, ergiebt sich aber doch
für Jeden, der sich nicht die Augen zuhält, mit Nothwendig-
keit aus dem Zusammenhange; und wenn eine Schlussfolge
wie die: „nach Herodot herrschen die Assyrer von 1256 —
736 über Asien — eine Herrschaft über Asien ohne eine
Herrschaft über Babylon ist ein Unding*) — nach Berossos
herrscht eine Dynastie, die mit der Nennung der assyrischen
Konigin Semiramis eingeleitet wird , von 1273 — 747 über
Babylon*) — folglich ist beide Male dieselbe assyrische
Dynastie gemeint", wenn, sage ich, eine so einfache logische
Schlussfolge für eine unerwiesene Vermuthung erklärt wird,
so ist schwer zu sagen, welche historische Thatsache auf
diese Manier von Chwolson nicht für Hypothese erklärt*
werden könnte.
Es wird also dabei bleiben, dass, wenn echte kanaanäi-
sehe Eonige jemals über Babylon geherrscht, Qüthsämi je-
mals geschrieben hat, dieses noch am ersten im vierzehnten
Jahrhundert vor Christus der Fall gewesen sein kann; Jar-
büqa und die Verfasser des Buches von den Geheimnissen
der Sonne und des Mondes müssten dann noch vor dieser
Zeit gelebt haben.
1) Auch steht eine BeberrBchnng Babylons darch die Assyrer
durch viele Zeugnisse fest.
2) Es lässt sich hier wie dort höchstens um zwei Jahrzehnte
streiten.
37*
580 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
V.
Die nabatäische Sprache.
Hier entsteht nun gleich die Capitalfrage: konnte Ibn
Wahshijjah die Sprache verstehen, in der Bücher mindestens
2200 Jahre vor seiner Zeit geschrieben waren? Chwolson
10 bejaht die Frage und beruft sich dabei S. 80 auf die bekannte
Stabilität der semitischen Sprachen: ungelehrte Araber aus
Mekka verständen jetzt noch ganz gut vor 1000 Jahren ver-
fasste altarabische Gedichte. Der Vergleich trifft nicht zu:
abgesehen davon, dass 1200 Jahre doch keinen kleinen
Unterschied ausmachen, ist erstens durch den Koran die
Eenntniss des Altarabischen immer im Volke lebendig er-
halten worden, zweitens ist die arabische Halbinsel von
fremder Eroberung verschont geblieben. Keines von beiden
ist bei dem babylonischen Schriftthum der Fall: mit dem
Untergange des babylonischen Staates war auch die babylo-
nische Religion in Verfall gerathen, mindestens von der
Diadochenzeit an, und seitdem war kein religiöser Mittel-
punkt da, der der Literatur zum Stützpunkte hätte dienen
können; Perser, Griechen, Parther, Neuperser, Araber haben
Babylonien nicht etwa bloss vorübergehend überschwemmt
und erobert, sondern es geradezu zum Mittelpunkte ihrer
Reiche gemacht (Babylon Hauptstadt unter den Achämeni-
den, Seleukeia unter den Griechen, Ktesiphon unter den
Arsakiden und Sasaniden, Küfah unter den Arabern). Solche
ungünstige politische Verhältnisse haben anderswo jede Volks-
sprache gründlich zersetzt und zerstört; wir wissen auf das
Bestimmteste, dass es auch hier nicht anders gewesen ist:
zur Zeit des Aufkommens des Christenthums, vom dritten
Jahrhunderte an, und wahrscheinlich bereits viel früher^),
1) Nach einer interessanten Notiz des Photios (zu cod. 94 p. 73
Bekk.) war der in der Mitte des zweiten Jahrhunderts nach Christus
lebende babylonische Romanschreiber Jamblichos von Geburt ein Syrer
und lernte erst später die babylonische Sprache. Dieses Babylonisch
braucht aber nicht ein vom Ostaramäischen verschiedenes, dem West-
aramäischen noch femer als dieses stehendes Idiom gewesen zu sein.
UND IHRE GESCHWISTER. 581
ward in ganz Babylonien aramäiscli gesprochen, ja bereits
zur Zeit der Achämeniden war dieses Reichssprache , muss
also schon damals eine grosse Verbreitung über Syrien hin-
aus gehabt haben. Eben so sicher aber ist, dass das Ost-
aramäische des Buches Daniel eine von dem Chaldäischen
der Keilinschriften ganz verschiedene Sprache ist. Es ist
also nicht daran zu denken, dass Ihn Wahshijjah die 2200
Jahre vor seiner Zeit in Babylonien gesprochene Sprache
hätte verstehen können; es bleibt nur die von Chwolson
eventuell in Aussicht gestellte Annahme übrig, dass die
Sprache in jenen uralten Schriften allmählich modernisirt
worden sei.
Dieses Auskunftsmittel ist an sich unbedenklich; dann
müsste das Nabatäische, aus dem Ibn Wahshijjah übersetzte,
ein vielleicht etwas alterthüni lieberer, aber doch von dem
uns bekannten Ostaramäischen nicht allzusehr abweichender
Dialekt gewesen sein, und so schildert das Nabatäische Abü'l-
farag (Chron. dyn. p. 17).*) Leider aber machen die zahl-
reichen aus den von Ibn Wahshijjah übersetzten Schriften ii
mitgetheilten nabatäischen Eigennamen diese Annahme
geradezu unmöglich: in diesen wimmelt es von Lauten, die
unter allen semitischen Sprachen nur die arabische besitzt.
Arabisches ^ findet sich in dem Namen der Sprache Chä-
bütai (S. 104), der Pflanze Chubäzäjä (S. 19), des Baumes
Büchüshi (S. 46), in dem Personennamen Achnöchä (S. 62)
oder, wie er im Buche des Thenkelöshä heisst, Hanöchä
(S. 99). Ein Lieblingsbuchstabe ist arabisches v^; Beweis
dafür ist gleich der nabatäische Autor Qüthsämi, der Eanaa-
näer Tämithsri (S. 91), der Beiname el-Hethsjäni, den Anühä
führt (S. 62), der Pflanzenname Athsijälä (S. 19), die Orts-
namen Küthsä - Rijjä (S. 48) und Bäkürathsi (S. 52) , der
König Garmäthsi (S. 185), der Baum Sükijäthsi (S. 46), alle
drei ebenso auslautend, die alte Frau BBläthsijä (S. 187), der
1) Ich citire diesen und andere Schriftsteller stets nach den
Seitensahlen des aral^chen Textes, die in den Uebersetzungen am
Bande bemerkt sind.
582 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
Eigenname Malkathsä (S. 9), ferner die ähnlich gebildeten
Märinäthsä (S. 120), ginäthsä (S. 52), Beräthsä, dieser auf-
falligerweise zugleich Name eines Hohenpriesters (S. 91) und
einer Stadt (S. 9), Serqäthsä, ebeufalls ein Stadtname (S. 9),
die Apostelnamen tshithsä und Asqülebithsä (S. 19), der
Pflanzenname Jülürithsä (S. 145), endlich die Autorennamen
Däbäths (S. 121) und Dzaghriths. Dieser uralte babylonische
Weise, der mit seiner Schrift die erste Grundlage zur Naba-
täischen Landwirthschaft gelegt haben soll, hat in seinem
nur fünf Buchstaben zählenden Namen nicht weniger als
drei specifisch arabische, ^, & (der auch im Ednigsnamen
* Abed - Ferghilä S. 40 vorkommt) und e». Das Bedenken
Hesse sich leicht durch die Annahme heben, dass in den an-
geführten Worten. die Buchstaben o und aspirirt, ^ und
c aber im späteren Nabatäisch mitunter grober ausgesprochen
wurden, so dass der arabische Uebersetzer sie durch arabisches
^f f} U-^ und d wiedergeben zu müssen glaubte: es Hesse
sich dafür anführen, dass die LXX hebräisches :p öfters durch
griechisches F wiedergeben, u. A. Allein diesen Ausweg
macht ein Zeugniss unmöglich, das schwerer wiegen muss
als irgend ein anderes: in den „Ancient alphabets and hiero-
glyphic characters explained in the Arabic language by Ah-
mad bin Abubekr bin Wahshih and in English by Joseph
Hammer (London 1806. 4«.)" figurirt II, 2 p. 10 auch das
alte nabatäische Alphabet mit seinen nicht mehr und nicht
weniger als 28, den arabischen genau entsprechenden Buch-
stabeiL Ibn Wahshijjah sagt's, fürwahr ein glaubenswerther
Mann! wir müssen uns also bescheiden, hier ein Räthsel zu
constatiren, das alle unsere Ergebnisse über die Entwickelung
der semitischen Laute umstosst.
Unser Erstaunen wächst durch eine vergleichende Be-
trachtung derjenigen nabatäischen Eigennamen, die uns
auch in griechischen und arabischen Formen bekannt sind.
12 Griechisch 'Epft^g, in neugriechischer Aussprache Ermis^
nabatäisch Ermisä (S. 98) ; griechisch lAaxXriJCuidrig (nach
Ewalds schlagender Bemerkung in den Gottinger gelehrten
UND IHEE GESCHWISTER. 583
Ansseigen 1859 S. 1133), mit neugriechischer zischender Aus-
sprache des zf AsklipiadsiSy nabataisch Asqülebithsä (S. 19).
Ferner arabisch Nasr, nabataisch Nesrä (Chwolson, Ueber
Tammüz S. 51); arabisch Nemrüd (Nimrod), nabataisch Nem-
rüdä; arabisch Sam^ seltener im Anschlüsse an die syrische
Form Shäm (Sem), in der Nabatäischen Landwirthschaft
Shämä; im Buche des Thenkelöshä Sämä (S. 99); arabisch
Achnöch; seltener (z. B. bei Abü'lfedä) in treuerem An-
schlüsse an die hebräische Form Hanöch (Henoch), in der
Nabatäischen Landwirthschaft: Achnöchä, im Buche des
Thenkelöshä Hanöchä (S. 62); arabisch Nüh (Noah), naba-
täisch Anühä (S. 62); arabisch Shiths (Seth), nabataisch
tshithsä; arabisch Adam (Adam)^ nabataisch Adami; syrisch
Thammüz, nabataisch Thammüzi (S. 101). Der später so
gewohnliche syrische Name Bar9ümä kehrt ganz unverändert
auch bei den Nabatäem wieder (S. 9). Der Patriarch Abra-
ham wird in der Nabatäischen Landwirthschaft meistens mit
der unveränderten arabischen Form Ibrahim genannt, einmal
Abrühüm (üeber Tammüz S. 85 f.), was Chwolson für die
ursprüngliche Form hält. Als nabataisch ist aber die eine
Form so verdächtig wie die andere; Abrühüm ist nämlich,
wie mich Herr Professor Fleischer*) belehrte, weiter nichts,
als die gröbere dumpfere Aussprache des hebräischen Abra-
ham, eine Aussprache, von der uns die jüdischen Autoritäten
des Abü'lfedä zahlreiche Beispiele liefern.^) Der bekannte
hebräische Name Immanuel kommt in der Form 'Emänübil
als nabatäischer'Name vor (Ueber Tammüz S. 86). Wiederum
eine ganz arabische Form: wie wir im Buche des Thenke-
löshä Qäbin für Kam finden werden, wie der Kaiser Faiog
von Eutych. Ann. I p. 325 und Hamzah II, 2 p. 67 Ghäbiüs
1) Ich benutze diese Gelegenheit, um den verehrten Herren Pro-
fessoren Fleischer und Brockhaus für die vielfache Unteratützang, die
sie mir bei dieser Arbeit haben angedeihen lassen, meinen herzlichsten
Dank auszudrücken.
2) Folgende Beinpieie mögen genügen : Jishsöchor , Ithsämör,
'Ammioödob, JOphinnä, *Andths, Abshölom, Nödob, Bo'shö, Ahöb,
Ohozjö, Beqohjd, Jehöjähdz, Jechonjö.
584 DIE NABATAKISCüE LANDWlllTHSCHAFT
('Abis) genannt wird — was dann in Folge irriger Punc-
tation bei Abü'lfedä in Ghaniüs, bei Abü'lfarag in Ghäijüs
übergegangen ist — , so wird auch hier der Buchstabe \^
seinen Ursprung lediglich der arabischen Scheu Yor dem
Hiatus verdanken. Somit erhielten wir denn zwei reine
hebräische Eigennamen in unveränderter Form als naba-
täische. Ebenso scheinen — heisst es S. 18 — eine grosse
Menge fremdartig klingender arabischer Pflanzennamen naba-
täischen Ursprung/as zu sein; von manchen ^, weiss ich dies
bestimmt'' (dieser emphatischen Formel bedient sich Chwol-
13 son überall, wo er etwas Neues aus den von Ibn Wahshijjah
übersetzten Schriften mittheilt). Die Beispiele sind: arabisch
el-Harshaf; nabatäisch Haräshafä; arabisch Sha'ar el-habbär,
nabatäisch Sha'arä-Habbärä; arabisch Thsil, nabatäisch Ath-
sijälä; arabisch Ghubäzä, nabatäisch Ghubäzajä; arabisch
Shehriz, nabatäisch Shehrizäi. Welche staunenswerthe Regel-
mässigkeit! überall ist, um von den drei Fällen, wo das
fremde Wort unverändert geblieben ist, ganz abzusehen, das
griechische und arabische Wort rein (11 Mal ganz intact)
in dem Nabatäischen enthalten, nur die Endung | (12 Mal),
auch ^ (in Adami, Thammüzi) oder ^t (in Shehrizäi), an-
gehängt, und zweimal ist zu dieser Appendix noch ein t (in
Anühä) oder ^t (in tshithsä) als Vorschlag hinzugetreten;
zweimal (in Haräshafä, Ghubäzajä) ist ein ( in der Mitte
eingeschaltet worden; einmal (in Athsijälä) ist ein anlauten-
des, ein inlautendes und ein auslautendes I hinzugesetzt wor-
den. Ghwolson nimmt die Priorität des Nabatäischen an:
allein 'EQfiijgj das dem nabatäischen Ermisä zu Grunde liegt,
ist erst eine spätere Gontraction für 'EQfisas, und 'AöxXti-
auidrig ist eine specifisch griechische Patronymbildung; daraus
folgt mit Nothwendigkeit, dass vielmehr die Nabatäer die
Entlehner sind. Die arabischen Formen der biblischen
Patriarchennamen weichen im Ganzen so bedeutend von
den hebräischen ab, dass die genaue Uebereinstimmung des
Nabatäischen mit dem Arabischen gerade in diesem Punkte
in hohem Grade auffällig ist. Angenommen einmal das nicht
Erwiesene, dass jene Figuren bei den alten Babyloniem eine
UND IHRE GESCHWISTER. 585
selbstständige Existenz gehabt hätten ^ angenommen ferner
das höchst Unwahrscheinliche ; dass die Araber zwar die
Erzählungen über die Patriarchen Yon den Juden^ die Namen
aber von den Babyloniem entlehnt hätten^ was für einen
bezaubernden Sprachinstinkt müssten die Araber besessen
haben y um die Anhängsel^ Vorschläge und Einschiebsel,
kurz gerade soviel zu beseitigen, dass die neueren arabischen
Formen sich im Umfange mit den hebräischen wieder deckten!
Die Verkehrtheit einer derartigen Annahme leuchtet, denke
ich, Jedem ein; man mag sich noch so sehr dagegen sträuben,
auch hier wird man genothigt, die Nabatäer als die Ent-
lehner anzusehen.
Unter den Pflanzennamen klingt Shehriz so entschieden
neupersisch, dass man nicht umhin kann, das arabische Wort
für den Persern abgeborgt zu erklären : ein Einfluss der
Perser auf die Araber ist aber vor der Zeit des Bahräm
6ür undenkbar, der Uebergang dieses Fremdwortes aus dem
Arabischen in das Nabatäische muss also noch geraume Zeit
später fallen. Auch abgesehen davon steht es fest, dass ein
Werk, in welchem Namen eine Hauptrolle spielen, die eine
80 entschiedene Abhängigkeit vom Arabischen zeigen, weder
im vierzehnten Jahrhundert vor Christus noch unter der
Herrschaft kanaanäischer Eonige von Babylon verfasst sein
kann, sondern im allergünstigsten Falle im fünften Jahr-
hundert nach Christus, wo das kleine an der Grenze Baby- 14
loniens gelegene Reich Hirah unter theilweise christlichen
Eonigen zu grösserem Einflüsse kam, auch eine intimere
Verbindung der Araber mit Persien vermittelte.
Die Einkleidung des Buches kann also nur eine fingirte
sein, mit der Einkleidung fällt aber auch der Verfasser Qüth-
sämi. Auch dieser Name ergiebt sich als die nach der be-
kannten Schablone vorgenommene Veränderung eines arabi-
schen Namens: der alte arabische Name Quthsam kommt in
der Familie Muhammeds zweimal vor, noch mehr nähert
sich der nabatäischen Form der von Chwolson, Ueber Tam-
müz S. 40 angeführte arabische Eigenname Qutämi. Nach
dem Qämüs bedeutet Quthsam Einen, der Schätze sammelt.
586 DIE NABATAEISCHE LANDWIBTHSCHAFT
um damit Gutes zu thun, oder aqch einen Geizhals: also ist
„Schätzesammler'' die Grundbedeutung^ und ein solcher Name
ist für den Bearbeiter der Nabatäischen Landwirthschaffc
recht passend erfunden.
Ibn Wahshijjah protestirt einmal gegen die Behauptung,
seine Uebersetzung wäre eine leichte Arbeit, weil die Sprache,
aus der er übersetze, dem Arabischen verwandt sei (S. 18);
Chwolson folgert daraus nur, dass die Sprache semitisch
war, allein die Abhängigkeit derselben von der arabischen
in Bezug auf die Eigennamen lässt jene Bemerkung in einem
ganz anderen Lichte erscheinen. Namen, die ein Volk von
dem anderen entlehnt, werden meistens der Flexionsendungen
beraubt, auch wohl verstümmelt und mundrecht gemacht:
eine Verlängerung durch einfache Anfügung der Casus-
endungen an das pure angenommene Fremdwort gehört
schon zu den Ausnahmen, eine Erweiterung des Fremdworts
durch Vorschlag und Einschiebung von Lauten sogar zu den
grössten Seltenheiten: hier ist dies Alles Regel! Man ist wohl
berechtigt zu der Frage: war dasjenige Nabatäisch, in welchem
die von Ibn Wahshijjah gefundenen Schriften verfasst gewesen
sein sollen, eine wirkliche, zu irgend einer Zeit einmal lebend
gewesene Sprache, oder verhielt es sich zum Arabischen etwa
so wie das Asmani, in welchem das Buch Desäthir geschrieben
ist, zum Neupersischen? d. h. ist es eine von einem oder
mehreren Individuen durch Verdrehung des Arabischen will-
kürlich erfundene Sprache? In dem Buche über die Gifte
kommen nach S. 18 einige ziemlich lange nabatäische Be*
schworungsformeln vor, deren Sprache nach Chwolson dem
Syrischen ziemlich nahe steht; wenigstens eine, kurze wird
S. 123 mitgetheilt. Es ist sehr zu wünschen, dass auch die
übrigen möglichst bald zugänglich gemacht werden und so
die Frage nach der Echtheit des nabatäischen Schriftthums
festen Ankergrund gewinnt. Einstweilen sind alle Sprach-
forscher auf jene anderthalb Zeilen nabatäischen Textes auf-
merksam zu machen; ich besitze nicht die Sprachkenntniss,
um an eine derartige Untersuchung zu gehen, bin aber fest
15 überzeugt, dass unsere semitische Sprachwissenschaft voll-
UND IHRE GESCHWISTER. 587
kommen im Stande ist, folgende Fragen sicher zu beant-
worten: ist die Sprache jener Zauberformeln ein aus ver-
zerrten arabischen, verzerrten nenpersischen , hebräischen,
syrischen und aus beliebigen utopischen Wörtern zusammen-
gebettelter Jargon, oder kennzeichnet sie sich als eine sei
es lebendige, sei es lebendig gewesene Sprache? in letzterem
Falle, ist sie so bescha£fen, dass sie dem vierzehnten Jahr-
hundert V. Ch. oder überhaupt nur der vorhellenistischen
Zeit angehören kann, oder trägt sie den Stempel eines
späten ostaramäischen Dialektes?^)
VI.
Die Doppelreime des Dzaghriths.
Ebenso wichtig wie die Sprache selbst ist auch die
äussere Form, in der eine Sprache sich ausdrückt: die
Schriften, welche Ihn Wahshijjah entdeckte, waren prosaisch
abgefasst; aber die älteste Quelle der Nabatäischen Land-
wirthschaft, das Buch des Dzaghriths, war ein Gedicht, in
welchem jeder Vers einen doppelten Reim enthielt, einen
auf das erste und einen auf das letzte Wort Schon Meyer
in seiner „Geschichte der Botanik" III S. 49 hat hieran An-
stoss genommen: „Perser und Araber späterer Zeit reimten,
aramäische Völker, soviel ich von sachkundigen Männern
erfahren habe, niemals, weder Hebräer noch selbst der
Syrer Ephraim aus dem vierten Jahrhundert unserer Zeit-
rechnung." Es ist kaum glaublich, wie leicht Ghwolson
1) Herr Professor Fleisclier hat sich auf meine Bitte die Stelle
angesehen und theilte mir mit, einen zusammenhängenden Sinn ver-
möge er nicht herauszubringen, doch sei, um von dem dreimal wieder-
holten ämin, ämtn, fimin am Schlüsse ganz abzusehen, das zweimalige
shölem als Hebraismns dringend verdächtig: es ist die neuere hebräi-
sche Aussprache für shalöm, „Heil"; das Aramäische )^^V^ ^. weicht
in der Bedeutung gänzlich ab. Desgleichen liege es, da es sich um
die Besprechung eines Otterbisses handelt, nur zu nahe, in dem vier-
mal wiederkehrenden märt das Neupersische märi, „Schlange 'S ^^
erkennen.
588 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
über diesen gewichtigen Verdacfatsgrund hinweggeht: ,,Aber
was — sagt er S. 81 — beweist" dies? Hebräer und Syrer
haben wirklich den Reim nicht gebraucht, aber die Baby-
lonier können ihn dennoch eben so gut wie die semitischen
Araber wohl gekannt 'und gebraucht haben; ist denn der
Reim etwa bloss ein Product der Wüste ?^' Glaubt derselbe
denn durch die Postulirung einer Ausnahmestellung für die
Babylonier jedes Gegenargument ohne Weiteres zu entkräften?
Würde dereinst eine» etruskische Inschrift in Leoninischen
Versen producirt; und machte Jemand dagegen geltend, dass
weder Römer noch Griechen den Reim gekannt hätten, dieser
vielmehr erst in den lateinischen Kirchenhymnen aufgekommen
16 sei, was würde man wohl zu dem Kritiker sagen, der die
Echtheit mit der Bemerkung zu retten vorgäbe: „so gut wie
die romanischen Volker können auch die Etrusker den Reim
gehabt haben; ist der Reim etwa bloss ein Product der
Kirche?'* — Meyers Bedenken wiegt um so schwerer, als
uns in Dzaghriths' künstlichen Doppelreimen ein neues Ju-
dicium für die völlige Abhängigkeit des wirklichen oder
angeblichen nabatäischen Schriftthums von dem arabischen
begegnet. Hat die Schrift des Dzaghriths jemals existiri^
so kann sie unter der günstigsten Voraussetzung im sechsten
Jahrhundert n. Gh. entstanden sein, die aus ihr schöpfende
Nabatäische Landwiiffischaft muss demnach in eine noch
spätere Zeit fallen.
VII.
Die nabatäische Schrift
Ewald hat in dem Göttinger gelehrten Anzeiger 1859
S. 1129 die mit der Frage der Sprache zusammenhängende
über die Schrift der von Ihn Wahshijjah^ übersetzten Bücher
angeregt und in dem Umstände, dass nach Chwolsons Ver-
sicherung (S. 105) in den nabatäischen Eigennamen alle
Vocale mit Ausnahme des e durch ä, ü und i ausgedrückt
werden, eine stumme Hinweisung auf die aramäische Schrift
entdeckt, wie sie sich seit etwa dem ersten christlichen
Jahrhundert gestaltet hat. Ewald erhebt das gegründete
UND IHRE GESCHWISTER. 589
Bedenken^ ob dies dieselbe Schrift gewesen sei; welche über
zwei Jahrtausende früher gebraucht ward, und wie der
Araber diese noch so leicht habe lesen können.
Darauf giebt Ibn Wahshijjah selbst reichlichen Auf-
schluss, reichlicheren, als seinen Freunden lieb sein kann.
In den ,,Ancient alphabets'^ führt er nicht ein, sondern
dreizehn alte Alphabete der Nabatäer und der Chaldäer
an, von denen eines, ein hieroglyphisches, nur beschrieben,
zwölf aber mitgetheilt werden,
1) II, 2. Bas alte nabatäische Alphabet (p. 10):
a. b. ^. d. h.' w. z. h. t. j.
k. 1. m. n. 8. ^a. f. 9. q. r.
sh. th. ths. eh. ds. dz. ts. gh.
2) IV, T. Das alte nabatäische Alphabet der berühmtesten
m
Philosophen und Gelehrten (p. 29).
3) VI, 8. Das Alphabet des Skorpions (p. 61). Dieses 17
Alphabet ward sehr viel gebraucht von den Chaldäern bei
der Beschwörung verborgener Schätze und in den Büchern
und Inschriften derselben, die sich auf den geheimen Ein-
fluss des Planeten Mars bezogen. Es ward von Märshiminä
durch übersinnliche Eingebung dem Wahrsager Arbijäsijüs
dem Nabatäer überliefert.*)
1) Arbijäsijüs ist vielleicht mit dem Armä8ijä,mt des Thenke-
lösbä (S. 99) identisch, Mftrshimtnä sicher mit dem in der Nabatäi-
sehen Landwirthschaft erwähnten Heiligen, dessen unpnnktirten Namen
Chwolson, Ueber Tammüz S. 82. 91 Afsimtoä liest. Ich argwöhne,
dass ans der Verbindnng beider Lesarten sich die richtige Form M&qsi-
mlnä. ergiebt, was eine äusserst durchsichtige Nabatäisirang des römi-
schen Mazimin sein dürfte.
590 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
4) VI, 10. D(xs Alphabet vom Steinbock unter dem Ein-
flusse Saturns (p. 63). Dieses Alphabet war eigens bestimmt
für den Gebrauch der babylonischen und persischen Philo-
sophen, die es als ein grosses Geheimniss bewahrten. Es
ward nach ihrem Untergänge in ihren von den Griechen fort-
geschleppten Büchern aufgefunden. Die ägyptischen Philo-
sophen bedienten sich desselben später in ihren astronomischen
Werken.
5) VI, 11. Das Alphabet vom Zeichen des Wassermanns
unter dem Einflüsse Saturns (p. 64). Es ward besonders Ton
den Chaldäern und Sabiern in ihren Zauberbüchem gebraucht,
desgleichen in ihren Inschriften, die auf die Wissenschafb der
Geisterwelt Bezug hatten.
Das siebente Kapitel ist überschrieben „Die Alphabete der
alten Könige, nämlich der Konige von Syrien, der Hermeti-
schen Könige von Aegypten und der Pharaonen, im Gebrauch
bei den Kanaanäem, Chaldäern, Nabatäern, Kurden, Casdäern,
Persem und Kopten'*. 6) No. 1 ist „das Alphabet Königs
Berdowis des Syrers (p. 68). Mit diesem Alphabete schrieb
derselbe alle seine Bücher über die Minutien der Gottheit
und über das Naturgesetz." (Die folgenden Nummern be-
ziehen sich bloss auf Aegypten.)
Ein eigener Anhang handelt von den „vorsintflnthlichen
Alphabeten, die von den Nabatäem, Chaldäern und Sabiern
aufbewahrt worden sind." 7) Das erste sogenannte Shishim-
Alphabet^) (p. 114) wendete man an, um auf den „Lehm der
Philosophen" zu schreiben, der gebrannt zu Backstein ward.
8) Das folgende Alphabet (p. 115) ward auch von den
Pharaonen gebraucht, die, von der vorsintfluthlichen Her-
kunft desselben überzeugt, damit die Gebet- und liturgischen
Bücher zu schreiben pflegten, welche sie in ihren Tempeln
vor ihren Göttern gebrauchten. Ich selbst habe in Ober-
ägypten Tafeln und Steine mit Inschriften gesehen, die in
1) S. de Sacy im Magasin encyclopädique VI (1810) p. 152 ver-
muthet, dass Shtshtm eine Corruptel von Shtths *a. m. (d. h. über ihn
Heil) sei. Sollte nicht Shithsim das Richtige und dies eine hebräisirende
Nebenform zur Bezeichnung der Anhänger des Isbithsä sein?
UND IHRE GESCHWISTER. 591
dieser Schrift gemeisselt waren. Die Pharaonen glaubten 18
fest an deren Alterthum, und die Nabatäer und Ohaldäer
beharrten bei derselben Ansicht.
Von dem Shishim- Alphabet: „Es ward durch gottliche
Offenbarung eingegeben und in vier verschiedenen Arten von
den Völkern, die sich dessen bedienten, modificirt, nämlich
den Hermesianem, den Nabataern, den Sabiern und den
Chaldäem. Dies sind die vier ältesten Völker, von denen
alle Nationen der Neuzeit ihre Schrift entlehnt haben."
9) Veber die nahatäische Form der Shishim -Schrift heisst es
dann: „Die Nabatäer zogen Thierbilder vor, die ihrer natür-
lichen Reihenfolge gemäss angeordnet waren^ und jedes dieser
Bilder hatte seine geheime Bedeutung. Zum Beispiel, wollten
sie einen mächtigen, tapferen, verschlagenen und habsüchtigen
König ausdrücken, so malten sie das Bild eines Mannes mit
einem Löwenkopfe, der mit einem Finger auf einen Fuchs
vor ihm wies. Wollten sie die Eigßnschaften Einsicht, Scharf-
sinn und Weisheit ausdrücken, so stellten sie einen Mann
mit einem Elephantenkopfe dar, der mit einem Finger auf
einen dasitzenden Affen zeigte. Wollten sie dem Menschen
die Eigenschaften Gerechtigkeit, Grossmuth und Freigebig-
keit beilegen, so zeichneten sie einen Mann mit einem
Vogelkopf und vor ihm eine Wage und Sonne und Mond.
Gedachten sie ihn als grausam, treulos und unwissend dar-
zustellen, so gaben sie ihm den Kopf eines Hundes, wilden
Schweines oder Esels, mit einem Feuertopfe und einem
Schwerte vor ihm. Ein kranker, schwacher und abgelebter
Mann ward dargestellt durch das Bild eines Menschen in
Begleitung gewisser Charaktere (siehe p. 123), und vor ihm
das Bild Saturns, zuweilen mit gewissen Charakteren (siehe
ebenda). Ein gewaltsamen Todes verstorbener Mann ward
versinnbildlicht durch das Bild eines Menschen mit dem
Kopfe einer Eule oder einer Fledermaus, und hinter ihm
einen Skorpion mit einem gewissen Zeichen (siehe p. 124),
und hinter diesem das Bild des Teufels mit bestimmten
Charakteren (siehe ebenda). War derselbe vergiftet worden,
so ward er dargestellt mit dem Kopfe eines Käfers oder
592 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAPT
einer Schildkröte und einem Gefasse oder Becher von Glas
vor ihm und den Charakteren:
/WVVV\ 1^ \l
Tod verursacht durch Seuche, hitziges Fieber oder Verderb-
niss des Blutes und der Säfte, ward dargestellt durch einen
19 Mann, der auf einem Sessel sitzt, in der Hand einen Pfeil,
mit einem Drachen über seinem Kopfe, der sich um den
oberen Theil des Schemels schlingt, und vor ihm gewisse
Charaktere (siehe p. 125).^) Ehrenämter, Ansehen und eine
behagliche Stellung ward ausgedrückt durch einen Mann, der
in der Hand einen Ball oder Reif hält, auf dem Haupte eine
Krone, vor ihm ein Babe, und hinter ihm ein Hund, mit be-
stimmten Charakteren in einem Kreise um dieselben (siehe
ebenda). Ein Mann von vollendeter Weisheit und Einsicht,
vollkommen auf allen seinen Wegen und ohne den mindesten
Makel, ward abgebildet mit schönem Antlitz und Fittichen
wie ein Engel, in den Händen ein Buch, in welches er blickt,
ein Schwert und eine Wage haltend, hinter ihm zwei Ge-
fasse, das eine voll Wasser, das andere voll loderndem Feuer;
unter seinem rechten Fusse hat er eine Kugel, auf der eine
Schildkröte abgemalt ist, unter seinem linken einen grossen
Topf voll von Schlangen, Skorpionen und verschiedenem Ge-
würm, dessen Deckel die Form eines Adlerkopfes hat —
Siehe, mein Sohn, das sind die Geheimnisse dieses Volkes,
in welche Niemand eingeweiht war, als sie selbst.'^ Hieran
knüpft Ihn Wahshijjah die Beschreibung und Deutung von
1) Das beachriebene Bild und die pben abgebildeten Charaktere
sind nichts weniger als nabatäisch, sondern echte Hieroglyphen, die
Ibn Wahshgjah irgendwo in Oberägypten copirt haben mius: deatlich
ist darin die Grappe Gheper-ka Hik- nuter -amun zu erkennen. Auch
die vorher beschriebenen Männer mit Thierköpfen waren gewiss nichts
Anderes als ägyptische Götterfiguren.
2) Die Uebersetzung dieses von Hammer sehr mangelhaft wieder-
gegebenen Passus verdanke ich der Güte des Herrn Professor Fleischer.
UND IHRE QESCHWISTEE. 593
Hieroglyphenreihen, die er in Oberägypten gesehen zu haben
angiebt.
Dann folgt 10) y,eines der oben erwähnten Geheimalphabete
(p. 129)". Nachdem das vorsintfluthliche Alphabet der Sabier
mitgetheilt worden, kommt ganz zum Schluss folgende uns
sehr nahe angehende Stelle: „Die Ghaldäer waren die weisesten
Männer ihrer Zeit, wohl bewandert in jeglicher Kunst und
und Wissenschaft. Die, welche ihnen noch am nächsten
kamen und mit ihnen wetteiferten, waren die Kurden. Dem-
ungeachtet aber ist zwischen diesen beiden Nationen ein
ebenso grosser Unterschied wie zwischen den Plei'aden und
einem Irrwisch. Die wesentlichste üeberlegenheit der Kurden
über sie bestand in der Landwirthschaft und Botanik. Sie
gaben vor, von den Kindern des Janbüshäd abzustammen
und im Besitze der Bücher des Adam über die Landwirth-
schaft zu sein, sowie der Bücher des Dzaghriths und des
Qüthsämi; sie gaben vor, alle sieben vorsintfluthlichen Bucher
durch himmlische Eingebung erhalten zu haben; sie gaben
vor, die Kunst der Magie und der Talismane zu besitzen.
Dem ist aber nicht so; denn alle diese Wissenschafben sind
ihnen Seitens der Ghaldäer überliefert worden, welche sie
zuerst civilisirten. Diese Ansprüche auf die Priorität ihres
Wissens sind der Grund des eingewurzelten Hasses zwischen
den Ghaldäern und den Kurden."
11) Das älteste chaldäische Alphabet (p. 132).
12) Ein anderes chaldäisches Alphabet (p. 133).
13) Ein anderes altes unbekanntes Alphabet (p. 134). Dieses 20
erklären die Kurden fälschlich für das Alphabet, in welchem
Janbüshäd und Mäsi el-Süräni alle ihre Schriften über Künste
und Wissenschaften verfasst hätten. Wir wissen nicht, zu
was für einem Alphabete diese Buchstaben gehören, da wir
die Sprache, welche sie ausdrücken, nie zu ermitteln ver-
mocht haben; doch sah ich in Bagdad 33 Inschriften, A\k mit
diesem Alphabet geschrieben waren.
Statt aller Kritik genügt es, auf die abenteuerlichen,
keiner anderen semitischen Schriftart irgendwie ähnlichen
Schnörkel zu verweisen, aus denen diese zum Theil sehr
Y. OüTSOHMiDf Kleine Schriften. II. 38
594 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
kosmopolitischen Alphabete bestehen. Gelangen ist namentlich
das Alphabet des Skorpions, in dessen Buchstaben Tom ersten
bis zum letzten das Hintertheil eines Skorpions nebst Stachel
als Grundelement festgehalten, aber durch allerhand bald der
Quere, bald der Länge, bald in schräger Richtung angebrachte
Striche und Auswüchse 28 Mal variirt ist Von diesen Alpha-
beten sind die der Philosophen, Könige und Gelehrten, nämlich
die drei unter Nr. 2, 6, 8 aufgeführten, nach der neuen, mit
der Neschischrift eingeführten Reihenfolge der arabischen
Buchstaben geordnet und enthalten ausser den 28 Buchstaben
des arabischen Alphabets noch einen neunundzwanzigsten,
welcher dem .arabischen Lam-Elif entspricht. Bei weitem
die meisten schliessen sich an die ältere Ordnung des arabi-
schen Alphabets an und haben die 28 arabischen Buchstaben
mit unerheblichen Abweichungen: in dem jüngeren vorsint-
fluthlichen Geheimalphabet Nr. 10 fehlt das Je — ob aus
Laune des Erfinders oder durch Nachlässigkeit der Abschreiber,
ist schwer zu sagen — ; das Shishim- Alphabet Nr. 7 hat
zwischen Nun und Sin noch ein zweites Zeichen für Dsal;
das Alphabet des Wassermannes ist am Schluss um zwei
Buchstaben vermehrt, welche Ni und Rim heissen. Am er-
staunlichsten ist der Reichthum des „alten unbekannten
Alphabets^' Nr. 13, in welchem . unsere alten Bekaimten Jan-
büshäd und Mäsi el-Süräni nach Behauptung der Kurden ihre
Bücher geschrieben haben sollen. Ibn Wahshijjah sagt selbst,
er kenne weder die Sprache noch das Alphabet, und doch
hat der scharfsinnige Mann in ihm nicht nur alle 28 arabische
Buchstaben genau verificirt, sondern auch noch zwei Zeichen
für die neupersischen Buchstaben v und ^ herausgefunden
(sehr begreiflich, weil die jetzigen Kurden sich des neu-
persischen Alphabets bedienen): nur sechs Buchstaben sind
unerklärt geblieben. Bloss zweimal scheint dem Erfinder
selbft eine dunkele Ahnung aufgestiegen zu sein, dass die
haarscharfe Uebereinstimmung mit dem arabischen Alphabete
ein Anachronismus sei: die beiden vorsintfiuthlichen chaldäi-
schen Alphabete Nr. 11 und 12 haben nur die alten 22 semi-
tischen Buchstaben, letzteres sogar nur 21, da das Nun fehlt.
UND IHRE GESCHWISTER. 595
Möglich^ dass Ibn Wahshijjah für diese zwei eine jüdische
Vorlage benutzte, wie Silvestre de Saey im Magasin encyclo-
pedique VI (1810), p. 168 vermuthet hat.
Fragen wir nun, in welchem von diesen Alphabeten die 21
von Ibn Wahshijjah gefundenen nabataischen Werke ge-
schrieben waren, so concurriren nach Ausschluss des nicht
mitgetheilten hieroglyphischen und des „alten unbekannten*'
immer noch 11 um diese Ehre. Dass hier Schwindeleien
vorliegen, dürfte auch dem blödesten Auge klar sein; wir
können uns nur an das an erster Stelle aufgeführte Alphabet
halten, welches Ibn Wahshijjah für das gewöhnliche alt-
nabatäische erklärt. Es bietet weder mit der hebräischen
noch mit der syrischen Schrift die geringsten Analogien dar,
wohl aber fallen die Zeichen für ^e. Nun, Fe, Re mit den
betreffenden kufischen Buchstaben, die für He, Je, Eef, Qaf
mit den entsprechenden der Neschi-Schrift beinahe zusammen
In der Hauptsache trägt es, wie schon S. de Sacy im Magas.
encypl. VI p. 151 ausdrücklich bemerkt hat, den Stempel
absichtlicher Erfindung auf der Stirn.
vm.
Geographische Anachronismen.
Von einer Betrachtung der Form wenden wir uns zu
einer Betrachtung des Inhalts der Nabataischen Landwirth-
Schaft und der verwandten Schriften. In einem sehr wesent-
lichen Punkte hat es uns Ibn Wahshijjah unmöglich gemacht,
ihm auf die Finger zu sehen: er giebt zwar die Personen-
namen so wieder, wie er sie im Originale fand, statt der
alten Länder-, Städte- und Völkernamen dagegen setzt er die
zu seiner Zeit gangbaren Benennungen, wie er ausdrücklich
bemerkt (S. 16). Ghwolson glaubt in der That, dass man
sich auf Ibn Wahshijjahs Deutung wenigstens der Namen
mesopotamischer und babylonischer Städte ziemlich sicher
verlassen könne. Zum Glück kommen aber doch vereinzelt
Namen vor, die uns als Controle dienen können.
38*
596 DIR NABATAEISCHE LANDWIBTHSCHAFT
§1-
Pehlewi-Volk und Pehlewi-Sprache.
S. 40 heisst es: „Ein Volk Namens Pehlewier wird
allerdings erwähnt; aber man weiss bis jetzt nicht, dass es
ein Volk gab; welches diesen Namen führte^ und wir wissen
auch nicht genau; in welche Epoche und in welche Gegend
wir die Existenz dieses Volkes zu setzen haben. Es ist übrigens
auch möglich; dass dieser Name von Ibn Wahshijjah statt
eines anderen älteren Namens substituirt wurde/' Dass zu
Ibn Wahshijjahs Zeit kein Volk der Pehlewier existirte, steht
fest; der Name ist also seiner Aussage gemäss als dem Ori-
ginale angehorig zu betrachten. In welcher Richtung wir
das Volk zu suchen haben ^ darüber kann die Existenz der
Pehlewisprache keinen Zweifel lassen. Nun ist es eine sehr
annehmbare Vermuthung bedeutender Iranisten (z. B. Lassens
22 in der Ind. Alterthumk. I S. 434 [S. 515f. der 2. Aufl.]); dass
die Pahlawi-Sprache eigentlich die Sprache des Grenzvolkes,
der Pahlawa; sei; und dass diese mit Herodots Paktyern
identisch seien. DaraU; dass pahtu die ältere Form ist; aus
der pahlu erst entstanden ist; kann freilich kein Zweifel sein;
da aber das Alter der Zendsprache so bestritten ist; so kann
man hier zugeben; dass beide Formen schon vor Alters neben-
einander bestanden haben, kann auch zur Noth zugeben, dass
dies schon im vierzehnten Jahrhundert v. Gh. der Fall ge-
wesen — dass aber das Volk, welches die Pahlawi-Sprache
' gesprochen^ jemals Pahlawier geheissen habe; das kann nicht
zugegeben werden: es ist sichtlich ein erst aus dem Namen
der Sprache abstrahirtes Volk.
Auch die Pehlewisprache kommt bei Qüthsämi Tor
(ebenda): „aber — sagt Chwolson — einerseits können wir
nicht die Z'eit bestimmen, wann dieser Dialekt sich gebildet
hat, andererseits aber muss ich bemerken, dass die Stelle
aller Wahrscheinlichkeit nach eine Glosse von späterer Hand
ist.'' D.a8 Verdächtige dieser Erwähnung hat bereits Ewald
[in den Göttinger gelehrten Anzeigen] 1859 S. 1135 hervor-
UND IHRE GESCHWISTER. 597
gehoben und den üngmnd der zuletzt ausgesprochenen Ver-
muthuDg nachgewiesen; das ,,einerseits'' ist gar nicht wahr:
die sehr starke Einwirkung des Semitischen auf das Pehlewi
ist anerkannt, anerkannt auch, dass eine derartige Misch-
sprache jünger sein muss als die Ächämenidenzeit, anerkannt
endlich, dass in den sehr zahlreichen bei den Classikern er-
haltenen persischen Eigennamen sich vor Strabon und Tacitus
von Pehlewiformen keine Spur findet.
§2. ^
Euka und Sura.
Chwolson scheint den Nachweis geliefert zu haben, dass
Qüthsämis Vaterstadt nicht Qüfän hiess (wobei man nur mit
Ewald in den Göttinger Nachrichten 1857 S. 160 an das
Küfah oder Küfän der Araber denken könnte), sondern Qüqä,
und dass dies die aus syrischen Quellen bekannte Stadt am
Tigris ist, welche die Classiker Xcoxv nennen (S. 32), Zu
Ihn Wahshijjahs Zeit bestand diese Stadt nicht mehr, son-
dern war damals in der Doppelstadt Madäin völlig auf-
gegangen: der Name kann also nicht unter die modernen
von Ihn Wahshijjah für ältere substituirten gehören. Chwolson
glaubt, man könnte aus der Bedeutung der Stadt Qüqä in
der christlichen Zeit als eines der Hauptcentren der orienta-
lischen Kirche vielleicht auf die geistige Bedeutung derselben
in der heidnischen Zeit schliessen. Allein die Stadt kommt
in der älteren Zeit gar nicht vor^), zuerst in der Eaiserzeit2a
als die syrische Vorstadt von Seleukeia (vgl. Kiepert, Er-
läuterungen zum Atlas der alten Welt, § 40 [§ 39 der elften
Auflage]), je später desto häufiger; wenn es vor Seleukeia
überhaupt existirt hat, so ist es doch nur ein unbedeutender
Ort gewesen: noch zu Trajans Zeiten kennt es Arrian (Fr. 8
1) Die Conjectar von Salmasius, der Xcaxi^v in ein Fragment des
Hellanikos bei Steph. b. v. XaXSatbi [Fr. 160 Müll.] bringen wollte, ist
längst als anstatthaft erkannt worden: Meineke hat das verderbte t^v
Xoyriv in t^v yr^v verwandelt; vielleicht liegt eine missverstandene
Abkürzung für t^v XaXdaitov yijv zu Grunde.
598 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAPT
bei Müller, Fragm. bist. Graec^ III p. 588) als einen blossen
Flecken. Die grosse Kolle, die Qüqä in der Nabatäisehen
Landwirthscfaaft spielt, macht für diese eine frühere Ab-
fassungszeit als das zweite Jahrhundert V. Ch. nicht eben
wahrscheinlich.
Nicht minder, auffällig ist die hervorragende Stellung,
welche die genannte Schrift der Stadt Sürä am Euphrat zu-
weist Zwar wissen wir aus jüdischen Quellen, dass diese,
zu Ende der Arsakidenzeit zuerst genannte, Stadt noch zu
Ibn Wahshijjahs Zeit bestand: es konnte also zugegeben
werden, dass derselbe den Namen für einen älteren substi-
tuirte. Aber Sürä erscheint als Gelehrtenschule. Freilich
Chwolson „weiss es bestimmt, dass diese Stadt in der früheren
und selbst in der frühesten Zeit ein Hauptsitz der chal-
däischen Cultur und Gelehrsamkeit war" (S. 33). Auch ver-
muthet er, dass Orchoe, wo nach Strabon eine chaldäische
Schule war, mit Sürä identisch ist. Die Vermuthung ist
falsch: wir wissen, dass das babylonische Sürä ursprünglich
Mata-Mechassia hiess (Grätz, Geschichte der Juden lY S. 306).
Was mich anbelangt, so weiss ich nur soviel „bestimmt",
dass Sürä vom dritten bis in die Mitte des zehnten Jahr-
hunderts der Sitz einer berühmten jüdischen Gelehrtenschule
war, die erst bald nach Ibn Wahshijjahs Tode einging
(Grätz a. a. 0. V S. 336). Wer Optimist ist, dem bleibt es
unbenommen, auch hier den Rückschluss aus der Bedeutung
in der jüdischen Zeit auf die Bedeutung in der heidnischen
Zeit zu wagen. In dem Ausdrucke „die syrischen Suraner",
dessen sich Qüthsämi bedient, fand Ewald ([Gottinger Nach-
richten] 1857 S. 161) eine Anspielung auf griechische Zeiten.
Chwolson meint allerdings, im Originale werde etwa Armoje
dafür gestanden haben; die Sache bleibt aber auch so höchst
auffällig. Wer von „syrischen Suranern*' liest, muss noth-
wendig zunächst auf den Gedanken kommen, dass damit die
Bewohner der, aus classischen Quellen^) bekannten, ebenfalls
am Euphrat gelegenen syrischen Stadt Sura zum Unter-
1) Plin. N. H. V,,26, 21 § 89; Ptol. V, 15, 26; Lucian. de con-
Bcrib. bist. 29.
UND IHRE GESCHWISTER. 599
schied von der babylonischen bezeichnet werden. Dass dies
jedoch nicht der Fall, vielmehr wirklich von der babylo-
nischen Stadt dieses Namens die Rede ist, lehrt theils der
Zusammenhang; theils andere Stellen der Nabatäischen Land-
wirthschaffc. Wie die Vertheidiger ihrer Echtheit sich hier
zu helfen wissen werden, ist mir gleichgiltig : mir ist es
klar, dass Pseude-Qüthsämi von einer syrischen Stadt Sura
gelesen, diese mit der babylonischen vermengt und den 24
Widerspruch durch Annahme einer syrischen Bevölkerung
der letzteren auszugleichen versucht hat.
§3.
Antiochien.
»
„Antiochien — heisst es S. 36 — wird zwar erwähnt,
aber dieser Name rührt sicher, wie so viele andere neue
Städte- und Ländernamen, von Ibn Wahshijjah her/' So
glatt kommt man über diesen Stein des Anstosses nicht
hinweg. Antiochien ist bekanntermassen erst von Seleukos L
gegründet: entweder also ist das Buch des Qüthsämi jünger
als 300 V. Chr. oder man muss zugeben, dass Ibn Wahshijjah
bei der Ersetzung der alten Ortsnamen durch neue mit solcher
Unwissenheit oder Willkür verfahren ist, dass auf alle der-
artige Angaben bei ihm nicht das geringste Gewicht gelegt
werden kann. Vielleicht wird sich aber Chwolson auf die
Fabeleien der Antiochenischen Chronisten beim Malala be-
rufen, dass schon vor der Existenz des späteren Antiochiens
auf dem nahen Berge Silpion eine Stadt Namens 'JcosroAtg
gestanden habe, eine Gründung des Triptolemos und der
Argeier, welche die lo suchten: ihre Einwohner seien von
Seleukos nach Antiochien verpflanzt worden und hiessen
noch zu seiner Zeit bei den Syrern ^Imvttai (pp. 33. 257
ed. Oxon.). Bei der geistreich lässigen Manier, wie man
heut zu Tage Untersuchungen über griechische Urgeschichte
zu führen liebt, kann man nicht dafür stehen, dass dieses
apokryphe Histörchen nicht noch einmal als Argument für
eine uralte Niederlassung der lonier an der syrischen Küste
600 DIE NABATAEISCHE LANDWIKTHSCHAFT
verwerthet wird. Was mich betriflt, so führe ich sie, ab-
gesehen von der Eitelkeit der Antiochener, einfach auf die
syrischen Benennungen Jünoitho (die griechische) und Javon
(Grieche) für die neue Stadt und ihre Bewohner zurück, zu
deren Erklärung die Griechen in ihrer Weise einen etymo-
logischen Mythos ersannen; und ich glaube kaum, dass metho-
dische Geschichtsforscher mir hierin widersprechen werden.*)
§4.
Die lonier, ihr Wohnen neben Kanaan und in
Britannien.
Dies führt uns auf die famosen Stellen über die lonier.
Mäsi der Suraner, der nach gewissen von Chwolson vor-^
genommenen, freilich sehr unsicheren, Reductionen der über-
lieferten Zahlen um 2500 v. Chr. lebte, schreibt an Tamithsri
den Kanaanäer bei Gelegenheit eines Streits über die Schäd-
lichkeit des reinen Westwinds: „Das, was ich dir, Tamithsri,
ßage, gilt auch deinen Nachbarn, den loniern, von denen ich,
wenn ich nicht einen Widerwillen dagegen hätte, irgend
Jemand zu beleidigen, gesagt hätte, dass sie wie das Vieh
wären; und wenn auch manche vortreffliche Männer aus
26 ihrer Mitte hervorgegangen sind, so überheben sie sich doch
Einer nach dem Andern gegen die Babylonier.'' Spiegel hat
im „Ausland" XXXII (1859), S. 1012 mit Recht bemerkt,
dass der Ton dieser Stelle einen höchst zweideutigen Ein-
druck zurücklässt: „So spricht man nicht, wenn man über
ein rohes und ungebildetes Volk unbefangen aburtheilt, wohl
aber in einer leidenschaftlichen wissenschaftlichen Streit-
schrift, die sich des Paradoxen ihrer Behauptungen wohl
bewusst ist. Es sollte mich keineswegs wundern, wenn sich
dergleichen Aeusserungen als Produkt der Zeit herausstellen
würden, welche den Eroberungen Alexanders folgte, in der
die griechische Bildung mehr und mehr nach Asien vor-
drang." Chwolson ist freilich anderer Ansicht: „Vor etwa
*) [Vgl. Band I S. 226. F. R.]
rao IHRE GESCHWISTER. 601
zwanzig Jahren — sagt er S. 91 f. — , als eine negatiye
Kritik noch im Flore war, hätte man aus dieser Stelle
gewiss gefolgert, dass Mäsi nach Alexander dem Makedonier
gelebt hat; jetzt aber wird dies Niemand thun/' Wäre
wirklich jetzt, wie Chwolson insinuirt, die positive Unkritik
allmächtig, so wäre es möglich, dass er mit seinen, zuver-
sichtlicher als rathsam war hingestellten, Behauptungen Bei-
fall fände; wir sind weniger pessimistisch und wagen zu
prophezeien, dass er hierin sehr allein stehen wird. Wie zu
erwarten war, macht Chwolson von den AUerweltsioniem für
seinen CUenten Qüthsämi Capital: „Wir können es jetzt —
sagt er S. 85 — nach den Forschungen E. Curtius', ungeachtet
aller dagegen erhobenen Einwendungen, als eine ausgemachte
Thatsache annehmen, dass die griechische Bevölkerung in
Eleinasien nicht erst seit dem elften Jahrhundert v. Ch. sich
daselbst augesiedelt, sondern dass sie im Gegentheil hier
ihre Ursitze hatte/' Als das einzige positive Argument, das
gegen diese total veränderte Stellung des ionischen Stammes
angeführt werden könnte, betrachtet er die „Gott Lob besei-
tigte naive Chronologie der ehemaligen Tertia mit den Daten
1697 für Phoroneus, 137? für Deukalion u. s. w." (S. 85. 92).
In welchem Zusammenhange die mythische Chronologie der
Alexandriner mit der vorliegenden Frage stehen soll, gestehe
ich nicht zu begreifen; die Sache steht im Gegentheil so,
dass die asiatischen und ägyptischen Einwanderer Pelops,
Danaos, Eekrops, Peteos, Erechtheus, die man für immer
beseitigt glaubte, von E. Curtius aus der Rumpelkammer
hervorgeholt und als orientalisirte lonier oder ionisirte
Orientalen verwerthet worden sind. Die vornehm ablehnende
Haltung, welcher der Urheber der Hypothese allen Einwürfen
gegenüber vor einem Widerlegungsversuche den Vorzug giebt,
und die Dringlichkeit, mit der enthusiastische Philologen in
den Jahnschen Jahrbüchern von den Lesern für die E. Curtius-
schen Studien über ältere griechische Geschichte Bewunde-
rung heischen, kann allerdings den ferner Stehenden auf den
Gedanken bringen, dass es sich hier um eine „ausgemachte
Thatsache'^ handelt, der nur vereinzelte Böswilligkeit ihre
602 . DIE NABATAEISCHE LANDWIBTHSCHAFT
26 Anerkennung vorenthält: in Wahrheit aber haben sich ge-
rade diejenigen, die hier vorzugsweise competent sind, Histo-
riker und Geographen (ich erinnere nur an Duncker in der
griechischen Geschichte und Kiepert in der Untersuchung
über die Yolkertafel der Genesis) , sehr entschieden gegen
die lonierhypothese erklärt, und diese gilt jetzt ziemlich all-
gemein als beseitigt Bei jeder Hypothese muss die erste
Frage sein nicht ,yist sie gut?% sondern ,,ist sie nothig?'' —
,,ist sie die verhältnissmässig befriedigendste Losung vor-
handener Schwierigkeiten?^^ Gerade bei der hier in Frage
kommenden ist es eine der schwächsten Seiten, dass sie die
einzige wenigstens nach dem Urtheile von Lepsius feststehende
Thatsache, das Vorkommen der lonier in Äegypten auf den
Denkmälern der achtzehnten und neunzehnten Dynastie, bei
Licht besehen ebenso unerklärt lässt wie die sehr constante
griechische Tradition: dass man jene lonier von dem schmalen
Küstenstriche Kleinasiens, der ihren Namen führt, statt der
Tradition gemäss von dem europäischen Festlande kommen
lässt, macht den Weg nach Äegypten um nichts kürzer; wie
überhaupt in so alter Zeit Griechen nach Äegypten gekom-
men sind, das würde das grosse Problem sein, wenn die
hieroglyphische Lesung des loniernamens über alle Zweifel
erhaben wäre. Da aber unter den namhaftesten unserer
Aegyptologen, Lepsius, Bansen, Brugsch, nichts weniger als
Uebereinstimmung über die Deutung der betreffenden Gruppe
herrscht, so hat der Nichtägyptolog einfach zu constatiren,
dass die Sache noch nicht so sicher steht, um einer totalen
Umwälzung der griechischen Urgeschichte als Grundlage zu
dienen.*) Gesetzt aber selbst einmal, die Curtiusschen lonier
wären in der äussersten Ausdehnung, die man mit diesem
Begriffe verbinden kann, eine Realität, was wäre damit ftLr
die Authenticität der Stelle des Mäsi gewonnen? Nicht das
Mindeste; ich will nicht davon reden, dass dessen lonier
2500 V. Ch. eine Theorie über die nachtheiligen Folgen des
*) [^gl- »Beiträge zur Geschichte des alten Orients** S. 124 ff.
F. R]
UND IHEE GESCHWISTER. 603
reinen Westwindes gehabt haben sollen und dass diese
Theorie in Babylon bekannt gewesen und kritisirt worden
sein soll, aber noch mehr: diese lonier sind Nachbarn der
Eanaanäer! Chwolson riskirt mit Hülfe der dardanisch-
lelegisch- karisch -lykischen Brücke, die Classen geschlagen
hat^ ein Salto mortale an die kanaanäische Grenze. Die
Molluskennatur^ die den modernen loniem seit ihrer Erfin-
dung anklebte, hat uns in der That auf solche Einfalle hin-
reichend vorbereitet; Chwolson macht sich die Sache aber
doch etwas zu leicht, wenn er von zwei Hypothesen die
ungehenerlichere ohne Weiteres als Beweismittel für die
minder ungeheuerliche verwerthet: „lonier — sagt er S.92 —
kann hier einen viel weiteren Begriff haben als bei uns,
wofür übrigens auch der Umstand spricht, dass Mäsi die
lonier als Nachbarn der Eanaanäer nennt, was von den an
den Meeresküsten ansässigen Griechen doch durchaus nicht
gesagt werden kann.'' Zwischen Lykien und Kanaan liegend?
noch Eilikien und Syrien, Länder, deren Bevölkerung zu
einer ionischen zu stempeln auch der erhitztesten Phantasie
schwer fallen möchte: darum also müssen sich die lonier
Mäsis in Nichtionier verwandeln lassen! Wir konnten uns
füglich darauf beschränken, das Bodenlose dieser ganzen
Annahme einfach zu signalisiren, sind aber in der Lage,
ihre positive Unmöglichkeit nachzuweisen: entweder der
Name Javan kam den griechischen loniern ursprünglich zu
und wurde von den Orientalen auf andere Völker über-
tragen — dann könnten dies nur hinter den loniern, also
westlich von ihnen, wohnende Völker gewesen sein; oder
der Name Javan kam einem östlicheren, nichtgriechischen
Volke ursprünglich zu und wurde erst später in den orien-
talischen Sprachen auf die griechischen lonier übertragen —
dann hätten diese Letzteren sich nicht selbst mit diesem
Namen nennen können. Jene Worte Mäsis haben nur zu
einer Zeit einen Sinn, als die Griechen erstens thatsächlich
Nachbaren der Eanaanäer, d. h. im Besitze von Syrien waren,
zweitens als sie den Babyloniern ihre Ueberlegenheit in einer
für deren Nationalstolz demüthigenden Weise hatten em-
604 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
pfinden lassen ^ mit einem Worte seit dem Beginn der helle-
nistischen Periode. Vor dieser Wahrheit schützt alles Pro-
testiren gegen eine negirende Kritik nicht.
Die Stellen, an denen Qüthsämi in seinem eigenen
Namen von den loniern spricht, sind darum, dass sie bloss
ein um ein Jahrtausend niedrigeres Älter beanspruchen, nicht
weniger verdächtig. S. 88 heisst es, die lonier wären der
Ansicht, dass die Malve nicht kalt; sondern heiss sei.
Chwolson selbst hat nicht verschwiegen, dass die Einthei-
lung der Pflanzen in kalte und warme Theophrastisch ist,
erklärt aber trotzdem, jene Ansicht könne auch von Wurzel-
gräbern und Pharmakopoen getheilt worden sein, die schon
im fünfzehnten Jahrhundert in lonien existirt haben können,
wenn man das griechische Alterthum überhaupt hinaufrückt.
Eine Kritik dieses Einfalls ist überflüssig: mit „wenn'' und
„aber", mit „möchte, könnte, dürfte" kann man weder Un-
möglichkeiten beweisen, noch den auf der Hand liegenden
Verdacht, dass hier plumpe Fälschung aus spätester Zeit
vorliegt, ersticken.
Es kommt aber noch ärger. Qüthsämi führt ein ioni-
sches Sprichwort an: Du bist noch verständiger als ein
jemenischer Zauberer. „Diese Stelle — erfahren wir S. 89 —
beweist gleichfalls nichts gegen das hohe Alter des Qüthsämi:
denn wenn einmal das Alterthum der Griechen in Klein-
asien höher hinaufgerückt wird, als man dies bis jetzt ge-
wöhnlich thut, und wenn man annimmt, dass der Name
lonier bei den Orientalen einen weiteren Begriff hatte als
bei den Griechen der späteren Zeit, so ist jenes Sprichwort
in Kleinasien in der von uns angenommenen Zeit für Qüthsämi
28 nicht unmöglich.'^ Zwischen Kleinasien und Jemen liegen
noch etliche Stunden Wegs, und billig darf man fragen, wie
bei den loniern Bewohner eines Landes sprichwörtlich werden
mochten, das ihnen kaum vom Hörensagen bekannt sein
konnte. In dem grossen Schatz von Sprichwörtern, welche
die Griechen besitzen, findet sich das angeführte, wie zu er-
warten war, nicht vor; ich kenne nur zwei ähnliche, freilich
minder schmeichelhafte, ^Agaßcog ayyekog von einem uner-
UND IHRE GESCHWISTER. • 605
müdlichen Schwätzer und 'A^äßiog avXrixrig von einem Plöten-
bläser, dem man eine Drachme giebt, dass er bläst, und
Tier, dass er nur wieder aufbort (Apostol. Paroem. cent. III
p. 70. 71. Zenob. cent, II p. 39. 58): die Araber galten als
LQgner und Schwindler, denen kein wahres Wort auf der
Zunge sitzt (Babrios I, 57 v. 12 ff.). Natürlich kommen
diese Sprichwörter erst in der Zeit nach Alexander auf:
Babrios schrieb, wie mir am wahrscheinlichsten vorkommt,
in der Mitte des zweiten Jahrhunderts v. Ch. in Syrien unter
Antiochos VI. Epiphanes Dionysos (Babr. 11, prooem. v. 1).*)
Aber niemals hat in der griechischen Sprache ein Wort
existirt, das dem arabischen Landesnamen Jemen entsprochen
hätte; und vor Homer, im vierzehnten Jahrhundert v. Ch.
sollte ein solches Wort existirt haben und dann spurlos ver-
loren gegangen sein? Um dieser absurden Consequenz zu
entgehen, wird man sich ohne Zweifel wieder auf die Yolu-
bilität des lonierbegriffes berufen und zu Lassens auf die
sanskritische Benennung des Weihrauchs, jävana, begründeter
Ansicht seine Zuflucht nehmen, dass bei den Indern Javana
in der älteren Zeit nicht die Griechen, sondern ein arabisches
Volk bezeichne. Allein Lassen selbst hat dies nur als eine
beiläufige Vermuthung ausgesprochen (Ind. Alterthumjsk. I
S. 729 [S. 722f. der zweiten Auflage]), die meines Wissens
keine allgemeine Anerkennung gefunden hat-, und wäre dies
selbst der Fall, so macht Qüthsämt selbst diese wohlwollende
Deutung seiner lonier unmöglich, indem er S. 89 Ephesos
eine Stadt der lonier nennt. Es liegt also die Erfindung
irgend eines Nichtgriechen vor, dem der Name Jemen ein
ganz geläufiger war: zunächst fällt der Verdacht auf einen
Araber.
Von der Getreideart Athsrümjashä oder Therümjasä
heisst es S. 87: „Diese ist durch Handel zu Hinäfä dem
Könige gebracht worden aus dem Lande der lonier, welches
Bei-tänijä heisst." „Was für eine Stadt oder Gegend —
sagt Chwolson — hier gemeint ist, kann ich nicht angeben;
*) [Vgl. Band I S. 17 f. P. R.l
606 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAPT
an Britannien kann hier schwerlich gedacht werden, obgleich
die Phönicier schon sehr früh dieses Land gekannt haben.''
Durch Bertänija ist Bgazzüvla (das inlautende a ist lang,
wie man aus Dionys. Perieget. v. 284 sieht) so gewissenhaft
wiedergegeben, wie es der arabischen Sprache überhaupt
möglich ist; dass ein anderes Land als Britannien gemeint
sein könnte, ist eine leere Ausflucht, die damit, dass andere
Handschriften mit veränderter Punctation Bertäjinä lesen,
nicht gestützt werden kann. Eine Ausfuhr von Getreide
29 aus dem getreidearmen Britannien ist ungereimt genug;
aber an ungereimten Erfindungen ist ja in den von Ibn
Wahshijjah entdeckten Büchern kein Mangel. Ein Handels-
verkehr zwischen Britannien und dem Orient ist fiir den
Anfang des siebenten Jahrhunderts n. Ch. bezeugt durch
die Vita 8. loannis Eleemosynarii in den Acta Sanctorum,
23. lanuar. II p. 501. Der Vertheidiger Qüthsämis darf
natürlich hieran nicht anknüpfen , sondern ' muss Bertanijä
in die Kategorie der von Ibn Wahshijjah modernisirten
Namen stellen und sich an die uralten Fahrten der Phö-
nicier nach den Zinninseln halten. Also damals war Bri-
tannien ionisches Land? o des grossen Wunders! Wie schön
klärt sich nun das Dunkel der alten irischen Geschichte auf!
Der Anfangsbuchstabe von „ Irland '' ist ein I, ja in der
griechischen Form ^lovsgvia haben wir sogar noch eine
ganz deutliche Spur des Digammas: braucht es mehr zum
Beweise, dass es altes Eigenthum der "Icovsg oder ^IdJ^ovag
ist? Ja noch mehr, sind nicht die Donnerstag, den 1. Mai
1070 V. Ch. eingewanderten Milesischen Könige der grünen
Insel sprechende — nein, schreiende Beweise einerseits für
den lonismus der Irländer, andererseits für das hohe Alter-
thum des lonierbegriffs? hatte nicht Adrianus lunius längst
dargethan, dass der lonier lason und seine Argonauten nach
Irland gefahren sind? Haben nicht später irländische Hi-
storiker die intimen Beziehungen zwischen den Gesetzen
Königs Ollamh Fodhla und den Lykurgischen nachgewiesen
(vgl. Moore, The history of Ireland I p. 6. 18. 115)? —
den Lykurgischen, sage ich, deren ionischen Ursprung zu
UND IHRE GESCHWISTER. 607
entdecken der modernsten griechischen Historik vorbehalten
blieb. Die in Folge dieser unerhörten Entdeckung gänzlich
veränderte Stellung der lonier als Gliedes eines nunmehr ^
keltisch - pelasgisch - lelegischen Yölkercomplexes weiter zu
begründen und der Würde des Stoffes entsprechend zu
schildern y will ich Anderen überlassen. Doch, Scherz bei
Seite: das Land der lonier Bertänijä ist eine der ver-
rätherischesten Angaben des ganzen Buches. Ehe der Name
Franken für alle Europäer aufkam, bezeichnete der Orient
die Altgriechen als Jünoje, el-Jünän, die Römer und späteren
Griechen oder Byzantiner als Rhümoje, er-Rüm; diesen Unter-
schied halten Syrer sowohl als Araber streng fest. Offenbar
wusste das derjenige^ der unter der Maske des Qüthsämi
schrieb y und hütete sich, ein verfängliches er-Rüm zu ge-
brauchen, that aber des Guten zu viel und beehrte auch ein
so speciell römisches Land wie Britannien mit dem Prä-
dicate ^^ioDisch'*, das ihm in^ vierzehnten Jahrhundert v. Gh.
so wenig wie im siebenten Jahrhundert n. Ch. zukam.
IX. 30
Persönlichkeiten der hebräischen Tradition.
In Bezug auf die zahlreichen in der Nabatäischen Land-
wirthschaft vorkommenden Namen biblischer Patriarchen hatte
Quatrem^re Entlehnung aus der Bibel durch jüdische Yer-
mittelung angenommen; Ghwolson aber erklärt es für ^^ihm
völlig unbegreiflich, wie man auf den Gedanken kommen
kann zu glauben, dass die erwähnten babylonischen und
kanaanäischen Persönlichkeiten, die allerdings zum Theil einige
schwache Züge der gleichnamigen biblischen Patriarchen
haben, aber im Ganzen und Grossen diesen ganz unähnlich
sind, aus der Bibel entlehnt seien" (S. 44). Nemrüdä zwar
wird von Ghwolson für identisch mit dem biblischen Nimrod
erklärt (S. 73), in Bezug auf Anühä aber heisst es S. 62, sein
Gharakter unterscheide sich sehr wesentlich von dem biblischen
Noah, und vor der Verwechselung Abrühüms des Kanaanäers
mit dem Patriarchen Abraham wird S. 43 ausdrücklich ge-
608 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
warnt. Allein in dieser Weise jeden Fall einzeln nacli sub-
jektivem Ermessen zu entscheiden ist baare Willkür: was
von einer dieser Personen gilt, mnss auch von allen gelten.
Dass nun Ihn Wahshijjah selbst sie für identisch mit den
gleichnamigen biblischen gehalten wissen wollte, scheint dar-
aus herrorzugehen, dass hinter den Namen Adami, tsluthsä,
Achnöchä, Anühä und Abrühüm die Worte „der Prophet,
über den Heil sei^', hinzugefügt werden; Chwolson erklärt
allerdings S. 95 diese dem Codex B eigen thümliche Formel
für eine Zuthat der Abschreiber, weil sie in anderen Hand-
schriften grosstentheils fehle: doch mag sich dies selbst so
verhalten, Alles, was über jene Persönlichkeiten berichtet
wird, spricht so laut für ihre Identität mit den entsprechenden
biblischen Patriarchen, dass der Gedanke einer bloss zuföUigen
Namensähnlichkeit ganz ausgeschlossen bleiben muss. Will
man von der Quatrem Preschen Erklärung absehen, so bleibt
nur eine Möglichkeit übrig: Adam, Seth, Henoch, Noah,
Sem, Nimrod, Abraham sind Gestalten, die in der Urzeit der
hebräischen und chaldäischen Tradition gemeinsam waren
und nach der Auswanderung der Hebräer nach Kanaan bei
beiden Völkern selbstständig fortgebildet wurden. Etwas
Anderes meint wohl auch Chwolson nicht, der sich nirgends
bestimmt über diesen Punkt ausspricht. Hätte es hiermit
seine Richtigkeit, so erhielten wir in der Nabatäischen Land-
wirthschaft als einem angeblich gegen drei Jahrhunderte vor
der Genesis verfassten Buche eine hochwichtige Controle der
hebräischen Tradition. Wir wollen zuvor sehen, ob die Nach-
richten Qüthsämis auch ihrerseits bei einer Yergleichung mit
dem alten Testament oder auch nur mit dem Koran die
Feuerprobe bestehen.
8t § 1.
Adam.
Der Nahatäisclien Landwirthschaft zufolge trat Adami nach
DewänM, ^ Akehüthsä und Anderen als Verkündiger des Mono-
theismus und agronomischer Schriftsteller auf. Die Existenz
von Präadamiteu ist eine schiitische Ansicht: Ga far 9^diq,
UND IHRE GESCHWISTER. 609
einer der zwölf Imäms, hatte erklärt, vor Adam habe es schon
drei andere Adams oder Stammväter der Menschen gegeben
(Herbelot s. y. Adam). Der biblische Adam ist nach muham-
medanischer Lehre der erste der sechs grossen Propheten;
von Büchern Adams wissen nicht bloss die späteren Juden
und die Christen zn reden, auch die Muhammedaner lassen
ihn durch Eingebung 10 Bücher schreiben (Herbelot ibid.).
Adami durchreiste weite Länder , brachte Pflanzen, aus fernen
Gebenden nach Bahylonien und lehrte sie daselbst cultiviren
(S. 174). In den Erzählungen über ihn wird das Sonnenland
öfters erwähnt, von dem es heisst, dass es südlich von Indien
liege und von diesem Lande durch eine Wüste getrennt sei,
Adami soll dieses Sonnenland besucht und verschiedene merk-
würdige Dinge von hier nach Babylonien gebracht haben, dar-
unter auch den Fenchel, „DaJier, sagen sie (die Anhänger des
Ishtthsäjy hätten sie diese Pflanze nach einem der Namen des
Jupiter Barhilijä (Variante Bazhilijä) genannt (Chwolson, Ueber
TammüZj S. 87). Nach Maimonides (bei Chwolson, die Ssabier
und der Ssabismus II S. 460) erzählte Qüthsdmi von Adam, von
der Schlange und von dem Baume der Erkenntniss des Guten
Bösen: wobei ich gleich erwähnen will, dass Thenkelöshä einen
Lebensbaum kennt, der von zwei Engeln bewacht wird (S. 181).
Während Adamis Vorgänger die Art, wie Pflanzen von selbst
entstehen können, nicht gehörig erforscht hatten, brachte dieser
in seinem „Buche von den Geheimnissen des Mondes'^ oder
„Buche der Erzeugungen'^ die Erzeugung der Pflanzen aus
gegebenen Stoff'en in ein förmliches System (S. 166). Da die
am dritten Schöpfungstage von Gott aus Nichts erschaffenen
Kräuter und Bäume (Gen. 1, 12) erst drei Tage alt waren,
als Gott den ersten Menschen in den Garten Eden setzte,
dass er ihn bauete und bewahrte (Gen. 2, 15), so war aller-
dings Adam, wenn überhaupt Jemand, competent, Unter-
suchungen über die Generatio aequivoca der Pflanzen an-
zustellen. Der Aufenthalt Adams im Paradiese, der Baum
des Lebens und der Baum der Erkenntniss, der Sündenfall
kommen auch im Koran vor (Sure 2 S. 4, Sure 7 S. 113 der
Uebersetzung von Ullmann); von der Schlange weiss die
y. OüTscHMii), Kleine Schriften. II. 39
610 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
muhammedaBische Legende nach dem Vorgange der Rabbinen
zu erzählen, dass sie ihre einst schöne und an Hohe mit dem
Kamele wetteifernde Gestalt zur Strafe eingebüsst habe.
Auch die wissenschaftlichen Reisen Adams werden durch die
muhammedanische Legende (bei Herbelot s. v. Adam) auf das
32 Erfreulichste bestätigt, nach welcher Adam aus dem Para-
diese auf die Insel Zeilan herabstürzte und dann über 200
Jahre lang verzweifelt umherirrte, bis er sich zur Pilgerfahrt
nach Mekka entschloss and darauf die Eya auf dem Berge
'Arafath wiederfand. Und richtig muss auch der nabatäische
Adam! nach Indien reisen: das „Sonnenland'' erklärt Chwolson
wahrscheinlich richtig für das Dekkhan^). Zu dem wunder-
lichen Einfalle der Muhammedaner, den Adam nach Zeilan
zu versetzen, hat wahrscheinlich die Namensähnlichkeit des
in den singhalesischen Sagen hochgefeierten Räma mit Adam
den ersten Anstoss gegeben: auch wurden Beide als Riesen
gedacht. Da auch das Dekkhan zahlreiche Erinnerungen an
Rämas Anwesenheit aufzuweisen hat, so ist es kein Wunder^
dass auch Adam zu einer Zeit, wo sich die muhammedanische
Sage noch nicht auf dem Adamspik in Zeilan fest localisirt
hatte, mit dem, dem Dekkhan entsprechenden, Sonnenlande
in Verbindung gebracht wird. Erst Abu 'Abdallah ben
Ohafif, ein jüngerer Zeitgenosse des Ihn Wahshijjah, wall-
fahrtete, zuerst unter allen Moslems, auf den Adamspik
(Gildemeister, Scriptorum Arabum de rebus Indicis loci et
opuscula inedita, p. 54). Was den Fenchel, den Adam aus
dem Sonnenlande nach Babylon verpflanzt haben soll, und
seinen angeblich chaldäischen Namen betrifft, so wird durch
VuUers, Lexicon Persico- Latinum I p. 230 s. v. UI^jA die
Form Barhilijä sicher gestellt; in dem Borhän-i-Qäti' wird
dieses Wort für griechischen Ursprungs erklärt: „was aber
sicherlich unrichtig ist'* fügt Chwolson (üeber Tammüz, S. 78)
1) Mit Indien — meint er — könne nur nach alter Weise das
Pengab gemeint sein; die Wüste sei die von Bägasthän. Letzteres
lasse ich gelten; im Uebrigen liegt es viel n&her, Indien in dem Sinne
von „Hindustan** zu fassen.
UND IHRE GESCHWISTER. 611
hinzu. Obgleich der gewöhnliche Fenchel bei den Griechen
einen anderen Namen führt^ so ist doch nicht zu leugnen,
dass das Wort eine entschieden griechische Physiognomie
trägt. .Da nun in dem Worte wirklich der Name eines grie-
chischen Gottes — '^HXvog — enthalten sein kann und di^
Entlehnung aus dem Sonnenlande ausdrücklich als Grund der
Benennung angegeben wird, so ist es in hohem Grade wahr-
scheinlich, dass xaQYiXtov, „der Sonne nahe", in der That, wie
das persische Lexikon angiebt, der griechische Name einer
Fenchelart gewesen ist. Der Ghaldäer Adam benannte also
eine indische Pflanze mit einem griechischen Namen: ein
schönes Zeugniss für die Universalitat der babylonischen
Wissenschaft! Auf seiner zweihundertjährigen Wanderschaft
muss Adam ein schätzbares Material über die Flora Indiens,
Persiens und Arabiens zusammengebracht haben, welches ihn,
die früher von ihm als praktischer Gärtner im Paradiese
gesammelten Erfahrungen hinzugenommen, zum wissenschaft-
lichen Botaniker in so eminenter Weise befähigen musste,33
dass wir den Verlust seiner Werke nur aufs Tiefste beklagen
können. Einigermassen ersetzt ihn uns jedoch die vorsorg-
liche arabische Tradition, welche uns zu guter Stunde von
Mas'üdi (S. 60 f. bei Sprenger) aufbewahrt worden ist. Die
Worte desselben lauten : „Als Adam aus dem Paradiese herab-
stieg, nahm er ein Weizenkorn mit und dreissig Absenker
von den Fruchtbäumen des Paradieses. Zehn von ihnen
haben Schalen, nämlich die Nuss, die gemeine Mandel, die
Lampertsnuss, die Pistazie, der Mohn, die Kastanie, der
Granatapfel, die Banane (oder der Pisang), die syrische Eichel,
die Pinie. Zehn von ihnen haben Kerne: die Pfirsiche, die
Aprikose, die Damascenerpflaume, die Dattel, die Ruellia
guttata, der Lotus, die Mispel, die Jujuba, die Lontaris do-
mestica, die Kirsche. Einige von ihnen haben weder eine
Schale, noch irgend eine andere Hülle neben dem essbaren
Theile, noch einen Kern: nämlich der Apfel, die Quitte, die
Weinbeere, die Birne, die Feige, die Maulbeere, die Orange,
die Gurke, die Gurkenart Cassia fistula, die Melone.'^ Dies
wäre also der erste Versuch einer Classificirung der Frucht-
39*
612 DIE NABATAKISCHE LANDWIRTHSCHAFT
bäume — welch' ein ehrwürdiges üeberbleibsel aus den
Einderzeiten der Menschheit! wie begründet ist demnach die
Behauptung der Nabatäischen Landwirthschafk, Adami sei der
erste wissenschaftliche Botaniker gewesen! wie schön fügt
sich nun die für die oberflächliche Betrachtung isolirt da-
stehende Nachricht, Adami habe Pflanzen aus fernen Landen
nach Babylonien verpflanzt, als Glied in eine Kette von
Traditionen! — von Traditionen, die freilich Böswillige für
arabische Phantasiegebilde erklären werden. Adami war ferner
der eigentliche Begründer, Beförderer und Verbreiter eines
rationellen Ackerbaues und schrieb eines der geschätztesten
Werke über den Ackerbau (S. 174. 27). Nach Gen. 3, 23
muss der erste Mensch nach der Vertreibung aus dem Para-
diese das Feld bauen (das Buch der Jubiläen cap. 3 in Ewalds
Jahrbb. 11 S. 239 fügt hinzu: „wie er gelehrt worden war
im Garten Eden"): sehr begreiflich, dass er der Begründer
einer rationellen Landwirthschaft ward und sich gedrungen
fühlte, seine agronomischen Erfahrungen in einer eigenen
Schrift niederzulegen. Ich erinnere daran, dass griechische
Euhemeristen uns zu erzählen wissen, dass Endymion, durch
seine zarten Beziehungen zur Selene dazu vorzugsweise be-
fähigt, mit einer Theorie des Mondlaufs vor das Publikum
trat, dass Atlas, der Träger der Himmelssäulen, in gleicher
Weise ein Lehrbuch der Astronomie schrieb, und Aehnliches.
Von Adamis umfassender Thätigkeit legt namentlich eine Stelle
Qüthsdmis über den Ladanumbaum (S. 44) Zeugniss ab, die
Herr Professor Fleischer mir zu übersetzen die Güte gehabt
hat, Sie lautet wie folgt: „Die Gerämiqah aber nennen ihn
Ndshermd, und mit diesem Namen drücken sie eine Idee aus,
in der ein Gegensatz gegen die Chaldäer liegt: nie haben die
r
34 Gerdmiqah aufgehört für Jeden, der sie kennt, offenkundige
Neider der Chaldäer zu sein, Bas heisst nämlich, die Chaldäer
nennen ihn Bdqermcti. Wenn nun Jemand sagt, die Chaldäer
haben angefangen auf die Gerämiqah zu sticheln, so hat er
darin nicht Becht; denn die Gerdmiqah gehören nicht zu den
Nachkommen Adams, die Chaldäer aber gehören dazu: und die
UND IHRE GESCHWISTEfl. 613
Sprache der Gerämiqah und die Namen, welche sie den von
ihnen benannten Dingen gehen, müssen vor Adam gewesen sein,
welcher jedem Dinge einen Namen gegeben hat, den er zuerst
gebrauchte und einführte. Also haben die Gerämiqah sich nicht
in Opposition gegen die Chaldäer gesetzt, sondern gegen Adam
— denn Adam hat diesen Baum Bäqermdi genannt: alle
Menschen aber stimmen darin überein^ dass dasjenigcy was
Adam vorgeschrieben hat, das Wahre und Rechte ist, was hin-
gegen Andere vorgeschrieben haben, falsch istJ* Um dies zu
erklären, brauchen wir nicht auf Gen. 2, 19 zurückzugehen;
auch im Koran 2 S. 4 heisst es, dass Adam, von Gott unter-
wiesen, alle Dinge mit Namen genannt habe. Wie wenig
sich dieser Zug uralter Sage mit der sonstigen, so durchaus
modernen Schilderung Adams in der Nabatäischen Land-
wirthschaft verträgt, ist schon von Ewald (in den Gottinger
Nachrichten 1857 S. 163) hervorgehoben worden: hat sich
Qüthsämi überhaupt etwas dabei gedacht, so hat er logischer-
weise die Sprache, wenigstens die Sprache der sogenannten
Nabatäer, für eine schriftstellerische Erfindung Adamis er-
klären müssen: ein Einfall, der für ihn ganz charakteristisch
ist und auf die Entstehung der Sprache, in der die oben be-
sprochenen Zauberformeln abgefasst sind, ein bedenkliches
Licht wirft. Adami erzeugte — heisst es S. 49 — nach den
Angaben der Genealogen 64 Kinder, und zwar 22 weibliche
und 42 männliche; von den letzteren hinterliessen nur 14 Nach-
kommen (zwei davon tourden die Stammväter der Chaldäer und
ICanaanäerJ, von den übrigen dagegen habe sich keine Nach-
kommenschaft erhalten. Die Angabe Gen. 5, 4, dass Adam
nach dem Seth noch Sohne und Tochter gezeugt habe, ist
von späteren Juden präcisirt worden: nach dem Buche der
Jubiläen cap. 4 (in Ewalds Jahrbüchern II S. 239) erzeugte
Adam den Eain und seine Zwillingsschwester, den Abel und
seine Zwillingsschwester, den Seth und neun andere Söhne;
nach muhammedanischen Sagen bei Herbelot gebar Eva dem
Adam 20 Mal Zwillinge; Synkellos (p. 18, 21 ed. Bonn.), der
auch aus einem Apokryphon geschöpft hat, nennt sogar
33 Knaben und 27 Mädchen. Diese 14 oder 40 oder 60 Kinder
614 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
erinnern so stark an die von Qüthsämi dem Adam gegebenen
64 Kinder, darunter 42 Knaben, von denen 14 Nachkommen-
schaft haben^ dass ein Zufall ganz ausgeschlossen wird. Es
ist klar, hier liegt ein preiswürdiger harmonistischer Versuch
des angeblichen Qüthsä|ni vor. Als Wohlthäter seiner Zeit
erhielt Adami den Beinamen „Vater der Menschheit^' (S. 174).
36 Von diesem, freilieh aus der biblischen Tradition sehr be-
greiflichen, Beinamen weiss die Bibel nichts, wohl aber die
arabische Legende, die Adam Abü'l-Bashar, Vater aller
Menschen, nennt (Herbelot). Wie seltsam, dass gerade die
Ghaldäer dem Adami diesen Beinamen gaben, die seine Vater-
schaft auf den nabatäischen Namen beschränkten und z. B.
die Assyrer nicht von Adami abstammen Hessen! Also,
dass Adam Erde bedeutet^ daher ein für den ersten Menschen
sehr angemessener Name ist, ist eine der „Hypothesen'^, die
in die Rumpelkammer spazieren müssen? also Berossos, der
den ersten Ghaldäer Aloros, nicht Adam, nennt, folgt einer
jungen, schlechten Tradition? Gegen solche Bedenken wird
man sich auf Hippolyt. Haeres. V, 7 p. 97 (ed. Miller [p. 136
ed. Duncker et Schneidewin]) berufen, nach welchem die
Ghaldäer den aus der Erde gebildeten, aber erst später be-
seelten Menschen Adam nannten: ich selbst habe früher mit
der Autorität der Nabatäischen Landwirthschaft die Hippoly-
tische Angabe gegen Bansen zu decken gesucht (Beiträge
S. 52)', was ich freilich nach genauerer Kenntniss der ersteren
nicht gethan haben würde. Ist die Nachricht echt, so giebt
sie den Angaben Qüthsämis ein vollständiges Dementi, indem
auch sie zwar von einem Adam als erstem Menschen, aber
nicht von einem Adam als agronomischem Schriftsteller weiss ;
erweist sie sich als von der jüdischen Erzählung abhängig,
so ist sie als Stütze nicht zu gebrauchen.
§2.
Seth.
„Ischit^ä — heisst es S. 27 — ist der Mann, dem die
Menschheit, direct oder tndirect, eine Jahrtausende lange Ver-
finsterung vorzugsweise zu verdanken hat; er war Religions-
UND IHRE GESCHWISTEE. 615
Stifter, und wenn er nicht der Erfinder des Sterndienstes, der
Astrologie und der groben abergläubischen, zauberariigen Lehren
war, so hat er dieses Alles weiter entwickelt und in ein reli-
giöses System gebracht, und die von ihm gestiftete Religion, mit
einer Art von Papstthum oder geistlichem Chalifat an der Spitze,
war die herrschende in Babylonien, und breitete sich allmählich
über ganz Mesopotamien und Syrien aus,'* Doch gesteht Ishithsäs
Gegner Qütfisdmi selbst zu, dass seine Religion eine hohe Moral
predigte (S. 174). Von Seth heisst es in der Genes. 4, 26:
„Zu derselbigen Zeit fing man an zu predigen von des Herren
Namen/^ Das Gesetz des Patriareben Seth — heisst es bei
Herbelot s. v. Scheit — , welchen die Moslems in die Zahl
der Enbiah oder Propheten (aber nicht der sehr grossen)
setzen^ war in einem Buche enthalten^ welches seinen Namen
trug und als Sefer Shiths bekannt ist. Nach der christlichen
Auslegung, wie sie Synkell. p. 16, 14 (ed. Bonn.), Eutych.
I p. 21. 26, Abü'lfarag Chron. Syr. p. 4 und Hist. dynast.
p. 7 f., und Andere wiedergeben, sind die Kinder Gottes, die
nach Genes. 6, 4 mit den Töchtern der Menschen Kinder
zeugten, die Nachkommen Seths, die sich auf den Berg
Hermon zurückgezogen hatten, um dort ein beschauliches 36
Leben zu führen, aber durch den Anblick der Tochter Kains
ihrem Gelübde abwendig gemacht wurden. Die Muhamme-
daner erklären zwar die Egregoren für Nachkommen der
(jrinn, mit denen vor Adam die Welt bevölkert war, bemerken
aber ausdrücklich, dass sie sich zur Religion des Seth be-
kannten (Herbelot). Hierdurch wird die von Haus aus gute
und für die Zeitgenossen heilsame Natur der Religion tshithsäs,
die unter seinen Nachkommen immer mehr ausartete, vor-
trefflich illustriri Jene Ausdeutung der Kinder Gottes als
Kinder Seths ist purer Euhemerismus ; es liegt daher auf
der Hand, welcher Grad von Authenticität den von ihr ab-
hängigen Angaben des vermeintlichen Qüthsämi beizumessen
ist. In seinen religiösen Schriften hatte Ishithsä mancherlei
agronomische Lehren vorgetragen (S. 27); ein Verbot des Fisch-
genusses wird auf ihn zurückgeführt (S. 95). Eine Sage bei
Abü'lfarag Hist. dynast. p. 7 macht den Seth zum Erfinder
616 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
der Schreibkunst^ und p. 10 führt derselbe als Ansicht der
Sabier an^ dass Seth, Adams Sohn, der ägyptische Agatbo-
dämon sei^ der Lehrer des Hermes. Da nun Qüthsami selbst
anderswo (S. 93) sagt, Ermisä und vor ihm Agathodämon
hätten ihren Landsleuten den Genuss von Fischen und Bohnen
verboten, so ist klar, dass er nach sabischer Doctrin Ishithsä
und Agathodämon gleichsetzt: ein neues Zeichen des aller-
spätesten Sageusynkretismus. Ishithsä selbst soll die Schriften
seines Vaters Adami vernachlässigt, seine Nachfolger sie geradezu
verfälscht haben (S. 27. 167). Diese Behauptung Qüthsamis
erinnert sehr an die im Koran (3 S. 41) gegen Juden und
Christen vorgebrachte Beschuldigung, sie hätten die Bibel
verfälscht und die auf Muhammed bezuglichen Prophezeiungen
unterdrückt.
§3.
Henoch.
Achnöchä und Anühä werden in den Handschriften
fortwährend verwechselt, sind aber unzweifelhaft zwei
verschiedene, jener dem Henoch, dieser dem Noah ent-
sprechende Personen, was auch Chwolson S. 99 bemerkt
hat. Der Erstere erscheint bei Qüthsdmi als ein Weiser der
Vorzeit, in Uebereinstimmung mit der Angabe Genes. 5, 24,
Henoch habe ein gottliches Leben geführt. Auch im Koran
19 S. 2^5 erscheint Henoch unter dem Namen Idris (der
Studienbeflissene) als gerechter Mann und Prophet. S. 93
heisst es von Anühä, er habe den Genuss der Bohnen verboten;
nach S. 95 hat aber Codex B an dieser Stelle Achnöchä, und
diese Lesart verdient unbedingt den Vorzug. Hier kommt
uns nämlich die schon einmal von Nutzen gewesene Parallel-
stelle zu Hülfe, nach welcher Ermisä und vor ihm Agatho-
dämon ihren Landsleuten den Genuss von Fischen und Bohnen
untersagt haben. Nach Abü'lfara^ Chron. Syr. p. 5; Hist
STdynast p. 9 erklärten nämlich die alten Griechen den Ach-
nöch für Hermes Trismegistos; Hermes aber ist der Schüler
des Agathodämon-Seth. Der augebliche Qüthsami bleibt sich
somit durchweg gleich.
UND fflRE GESCHWISTER. 617
§4.
N o a h.
Anühä führt bei Qüthsämi die Beinamen el-Kanaäni el-
Hethsjänij nach Chwolsons Vermuthung (S. 62) von einer alten
kanaanäischen Stadt Heth^'än oder Hethsjä; mir scheint es aber
keinem Zweifel zu unterliegen, dass das Beiwort den Noah als
vom Stamme der Hethiter bezeichnet, und dass mit leichter Ver-
änderung der Punktation el-Hithsänl herzustellen ist. Dass Noah
zu einem Hethiter gemacht wird, ist seltsam , hat aber eine
gewisse Stütze in der späteren jüdischen Tradition^ die unter
gröblicher Yerkennung des juristischen Charakters der Er-
zählung der Genesis 23, 3 ff. schon Adam und Eva in der
Doppelhöhle im Hethiterlande, wo später Abraham die Sara
begrub, beigesetzt sein lässt (Beer, Leben Abrahams, S. 75).
Die christliche Tradition bei Eutych. I p. 18, 37 nennt die
Höhle, in der Adam bestattet ward, el-Kanüz und lässt auch
alle folgenden Patriarchen in derselben beigesetzt werden;
Noah selbst begrub darin nach I p. 33, 35 seinen Vater und
Grossvater. Anühä schrieb über den Ackerbau, und zwar
speciell über den Weinstock (S. 28. 180). „Noah — heisst es
in der Gen. 9, 20 — ward ein Ackersmann und pflanzte
Weinberge, und da er des Weines trank, ward er trunken.*'
Wie bedauerlich, dass die Schriften eines Mannes verloren
gehen mussten, der sich in dieser Branche gewiss als ebenso
sachkundig bewährt haben wird, wie Adami in der Gärtnerei!
Aber so geht es in der Welt. Auch die rhetorische Aus-
arbeitung, in welcher der trojanische Prinz Paris die Vorzüge
der Göttinneu Hera, Athene und Aphrodite abgewogen und
dan Preis der Schönheit der Aphrodite zuerkannt hatte, ist
leider verloren, dieselbe, die den epischen Dichtem, un-
gebildeten, mit einem Ishithsä und Consorten in Aberglauben
wetteifernden Dunkelmännern, Gelegenheit gab, von dem be-
kannten Schiedssprüche des Paris zu fabeln (vgl. Anon. de
incredibb. 10 in den Paradoxographi ed. Westermann p. 323).
Auch Anühä trat als Apostel des Mondes auf (S. 173), ver-
618 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTflSCHAFT
kündete edlere Religionsbegriffe und trat mit Entschiedenheit
gegen den zu seiner Zeit herrschenden Cultus der Anhänger
des Ishithsä auf (S. 43); muthvoll litt er auch für diese edlen
Bestrebungen (S. 174). Von dieser prophetischen Thätigkeit
des Noah weiss das alte Testament nichts, desto mehr die
uachbiblische Tradition: schon das Buch der Jubiläen cap. 7
(bei Ewald, Jahrbücher II S. 248) enthält lange Ermahnungs-
reden Noahfi an seine Söhne, und IL Petri 2, 5 wird Noah
der Prediger der Gerechtigkeit genannt. Bei den Moslems
ist Noah der zweite der sechs grossen Propheten und der
erste, der nach Henochs Sendung wieder erschien, um den
88 Glauben an. einen Gott zu verkündigen (vgl. Säle, Einleitung
in den Alkoran S. 96, und Anmerkung zu Sure 7 S. 173 von
Arnolds deutscher üebersetzung). Nach einer ebenfalls mu-
hammedanischen Tradition (bei Herbelot s. v. Nouh al-Nabi)
schrieb Noah 10 Bücher, in denen er die von Gott erhaltenen
Offenbarungen und Gebote niederlegte. Die jüdische Tradition
(Buch der Jubiläen cap. 10 in Ewalds Jahrbüchern II S. 254)
kennt ein von Noah nach der von den Engeln erhaltenen
Unterweisung verfasstes Buch über jegliche Art von Heil-
mitteln. Auf das im Beth-ha-Midrasch erhaltene Fragment
eines ähnlichen Noahbuches hat Chwolson S. 187 aufmerk-
sam gemacht.^) Da der Götzendienst, gegen den Noah eiferte,
durch die Verführungskünste der Egregoren, der Kinder Seths,
eingerissen war, so ist seine Stellung vollkommen analog der
des Anühä, der gegen die Ishithianer eifert; auch darin bleibt
sich die Nabatäische Landwirthschaffc gleich, dass sie Noah,
den zweiten grossen Propheten, einen Apostel des Mendes
nennt: dasselbe Prädikat hatte sie oben Adam, dem ersten
grossen Propheten, beigelegt. Auch das „Leiden'^ Anühäs für
seine Religion erklärt sich zur Genüge aus dem Eoran; das
Volk sagte nach Sure 26 S. 314 (übers, von ÜUmann) zu
1) Nach einer ansprechenden Vcrmuthung desselben Gelehrten
(S. 186) findet sich der Kenked^ dem nach der Nabatäischen Land-
wirthschaft sein Vater Mäsi ein Gedicht zueignete, in dem Qenger
ben Ur ben Eeszed wieder, der laut jenem Noahbuche ein chaldäisches,
von den Aegjptem benutztes, Ba6h verfasste.
UND raEE GESCHWISTER. 619
ihm: „Wahrlich, wenn du, o Noah, nicht aufhörst zu predigen,
so wirst dja gesteinigt" Und zu Sure 54 S. 461 (Er aber
rief zu seinem Herren und sagte: „man überwältigt mich;
darum rette mich!") bemerken die Ausleger, es habe Einer
den Noah angefallen und beinahe erwürgt. Diesen thätlichen
Angriffen gingen literarische Angriffe voraus, von denen uns
zivei Proben erhalten sind (S. 61), deren Uebersetzung ich
wiederum der Güte des Herrn Professor Fleischer verdanke.
„Tämithsri el-Kanaäni el-Häbqiishi sagt in seinem Sendschreiben
an Anühä el-Kana äni Hethßjänt, welches er an ihn geschrieben
hat, um ihn darüber, dass er Offenbarungen erhalten zu haben
behaupte, hart anzugreifen, indem er in Beziehung auf dessen
Behauptung, dass das, was er gethan, aus Jener Offenbarung
geflossen sei, ihn mit Gründen zu ividerlegen sucht, — Tämithsri
sagt also: Wir haben, bloss durch Erforschung vermittelst unseres
Verstandes^ Dinge erkannt, die grösser und wunderbarer sind
als das, was du gethan hast, wovon du behauptest, dass du es
durch Offenbarung und durch göttliche Unterstützung des Mercur
erk&nnt habest. Wir nehmen aber diese deine Behauptung, dass
du Offenbarungen erhalten habest, nicht von dir an, sondern
schreiben das, was du gethan hast, deiner eigenen Erforschung
und Erfindung zu: du hast dich durch dein Vorgeben nur auf
eine Stufe erheben wollen, die du in der That nicht erreicht ^^
hast.*' Nachdem hierauf weitläufig nachgewiesen wird, dass der
Milchzauber eine Erfindung der Kanaanäer sei, sagt Tämithsri
an der zweiten Stelle: „So hast du die Früchte aus den Wein-
gärten in deinem Lande durch Zauberei zu dir gezogen — eine
Zauberei, die du bloss durch deinen Verstand erfunden liast,
— so dass du durch sie die Früchte der Weinberge aus ihnen
zogst, während du ruhig dasassest und standest. Bei meinem
Leben, du hast eine treffliche Erfindung gemacht und etwas
Grosses zu Tage gefördert, und dein Verstand hat dir einen
hohen Platz angewiesen, dergestalt dass du, mit der Stellung
gewöhnlicher Erfinder nicht zufrieden, über deine Sphäre hin-
ausgegangen bist*' Beide Stellen erinnern auf das Frappanteste
an zwei Episoden im Koran. Sure 7 S. 118 heisst es: „Wir
sandten schon vordem den Noah zu seinem Volke, und er
620 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
sprach: 0 mein Volk, verehret nur Gott, ihr habt ja keinen
anderen Gott als ihn; denn sonst ftlrchte ich für euch die
Strafe des grossen Tages. Die Häupter seines Volkes aber
erwiderten ihm: Wahrlich wir sehen, dass du in einem offen-
baren Irrthume dich befindest. Er aber antwortete: Nein,
mein Volk, ich bin in keinem Irrthume, sondern ich bin
vielmehr ein Bote vom Herrn der Welten. Ich bringe euch
die Botschaft meines Herrn, und ich rathe euch nur gut;
denn ich weiss von Gott, was ihr nicht wisst. Wundert es
euch, dass euch eine Mahnung von euerem Herren kommt
durch einen Mann aus euerer Mitte, euch zu warnen, auf
dass ihr auf euerer Hut seid und Barmherzigkeit erlanget?
und sie beschuldigten ihn des Betrugs." Sure HS. 177 ist
der Eingang gleichlautend; auf Noahs Busspredigt erwidern
die ungläubigen Häupter seines Volkes: „Wir sehen dich für
nichts Anderes an als einen Menschen, der uns ganz gleich
steht, und wir sehen Niemand weiter dir folgen als nur die
Niedrigsten unter uns, und zwar nur aus Voreiligkeit und
Unbesonnenheit. Wir bemerken durchaus keinen Vorzug in
euch; darum halten wir euch für Lügner. Er aber sagte:
0 mein Volk, saget mir doch, da mir deutliche Beweise von
meinem Herrn geworden und er mir seine Barmherzigkeit
erzeigt, welche ihr zwar nicht einsehet, sollte ich diese euch
wohl aufzwingen, da sie euch zuwider sind?" Der offene
Brief des Tämithsri an seinen Landsmann Anühä sieht frappant
wie eine Glosse auf das im Koran überlieferte Thema aus.
Es dürfte nicht unerspriesslich sein, einen der sehr zahl-
reichen analogen Fälle aus der griechischen Literaturgeschichte
herauszugreifen. Jedermann weiss aus Herodot, wie Perian-
dros seine Gattin Melissa im Jähzorn todtete, wie er ihr
Todtenopfer zu einer Beraubung der Korinthierinnen benutzte,
wie Prokies von Epidauros, Melissens Vater, seinen Enkel
Lykophron dem Vater abwendig machte, wie Periandros aus
Rache den Prokies stürzte. Hierüber ist folgender Brief er-
halten (bei Diog. Laert. I p. 7, Nr. 8 [I, 7, 100]): „Periandros
40 an Prokies. Ich habe den Mord meiner Gattin unabsichtlich
begangen; du aber thust Unrecht, wenn du absichtlich meinem
UND IHEE GESCHWISTER. 621
Sohne mich verhasst machst. Entweder also beseitige die
Abneigung des Knaben^ oder ich werde mich an dir rächen.
Ich selbst habe ja auch längst schon deiner Tochter das
schuldige Sühnopfer gebracht, indem ich die Gewänder aller
Eorinthierinnen mit ihr verbrannt habe." Dergleichen x\cten-
stQcke hat die negierende Kritik unserer Tage für plumpe
Fälschungen erklärt. In dem vorliegenden Falle mit Tämithsris
Briefe wird sie um so zuversichtlicher dasselbe thun, als er
eine bedenkliche Ausdeutung eines koranischen Satzes enthält.
Das, was Noah von Gott wusste, „was ihr nicht wisst" ist,
wie man aus dem Folgenden sieht^ die Ankündigung der
Sintfluth; der angebliche Tämithsri will aber darunter die
Erfindung des Weines verstanden wissen. Die Sintfluth wird
dadurch freilich beseitigt; seltsam bleibt es aber, dass unter
Allem, was die hebräische Tradition von Noah berichtet,
gerade nur die Sintfluth auch als echte babylonische Tradition
durch Berossos bezeugt ist und dass der babylonische Noah
nicht Anühä, sondern Xisuthros hiess.^) Allerdings lässt es
sich Chwolson angelegen sein, den Zustand, in welchem die
1) Die Sache würde noch auffälliger, wenn es richtig wäre, dass
sich eine Erinnerung an Xisuthros bis in eine verhftltnissmässig späte
Zeit erbalten hätte. In seinem Buche „Die Ssabier und der Ssabis-
mus" II S. 278 hat nämlich Chwolson vermuthet, dass der sabische
Qöstir, „der auserwählte Greis" oder richtiger „der auserwählte Gelehrte",
Xisuthros sei. Im Texte des Fihristh al-*ulüm cap. 6 (bei Chwolson
11 p. 89) geht unmittelbar vorher Fosfor, „der vollkommene Schrift-
gelehrte", den Chwolson nicht übel Lust hat in einen Misor zn ver-
wandeln. Aber es liegt am Tage, dass die beiden Namen sich gegen-
seitig decken und dass aus Qöstir und der Variante Föstfn im Codex L
das Sichtige, Föstir herzustellen ist: und ^toGtpoQoq und ^oxrr^^ sind
zwei ganz späte Personificationen der durch die Wissenschaft hervor-
gebrachten Erleuchtung. Chwolson hat, wie man sieht, auch hier
seinem, schon in jenem früheren Werke bedenklich zu Tage tretenden
Hange, in späten Quellen aller Evidenz zum Trotz möglichst viel als
echt retten zu wollen, zu sehr nachgegeben. So sehr ich auch den
von ihm gelieferten Nachweis, dass die Religion der Sabier in ihrem
£eme auf das syrische Heidenthum zurückgeht, zu schätzen weiss, so
kann ich doch nicht verhehlen, dass mir das Echte darin von anderen
Bestandtheilen, die gar sehr nach der Studierlampe riechen, mehr, als
Chwolson zugeben will, -überwuchert zu sein scheint.
622 DIE NABATAEISCUE LANDWIRTHSCHAFT
Fragmente des Berossos überliefert sind, als möglichst trostlos
darzustellen (S. 72), und wird diesen Einwand auch hier vor«
bringen: mit welchem Rechte, davon weiter unten.
§5.
Sem.
Sämd erscheint in der Nahatäischen Landwirthschafi als
agronomischer Lehrer mit dem Beinamen „der Wahrhafte'^ (S. 99),
und im Buche des Thenkelöshä als Weiser der Urzeit. Diese
41 Schilderung entspricht der von der moslemischen Tradition
(bei Herbelot s. v. Sam ben Nouh) dem Sem angewiesenen
Stellung eines Stammvaters aller Propheten, sowohl arabischer
wie nichtarabischer.
§6.
Die Eanaanäer.
Bei Gelegenheit der Polemik gegen Tämithsri erwähnt
Qüthsämi S. 60, die Kanaanäer hätten die Kunst erfunden^ die
Leichen zu conserviren. Diese Nachricht findet Chwolson
S. 62 f. neu und überraschend; mich hat sie nicht über-
.rascht. Qüthsämi macht, wie wir gesehen haben, den Noah
zu einem Kanaanäer; von ihm aber meldet die christliche
Sage bei Eutych. I p. 33. 34. 45, dass er seinen Vater Lamech
und seinen Grossvater Methusalah nach ihrem Tode ein-
balsamirt habe und seinerseits wiederum von Sem, Harn und
Japheth eiubalsamirt worden sei. Eutychios lässt schon die
Leiche Adams eiubalsamirt werden und fugt (I p. 18) aus-
drücklich hinzu, es seien dazu Myrrhen, Weihrauch und
Kassia verwendet worden: Adams dergestalt über 1300 Jahre
conservirten Körper habe Noah mit in die Arche genommen
(I p. 38). Da in der Nahatäischen Landwirthschaft auch
Abraham ein Kanaanäer genannt wird, so liegt der Verdacht
sehr nahe, dass daselbst Vieles, was eigentlich den Hebräern
zukommt, auf die Kanaanäer übertragen worden ist; und
unter dieser Voraussetzung verliert auch Anderes, was von
den Kanaanäem gemeldet wird, seine Auffälligkeit So wird
UND IBRE GESCHWISTER. 623
es erlaubt sein, bei der Behauptung Qüihsämls (S. 60), dass
die Kanaanäer die geheimen Namen der Götter erforscht und
dadurch einen Vorzug vor allen Völkern erlangt hätten , an
die nach dem Glauben der Juden dem Gottesnamen Jahve
innewohnende magische Kraft zu erinnern — ein Glaube^
welcher die Ursache ward, die wahre Aussprache des Namens
geheim zu halten. Von Wundern, die durch den wahren
Namen Gottes bewirkt worden seien, wissen nicht bloss
judische, sondern auch moslemische Sagen zu berichten (vgl.
Jujnboll zum Liber Josuae p. 201. 268): Moses soll durch
seinen Stab, der eine Inschrift mit dem Namen Jahve trug,
Wunder gethan, und Noah einen Stein besessen haben, auf
welchem der „grosse Name^' eingegraben war, mit Hülfe
dessen er im Stande war, Kegen vom Himmel herabzurufen
und die Arche ohne Ruder und Segel zu lenken. Authen-
tischer sieht eine andere Angabe Qüthsamis über die Kanaa-
näer aus. Er sagt nämlich S. 49, dieselben würfen den Chat-
däern vor: „Ihr Chaldäer habt uns aus dem Lande unseres
Vaters (d, h. aus Babylonien) nach den äussersten Grenzen
Syriens vertrieben*' ; diese Angabe bringt Chwolson S. 66 mit
der Herodoteischen zusammen, dass die Phönicier vom per-
sischen Meerbusen her eingewandert seien. An sich wäre
es ja nicht unmöglich, dass Pseudo-Qüthsämi auch einmal 42
eine echte Tradition, dergleichen ihm aus syrischen Geschichts-
quellen zukommen konnten, in sein Werk verwebt hätte:
allein in diesem Falle liegt es wenigstens ebenso nahe, an-
zunehmen, dass Qüthsämi, wie anderwärts, nur eine Stelle
der Genesis ausgebeutet hat. In dieser fand er die Nach-
richt vor, dass die Völkerzerstreuung von Sinear ausgegangen
sei; folglich mussten auch die Kanaanäer aus Babylonien
ausgewandert sein.
§7.
Nimrod und seine Goldmünzen.
Nemrüdä erscheint in der Näbatäischen Landwirthschaft
als Eroberer von Babylon tmd Stifter einer kanaanäischen
Dynastie, welche den Reiclissitz nach Kitthsä-Rijjd verlegte.
624 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
Zu diesem Residenzwechsel bietet die Angabe der Gen. 10, 11,
dass Nimrod von Babel nach Assur gezogen sei nnd dort
Ninive und andere Städte gegründet habe, eine passende
Analogie. Eüthsä-Rijjä kommt ohne das Beiwort auch in
der jüdischen Tradition (vgl. Beer, Leben Abrahams S. 98)
und bei den Koranerklärern Beidzawi und Sojüti zur einund-
zwanzigsten Sure (s. Säle S. 377 der deutschen Uebersetzung)
als Wohnsitz Nimrods vor. Abrühüms Vorfahren und andere
kanaanäische Priester wurden von liemrüdä nach Babylonien
übergesiedelt (S. 49). Die jüdische Sage macht Abrahams
Vater Tharah zu einem der Grossen an Nimrods Hofe (Beer,
Leben Abrahams S. 1. 9G); nach R. Gedalja im Schalscheleth
ha-Kabala p. 94^) war er Priester und der Vornehmste
seines Ordens; die arabische Sage (bei Herbelot s. v. Abra-
ham) nennt ihn Azar, Sohn des Therah, und macht ihn sogar
zu Nimrods Eidam. Qüthsämi erwähnt (S. 53. 73) von Nem-
rüdä geprägte goldene Dinare. Chwolson sagt S. 73, dieser
Umstand könne nicht als Beweis angeführt werden, dass
Nemrüdä nicht im sechzehnten Jahrhundert v. Ch. gelebt
haben könne: „denn es muss erst bewiesen werden, dass
man um diese Zeit noch kein geprägtes Geld hatte, was,
glaube ich, nicht bewiesen werden kann". Aus Stellen wie
Gen. 23, 16 lässt sich nicht mit Sicherheit erweisen, dass
daselbst geprägte Silbermünzen, nicht zugewogene Stücke
rohen Silbers gemeint seien. Chwolson beruft sich freilich
hierfür auf Movers, vergisst aber, dass das Alter der Silber-
münzen noch nichts für das Alter der Goldmünzen beweist,
und verschweigt, dass Movers selbst (Phönizier III, 1 S. 28)
anerkennt, dass sich vor der persischen Zeit keine Spur
davon findet, dass Gold als Tauschmittel gedient hätte. Für
die ziemlich allgemein als richtig erkannte Angabe Herodots
(I, 94), dass die Ljder zuerst Gold- und Silbermünzen ge-
43 prägt haben, ist nicht die schwächste Bestätigung die, dass
1) Daas Gedalja aus der Nabatäischen Landwirthschaft geschöpft
haben sollte, ist zwar nicht unmöglich, viel wahrscheinlicher aber doch,
dass er einer jüdischen Tradition folgte.
UND IHRE GESCHWISTER. 625
sich keine Münze erhalten hat , die mit Sicherheit über das
siebente Jahrhundert hinaufgerückt werden konnte. Man be-
greift nicht, wenn sich Münzen aus dieser Zeit erhalten haben,
warum sich nicht auch Münzen aus früheren Jahrhunderten
erhalten haben sollten, wenn die Kunst des Münzprägens
wirklich ein Jahrtausend älter war. So etwa würde die
negative Kritik argumentiren, sie muss aber beschämt ver-
stummen vor dem Zeugnisse des B. Gedalja im Schalscheleth
ha-Kabala, dass Abrahams Vater Tharah, der an Nimrods
Hofe lebte, die Münzprägung erfunden habe (Beer, Leben
Abrahams S. 96). Und sollte man diesen nicht als unab-
hängigen Zeugen gelten lassen, so ist doch Abü'lfarag Chron.
Syr. p. 10 mit der Versicherung da, dass schon zu den Zeiten
Serugs Münzen aus Ophirgolde geprägt wurden und dass
der dritte Chaldäerkönig Sämirüs damals Masse und Gewichte
erfand — Zeugnisse, welche den glänzendsten Commentar
zu den Nimrodschen Goldmünzen liefern. Der Jerusalemer
Talmud versetzt uns in die angenehme Lage, die Entwick-
lung der Numismatik seit Nimrod Schritt vor Schritt durch
schätzbare Belege illustriren zu können. Bei Isaaks Hoch-
zeit liess Abraham eine Medaille prägen mit dem Bildnisse
eines Greises und einer Greisin auf der Vorderseite, eines
Jünglings und einer Jungfrau auf der Rückseite (Beer, Leben
Abrahams S. 91). Abigail weigerte sich zum David zu
kommen, weil die Münze mit Sauls Bildnisse noch cursirte;
David verewigte die Erhebung Salomons zum Konige durch
Denkmünzen (Eckhel, Doctr. num. vet. HI p. 458). Schon
vorher wird Josua, später Mardochai als Münzherr aufge-
führt (Beer, Leben Abrahams S. 209). Diese Angaben sind
bedenkliche Fingerzeige über die Herkunft der von Qüthsämi
erwähnten Dinare Nimrods: die angeführten Documente
dürften etwa ebenso echt sein wie die Gold- und Silber-
münzen mit dem Namen des Pandukönigs 'A9vamSdhadatta
(unter dem iäas Mahäbharata verfasst ward) und den Bild-
nissen des Brahma und ^iva, die der persische Verfasser des
Tedzkerat as-Salatin (bei Anquetil du Perron, Recherches
sur rinde p. XXXH sqq.) gesehen haben will.
V. QuTsOHiiZD, Kleine Schriften. IL 40
626 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAPT
§8.
Abraham.
Abrühüm oder Ibrahim (mit welcher rein arahiscJien Form
er in der Nahatäischen Landwirthschaft in der Regel genannt
wird) war ein kanaanäischer Imam, in Küthsä-Rijjä geboren
(S. 48). Nämlich die rabbinische Sage lässt Abraham iu
Kutha geboren werden (Beer, Leben Abrahams 8. 1); Baba
Bathra 91* wird Ur-Easdim geradezu für Kutha erklärt
(Beer, ebenda S. 98). Er trat als Gegner der Landesreligion
des ishithsd auf, leugnete die Göttlichkeit der Sonne und be-
kannte sich zu der Lehre, dass selbst die Sonne erst von einer
4Aüber ihr siehenden höheren Gottheit geleitet und regiert werde
(S. 43). Die Genesis schildert uns Abraham als treuen Ver-
ehrer des einzigen Gottes, es findet sich aber in ihr noch
keine Spur von einer Opposition, in die derselbe gegen den
Götzendienst seiner Heimath getreten sei. Desto mehr weiss
die spätere jüdische Tradition hierüber zu erzählen, das Buch
der Jubiläen (in Ewalds Jahrbüchern III S. 2), rabbinische
Quellen (bei Beer, Leben Abrahams S. 12), und ihnen fol-
gend der Koran (Sure 21 S. 272). Diese Angaben lassen
den Abraham schon als Knaben die Götzenbilder seines
Vaters zertrümmern, die Religion seiner Landsleute auf alle
Weise verhöhnen und dafür von Nimrod zum Feuertode ver-
urtheilt werden, dem er durch ein Wunder entgangen sei.^)
Im Koran (Sure 6 S. 100) heisst es von Abraham: „Als die
Dunkelheit der Nacht ihn beschattete, sah er einen Stern,
und er sprach: das ist mein Herr. Als dieser aber unter*
ging, sagte er: Ich liebe die Untergehenden nicht. Und als
er den Mond aufgehen sah, da sagte er: Wahrlich, das ist
mein Herr. Als aber auch dieser unterging, da sagte er:
Wenn mein Herr mich nicht leitet, so bin .auch ich wie
dies irrende Volk. Als er nun sah die Sonne aufgehen, da
1) Cbwolson selbst hat früher (Die Ssabier II S. 723) darauf auf-
merksam gemacht, daaa die Sage von Abrahams Leben in Entha und
Kämpfen gegen den Götzendienst ursprünglich von den Juden herrühre.
UND raRE GESCHWISTER. 627
sagte er: Siehe, dies ist mein Gott; denn das ist das grösste
Wesen. Als aber auch die Sonne unterging , da sagte er:
0 mein Volk, ich nehme keinen Antheil mehr an euerem
Götzendienste , ich wende mein Angesicht zu dem , der
Himmel und Erde geschaffen, ich werde rechtgläubig und
will nicht 'mehr zu den Götzendienern gehören." Diese
wunderbar schöne Erzählung, deren jüdisches Vorbild man
bei Beer S. 3 mitgetheilt findet, erläutert die Angabe Qüth-
sämis, Abrühüm habe gelehrt, dass die Sonne nicht Gott
sei, sondern von einem über ihr stehenden Gott regiert
werde. Noch viel auffälliger aber stimmet, was die mos-
lemische Tradition (bei Herbelot s. v. Abraham) erläuternd
zu jener Eoranstelle hinzufügt, es habe damals im Reiche
Nimrods verschiedene Arten von Götzendienern gegeben,
Sonnenanbeter, Mondanbeter und Stemeverehrer, tiberein mit
der Darstellung des ja bald nach Nimrod schreibenden Qüth-
samt, die Religionen der Sonne, des Saturn, des Jupiter und
anderer Planeten hätten in Babylonien gleichzeitig neben-
einander bestanden (S. 155). Wir wagen die Behauptung,
dass die Auffassung der babylonischen Religion als einer
Verehrung der Sonne und aller Planeten auch fernerhin
trotz dieser Enthüllungen Qüthsämis ebenso als eine aus-
gemachte Thatsache gelten wird, wie sie bisher gegolten
hat. Ahruhüm schrieb über einzelne Gebiete der Ackerbau-
kunsf (S. 28); in seinen Schriften hatte er den Baum Rüchüshi,
weichen er den Priesterbaum nannte, sehr gelobt (S. 48); einen ^f»
anderen Baum, der eigentlich Sükifäthst hiess, von ihm aber
den Namen Ibrahimbaum erhielt, verdankte er einst seine
Bettung vor einem Löwen in der Wüste von Thadmör^) (S. 4G).
Unter Abrahams Namen cursirten bei den späteren Juden
verschiedene Appkrypha (Beer, Leben Abrahams S. 91); am
bekanntesten ist das Buch Jezira, welches eine auf mystisches
Buchstabenspiel gegründete Metaphysik und Eosmogonie ent-
hält und wahrscheinlich gegen 700 n. Ch. verfasst ist (Beer
1) Welches, beiläufig bemerkt, erst von Salomo erbaut wurde
(II. Chron. 8, 4).
40 ♦
628 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
S. 208); die Araber schreiben dem Ibrahim ebenfalls ein
Sefer za (Herbelot s. v. Abraham). In der Genesis heisst
es 21, 33: „Abraham aber pflanzte Bäume zu Bersaba, und
predigte daselbst von dem Namen des Herrn, des ewigen
Gottes/' Die rabbinische Tradition (bei Beer S. 56) malt
dies dahin aus, dass Abraham zum Labsal für die Wanderer
einen grossen Garten angelegt und mit Weinstöcken, Feigen-
bäumen, Granatbäumen und anderen Obstbäumen bepflanzt
habe; die, so ihm für die Bewirthung danken wollten, habe
er auf den Herrn des Gartens verwiesen, nämlich auf den
Gott, der über Himmel und Erde herrscht und Pflanzen und
Bäume wachsen lässt. Daraufhin Abraham in der Land-
wirthschaft der Nabatäer als Schriftsteller über Bäume auf-
treten zu sehen, könnte uns, die wir die agronomischen
Schriftsteller Adami und Anühä bereits kennen gelernt
haben, nicht eben wundern. Aber auch hier wird die Kluft
zwischen der Bibel und der Nabatäischen Landwirthschaft
ausgefüllt: noch kennen wir die Brücke^ welche vom Patri-
archen Abraham zum agronomischen Schriftsteller Abraham
geführt hat. Im Buche der Jubiläen cap. 11 (in Ewalds
Jahrbüchern III S. 3) erscheint Abraham als rationeller
Ackerbauer, dem die Erfindung eines Ackerbaugei^thes zu-
geschrieben wird: „Und im ersten Jahre der fünften Woche
lehrte Abram die Holzkünstler ^ welche das Geschirr der
Ochsen machen, sie sollten ein Geräthe über der Erde,
gegenüber an dem Erummholze des Pfluges machen, um
den Samen darauf zu legen uud ihn von da aus in die
Samenfurche fallen zu lassen, dass er sich in der Erde ver-
berge und sie sich nicht mehr vor den Raben zu fürchten
hätten. Und sie machten also an allen Krummhölzern der
Pflüge etwas über der Erde, und sie besäeten und bebaueten
das ganze Land, ganz wie ihnen Abraham befohlen hatte,
und fürchteten sich nicht mehr vor den Raben.'' Eben-
daselbst III S. 4 beobachtet Abraham die Sterne vom Abend
bis zum Morgen am Neumond des siebenten Monats, „um
zu sehen, wie es in diesem Jahre mit der Witterung sein
werde.'' An der schon angeführten Stelle S. 46 sagt Qülhsdmiy
UND IHRE GESCHWISTER. 629
Abruhüm habe weite Reisen nach verschiedenen Ländern gemacht,
und zwar wegen der grossen ffungersnoth, die zur Zeit Königs
Calbdmä des Unglückseligen in Mesopotamien stattgefunden habe. 46
Abraham wandert in der Genesis ans Chaldäa nach Haran,
▼on da nach Kanaan, von da nach Aegjpten und zurück,
und ins Philisterland und wieder nach Kanaan; der Koran
(Sure 2 S. 13) bringt ihn auch noch nach Mekka und lässt
ihn daselbst die Ka^abah erbauen. Das sind allerdings weite
Reisen. Die weiteste ^ die nach Aegypten, wird schon Gen.
12^ 10 durch eine Hungersnoth motivirt^ und diese Hungers-
noth spielt auch in der muhammedanischen Tradition eine
Rolle; Baidzäwi und andere Ausleger zur vierten Sure (bei
Säle zum Alkoran S. 107 der deutschen üebersetzung; Her-
belot s. y. Abraham) knüpfen an sie eine Geschichte, die
Abrahams Beinamen ;,Freund Gottes^' erklären soll.
§9.
Die Stellung der biblischen Figuren im nabatäi-
schen Schriftthum.
Ziehen wir nun das Resultat aus der vorstehend gege-
benen Zusammenstellung; so muss es gleich von vornherein
im höchsten Grade auffallen, dass in der Nabatäischen Land-
wirthschaft gerade alle diejenigen Patriarchen — es fehlt
kein einziger — auftreten, von denen im alten Testament
und in der von demselben abhängigen Tradition mehr als
der blosse Name vorkommt, von den viel zahlreicheren aber,
bei denen sich die Genesis auf die Nennung der Namen
beschränkt, nicht ein einziger: ein umstand, der bei einer
unabhängigen parallelen Entwickelung der semitischen Stamm-
sage bei Babyloniern und Hebräern so gut wie undenkbar
sein würde. Nun stellt es sich aber heraus, dass sich für
alle nur irgend wesentlichen Umstände, die in den nabatäi-
schen Schriften von jenen Patriarchen berichtet werden,
Anknüpfungspunkte in der Bibel und in der zum Theil erst
durch Ausdeutung von Bibelstellen entstandenen jüdisch-
christlichen Sage nachweisen lassen (ich erinnere namentlich
630 DIE NABATAEISCHE LANDWIETBSCHAFT
an die Kinder Seths statt der Beni Elohim). Und, was noch
gravirender ist, es finden sich zahlreiche Anklänge an den
Koran and die nebenhergehende, zum Theil gewiss erst nach-
koranische, moslemische Tradition: der Brief des Tämithsri
an Anüha enthält sogar eine directe Bezugnahme auf eine
Koranstelle. Die Facta, die Qüthsämi Ton jenen Persönlich-
keiten anführt, lassen sich insgesammt aus der jüdischen und
der moslemischen Tradition erklären, nur ihre Stellung ist
eine wesentlich veränderte. Dies ist aber nur eine Frucht
des crass euhemeristischen Systems, dem die Nabatäische
Landwirthschaft huldigt und das mit der Behandlung der
griechischen Sage durch Leute wie Paläphatos die frappanteste
Aehnlichkeit hat. Das Wenige, was hiernach noch zu erklären
übrig bleibt^ wie die Verwandlung der grossen Propheten der
Muhammedaner in Apostel des Mondes, sind absichtliche Ver-
47 änderungen, wie sie durch die von der Nabatäischen Land-
wirthschaft angenommene Maske eines bald nach Abraham
verfassten Buches mit Noth wendigkeit geboten waren: wäre
diese Rücksicht nicht zu beobachten gewesen, so würde uns
der angebliche Qüthsämi das, was er über Jüsuf, über Müsä
und andere biblische Personen wusste, schwerlich vorenthalten
haben. Die Berührungspunkte mit der rabbinischen Tradition
und dem Koran einer Ueberarbeitung zuzuschreiben ist, wie
Jeder sieht, unmöglich; so in Fleisch und Blut übergegangen,
wie jene Patriarchen bei dem Verfasser der Nabatäischen
Landwirthschaft erscheinen, können sie nur sein in Folge
längeren tief einschneidenden Einflusses der Araber auf das
alte Babylonien, also erst längere Zeit nach der Anlage von
Küfah: der angebliche Qüthsämi schrieb hiernach frühestens
700 n. Ch. Hier hat also einmal Quatremere das Richtige
gesehen, freilich ohne die gehörigen Consequenzen aus der
gewonnenen Einsicht zu ziehen; was er über die Abhängig*
keit der bei Qüthsämi auftretenden Patriarchensagen von
der Bibel sagt, mag „undelicat^^ sein, gewiss aber nicht so
„kritiklos", wie Chwolson 8. 44 ihm vorwirft. Und lange
vor Quatremere hatte schon der treffliche Maimonides das
Richtige gesehen. „Es sind dies — lauten seine beherzigens-
UND IHRE GKSCeWISTER. 631
werthen Worte (bei Chwolsoiiy Die Ssabier II S. 460) —
lauter Erdichtungen, und eine auch nur oberflächliche Ueber-
legung wird dich von der Unwahrheit aller dieser Erzählungen
überzeugen und dir klar machen , dass sie von ihnen (den
Heiden) selbst^ und zwar mit Benutzung der heiligen Schrift,
ersonnen wurden, nachdem diese den Volkern bekanntgeworden/'
X.
Persönlichkeiten der hellenistischen Mythologie.
Wir gehen zu den griechischen Gottheiten über, die in
der Nabataischen Landwirthsch^ft eine Rolle spielen.
§ 1.
Asklepiades.
Da ist vor Allen Asqülebithsä, ein uralter babylonischer
Arzt und Stifter der Sonnenreligion, der nach seinem Tode
in den Tempeln göttlich verehrt wird (S. 19). Ibn Wahshijjah
kennt sein „Buch der Geheimnisse der Sonue^'; auch schrieb
er eine Eosmogonie und „ward besonders durch seine medi-
zinischen Schriften der Wohlthäter der folgenden Generationen''
(S. 174). Chwolson sieht in ihm 8. 19 die Urgestalt des
abendländischen Asklepios; allein Ewald hat bereits in den
Göttinger gelehrten Anzeigen 1859 S. 1153 f. schlagend dar-
gethan, dass vielmehr der aus dem Asklepios erst abgeleitete
'AöxXfiniddfig die Urgestalt des Asqülebithsä ist. Den Euhe-
meristen der spätesten Zeit genügte es nämlich nicht, dass
die Götter vermenschlicht wurden, sie suchten auch die Götter-
namen als nicht modern genug zu beseitigen und durch 48
Namen des gewöhnlichen Lebens zu ersetzen, die aus den
Götternamen erst abgeleitet waren. So wird aus dem Gott
Poseidon ein ätolischer Staatsrath noöeidcivLog (Malala p. 208
Ox.), aus Dionysos ein Prinz Nvölos (Malala p. 48), aus dem
Himmelsgotte Zeus ein kretischer König 'Aötigiog (Synkell.
p. 289, 3 Bonn.), aus Herakles ein 'HQaxXsiog (Exe. Lat. barb.
p. 67 ed. Seal. [ed. II = p. 199 Schöne] und Eutych, I p. 62), u. s. w.
In ähnlicher Weise ist in den spätesten griechischen und den
daraus abgeleiteten syrischen Quellen Asklepiades ganz an
632 DIE NABATAEISCHE LANDWIBTHSCHAFT
die Stelle des Asklepios getreten. Bei Abü'lfarag Ghron. Syr.
p. 6; Hist. dynast. p.lO ist Asqlibiädis ein Schüler des Hermes,
der sich nach dessen Tode ein Bild seines Lehrers macht,
um ihn immer vor Augen zu haben, dasselbe im Tempel
aufstellt und ihm dieselbe Ehre wie dem lebenden Hermes
erweist; dies sei der Anlass zur Verehrung der Götterbilder
gewesen: denn in späterer Zeit hätten die Griechen- das Bild
für das des Asqlibiädis gehalten und ihm als solchem gott-
liche Ehren erwiesen. Hier haben wir es, warum Asqüle-
bithsä in der Nabataischen Landwirthschaft als Apostel einer
neuen Religion erscheint: und zwar der Sonnenreligion, weil
Asklepios Sohn des Sonnengottes ist und von der späteren
Speculation, z. B. bei Euseb. Praep. ev. HI, 13, geradezu
fdr die Sonne erklärt wird (vgl. Ewald a. a. 0.). Beiläufig
bemerkt, ist es für die schulmeisterliche Euhemeristik jener
Schrift charakteristisch, dass der Gotterarzt nicht wegen seiner
Wunderkuren, sondern wegen seiner Bücher gottlicher Ver-
ehrung theilhaftig wird. Dem Ibn Wahshijjah ist Asklepiades
ein alter Bekannter; in den Ancient alphabets p. 92 kommt
er als Asqlibiänüs (wohl nur Schreibfehler für Asqlibiädsüs),
Bruder des Hermes und Stammvater der zweiten Hermesianer
vor, die den langathmigen Namen el-Harämisah el-Pinäwa-
lüzijah führen.
Asklepios hat auch bei der Costümirung des grossen
Weisen Dewänäi als Modell sitzen müssen. Chwolson, Ueber
Tammüz S. 77 f. theilt nämlich eine Beschreibung seines in
den Tempeln der Gerämiqah (d. h. der Assyrer) aufgestellten
Standbildes mit, die ich. Dank der Güte des Herrn Professor
Fleischer, hier in deutscher Uebersetzung mittheilen kann:
„Deswegen hat also Shebähi den Söhnen der Gerämiqah, seinen
Landsleuten, geboten, in ihren Tempeln das Bild des Dewänäi,
des Herren, abzubilden, und zwar stehend, wie er durch Um-
legung der Finger seiner rechten Hand, während drei Finger
aufrecht stehen, die Zahl acht ausdrückt.^) Er selbst lehnt
1) Siehe Rödiger, Jahresbericht der deatschen morgenländischen
Gesellschaft für 1846 S. 114 Z. 16.
UND IHRE GESCHWISTER. 633
sich auf einen Stamm des Strauches Altfaäa, an welchem
Strauche die Knoten abgebildet sind, welche sich an den
Stammen des Strauches Althäa befinden. Um diesen Stab 49
schlingt sich eine grosse Schlange, und auf der Spitze des
Stabes ist ein Andreaskreuz von Gold; und die Schlange,
welche sich um den Stab schlingt, ö&et ihren Schlund nach
dem Gesichte des Dewänäi hin/^ Ghwolson bemerkt hierzu,
die Aehnlichkeit der Statue mit der des Asklepios sei augen-
scheinlich. Fügen wir hinzu, die Aehnlichkeit mit den aller-
spätesten Darstellungen des Asklepios. Dass Asklepios stehend
dargestellt wird, mit der Schlange und gestützt auf einen
Stab, ist alte Ueberlieferung (vgl. Preller, Griechische Mytho-
logie I S. 326 [S. 430 der 3. Aufl.]). Dass aber dieser Stab
eine Althäa ist, um durch die zugleich kalte und warme
Natur dieser Pflanze die gleichmässig milde Natur des Gottes
symbolisch auszudrücken, wird zwar auf Hippokrates zurück-
geführt (Galenos bei . Abü'Ifara^, Ghron. Syr. p. 6; cf. Hist
dynast. p. 11); ob mit Recht, ist aber sehr die Frage,
wenigstens dürfte es schwer halten, aus älterer Zeit ein
Zeugniss dafür beizubringen. Was nun vollends die mysti-
sche Acht betrifft, die dem Asklepios als Symbol beigegeben
ist, so ist dies eine Erfindung der allerspätesten Zeit Die
oyöoarixri q>vötg spielt nämlich in gewissen gnostischen Sy-
stemen eine grosse Bolle und kommt richtig auch in den
aus dieser Quelle geflossenen^) Unterredungen des Hermes
Trismegistos mit seinem Schüler Tat vor (Abhandlung I.
notiidvdgrig^ § 26; Abb. XIII. Aoyog a%6xQvq>ogy § 15).
Von diesem vielgeleseuen Buche aber gab es eine syrische
Uebersetzung (Abü'lfarag, Hist. dynast. p. 10): woraus man
entnehmen kann, auf welchem Wege der assyrische Dewänäi
in den Besitz jenes Symbols gekommen sein mag.
1) Dies habe ich zn zeigen gesucht in meinen Anmerkungen zu
Sam. Sharpes Geschichte Egyptens 11 S. 165 (deutsche Uebersetzung).
634 DIE NABATAEISCHE LANDWIETHSCHAFT
§2.
Hermes und Agathodämon.
Janbüshäd, der lange vor Qüthsämi schrieb, erörtert S. 93
ausführlich die Nachtheile des Genusses von Bohnen und
Fischen. „Aus diesem Grunde, wird darauf bemerkt, haben
Ermisä und vor ihm Aghathsadimün ihren Landsleuten den
Genuss von Fischen und Bohnen verboten und dieses Verbot
sehr eingeschärft; denn Fische und Bohnen sind beide schädlich
für das Gehirn und erzeugen in den Körpern der sie Ge-
niessenden schlechte Säfte.'^ Dann ergeht sich Janbüshäd
noch weiter über die Schädlichkeit des Bohnengenusses und
wiederholt zum Schlüsse: „und aus diesen Ursachen haben
ihn Aghathsadimün und Ermisä verboten/' Chwolson sagt,
er habe die Stelle ausführlich mitgetheilt, „um zu zeigen,
dass hier von einem Pythagoreischen Verbot, Bohnen zu ge-
niessen, nicht die Rede sein kann''. Gegen Ewald, der schon
50 in den Göttinger Nachrichten' 1857 S. 159 mit Recht in dieser
Stelle neuplatonische Reminisceuzen erkanpt hatte, bemerkt
Chwolson Folgendes: „Gab es denn in der alten heidnischen
Welt keine Gesetze und religiöse Vorschriften, deren Ur-
sprung auf irgend einen Gott zurückgeführt wurde? ... Es
könnte doch also sein, dass auch jene Verbote bei den
asiatischen Griechen schon in frühen Zeiten existirt haben,
und dass sie auf Hermes und Agathodämon zurückgeführt
wurden. Es ist aber auch ein anderer Fall möglich. Die Neu-
platoniker nämlich berufen sich bekanntlich unzählige Male
auf uralte Weisen, namentlich auf Hermes, Agathodämon,
Asklepios und zuweilen auch auf Tat. Haben die Neu-
platoniker diese alten Götter in ihrer specifischen An-
schauungsweise etwa zu menschlichen Weisen umgestaltet?
. . . nichts stand dem Neoplatonismus so fern wie der Euhe-
merismus») . . . jene erwähnten Götter dagegen sind bei ihnen
1) Die Neuplatoniker fanden aber den EuhemeriBmns vor, und
es konnte ihren Tendensen nur willkommen sein, dass durch jene
tiichtung die untergeordneten Götter längst im Glauben der Gebildeten
UND IHRE GESCHWISTER. 635
cousequent und durchgeheuds uralte Weise und Gesetzgeber.
Dies muss doch irgend einen historischen (!) Grund haben
und ist sicher (!) nicht als eine neuplatonische Grille an-
zusehen . . . Wer kann es beweisen ^ dass Hermes, Asklepios
und dergleichen Andere nicht wirklich Weise der Urzeit waren^
die in einer relativ jüngeren Zeit göttliche Verehrung ge-
nossen und erst in der historischen Zeit in dem Olymp der
Götter einen Platz fanden, wo ihnen eine bestimmte Stellung
und bestimmte Functionen angewiesen und sie in alle Fabeln
und Mythen der wirklichen Götter aufgenommen wurden? . . .
In den altgriechischen und altitalischen Religionen gab es
auch eine grosse Menge von religiösen Vorschriften, Cere-
monien und Gebräuchen, ja sogar auch Geheimlehren von
Sühnungen u. s. w. und es muss (?) doch in irgend einer,
sicher vorhistorischen Zeit Männer gegeben haben, welche
dieses Alles gelehrt und eingeführt haben . . . Vielleicht (?)
haben Männer wie Orpheus und dergleichen Andre, deren
Namen wir nicht mehr kennen, in der That eine Rolle gespielt,
welche der ähnlich ist, die in der historischen Zeit Orpheus
zugeschrieben wird. Sei es nun, dass Hermes und Agatho-
dämon Götter oder uralte Weise waren, auf welche ver-
schiedene religiöse Gebräuche und religiöse Vorschriften
zurückgeführt wurden: ich finde nach dem Gesagten in der
Sache an und für sich, dass in unserem Buche gewisse reli-
giöse Vorschriften auf Hermes und Agathodämon zurück-
führten, nichts, was gegen das hohe Alter des Qüthsami
beweisen könnte; das einzige (!) Auffallende darin ist eigentlich
nur die Form 'Ayad-odaiiimv für 6 ayad'bg daiiiwv, . . . Ich
glaube übrigens, dass unsere Stelle auf folgende Weise ihre 61
Erklärung findet. Die Muhammedaner schreiben immer den
Namen Hermes fast so wie die Griechen, nämlich Hermis,
}iier aber heisst er Armisä. Dieser Armisä kommt auch in
dem oben erwähnten altbabylonischen Werke des Tenkelüschä
vor, wo er aber nicht als Ausländer, sondern als ein uralter
so menschlichen Weisen herabgedrückt waren: so hatten sie es nar
mit den grossen Göttern zu thon, die sie durch L&ntemng der mytho-
logischen Anschauungen zu retten suchten.
636 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
eiBheimischer Weise auftritt . . . Was aber Agathodamon be*
trifiFt, dessen Name an den beiden erwähnten Stellen ebenso
geschrieben ist, wie bei den mnhammedanischen Schriftstellern,
so haben wir nachgewiesen . . . dass der Ursprung ver-
schiedener heidnischer religiöser Gebote und Vorschriften auf
Hermes und Agathodamon gemeinschaftlich zurückgeführt
wurde. Die Yermuthung liegt daher (I) sehr nahe, dass die
Worte „und vor ihm Agathodamon'' als eine Interpolation
von späterer Hand, wahrscheinlich erst nach Ibn Wahshijjah,
anzusehen sind: die zweite Stelle dagegen, in der gleichfalls
Armisä und Agathodamon erwähnt werden und welche keinen
rechten Zusammenhang mit dem Vorhergehenden hat, scheint
ganz interpolirt zu sein: jedenfalls kann der Name Agatho-
damon von späterer Hand eingeschoben worden sein/' Grosserer
Sicherheit halber wagt Chwolson in einer Anmerkung S. 95
schüchtern den Versuch, den verrätherischen Ermisä ganz
aus der Welt zu schaffen, und geht dabei von der falschen
Punctation Ermishä aus, die eine Handschrift aufweist: „ob
— sagt er — Armisä zu lesen ist, muss dahingestellt bleiben;
der babylonische Eigenname Tenkelüschä endigt gleichfalls
auf schä. Es könnte übrigens auch sein, dass dieses scha
aus bit'ä entstanden ist." — Wir haben es für nöthig ge-
halten, diese Pointen eines nicht weniger als öy^ Quartseiten
füllenden Baisonnements treu wiederzugeben. Denn wo, wie
im vorliegenden Falle, der Leser die Eenntniss des Autors
einzig und allein aus den Mittheilungen eines nur zu be-
geisterten Herausgebers zu schöpfen hat, wird es unumgänglich
nöthig, sich zu vergewissem, inwieweit dem Herausgeber
in Fragen der historischen Kritik ein Urtheil zuzutrauen ist.
Ein Forscher, bei dem der Enthusiasmus den kritischen Sinn
überflügelt, kann auch bei dem redlichsten Willen, bei seinen
Mittheilungen objectiv zu verfahren, Notizen bei Seite lassen^
die ihm selbst unverfänglich oder gleichgiltig erscheinen,
aber für die, welche in der historischen Kritik geübter sind,
zu gewichtigen Entscheidungsgründen gegen ihn werden
können. Wenn Chwolson sogar in dem, was über Hermes
und Agathodamon gesagt ist, nichts findet, was gegen das
UND IHRE GESCHWISTEB. 637
hohe Alter des Qüthsämi beweisen könnte, so mochten wir
in der That wissen, wie die Stelle aussehen müsste, die ge-
eignet wäre, ihm seine Vorurtheile zu benehmen.
Dem, was Ewald [in den Gottinger gelehrten Anzeigen]
1859 S. 1130 und ihm beistimmend Spiegel im Auslande
XXXII (1859) S. 1012 über unsere Stelle gesagt haben, bleibt
nichts Wesentliches hinzuzufügen übrig. Ich bemerke nur,
dass nicht bloss das Verbot des Bohnengenusses, sondern 52
auch das des Fischgenusses pythagoreisch ist (Plut. Quaest.
conyiv. VIII, 8, I p. 728); femer dass die Angabe über Aghä-
thsädimün und Ermisä und die schon besprochenen über
tshithsä und Achnöcha sich gegenseitig gegen jede Bearg-
wohnnng schützen, uud dass von Ihn Wahshijjah selbst in
den Ancient alphabets p. 176 Aghädimün zusammen mit
Chanüchä, also nach der Lehre der „alten Griechen'' mit
Hermes, als Gewährsmann fQr die drei Uralphabete an-
geführt wird.
§3.
Thammüz.
Thammüz erscheint als Thammüzi, der die Planeten-
religion gestiftet und für dieselbe den Märtyrertod erlitten
habe, wofür er auch von den jüngsten Geschlechtern in
fernen Ländern beweint und betrauert worden sei (S. 175).
Die allgemeine Annahme, dass Thammüz der Adonis ist,
wird wohl auch femer die allgeipeine bleiben, trotzdem dass
Chwolson versichert, dass man für sie nicht den geringsten
haltbaren Beweis gehabt habe, und in einer besonderen
Schrift sich bemüht sie zu widerlegen. Er behauptet, die
Angaben der Kirchenväter, welche beide gleichsetzen, beruhten
auf willkürlichem Synkretismus, die Mythen vom Adonis
seien auf den Thammüz erst übertri^en worden« Chwolson
stützt sich vornehmlich darauf, dass die im Festkalender
der Harranischen Sabier gegebene Erzählung vom Tode des
Thammüz von der griechischen über den Tod des Adonis
stark differirt (lieber Tammüz S. 39); allein erstens giebt
es auch bei den Griechen abweichende Versionen über den
638 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
Tod des Adonis, zweitens weicht auch die Harranische Tra-
dition in ^ehr wesentlichen Punkten von der in der Naba-
täischen Landwirthschaft in Betreff des Martyriums des
Thamraüzi zum Besten gegebenen ab. Beide Culte, des
Thammüz wie des Adonis^ sind in Syrien zu Hause; da nun
auch die Ceremonien beider Culte zusammenfallen, so kann
es nichts unhaltbareres geben, als jene Zeugnisse, von denen
namentlich das des Bar Bahlül ganz positiv ist^), zu ver-
werfen und zwei identische Culte nebeneinander anzunehmen.
Die Identität wird freilich von Chwolson a. a. 0. bestritten,
aber nur mit dem ganz unzureichenden Grunde, dass beim
Adonisfeste auf die Klage die Wiederfindung des Adonis
gefolgt sei, von welcher unsere Quellen über Thammüz nichts
wüssten: dabei wird vergessen, dass auch die Griechen die
Adonien wesentlich als ein Trauerfest auffassen, an dem die
Klage um den todten Adonis die Hauptsache ist. Man weise
53 uns einmal einen anderen semitischen Cultus nach, in dem
eine Todtenklage so entschieden den Mittelpunkt bildet!
Chwolson freilich meint, die Todtenklage habe bei keinem
Begräbnisse im Oriente fehlen dürfen, Thammüz! aber sei,
wie die Nabatäische Landwirthschaft ausweise, nur ein aus-
gezeichneter Mensch der babylonischen Urzeit gewesen, den
man nach seinem Tode vergpttert habe, wofür ja Dewänäi
und Janbüshäd Präcedenzfalle abgäben: bei dem Cultus eines
verstorbenen Menschen sei aber die Todtenklage gar nichts
Ausserordentliches. Ich dächte doch, durch die erbaulichen
Proben von Qüthsämis Abhandlung der griechischen Mytho-
logie wären wir auf eine derartige euhemeristische Auffassung
des Thammüz genügend vorbereitet worden; zum Ueberfluss
sind Griechen der spätesten Zeit darin seine Vorgänger:
Kedrenos I p. 29, 10 (ed. Bonn.), der aus dem verlorenen An-
fange von Malalas Chronographie schöpfte, macht den Adonis
1) Inwiefern seine Erzählung einen euhemeriBtischen Charakter
tragen soll, wie Chwolson (Ueber Tammüz S. 8) behauptet, ist nicht
abzusehen; man kann höchstens zugeben, dass der christliche Bericht-
erstatter seinen Unglauben an der Göttlichkeit der Ba*alt! durch-
schimmern lässt.
UND IHRE GESCHWISTER. 639
za einem Philosophen. Das Martyrium des Thammüz ist
natürlich aus dem durch die Eifersucht des Ares veranlassten
gewaltsamen Tode des Adonis herausgeklügelt worden; die
Details werden sich uns weiter unten als ein ergetzliches
Plagiat aus der den Muhammedanern wohlbekannten Legende
vom heiligen Georg erweisen.
Nicht bloss der Monat Thammüz, der diesem babyloni-
schen Märtyrer seinen Namen verdankt, sondern auch die
elf übrigen Monate haben nach der Versicherung der Naba-
täischen Landwirthschaft von ausgezeichneten Männern der
Vorzeit ihre Namen erhalten. Chwolson, der wie immer
Qüthsämis Sache zu der seinigen macht, findet das ,^gar
nicht unwahrscheinlich, im Gegentheil sogar sehr glaublich^
und macht dafür geltend, dass ein Theil der romischen
Monate nach historischen Persönlichkeiten benannt worden
sei (üeber Tammüz S. 61 f.). In dem Abschnitte dieser
letzteren Schrift, welcher über die Menschenverehrung bei
den alten Babyloniern handelt (von S. 69 an), bemüht sich
Chwolson, den Euhemerismus wieder zu Ehren zu bringen,
obschon er selbst gegen das ihm schon von Movers (s. „Die
Ssabier'' II S. 805) beigelegte Prädicat eines Euhemeristen
wiederholt protestirt. Allein gerade jenes aus den römischen
Monatsnamen Julius und Augustus hergenommene, für den
ersten Anblick ja sehr scheinbare, Argument beweist, wie
sehr derselbe sich in den Ideenkreis des Euhemerismus hinein-
gelebt hat: was in Zeiten raffinirtester Cultur, wenn ein
Volk sich bereits überlebt hat, als Compliment für die
Mächtigen möglich ist, ist darum noch nicht für die Zeiten
der frühesten Kindheit eines Volkes, in denen sich dieses
seine Götter und seinen Kalender schafft, als möglich er-
wiesen. Das ist eben das xgcitov il^svdog des Euhemerismus,
dass er nicht mit historischem Verständniss, sondern mit
vermeintlichen Postulaten des gemeinen Menschenverstandes 54
operirt, dass er also die Urzeit mit dem Massstabe des
modernen Alltagslebens misst.
640 DIE NABATABISCHE LANDWIRTR8CHAFT
§4.
Die Stellung der hellenistischen Gottheiten im
nabatäisehen Schriftthum.
Ueberblicken wir nun die zwar minder zahlreichen, aber
darum nicht minder verrätherischen Bezugnahmen Qüthsämis
auf die griechische Mythologie, so tritt in ihnen genau die-
selbe crass rationalistische Methode zu Tage, wie in seinem
Verhältnisse zur jüdisch -moslemischen Tradition; sie führt
uns mit der Abfassungszeit zwar nicht in eine so ganz späte
Zeit wie diese, doch ist die Wahl der mythischen Figuren
und ihre Auffassung eine derartige, dass sie es unmöglich
macht, den angeblichen Qüthsämi über das dritte Jahrhun-
dert n. Gh. hinaufzurücken.
§5.
Konig Eaukasos.
Hierher gehört auch eine Angabe des Järbüqä (S. 40),
dass ein gewisser Eükäsh von Bailaqän (bei Derbend) einen
alten babylonischen Eonig Namens ^Abed-Ferghilä mit Erieg
überzogen habe. Dieser einer kaukasischen Gegend ange*
hörige Eükäsh ist sicherlich kein Anderer als der von den
Giganten abstammende nordische Machthaber Knvxaöogj
welcher nach Malala (Ecl. bei Gramer, Anecd. Paris. II p. 235)
und Eedrenos (I p. 30, 9 ed. Bonn.) im Eriege mit dem
assyrischen Eönige Ares oder Thuras erschlagen ward. Da
der Machthaber Eaukasos natürlich erst des Berges wegen
erfunden ist, so liegt hier ein neues Beispiel vor, wie eine
noch dazu sehr junge Sage in den Ton Ihn Wahshijjah
producirten Schriften historisirt worden ist.
XL
Persönlichkeiten der persischen Sage und
Geschichte.
§1.
Die persischen Märchen.
Nach S. 41 kennt Qüthsämi persische Märchen. Spuren
von Erzählungen, die der persischen Heldensage entlehnt
UND IHRE GESCHWISTER. 641
sind, finden sich schon in der Achämenidenzeit, erstens die
Liebesgeschichte von Zariadres (nenpersisch Zarir) und Odatis
bei einem Geschichtsschreiber Alexanders, Ghares von Myti-
lene fr. 17 p. 119 (ed. Müller ad calcem Arriani), deren Held
bei Firdüsi des Zariadres berühmterer Brader Hystaspes
(Gushthäsp) ist^ sodann die unleugbaren Beziehungen zwi-
schen der Sage von Eyros und der von Kai Khosrü (die
Aussetzung der Kinder im Walde auf Befehl des durch 66
Träume gewarnten mütterlichen Grossvaters, die wunderbare
Erhaltung des Kindes und sein Aufwachsen unter Hirten, die
Wiedererkennung durch den Grossvater und dessen Ent-
thronung) — Beziehungen, bei denen es freilich schwer zu
entscheiden ist, ob Perser oder Baktrer die Entlehner waren.
Und dass die persische Heldensage früher, als man insgemein
annimmt, auch in semitischen Landen verbreitet war, lehrt
der Name ^Podavrjg, den der Held des vom Babylonier Jam-
blichos im zweiten Jahrhundert n. Gh. verfassten Bomans
BaßvX(Dviaxa führt: Hrodan kennen wir nämlich aus Mos.
Choren. I, append. § 2 p. 77 (ed. Whiston) als eine den Ar-
meniern bekannte, zwischen zendischem Thraetöna und neu-
persischem Feridün in der Mitte stehende, Form des bekannten
Pischdadiernamens.^) Ob dagegen im vierzehnten Jahrhundert
V. Ch., als das Zendavesta kaum entstanden war^ jene Sagen
sich schon gebildet, noch mehr, ob sie schon eine über das
arische Volk hinausreichende Berühmtheit erlangt hatten,
darf füglich bezweifelt werden. Ihre rechte Beziehung er-
hält jene Erwähnung der „persischen Erzählungen^' bei dem
1) Dieses Znsammentreffen hat schon Anqn^til du Perron im
XL. Bande der Histoire de Tacad^mie des inscriptions bemerkt; die
Aehnlichkeit aber, welche er auch in der Handlung zwischen Jam*
blichos und der iranischen Sage finden will, ist, wenn überhaupt vor-
handen, nur eine sehr entfernte. Der Verfolger des Hrodan, der dem
Aj'dah&k entsprechen würde, ist der König Garmos von Babylon,
gewiss eine Personification des assyrischen Volkes der Garamäer (Ptol.
VI, 1, 2), der Bewohner von Beth-Garm§ oder Bägermä (vgl. Chwolson
S. 17g) _ ein Stamm, der in der späteren Zeit so hervortrat, dass
die Araber, z. B. Ibn Wahshijjah, die Assyrer geradezu Gerämiqah
nennen.
▼. GüTSCHiOD, Kleine Schriften. IL 41
642 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
angeblichen Qüthsämi erst, wenn man weiss, das die persischen
Sagen Ton Busthem und Isfendiär Ton Nadzr ihn al-Hareths
zu Muhammeds Zeit nach Arabien gebracht und daselbst
unter grossem Beifall der Koraischiten vorgetragen wurden,
die daran mehr Geschmack fanden als an den im Koran ent-
haltenen; Muhammed eifert Sure 31, 8. 349 dagegen, aber,
wie sich bald zeigte, ohne Erfolg: das Fehle wi-Buch, welches
die persische Heldensage enthielt und von Sa' ad ihn Abi'l-
Wakkas erbeutet ward, fand selbst beim Chalifen 'Omar
grossen Beifall, der die Uebersetzung nur aus religiösen Mo-
tiven einzustellen befahl.
§2.
König Gämäsp.
Bei Qüthsämi kommt nach S. 19 ein uralter persischer
König Namens Kämäsh vor, der seine Eroberungen bis an
die babylonische Grenze ausgedehnt habe. Herr Professor
Brockhaus macht mich darauf aufmerksam, dass in den M^-
langes Asiatiques UI p. 356 von dem Namen des sasani-
dischen Königs Gämäsp, der* zu Ende des fünften Jahrhunderts
56 regierte, eine Nebenform Gämäsp angeführt wird, und be-
merkt dazu: „Da nach Vullers s. v. statt Gämäsp auch die
Form Gämäs vorkommt, so darf man auch annehmen, dass
man Gämäs gesagt habe: dies wäre also der persische König
Kämäsh, den die Nabatäische Landwirthschaft erwähnt/' Zum
Glück sind wir durch die allertoUsten Anachronismen in
dieser bereits so abgehärtet, dass wir nicht eben sehr dar-
über erschrecken, einem uralten Perserkönige mit der ab-
genutztesten neupersischen Namensform zu begegnen, die sich
nur denken lässt.
§ 3.
Gämäsp der Weise.
Lässt sich über diesen König Kämäsh nichts weiter sagen,
so weiss man um so mehr von seinem Namensvetter und
gewiss auch Landsmanne Kämäsh al-Neheri^ einem uralten
UND IHRE GESCHWISTER. 643
Weisen, der nach S. 19. 175 ein Werk in drei Büchern über
den Ackerbau unter dem Titel Shijäsheq verfasst hatte. In
der persischen Heldensage erscheint nämlich Gämäsp mit
dem Beinamen ;,der Weise'^ als Gushthasps in allen Wissen-
schaften erfahrener Bruder. Seinen Namen trägt ein apo-
kryphes Buch, das ins Arabische übersetzt worden ist und
betitelt ist „Buch des Weisen Gämäsh, das da enthält die
Ausrechnungen der grossen Planetenconjunctionen und der von
ihnen hervorgebrachten Ereignisse" (Herbelot s. v. Giamasb.).
§4.
S ä m.
Ein anderer uralter babylonischer Heiliger ist Sämäi al-
Neheri, welcher ebenfalls über den Ackerbau schrieb (S. 174);
die Sage rechnet ihn zu denen, deren Körper nach dem Tode
niemals in Verwesung übergegangen sei (S. 99). Der Bei-
name lässt auf einen Landsmann des Kämäsh schliessen; da
wir die stereotype Manier kennen, nach der fremde Eigen-
namen nabatäisirt werden, und wissen, dass z. B. aus arabi-
schem Shehriz ein nabatäisches Shehrizäi wird, so lässt sich
in der That jener Sämui mit Leichtigkeit auf einen ursprüng-
lichen Säm zurückführen. Von Säm, Nerimäns Sohn, erzählt
die Parsensage, dass er nicht todt ist, sondern bloss schläft
und zur Zeit der Todtenauferstehung wiedererwachen, die
Geschöpfe Ahrimans vertilgen und das Reich des 9^^^^^^^
fordern helfen wird. Im Minokhired heisst es nach Spiegel
(in der Zeitschr. d. d. M. G. HI S.^248): „Der Körper Säms
befindet sich in der Ebene, die Pusht-Gu9tä9pän genannt
wird, nahe am Berge Demäwend . . . Und die Yazatas und
Amschaspands haben Säms Körper wegen 99,999 Farvers
der Heiligen zum Schutze bestellt"; und diese Sage ist nach
einer Nachweisung A. Webers auch unter den Secten des
Islam bekannt und verbreitet gewesen. Den Beinamen al-
Neheri, welchen mit Kämäsh und Sämäi noch ein Dritter,
der weise Feljämä (S. 176), theilt, lässt Chwolson unerklärt; 57
ich vermuthe, dass er von der babylonischen Stadt Nahar-
41*
644 DIE NABATAEISCHE LANDWIBTHSCHAFT
Pakor (ygl. Grätz, Geschichte der Juden lY S. 305) abgeleitet
ist; deren Einwohner nach dem Untergänge der ebenfalls mit
nahar zusammengesetzten Stadt Nahar-Dea^ ohne dass ein
Missverstandniss zu befurchten gewesen wäre^ durch al-Nahari
bezeichnet werden konnten. Da sich Nahar-Pakor durch seinen
Namen als Gründung des Partherkonigs Pakor yerräth^ so
wäre es, sollte jene Vermuthung sich bestätigen, sehr er-
klärlich, warum bei Qüthsämi in Nabatäer umgewandelte
Perser gerade aus ihr hergeleitet werden.
§5.
B ä b e k.
Jurbüqä, der ja noch älter sein will als Qüthsämi, citirt
8. 121 „einen unserer Alten, Namens Bäbeksu'^: sichtlich eine
Nabatäisirung des nichts weniger als alten Namens Bäbek.
Dieser Name ward nicht nur von dem bekannten Yater des
ersten Sasaniden geführt, sondern blieb auch noch nach der
Sasanidenzeit üblich: berühmt ist namentlich der Ketzer Bäbek
Ghorremt, der nicht lange vor der Zeit Ibn Wahshijjahs
einen äusserst geföhrlichen Aufstand erregt und sich Jahre
lang gegen die Heere des Chalifen Mo'thafem behauptet hatte
(Herbelot s. v. Babek).
§ 6.
Andere neupersische Anklänge.
Auch sonst finden sich in den Namen der allerältesten
babylonischen Weisen zahlreiche Anklänge an das Neupersische
(z. B. Kermänä S. 99, Lälä S. 156); am auffalligsten ist dies
der Fall mit dem von Qüthsämi zwar nicht erwähnten, aber
vorausgesetzten (s. S. 159) Saturnapostel Azdahi — man kann
auch aussprechen Azdahä — , wie er im Urtexte des Thenke-
loshä (S. 136) heisst.^) Dies ist genau das Neupersische
aj'dahä, Schlange; wer unter dieser Schlange gemeint ist,
1) Chwolson nezmt ihn stets Azädä — die Fonn, die der Name
in der persischen Uebersetzung hat
UND IHEE GESCHWISTER. 645
werden wir weiter unten sehen. Ghwolson mochte S. 19
Namen wie Eämäsh al-Neheri u. a. einer vorsemitischen
Cultarepoche Babyloniens zuweisen; wie wunderbar wäre es
doch dann, dass die sämmtlichen Namen dieser mehrere Jahr-
tausende vor Christi Geburt blühenden Iranier sich auf das
Frappanteste mit dem Neupersischen berühren, dem Neu-
persischen, welches nicht älter ist als das fünfte Jahrhundert
n. Ch. und an Abgeschliffenheit der Formen mit dem Eng-
lischen wetteifert!
Xn. 68
Der nabatäische Kalender.
Als einen schlagenden Beweis späteren Ursprungs hatte
Meyer, Geschichte der Botanik HI S. 52 f. das Vorkommen
der syrischen Monate als Sonnenmonate bei Qüthsämi hervor^
gehoben, da diese erst in der Eaiserzeit ihren ursprünglichen
Charakter als Mondmonate eingebüsst haben. Diesen Ein-
wurf sucht Chwolson durch die Bemerkung zu entkräften,
dass die Chaldäer schon in viel älterer Zeit ein Sonnenjahr
gehabt zu haben scheinen, und verweist dafür auf Ideler:
allein das ist ja hier vollkommen gleichgiltig, es handelt sich
nur darum, ob die alten Babylonier die neusyrischen Juliani-
schen Sonnenmonate gehabt haben können, welche nur andere
Namen für die römischen sind. Ueber den Kalender der
Nabatäer macht Chwolson S. 82 f. folgende Mittheilungen:
„Soviel weiss ich bestimmt, dass sie zwei nebeneinander-
laufende und von einander unabhängige Jahres-
rechnungen hatten. Sie hatten ganz bestimmt Mond-
monate, die bald 29, bald 30 Tage hatten. Ob sie dieses
Mondjahr mit dem Sonnenjahr auszugleichen suchten, weiss
ich nicht. Sie hatten aber schon in der ältesten Zeit reine
Sonnenmonate, die immer nach dem Eintritt der Sonne in
ein neues Zeichen des Thierkreises gerechnet wurden. Die
Mondmonate sowohl, so wie auch die Sonnenmonate führten
dieselben Namen: Nisän, Ijjar u. s. w. Diese beiden
Monate fielen natürlich selten zusammen . . . Der religiöse
und vielleicht auch der politische Jahresanfang fand den
646 DIE NABATAEISCHE LaNDWIRTHSCHAFT
1. Nisän statt, an welchem Tage eines der beiden grossten
Feste der Babylonier, das Geburtsfest des Jahres, d. h.
das Neujahrsfest, gefeiert wurde; das zweite jener beiden
grossen Feste wurde den 24. des ersten Eänün (24. December)
gefeiert und wurde das Geburtsfest der Sonne genannt
. . . Ausser dem erwähnten Neujahr gab es noch ein anderes
Neujahr am ersten Tesehrin (October), aber keins am ersten
des 2. Känün (Jatiuar). Dieses Neujahr am ersten Tesehrin
hat aber vielleicht nur eine agronomische Bedeutung/^ Letztere
VermuthuDg ist indess nicht wohl vereinbar mit einer anderen
Stelle der Nabatäischen Landwirthschaft (S. 113), an welcher
ein Landwirthschaftskalender gegeben wird, der mit dem
Monat Adär beginnt und mit dem Monat Shobät endigt, mit
der ausdrücklichen Augabe, die Ursache davon sei rein agro-
nomisch. Hierdurch wird dieses Jahr deutlich als ein selbst-
gebildetes, vom politischen und vom religiösen Jahre un-
abhängiges Bauernjahr hingestellt. Es ist nun freilich nicht
abzusehen, wie dies mit folgender Nachricht Ihn Wahshijjahs
sich verträgt, die Chwolson, üeber Tammüz S. 54 f. mitgetheilt
hat: „Desgleichen sagen sie in Bezug auf alle ihre Monate,
dass dieselben nach Männern der Vergangenheit benannt,
69dass femer der erste und zweite Tesehrin nach zwei
Brüdern benannt seien, die sich in den Wissenschaften aus-
gezeichnet hätten, dass es sich mit dem ersten und zweiten
Känün ebenso verhalte, und dass endlich Schebäth der
Name eines Mannes sei, der tausend Jungfrauen beigewohnt
habe, ohne Nachkommen zu hinterlassen und ein Kind er-
zeugt zu haben; wegen seines Mangels an Nachkommenschall
aber setzten sie den (nach ihm benannten) Monat Schebäth
als letzten Monat ein und derselbe wurde auch der verkürzte
in der Zahl (seiner Tage)/' Da die Legende für die Stellung
des Shobät am Ende des Jahres einen Grund angiebt, so
wird dieses damit auch als ein kirchliches Jahr hingestellt,
was es doch nach der ersten Angabe nicht ist. Das reime
zusammen, wer da will ! Chwolson freilich versichert (Ueber
Tammüz S. 62), wir hätten gar keine Ursache anzunehmen^
dass Ibn Wahshijjah dies erdichtet haben sollte, „und zwar
UND IHRE GESCHWISTER. 647
deshalb, erstens weil uns überhaupt nichts daza berechtigt,
Erdichtung bei Ibn Wahshijjah vorauszusetzen (eine kühne
petitio prlncipiü), und zweitens weil derselbe, wenn er das
von ihm hier Gesagte erdichtet hätte, durchaus nicht den
Monat Schebäth (Februar), sondern den Adar (März) als
letzten Monat bezeichnet hätte, da es in verschiedenen
Stellen der „NabatäischenLandwirthschaft'' ausdrücklich
gesagt ist, dass die alten Babylonier am ersten Tage des
Monats Nisän ihr Neujahrsfest feierten/' Ich dächte
doch, es gäbe eine näher liegende Erklärung, die nämlich,
dass hier den Lügner sein Gedächtniss zur Unzeit ver-
lassen hat.
Chwolson lebt in der seltsamen Illusion, durch seine
Mittheilungen falle der vermeintliche schlagende Beweis
Meyers in nichts zusammen: sie bestätigen aber vielmehr
in grellster Weise, dass wirklich die angeblich altbabjloni-
sehen Sonnenmonate sich mit den neusjrischen Julianischen
vollkommen decken: die verkürzte Tagzahl des Februar oder
Shobät weist unzweideutig auf diesen hin, von Chwolsons
eigenen Gleichsetzungen, für die er ohne Zweifel bei Qüth-
sämi Anhaltepunkte gefunden haben wird, ganz zu schweigen«
Nun liegen die Julianischen Monate so unbequem und un-
natürlich zu den Jahrpunkten, dass es vollkommen undenkbar
ist, dass irgend ein anderes altes Volk seine Sonnenmonate
mit demselben Datum begonnen haben sollte wie der Juliani-
sche Kalender. Und sollte sich selbst der Julianische Charakter
des altbabylonischen Sonnenjahres weginterpretiren lassen, so
bleiben doch die Monatsnamen Theshrin L und II., Känün I.
und IL stehen als ein untrügliches Merkmal späterer Er-
findung. Es ist uns nämlich zum Glück der ältere syrische
Kalender der Stadt Heliopolis erhalten (siehe Ideler, Hand-
buch der Chronologie I S. 440), in welchem bei sonst voll-
ständiger Uebereinstimmung an der Stelle des ersten Theshrin
ein Ag, an der des ersten Känün ein Gelön^) erscheint. Die 60
1) Dieser Name verhält sich zu Eislew genau so wie Thorin in
demselben Kalender zu Thishri, und ich zweifle nicht, dass die Namen
identisch sind; dann verhalten sich der jüdische, der Heliopolitische
648 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
Yeränderang des Ag in einen ersten Theslirin scheint erst
durch den Einfluss des jüdischen Kalenders veranlasst worden
zu sein^); gewiss ist diese Neuerung erst in der hellenischen
Zeit vor sich gegangen.
Dass ein Volk ein Sonnenjahr und ein Mondjahr zu
Terschiedenen Zwecken nebeneinander gebraucht, ist nichts
unerhörtes; dass es aber die sich natürlich fast nie deckenden
Monate der beiden concurrirenden Jahresformen mit denselben
Namen benannt haben sollte ; ist geradezu unmöglich: so
etwas bei den alten Chaldäem voraussetzen, die doch gewiss
nicht so ohne Grund im Rufe grosser Weisheit gestanden
haben, heisst sie zu den confusesten Köpfen der Welt machen.
Der hirnverbrannte Einfall Qüthsämis erklärt sich in der ein-
fachsten Weise von der Welt daraus, dass derjenige, welcher
unter dieser Maske schrieb, die zu seiner Zeit in Babylonien
herrschenden zwei Jahresrechnungen, das jüdische Mondjahr
und das Sonnenjahr der syrischen Christen, deren Monats-
namen zu zwei Drittheilen miteinander identisch sind , im
Auge hatte und beide unbedenklich den alten Babyloniern
zuschrieb. Nun aber war den Juden das Bewusstsein, dass
ihr heiliges Jahr ursprünglich mit dem Nisän begonnen
hatte, nie verloren gegangen; um also keinen Anachronismus
zu begehen, setzte Pseudo - Qüthsämi auch bei den alten
Babyloniern den religiösen Jahresanfang in den Nisän, schob
aber daneben auch das syrische Neujahr vom 1. October in
die Urzeit hinauf.
Aber nicht genug, die alten Babylonier sollen auch noch
xmd der neue syrische Kalender in Bezug anf die ersten vier Monate
so zn einander:
J. H. 8,
Thishri, Ag, Theshrin L,
Marheshwan, Thorin (Thishri), Theshrin II.,
Eislew, Gelön (Eislew), Eänün I.,
Tebeth, Ghana (E&nün), Eänün IL
1) Schwerer ist es zn erklären, wamm der Gelön in einen ersten
E&nün verändert ward ; ich denke, dass eine zwischen Eislew {XawUv)
und Gelön in der Mitte liegende Form E[alün wegen ihrer leichten
Verwechselung mit Efinün den Anlass dazu gegeben hat.
UND IHRE GESCHWISTER. 649
ein drittes Jahr daneben gehabt haben^ das mit dem Shobät
(Februar) schloss. ;,Auf Schebäth als letzten Monat — sagt
Chwolson^ lieber Tammüz S. 62 — hätte Ibn Wahshijjah
niemals kommen können , wenn er seine Angaben über den
Ursprung der Monatsnamen nicht in einer alten Quelle
gefunden hätte^ welche eine eigenthümliche^ der altrömischen
ähnliche Ealenderrechnung hatte/' Sehr wahrl also waren
die alten Römer mit ihrem Kalender die Copisten der Baby-
lonier? Das glaube wer da will: wir können einen näheren 61
Weg nachweisen, auf dem Ibn Wahshijjah zu jener kost-
baren Kenntniss gelangt ist. Die byzantinischen Chrono-
graphen, darunter auch der Syrer Malala, haben noch einige
verworrene Nachrichten über den älteren römischen Kalender,
in welchem das Jahr mit dem März anfing, erhalten. Dass
Ibn Wahshijjah aus einer solchen Quelle geschöpft, ihre
Angaben nur seinen Zwecken gemäss verfälscht hat, macht
die innere Aehnlichkeit seiner Erzählung vom Shobät mit
einer albernen Geschichte, die sich bei Malala (YII p. 233 —
239 ed. Oxon.) über den Februar findet, höchst wahrschein-
lich. Februarius, erzählt dieser, sei der Name eines Feindes
des Manlius Capitolinus (der aber nur durch eine Ver-
wechselung an der Stelle des Camillus genannt wird); der-
selbe habe im Senate die Verbannung des Manlius durch-
gesetzt. Als nach dem Unglückstage am 15. Sextilis^) Manlius
zurückberufen forden war und die Gallier aus Rom ver-
trieben hatte, liess er den Februarius, der nicht bloss sein
Gegner, sondern auch ein schlechter Mensch und ein xivai-
dog war — Letzteres erinnert au die Impotenz des Shobät — ,
aus der Stadt hinauspeitschen und nannte nach ihm den
Unglücksmonat Sextilis Februarius, uud strafte diesen Monat
auch dadurch, dass er seine Tagzahl verkürzte. Später habe
Augustus den sechsten Monat vom ersten (also vom März
an gerechnet) Augustus genannt und den Februar, der als
Unglücksmonat nicht in der Mitte bleiben dürfte, an das Ende
des Jahres verwiesen.
1) Eine VermenguDg des Dies ÄUiensis a. d. XV. Kai. SeztileB
und der Lnpercalien am 16. Febniar.
650 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
Inwiefern nach Chwolsons oben angeführter Ansicht die
Unkenntniss eines Januar - Neujahrs das am 24. December
gefeierte Geburtsfest der Sonne in einem unschuldigeren
Lichte erscheinen lassen soll; ist nicht abzusehen: auch der
böswilligste orientalische Fälscher hatte zur Erfindung eines
Januar - Neujahrs keine Veranlassung, da ein solches weder
bei den Syrern^) noch bei den Byzantinern im Gebrauch
war. Dass jener Festtag in der bedenklichsten Weise an
yydas am 24. December^ in Italien gefeierte Fest Dies natalis
Solis invicii" erinnert, hat Chwolson selbst anerkannt, scheint
aber darin einen Zufall zu sehen. Was jedoch die Sache
Qüthsamis zu einer verzweifelten macht, ist seine Angabe
(bei Chwolson, Die Ssabier II S. 911), das Sonnenfest habe
auch den Namen „Das Geburtsfest der Zeit^^ geführt. Offenbar
62 ist dies verunglückte Uebersetzung des griechischen Kpovia,
d. i. Satumalia, welches ein Orientale, mit dessen Griechisch
es nicht weit her war, mit Xgovia verwechselte: die Satur-
nalien gingen dem Natalis Solis invicti unmittelbar vorher.
Die Sache wird dadurch nur noch verdächtiger, dass das in
der späteren Eaiserzeit immer mehr in Aufnahme kommende
Geburtsfest des unüberwindlichen Sonnengottes bekanntlich
die Ursache geworden ist, dass das christliche Weihnachten
im fünften Jahrhundert auf den 25. December verlegt ward.
Die Aehulichkeit des babylonischen 'Aid miläd el-shams und
des christlichen 'Aid el-milad ist so frappant, dass sie selbst
einem arabischen Schreiber Chwolsons nicht entgangen ist,
der (wie der Letztere, üeber Tammüz S. 107 erzählt) es sich
nicht nehmen lassen wollte, dass der 24. Eänün I. in den
25. Kunün I. zu ändern wäre. Das eine der beiden Haupt-
1) Die Behauptung Chwolsons (Ueber Tammüz S. 62), die Syrer
hätten später ihr Jahr, wie wir, mit dem Januar angefangen, ist voll-
kommen grundlos; auch ist an den Stellen, auf die er sich dafür beruft,
bei Ideler so wenig wie in seinem eigenen Werke über die Ssabier,
eine Spur davon zu finden.
2) Dies scheint ein Versehen zu sein: der Natalis Solis invicti
fällt auf den 26. December (Preller, Römische Mythologie S. 766 [ü
S. 409 der 3. Aufl.]). Die Aehnlichkeit beider Feste ist aber auch so
noch frappant genug.
UND IHRE GESCHWIbTEB. 651
feste der christlichen Kirche fallt also bis auf einen Tag mit
dem einen der beiden babylonischen Hauptfeste zusammen,
während der Tag^ an welchem das zweite babylonische Haupt-
fest gefeiert wird, der 1. Nisän (April), mitten in die Grenzen
fallt, innerhalb deren das zweite christliche Hauptfest, Ostern,
gehalten werden kann. Darin sehe einen Zufall, wer es mit
sich verantworten kann; für mich ist dieser nach allerhand
occidentalischen, nichts weniger als alten Vorbildern gemodelte
Kalender ein neuer zwingender Grund, die Nabatäische Land-
wirthschafi) unter das fünfte Jahrhundert n. Ch. hinabzurücken.
xin.
Anspielungen auf das Ghristenthum.
Hiermit ist der Nachdruck, der auf den monotheistischen
Glauben eines Adami, Anüha und anderer ältester babylo-
nischer Weisen gelegt wird, die Uebereinstimmung mit jenen
Männern, die Qüthsami gern durchschimmern lässt, in
schönster Harmonie. Schon Ewald ([Göttinger Nachrichten]
1857 8. 158 f.) hat hervorgehoben, dass solche Bemerkungen,
wenn sie auch nicht nothwendig das schon Bestehen des
Christenthums oder gar des Islams voraussetzen, doch un-
leugbar erst seit der Ausbreitung monotheistischer Religio-
nen ihre volle Bedeutung haben.^)
Was soll man nun aber vollends zu der Polemik
Qüthsämis gegen gewisse heidnische Einsiedler in Babylonien
sagen, die schwarze wollene Kleider tragen, ihr Aeusseres
verwildern lassen, niemals in die Badestuben gehen, Nägel
und Haare wachsen lassen, spärliche ^robe Kost geniesseu,
allen Genüssen der Welt entsagen und abgesondert von den 68
Menschen in Wüsten und Haiden leben? Qüthsami sagt,
1) Bezeichnend in dieser Hinsicht ist namentlich S. 158 die den
alten Babyloniem beigelegte Ansicht, „dass die Religionen und die
Gesetze nicht für ewige Zeiten bestimmt seien und dass sie daher von
Zeit zu Zeit durch neue religiöse Anschauungen und Begriffe und durch
neue Institutionen aufgehoben und ausser Kraft gesetzt werden'* —
eine Ansicht, die für das yierzehnte Jahrhundert v. Ch. noch mehr
Verdacht als Bewunderung erregt.
652 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
dass sie nur an den beiden grossten Feiertagen^ am Geburts-
feste der Sonne und am Neujahrsfeste^ die Tempel besuchten,
und dass sie vorgäben , mit den Göttern in Verbindung zu
stehen und durch Vermittlung der Götterbilder die Zukunft
zu kennen. Schon Adam! habe sie Feinde ihrer selbst,
Anühä Unglückselige genannt, Qüthsämi selbst lässt sich
ausführlich und in den ärgsten Schmähungen über sie ans
(S. 112. 159). Aus dem Buche des Thenkelöshä (S. 156)
erfahren wir, dass diese Anachoreten Anhänger des Satnm-
apostels Azdahä waren, der seine asketische Religion durch
nach Osten und Westen ausgesendete Missionäre yerbreitete;
Thenkelöshä fügt sogar hinzu (S. 160), dass sie Hals- und
Armbänder mit Todtenknochen trugen, um durch den Anblick
derselben an die Todten erinnert zu werden. In der Schil-
derung des Thenkelöshä kommt übrigens ein ärgerlicher
Anachronismus vor, indem von schwarzwollenen Turbanen
der Jünger Azdahäs die Rede ist, während aus Herodot be-
kannt ist, dass die alten Babylonier keine Turbane trugen;
Chwolson hat daher versucht, den Turbanen Mäntel zu
substituiren, was Prof. Fleischer in den Zusätzen S. 189
widerlegt hat. Man braucht nur für „heidnische Einsiedler^
„christliche Einsiedler", für „Götterbilder" „Heiligenbilder"
zu substituiren und man hat eine vollkommen zutreffende
Schüderung des Anachoretenwesens, wie es sich im Orient
gestaltete: alle einzelnen Züge treffen zu, die härenen Ge-
wänder, das Tragen von Todtengebeinen (Reliquien), die Gabe
der Prophezeiung, der auf die beiden christlichen Hauptfeste,
Weihnachten und Ostern, beschränkte Eirchenbesuch, vor
Allem der Schmutz der Mönche und ihre Wasserscheu — ein
Lieblingsthema der Neuplatoniker des fünften und sechsten
Jahrhunderts. Die Schilderungen Qüthsämis erinnern un-
willkürlich an die erbaulichen Auslassungen des Eunapios
(Vit Sophist, p. 472 ed. Didot.) über die „sogenannten Mönche,
die ihrer Gestalt nach Menschen, in ihrer Lebensart aber
Schweine seien und vor aller Welt unsäglich viel Schimpf-
liches thäten und über sich ergehen Hessen". „Jeder — fügt
Eunapios hinzu — der ein schwarzes Kleid trägt und es
UND IHRE GESCHWISTER. 663
über sich vermag^ öffentlich in einem skandalösen Aufzuge
zu erscheinen, erlangt tyrannische Machtvollkommenheit/' —
— — ,; Knochen und Schädel von Leuten ; die ihrer vielen
Missethaten wegen vom strafenden Arme der Gerechtigkeit
ereilt und hingerichtet worden sind, lesen sie zusammen,
erklären sie für Gotter, wälzen sich vor ihnen im Staube
und glauben an Verdienst zuzunehmen, wenn sie sich durch
die Berührung der Gräber verunreinigen/' Der Geist in diesen
Schilderungen ist derselbe feindselige wie bei Qüthsami und
Thepkelöshä; es ist doch sehr seltsam, dass der Gegenstand
ihres Hasses ein ganz verschiedener sein soUI Doch wir
werden ja durch Chwolson wiederholt daran erinnert, dass 64
Alles schon einmal dagewesen ist, und zwar im alten Babylon:
also warum nicht auch Mönche? Der Stifter der asketischen
Religion heisst Azdahä, worin wir oben das neupersische
aj'dahä, Drache, grosse Schlange, erkannt haben: wie seltsam
ist es doch, dass christliche Sekten, die Ophiten (deren es
noch im sechsten Jahrhundert gab)^), Christus o<pLs nannten
und für die Schlange erklärten, welche den ersten Menschen
bewogen hatte, vom Baume der Erkenntniss zu essen
(Hippolyt. Haeres. V, 9 p. 119. 16 p. 133 [p. 170. 192 ed.
Dunck. et Sehn.]; Irenaeus adv. haeres. I, 30, 15; Epiphan.
Haeres. XXXVII, 2. 3 p.270. 6 p.273 Petav.)*), und wie selt-
sam, dass dieser Beligionsstifter Azdahä wie Christus seine
Lehre durch Apostel verbreitet, die er nach Osten und Westen
aussendet! Wir werden weiter unten im Buche des Thenke-
loshä noch einer zweiten Spur ophitischer Lehren begegnen.
In einer nabatäischen Geschichte von Thammüz will
Ibn Wahshijjah Folgendes gelesen haben: „Tammüz habe
einen Eonig aufgefordert, die sieben Planeten und die zwölf
Zeichen des Thierkreises göttlich zu verehren; dieser Eonig
habe ihn hingerichtet, worauf Tammüz aber am Leben blieb:
dann habe jener ihn einigemal hintereinander schändlich
hingerichtet, wobei Tammüz aber immer am Leben blieb,
1) Vgl. Cod. Jostinian. lib. I tit. V § 19.
2) Diese Nachweisongen verdanke ich meinem Freunde Professor
LipsiuB.
654 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAPT
bis er endlich starb" (Chwolson, Ueber Tammüz S. 57).
Auch ohne die ausdrückliche Bemerkung Ibn Wahshijjahs,
dass das vom heiligen Georg Erzählte mit dem^ was von
Thammüz berichtet wird, vollkommen übereinstimme^ würde
die Identität beider Legenden Jedem auffallen. Von Greorg
heisst es nämlich^ er habe einen König aufgefordert, zum
Christenthum überzugehen, und sei dafür von jenem König
dreimal (oder mehrere Mal) hintereinander getödtet worden,
aber immer am Leben geblieben, bis er zuletzt dennoch starb.
Die Hauptsache aber hat Ibn Wahshijjah verschwiegen: dass
nämlich der Gegner des heiligen Georg, wie der des Tammüz,
ein König im Euphrat- und Tigrisgebiete (König von el-
Mau9il) ist, und dass auch ihn der König zuletzt verbrennen
und seine Asche in den Tigris werfen liess (Massud! S. 129
bei Sprenger). Da ein derartiges Abenteuer doch nicht alle
Tage vorfällt, noch dazu in demselben Lande und unter
denselben Umständen, und da die Geschichte des heiligen
Georg bei den Muhammedanern eine noch viel grössere Rolle
66 spielt als bei den Christen*), so gehört viel Gutmüthigkeit
dazu, dem Ibn Wahshijjah hierin auf das Wort zu glauben:
die angebliche Parallele dürfte vielmehr das Original der von
ihm zum Besten gegebenen Legende vom Thammüz sein.
Die Möglichkeit, ja sogar Wahrscheinlichkeit, dass St Georg
jener eigenthümlichen Stellung wegen als ein metamorpho-
sirter Gott des alten Orients anzusehen ist, soll darum nicht
bestritten werden: dass aber die christliche Legende nicht
nur den Kern der heidnischen, sondern sogar alle weniger
wesentlichen Nebenumstände festgehalten haben sollte, wie
es nach Ibn Wahshijjahs Enthüllungen der Fall gewesen sein
müsste, ist nicht recht glaublich.*)
1) „So — lauten Mas*üdi8 Worte — wird die Geschichte berichtet
von den Schriftgläubigen (den Christen) und in den Büchern vom
Anfange und vom Leben (Muhammads), von Wahb ben Monabbih und
anderen VerfasBern.** Auch Tabarl behandelt im dritten Buche seines
Geschichtswerkes die Geschichte des Girgis (vgl. Rosen in der Zeit-
schrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft II S. 164).
*) [Vgl. Gutschmids Abhandlung über die Sage vom heiligen
UND IBRE GESCHWISTER. 655
XIV.
Neuplatonische Reminiscenzen.
Qüthsämi betont eS; dass sich die ältesten babylonischen
Weisen, ein Mäsi^ ein Gernanä; ein Janbüshäd, gegen Thier-
opfer ausgesprochen hätten (S. 57); und Thenkelosha führt
das Verbot, lebende Wesen zu opfern, auf die von Sharmidä
gepredigte Jupiterreligion zurück (S. 160). Die Verwerfung
der Thieropfer gehört wiederum zu den Hauptsätzen des
geläuterten Heidenthums, wie es die Neuplatoniker predigen:
Porphyrios hat ein eigenes Werk geschrieben, um nach-
zuweisen, dass das Todten der Thiere ein Missbrauch jüngerer
Zeiten sei Wir sehen also, dass Alles schon einmal da-
gewesen ist. — Qüthsämi erwähnt einen babylonischen „Tempel
der vernänftigen Gestalten" (Chwolson, Die Ssabier II S. 913).
Chwolson sagt, man sähe daraus, dass es in Babylon wirklich
Tempel solcher abstracten Wesen gab, wie die von Mas'üdi,
Dimeshqi und Anderen erwähnten „Tempel der Vernunft'^,
„der Weltordnung" und dergleichen andere; man sähe ferner,
dass diese Tempel nicht (wie er selbst früher vermuthet
hatte) Ausgeburten eines Harranischen Neuplatonikers sind:
welche Folgerungen man aus dieser Thatsache hinsichtlich
des Ursprungs und des Alters gewisser neuplatonischer Lehren
ziehen könne, will er einstweilen unerörtert lassen. Wer ge-
schichtlichen Sinn hat und nicht gesonnen ist, den-Ent-
wickelungsgang philosophischer Jdeen auf den Kopf stellen
zu lassen, wird vielmehr darauf sehen, welche Folgerungen
man aus der Erwähnung eines Tempels der vernünftigen
Gestalten hinsichtlich des Ursprungs und des Alters der
Nabatäischen Landwirthschaft ziehen nicht kann, sondern
muss: die Antwort wird dahin ausfallen, dass die Zeit, in
der sie entstand, von der Zeit, in welcher die neuplatonischep
Harranier floriren, also vom neunten Jahrhundert, schwerlich
sehr auseinanderliegen wird. — In der Nabatäischen Land-
Georg in den Berichten der königlich Bächsischen GesellBchaft der
Wissenschaften 1861 S. 175 ff. F. B.]
656 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAPT
wirthschaft werden drei tagliche Gebete erwähnt^ wie bei
den Sabiem, und das zweite Gebet wurde von den Babyloniem
zu derselben Tageszeit wie bei den Sabiern verrichtet (Chwolson,
Die Ssabier II S. 912). Die Sabier haben diesen Gebrauch
66 vermuthlich von den Neuplatonikern angenommen; wenigstens
empfiehlt lulian. Fragm. p. 302 A drei Gebete täglich (vgl.
die Nachweise bei Chwolson , Die Ssabier II S. 63 flF.). Von
den Berührungen der Nabatäischen Landwirthschaft mit den
Neuplatonikern, speciell den sabischen, habe ich ein paar
Beispiele gegeben, die sich mir gerade darboten; ich zweifle
aber nicht, dass, wer beim Durchlesen von Chwolsons Mit-
theilungen darauf sein Augenmerk richtet, die Verwandtschaft
beider Quellen in viel umfassenderer Weise zu belegen im
Stande sein wird: der Gesichtskreis des Qüthsämi und der
der späteren Neuplatoniker ist ganz derselbe.
XV.
Moderner Charakter des nabatäischen Schriftthums.
Ein Verdachtsgrund allgemeinerer Natur, der aber darum
nicht minder schwer wiegt, als die speciellen, welche wir
bereits geltend gemacht haben, ist der erstaunlich moderne
Charakter, welchen Alles trägt, was bisher von der Naba-
täischen Landwirthschaft und den verwandten Schriften be-
kannt geworden ist. Ueber den Hauptinhalt jener sagt Meyer,
Geschichte der Botanik III S. 52: „Es ist ein System der
Baumzucht und des Ackerbaues, errichtet auf physikalischer
Grundlage, ausgehend von allgemeinen Principien, allmählich
fortschreitend bis in das feinste Detail der Behandlung jeder
besonderen Culturpflanze und ihrer Benutzung." Der Geist,
der in den Schriften weht, ist einerseits der entschiedenste
Rationalismus, der sich in einer feindseligen Haltung gegen
die anerkannten Religionen manifestirt, andererseits ein ebenso
ausgesprochener Hang zu allem möglichen Aberglauben. Es
ist dies ganz und gar die Richtang des untergehenden Heiden-
thums, namentlich in seinen letzten orientalischen Ausläuferni
Um diese anstossige Aehnlichkeit in einem harmloseren Lichte
UND lERE GESCHWISTER. 657
erscheinen zu lassen ^ hat Chwolson sich eine förmliche ge-
schichtsphilosophische Theorie zurechtgelegt , die er im Ein-
gange S. 3fif. entwickelt und dann bei den zahlreich sich
bietenden Anlässen wieder vorbringt: jedes Volk wachse^
blühe^ sterbe ab^ nachdem es in seiner geistigen Entwickelung
es je nach seinen Fähigkeiten zu einem grösseren oder ge-
ringeren Grade von Vollkommenheit gebracht habe; dann
fange ein anderes Volk genau denselben Entwickelungsprozess
wieder von vorn an, ohne von der untergegangenen Cultur
des vorangehenden Volkes mehr als höchstens einzelne
Bausteine sich anzueignen, bringe es dann seinerseits wieder
zu einer gewissen Stufe der Vollendung, und so fort: was
uns also in dem nabatäischen Schriftthum modern scheine,
sei nur modern im Vergleich zu einer vorausgegangenen
jahrtausendelangen babylonischen Entwickelung, aber immer
noch alt im Vergleich zu der ganz jungen hellenischen Ent- 67
Wickelung. Wenn z. B. — sagt Chwolson — die ganze grie-
chische Cultur für uns verloren wäre und jetzt die araJbischen
Uebersetzungen eines Piaton, Aristoteles, Hippokrates, Galenos
und Anderer wieder aufgefunden würden, so würde man diese
vielleicht wegen der aus ihnen hervorleuchtenden hohen
BUdungsstufe der Griechen, verglichen mit der Bohheit
unseres Mittelalters, für untergeschobene Machwerke erklären:
ganz derselbe Fall aber sei es mit den von Ibn Wah-
shijjah producirten nabatäischen Schriftwerken. Statt mich
in eine unfruchtbare Erörterung einzulassen, ob Chwolsons
Behauptungen übertrieben sind oder nicht, das gewählte
Beispiel schief ist oder nicht, verweise ich einfach auf die
erhaltenen Ueberbleibsel altsemitischer Wissenschaft. Machen
die Schriften eines Volks, dessen Entwickelung, gleich der
babylonischen, der griechischen um ein Jahrtausend voraus-
geht, nämlich des israelitischen, machen, frage ich, auch die
spätesten, in der Zeit des ausgesprochensten VerfaUs yer-
fassten Schriften des alten Testaments dem griechischen
Schriftthum gegenüber einen modernen oder nicht vielmehr
einen sehr alterthümlichen Eindruck? Doch wir haben einen
noch viel näher liegenden Massstab. Aus \^elcher von beiden
y. 6T7T8CHKID, Kleine Schriften. II. 42
658 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAPT
Quellen weht uns ein frischerer, urwüchsigerer Hauch ent-
gegeU; aus den Bruchstücken des Berossos mit ihrer mythischen
Naturgeschichte, ihrer Eosmogonie, ihren Erzählungen vom
Ursprünge der heiligen Schriften durch den Fischmenschen
Oannes, von den zehn ältesten Yölkerhirten, von der Sint-
fluth unter Xisuthros, in diesen, frage ich, oder in den an-
gelblich 1100 Jahre und mehr vor Berossos yerfassten Büchern
Qütbsämis und seines Gleichen mit ihren überaus tugend-
haften, überaus aufgeklärten und überaus schreibseligen prä-
adamitischen Stubengelehrten, mit ihrem wegen der von
Obscuranten erlittenen Verfolgungen heilig gesprochenen und
den Gebeten der Rechtgläubigen einverleibten babylonischen
Voltaire Janbüshäd, mit ihrem zu Noahs Zeit üppig florirenden
Literatengezänk, und anderen raren Dingen? Es gehört Muth
dazu, diese Frage zu Qüthsämis Gunsten zu beantworten.
Und nun halte man einmal dessen Angaben neben die sabi-
schen Nachrichten, die uns durch Chwolsons Bemühungen
zugänglich gemacht worden sind: sind sie einander nicht so
täuschend ähnlich, dass jeder mit den historischen Voraus-
setzungen der Nabatäischen Landwirthschaft Unbekannte ge-
neigt sein würde, sie einem in Bagdad lebenden Sabier zu-
zuschreiben? Dieses von des Gedankens Blässe in hohem
Grade angekränkelte sabische Heidenthum erinnert mich
immer lebhaft an das Heidenthum des Pomponius Laetus;
und mit dem Deismus der nabatäischen Rationalisten ist es
ganz derselbe Fall.
68 XVI.
Der kosmopolitische Gelehrtenverkehr.
Angenommen aber selbst einmal, die babylonische Lite-
ratur des vierzehnten Jahrhunderts v. Gh. dürfte mit der
griechischen des vierten n. Gh. auf eine Linie gestellt werden,
ein Stein des Anstosses bleibt übrig, der schon allein ge-
nügen würde, Qüthsämi und Genossen zu Falle zu bringen:
es ist der schon in uralten Zeiten vorausgesetzte, alle sprach-
lichen und staatlichen Grenzen kühn überspringende Ge-
lehrtenverkehr. ,^Die lebendige geistige Verbindung der ver-
UND IHEE GESCHWISTER. 659
schiedensten Volker — sind Ghwolsons eigene Worte S. 5 —
und der beständige Ideenaustauch der Nationen^ wie es in
der neueren Zeit geschieht, fand im Alterthum überhaupt,
besonders aber vor Alexander dem Makedonier, in einem
sehr geringen Grade statt/' Es bedarf nicht erst der Er-
wähniu^, dass dieser Satz ebenso unumstösslich, wie zur
Aufrechterhaltung von Ghwolsons oben erwähnter Theorie
nothwendig ist. Wie reimt sich dazu der wunderbar lebhafte
Verkehr chaldäischer, kanaanäischer, syrischer Gelehrter der
Urzeit, die Bekanntschaft der alten Chaldäer mit persischen,
indischen, ägyptischen, ja selbst griechischen Lehren (vgl.
namentlich S. 90)? und dieser Verkehr soll nicht etwa erst
durch die von Nimrod datirende politische Verbindung Baby-
loniens mit Kanaan hervorgerufen sein: schon Mäsi der Suraner,
der nach Ghwolsons kühnen Reductionen um 2500 v. Gh.
blühte, hatte einen Prioritätsstreit mit Tämithsri dem Eanaa-
näer^), und veröffentlichte eine Streitschrift gegen ihn, in der
er auch für die damaligen ionischen Gelehrten einige Grob-
heiten einfliessen Hess (S. 90). Und lange vor Mäsi hatte
schon Dewänäi eine Streitschrift an den Syrer Mardäjäd ge-
richtet (S. 91). Hier sind Wechselbeziehungen zwischen den
Schriftstellern verschiedener Völker vorausgesetzt, etwa wie
sie zur Zeit des Ghalifats zwischen arabischen und neu-
persischen Gelehrten bestanden. Was aber der Universalität
der alten babylonischen Literatur die Krone aufsetzt, ist der
Besitz allgemeiner Weltgeschichten (S. 68). Nun wohl, die
Fiction eines kosmopolitischen literarischen Verkehrs ist er-
wiesenermassen ein Lieblingsthema gelehrter Betrüger: daher
die zahlreichen Gelehrten aus aller Herren Ländern, die sa-
pientissimi Gothorum philosophi, u. s. w., die sich beim Kos-
mographen von Bavenna herumtummeln, daher die skythischen.
1) Dem Tämithsri und seinen ebenso alten Landsleuten Anfth&
nnd Qardäjä. könnte man versucht sein in der Person des Eanaanäers
Arud, welchen Abü'lfarag im Ghron. Syr. p. 10; Eist, dynast. p. 19
citirt, einen Collegen zu geben; doch macht der Inhalt des Fragments
(über die Zeit, in der Hiob gelehrt habe) es wahrscheinlicher, dass es
ein aus Palästina gebürtiger späterer syrischer Chronograph gewesen ist.
•42*
660 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
69 griechischen, indischen und anderen Antoritaten, mit denen
der angebliche Aethicus (der überhaupt merkwürdig oft an
unseren Qüthsami erinnert) disputirt haben will. Sehr natür-
lich! in Zeiten einreissender Unwissenheit sind die wenigen
Gelehrten von Profession von einem Hochmuthe besessen,
der zu ihrem Wissen in keinem Verhältnisse steht^ und nur
zu geneigt, diesen Mangel durch falschen Schein ersetzend,
mit erlogenen Autoritäten zu imponiren: und begreiflicher-
weise sagt hierbei nichts ihrer Eitelkeit mehr zu, als die
Voraussetzung einer über alltägliche Hemmnisse erhabenen
Gelehrtenrepublik. Wir finden dies bei den letzten Ausläufern
der altrömischen Literatur im sechsten und siebenten Jahr-
hundert; beim Untergänge der altorientalischen Cultur nach
dem Aufkommen des Islams wird es an ähnlichen Symptomen
nicht gefehlt haben: schon die kosmopolitischen Autoritäten
Hermes, Agathodämon, Asklepios, auf welche die Sabier sich
berufen, lassen dies ahnen.
XVII,
Ein Gedächtnissfehler Qüthsämis.
Mit den Entlastungsbeweisen, die Ghwolson fOr Qüthsami
anführt, sieht es höchst misslich aus. Freilich, so lange man
festhält, dass derselbe wirklich unter einer kanaanäischen
Dynastie schrieb, und nur dagegen polemisirt, dass diese
Dynastie nicht in eine jüngere Zeit herabgerückt werden
dürfe, als es geschehen, hat man gewonnenes Spiel: aber
gegen den Nachweis, dass ein Betrüger aus spätester Zeit
unter dem Namen von Qüthsami und Consorten schrieb und
dabei die Fiction aufrecht erhielt, dass diese bald nach
Abraham und noch früher gelebt hätten, fallen alle Argumente
in Nichts zusammen. Es liegt auf der Hand, dass die Ana-
chronismen, welche wir einem derartigen Fälscher nachzuweisen
im Stande sind, in der Hauptsache nur indirecte sein können,
d. h. dass Kenntnisse, Ansichten, politische Verhältnisse seiner
Zeit von ihm in eine Zeit versetzt werden, welche jene Kennt-
nisse, Ansichten, Zustände noch nicht hatte. Doch ist wirklich
UND IHRE GESCHWISTER. 661
eine Stelle da^ in welcher der Fälscher seinen sonstigen
Voraussetzungen direct widerspricht und die sich gar nicht
anders erklären lässt, als dass er hier einmal aus der Bolle
gefallen ist. S. 64 erzählt nämlich der vermeintliche Qüth-
sämi, ein nach Babylonien gekommener Eanaanäer habe ihm
mitgetheilt; dass die Eanaanäer zu ihrer Zeit die Kirsche
so und so zuzurichten pflegten. Chwolson folgert daraus^
dass die Eanaanäer zur Zeit Qtthsämis nicht mehr die
alleinigen Besitzer von Eanaan gewesen seien, Qüthsämi
demnach nach der israelitischen Occupation dieses Landes
gelebt haben müsse. Allein erstens wird jeder Unbefangene
zugeben, dass die Fassung jener Worte nicht einen ge-
schmälerten Besitz, sondern einen völligen Untergang der
kanaanäischen Cultur voraussetzt, also auf eine Zeit hinweist, 70
die mindestens viel später ist als der Sturz des Jabin von
Hazor. Sodann will Qüthsämi bald nach Abraham schreiben
— und wie grundlos die Annahme ist, er sei von dem
Abraham der Bibel verschieden, ist oben gezeigt worden;
zwischen diesem und Josua liegen aber, wollte man selbst
(wozu kein Grund vorliegt) die biblischen Zahlen für diesen
Zeitraum ganz preisgeben, doch sieben Generationen, also
mehr als 200 Jahre: somit kann Qüthsämi weder den Einfall
Josuas und noch viel weniger den 170 Jahre späteren Sturz
des Reiches Hazor erlebt haben. Gestehen wir es ehrlich
zu: es liegt ein verrätherischer Gedächtnissfehler vor, der
den alten Satz bestätigt, dass ein Lügner ein gutes Gedächt-
nisB haben muss.
XVIII.
Der Werth der historischen Reticenzen.
Um nun auf die soeben berührten Argumente Ghwolsons
zu kommen,, so haben wir gesehen, wie es um die angebliche
Unbekanntschaft Qüthsämis mit dem Christenthume steht.
Das Judenthum nicht bloss, sondern auch der Islam ist ihm
so wenig etwas Fremdes, dass vielmehr die eigentlichen
Träger seines Buches lauter Figuren der rabbinischen und
koranischen Tradition sind. Eine directe Erwähnung mos-
662 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
lemischer Dinge kann man yemünftiger%eise nicht erwarten;
wohl aber verräth sich ein Araber als Verfasser durch Be-
rührung von Sachen, die dem Araber geläufig waren, die
aber ein Nichtaraber nicht wissen konnte. Mehreres der Art
(z. B. das Sprichwort vom jemenischen Zauberer) haben wir
schon anzuführen Gelegenheit gehabt; zwei recht eclatante
Fälle seien hier nachgetragen.
Während der vierjährigen Regierung des „vierfach Un-
glückseligen" wurde, wie Qüthsämi (S. 46) berichtet, Baby-
lonieii von der schrecklichen Invasion eines mächtigen Königs
aus Jemen heimgesucht, der unter Anderem auch die Aus-
lieferung des grossen goldenen, mit Perlen behangenen Götzen-
bildes der Sonne verlangte. Dies erhält durch die Annalen
des Reiches Himjar — die schlechtest bezeugten, dir mir
vorgekommen sind — eine sehr zweideutige Bestätigung.
Nach Hamzah Buch VIII S. 125 (ed. Gottwaldt) zog der
jemenische Eonig Hareths al-Räish nach Indien und vertrieb
die Türken aus Adserbaigän ; nach demselben Historiker
(ebenda S. 127) zog ein späterer Eonig Shamir gen Osten,
eroberte Choräsän und kam bis Samarkand, welches von ihm
den Namen haben soll, bis endlich Rusthem ihn todtete.
Auf einem in Samarkand von Shamir erbauten Palaste soll
eine himjaritische Inschrift gefunden worden sein, die mit
den Worten anhob: „Im Namen Gottes. Dies Gebäude er-
baute Shamir dem Herren, der Sonne.^' Hier haben wir den
Commentar dazu, warum der jemenische Eönig sich von
71 seinem vierfach unglückseligen Gegner gerade das Sonnen-
bild ausliefern lässt« Mas'üdi (S. 362 f. bei Sprenger) führt
die Himjariten sogar bis nach Tübet, welches von der An-
siedelung (thsobbith) der Himjariten den Namen erhalten
habe: in alten Zeiten hätten die Eönige dieses Landes den
Titel Thobba' geführt, in Nachahmung des jemenischen
Eönigstitels , und erst nach dem Untergange der himjari-
tischen Sprache in jenen Gegenden seien sie Chäqän genannt
worden. Von Eroberungszügen jemenischer Eönige in das
innere Asien weiss ausser arabischen Historikern Niemand
zu berichten; sie müssen aus zwei Gründen als leere Fabeln
UND IHRE GESCHWISTER. 663
angesehen werden: 1) weil eine mächtige Dynastie in Jemen
ein natürliches Feld für ihre Eroberungen im He^az und in
den gegenüberliegenden Ländern von Afrika findet, nicht
aber in den Enphratländern oder gar in Iran: um diese
Länder zu erreichen, wäre ein Marsch quer durch das wüste
Arabien nothig; 2) weil die Erzählungen von jenen himja-
ritischen Eroberungen auf das Innigste mit der anerkannter-
massen ungeschichtlichen persischen Heldensage verwebt sind
und diese voraussetzen : was speciell die Eroberungen Königs
Shamir betrifft, so schreiben sich diese eingeständlich aus
der von falschem Patriotismus eingegebenen Identificirung
Shamirs mit dem koranischen Dsü'lqarnain her — eine Iden-
tificirung, welche die Uebertragung der Thaten Alexanders
auf den jemenischen König zur Folge hatte, die man durch
eine,, abgeschmackte Etymologie des Namens Samarkand und
die vermeintliche Identität des Titels der Könige von Tübet
und der himjaritischen Thobbas ^) zu stützen suchte. Augen-
scheinlich haben die Südaraber in Folge der steten zwischen
ihnen und den Nordarabern herrschenden Eifersucht diese
Eroberungszüge ihrer alten Könige erdichtet, um in diesen
ein den Ueberhebungen der Nordaraber gegenüber brauch-
bares Seitenstück zu den historischen Eroberungszügen der
Letzteren zu besitzen. In dem Gitate Mas'üdis aus dem Ge-
dichte des Di'bil ben'Ali el-Chozai ist dies bestimmt genug
angedeutet. Was hieraus für die Anthenticität der von diesen
jemenischen Fabeleien abhängigen Erzählung Qüthsämis folgt,
wird Jeder sich selbst sagen.
An einer von Chwolson, üeber Tammüz S. 51 f. mit-
getheilten Stelle der Nabatäischen Landwirthschaft wird er-
zählt, Nesrä, das Götterbild von Thehämah, habe bei der
1) Ganz auB der Luft gegriffen ist die Sache nicht: nach Deguignes,
Geschichte der Hannen V S. 208 (übersetzt von Dähnert) hiess bei dem
tübetanischen Volke der Si-Hia der herrschende Stamm Topa, und
dieser Name bedeutete in Tübet wahrscheinlich soviel als Typa, d. i.
Regent des Landes: die Topas der Si-Hia, deren Dynastie im Jahre
881 n. Ch. gestiftet ward, sind später unter dem Namen der Chäqäne
von Tangut bekannt.
664 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
Todtenklage aller Götter um Tammüz so geweint^ dass seit-
72 dem seine Augen in alle Ewigkeit thränten und flössen:
dieser Nesrä sei der Gott, der den Arabern die Wahrsage-
kunst eingegeben habe. Diese Notiz würde bei einem Er-
klärer der Stelle des Koran , wo Nesr unter anderen Götzen
der alten heidnischen Araber erwähnt wird (Sure 71 S. 505);
nicht auffallen, im Munde des vierzehn Jahrhunderte vor
Christi Geburt schreibenden Qüthsami nimmt sie sich sehr
wunderlich aus. Doch, wer sie verfasste, war ja ganz sicher,
keinen Anachronismus zu begehen: versetzt doch Muhammed
selbst an der angeführten Stelle den Gultus des Nesr in
Noahs Zeit!
Ghwolson betont femer die Nichterwähnung der Arsa-
kiden, der Seleukiden, ja selbst der Achämeniden. Dafür
giebt es eine sehr einfache Erklärung: jene drei Dynastien
sind der grossen Menge der Araber so gut wie unbekannt
geblieben. Von den Seleukiden wissen sie buchstäblich gar
nichts; die Geschichte der Aschganier, deren Existenz sie
aus persischen Quellen kennen lernten, besteht in einem
verstümmelten Namen verzeichniss, von den ganzen früheren
asiatischen Erinnerungen sind ihnen vier Namen geblieben,
welche im Chodai-Nämeh unmittelbar an den letzten der im
Zendavesta erwähnten Könige angeknüpft waren: Hom^
oder, wie sie in den älteren Quellen heisst, Chomäni, unter
welcher ich die Göttin von Komana vermuthe, da sie aus-
drücklich mit Samirän, der assyrischen Königsgöttin Semira*
mis, identificirt wird, ferner Därä der Grosse, nach den
spärlichen Nachrichten über ihn zu urtheilen Dareios, Sohn
des Hystaspes, endlich Därä der Kleine und Iskander,
die den späteren Orientalen aus dem Alexanderromane be-
kannt waren. Ein Nabatäer also, der unter arabischer
Herrschaft schrieb und seine Geistesproducte in die Zeit
bald nach Nimrod und Abraham versetzen wollte, erfreute
sich hinsichtlich der Vermeidung geschichtlicher Anachronis-
men eines Gefühles von Sicherheit, um das ihn ein griechischer
Fälscher beneidet haben würde.
Aber — macht Ghwolson S, 42 geltend — nirgends ist
UND IHRE GESCHWISTER. 665
Ton den grossartigen Wasserbauten Nebukadnezars die Rede^
was doch jedenfalls sehr auffallend wäre, wenn Qüthsämi
nach jenem Konige geschrieben hätte. Es giebt auch hier
die näher liegende Erklärung, dass der angebliche Qüthsämi
von jenen Werken Nebukadnezars nichts wusste: in der That
kennen die Araber ihren 6uchthna9r nur aus der Bibel, in
der Bibel aber steht nichts von seinen Canalanlagen. Wenn
endlich Babylon und Ninive in den von Ibn Wahshijjah ans
Licht gezogenen Schriften als bestehend vorausgesetzt sind,
so ist dies nichts Besonderes, es war durch die angenommene
Maske bedingt: die einstmalige Existenz der betreffenden
Städte war den Arabern durch die biblischen Nachrichten
bekannt genug.
XIX. 73
Der Widerspruch des Berossos.
Ein sehr bedenklicher Umstand ist es, dass zwischen
den nabatäischen Autoren und der zuverlässigsten und reich-
lichsten babylonischen Geschichtsquelle, den Auszügen des
Berossos, auch nicht die leiseste Berührung stattfindet und,
wo die Nachrichten beider sich vergleichen lassen, die Naba-
täer von Berossos fortwährend in eclatanter Weise Lügen
gestraft werden. Berossos erkennt keine kanaanäische Dy-
* nastie in Babylon an, er weiss von einem Aloros, aber nicht
von einem Adami, von einem Xisuthros, aber nicht von
einem Anühä; er weiss so gut wie die Genesis von einer
Sintfluth zu erzählen: und gerade diese Hebräern und Baby-
loniem gemeinsame altsemitische Erinnerung erkennt Qüth-
sämi nicht an. Berossos sieht die heiligen Schrifken des
Fischmenschen Oannes und seiner Nachfolger, der Annedoten,
als die Quelle der gesammten Wissenschaft der Ghaldäer an:
keine Spur davon bei Qüthsämi, der doch endlose Register
uralter babylonischer Literaten giebt.
Nach der Nabatäischen Landwirthschaft trat Dzaghriths
im siebenten Jahrtausend des 7000jährigen Satumcyclus auf,
Janbüshäd lebte am Ende desselben Jahrtausends, Qüthsämi
endlich schrieb nach Ablauf von 4000 Jahren des 7000jährigen
666 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTH8CHAFT
Sonnencyclus; für die Zwischenzeit zwischen den beiden erst-
genannten Weisen und Qüthsämi rechnet Ibn Wahshijjah die
Dauer von mehr als 18000 Jahren aus (S. 20): ohne Zweifel
richtig; da auch Qüthsämi den Janbüshäd ^^Jahrtausende'' vor
sein« Zeit setzt (S. 92). Folglich lagen zwischen dem Satum-
cyclus und dem Sonnencyclus zwei andere Cyklen, jeder zu
ebenfalls 7000 Jahren; und es lässt sich mit Sicherheit
schliessen, dass nach nabataischer Theorie der ganze Welt-
lauf aus sieben 7000jährigen Cyklen bestehen sollte , die
nach den sieben Planeten benannt waren und diejenige
Ordnung derselben einhielten , die wir als die der Aegypter
und als die des Ptolemäischen Systemes kennen , dieselbe,
nach welcher Dimeshqi und Shahrasthäni die sabischen
Tempel- aufzählen (vgl. die Nachweisungen bei Ghwolson^
üeber Tammüz S. 51): nämlich Saturn, Jupiter, Mars,
Sonne, Venus, Mercur, Mond. An einer anderen Stelle
der Nabatäischen Landwirthschaft dagegen, wo die Todten-
klage der Götter um Thammüz erzählt wird (Ghwolson
a. a. 0.), ist die Ordnung der Planeten die uns geläufige,
romische: Sonne, Mond, Mars, Mercur, Jupiter, Venus, Saturn.
Ghwolson findet diese Uebereinstimmung bemerkenswerth;
ich finde es viel bemerkenswerther , dass sonach ein und
dasselbe Volk zwei ganz verschiedene Planetenordnungen
nebeneinander gehabt haben soll: wie gesagt, ein Lügner
muss ein gutes Gedächtniss haben! Die planetarischen Zeit-
74 bestimmungen bei Qüthsämi setzen voraus, dass fOr gewohn-
lich nach den einzelnen Jahrtausenden der Gyklen gerechnet
worden sei. Dieses chronologische System ist mit der aus
Berossos bekannten Rechnung nach Saren, Neren und Sos-
sen, die auf der Vervielfältigung der Grundzahlen 6 und 10
beruht, nicht weniger unvereinbar wie mit der Parallelstelle
Qüthsämis; beide Zeitmessungen können nicht nebeneinander
bestanden haben, und welche die echt babylonische ist, dar-
über kann nicht wohl ein Zweifel obwalten: der Sossos ist
in mehrfacher Hinsicht als ein sehr altes Zeitmass sicher-
gestellt, die Planetencyklen dagegen sind mit der sieben-
tägigen Woche eng verbunden, die zwar altsemitisch ist^
UND IHRE GESCHWISTER. 667
aber erst durch die Astrologie der Kaiserzeit grössere
Wichtigkeit erlaogt hat. Die ausschweifenden Zahlen der
Nabatäischen Landwirthschaft weisen auf eine Zeit hin, wo
sich zwar noch dunkele Erinnerungen an das fabelhafte
Alter des chaldäischen Schriftthums erhalten hatten, die
echte chaldäische Zeitrechnung aber langst ausser Gebrauch
gekommen und der Vergessenheit anheimgefallen war.
Chwolson spricht sich einmal (S. 72) dahin aus, es sei
einerseits nicht ausgemacht^ dass Alexander Polyhistor seine
Auszüge unmittelbar aus Berossos gemacht habe; dann sei
es andererseits ebensowenig erwiesen , dass Eusebios seine
Mittheilung unmittelbar aus Alexander Polyhistor geschöpft
hat: die Fragmente des Berossos bei Eusebios und Synkellos
befanden sich überhaupt in einem trostlosen Zustande; dabei
wisse man nicht immer recht die Worte des Alexander Poly-
histor Yon denen des Eusebios zu unterscheiden. Doch will
Chwolson S. 69 den Angaben des Berossos im Ganzen volles
Vertrauen schenken, namentlich in den Fällen, wo wir keine
Ursache hätten anzunehmen, dass Eusebios die Angaben
desselben aus bekannten Gründen willkürlich geändert und
modificirt habe. Das heisst doch ziemlich unumwunden
gesagt: „ich will den Berossos überall da gelten lassen, wo
er mir nicht im Wege ist!" Dass Eusebios Polyhistors
Bücher noch vor sich hatte, geht daraus hervor, dass er
einen sehr grossen Theil seines Werkes über die Juden in
seine Praeparatio evangelica aufgenommen hat; die Annahme,
dass Polyhistor den Berossos nicht unmittelbar benutzt haben
soll, ist ebenso bodenlos, wie die beliebte Insinuation, Eusebios
habe die Auszüge aus Polyhistor vermischt. Im Uebrigen
hätte Chwolson besser gethan zu sagen: „ich weiss die
Worte Beider nicht zu unterscheiden''; bei der dem Eusebios
eigenen Sauberkeit und Klarheit kann selbst der oberfläch-
liche Betrachter nie ernstlich im Zweifel sein, ob er oder
sein Gewährsmann spricht; auch wüsste ich nicht, dass irgend
einer von denen, die sich mit den Berossischen Auszügen
bisher beschäftigt haben, dergleichen Skrupel empfunden
hätte. Darum weg mit diesen Ausflüchten!
668 DIE NABATAEISCHE LANDWIETHSCHAPT
76 XX.
Das Fehlen aller Berührungspunkte mit echten
Quellen.
Gesetzt aber selbst, die argen Dementis Seitens des
Berossos Hessen sich bestreiten, so müsste ein echtes alt-
babylonisches Schriftthum doch irgend einmal von andern
authentischen Quellen über den alten Orient; wie dem alten
Testament oder Herodot, bestätigt werden, es müsste doch
irgend einmal etwas enthalten, wodurch Andeutungen jener
Urkunden erläutert, in ein helleres Licht gesetzt würden,
wie dies durch Erschliessung neuer Quellen über das alte
Asien, z. B. der persischen Eeilinschriften, ja selbst durch
das Bekanntwerden einzelner älterer, treuherzig was sie
wussten wiedergebender, arabischer Autoren, z. B. des
Mas'üdi'), immer im ausgedehntesten Masse der Fall ist.
Hiervon findet sich aber trotz der emphatischen Betheue-
rungen Chwolsons über die unabsehbaren Aufschlüsse, welche
jene Schriften enthalten sollen, in den zahlreichen von ihm
mitgetheilten Proben nicht die leiseste Spur. Bei Strab.
XVI, 1, 6 p. 739; Plin. N. H. XXX, 1, 2 § 5 ist uns eine
Reihe alter babylonischer Astrologen und Zauberer erhalten:
keiner kommt in der Nabatäischen Landwirthschaft und den
verwandten Schriften vor. Wir kemien eine stattliche Menge
babylonischer Eigennamen, die im Romane des Jamblichos
vorkommen und von denen wenigstens ein Theil gewiss echt
babylonisch ist: nirgends auch nur der geringste Anklang
an die Namen, die bei Qüthsämi auftreten! Wir kennen
zwar von den ältesten babylonischen Königen nur etwa f&nf
1) Ich beziehe mich hier aaf die beiden Capitel des Morüg el-
dgahah über Assyrien nnd Babylonien, deren Mittheilnng ich der Qfite
meines Freandes Dr. Krebl verdanke. Das erste bringt die Frage nach
den Quellen des Moses von Cborene in ein ganz neues Stadium, das
zweite enthält eine Liste von 52 (nicht, wie Chwolson, Die Ssabier II
S. 621 angiebt, 42) babylonischen Königen, durch welche allein eine
sichere Herstellung der echten Eönigsliste des Ktesias mOglich ge-
macht wird.
UND IHRE GESCHWISTER. 669
Nameii; die spateren aber in seltener Yollständigkeit; man
sollte doch denken ^ bei der Stabilität^ die gerade in Namen
herrscht^ müssten sich einzelne Bestandtheile der echten
Eonigsnameu aach bei den alten in der Nabatäischen Land-
wirthschaft Yorkomme^den Eonigen wiederfinden lassen: ver-
gebliche Hoffnung! sie tragen eine total verschiedene Phy-
siognomie. Unsere Zeit hat den Beweis in der Hand^ dass
die Keilschrift zu öffentlichen Zwecken und zum Privat-
gebrauche noch bis in die Diadochenzeit hinein bei den
Babyloniern in allgemeinem Gebrauche blieb: gerade diese
Schrift kennt Ibn Wahshijjah nicht^ der erstaunlich gelehrte
Mann, der uns ein ganzes Dutzend babylonischer vorsint-
flnthlicher; Hermetischer und anderer rarer Alphabete zum
Besten gegeben hat Wir kennen die Hauptgötter Belos
und Mylitta, kennen den Beltempel, kennen das Sakäenfest^ 76
lauter im Alterthume berühmte Dinge, die in einem echten
babylonischen Werke des Inhalts wie die Nabatäische Land-
wirthschaft nothwendig erwähnt werden mussten: von alle-
dem nicht die leiseste Spur! Die Eärglichkeit und ünbe*
deutendheit der classischen Nachrichten über den Orient, die
Chwolson mit Vorliebe ausmalt und gelegentlich stark über-
treibt (z. B. S. 171), kann nicht daran Schuld sein: woher
kämen denn dann die ununterbrochenen Berührungen der
Nachrichten Qüthsämis und Consorten mit den spätesten, für
Eenntniss des alten Babyloniens doch noch viel weniger
bietenden Quellen, wie dem Eoran, der rabbinischen Tradi-
tion, den Neuplatonikern und byzantinischen Chronographien
der schlechtesten Sorte? —
XXL
Pharao Sephuris als Entlastungszeuge.
Doch Chwolson glaubt in der That eine Stelle ausfindig
gemacht zu haben, durch die, wie er sich ausdrückt, Mane-
thos' Eönigslisten bedeutend an Authenticität gewinnen.
S. 104 ff. wird nämlich die Behauptung des Dzaghriths, der
Bau des Enoblauchs habe in Babylonien zur Zeit des Eönigs
670 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAPT
Qerü9äi (oder Qerü9äDi) begonnen ^ von Qütlisämi mit der
Thatsache widerlegt, dass der ägyptische König Seqöbäs
nacli Babylonien gesendet habe, um sich von hier den zacki-
gen Knoblauch zu holen und ihn in Aegypten zu bauen;
diese Sendung aber habe zur Zeit des Königs Tibäthäbä^)
stattgefunden, der gegen 900 Jahre oder noch mehr vor
QerÜ9äi regiert habe.
Da nun kein Pharao Seqobäs vorkommt, so zieht Chwol-
son die Lesart einer weniger guten Handschrift, Sef&ras,
vor, und diesen Sefüräs hat Bunsen mit dem Manethonischen
St^tpovQLg identificirt, dem achten Könige der dritten Dynastie.
Derselbe regierte nach Bunsen von 3272—3254, nach Lepsius
von 3180-3150, nach Brugsch von 3742—3712. Nun stellt
auch Chwolson es als das Resultat seiner lediglich vom
Standpunkte der babylonischen Geschichte aus gemachten
Berechnungen hin, dass Tibäthäba und sein ägyptischer Zeit-
genosse um 3200 gelebt hätten. Man höre, wie er zu diesem
Resultate gelangt ist. Qüthsämi lebte spätesten^ am Anfange
des dreizehnten Jahrhunderts v. Gh.; Janbüshäd lebte 18,000
Jahre, also wenigstens 300—400 Jahre, vor Qüthsämi, und
Dzaghriths mehrere Jahrhunderte, also wenigstens 200 Jahre,
77 vor Janbüshäd: Dzaghriths lebte also spätestens 1800—1900
V. Ch. Ferner sei der Irrthum des Dzaghriths hinsichtlich
einer so gewöhnlichen Pflanze wie des Knoblauchs nur dann
möglich, wenn jener König Qerüfäi, unter welchen er die
Einführung desselben in Babylonien setzte, sehr lange, d. h.
wenigstens gegen 300—400 Jahre, vor ihm gelebt habe;
dieser König lebte also spätestens 2100—2300 v. Ch. „Da
aber um 2100 die medische Dynastie in Babylonien regierte,
Qerü9äni dagegen, so wie auch sein Nachfolger Schemüt'ä
offenbar semitische Könige waren, so muss er wenigstens
1) Dies ist wenigstens die überlieferte Panctation , fOr deren
Richtigkeit der ähnliche nabatäische Name Bürätabä (S. 8) spricht.
Benü Tabäthabä ist der Name eines Zweiges der Aliden, von denen
Jahjä al-Hädi genau zu der Zeit, als Ibn Wahshijjah schrieb, im Jahre
901, ein Reich im sQdlichen Arabien gründete. Chwolson schreibt
Tlb&t&nfi.
UND IHRE GESCHWISTEß. 671
einer der letzten 86 Eonige der ersten einheimischen
Dynastie des Berossos gewesen sein; er lebte also demnach
spätestens gegen die Mitte des 23. Jahrhunderts y. Gh/^
(S. 107). Da femer Tibäthäbä und dessen Zeitgenosse Se-
qöbäs gegen 900 Jahre vor Qerü^äi lebten, so müsse für
dieselben ungefähr das Datum 3200 angenommen werden.
So werde durch diese Nachricht das hohe Alter der ägypti-
schen sowohl als der babylonischen Geschichte glänzend be-
stätigt; ebenso wichtig sei sie für die Zeitbestimmungen
nach unten. ^^Wenn nämlich Thibätänä — sagt Ghwolson
S. 111 — nach Bunsens und meinen Berechnungen in der
zweiten Hälfte des 33. oder in der ersten Hälfte des 32. Jahr-
hunderts lebte, so nehmen die beiden semitischen Eonige
der ersten chaldäischen Dynastie QerÜ9äni und dessen Nach-
folger Schemüt'ä; welche 900 Jahre später regiert haben, die
zweite Hälfte des 24. oder die erste Hälfte des 23. Jahr-
hunderts für sich in Anspruch; folglich kann der Anfang
der medischen Dynastie nicht vor dem 23. Jahrhundert ge-
setzt werden. Dadurch wird die Annahme Bunsens, sowie
auch die meinige bestätigt, nach der der Anfang der medi-
schen Dynastie in die zweite Hälfte des 23. Jahrhunderts
zu setzen ist, dagegen erweist sich die Annahme der Herren
A. y. Gutscbmid, Brandis und Anderer, welche den Anfang
jener Dynastie bis auf 2458 oder 2447 hinaufrücken, als
unrichtig; denn nach dieser Angabe müsste man QerÜ9äni
entweder in die erste Hälfte des 25. oder in die des 22. und
Thibätänä entweder in die erste Hälfte des 34 oder in die
des 31. Jahrhunderts setzen; in beiden Fällen aber konnte
Letzterer nach Bunsens und Lepsius' Berechnungen nicht mit
Sephuris gleichzeitig sein.^' Hier hat Ghwolson ganz yer-
gessen, dass er seinen Ansatz erst durch Berücksichtigung
des Umstandes, dass um 2100 die Meder in Babylon ge-
herrscht haben sollen, gewonnen hatte: yier Seiten weiter
wird der so gewonnene Ansatz bereits als Argument dafür
geltend gemacht, dass seine Zeitbestimmung der Mederherr-
schaft die richtige sei. Ghwolson kann sich nicht einmal
damit ausreden, dass er sich nur unklar ausgedrückt und
672 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAPT
die Richtigkeit seiner^ die Unrichtigkeit meiner babylonischen
Zeitrechnung lediglich aus dem von den beiden Aegypto-
logen für Sephuris angegebenen Datum habe nachweisen
wollen; denn er spricht sich überall in seinem Buche mit
78grösster Entschiedenheit, mitunter selbst SchroflPheit^ gegen
die Chronologie der Aegyptologen aus (namentlich S. 71.
183 fif.) und verwirft sie in den wesentlichsten Punkten, rückt
z. B. mit Biot Tutmes lU. und somit die ganze achtzehnte
Dynastie um 150 Jahre herunter. Und hier erklart Chwol-
son plötzlich eine Bestimmung der Aegyptologen aus der
ältesten Zeit für die Richtschnur der babylonischen Chrono-
logiC; gleich als hätten jene Männer das Gebäude ihrer Zeiir
rechnung von oben zu bauen angefangen. Welche Kette
von Widersprüchen! —
Hält man sich an die einzige bestimmte Angabe, die
uns aus der Periode der ägyptischen Geschichte, welcher
König Sephuris angehört, überliefert ist^ an die Diodorische,
dass der Erbauer der ersten Pyramide, des Sephuris dritter
Nachfolger, 3400 Jahre vor seiner Zeit (60 v. Ch.) gelebt
habe, so ergeben sich als ungefähre Zeit des Sephuris die
Jahre 3545^3515 v. Ch., und der 900 Jahre spätere QerÜ9äi
fiele demnach gegen 2630, somit 180 Jahre vor dem Jahre
2448y welches nicht nach einer Hypothese von mir und
Brandis, sondern nach bestimmter Ueberlieferung bei Berossös
(s. meine Beiträge S. 18) als das Anfangsjahr der Meder
anzusehen ist. Ich verwahre mich gegen den Verdacht, als
dächte ich ernstlich daran, jene apokryphen Angaben und
ihre völlig willkürliche Auslegung durch Chwolson zur Er-
gänzung der beglaubigten Geschichte zu benutzen: doch
musste ich hierauf eingehen, damit man mir nicht vorwerfen
kann, ich erklärte die nabatäischen Schriften deshalb für
einen Betrug, weil durch sie Hypothesen von mir umge-
stürzt würden.
Es giebt nichts Subjectiveres und darum Verwerflicheres
als Reductionen fabelhafter Jahresangaben; wer sie aber
unternimmt, muss sich wenigstens gleich bleiben und nicht
das eine Mal „mehrere Jahrhunderte'^ in „200 Jahre'', das
UND IHRE GESCHWISTER. 673
andere Mal „18,000 Jahre" in. „300—400 Jahre" verwandeln.
Es ist lächerlich, von Uebereinstimmung zu reden, wenn ein
Eonig^ den ägyptische Quellen um 3530 v. Gh. setzen, nach naba-
täischen 900 Jahre + ^ + mehrere Jahrhunderte + 18,000
Jahre + c. 1850, also etwa 21,650 Jahre vor Christi Gfcburt
regiert. Und noch obendrein ist die Aehnlichkeit zwischen
SefClräs und 2}^q)ovQis nichts weniger als gross; die Gründe
aber, mit welchen Chwolson sich zu beweisen bemüht, dass
zwar aus dem ^Lyu^ der schlechten Handschrift das ^b^ju^
der guten habe entstehen können, nicht aber umgedreht,
haben genau denselben Werth wie die, mit denen auch in
der classischen Philologie unmethodische Herausgeber oft
die schlechtere Ueberlieferung in Schutz genommen haben.
Seqobäs ist UxoTtagy so genau wiedergegeben, wie es im
Arabischen nur irgend möglich ist^ dieser gut griechische
Name schickt sich freilich für einen uralten Pharao schlecht
genug :^ aber bei einem Manne, der Asklepiades für babylo-
nisch erklärt, kann uns ein solcher Anachronismus nicht 79
eben in Verwunderung setzen. Hiernach sieht es um das
gute Leumundszeugniss, das Manethos dem Qüthsämi aus-
stellen sollte, sehr misslich aus.
xxn.
Das genethlialogische Buch des Thenkelöshä.
Die Acten wären beisammen; ehe wir nach ihnen über
Qüthsämi, Jarbüqä und Adami das Urtheil sprechen, müssen
wir das Buch des Babyloniers Thenkelöshä aus Qüqä unter-
suchen, welches den Titel führt „Ueber die Bilder der Grade
der Sphären und über das, was sie hinsichtlich der Umstände
der in denselben Geborenen anzeigen^^
§1.
Chwolsons Zeitbestimmung für Thenkelöshä.
Chwolson setzt das Buch spätestens in das erste Jahr-
hundert n. Gh. (S. 136): 1) weil darin ein geköpfter König
Richänä erwähnt wird, der in Abhängigkeit von den Persem
Y. GuTBOHMiD , Eleioe Schriften. II. 43
674 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
in Babylon regiert habe: er gehöre wahrscheinlich der Zeit
der Arsakiden an, unter deren Oberhoheit in Mesopotamien
verschiedene kleinere Eonige regiert hätten, während es in
der Sasanidenzeit, allen historischen Indicien zufolge, in
Babjlonien keine selbständigen Könige gegeben habe, die
Perser vielmehr damals dieses Land unmittelbar, d. L durch
ihre Satrapen, regiert hätten; 2) weil Babylon bei Thenke-
löshä als noch bestehend oder doch vor sehr kurzer Zeit
noch bestanden habend vorausgesetzt wird: Babylon aber,
welches schon um 130 v. Ch. der parthische Satrap Himeros
gründlich ruinirt hatte (S. 36), sei im ersten Jahrhundert
n. Gh. bereits ganz verödet gewesen.
Diese Gründe sind nichts weniger als stichhaltig. Erstens
konnte das skythische Volk der Parther nimmermehr von
einem Zeil^enossen als Perser bezeichnet werden: selbst
unter den femer stehenden Griechen und Römern werfen
erst diejenigen Schriftsteller beide Namen durcheinander, die
längere Zeit nach dem Untergange des Arsakidenreiches
schreiben; man müsste also wenigstens eine Modernisirung
des Ibn Wahshijjah annehmen. Zweitens wissen wir aus
Athen. XII p. 513, dass Babylon die Winterresidenz der
parthischen Könige war: es kann folglich unter diesen so
wenig wie zur Zeit der Achämeniden unter einem eigenen
Könige gestanden haben; und in der That findet sich bei
den Classikern nirgends die leiseste Spur von Königen von
Babylon zur Arsakidenzeit: wenn je ein argumentum a silentio
Gewicht hat, so ist es hier der Fall, da doch die Könige
der viel unbedeutenderen, den Griechen und Römern ferner
liegenden Provinzen Gharakene' und Persis sehr häufig erwähnt
werden. Ghwolson beruft sich dafür auf eine Gapitelüber-
80 Schrift der türkischen Uebersetzung von Belämis persischem
Auszuge aus Tabari (s. Zeitschr. d. d. M. G. II S. 163), welche
lautet: „Nachrichten von den arabischen Königen von ^Iräq
und Babel aus den Benü Isma'il und den Benü Ma'add ben
*Adnän in der Zeit zwischen Alexander und Ardeshir'^; allein
damit sind die Könige von Hirah gemeint, und dass diese
Babel gehabt haben sollten, wird sonst nirgends überliefert.
UND IHRE GESCHWISTER. 675
Die interessante Erzählung des Hamzah Buch VI S. 97 von
dem Kriege Ardeshirs mit den beiden Nabatäerkönigen Ar-
dawän Ton ^Iräq und Babä dem Aramäer spielt zwar in
Iräq, aber nach Babylon weist nichts hin: Bäba ist ohne
Zweifel der in jüdischen Quellen als Zerstörer von Nahardea
Yorkommende Papa ben Nazar, welcher der Palmyrenischen
Dynastie angehört, wahrscheinlich sogar mit Odenathos iden-
tisch ist, den Ardawän aber würde man, sollte er in der
That vom letzten Arsakiden verschieden sein, am ersten in
Charakene zu suchen haben. Mit mehr Recht hätte Chwol-
son sich auf den von Moses von Chorene II, 30, 16flF. (p. 140
ed. Whiston) mitgetheilten Brief des Königs Abgar berufen
können, in welchem dieser den Knaben Nerseh, König von
Assyrien, der zu Babylon residirte, einen Sohn des Parther-
königs Artashis IL, auf den Apostel Simon (Petrus) ver-
tröstet: der Name Nerseh ist nämlich nicht fingirt, sondern
kommt wirklich um diese Zeit in dem Aschganierverzeich-
nisse des Chodäi-Nämeh vor*); allein, um von dem sonstigen
apokryphen Charakter des Briefes ganz abzusehen, wurde
die Angabe lediglich zeigen, dass der Partherkönig einmal
seinem Thronfolger Babylon als Apanage gegeben hat, ähn-
lich wie zweimal Grossmedien mit Ekbatana zur Abfindung
von Prätendenten benutzt worden ist, würde somit gerade
gegen die Existenz eines besonderen Yasalleureiches in
Babylon beweisen. Drittens ist allerdings das Streben der
Sasanidenkönige nach einer strengeren Centralisation des
Reichs durch Einziehung der Yasallenreiche deutlich genug,
auch bestimmt bezeugt; dass aber die Praxis der Theorie
nicht immer entsprochen hat, lehrt die durch Münzen be-
zeugte Existenz von Nebenlinien in Kabulistan, ferner das
Fortbestehen nicht bloss des dem Arsakidenstamme verblie-
benen Armeniens, sondern auch, was noch bedeutsamer ist,
des kleinen ehedem von den Parthern abhängigen Reiches
Adiabene: Artashir, König von Hadjab, wird unter den
Jahren 348 und 380 n. Ch. in den sehr zuverlässigen Acta
martyrum Syriae auct. Marutha I p. 99. 153 (ed. Assemani)
*) [Vgl. oben 8. 366 f. 871 f. F. R.]
43*
676 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAPT
als Christenverfolger erwähnt. Und von den kleinen Eonigen
von ühorasän heisst es bei Mas'üdi (8. 403 bei Sprenger)
ausdrücklich^ Ardeshir I. habe jedem seinen Rang angewiesen
und die Grenzen ihrer Gebiete geregelt — eine Nachricht,
deren Richtigkeit durch Andeutungen bei Moses von Chorene
bestätigt wird. Endlich bezeugen zwei Angaben, die jede
für sich geringe Autorität, vereint aber ein respectables Ge-
81 wicht haben, nämlich der Brief des Eadusierkonigs Velenus
(bei Trebellius PoUio, Valerian. 5) und Chondemir (bei Dom,
Die Geschichte Tabaristans S. 68), das Fortbestehen eigener
Dynastien in den Uferländern des kaspischen Meeres unter
Oberhoheit der Sasaniden. Da nun Babylon unter den Sa*
saniden den Rang einer Residenz an Madäin hatte fiber-
lassen müssen, so wäre unter ihnen die Existenz eines eige-
nen von Persien abhängigen Königs in Babylon wo nicht
wahrscheinlicher als unter den Arsakiden, doch auch nicht
unwahrscheinlicher. Viertens ist es falsch, dass Babylon
im ersten Jahrhundert n. Ch. nicht mehr ezistirt haben soll.
Es wird noch zur Zeit Trajans von Cass. Dio LXYIII, 30
erwähnt, zwar als sehr verfallen, doch nicht in dem Masse,
dass nicht Trajan daselbst im Jahre 116 sein Hauptquartier
hätte aufschlagen und in dem Hause, wo Alexander der Grosse
gestorben war, ein Todtenopfer hätte bringen können. Die
Notiz des Photios über Jamblichos (zu cod. 94 p. 73 ed. Bekk.)
bestätigt dies nicht nur, sondern lehrt auch, dass die Baby-
lonier noch in der Mitte des zweiten Jahrhunderts n. Ch. im
Besitz einer eigenen Märchenliteratur waren.
§2.
Thenkelöshä ist ein entstellter griechischer Name.
Somit beruht an sich die Zeitbestimmung Ohwolsons
auf einer nichts weniger als soliden Basis; ein Umstand
jedoch, der ihm zwar entgangen, yon Ewald aber richtig
hervorgehoben worden ist, dass nämlich Thenkelöshä YoUig
das Gepräge eines entstellten griechischen Namens trägt,
würde hinsichtlich der Zeit etwa auf dasselbe Resultat führen.
Nach den Erfahrungen, die wir über die Art und Weise ge-
UND IHRE GESCHWISTER. 677
macht haben^ wie fremde Eigennamen nabataisirt werden,
müssten wir als Urbild des Thenkelöshä einen Thenkeldsh
voraussetzen : und richtig kommt ein Astrolog dieses Namens
in mehreren Nachrichten der Muhammedaner vor, die Chwolson
sorgfaltig zusammengestellt und als unabhängig von den
durch Ihn Wahshijjah erschlossenen Quellen nachgewiesen
hat. 1) Im Thärich el-Hukamä des Vezirs el-Qifti bei Chwolson
S. 132 (vgl. Fihristh el- ulüm in der Ztschr. d. d. M. G. XIII
S. 628) heisst es, Thinkelosh, weniger richtig Thenkelöshä
genannt, sei einer der sieben Weisen, denen Dzohhäk die
sieben, den sieben Planeten geweihten Tempel übergeben
hätte; er sei einer der Weisen Babels gewesen und habe ein
Buch verfasst, betitelt das Buch der Physiognomien und
der Horoskopien, welches* Werk bekannt und verbreitet
sei. 2) Die Angaben des persischen Wörterbuchs Borhän-i-
Qätr (bei Chwolson S. 146) lassen sich nach Abzug alberner
Etymologien aus dem Neupersischen auf Folgendes reduciren:
Thengelösh oder Thengelöshä sei nach den Einen der Name
eines Gemäldebuches von einem griechischen Weisen, der
ein ausgezeichneter Maler war; Andere dagegen behaupteten,
es sei der Name eines babylonischen Weisen, welcher82
Kenner der Lehren von natürlicher Magie, der Alchymie und
dem Steine der Weisen und zugleich in der Kunst der Malerei
ein zweiter Man! war. 3) Hä^ Chalfah sagt (nach der mir
sehr wahrscheinlichen Erklärung Chwolsons S. 133): Kanz-
el-asrär, ein Buch des Hermes der Hermesse, welches Thenke-
löshä el- Babel! mit einem vortrefflichen Commentare ver-
sehen hai Man sieht hieraus, dass bei den Orientalen ein
Grieche oder Babylonier Thenkelösh ein gefeierter Name war,
dem mancherlei Werke astrologischen Inhalts zugeschrieben
wurden.
Das griechische Urbild dieses Thenkelösh glaubte Sal-
masius (De annis climactericis, praef. fol. c. 3^) in dem aus
griechischen Quellen kekannten Babylonier TsvxQog wieder-
gefunden zu haben ^), und Ewald in den Gottinger gelehrten
1) Er kannte das Buch des Thenkelöshä aas dem Astronomen
Nfi^ir eddin et -Tust.
678 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
Anzeigen 1859 S. 1141 hat dies gebilligt. Dieser Identi-
ficirung steht aber^ abgesehen davon, dass griechisches T
sonst nicht durch v::; ausgedrückt zu werden pflegt , das
ernsthafte Bedenken entgegen , dass eine andere von den
Arabern genannte Persönlichkeit viel gegründetere An«
Sprüche hat, für Teukros den Babylonier gehalten zu
werden. Nämlich im Fihristh el-'ulüm (bei Flügel in der
Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft XIII
S. 628) wird unter den Astronomen aufgeführt Tinqerüs
(j^j^Lut) der Babylonier, Oberaufseber über den Tempel
des Mars, einer der sieben mit der Oberaufsicht der Tempel
betrauten Weisen, schrieb ein „Buch der Nativitäten
nach den Bildern {jtQoöama) und den Graden^'. Un-
mittelbar vor diesem Tinqerüs war Thinkelüs der Babylonier
als einer der sieben Tempelhüter namhaft gemacht und von
ihm dasselbe berichtet worden wie im Thärich el-Hukama.
Nun wäre es allerdings nicht undenkbar, dass Thinkelüs
lediglich eine weitere Verderbung von Tinqerüs wäre und
aus ihm nur, um die Siebenzahl der Tempelhüter voll zu
machen, zwei verschiedene Personen gemacht worden wären
— und um nichts zu versäumen, was möglicherweise zur
Aufhellung der Frage über den Ursprung des Buches „über
die Bilder der Grade der Sphären" beitragen könnte, werde
ich in einem Excurs die Nachweisungen, die sich über Teukros
den Babylonier erhalten haben, vollständiger als dies bei
Müller, Fragm. bist. Graec. IV p. 508 geschehen ist, mit-
theilen. Allein es giebt nicht weniger als drei griechische
Eigennamen, die dem Thinkelüs ganz nahe kommen, QsdyyeXog^
&ioxlog^ &sv7c6Xog, und darunter ist der mittelste sehr häufig,
der zuletzt genannte aber, der auch als Amtsname vorkommt
und „Götterverehrer, Priester" bedeutet, würde als Appella-
tivum eine gaiiz passende Benennung für einen chaldäischen
Himmelskundigen und Tempelhüter sein. Dadurch wird die
83 Wahrscheinlichkeit, dass es vielmehr Verstümmelung eines
ferner liegenden Eigennamens sein sollte, beträchtlich ver-
ringert, und es liegt wenigstens ebenso nahe, in Thinkelüs,
dem Urbilde des Thenkeloshä, einen anderen obscuren helle-
UND fflRE GESCHWISTER. 679
nistischen Chaldäer zu sehen, der in griechischer Sprache
Astrologisches verfasste.
Ist nun, fragen wir, das angeblich von Ihn Wahshijjah
aus dem Nabatäischen übersetzte genethlialogische Werk des
Thenkeloshä so beschaffen , dass es, wie Chwolson will, im
ersten Jahrhundert n. Ch. verfasst, demnach wirklich aus
einem griechischen Originale, möge dessen Verfasser nun
Teukros oder ein unbekannter Theukolos gewesen sein, ab-
geleitet sein kann?
§3.
Thenkeloshäs Gewährsmänner..
Unter seinen Quellen nennt Thenkeloshä S. 144 einen
j|j^-«.^i=vJI LoU5>jj, in welchem Ewald ([Göttinger gelehrte
Anzeigen] 1859 S. 1139) mit überzeugendem Scharfsinn
aramäische Bildung der Worte „der Brahmane^' erkannt hai
Eine ähnliche Figur, Brahmiüs, kommt in einer anderen Schrift
Ibn Wahshijjahs (Ancient alphabets p. 74) als ägyptischer
König und Erfinder eines Alphabets vor, welches von den
Zauberern und Pharaonen Aegyptens gebraucht wurde imd
von ihnen zu den Weisen Indiens und Chinas überging.
Das Beiwort soll nach Chwolson einen Einwohner der Stadt
Chosrawaijah am Tigris bedeuten; allein man sieht nicht ein,
wie ein Brahmane dorthin gerathen sein sollte. Die nächst-
liegende Bedeutung jenes Beinamens ist, wie mich Herr
Professor Fleischer belehrte, „der Chosro'ische", was hier nur
in der nietaphorischen Bedeutung „der Herrliche*' einen Sinn
hätte; ich glaube aber nicht, dass Ibn Wahshijjah seinem
Thenkeloshä einen solchen Ausdruck in den Mund gelegt
haben wird. Wahrscheinlich ist anders zu vocalisiren. Bei
Abü'lfarag, Chron. Syr. p. 11 ist der Parther Khesarvanüs
(p. 10 Besärvanüs, sehr. Khesarvanüs) der vierte König von
Babylon, welcher das Schriftthum und die Weisheit der
Chaldäer den Aegyptern mittheilt: Parther steht nach einem
barbarischen Sprachgebrauche, der sich z. B. bei Malala imd
Jordanes findet, für Perser. Der Name des Königs muss im
680 DIE NABATAEISCHE LANDWIETHSCHAFT
griechischea Originale S^cQovavog gelautet haben, das ist mit
einem häufig vorkommenden Lautwechsel, fQr welchen gleich
der Name des nächsten Königs Arphäzad für ^Jgtpa^aS einen
Beleg giebt, Zarwan, die (ursachlose) Zeit, das oberste Princip
des späteren Magismus, der Vater der Gotter (des Ormuzd
und des Ahriman), ein Wesen, welches von Moses von Cho-
rene I, 5, 6 p. 16 (ed. Whiston) geradezu mit Zradasht dem
Magier identificirt wird«*) Brahmänijä el-Chesarwäni bedeutet
also den Brahmanischen, von Chesarwän Entsprossenen und
84 ist eine fingirte Persönlichkeit, in deren Namen die Ver-
einigung Brahmanischer und Zoroastrischer Weisheit aus-
gedrückt ist. Beide wurden durch einen ziemlich alten Syn-
kretismus aus gemeinsamer Quelle abgeleitet; bei Ammian.
XXni, 6, 33 studiert Hystaspes in Indien die Weisheit der
Brahmanen und theilt sie den Magiern mit; der als Urheber
apokrypher Orakel gefeierte Mederkonig „Hystaspes, von dem
der Fluss Hydaspes den Namen hat" (Lact Div. inst VII, 15),
wird von Mas'üdi, wie ich aus Chwolson, Die Ssabier I
S. 207 ff. lerne, aus Indien hergeleitet, von wo er den Stern-
dienst nach Persien gebracht habe.^)
Was den zweiten Gewährsmann des Thenkeloshä,
» » .-^ -- cS
y^jJj^Lk^.l, betrifft, so giebt sich Chwolson S. 144 f. ver-
gebliche Mühe, die überlieferte Lesung Arsatajülüs zu retten,
polemisirt dann umständlich gegen die Vermuthung — auf
die nicht leicht Jemand kommen dürfte — , dass Aristoteles
gemeint sei, sieht sich aber doch zum Schluss zu dem 6e-
ständniss gezwungen, dass man, wollte man durchaus an-
nehmen, dass darin ein griechischer Name steckte, eher an
^j4QL0t6ßovlog als an 'jig^ötoviXijg denken konnte. Es bedarf
*) [Vgl oben S. 870. F. R.]
1) loh zweifle nämlich nicht, dass der dort erwähnte Büdäsp
nrsprüDglich kein Anderer als Hydaspes oder Hystaspes, und erst
später wegen der Namensähnlichkeit mit Buddha vermengt worden
ist. Die Namen sind vollkommen identisch: auch Hystaspes heisst
bei deDJeoigen Arabern, deren Nachrichten auf PehlewiqueUen zurück-
gehen, z. B. Abü'lfedä, nicht Eishthäsh, sondern Bushthfisf.
UND IHRE GESCHWISTEE. 681
keines Beweises^ dass Aristäbülüs zu lesen nnd dass damit
ein sonst unbekannter griechischer Astrolog gemeint ist.
§4.
Die Griechen.
Aus dem Vorkommen von Griechen bei Thenkeloshä
glaubt Chwolson folgern zu konneu, dass zu seiner Zeit der
Hellenismus in Babylonien noch nicht untergegangen war.
S. 139 wird nämlich ein Weiser des Westens erwähnt und
damit eine Anspielung auf die Verlogenheit^ Schamlosigkeit
und Treulosigkeit der Griechen verbunden. Allein der Orien-
tale hatte doch sicher von griechischer Gelehrsamkeit gehört
und muss diese nicht nothwendig in seiner nächsten Nähe
gesehen haben; und bei der ^^griechischen Treulosigkeit'' liegt
es auf jeden Fall näher an die Byzantiner zu denken, denen
gegenüber sich allerdings die Araber ihrer sittlichen Ueber-
legenheit bewusst waren, als an die Makedonier der helle-
nistischen Staaten, denen die gänzlich verkommenen alten
Nationen des Orients in diesem Punkte gewiss nichts vor-
zuwerfen hatten. Noch jetzt cursirt unter den Moslems die
Sage, einst hätten die Dämonen sieben Beutel voll Lügen
auf die Erde heruntergeworfen, und die Neugriechen hätten
sechs davon erhascht. 85
Noch bedenklicher ist die Erwähnung von Griechen, die
dem Mars eine junge Euh opfern (S. 140). Stiere sind
wenigstens bei den Römern dem Mars geopfert worden
(Preller, Römische Mythologie S. 299 [I S. 338 der 3. Aufl.J),
bei den Griechen kommt ein derartiges Opfer nicht vor: eine
Euh hat aber niemals ein für den Ares bestimmtes Opfer-
thier abgeben können, da der Grundsatz galt, einer männ-
lichen Gottheit nur ein männliches, einer weiblichen nur
ein weibliches Thier zu opfern (K. P. Hermann , Lehr-
buch der griechischen Antiquitäten Theil II, § 26, An-
merkung 22). Die Stelle bew|^st also gerade das Gegen-
theil von dem, was Chwolson damit beweisen will, nämlich,
dass Thenkeloshä zwar wusste, dass die Griechen den Göttern
682 DIE NABATAEISCHE LANDWlRTflSCHAFT
opferten (oder geopfert hätten), aber ohne jede nähere Kennt-
niss über die Beschaffenheit ihrer Opfer war.
§5.
Griechische Gottheiten in nabatäischem Gewände.
Nicht minder anstossig ist die Nabatäisirang griechischer
Gottheiten und sogar Gottemamen im Buche des Thenke-
losha. Hermes erscheint unter dem Namen Ermisä als baby-
lonischer Weiser. Das ist die apokryphe syrische (wahr-
scheinlich sabische) Tradition bei Abü'Ifarag Hist. dynast. p. 9,
nach welcher der zweite der drei Hermesse , Hermes el-Babeli
nach der Sintfluth in der chaldäischen Stadt Kalwads^) ge-
blüht und zuerst nach Nemnid die Stadt Babel erbaut habe.
Die Unterscheidung dreier Hermesse ist erst aus des Hermes
Beinamen Tgis^sytözog abgeleitet, welcher selbst wiederum
erst im zweiten Jahrhundert n. Ch. aufgekommen, ist —
Ferner wird S. 187 eine heilige Frau erwähnt, von der es
heisst, dass sie in allen Sprachen und Zungen und auch „in
unserer Sprache ''- Hilathsija heisse und seit tausend Jahren
auf ihrem Fusse sitze. Die kosmopolitische Natur des Namens
legt die Yermuthung nahe, dass es sich mit dieser baby-
lonischen Hilathsija nicht anders verhalten wird wie mit dem
babylonischen Ermisa; ich zweifle nicht, dass die einen echt
griechischen Namen fuhrende Geburtsgöttin EiXsCd^via ge-
meint ist, die auf den Knien liegend dargestellt ward (Preller,
Griechische Mythologie I S. 320 [S. 422 der 3. Aufl.]).
§ 6.
Jüdisch -ehr istliche Anspielungen.
Die drei Kerübin S. 142 sind, wie Ewald ([Göttinger
gelehrte Anzeigen] 1859 S. 1137) bemerkt hat, unleugbar
1) Doch wohl EalwfiD, entsprechend syrischem Ehalawän, griechi-
schem XaX(6vri oder KaXXtovri, Namensformea , welche Kiepert (Er-
läuternde Bemerkungen zum Atla#der alten Welt § 40 [§ 39 der elften
Auflage]) fdr das auch von den Muhammedanem uoter die ältesten
Städte der Welt gezählte nordbahjloniBche Holwän anfflhri
UND IHRE GESCHWISTER. 683
eine jüdische Reminiscenz. Weit weniger unverfaDglich ist
die S. 99 erwähnte ^^fromme Jungfrau, welche keinen Mann 86
gesehen hat, die heilig, reinigend, edel und gross ist und
welche das Eind so lange erzogen hat, bis es in 49000 Jahren^)
das Mannesalter erreicht hat, worauf dann die bekannten
Geschichten und Ereignisse (dieses Kindes) erfolgten, welche
Ermisä und Dewänai erzählt habeu.'^ Wir kennen es nämlich
als Lehre ophitischer Secten, dass Christi Mutter die prima
femina ist oder — wie ein Zweig derselben, die Barbelioten,
sich ausdrückt ~ ein Aeon nunquam senescens in virgioali
spiritu (Irenaeus adv. haeres. I, 30, 1. 2; cf. I, 29, 1).^) Es
liegt also der dringende Verdacht vor, dass die babylonische
heilige Jungfrau ihren Ursprung lediglich der absichtlichen
Verzerrung christlicher Tradition verdankt. Und was S. 156 £F.
von den asketischen Anhängern des Satumapostels Azdahä
gesagt ist, passt ohne Weiteres auf christliche Anachoreten;
die Beschreibung derselben und die S. 160 S, dem Jupiter-
apostel Sharmidä in den Mund gelegte Polemik gegen Tfaier-
Opfer, dieses Lieblingsthema der Neuplatoniker, sind dem
Thenkelöshä mit Qüthsämi gemeinsam.
§ 7.
Kain und andere Persönlichkeiten der hebräischen
Tradition.
Diese Anspielungen kann man als zußLUige Anklänge
wegleugnen. Nicht wegleugnen aber lassen sich die beiden
Schriftstellern ebenfalls gemeinsamen Patriarchen Hanökhä,
Sämä, Adami (S. 99) mit ihren in bekannter Manier naba-
täisirten arabischen Namen. Zu den Dreien gesellt sich als
vierter Qäbil, der Sohn des Adami. Von ihm heisst es S. 142,
dass er im dreizehnten Grade des Schützen erscheint und
bei sich einen langen Stein in Form einer Tafel hat, auf dem
untereinander ringende, singende und spielende Mädchen
1) Also nach nabatäischer Theorie, wie wir oben gezeigt haben,
in einer ganzen Weltdauer.
2) Dieee Nachweisangen verdanke ich wiederum Profeseor Lipsins.
684 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
abgebildet sind. Die muhammedanische Form Qäbil fdr den
biblischen Eain mag, wie Chwolson meint, von einem Ab-
schreiber herrühren, und die persische Uebersetzung mit
ihrem Qäbin (was durch Qüthsämis 'Emänübil gesichert wird)
das Richtige bewahrt haben; Chwolson erklärt aber auch
das Vorkommen dieser biblischen Figur in einem babyloni-
schen Buche für ganz unbedenklich, „besonders da nusere
Stelle ausser dem Namen nichts Biblisches enthält^'. Bibli-
sches freilich wenig, aber um so mehr nachbiblische Dichtung!
Warum erscheint denn Qabin im Schützen mit einem langen
Steine? weil er seinen Bruder Abel durch einen Steinwurf
todtete, wie die christliche Tradition bei Eutychios I p. 17
und die moslemische bei Herbelot s. v. Cabil meldet. Und
warum sind denn ringende, singende und spielende Mädchen
auf dem Steine abgebildet? Darauf antwortet auf das
87 Befriedigendste Abü'lfara^ Hist. dynasi p. 8 mit der An-
gabe, dass die Töchter Kains zuerst musikalische Instrumente
gefertigt und dazu gesungen hätten. Den Ursprung dieser
Tradition fQgt Abü'lfarag selbst hinzu: die Araber nennen
ein singendes Mädchen Qainah. So wäre denn das Emblem
des Qäbin von einem arabischen Wortspiele abhängig, und
es ist nach allem dem nicht daran zu denken, dass das
jetzige Buch des Thenkelöshä wirklich der Zeit angehörte,
in welcher es die Miene annimmt geschrieben zu sein.
§8.
Die absichtliche Dunkelheit.
Diesen aus dem Inhalte des Buches geschöpften Ver-
dacht bestätigt nicht wenig ein äusserer Umstand: ich meine
die Albernheiten, die Thenkelöshä in der Einleitung zum
Besten giebt (S. 148 f.). Die alten Ghaldäer — sagt er —
hätten ihre Wissenschaften geheim gehalten und seien dabei
auf zwei verschiedene Arten verfahren: nämlich Entweder sie
verheimlichten dieselben gänzlich und schrieben gar Nichts
darüber, oder sie fassten die betreffenden Bücher in allegori-
schen Ausdrücken ab, deren innerer Sinn von dem natür-
lichen verschieden ist Thenkelöshä tröstet uns damit, dass
UND IHRE GESCHWISTER. 685
wenigstens das vorliegende Buch in leicht verständlichen
Allegorien abgefasst sei, deren Sinn der kundige Leser ver-
stehen werde. Diese Sucht, durch etwas recht Apartes zu
imponiren, ist das selten trügende Merkmal eines Betruges:
ein ehrlicher Schriftsteller schreibt ein Buch, um verstanden
zu werden, nicht in der Absicht, von der grossen Menge
der Leser, einige Auserwählte abgerechnet, nicht verstanden
zu werden. Man wird wieder lebhaft an den angeblichen
Kosmographen Aethicus erinnert, der auch sein Buch ab-
sichtlich in dichterischem, dunklem Räthseltone verfasst
haben will.
§ 9.
Tabaris Zeitangabe.
Unter diesen Umständen liegt es sehr nahe, die am
Schlüsse der persischen Uebersetzung des Thenkelöshä be-
findliche Notiz, dass dieses Buch „nach dem Tharich Tha-
bari" 80 Jahre vor der He^rah geschrieben worden sei, für
authentisch zu halten; aus den Fingern gesogen hat sie der
Schreiber gewiss nicht, und auf keinen Fall wird man —
was schon von Spiegel im „Ausland" XXXII (1859) S. 1013
hervorgehoben worden ist — so leicht mit ihr fertig, als
Chwolson meint, der das ihm unbequeme Zeugniss unter
dem nichtigen Vorwande verdächtigt, der Schreiber habe
den Namen Tabari nicht einmal orthographisch geschrieben.
Allerdings aber hat Chwolson meines Erachtens den Beweis
geliefert, dass Thenkelöshä einer älteren Zeit angehören will,
in der Babylon noch blühte und die Griechen noch Heiden *
waren: über die wirkliche Abfassungszeit eines sich in eine 88
ganz andere Zeit versetzenden Pseudepigraphons kann man
aber der Natur der Sache nach kaum jemals eine auf das
Jahr genaue Angabe erwarten, am allerwenigsten in einem
arabischen Geschichtswerke. Dazu kommt, dass die aus dem
Arabischen abgeleiteten Patriarchennamen und vor Allem
beim Qäbin die Anspielung auf das arabische Wort Qainah
im Grunde genommen im sechsten Jahrhundert nach Christi
Geburt kaum erklärlicher sind als im ersten. Meine Ansicht
686 DIE NABATAEISCHE LANDWIETHSCHAPT
über Tabaris Zeagniss ist nun diese. Das von ihm angegebene
Jahr 542 fallt in die Regierung des Chosrü Anüshirwan, der
bekanntlich viele griechische und andere Bücher ins Persische
übersetzen liess. Nun weist unter den wenigen Traditionen,
die sich unabhängig von Ibn Wahshijjah über Thinkelüs er-
halten haben, die älteste und wichtigste im Fihristh el-'ulüm
bestimmt auf Persien hin, indem sie ihn mit dem der irani-
schen Mythologie angehörigen Dzohhäk in Verbindung bringt.
Ich glaube also, dass das griechische Original des Thinkelüs
frühzeitig, eben in jenem Jahre 542, in das Persische über-
setzt und diese Uebersetzung von Späteren geradezu für das
Original gehalten worden ist: alle jene Angaben über Thin-
kelüs dürften aus persischen Quellen geflossen sein.
§ 10.
Die Entstehungszeit des nabatäischen Buches des
Thenkeloshä.
In Bezug auf das Verhältniss, in welchem das nach Ibn
Wahshijjahs Aussage von ihm aus dem Nabatäischen über-
setzte Buch des Thenkeloshä zu dem echten, einst in persi-
scher Uebersetzung erhaltenen Werke des Thinkelüs steht^
sind drei Annahmen möglich. Entweder es ist ein und
dasselbe Buch: dann muss eine gründliche Interpolation und
Nabatäisirung desselben angenommen werden, die arabischen
Patriarchennamen, Ermisä und alle die Themas, welche in
den übrigen nabatäischen Schriften eine so grosse Bolle
spielen, müssten absichtlich hineingebracht und Thinkelüs
bei dieser Gelegenheit, um zu einem Originalschriftsteller
gestempelt werden zu können, in einen Thenkeloshä yer-
wandelt worden sein. Und allerdings ist die Erwähnung
jener Figuren in diesem Buche nicht so innig mit dem In-
halte desselben verwachsen, wie dies in der Nabatäischen
Landwirthschaft der Fall ist. Damit würde dieser genethlia-
logischen Schrift im Verhältniss zu den übrigen nabatäischen
Schriften etwa die Rolle zugewiesen, welche die Hermas-
haudschrift unter den Schätzen des Simonides gespielt hat:
UND IHRE GESCHWISTER. 687
das eine bescheidene echte Product sollte andere anspruchs-
vollere unechte decken. In diesem Falle würde man voll-
kommen berechtigt sein, die Frage aufzuwerfen, ob nicht
das ganze nabataische Original von Ibn Wahshijjah aus übel
verstandenem Patriotismus erlogen, das Buch vielmehr ein-
fach aus dem Persischen übersetzt worden ist und vom 89
Uebersetzer absichtlich etwas nabataisches Costüm erhalten
hai Die zweite Möglichkeit stützt sich auf die bestimmte
Ueberlieferung, dass das echte Werk des Thinkelüs ein Bilder-
buch war; zur Aufnahme von Bildern ist aber auch, wie
Chwolson aus der Beschaffenheit der Meshheder Handschrift
nachgewiesen hat, das von Ibn Wahshijjah producirte Buch
des Thenkelöshä bestimmt gewesen. Es ist sehr wohl
denkbar, dass im Laufe der Zeit der persische Text wegen
der zu Grunde liegenden, einer älteren Periode angehorigen
Terminologie unverständlich geworden, bei Seite gelassen
worden, endlich ganz verloren gegangen war und nur das
Bilderbuch sich durch Copien bis auf Ibn Wahshijjahs Zeit
erhalten hatte. Das nabataische Buch über die Bilder der
Grade der Sphären könnte also ein den trügerischen Schein
eines Originalwerkes annehmender Versuch sein, den ver-
lorenen Urtext nach den astrologischen Kenntnissen einer
jüngeren Zeit wiederherzustellen: es wäre also, ähnlich wie
die Scholien zu Ovids Ibis, eine falsche Glosse auf ein echtes
Thema.*) Endlich ist auch noch die dritte Möglichkeit
vorhanden, dass das vorliegende Buch des Thenkelöshä ausser
jedem Connex mit den echten Schriften des Thinkelüs steht
und einfach als ein einem berühmten, halb mythisch gewor-
denen Autor untergeschobenes Machwerk anzusehen ist.
So lange nicht das Buch des Thenkelöshä vollständig
bekannt gemacht und namentlich die Teukrosfrage erledigt
worden ist, wage ich nicht, mich für eine dieser Annahmen
bestimmt zu entscheiden, wenn ich auch nicht verhehlen
will, dass ich bis auf Weiteres die dritte fär die wahrschein-
lichste halte. So viel aber steht mir fest, dass Chwolsons
*) [Vgl. Band 1 S. 7. F. R.]
688 DIE NABATAEISCHE LANDWIBTHSCHAPT
Versuch y die Abfassung des Buches in der Gestalt, in
der es jetzt vorliegt, dem ersten Jahrhundert n. Ch. zu
yindiciren, hoffnungslos ist; darin schliesse ich mich Ewalds
Urtheile völlig an. Und sollte sich selbst die Echtheit durch
Annahme sehr, starker, im Interesse der Nabatäisirung vor-
genommener Interpolationen retten lassen, so wird man sich
doch sagen müssen, dass die Schilderungen des Thenkeloshä
einen wesentlich kosmopolitischen Charakter tragen und man
nicht berechtigt ist, ihm für die Eenntniss echt babylonischer
Culturzustände auch nur denjenigen Werth zuzuschreiben,
auf den der in Babylon spielende, aber ebenfalls sehr
denationalisirte Roman des Babyloniers Jamblichos An-
spruch machen kann.
XXIII.
Die nabatäischen Schriften sind ein gelehrter
Betrug aus muhammedanischer Zeit.
Es stellt sich also als das Resultat unserer bisherigen
Untersuchungen heraus, dass die nabatäischen Schriften,
welche die Namen des Qüthsami, Järbüqä, Adam! tragen,
90 nicht vor 700 n. Ch. verfasst sein, das dem Thenkeloshä
zugeschriebene Buch wenigstens nicht vor dieser Zeit seine
jetzige Gestalt erhalten haben kann. Aus dieser Erkenntniss
folgt aber mit logischer Nothwendigkeit das zweite Ergeh-
niss, dass sowohl die angebliche nabataische von aramäi-
schen Dialekten ganz verschiedene Sprache mit eigenen,
wunderbar isolirt dastehenden Alphabeten als das in dieser
Sprache verfasste Schiriftthum eine Erfindung sind. Denn
hätten nabataische Sprache, Schrift, Literatur in der an-
gegebenen Zeit, also im hellsten Mittagslichte der Geschichte,
wirklich existirt, so hätte nicht jede sonstige Spur ihrer Exi-
stenz verschwinden können, zumal da das angeblich naba-
taische Schriftthum sich um die praktischen Wissenschaften
und um abergläubische Praktiken dreht, also um Dinge,
welche die Araber ganz besonders interessiren mussten. Die
letzte unerbittliche Consequenz hiervon ist die, dass das Vor-
geben Ibn Wahshijjahs, er habe die betreffenden Schriften
UND IHRE GESCHWISTER. 689
aus dem Nabatäischen in das Arabische übersetzt, ein trü-
gerisches ist. Somit fallt der nächste, der dringendste Ver-
dacht, die nabatäischen Schriften geschmiedet zu haben, auf
ihren Herfiusgeber, auf Abübekr Ahmed ben "Ali, den Chal-
däer aus Qassin, mit dem Beinamen Ibn Wahshijjah.
XXIV.
Die politischen und religiösen Voraussetzungen der
nabatäischen Schriften passen auf die Zeit des Ibn
Wahshijjah.
Die politischen und religiösen Zustände, unter denen Ibn
Wahshijjah lebte, entsprechen bis ins Kleinste der für die
AbfassuDgszeit der Nabatäischen Landwirthschaft fiugirten
Situation. Qüthsämi (Ibn Wahshijjah) schrieb, als eine
Fremdherrschaft, die der Eanaanäer (Araber), auf Babjlonien
lastete. Einige der kanaanäischen Könige (die Chalifen von
MoHha9em^bis MoHhamed) hatten Babylonien sogar der
Ehre beraubt, Sitz des Reiches zu sein, und residirten in
Küthsä-ßijja (Surmarraa). Die Kanaanäer hassten die Na-
batäer oder Chaldäer, wie Qüthsämi S. 53 meint, aus Neid
über deren geistige üeberlegenheit: bei den Arabern zu Ibn
Wahshijjahs Zeit war „Nabatäer" ein Schimpfwort (S. 9).
Qüthsämi hat Mühe, seine Abneigung gegen die Kanaanäer
zu unterdrücken und verleugnet nicht im Geringsten, dass
er sein Volk für hoch erhaben über die Kanaanäer hält,
äussert sich aber doch überall sehr vorsichtig über die
fremden Beherrscher Babyloniens: „ich will — sagt er
S. 49 — , obgleich selbst Chaldäer, die Kanaanäer nicht
beleidigen und ihnen auch nichts vorwerfen; denn seit sie
uns beherrschen, haben sie sich gut gegen uns betragen.^'
Von anderen Gefühlen konnte auch ein unter arabischer
Herrschaft lebender, unter dem Einflüsse arabischer Bildung
stehender Nachkomme der Ureinwohner nicht beseelt sein: 91
die Verschmelzung zwischen Herrschern und Beherrschten
mochte der Nationaleitelkeit der Letzteren noch so wenig
zusagen, sie war eine vollendete Thatsache, die auch der
T. OuTBCHKiD, Kleine Schriften, n. 44
690 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAPT
entschiedenste Feind der Araber^ nicht andern; ja kaum
ernstlich wegwünschen konnte. „Vor unserer Zeit — sagt
Qüthsämi S. 57 — und bevor die Eanaanäer Babylonien in
Besitz genommen haben ^ gab es in den meistoa Städten
dieses Landes Künstler , welche sich mit der künstlichen
Ausarbeitung der (den Göttern zu weihenden) Thierfiguren
beschäftigt hatten; nachdem aber die Eanaanäer zur Herr-
schaft gelangt waren, hörte dieses auf; denn die Masse des
Volkes bekennt sich zur Religion der Könige."' Allerdings
war zu Ibn Wahshijjahs Zeit die Mehrzahl der Babylonier
zum Islam bekehrt, dein alle Abbilder lebender Wesen ein
heidnischer Greuel. waren: die massenhafte Annahme einer
neuen Religion in Folge einer fremden Eroberung ist etwas
dem ganzen Alterthume Unbekanntes^ der Islam steht darin
ganz einzig da. Die herrschende Religion zur Zeit des Jär-
büqa und Qüthsämi (d. i. zu Ibn Wahshijjahs Zeit) war die
des tshithsä (der Islam), eine auf groben Aberglauben basirte
Religion mit einer Art von Papstthum oder geistlichem
Chalifat (d. h. mit dem wirklichen Ghalifat) an der Spitze,
welche nicht auf Babylonien beschränkt blieb, sondern sich
allmählich über ganz Mesopotamien und Syrien verbreitete
(S. 27). Die Ishithianer übten nach S. 125 durch ihre Cen-
tralisation in der Person ihres Ghalifen, der als Nachfolger
oder Stellvertreter des Ishithsä (Muhammads) angesehen ward,
eine grosse intolerante Gewalt aus: Freidenker setzten sich
ihren Verfolgungen aus (Anspielung auf die Ketzerverfolgungen
mehrerer Abbasiden, vor Allen des bigotten Mothawakkel).
Und wohl nicht unabsichtlich ist gerade Ishithsä zum Träger
der den Islam vorstellenden Religion gewählt worden: nach
persischen Mystikern war Seths Wohnung das Baith -Allah,
dessen irdisches Abbild die Ka^abah ist (Herbelot s. v. Scheit).
Der freisinnige Qüthsämi ist ein entschiedener Gegner der
Ishithianer und lässt keine Gelegenheit vorbeigehen, um ver-
steckte Angriffe gegen ishithsä und dessen Religion zu
machen, ja er findet zuweilen nicht genug Schmähworte für
die Anhänger derselben (S. 27); Järbüqä äussert sich in
demselben Sinne, wenn auch behutsamer (S. 125). Die Tendenz
UND IHRE GESCHWISTER. ^ 691
der gesammten angeblich nabatäischen Schriften ist eine
entschiedene Feindseligkeit gegen die geoffenbarten Religionen
und ein entschiedener Rationalismus ^ dem eine Art von
Deismus (mit etwas atheistischer Färbung) als Ideal vor-
schwebt. Die Heiden, welche noch bis ins neunte Jahrhundert
unter der Herrschaft der Araber dem Glauben ihrer Väter
treu geblieben waren, konnten die herrschende Religion natür-
lich nur versteckt angreifen und waren^ um ihr abgeblasstes
Heidenthum dem Islam gegenüber überhaupt halten zu können,
darauf angewiesen, es im Lichte einer Yernunftreligion er- 92
scheinen zu lassen; wie verbreitet diese Ansichten waren,
sehen wir aus der einflussreichen Stellung der Sabier in
Bagdad; und wie feindselig sich namentlich die Bevölkerung
am unteren Euphrat, auch nachdem sie äusserlich den Islam
angenommen hatte, diesem gegenüber verhielt, zeigen die
gerade in Ibn Wahshijjahs Zeit fallenden grossen Erfolge
der Karmaten, die ihren Hauptsitz in der Gegend von Ba9rah
und Eüfah hatten.
Die Stimmung, welche die Nabatäische Landwirthschaft
als die der alten Babylonier ihren Beherrschern gegenüber
schildert, kennen wir nun gerade als die ihres Herausgebers.
„Ibn Wahshijjah — sagt Chwolson S. 9 — , beseelt von
einem grimmigen Hasse gegen die Araber (wie dies
auch häufig bei neubekehrten Persern der Fall war) und voll
Erbitterung über die von denselben gehegte Verachtung
gegen seine Stammgenossen, entschloss sich, die unter den-
selben noch erhaltenen Ueberreste der altbabylonischen Lite-
ratur zu übersetzen und zugänglich zu machen, um dadurch
zu zeigen, dass die Vorfahren seiner von den Arabern so
tief verachteten Stammgenossen eine hohe Cultur besessen
und durch ihre Kenntnisse viele Völker des Alterthums über-
troffen hätten/' Hierdurch ist die Entstehung des Betrugs
erschöpfend motivirt: der Haupthebel desselben war die
Nationaleitelkeit eines gelehrten Nabatäers oder Nachkommen
der alten Babylonier, dazu gesellte sich die Tendenz, im
Stillen die islamische Orthodoxie durch Verbreitung ratio-
nalistischer Ideen, auch wohl Parodierung der moslemischen
44*
692 DIE NABATAEISCHE LANDWIllTHSCHAFT
Tradition^ zq unterwühlen, was natürlich nur der ohne Ge-
fahr wagen konnte, der solche Gedanken alten Aatori1»ten
in den Mund legte, denen kein Ghalif mehr etwas anhahen
konnte. Es ist interessant zu sehen, dass gerade zu Anfang
des zehnten Jahrhunderts, als Ihn Wahshijjah schrieb, auch
unter den Juden eine rationalistische Auffassung der Bibel
zahlreiche Vertreter fand: ihren Höhepunkt erreichte dieselbe
in der frivolen, geradezu bibelfeindlichen Kritik des Ketzers
Hiwi el-Balchi, die mit der Auffassungsweise der biblischen
Tradition in der Nabatäischen Landwirthschaft grosse Ver-
wandtschaft hat (vgl. Qrätz, Geschichte der Juden V 320 f.
537 ff.). Hiwi deutete z. B. Moses' strahlendes Antlitz beim
Herabsteigen vom Berge Sinai als eine homartige Ver-
trocknung der Gesichtshaut. Der Unglaube war epidemisch;
der arabische Dichter Abü'l- Alä sang damals: „Moslemin,
Juden, Christen, Magier sind in Irrthum und Wahn befangen;
die Welt hat nur zwei Gattungen von Menschen, die Einen
haben Einsicht, aber keinen Glauben, die Anderen sind
gläubig, aber ohne Verstand." Ibn Wahshijjah war ein Kind
seiner Zeit.
93 XXV.
Das zur Schmiedung des Betrugs erforderliche Mass
von Kenntnissen übersteigt nicht Ibn Wahshijjahs
Kräfte.
Es fragt sich nur: Setzt die Nabatäische Landwirthschaft
und die mit ihr verwandten Schriften Kenntnisse voraus,
welche einem arabischen Betrüger, speciell dem Ibn Wah-
shijjah nicht zugetraut werden können?
Was die historischen Kenntnisse anlangt, die sich in
ihnen manifestiren, so ist zur Genüge dargethan worden,
dass diese gerade nur das Niveau des Wissens der arabischen
Schriftsteller vom gewohnlichen Schlage erreichen. Die Basis
derselben ist die dunkele Erinnerung an die ehemalige Grosse
und Weisheit der Chaldäer, ihr Angelpunkt die moslemische
Legende; doch verräth jenes Schriftthum auch Bekanntschaft
mit rabbinischen und selbst mit echten biblischen Traditionen,
UND IHRE QESCHWISTEE. 693
die sich ein Araber sehr leicht durch Verkehr mit Judea
verschaffen konnte. Die Stellen über Hermes^ Agathodamoo,
u. s. w. verrathen eine oberflächliche Kenntniss von occiden*
talischer Wissenschaft; andere Spuren machen es wahr-
scheinlich, dass er eine byzantinische Chronographie oder
ein ahnliches Buch, welches einige Brocken über den älteren
romischen Kalender enthielt, benutzt, aber wegen mangel-
hafter Kenntniss des Griechischen nicht immer richtig ver-
standen hat. Von anderen griechischen Sachen konnte er
sich mittelbar durch die Arbeiten der Sabier unterrichten.
Anspielungen auf vergangene Zustände finden sich, wenn
überhaupt, nur sehr selten und nothigen nirgends zur Annahme
von Quellen, die über das neuplatonische Zeitalter zurück-
reichten: sollte sich meine Yermuthung bewahrheiten, dass
sich Ausfälle gegen das Ghristenthum unter der Maske des *
Ophismus finden, so würde sich dies durch eine Benutzung
älterer von syrischen Heiden herrührender Vorlagen ge-
nügend erklären lassen. Jeden Versuch, ihm in geographi-
scher Beziehung auf den Zahn zu fühlen, hat Ibn Wahshijjah
ein für alle Mal durch die Behauptung abzuschneiden ge-
wusst, dass er alle älteren geographischen Namen durch die
zu seiner Zeit gebräuchlichen ersetzt habe — ein Beginnen,
dessen Vermessenheit er wahrscheinlich selbst am wenigsten
ahnte, und das er augenscheinlich nur vorgeschützt hat, um
seine Lügen mit grösserer Sicherheit vorbringen zu können.
Dagegen bekunden die Nabatäische Landwirthschaft und das
Buch von den Giften nicht geringe naturwissenschaftliche
Kenntnisse, die ein gründliches Studium syrischer, an grie-
chische Quellen sich anlehnender, fachwissenschaftlicher Werke,
wahrscheinlich sogar der griechischen Originale selbst voraus-
setzt. Allenthalben findet der competenteste Beurtheiler,
Meyer (Geschichte der Botanik III S. 54 ff.), schon allein
nach den magern Auszügen bei Ibn el-Awwäm und Ibn 94
Baithar, Uebereinstimmung mit den Lehren des Abendlandes;
überall begegnet uns längst Bekanntes. Ausser Arabisch
nnd Syrisch verräth der Fälscher auch, dass er Neupersisch
verstanden hat-, ausgebreitetere Sprachkenntnisse braucht er
694 DIE NABATAEISCHE LANDWlßTHSCHAFT
nicht gehabt zu haben ^ um seine nabatäische Sprache zu
erfinden und ausser einer Reihe unerhörter Nomina propria
einige Zauberformeln darin zu componiren, von denen noch
abzuwarten ist, ob sie geschickt componirt sind.
Dergleichen Betrügereien sind im Orient nichts weniger
als selten . Sind doch ganze Sprachen, wie das von Silyestre
de Sacy entlarvte Baläibalan, vollständig erdichtet worden;
in einer anderen erfundenen Sprache, dem Asmäni, hat die
persisch-indische Secte der Sipasier ein ganzes Buch auf-
zuweisen, das Desäthir, mit einer ebenfalls erfundenen Ge-
schichte ihrer in uralte Zeiten versetzten Patriarchen, der
sogenannten Mähäbäds (vgl. The Dabistan by Shea and
Troyer I p. 5 S,), — Gerade die hier verlangten Kenntnisse
finden wir alle bei Ibn Wahshijjah. Nach Chwolson S. 9
verstand er Persisch und vielleicht auch Griechisch: „er war
ferner ein Mann von bedeutender philosophischer Bildung
und besass vielseitige naturhistorische Kenntnisse, was ihm
wahrscheinlich später den Ruf eines Zauberers zuzog. Er
machte auch viele Reisen, besuchte Aegypten, Persien und
Indien, und war ein Mitglied der Süfis, in deren Versamm-
lungen er zuweilen die philosophischen und auch manche
der theologischen Lehren der alten Chaldäer mit Beifall
vortrug.'^ Als Kenner der medicinischen Literatur fremder
Völker documentirt sich Ibn Wahshijjah in der Vorrede zu
dem Buche über die Gifte (S. 129).
XXVL
Die Reminiscenzen aus indischen medicinischen
Schriften werden für Ibn Wahshijjah
verrätherisch.
Der Verdacht wird noch dringender dadurch, dass in
den nabatäischen Schriften Sachen vorkommen, deren Kennt-
niss von einem gewöhnlichen Araber nicht vorausgesetzt
werden kann, von denen wir aber wissen, dass gerade Ibn
Wahshijjah sie kannte. Die Nabatäische Landwirthschaft
giebt dem chaldäischen Arzte Rewähtä einen Temüshän zum
UND IHRE GESCHWISTEß. 695
Yater (S. 121), der verdächtig an den Inder Tamosheh an-
klingt, eine der von Ibn Wahshijjah in der Vorrede zum
Giftbuche (S. 129) namhaft gemachten medicinischen Auto-
ritäten.
Schlagender noch ist ein zweites Beispiel. Unter den
abenteuerlichen Geschichten, von denen schon Chwolsons
kurze Mittheilungen eine reiche Blumenlese bieten, findet
sich auch die Fabel von einem Mädchen, das, wenn es von
der Geburt an eigens präparirt wird, Jeden, der ihm bei-
wohnt, augenblicklich tödtet (S. 119). Dies ist offenbar eine 96
indische vishakanjä oder Giftmädchen, eine in der sanskriti-
schen Literatur ziemlich häufige Erscheinung.^ Von den
Indern haben die Araber diese Fabel kennen gelernt. Eine
classische Stelle darüber findet sich in Qazwinis Geographie
(bei Gildemeister, Scriptorum Arabum de rebus Indicis loci
et opuscula inedita, p. 219 — 276), welche die Erzählung des
Järbüqä trefflich illustrirt: „Unter den Wundern Indiens ist
ferner das Kraut el-bish*), welches nur in Indien gefunden
wird und ein todtliches Gift ist .... Die indischen Könige,
wird erzählt, nehmen, wenn sie Einem nach dem Leben
trachten, neugeborene Mädchen und streuen jenes Kraut
einige Zeit hindurch erst unter ihre Bettstellen, darauf unter
ihre Streu, dann unter ihre Kleider. Endlich geben sie es
ihnen in Milch zu gemessen, so lange bis das Mädchen,
wenn es gross geworden ist, el-bish zu essen anföngt, ohne
Schaden davon zu tragen. Dann schicken sie dieses Mädchen
mit Geschenken an den Konig, dem sie Nachstellungen be-
reiten; wenn er ihr nämlich beiwohnt, stirbt er." Unter den
Fällen, wo nach der Behauptung der Inder diese Theorie
ihre praktische Probe bestanden haben soll, geht uns einer
1) Nach einer Mittheilang des Herrn Professor Brockhaas kommen
solche yishakanjäs nicht nur in der Märchensammlung des Sömad^va
Bhatta, sondern auch, was für uns wichtig ist, in dem medicinischen
Werke des Sn9rata vor, von dem es eine arabische Üebersetzung gab.
2) Nach Gildemeister napellus, die Arfc Sturmhat (aconitum), die
wir Venuswagen nennen; derselbe verweist auf Qazwinis Naturgeschichte
bei Chezj in Sacjs Chrestom. arabe III p. 178.
696 DIE NABATAEISCHE LANDWIBTHSCHAFT
besonders nahe an^ der in dem Drama Mudräräkshasä er-
zählt wird (vgl. Wilson, Theatre of the Hindus II p, 146,
ed. 2). Räkshasa, heisst es, der Feind des Candragupta^
versuchte diesen durch ein Giftmädchen aus dem Wege zu
räumen, welches er durch Zauberkunst hergerichtet hatte.
Nach der Märchensammlung Purushaparikshä (bei Lassen,
Indische Alterthumskunde II S. 205 [S. 214 der 2. Aufl.])
war dieses Giftmädchen so giftig, dass sogar die Fliegen,
welche sie berührten, starben. Aber Candraguptas weiser
Ilathgel)er Eautilja (der Verschlagene, stehender Beiname
des Gänakja) entdeckte den arglistigen Anschlag und lenkte
ihn auf das Haupt des Parvate^a ab, so dass dieser Neben-
buhler des Candragupta ihm zum Opfer fiel. Canakja, dessen
berühmten Namen mehrere Sanskritwerke tragen, ist, wie
Jeder sieht, identisch mit dem Inder Shänäq, dessen Buch
von den Giften von Ibn Wahshijjah in der Vorrede zu
Järbüqiis Buche (S. 129) aufgeführt wird ; es war von dem
Inder Mankah (wohl sansk, Mänikja) unter Aufsicht des
Abu Häthim von Balch für den Barmekiden Jahjä ben
Chälid ins Persische, dann für den Ghalifen Mämün von
dessen Freigelassenen Gauhari ins Arabische übersetzt worden
(Flügel in der Zeitschrift der deutschen morgenländischen
96 Gesellschaft XI S. 325). Es ist kaum zu zweiieln, dass jene
vom weisen Canakja entdeckte und von seinem Schützlinge
abgewendete eigenthümliche Art der Vergiftung in der ihm
zugeschriebenen Schrift vorkam, und dass Ibn Wahshijjah
sie aus dieser Quelle kannte und, wie gewöhnlich, die zweifel-
hafte Ehre, Giftmädchen hergestellt zu haben, seinen Naba-
täern vindicirte.
xxvn.
Der vermeintliche Entlastungsbeweis; die Inten-
tionen des Betrügers.
Diesen in hohem Grade gravirenden Indicien gegenüber
fallen die von Chwolsou S. 14 für Ibn Wahshijjahs Treue
und Gewissenhaftigkeit angeführten Argumente in Nichts
UND IHRE GESCHWISTER. 697
zusammen — nämlich für seine Treue im Uebersetzen: denn
auf die Eventualität; dass Jemand ihn für den Verfasser er-
klären könnte^ ist als auf eine gar zu arge Ketzerei nirgends
die mindeste Rücksicht genommen. Dass Ibn Wahshijjah
zu seinen angeblichen Originalen erläuternde Zusätze macht
und als solche bezeichnet^ ab und zu über ünverständlich-
keit oder Unleserlichkeit seiner Quelle klagt^ ist die noth-
wendige Folge der festgehaltenen Fiction: ebenso gut konnte
man aus demselben Umstände beweisen^ dass der Don Quixote
von Cervantes wirklich aus dem Arabischen des Sidi Hamed
ben Engeli übersetzt v^orden sei. Uebrigens hat es sich im
Laufe der Untersuchungen Chwolsons (s. üeber die Ueber-
reste der altbabylonischen Literatur S. 179. Ueber Tammüz
S. 111) herausgestellt; dass sich auch mitten im Texte öfters
Zusätze von Ibn Wahshijjahs Hand finden, die sich nicht
ausdrücklich als solche geben. Diese Wahrnehmung wird
zwar die Annahme von Interpolationen sehr erleichtern, trägt
aber nicht eben dazu bei^ die Authenticität der nabatäischen
Schriften zu erhohen: es ist ein altes Manöver der Betrüger,
den angeblichen Funden ihre Gommentare beizugeben und
die Grenzlinien zwischen beiden absichtlich verschwimmen zu
lassen; es ist, um ein recht eclatantes Beispiel anzuführen,
immer schwer, häufig unmöglich, den Text des Pseudoberosus
und den Gommentar des Annius von Yiterbo auseinander
zu halten.
Jenen einseitigen Standpunkt hält Chwolson auch in
seiner neuesten Schrift noch fest und behauptet, die ganze
Haltung und der ganze Charakter des Buches müssten in
der Frage nach seiner Authenticität den Ausschlag geben.
„Betrachtet man aber — sagt er „Ueber Tammüz" S. 108 flf. —
das Buch mit vorurtheilsfreien (!) Augen auf diese Weise,
so zeigen sich überall die deutlichsten und sichersten Spuren
des hohen Alters desselben; und die zahlreichen Stellen, wo
z. B. Qüt^ämi sich für einen Zeitgenossen einer in Baby-
lonien herrschenden kanaanäischen Dynastie ausgiebt, oder
wo er den Glanz und die Herrlichkeit Babyloniens zu seiner 97
Zeit schildert, von den Tempeln daselbst im Vorbeigehen
698 DIE NABATAEISCHE LANDWIETHSCHAPT
spricht^ die Sitten und Gebrauche der in den späteren Zeiten
längst verschwundenen und yerschoUenen Volker beschreibt^
von Anhängern uns völlig unbekannter Religionen spricht
und seine Sympathien für dieselben oder seine Antipathien
gegen sie mit dem lebendigsten Nachdruck äussert, und von
der immer ausgedehnteren Verbreitung der Religion des tshit'a
redet und dabei seine Befürchtung kund giebt, dass dieselbe
noch eine sehr lange Dauer haben würde ^ und dem Aehn-
liehen: solche Stellen, sagen wir, entscheiden über das Alter
des Buches, nicht aber ein einziges Wort, ein einziger Name
wie Jünän, dessen Bedeutung in einem alten, in Babylon
abgefassten Buche wir nicht kennen, oder irgend ein Städte-
name, den Ibn Wahshijjah statt des alten Namens seines
Originals zu setzen für gut befunden hat und dabei einen
grossen Irrthum begangen haben kann.'' — Gelänge es Chwol-
son, seiner Auffassung Geltung zu verschaffen, so wäre damit
die Streitfrage vom Gebiete der Thatsachen glücklich auf
das Gebiet der subjectiven Ansichten und Empfindungen ver-
legt, wo eine Verständigung der Natur der Sache nach nicht
zu erwarten ist; denn es lässt sich mit Bestimmtheit voraus-
setzen, dass Chwolson seine vier nabatäischen Mohren in
allen den Fällen, wo sie dem vorurtheilsfreien Betrachter
sehr schwarz erscheinen werden, sehr weiss finden wird.
Wie können die von Chwolson geltend gemachten umstände
gegen die Annahme, dass sich Qüthsämi nur unter beab-
sichtigter Täuschung der Leser in eine sehr alte Zeit zurück-
versetzt, das Geringste beweisen? Chwolson brauchte nur
das Buch Desäthir einzusehen, um sich zu überzeugen, dass
die angenommene Maske eines in der Urzeit schreibenden
Verfassers von anderen Orientalen mit ungleich mehr Takt
und Geschick durchgeführt worden ist, als in den von Ibn
Wahshijjah producirten Machwerken.
Mehr hat ein anderes von Chwolson für Ibn Wahshijjah
geltend gemachtes Argument auf sich, dass er nämlich
Dinge mittheile, die in den Augen der Muhammedaner bald
höchst lächerlich und abgeschmackt, bald höchst gottlos er-
scheinen müssen und durch welche er seinem Streben, den
UND IHEE GESCHWISTER. 699
Ruhm der alten Babylonier bei seinen Zeitgenossen ins beste
Licht zu setzen ; gerade entgegenarbeitet. Abgeschmackt
genug ist freüich das System der Zauberei, welches, wie
Meyer richtig ahnte, einen integrirenden Bestandtheil des
nabatäischen Schriftthums bildet, viel abgeschmackter sogar^
als Chwolson zugeben will. Dieser versichert, unter der
babylonischen Zauberei habe man etwas anderes als ver-
nunftlose Hexereien zu verstehen, was wir damit meinen; es
sei vielmehr gewissermassen ein rationelles, auf bestimmte
Principien basirtes Zaubersystem gewesen: der babylonische
Zauberer habe nur die geheimen Kräfte der Natur kennen
und bei seinen Manipulationen den Naturprozess nachahmen
wollen. Er habe nicht in unserem Sinne die Hülfe des 98
Teufels in Anspruch genommen und weder mit bösen noch
mit guten Geistern in Verbindung gestanden; seine Be-
schwörungen hätten nicht den Charakter von zauberartigen
Beschwörungen in unserem Sinne, sondern es seien An-
rufungen der Götter bei ihren grossen und geheimen Namen,
wie sie auch der abendländische Priester und der neuplato-
nische Theurg vorgenommen hätten, ohne dadurch in die
Kategorie des Zauberers zu treten (S. 59. 124 f.). Anwei-
sungen zur Bereitung von Talismanen würden allerdings in
der Nabatäischen Landwirthschaft hier und da nach älteren
Autoren mitgetheilt; aber unter Talismanen sei hier etwas
Anderes zu verstehen als das, was wir damit meinen: mit
Talismanen sei jedes Mittel gemeint, dessen Wirksamkeit aus
rationellen Gründen nicht zu erklären ist; weshalb auch die
Talismane oft einen rein religiösen Charakter hätten. Solche
Talismane fönde man aber auch oft bei griechischen und
römischen Georgikem (S. 114 f.). In der praktischen Anwen-
dung des an und für sich in gewisser Beziehung richtigen
Satzes, dass der Mensch die Natur nachahmen und selbst
Dinge schöpferisch produciren könne, seien die alten Baby-
lonier allerdings zu weit gegangen, indem sie behaupteten,
dass man nicht bloss Pflanzen und Metalle, sondern sogar
lebende Wesen künstlich erzeugen könne, wenn man nur die
dazu nöthigen Stoffe besitze und die Behandlung derselben
700 DIE NABATAEISCHE LANDWIBTflSCHAPT
verstehe. Ihre Annahme, fQgt Ghwolson beschönigend hinzu,
sei leicht erklärlich, wenn man bedenke, dass erst die neuere
Wissenschaft nachgewiesen zu haben glaube, dass es keine
Generatio aequivoca mehr gebe: etwas aus Nichts erzeugen
zu können, habe dagegen kein Babjlonier behauptet (S. 165 f.).
Ghwolson erörtert dieses Thema mit vielem Aufwände von
Worten, kommt mehrmals darauf zurück und legt sichtlich
besonderen Werth darauf. Prüft man nun aber die mitge-
theilten Proben, so wird jeder Unbefangene zugestehen müssen,
dass diese mit dem tollsten Zeuge, was sich von diesem
Genre bei Plinius und in den Geoponicis findet, nicht bloss
wetteifern, sondern dieses Alles weit hinter sich lassen; man
vergleiche nur z. B. die Erzählung S. 166, wie 'Ankebüthsä
nicht nur eine weisse Ziege, sondern selbst einen Honiunculus
zu Stande brachte, und wie ein späterer Zauberer ^inäthsä,
dem 'Ankebüthsas Lorbeeren keine Ruhe Hessen, ihm dies
ganz gewiss nachgemacht haben würde, wenn ihm der regie-
rende Eonig nicht aus politischen Gründen das Handwerk
gelegt hätte. Ghwolsons „Rectificirung^^ von Meyers Ansicht
läuft im Grunde darauf hinaus, dass die babylonischen
Zaubereien nicht genau einer der Kategorien entsprechen,
die nach dem Malleus maleficarum ihren Urheber dazu quali-
ficiren, als Hexenmeister an die Gerichte abgegeben zu werden.
Dies ist aber gerade der Punkt, der auch in den Augen der
muhammedanischen Orthodoxie Ihn Wahshi,jjahs Mitthei*
99lungen als minder verfänglich erscheinen lassen musste: die
Sache selbst ist gewiss nur von wenigen Moslems mit den
Augen angesehen worden, mit welchen wir sie ansehen, wird
vielmehr bei der herrschenden Geschmacksrichtung den Bei-
fall der meisten Leser gefunden haben. Ibn Wahshijjah
schlug mit diesen Zaubergeschichten eine schwache Seite
seiner Zeitgenossen an, und wer darauf speculirt, speculirt
selten falsch. In der That ist die Nabatäische Landwirth-
schaft gewiss nicht trotz, sondern wegen der zahlreichen
abergläubischen Praktiken, die darin abgehandelt sind, bei
den Muhammedanem ein so viel gelesenes Buch geworden.
Was den zweiten von Ghwolson ^r Ibn Wahshijjahs
UND IBRE GESCHWISTER. 701
Treue angeführten Punkt angeht^ die Erwähnung von Dingen^
die dem Muhammedaner gottlos erscheinen mussten^ so haben
wir gesehen, dass Ihn Wahshijjah gerade das Gegentheil
eines guten Moslems war und sich allem Anscheine nach
der von ihm den Nabataern untergeschobenen Schriften als
eines Vehikels für die Verbreitung seiner ketzerischen An-
sichten bediente. Wir wissen, dass es damals unter den
Augen des Chalifen selbst ein zahlreiches Publikum gab,
welches dergleichen Ansichten mit grossem Behagen auf-
nahm: die Süfis fanden an den Enthüllungen ihres Ordens-
bruders Vergnügen, was nicht zu verwundern ist, da ent-
schieden sufitische Dogmen darin vorkommen, wie das, dass
Gott von seinem Lichte den Frommen und Weisen des
Alterthumes mitgetheilt, sie mit demselben umgeben habe^)
(Chwolson, Ueber Tammüz S. 94). Welche Kreise Ibn
Wahshijjahs Productionen besonders verbreiteten , können
wir vielleicht auch aus dem Umstände entnehmen, dass
eine sehr alte Abschrift seiner Ancient alphabets von dem
Harranier Hasan ben Farag, einem Nachkommen des be-
rühmten Thsäbith ben Qorrah, herrührt (Äncient alphabets
p. 136). Indem Ibn Wahshijjah dergleichen incorrecte An-
sichten uralten babylonischen Persönlichkeiten in den Mund
legte, deckte er sich selbst und schmälerte die Glorie seiner
Ahnen in den Augen der Moslems gewiss nicht erheblich:
bei Heiden, die in den Zeiten der Unwissenheit lebten, trug
etwas Gottlosigkeit mehr oder weniger nichts aus. Und es
ist wohl zu beachten, dass Ibn Wahshijjah vorsichtig und
planmässig verfahren ist: die ersten drei grossen Propheten
von den sechs, welche die Muhammedaner anerkennen, Adami,
Anühä, Abrühüm, werden durchweg mit dem grössten Respect
behandelt; der angebliche Qüthsämi weist mit Vorliebe nach,
dass diese seine eigenen Ansichten getheilt hätten. Die
Hauptsache bleibt aber immer die, dass der Verfasser der
Nabatäischen Landwirthschaft in dem Lichte eines Gegners
1) So nach einer Berichtigung des Herrn Professor Fleischer.
Siehe unten dessen Anhang [S. 715].
702 DIE NABATAEISCHE LANDWIETHSCHAPT
lOOder herrschenden Religion, des Heidenthums, und als An-
hänger einer reineren Gottesverehrung erscheint.
Noch konnte Jemand gegen die Autorschaft des Ibn
Wahshijjah anführen, dass, wer so solide naturwissenschaft-
liche und medicinische Kenntnisse besitzt, wie der Verfasser
der Nabatäischen Landwirihschaft sie doch besessen haben
muss, sie lieber in einem eigenen Buche niederlegen wird,
statt sich durch einen derartigen Betrug muthwillig zu einem
blossen Uebersetzer zu degradiren. Allein dieser Schein-
grund würde auf einer völligen Verkennung des Wesens
des arabischen Schriftthums beruhen. Ich verweise auf die
meisterhafte Charakteristik desselben in Meyers Geschichte
der Botanik III S. 102 ff. und theile eine Stelle daraus mit,
die nicht auf Ibn Wahshijjah Bezug hat, aber zur Com-
mentirung unseres Falles wie geschaffen ist. S. 107 f. heisst
es: „Selbst originelle Schriftsteller, an denen es doch nicht
ganz fehlt, suchten ihren Ruhm weniger in der Originalität
als in der Belesenheit, und affectirten wohl gar den Schein
blosser Compilatoren, indem sie ihr Eigenthümliches so dar-
zustellen suchten, als wäre es längst ausgesprochen, und
von ihnen nur vermöge umfassender Gelehrsamkeit aus dem
Dunkel der Vergessenheit aufs Neue hervorgezogen. Nicht
ohne Einfluss auf diese Form der Darstellung war vielleicht
der Druck des Despotismus. Einen eigenen Gedauken keck
hinzustellen konnte oft; gefahrlicher sein, als ihn mit den
Worten eines anerkannten längst verstorbenen Meisters nur
zu wiederholen, oder aus demselben zu entwickeln. Dem
urtheilslosen Despoten galten solche Worte unstreitig mehr
als die schlagendsten Gründe eines Zeitgenossen, den er als
Spielball seiner Laune betrachtete." Dass Ibn Wahshijjabs
Unternehmen in diesem Sinne aufgefasst ward, er sich somit
nicht verrechnete, lehrt der Umstand, dass er sehr häufig
geradezu als Verfasser der von ihm angeblich aus dem Na-
batäischen übersetzten Schriften angeführt wird (Chwolson
S. 169): wobei die Möglichkeit offen bleibt, dass ein Gerücht
Über den wahren Sachverhalt transpirirte oder der Betrug
selbst für muhammedanische Begriffe von Kritik zu plump war.
UND IHRE GESCHWISTER. 703
XXVIIL
Ibn Wahshijjah ist ein längst entlarvter Betrüger.
Die Yermuthung^ dass die Nabatäisclie Landwirthschaft,
das Buch von den Giften und das von den künstlichen Er-
zeugungen Werke des Ibn Wahshijjah selbst sind, das Buch
des Thenkeloshä mindestens von ihm überarbeitet ist^ wird
zur Gewissheit durch die Thatsache, dass Äbübekr Ahmed
ibn Wahshijjah ein längst überführter Betrüger ist. Dass
die von Hammer 1806 herausgegebenen und übersetzten
Ancient alphabets eine Fälschung der allergrobsten Art sind^
darüber wird nach den oben von uns mitgetheilten Probenioi
kein Verständiger in Zweifel sein, und schon Silvestre de Sacy
hat in der Anzeige jener Ausgabe im Magasin encyclopedique
Tom. VI (1810) p. 145 — 175 mit unumstosslicher Evidenz
nachgewiesen, dass der Verfasser der Ancient alphabets ein
Betrüger ist. Wenn de Sacy Zweifel hegte, ob Ibn Wahshijjah
der Verfasser sei, so sind diese Zweifel mittlerweile beseitigt
worden (vgl. Chwolson, Die Ssabier I S. 823). Seit der
Sacyschen Untersuchung wird, wie ich mir von sachkundiger
Seite habe versichern lassen, die Sache allgemein als erledigt
angesehen; wer ja noch Skrupel haben sollte, ob diese herr-
schende Ansicht berechtigt ist, den bitten wir, die erste beste
Seite der Aucient alphabets aufzuschlagen, und er wird von
seinen Skrupeln gründlich curirt sein. Chwolson selbst hat
in seinem Werke „Die Ssabier" II S. 845 flF. alle einzelnen in
den Bereich seiner damaligen Untersuchungen fallenden Alpha-
bete als verdächtig anerkannt, aber trotzdem die Erklärung
abgegeben, das Werk schiene neben vielem Phantastischen
auch viel Wahres zu enthalten, de Sacys Ansichten über
dasselbe wären in vieler Beziehung nicht stichhaltig und
eine neue Bearbeitung der Ancient alphabets mit Hilfe von
Aegyptologen wäre wünschenswerth. Wenn es Aufgabe der
Kritik wäre, nicht eher zu ruhen, bis ihre negativen Resultate
von Chwolson anerkannt würden, so wäre ihr eine Sisyphos-
arbeit zu Theil geworden! Was übrigens die Zumuthung an
die Aegyptologen betrifft, so will ich zu Chwolsons Beruhigung
704 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
bemerken^ dass meine Kenntnisse in der Hieroglyphenlesung
ausreichten, um hier die bestimmte Versicherung zu geben,
dass sich unter den vielen in den Ancient alphabets zum
Besten gegebenen hermetischen, nabatäischen und pharaoni-
schen Hieroglyphen als rari nantes in gurgite yasto einige
wirkliche Hieroglyphengruppen finden, die Ibn Wahshijjah
während seines Aufenthaltes in Oberägypten des Spasses
halber von den Berbäs copiert zu haben scheint, dass aber
die Erklärung derselben ohne Ausnahme in läppischen Lügen
besteht: mindestens neunzehn Zwanzigstel der angeblichen
Hieroglyphen sind dagegen reine Phantasiehieroglyphen.
Wir behaupten nach allem diesem mit Toller Ent-
schiedenheit: die angeblich aus dem Nabatäischen ins
Arabische übersetzten Schriften altbabylouischer
Gelehrten sind Fälschungen des Ibn Wahshijjah.
XXIX.
Ueber die von Chwolson für die Vertheidigung
beanspruchte Stellung.
Wer Schriften, die bald nach Nimrod und Abraham
verfasst zu sein vorgeben, nun auch wirklich dieser uralten
Zeit vindiciren will, hat die Verpflichtung, dafür einen soliden
Beweis beizubringen. Statt dessen stellt sich Chwolson ohne
l02Weiteres auf den Boden jener Machwerke und schiebt den
Gegnern der Echtheit die Beweislast zu, ohne das schon von
Meyer ausgesprochene Bedenken, dass die Einkleidung fingirt
sein könne, auch nur der Erwähnung zu würdigen: wie denn
überhaupt die meisten Einwände, die er gegen Meyers klare
und umsichtige Untersuchung vorgebracht hat, ganz nichts-
sagend sind und nur den Erfolg haben, das Gewichtige von
Meyers Argumenten recht hervortreten zu lassen. Nicht
zufrieden mit der von ihm beanspruchten günstigen Position
verdächtigt Chwolson auch noch den Text des Berossos,
unterschätzt die Zeugnisse der Griechen und erklärt nach
Belieben ihm lästige Resultate der neueren Forschungen für
leere Hypothesen; ferner construirt er ein eigenes System^
UND IHRE GESCHWISTER. 705
in welchem alles Moderne, das bei Ibn Wahshijjah vorkommt,
als nur modeiH im Gegensatze zu einem vorausgegangenen
babylonischen Alterthume untergebracht wird; er schlägt
alle durch die massenhaften Anachronismen hervorgerufenen
Zweifel mit dem triumphirenden Zurufe nieder: ;,Wer kann
beweisen, dass das und das im vierzehnten Jahrhundert v. Gh.
nicht wirklich gewesen ist?^' — er schwingt die Fahne des
längst abgethan gewähnten Euhemerismus hoch; postulirt
für seine Clienten einen neuen und ganz besonderen Massstab
der Beurtheilung und stellt Betrachtungen an über die negie-
rende Kritik der dreissiger Jahre — und der vierziger und
der fünfziger, hätte er hinzufügen sollen, und, so Gott will,
auch der sechziger — in der Art, wie sie der Pharisäer über
den Zöllner anstellte. Von einem so völlig incommensurablen
Standpunkte aus getraute ich mir die Echtheit der Producte
des Annius von Viterbo und jeder beliebigen anderen Fälschung
aufrecht zu erhalten: und ich glaube gern, dass es weder
mir noch einem Anderen gelingen wird, Chwolson in solcher
Weise zu widerlegen, dass er selbst sich für widerlegt be-
kennt Auf diese Art aber wird es ihm zwar gelingen, wie
bisher durch seine originelle ^ scharfsinnige und beinahe
fanatisch warme Darstellung viele Leser zu einer vorüber-
gehenden Gläubigkeit zu verleiten, aber nicht, die gelehrte
Welt dauernd von der Richtigkeit seiner Ansichten zu über-
zeugen.
XXX.
Was ist von einer Herausgabe der Geistesproducte
Ibn Wahshijjahs zu erwarten?
Ueber den Werth der nabatäischen Schriften äussert sich
Ghwolson in einer mit dem Eindrucke, den die bisherigen
Mittheilungen auf mich und auf andere nüchterne Beurtheiler
gemacht haben, im grellsten Gontraste stehenden Weise,
z. B. S. 170: „Das Werk des Babyloniers Tenkelüschä ist ein
Schatzkästlein, voll von Edelsteinen und Perlen: ich habe
hineingegriÖ'en und einige wenige derselben ausgestreut; die
Nabatäische Landwirthschaft dagegen ist ein ga\)zes Gebirge,l03
▼. OuTsCHMiD, Kleine Sohriften. II. 45
706 DIE NABATAEISCBE LANDWIRTE SCHAFT
gefüllt mit Gold, Silber und Edelsteinen: ich habe dieselben
unberührt gelassen, nnd beschränke mich darauf . . . einige
Schachte zu eröffnen." Sehen wir von diesen wahrhaft orienta-
lischen Hyperbeln ab, so ist es wohl nicht zu bezweifeln,
dass sich aus den nabatäischen Schriften, auch wenn wir sie
einfach als Producte des Ihn Wahshijjah behandeln, durch
Vergleichung mit der Religion der Mendäer und den
Lehren der Earmathen mancher interessante Aufschluss
über die culturgeschichtlichen und religiösen Zustande Baby-
loniens in den ersten Jahrhunderten der muhammedanischen
Herrschaft wird ableiten lassen, und dass es einer ver-
gleichenden Kritik vielleicht selbst gelingen wird, einzehie
Stücke auf ältere echte Quellen aus vorislamischer Zeit
zurückzuführen: aber für die Eenntniss des wirklichen baby-
lonischen Alterthums ist der Werth jener Schriften voll-
kommen Null. Von meinem vorwiegend historischen Stand-
punkte aus kann ich es nur auf das Tiefste beklagen, dass
Zeit, Kosten, Fleiss, Mühe aller Art auf ein derartiges Mach-
werk verwandt werden sollen, so lange noch die beiden
Fundamental werke der arabischen Historik, so lange Tabari
und Massud! gar nicht oder doch nur zum kleinsten Theil
veröffentlicht, geschweige denn durch Uebersetzungen einem
grosseren Kreise von Gelehrten zugänglich gemacht worden
sind.^) Allerdings aber hat die Frage noch eine andere Seite.
1) WSjre nur wenigstens bei den zahlreichen Pnblicationen späterer
orientalischer Geschichtsbüclier etwas planmässiger zu Werke gegangen
worden! Man würde z. B. von dem trotz seines späten Zeitalters durch
seine Benutzung unzugänglicher älterer Quellen recht brauchbaren
Mirchond eine fortlaufende Geschichte aller persischen Dynastien von
den Pischdadiern bis zu den Ghuriden im Urtext und in der Ueber-
setzung besitzen, wenn nicht die vier Seiten, auf welchen die Geschichte
von Iskanders Tod bis auf Ardeshir abgehandelt ist, noch heute ihres
Herausgebers oder doch üebersetzers harrten. Wollte sich doch ein-
mal ein Orientalist die kleine Mühe nehmen, diese störende Lücke
auszufüllen I Das Material ist leicht zugänglich: besitzt die Pariser
Bibliothek drei Manuscripte des Raudzath e\'(}&f&, so hat auch die
Bibliothek der deutschen morgenländischen Gesellschafb ihre zwei auf-
zuweisen, die den betreffenden Passus enthalten, Nr. 272 und 278, von
denen die erste, vollständigere auch die bessere ist; auch enthält die
UND IHRE GESCHWISTER. 707
So werthlos aach die abergläubische Pflanzenphysiologie der
Nabataiscten Landwirthscbaft ist^ so verdient doch nach dem
ürtheile Meyers, der hierin vor Allen competent ist, das,
was bisher von ihrer speciellen Pflanzenkunde, ihren an
Brauchbarkeit mit denen des Dioskorides wetteifernden
Pflanzenbeschreibungen , ihrer ausgedehnten , durch ihren
Reichthum die der Griechen ergänzenden Heilmittellehre be-
kannt geworden ist, die vollste Beachtung und lässt aus dem
Originale bedeutende Aufschlüsse über die arabische Botanikl04
erwarten. Und in dieser Hinsicht muss auch ich den schon
von Meyer, Geschichte der Botanik ITI S. 59 ausgesprochenen
Wunsch, dass das vielbesprochene Werk endlich herausgegeben
werden möchte, als nicht unberechtigt anerkennen; nur möchte
ich, da der Werth von Ihn Wahshijjahs Schriftstellerei
lediglich in seinen botanischen und medicinischen Mit-
theilungen zu suchen ist, den Wunsch aussprechen, dass der
künftige Herausgeber sich bei seiner Arbeit des Beistandes
eines gelehrten Naturforschers versicherte.**) Man darf nicht
zweifeln, dass sich zum Herausgeber Herr Professor Chwolson
einerseits durch seine eingehende Kenntniss der Ausgänge
des orientalischen Heidenthums, andererseits durch seine an-
dauernde Beschäftigung mit Ibn Wahshijjahs Schriften vor
Allen qualifiziren würde, wollte er nur seinem Autor gegen-
über eine unbefangenere Stellung einnehmen und die un-
dankbare Rolle eines Advocatus diaboli mit der angemesseneren
eines vomrtheilsfreien Untersuchers und Richters vertauschen.
Bombayer Ausgabe den Mirchond wobl vollständig (die gedruckte
türkische Uebersetzung nmfasst bloss den ersten Theil, die Geschichte
der Propheten).*)
*) [Vgl. Müblau and Gatschmid, Zur Geschichte der Arsakiden
in der Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft Band XV
S. 664-689. F. R.]
**) [Vgl. unten S. 718. F. R.]
45
708 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
E X c u r s.
üeber Teukros den Babylonier.
Das längste Fragment des Babyloniers Teukros ist von
dem im elften Jahrhundert lebenden Michael Psellos auf-
bewahrt in dem Buche IIsqI ^agado^&v ävayvcaöfid'
rmv (bei Westermann, Paradoxographi p. 147 f.) und
lautet in deutscher Uebersetzuug, wie folgt: „Aus den Büchern
Teukros' des Babyloniers kann man viele höchst wunderbare
Dinge lernen und sich mit Hilfe der darin befindlichen^)
ThierkreiszeicheD, der bei jedem derselben aufgehenden Gegen-
stände (xiäv naQavarskXovtcDV ixdöto} xovteav) und der so-
genannten Dekane vielfache Chancen bei verschiedentlichen
Verrichtungen verschaflfen. Es sind nämlich in jedem Thier-
kreiszeichen drei Dekane auserwählt, mannigfaltig gestaltet^
der eine als Beilträger, der andere mit dem Attribute einer
anderen Figur versehen; gravirst du nun deren Figuren
und Attribute in den zur Aufnahme des Steines bestimmten
Kingkasten, so werden sie Unheil von dir abwenden. So,
wie gesagt, Teukros und die, welche nach seiner Art die
himmlischen Zeichen studiert haben/' Kürzer lauten die
Worte des älteren Porphyrios in der Introductio in
Ptolemaei librum de effectibus astrorum (p. 200 ed.
l05Basi].): „Dargelegt sind^) die Einwirkungen {za dxotsXdö^ta)
der Dekane, der bei ihuen aufgehenden Gegenstände (täv
nttQavazBkXovrov avrotg) und der Bilder (nSv nQ06&7tmv)
von Teukros dem Babylonier/' Stücke aus dem Buche des
Teukros sind handschriftlich erhalten, aber noch nicht ge-
druckt Am wichtigsten ist die Notiz des Catalogus codd.
Graecc. bibl. Laurentianae (ed. Bandini) II p. 61: Plui
1) So etwas verlangt der Sinn mit Noth wendigkeit; Salmasius*
Aenderung iv ovgavm für das überlieferte, allerdings verderbte h
avz€o ist unpassend: ich zweifle nicht, dass xmv ivovrmv ^mdüov za
schreiben ist.
2) Für iynsivtai, ist schon in der Baseler Ansgabe richtig ^xnsivtai
vermuthet worden.
UND IHRE GESCHWISTER. 709
XXYIIIy cod. 34 continens ^Eq^lov largov ^a&rj^attxd etc.
(Codex Graecus membranaceus ms. in 4. saec. XL): p. 134^
IIsqI täv xaQttvarekXovrav xotg ß' ipdioig xatic TevxQOv.
Inc. Tp XQi^ naQavatikXovftiv aXiBvg etc. Des. xlriQovo^ünv
driloL Subuectitur p. 136^ observatio horarum uniuscuiusque
diei et dieram ipsorum secundum Septem planetas. Weniger
genau ist eine Nachweisung bei Ph. Labb^, Nova biblio-
theca mss. librorum (Paris. 1653^ 4.)^ p. 278^ die ich aber
doch ganz mittheilen will, theils um weitere Nachforschungen
zu erleichtern^); theils weil man aus den Umgebungen des
Teukros sieht , wess Geistes Eind er ist Labbe führt nach
den Gatalogi bibliothecae Regiae, qui a. 1622 opera N. Rigaltii,
Gl. Salmasii et lo. Hautini primum perfecti^ a. 1645 opera
fratrum P. et lac. Puteanorum denuo recogniti et aucti fue-
runt, als No. 460^) folgenden Godex an: Astrologica ex
Leone Philosopho, Theodosio^ Yalente, Demetrio, Rhetorio;
DorotheO; Maximo^ Hephaestione^ Zoroastre, Manethone, Paulo
Alexandrino, Theophilo^ GritodemO; Zeuchro (sive Teucro) et
luliano; Alphabetum Lidicum; unde fiant cometae, ex Posi-
donio; xegl dötigayi/ Siaxxovxmv (sie); de lapidibus ad sedandas
tempestates; remedia physica ex Damostrato et Timotheo;
theoriae lunares; canonia apotelesmatum lunarium; nBql aifuia-
6i£v noXsvovxmv Kai dtsnovxmv döxigtov] Decades; de effectibus
stellarum^ quum in eadem mansione concurrunt, et plura alia.
Ueber die Zeit; der Teukros der Babylonier angehört, steht
nur so viel durch die Anführung bei Porphyrios sicher, dass
er vor dem dritten Jahrhundert n. Gh. gelebt hat
Weiter käme man, wenn man ihn nach dem Vorgänge
K. Müllers, dem Ewald beigestimmt hat, mit einem gleich-
namigen Historiker aus Kyzikos identificiren dürfte. Es lässt
sich hierfür anführen, theils dass der Letztere ein Buch ,^über
goldhaltige Erde'' geschrieben hat, Alchymie und Astrologie
aber Schwesterdiscipliuen sind, theils dass eine Verbindung
1) Es ist mir nicht gelungen, in dem gedrackten Kataloge die
Handschrift wiederzufinden.
2) 360 erweist sich dnrch die Reihenfolge der Nummern als
blosser Druckfehler.
710 DIE NABATAEISCHE LANDWIRTHSCHAFT
zwischen Babylon und Kyzikos anch sonst nachweisbar ist:
der Historiker Agathokles heisst bald Babylonier, bald Eyzi-
loekener. Wäre diese Gleichsetzung so sicher, wie man wünschen
möchte, so wäre damit die Zeit unseres Astrologen ermittelt
Obgleich nämlich Teukros der Eyzikener in die Kategorie
der Autoren aus unbekannter Zeit gestellt zu werden pflegt,
so lässt sich doch aus dem Charakter seines Schriftthums
ein sehr bestimmter Rückschluss auf sein Zeitalter machen.
Er schrieb ausser jenem metalleutischen Buche noch Folgendes:
lieber Byzanz; 5 Bücher Thaten des Mithridates; 5 Bücher
über Tyros; 5 Bücher Arabische Nachrichten; eine Jüdische
Geschichte in 6 Büchern; 3 Bücher Gymnastische Ausbildung
der Epheben in Eyzikos: und Anderes, wovon uns aus
Fragmenten die ,,Definitionen^ (Räthsel in Hexametern) und
ein etymologisches Werk bekannt sind. In diese scheinbar
ganz diffuse Schriftstellerei kommt sofort Einheit, wenn man
annimmt, dass der Verfasser bald nach den Thaten des
Pompejus schrieb. Dass Teukros sich eingehend mit vater-
ländischer Geschichte beschäftigt hatte, lehrt seine Schrift
über Gymnastik. Für Kyzikos hatte der dritte Mithridatische
Krieg durch die lange Belagerung, welche es Seitens des
Mithridates aushielt, eine ganz besondere Bedeutung erhalten:
ihn zu beschreiben, lag also einem Kyzikenischen Historiker
vor Allen nahe. An den dritten Mithridatischen Krieg reihte
sich die Unterwerfung der Juden, an diese der Zug gegen
das arabische Volk der Nabatäer: mit diesen beiden merk-
würdigen Völkern wurden die Römer damals zuerst näher
bekannt, ihre Geschichte dem griechisch-römischen PubUkum
zu erschliessen hatte gerade damals besonderes Interesse.
Das Werk über Byzanz lässt sich als ein Beiwerk der Unter-
suchungen über Kyzikos auffassen — beide Städte standen
zu einander im Verhältnisse der biiovoia, die hier einen wirklich
politischen Charakter hatte (vgl. Marquardt, Cyzicus und sein
Gebiet, S. 141) — das über Tyros als nothwendige Ergänzung
der jüdischen Geschichte. Ich zweifele also nicht, dass der
Kyzikener Teukros in der Mitte des ersten Jahrhunderts v. Ch.
schrieb; zu jeder anderen Zeit würde die Wahl des so aus-
UND IHRE GESCHWISTER. 711
einander liegenden Stoffes seiner Schriften ganz unerklärlich
sein und diesen jeder leitende Gesichtspunkt fehlen. So viel
ist aus griechischen Quellen über Teukros bekannt.*)
Nachschrift.
Als von der vorliegenden Abhandlung bereits fiinf Bogen
gedruckt waren ^ erhielt ich zwar nicht die S. 1 angeführte
Arbeit Renans, wohl aber eine Nummer des Journals lln-
stitut (Avril-Mai 1860, p. 37—44), welches eine eingehende
Analyse des von Benan in der Akademie gelesenen Memoires
über die Nabatäische Landwirthschaft enthält. Ich ersehe
daraus, dass derselbe die wesentlichsten Beweisgründe, warum
dieses Werk einer sehr späten nachchristlichen Zeit ange-
hören muss, früher als ich, und kürzer und sauberer, als esl07
vielleicht mir möglich gewesen ist, zusammengestellt hat.
Abgesehen von den schon von Ewald und Anderen gegen
Chwolson geltend gemachten Argumenten sind es namentlich
folgende Punkte, die, theils um die Priorität des berühmten
Gelehrten zu constatiren, theils als werthvolle Ergänzungen
meiner Beweisführung, werth sind, hervorgehoben zu werden.
Renan hat betont, dass das Buch des Thenkeloshä geiiau
dieselbe Physiognomie hat, wie die des Qüthsämi und Jär-
büqä; „es ist, sagt er, dieselbe Wissenschaft, derselbe reli-
giöse Zustand, es sind dieselben Celebritäten, dieselben apo-
kryphen Traditionen, es ist mit einem Worte dieselbe Schule."
Es sei undenkbar, dass Schriften, die sich so ähnlich sehen,
1500 Jahre auseinander liegen sollten. — Ferner hat schon
Renan darauf aufmerksam gemacht, dass die Ableitung des
Nimrod von Kanaan bei arabischen Historikern und Geo-
graphen vorkommt, die kanaanäische Dynastie in Babylon
aus dieser Genealogie gefolgert, also biblischen Ursprungs
ist. — Sehr richtig hat er das Schiefe in dem von Chwolson
versuchten Vergleiche der vorgegebenen Stabilität der baby-
lonischen Sprache mit der Fortdauer des Verständnisses der
alten Mo'allaqat unter den Arabern aufgedeckt: „die politi-
*) [Vgl. Band I S. 15. F. R.]
712 DIE NABATAEISCHB LANDWIRTflSCHAFT
sehen und religiösen Umwälzungen Chaldäas waren zu tief
einschneidend gewesen, als dass die. Sprache eine solche
Identität hätte bewahren können^^ — Renan hat sich zuerst
das Verdienst erworben, es auszusprechen, dass die in den
nabatäischen Schriften auftretenden hebräischen Patriarchen
(unter die er auch den Lot rechnet) nicht bloss der Bibel,
sondern noch mehr jüdischen apokryphen Traditionen ihren
Ursprung verdanken.^) Ebensowenig ist es ihm entgangen,
dass der babylonische Hermes eine Erfindung der Sabier ist:
„die arabischen Polygraphen, sagt er, stellen dm Hermes
auch als Chaldäer dar, und halten fQr Zfige der babyloni-
schen Mythologie eine Masse von Zügen der späten griechi-
schen Mythologie, welche der Synkretismus der ersten Jahr-
hunderte unserer Zeitrechnung in Ghaldäa eingeführt hatte.^
— Den Zusammenhang der nabatäischen Lehren mit Dogmen
gnostischer Secten scheint Renan auf einem anderen Wege
wie ich, nur in viel umfassenderer Weise nachgewiesen zu
haben; nicht minder hat er gezeigt, dass der Gesichtskreis
der Nabatäischen Landwirthschaft der der späteren Neu-
platoniker ist. Den modernen Charakter derselben schildert
er trefiend mit folgenden Worten: „Da ist keine Grossartig-
keit in der Exposition; ein subtiler Gedankengang, an das
Kindische streifend — mit einem Worte, sehr analog dem
losder arabischen Polygraphen, überall der breite und weit-
schweifige Stil der Zeiten, wo man viel schreibt, weil das
Papier oder die Schreibmaterialien allgemein verbreitet sind.
Daher im ganzen Werke ein wesentlich persönlicher und
reflectirter Charakter. Im geraden Gegensatze zu Werken
des hohen Alterthums, wo der Verfasser völlig verschwindet,
um nur die Lehre, welche er auseinandersetzt, und die That-
sache, welche er erzählt, hervortreten zu lassen, befinden wir
uns hier kleinlichen Streitigkeiten polemischer Natur gegen-
über, Schriften gegenüber, welche Gattungen der Literatur
1) Soeben macht mich Herr Professor Anger auf einen neuen
starken Beweis für die Abhängigkeit Qüthsämis von der Bibel auf-
merksam; der von ihm erwähnte Name Immanuel ist ein von Jesaja
erfundener.
UND IBRE GESCHWISTER. 713
angehören, die das Sinken des menschlichen Geistes be-
zeichnen/^ — Auch Renan ist, wie ich, frappirt durch den
Mangel aller Berührungspunkte mit echten Quellen; von den
babylonischen Königsnamen bei Qüthsämi sagt er: ,,es ist
schwer eine Namenreihe zu finden, die den Philologen, den
Historiker weniger anregte wie diese^^ — Die Identität des
TsvxQog = Tinqerüs mit dem Thenkelosha hält Renan für
sicherer, als ich anzunehmen gewagt habe: und diese An-
nahme ist es wohl vornehmlich gewesen, welche den fran-
zösischen Gelehrten abgehalten hat, mit der Abfassungszeit
der nabataischen Schriften über das sechste Jahrhundert
hinauszugehen. Von dem betrügerischen Charakter derselben
ist er übrigens ebenso überzeugt wie ich, hat auch nicht
verfehlt, auf analoge Machwerke, wie das Buch Desäthir,
und ein noch schlagenderes, mir entgangenes Beispiel — die
literarischen Betrügereien der Mendäer — aufmerksam zu
machen.
Soviel über den reichen Inhalt jenes kurzen Aufsatzes.
Ueber den Standpunkt, den die Vertheidigung jener Schrift-
stücke bisher eingenommen hat, äussert sich Renan in wenig
Worten, die meinen vollen Beifall haben und die um ihrer
epigrammatischen Kürze willen besonders bemerkt zu werden
verdienen: „La critique qui se retranche obstinement dans des
possibilit^s, peu soucieuse d'accumuler contre eile les invrai-
semblances, est irrefntable sans doute; mais eile n'est plus
la critique/^
Als Anhang zu vorstehender Abhandlung giebt der Unter-
zeichnete einige Nachträge zu den in den „Zusätzen und Ver-
besserungen'^ zu Professor Ghwolsons Schrift: „Ueber die
Ueberreste der altbabylonischen Literatur'^ S. 178 ff. von ihm
herrührenden Bemerkungen.
S.12, Anm.l2, Z.3 „v^^o>l^^" 1. yM^ J^Lj jj.
fui, Plural von SjmJ, sind kurze Sätze aus einer Wissen-
schaft, kurze Stücke aus einer Schrift u« s. w.; siehe H. Gh.
714 DIE NABATAE18CHE LANDWIBTHSCHAFT
109VI S. 330 flf. die mit ^ (nicht „radii'O anfangenden Bücher-
titel. OjL, Plural von SLSjL, sind Curiosa; interessante
wissenschaftliche oder literarische Einzelheiten (s. Dietericis
Mutanabbi und Seifuddaula S. 148 Anm. **), wie in dem
Buchtitel bei H. Ch. VI S. 297 drittletzte Z. J)al\j v^l.
Endlich v.^, Plural von Rikci^ sind Excerpte^ aus einer
Wissenschaft oder Schrift ausgehobene Stücke; s. die Bücher-
titel bei H. Ch. VI Nr. 13560, 13561, 13564 und 13565. —
S. 14, Anm. 15, Z. 3 „^Ls:^!" 1. j^^l. — S. 21, Anm. 29,
Z. 8 fehlt hinter Jf. das Wort tJ^, oder man muss sAil
lesen. Z. 11 ist, wenn man mit Cod. L. a (s. S. 180, Col. 1,
Z. 15) %^yf v-./.ÄtL liest, zwischen j^^l und J^^J! tJ^
noch jyi\ ^ einzusetzen. — S. 53, Anm. 96, Z. 2 „»;a£"
1. \j>jxt. — S. 54, Anm. 96, letzte Z. „sue^LaJf" 1. sub^UJI.
Professor Chwolson meint zwar S. 182, su^.ÜuJt sei auch
nicht unpassend, denn nach Golius bedeute dieses Wort
dasselbe wie &3.LaJ|, was bei Freytag fehle. Aber y^.Cb
ist hier nicht, wie Professor Chwolson angenommen hat,
„digladiatus fuit, pugnavit^ sondern „mercaturam exercuit
accepta ab alio pecunia, ut certa conditione lucrum illi
commune esset'', und diese Bedeutung hat Freytag- unter
(jb.Lä allerdings in den Worten: „mutuo creditoque dedit,
ut lucri ex mercatura redeuntis certam partem cum sorte
reciperet." Der Kämüs verweist unter (^jl3 ausdrücklich
auf diese von ihm unter ^jLa gegebene Begriffsbestimmung;
auch bildet die SbjL^ in diesem Sinne ein besonderes Capitel
des muhammedanischen Rechts, s. von Tomauw, Das mos-
lemische Recht S. 118 ff. — S. 58, Anm. 103, Z. 5 von unten
„jO^'' 1. vS^ (das J als J^UJt S^^JiÄi ^^1 vom Infinitiv
Jk4x. regiert) und vor SL^J^t setze man ^ oder sXac ein:
„und so wahr ich lebe, die Verfertigung dieser Bilder durch
DKD IHEE GESCHWISTEB. 715
den Menschen selbst, welcher das Opfer darbringen will,
sichert ihm eine grössere Belohnung von (oder bei) den
Göttern'^ Jaci ist, wie diese Elative oft, von der Causativ-
form des Verbums gebildet, soviel als ULLcl JU^I . — S. 62,
Anm. 107, Z. 2 „IJ^" 1. »Sj>. — S. 88, Anm. 171, letzte Z.
„>3rj« >A.j. — S. 94, Anm. 185, Z. 20 „XSj*' zu
streichen. — S. 99, Anm. 198, Z. 4 „^^JÜLä-j" und Z. 5ilo
t« ut ut
,^JJL^" 1. ^»^JUbfcj und JJLp : „Gott umkleidete sie mit
seinem Lichte, welches die Eigenschaft hat, dass, wenn
Jemand damit umkleidet ist, er nie stirbt/' Bei dem
Versuche 8. 187, das . durch Hinweisung darauf zu retten,
dass in der Nabatäischen Landwirthschaft wirklich von
gewissen Frommen und Heiligen des babylonischen Alter-
thumes die Rede sei, denen Gott sein Licht habe in wohnen
lassen, übersieht Professor Chwolson, dass dazu weder die
IM
Construction noch die fünfte Form JJL^MS passt; es mfisste
heissen: 2j\ «lo J*^ ^ ^j<>^^ »j^ q-« I«4t9 «JJI JJb»-^. —
Z. 6 „sL.^' SLJu^. — S. 132, Z. 15 „^UäjJ)" oUä^. —
S. 134, Z. 13 ist statt „über das — hinzeigen'' zu schreiben:
über die Verhältnisse der in denselben Geborenen, auf welche
sie hinzeigen. — S. 140, Z. 2 statt „einige — treiben" schreibe:
ein Grieche erfasst sie und treibt. — S. 147, Anm. 325, Z. 1
„^oUj" !• ^^Uj. — S- 154, Anm. 355, Z. 6 von unten
„u3y;l" 1. ol/;l. Z. 4 von unten „J^lj" 1. lyd!^,
Infinitiv von y^yj; „»OJ^'^ 1. »«^1^, seiner (körperlichen)
Stoffe. — S. 181, Col. 2, Z. 8 von unten „*^f" zweimal,
1. ^Lfeill. - S. 188, Col. 1, Z. 20 „(jisÄ^" 1. uAi^. Z. 4
G # G
von unten „v..,-uu«a3" und „Luuyöä" 1. v^/uuß3 und Luuhä. Col. 2,
716 DIE NABATAEiSCHE LANDWIRTHSCHAFT.
Z. 20 und 21 ist zu schreiben: ;,Pag. 135, Antn. 289, Z. 1
1. !L».^JJi statt &s>-^JJi; l«ö statt «ji; Z. 2 1. ^Ls.| statt
^Ls»!." — S. 189, Col. 2, Z. 13 „v^x/j" I. v,**/^ . Dritt-
letzte Z. „saLs-" 1. »3L^. — S. 194, Col. 1, Z. 17 ^!y;>J{
1. ^\yZ"3\, Col. 2, Z. 18 „in ^j^'^ 1. aus ^j*,. — Ich kann
diese immer noch nicht ganz vollständige Berichtigung von
Schreib-, und Druckfehlern nicht schliessen, ohne Herrn Pro-
fessor Chwolsoh zu bitten^ er möge bei der Herausgabe der
Nabatäischen Landwirthschaft doch ja für eine recht genaue
Correctur Sorge tragen, um sich selbst und Anderen das
unangenehme Nachhelfen in dieser Beziehung zu ersparen
oder wenigstens zu erleichtem.
Fleischer.
XVII.
War Ibn Wahshüjali ein nabatäisclier Herodot?*)^)
Meine Abhandlung „Die Nabatäische Landwirthschaft 67
und ihre Geschwister^' (Zeitschrift der deutschen morgen-
ländischen Gesellschaft XV S. 1£P. [oben S. 568 ff.]) hat Herrn
Professor Ewald, der zuerst (Göttinger Nachrichten 1857
S. 141 ff.) in den nabatäischen Schriften eine reiche Quelle
von Erkenntniss des babylonisch - assyrischen Alterthumes
entdeckt und dadurch mehr noch als Chwolson durch sein
übertriebenes Lob das Urtheil der gelehrten Welt über Ihn
Wahshijjahs Uebersetzungen fürs Erste bestochen hatte,
Gelegenheit gegeben, in einer Abhandlung ,,Zur weiteren
Würdigung der nabatäischen Schriften '^ in den Gottinger
Nachrichten vom 15. Mai 1861 auf die betreffende Frage
zurückzukommen. Er redet da von ,,grundlosen allgemeinen
Verdächtigungen" und wiederholt diesen Vorwurf, um ihn
recht glaubhaft zu machen, fast mit denselben Worten nicht
weniger als fünf Mal (S. 93. 94. 95. 111. 113): wer meine
*) [Berichte über die VerhandlüDgen der kgl. B&chBischen Gesell-
schaft der Wissenschaften zn Leipzig. Philologisch-historische Classe.
1862 8. 67 — 99. Statt der Uebersohrift heisst es dort: „Herr von Gut-
schmid beantwortete die Frage: War Ibn Wahshijjah ein nahatäischer
Herodot?]
1) Vorstehenden Aufsatz hatte ich im October 1861 der Bedaction
einer mir vorzagsweise geeignet scheinenden Zeitschrift zugestellt nnd
erfahr erst fast nach Jahresfrist, dass Zweckmässigkeitsgründe die Auf-
nahme in dieselbe unmöglich machten. In der von mir nicht ver-
schuldeten Verspätung konnte ich um so weniger einen Grund zur
Unterdrückung des Aufsatzes finden, als nur zu leicht in wissenschaft-
lichen Fragen, über die Ewald sein Wort gesprochen hat, Verstummen
als Furcht gedeutet werden kann.
718 WAR IBN WAHSHIJJAH
Schrift gelesen hat, hat sich überzeugen können^ dass ich
mich durchaus nicht auf Gemeinplätzen bewegt, soudern für
jede Behauptung genaue Beweise beigebracht habe. Ueber-
68 dies erklärt er meine Untersuchung als ,,für die Wissenschaft
leicht sehr schädlich wirkend^', und wiederholt auch diese
Insinuation des Nachdrucks halber zweimal (S. 93. 95): in-
wiefern aber eine durchaus bei der Sache bleibende Dar-
legung einer ehrlichen wissenschaftlichen Ueberzeugung der
Wissenschaft schädlich sein soll, erfahren wir nicht. Am
Schlüsse S. 113 sprach Herr Professor Ewald allerdings die
Besorgniss aus, die Veröffentlichung dieser Schriften konnte
durch solche grundlose allgemeine Verdächtigungen leiden,
und bemerkte deshalb: „Hätte die Nabatäische Landwirth-
Schaft auch nur für die Naturwissenschaften den nicht ab-
zuleugnenden Nutzen, welchen ihr ein so fachkundiger Mann
wie der Eonigsberger Ernst Meyer in seiner Geschichte der
Botanik, trotz seiner Vorurtheile gegen die älteren nicht
griechisch-römischen Werke zuschrejbt, so würde sich ihre
Herausgabe vielfach lohnen."^) Sechs Zeilen vorher aber
fand derselbe Gelehrte, hätten Renan oder ich das Recht
für sich, „so wäre es in der That kaum der Mühe werth,
auch nur an die Nabatäische Landwirthschaft als das Haupt-
werk dieses gesammten Schriftthums die grosse Mühe einer
1) Diese von mir (Zeitscbrifl XV S. 103 [oben S. 707]) getheilte
Auffassung ist nach den Bemerkungen von Jessen und Steinschneider
kaum noch haltbar: wenn Ibn Wahshijjah auf allen möglichen anderen
Gebieten gefälscht hat, warum sollte er nicht auch Beschreibungen
von Pflanzen, die gar nicht existiren, erschwindelt haben? Mit Recht
führt Steinschneider (Zur pseudepigraphischen Literatur insbesondere
der geheimen Wissenschaften des Mittelalters, aus hebräischen und
arabischen Quellen. Berlin, in Commission bei Asher, 1861, 8^) S. 5. 10
zwei andere viel schwerer wiegende Gründe fSr eine Herausgabe der
Nabataischen Landwirthschaft an, dass man erst so die aus ihr in
spätere Schriften übergegangenen Angaben kennen lernen und die
Spreu vom Weizen wird scheiden können, und dass sie für Pseudepi-
graphie und somit für die Nachtseite im Geistesleben der arabischen
und jüdischen Literaturkreise des neunten Jahrhunderte erhebliche
Resultate verspricht.
EIN NABATAEISCHER HERODOT? ^ 719
•
Herausgabe und Uebersetzung zu wenden/^ Da demnach
Herr Professor Ewald selbst noch nicht recht zu wissen
scheint, worin der von mir der Wissenschaft zugefügte
Schaden eigentlich besteht, so wird man es uns nicht ver-
argen^ wenn wir uns aller Grübeleien über die Wechsel-
beziehungen zwischen meiner Arbeit, Herrn Professor Ewalds
Aerger und dem der Wissenschaft erwachsenden Schaden
enthalten und vielmehr zu einer näheren Prüfung der Gründe
übergehen, mit welchen die Göttinger Yertheidigung den 69
Ibn Wahshijjah über dem Wasser zu halten sucht.
I.
Ihr nächstes Streben ist natürlich auf die Beseitigung
des verrätherischen Zeugnisses der von Hammer heraus-
gegebenen Ancient alphabets gerichtet. Darin, dass Hammer
dieses Buch für ein echtes Ibn Wahshijjahs hielt, sieht
Ewald nur eine Probe seines schwer wiegenden Leichtsinns
und kann es noch weniger billigen, „dass noch jetzt in der
D. M. G. Z. auf sein Zeugniss einer der gewichtigsten Gründe
zur Verwerfung aller nabatäischen Schriften gestützt wird."
Letzteres ist unrichtig: wer meine Arbeit gewissenhaft
geprüft hat, wird gefunden haben, dass ich dem Zeugnisse
des Shauq el-Mustahäm auf die Untersuchung über Echtheit
oder Unechtheit des nabatäischen Schriftthums nicht den
geringsten Einfluss, sondern nur dafür entscheidende Beweis-
kraft eingeräumt habe, dass Ibn Wahshijjah nicht der Be-
trogene, sondern der Betrüger gewesen ist. Gelänge es
Ewald selbst zu erweisen, dass das Shauq el-Mustahäm dem
Ibn Wahshijjah untergeschoben worden ist, so würde dieser
Letztere nur etwas minder gravirt dastehen, an meinem
Ergebnisse selbst, dass die nabatäischen Schriften nicht vor
700 n. Ch. geschmiedet worden sein können, würde nicht
das Geringste geändert. Uebrigens dürfte ich auf eine
glimpflichere Auffassung meiner Ansicht von den Ancient
alphabets von Seiten Ewalds um so begründeteres Anrecht
haben, als dieser grosse Gelehrte hier ganz vergisst, dass er
selbst nur vier Jahre früher in den Göttinger Nachrichten
720 WAR IBN WAHSHIJJAH
18«57 S. 150 die in dem Shauq el-Mustafaäm (p. 131) ent-
haltene Notiz von Janbüshäd als Stammyater und Lehrer
der Kurden ; ohne auch nur den leisesten Zweifel an der
Echtheit der Quelle zu äussern, unter die „yielen. Gründe'^
gerechnet hatte^ die „för ein hohes oder gar ganz ungemein
hohes Älter wenigstens sehr vieler Theile des Werkes (der
Nabataischen Landwirthschaft) sprechen'^
Unter den schon von Silvestre de Sacj im Magasin
encyclop^dique VI (1810), p. 149 dagegen, dass das Shauq
el-Mustahäm ein Werk des Ihn Wahshijjah sei, geltend ge-
machten Gründen hat Ewald den einen, die Betonung der
religiösen Bedenken, die in so früher Zeit der Abfassung
eines so viele Thierbilder enthaltenden Buches hätten ent-
70 gegenstehen müssen, mit Recht fallen lassen: abgesehen davon,
dass Sacy den Ibn Wahshijjah für älter hielt, als er ist, und
dass derselbe, wie wir jetzt wissen, Alles eher war als ein
rechtgläubiger Moslem, darf auch nicht übersehen werden,
dass in der Hieroglyphenreibe p. 85, die sich laut Ueber-
schrift eigens auf lebende Wesen beziehen soll, von 108 Hiero-
glyphen nur 7 wirkliche Thierbilder sind: also war wenigstens
das Alleranstössigste möglichst zu vermeiden gesucht.
Wenn dagegen Sacy hervorhob, dass die Autorschaft
Ibn Wahshijjahs nur auf der Unterschrift des Schreibers be-
ruht und dass in dieser überdies der Name nicht genau aus-
gedrückt ist, so geht Ewald noch viel weiter nnd erklärt
geradezu die Nennung des Verfassers am Schlüsse der Unter-
schrift „hinke bloss nach, als wagte sie sich dennoch nicht
recht ins volle Licht, und stehe hier überhaupt am Ende so
unvorbereitet und so völlig abgerissen, dass Jeder, der die
Abfassung echter arabischer Bücher besser versteht, dennoch
sehr leicht ihr wahres Wesen merket" (S. 96). Als ich
hierüber Männer befragt, denen die gelehrte Welt ein Ver-
ständuiss über die Abfassung echter arabischer Bücher nicht
bestreitet, erhielt ich zu meinem grössten Erstaunen die
übereinstimmende Versicherung, dass diejenige Fassung der
Unterschrift, wie sie sich unter dem Shauq el-Mustahäm
fiudet, gerade die in älterer Zeit ganz gewöhnliche ist Ahmed
EIN NABATAEISCHEE HERODOT ? 721
ben Abu (sie) -Bekr ben Wahsliijjah, wie die Unterschrift
hat, ist allerdings nicht der richtige Name des Verfassers:
allein fehlerhaftes Hinzusetzen oder Weglassen des Wörtchens
ben kommt unzählige Mal vor: die unter der (durch den
fehlerhaften Nominativ besonders gerechtfertigten) Annahme
eines solchen Copistenfehlers übrigbleibende geringe Un-
genauigkeit in der Stellung der Namen Ahmed Abu- Bekr
statt Abü-Bekr Ahmed kann hier, wo es sich nicht um Text-
worte, sondern um eine durch mehrere Handschriften fort-
gepflanzte Unterschrift handelt, unmöglich etwas gegen die
Richtigkeit ihres Inhalts beweisen.
Viel ernsthafter ist der dritte der von Sacy vorgebrachten
Yerdachtsgründe: der grobe Anachronismus am Schluss des
Buches y p. 135. Dabei ist aber wohl zu erwägen, erstens,
dass, wie mich zwei über die Stelle zu Rathe gezogene
Orientalisten belehrt haben, gerade in jenem letzten Ab-
schnitte der syntaktische Zusammenhang sehr gestört ist
(einmal stehen die beiden Fürwörter „dieses, jenes'' dicht 71
nebeneinander, ein anderes Mal begegnen wir dem unmög-
lichen Satze „es kam ... in das Beabsichtigte''), zweitens,
dass zweimal hintereinander ein grober Vulgarismus im Ge-
brauche der Negation mit unterläuft: hierdurch erhält schon
von vornherein die Annahme, dass hier ein gewissenloser
Abschreiber sein Wesen getrieben hat, mindestens ebensoviel
Berechtigung als die einer Utiechtheit des ganzen Buches*
Geht man auf das Sachliche ein, so ersieht man aus den
Schluss Worten, dass die Schwierigkeit des von den Kurden
für ihr Eigenthum ausgegebenen Alphabets vom Verfasser
als Grund der späten Herausgabe seiner Schrift angegeben
wird: anfangs habe er die Sprache, zu der dieses Alphabet
gehört, gar nicht ermitteln können, später aber habe er in
Damaskus zwei in ihr geschriebene Bücher entdeckt und
diese vor der Vollendung der anderen Arbeit aus dem Kur-
dischen in das Arabische übersetzt; nun erst, im Verlaufe
von 21 Jahren, lege er die letzte Hand an das Buch über
die Alphabete und mache es zu einem Kleinode für d^n
Bücherschatz des regierenden Ghalifen Abdulmelik ben Mer-
Y. GuTBOBiiiD, Kleine Sohriften. II. 46 .
722 WAR IBN WAHSHIJJAH
wän : Datum 241 Heg. Es ist dies, wie ich von competenter
Seite erfahren habe, eine gar nicht seltene Form der Dedi-
cation, mithin ein recht angemessener Schluss. Ewald aber
wirft diesen Schluss des Verfassers mit der darauffolgenden
Subscription des Schreibers zusammen und redet von einer
„dummdreist langen Unterschrift", die den Verdacht gegen
das Ganze verstärke. Die Subscription enthält: 1) den Namen
des Schreibers der ürhandschrift, 2) deren Datum nach
muhammedanischer Zeitrechnung, 3) das muhammedanische
Datum ^es Tages, an dem die Abschrift begonnen wurde,
4) den Tag der Vollendung derselben nach dem muhamme-
danischen Mondjahre, 5) denselben Tag nach dem türkischen,
dem vorgregorianischen christlichen nachgebildeten Sonnen-
jahre (vgl. Ideler, Handb. d. Chronol. II S. 561), 6) den Titel
des abgeschriebenen Buches, 7) den Namen seines Verfassers.
Dieses Alles ist durchaus sachgemäss, und von der Richtigkeit
der mir von erprobten Kennern orientalischer Handschriften
ertheilten Versicherung, dass ungleich längere Unterschriften
nichts weniger als selten sind, habe ich mich durch den
Augenschein selbst überzeugt. In diesem Falle liegt noch
obendrein der Grund, warum die Subscription der Ürhand-
schrift 80 genau wiederholt worden ist, auf der Hand: der
72 Schreiber legte begreiflichen Werth darauf, dass die von
ihm copierte Handschrift eine so alte, noch dazu von dem
Mitgliede einer berühmten Gelehrtenfamilie herrührende war.
Ewald freilich macht es sich sehr bequem, indem er S. 96
die ganze Namenreihe Hasan ben Fara^ ben ^Ali ben
Däüd ben Sinän ben Thäbit unterdrückt, die Ürhand-
schrift „von dem bekannten Thäbit ihn Qorrah'^ geschrieben
sein lässt und hieraus einen neuen Verdacht gegen die
Authenticität derselben ableitet In dem Stammbaum des
Hasan kennen wir ausser Thäbit ben Qorrah noch dessen
Sohn Sinän als einen namhaften Gelehrten, dessen vier Nach-
kommen sind aber obscure Privatleute gewesen. Weit ent-
fernt, etwas Verdächtiges :su enthalten, trägt die Angabe ein
starkes Zeugniss der Echtheit in sich selbst: Sinän war
spätestens um 260 Heg. (874) geboren (vgl. Chwolson, Die
EIN NABATAEISCHER HERODOT? 723
Ssabier I S. 569), wir erhalten somit, wenn wir die Gene-
rationen nach dem gewohnlichen Ansätze zu 30 Jahren be-
rechnen, die ungefähren Daten: Däüd geb. 904, 'Ali geb. 934,
Fara^ geb. 964, Hasan geb. 994, der demnach im Jahre 413
Heg. (1022) im Alter von etwa 28 Jahren gestanden haben
würde, was ganz angemessen ist. Ist ferner die Subscription
echt, so müssen zwei Daten, das der Vollendung der Copie
und das der Vollendung der Urhandschrift , in sich über-
einstimmend sein, da die Schreiber in Bezug auf das Datum
und den Wochentag, an welchem sie die betreffenden Worte
niederschrieben, natürlich nicht irren konnten. Es ist gewiss
ein gutes Zeichen, dass gerade diese beiden Angaben die
Probe bestehen: der 7. Rabi' el-ächir 413 Heg. war wirklich
ein Dienstag, und der 10. Gumädha el-ächir 1166 Heg. war
nicht nur, wie angegeben, ein Freitag, sondern wird auch
richtig mit dem 2. Nisän (April) des am 1. März 1753 be-
ginnenden türkischen Sonnenjahrs verglichen. Viel leichter
konnte der Schreiber fünf Monate später hinsichtlich des
Wochentages, an welchem er seine Arbeit begonnen, ein
Versehen begehen, sei es bei der Zurückrechnung, sei es im
Gebrauche einer Handtabelle : der 2. Muharram 1166 war nicht,
wie angegeben wird, ein Sonntag, sondern ein Mittwoch.^
Dass vollends in den Schlussworten des Aut(^s der Donners- 73
tag^) nicht zu dem unmöglichen Datum 3. Ramadan 241
Heg! stimmt, ist eher ein gutes Zeichen. Man hat das volle
Recht zu fragen: wie war es möglich, dass ein Fälscher, der
sich in Bezug auf das Datum der Urhandschrift so wohl
vorgesehen, der in der Chronologie der einem vor 60 oder
100 Jahren lebenden Kopten*) doch wahrhaftig fern genug
liegenden Gelehrtenfamilie der Bahü Qorrah sich so wohl
orientirt hatte, um jeden Anachronismus zu vermeiden, dass
— sagen wir — dieser so umsichtige Fälscher sich einen so
1) Warum Hammer in der Uebersetznng „Montag" gesetzt hat,
ist schwer zu begreifen.
2) Hammer hat in der Uebersetzung ,,Dien8tag** interpoliri
3) Ein solcher .soll nämlich nach Ewald S. 97 der Fälscher
gewesen sein.
46*
724 WAR IBN WAHSHIJJAH
plumpen^ für jeden auch nur mittelmässig Gebildeten sofort
in die Augen springenden Schnitzer zu Schulden kommen
lassen konnte, wie den, den Chalifen ^ Abdulmelik ben Merwän,
der von 64 — 86 Heg. regierte , um fast zwei Jahrhunderte
zu spät zu setzen? Die Unvereinbarkeit beider Umstände
ist gerade ein starker Beweis dafür, dass die Schwierigkeiten
in den Schlussworten des Verfassers anders als durch eine
Verdammung des ganzen Buches zu heben sind. Ich hatte
Gelegenheit; vier auf der königlichen Bibliothek zu Dresden
befindliche Handschriften von Muhammed Munshis Tärich
Montecheb zu vergleichen: in den zwei besten unter ihnen
aus den Jahren 981 und 982 Heg. sind sämmtliche Eigen-
namen und Zahlen durch rothe Schrift hervorgehoben: in
der dritten vom Jahre 1094 Heg. fehlen diese von Anfang
bis zu Ende, indem die Ausfüllung der Lucken mit Zinnober-
tinte unterblieben ist; in einer vierten vom Jahre 1004 Heg.
ist zwar Alles rubricirt, aber die Zahlen erweisen sich in
solcher Menge als falsch und reichen, paläographisch be-
trachtet, so gänzlich von denen der guten Handschriften, und
den geschichtlich beglaubigten ab, dass man mit der An-
nahme blosser Schreibfehler nicht ausreicht: ohne Zweifel
fand der Schreiber in der von ihm zu Grunde gelegten
Handschrift viele Lücken vor, deren Ausfüllung unterblieben
war, und ergänzte sie, um nicht durch Lückenhaftigkeit den
Werth seiner Copie herabzusetzen, willkürlich nach eigenem
Gutdünken. Dass nun im Shauq el-Mustahäm nach der Ab-
sicht des Verfassers Einzelnes durch rothe Tinte hervor-
gehoben werden sollte, dafür haben wir sein eigenes Zeugniss
74 in der Vorrede p. 2. Es ist somit eine ganz nahe gelegte
Erklärung, dass es am Schlüsse unseres Exemplars des
Shauq el-Mustaham ebenso hergegangen ist, wie in dem
zuletzt beschriebenen des Tärich Montecheb : das Original
aus dem Jahre 413 Heg. war gegen das Ende hin, wie man
wohl aus dem hier so zerrütteten Zustande des Textes in
der Abschrift zurückschliessen kann, sehr flüchtig geschrieben,
und die Ausfüllung des für den Namen des Chalifen und das
Datum freigelassenen Raumes mit Zinnobertinte war über-
EIN NABATAEISCEIER HERODOT? 725
sehen worden: der unwissende Abschreiber des Jahres 1166
Heg. füllte aus eigener Weisheit den leeren Raum in der
Weise aus^ die bis heute soviel Anstoss gegeben hat, gewiss
nur um seine Copie nicht als unvollständig erscheinen zu
lassen, die zum Verkauf an einen Europäer bestimmt sein
mochte. Letzteres ist darum nicht unwahrscheinlich, weil
sich die Türken bei ihrem Sonnenjahre der christlichen Jahres-
zahl in der Regel nur im Verkehr mit Christen bedienen.
Wenn aber Ewald doch nur auf diese Stelle hin vermuthet,
der wahre Verfasser sei ein koptischer Christ gewesen, der
kaum vor 100 Jahren, vielleicht erst nach der Vertreibung
der Franzosen aus Aegypten geschrieben habe, so hängt
dieser Einfall ganz in der Luft; ein Kopte würde natürlich
nicht die Monatsnamen des türkischen Sonnenjahres, sondern
die koptischen in arabischer Form gebraucht haben.
Den von Sacy gegen die Echtheit des Shauq el-Mustahäm
vorgetragenen Gründen fügt Ewald S. 95 einen einzigen neuen
hinzu: den umstand, dass das Werk „voran als seinen Haupt-
gegenständ — man merke wohl! 70—72 verschiedene Alpha-
bete, nicht mehr und nicht weniger'', enthalte. Ganz ab-
gesehen von der Berechtigung dieses Arguments, über die
sich bei dem Alter der Spielerei mit der Zahl 70 unter den
Semiten denn doch noch streiten Hesse, ist es leicht zu
widerlegen: Ewald hat, weil es ihm so gefällt, die Zählung
mit dem siebenten Capitel abgebrochen, obgleich,
wenn überhaupt ein Abschnitt mitten im Buche seine Be-
rechtigung hätte, dieser doch höchstens zwischen dem achten
Capitel und dem Anhange gemacht werden dürfte: die Summe
der im Ganzen mitgetheilten Schriftarten beträgt 80 oder,
wenn man die Abarten mitzählt, 86.
Mit der äusseren Bezeugung des Buches wird Ewald
schnell fertig: eine nachträglighe Anmerkung genügt ihm
zur Beseitigung ihrer Beweiskraft In einem Punkte aller-
dings behalten Ewald und vor ihm schon Sacy Recht, dass
die Identität des von Athanasius Kircher benutzten Buches 75
des Ibn Wahsbijjah und des Shauq el-Mustahäm zweifelhaft
ist. Man urtheile selbst nach den fünf Erwähnungen des
726 WAR IBN WAHSflIJJAH
arabischen Schriftstellers in Eirchers Obeliscus Pamphilius
(Rom. 1650. fol.)^:
Pag. 113. Ex Arabibus post Christum vero Salamas,
GelaldinuBy Alfaig, et prae ceteris Abenephius et Abenuachsia,
qui omnium scripta sdorum iarium facientes, exacte et feli-
citer nonnullas Aegyptiacae philosophiae partes attigerunt:
ex quorum fundamentis traditis, nos primum verum primaevae
doctrinae sensum subolfacientes ^ veluti ad Ariadnae filum
ductiy non parem nos profecisse confitemur. Nam Aben-
uachsia, quem saepe citat Rambam, primus Aegyptios libros
in linguam Arabicam transtulit, quem nos Melitae, inter
spolia Turcarum repertum, singulari Dei Providentia Arabi-
cum reperimus.
Epist. paraenet. fol. G^ Ex Arabibus, quos passim
citamus, sunt Gelaldinus^ Salamas . . . cum aliis innumeris,
quos passim allegamus, quos inter principem sane locum
obtinet Abenuaschia de cuitu et religione veterum Aegy-
ptiorum, quem citatum reperies apud Rambam in More
Nebuchim; alter est Abenephi.
Pag. 109. Horum eorundem librorum (de cultura Aegy-
ptiorum) mentionem faciunt Arabum scriptores Salamas libro
intitulato ,,Hortus mirabilium mundi^', Gelaldinus in tractatu
de historia veterum Aegyptiorum, Abenephi et Aben Vachasia
de cultura Aegyptiorum et libro de antiquitate, vita, mori-
bus, literis veterum Aegyptiorum, quos penes me habeo, ex
quibus haud exiguum ad hieroglyphicam institutionem sub-
sidium allatum est.
Pag. p2. Alii eum (Trismegistum) tot annos vixisse
existimant, quot prior ille ante dilu vium Hermes, quem Enoch
diximus, videlicet CCCLXV diebus; ita Abenuaschia de agri-
cultura Aegyptiorum: ^J^Jo\ ^ o^^tv^j^ (»U^t U^i-^ a'^^J
^^^U^ÄÄ «aLÄll i^l^ft y^^ »i^ O^^J U'^'^J NiU^* «moäJI
1) Die von Hammer Praef. p. XVII auf Ibn Wafasbijjah gedeutetea
EiDgangBworte der Epistola paraenetica beziehen sich vielmehr auf
Kirchers Hauptquelle, eine Schrift des Abenephi (vielleicht Ibn *Afif,
dessen Buch über die Wunder Aegyptens von Vattier übersetzt wor-
den ist).
EIN N ABATAEISCHER HERODOT ? 727
Jjl jw^ol^ r^^ s^^\j e)^-r"-0 «Et fuerunt anni (1.76
omnes) dies Hermis^ ipse est Adris secundus, trecenti sexa-
ginta quinque anni^ qnibus aequayit annos et tempus Henoch^
ipse Adris primus."
Pag. 400. In quo (obelisco Pamphilio) arcanioris' theo-
logiae et philosophiae veterum sacramenta ita graphiee ex-
hibentur, ut non a gentilibus, sed orthodoxis magistris ad-
umbrata yideantur; neque enim posteri unquam, nisi Hermeti
ingenio pares^ tarn sublimia excogitare poterant; ut bene
notat Abenvaschia in libro de cultu Aegyptiorum bis verbis:
jajui ij^ nJL jj^ u oy'j^y od^ \j^ y^i o^j^ ab
y^ ^^ r^XjsxJI ^ ijjA^ ^LTj ^^ jcj\ ^ y^^
^Lmj 2ÜUJb ^« JLuMj^L 2UmwXJL4JIj «^Lsm^J^L Jo^LmkwJL
L^ ii^y^\ »sXi^!^ ftT^\Mi\ }^\yi\ L^Uww ^1 »JjijüuJI j.y«JI
nJUL.') ^^Utique multi e populo huius regionis ignorant^77
1) Der Freundlichkeit eines Orientalisten, dem ich die Texte bei
Kircber vorlegte, verdanke ich diese und die folgende Anmerkung. „Mit
Beseitigung der Sprachfehler, die offenbar giÖsstentheiU von Kircher
selbst herrühren, würde dies so heissen: /j^uy«^ ^IpJ ».a»:^ ^IjEsj
NüLo^ jLAß ^^ JLLw ^^^AÄ^j LT^^j &^U±ä ^LÜI ^j^jOS ^
2) „Mit Beseitigung der Sprachfehler: \6^ J^I ^ ^^S ^jL
^j^ (?) ^UxJI ^! ^.^^ jJOJI IJ^ Ut Jo^i L ^yy^. y OJJI
vk^ ^Uj J^ Lä> Jo.^ Jo (vulg. statt L^^y) j^^yS ^ >l
Jj ÜLy ^^1 5ÄiJ> ^vXi3>f^ (•-^JLjtiJI J^fj^t. Und viele von den
Einwohnern dieses Landes wissen nicht, was diese Symbolik bedeutet,
und zwar deswegen, weil nicht die Einwohner Aegyptens die ta*ä,l!m
(mathematischen Figuren) Gott weihten , sondern ein Mann , aus-
gezeichnet in der Weisheit (alten Philosophie), in der Grammatik,
Messkunst , Rechenkunst , angewandten Geometrie , in der Musik,
728 WAR IBN WAHSHIJJAH
quid significent huiusmodi aenigmata, atque hoc, quia indi-
geuae nou consecrarunt illa, sed vir quidam ad nos se re-
cepit olim ex terra CaoaaD, is erat eximius in sapieatia et
in grammatica; geometria, musica, arithmetica, philosophia,
et reliquis scientiis significatis, quas antiqui notant disci-
plinas, e;^ hie dono obtulit has figuraS; ut Deo essent
sacrae/'
Aus den an dritter Stelle angeführten Worten lässt sich
nicht erweisen, dass Kirchem mehr als ein Buch Ibn Wah-
shijjahs vorgelegen hat: die beiden Buchtitel beziehen sich
auf Abenvachsia und Abenephi, scheinen aber durch Kirchners
Nachlässigkeit umgestellt worden zu sein, da ,,de cultura
Aegyptiorum" als Titel von Ibn Wahshijjahs Buch durch
die Parallelstellen sicher gestellt ist. Aus diesen ergiebt
sich, dass das Buch sich für eine Uebersetzung alter ägypti-
scher Werke über den Ackerbau ausgab und in seiner An-
lage eine täuschende Familienähnlichkeit mit der Nabatai-
schen Landwirthschaft hatte, indem es wie diese das analoge
Thema zu analogen Abschweifungen de omni scibili et
quibusdam aliis verwerthete. Kircher hält es für dasselbe
Buch, welches Rambam (Rabban, d. i. Maimonides) anfuhrt
— das ist aber eben die Nabatäische Laudwirthschaft — ,
und will sogar p. 110 ha -Nabati im Texte des Maimonides
in ha-Gübti ändern. Man könnte daher auf den Gedanken
kommen, dass das von Kircher benutzte Buch kein anderes
als die Nabatäische Landwirthschaft mit verschriebenem Titel
gewesen und von ihm nur oberflächlich eingesehen worden
sei. Viel wahrscheinlicher aber ist es doch, dass es ein
anderes Werk gewesen ist und ein und dasselbe mit dem,
über welches Chwolson, Altbabylonische Literatur S. 12 f.
die Nachweise zusammengestellt hat. Bisher war der Ver-
fasser nicht bekannt: dass als solcher jetzt Ibn Wahshijjah
auftaucht, ist ein böses Vorzeichen.
76 (neueren) PhüoBOpbie und den übrigen gangbaren Wissenschaften,
welche die Alten al-ta*älim {xä fia&iqfiaTa) nannten, vor langer Zeit
plötzlich aus dem Lande Kanaan zu uns kam und diese Figuren Gott
als Opfergabe darbrachte."
^
Em NABATAElSCHEa HEBODOT? 729
Wenn Ewald berechtigt war, den auf Kircher gegrOn-
deten Beweis für die Echtheit des Shanq el-Mustaham ab-
zuweisen, so ist er doch dazu gewiss nicht berechtigt, das
Stillschweigen des Hä^ Ghalfah für die Unechtheit geltend
zu machen: als wenn jedes Bach, das in dessen Encyclopädie
nicht aufgeführt ist, darum unecht sein müsste! Dabei yer-
gisst er unbegreiflicherweise ganz, dass sich von den 21
dem Ibn en-Nedim bekannten Werken Ihn Wahshijjahs bei
Ha^ Chalfah sicher nur 3 (Nr. 9183. 10178. 10311) und 78
vermuthungsweise 2 (Nr. 7065. 7976) wiederfinden lassen!
Umgekehrt hat Eä^ Chalfah 4 Buchtitel (Nr. 650. 8508.
10,194. 10,896), die bei Ibn en*Nedim fehlen; das noch er-
halteue, unzweifelhaft Yon Ibn Wahshijjah veröffentlichte
Buch des Tenkeloshä ist weder bei Ibn en-Nedim noch bei
Hä^ Ghalfah verzeichnet.
Das Yerdriesslichste ist aber, dass ein so alter Schrift-
steller wie Ibn en-Nedim „allerdings ein ähnliches Buch
(Ibn Wahshijjahs) über Alfabete anführt^; Ewald tröstet sich
mit dem Nachsatze „aber doch mit einem ganz anderen
Namen'^ Wenn jedes Buch, welches Suidas unter einem
anderen Namen aufführt als unsere Handschriften, darum
von dem in diesen erhaltenen verschieden sein sollte, so
würde die griechische Literatur mit Doppelgängern über-
schwemmt werden! Um zu erhärten, dass auch in der orien-
talischen Literaturgeschichte Fälle, wo Bücher unter ver-
schiedenen Titeln citirt werden, nichts weniger als selten
seien, braucht man nicht erst z. B. auf Abü'l- Hasan 'Alis
Geschichte des Maghrib hinzuweisen, die, wie ich höre, fast
in jeder Handschrift einen verschiedenen Titel trägt: wir
haben einfach die Verzeichnisse der Schriften Ibn Wahshij-
jahs bei Ibn en-Nedim und Hägi Chalfah untereinander zu
vergleichen, um uns zu überzeugen, dass das alchjmische
Werk, das Hagi Chalfah (Nr. 10311) unter dem Titel Kitab
el-'Ishrin kennt und von dem er bemerkt, dass Ibn Wah-
shijjah ag|^t ihm den zweiten Titel el-Fewäid gegeben habe,
^\m nach der Form, in die ea eingekleidet
jnannt worden ist Das Zeugnißs
730 WAR IBN WAHSHÜJAH
des Ibn en-Nedim lautet wörtlich so^): ,ydie abschriftliche
79 Darstellung der Alphabete (Nuschet el-Aqläm), mit denen
alchymische und magische Bücher geschrieben werden. Es
erwähnt dieses Buch Ibn Wahshijjah, und ich habe es ge-
lesen in seiner Handschrift, und habe auch gelesen die Ab-
schrift derselben Aqlam unter mehreren anderen Schriftheften
Yon der Hand des Abu' 1- Hasan ibn ul-KüH, worunter sich
Adversarien lexikalischen , grammatischen , geschieh tlichen^
poetischen und traditionellen Inhalts befanden, welche aus
der Bibliothek der Banü'l-Furät in den Besitz des Abü'l-
Hasan ben el-Tanah (el-Fath?) gek7>mmen waren.^) Es ist
eines der am zierlichsten geschriebenen Bücher, die ich von
der Hand Ibn ul-Eüfis gesehen habe/' Auch hier hat Ibn
en-Nedim offenbar den eigentlichen Titel Shauq el-Mustahäm,
„das Verlangen des Sehnenden^ der erst durch einen langen
Zusatz näher bestimmt wird, durch eine allgemeinere, den
wahren InhaU und Charakter des Buches kürzer und besser
treffende Bezeichnung ersetzt, deren sich möglicherweise
Ibn Wahshijjah selbst in jenem nicht näher bezeichneten
anderen Werke bedient hatte, welches Ibn en-Nedim in erster
Reihe als Quelle seiner Kenntniss von dem Buche über die
Alphabete anführt. Aus dem Zeugnisse Ibn en-Nedims geht
doch zweierlei mit Sicherheit hervor, dass die echten Alpha-
bete Ibn Wahshijjahs kein rein paläographisches, sondern
1) Ich verdanke die VerbeBBerangen der von Hammer, Literatur-
geschichte der Araber Y S. 404 gegebenen UeberBetzung Herrn Flügel
in Dresden, nach dcBsen gütiger Mittheilung der Urtext folgendermassen
lautet: ^1 i^jSdj^y^ij JülmaU v^ W^ v^ ^I (^ib'3\ JLs^UmJ
O^ ^ I^JUju j.^^1 «J^ Jüfev-^ cy|^^ »L^. \4i\/j ?UÄ^^
^ v^ ^^ (? gJJÜI) gOxJI ^^ ^^^-^-js^l ^-i v:>*3^ ^iJl^ ^LuÄl^
2) Ohne Zweifel die Familie des 312 Heg. (924) hingerichteten
Ibn Furät, Vezirs des Chalifen el-Muqtadir (vgl. Weil, Geschichte der
Chalifen II S. 565 f.).
EIN NABATAEISCHEß HEEODOT? 731
ein trübes, abergläubisches Interesse verfolgten; und dass
eine Abschrift dieses Buches nicht gewöhnliche Geschicklich-
keit erforderte. Beides trifft genau auf das uns erhaltene
Shauq el-Mustahäm zu, von dessen 80 Schriftarten 73 jenen .
von Ibn en-Nedim angegebenen Charakter tragen, und deren
Abschreiber allerdings einer gewissen Fertigkeit im Zeichnen
nicht entrathen kann.
Jede Seite des Shauq el-Mustahäm weist Analogien mit
den anerkannt echten Werken des Ibn Wahshijjah auf: dessen
bekannte Liebhaberei für geheime Wissenschaften und allerlei
astrologischen Aberglauben ist gleich in der Vorrede (p. 2)
auf das Bestimmteste ausgesprochen und geht noch unzwei-
deutiger aus dem Inhalte selbst hervor. Vorwiegende Be-
schäftigung mit den Naturwissenschaften verräth die Wahl
der Hieroglyphen, die ohne Ausnahme aus den Gebieten
einerseits der Himmelskunde (p. 82), andererseits der Botanik 80
(p. 101) und Mineralogie (p. 108) entlehnt sind: Kunstpro-
dukte, Werkzeuge u. s. w. suchen wir vergebens. Die Kräuter,
mit denen die zweiten Hermesianer ihre Opferthiere füttern,
Hashishat ez-Zohrah und Tag el-Mulük, in ihrer Sprache
aber Shikrek genannt (p. 98), tragen ganz den Fabrikstempel
der Nabatäischen Landwirthschaft. Wie der wirkliche Ibn
Wahshijjah documentirt sich auch der Verfasser des Shauq
el-Mustahäm als Uebersetzer ausländischer Bücher natur-
geschichtlichen und magischen Inhalts ins Arabische: er will
(p. 135) zwei in Damaskus gefundene Bücher „Ueber die
Zucht des Weinstocks und des Palmbaums^^ und „Ueber das
Wasser und die Mittel, es in unbekanntem Boden ausfindig
zu machen'^, aus dem Kurdischen übersetzt haben, und p. 91
verweist er auf das von ihm „aus unserer nabatäischen
Sprache'' ins Arabische übersetzte Buch mit dem Titel „Sonne
der Sonnen und Mond der Monde'', welches die Erfindung
der Hermesianischen Alphabete erläutere. Es ist dies ohne
Zweifel identisch mit den „Geheimnissen der Sonne und des
Mondes, die Ibn Wahshijjah aus dem Nabatäischen übersetzt
hat" (Worte des Sachäwi bei Chwolson, üeberreste der alt-
babylonischen Literatur S. 168 f.), einem Buche über natür-
732 WAR IBN WAHSHIJJAH
liebe Magie; von dem Doch zahlreiche Fragmente erhalten sind
(vgl. Chwolson a. a. 0. S. 11. 164 — 170). Das p. 10 mit-
getheilte alte nabataische Alphabet entpricht genau der sich
. aus den Eigennamen der Nabatäischen Landwirthschaft f&r
dasselbe ergebenden Form von 28 den arabischen entsprechen-
den Buchstaben (wie ich in der Zeitschrift XY S. 11 [oben
S. 581 f.] nachgewiesen babe). Die Autoritäten, auf welche sich
das Shauq el-Mustahäm beruft, sind genau dieselben, wie die
der übrigen nabatäischen Schriften: p. 61 Märshiminä und Arbi-
jäsjüs en-Nabati (vgl. Afsiminä bei Chwolson, Ueber Tammüz
S. 82. 91; Armäsjami im Buche des Tenkeloshä bei Chwolson,
Altbabylonische Literatur S. 99), p. 74 Brahmijüs el-Mi^ri
(vgl. Brahmänijä el-Chosrawäni bei Tenkeloshä ebendaselbst
S. 144), p. 130 Aghädhimün, p. 115 Aghädimün und Chanüchä
(fast dieselbe Form Hanüchä bei Tenkeloshä a. a. 0. S. 62),
sehr* häufig Harmis, p. 92 dessen Bruder Asqalibjänüs oder,
wie p. 20 geschrieben steht, Asqalibüs (vgl. Asqülebithä der
Nabatäischen Landwirthschaft). Hier wie dort finden sich
Adam, Shit und Harmis zusammengestellt (p. 99), und der
Sl Letztere wird zweimal (p. 92. 99) mit Idris identificirt, genau
nach der Theorie der Nabatäischen Landwirthschaft (vgl. meine
Bemerkung in der Zeitschrift XV S. 36 f. [oben S. 616]). Die
Bücher Adams werden im Allgemeinen erwähnt p. 119, und
p. 131 wird genauer angegeben, dass sie über den Ackerbau
handelten. Ebendaselbst werden die drei Hauptverfasser der
Nabatäischen Landwirthschaft als 9^^^^^^' Binüshäd und
Qüthämi citirt, endlich p. 134 die lehrhaften und technischen
Werke des Binüshäd und Mäsi es-Süräti. Ganz besonders
charakteristisch ist aber der p. 131. 134 erzählte Priorii^ts-
streit zwischen Kurden und Chaldäern, der den zahlreichen
in der Nabatäischen Landwirthschaft berührten gleicht wie
ein Ei dem andern und denselben Erfinder verräth. Nicht
gering anzuschlagen ist das eigene Zeugniss Chwolsons, der
ja mit der Nabatäischen Landwirthschaft vor allen Anderen
vertraut sein muss, wenn er Ssabier I S. 823 sagt: „Wer
Ihn Wahshijjah sonst kennt, erkennt ihn in diesem Werke
an vielen Stellen wieder." Wenn man erwägt, wie so ganz
EIN NABATAEISCHEE HERODOT ? 733
verschieden das im Shauq el-Mastahäm abgehandelte Thema
Yon dem der Nabatäischen Landwirthschaffc ist; und wie
wenig Text jenes Buch enthält, so kann man jene grosse
Menge yon Berührungen unmöglich für gleichgiltig halten.
Ewald dagegen sucht sich den Gonsequenzen dieser Wahr-
nehmung S. 92 durch die Behauptung zu entziehen, von der
Frage der Echtheit des Shauq el-Mustahäm ,,sei die Frage,
was dieser Erdichter von 70 Alphabeten, den man überall
so leicht auf seinem frechen Spiele ertappen kann, ausser-
dem aus den älteren Schriften Ihn Wahshijjahs entlehnte,
unabhängig '^ Diese Hypothese ist fireilich sehr bequem,
indem durch sie jedes denkbare Argument für die Echtheit
Yon vom herein abgeschwächt wird: wie unglaublich dumm
aber müsste doch der yor 60 oder 100 Jahren lebende, auf
die Neugierde eines Europäers speculirende koptische Christ
Ewalds gewesen sein, der nach dem oben Gesagten zum
Mindesten grosse Stücke der Nabatäischen Landwirthschaft,
das Buch des Tenkelöshä und die Geheimnisse der Sonne
und des Mondes gekannt haben müsste, wenn er, statt dem
Europäer Abschriften so seltener, im Abendlande ganz un-
bekannter Bücher zu verkaufen, sich abmühte, mit Hülfe
derselben ein neues Buch zu yerfassen, und wie unglaublich
gescheut, wenn er diesen Betrug so ganz im Geiste Ibn
Wahshijjahs und seiner echten Schriften so durchaus würdig
ausführte! Hätte wirklich der Betrüger nur Ibn Wahshijjahs 82
Werke benutzt, so müssten doch die denselben entlehnten
Angaben wesentlich yon ihren Umgebungen abstechen und
sich unschwer aus dem Zusammenhange herauslosen lassen.
Halten wir uns aber an die einzige yon Ewald — freilich
zu einer Zeit, als ihm hinsichtlich der Echtheit des Shauq
el-Mustahäm noch keine Skrupel aufgestiegen waren — aus-
drücklich als echt anerkannte und unbedenklich als Beweis
für das hohe Alter des nabatäischen Schriftthums yerwerthete
Stelle (p. 131) yon Janbüshäd und den Eurden, so erweist
sich diese als unzertrennlich yon der Ueberlieferung des alten
kurdischen Alphabets, das unter den yielen verdächtigen
Alphabeten des Shauq el-Mustahäm eines der alleryerdäch-
734 WAR IBN WAHSHIJJAH
tigsten ist. Und prüfen wir die Stelle, welche eine aas-
drQckliche Bemfang auf ein echtes Werk des Ibn Wahshijjah
enhält (p. 91), so finden wir, dass auf das Buch Ton den
Geheimnissen der Sonne und des Mondes bei Gelegenheit
der Frage yerwiesen wird, die das Mysterium der Mysterien
Ba}iümid darstellt und von Sacy mit Recht als eine der
charakteristischsten Albernheiten des Shauq el-Mustahäm
herrorgehoben worden ist. Dieser Versuch, Ewald beim
Worte zu nehmen, enthüllt demnach seinen Einfall als das,
was er ist, das letzte Glied einer Kette nichtiger Sophismen.
n.
Nachdem ein Buch a posteriori als Betrug nachgewiesen
worden ist^ steht es um die Geltendmachung des Postulates
a priori, dass es kein Betrug sein könne, misslich genug.
Ewald setzt S. 98 auseinander, dass erdichtete Schriften
immer ihre bestimmte Tendenz haben, und nie rein wissen-
schaftlichen Inhalts und Zwecks, daher gewiss auch eher
kurz angelegt seien als langer, mühsamer Ausführung: bei
der Nabatäischen Landwirthschaft finde aber gerade das
Gegentheil statt. Gewiss kann, wer ein Buch unterschiebt,
keinen rein wissenschaftlichen Zweck haben, insofern die
reine Wissenschaft mit Betrügereien nichts zu schaffen hat;
dass aber darum der Inhalt nicht rein wissenschaftlich sein,
d. i. sich rein mit einer bestimmten Wissenschaft beschäftigen
könne, ist eine Behauptung, die allen Thatsachen wider-
spricht. So unwissenschaftlich auch das Unternehmen des
Simonides gewesen ist, wer kann leugnen, dass der Inhalt
des Uranios es nur mit der Erzählung der altägyptischen
83 Geschichte zu thun hat, also in der That rein wissenschaftlich
ist? Und bei der Nabatäischen Landwirthschaft wird noch
obendrein der wissenschaftliche Vorwurf, den sie hat, die
Lehre yom Ackerbau, durch Allotria, die Alles sind, nur
nicht wissenschaftlich, yöllig überwuchert Die Vergleichung
mit den Betrügereien der Juden, der Samaritaner, der Mendäer,
der Sabier, mit dem Desätir wird rund abgewiesen, obwohl
die Verschiedenheit doch nur in dem behandelten Thema be-
EIN NABATAEISCHEE HEBODOT? 735
•
stehi^ das dort theologisch^ hier agronomisch ist. Die frappante
Aehnlichkeit mit dem Schriftthume der Sabier bleibt für
jeden Unbefangenen stehen, mag sie auch noch so zuversichir
lich abgeleugnet werden; und die sehr intimen Beziehungen
der Nabatäischen Landwirthschaft zur hebräischen pseud-
epigraphischen Literatur^ die ich nur im Allgemeinen an-
gedeutet hatte, sind gegenwärtig von einem gründlichen
Kenner derselben, Herrn Steinschneider, im Einzelnen nach-
gewiesen. Mit mehr Recht macht Ewald den Umfang der
Nabatäischen Landwirthschaft zu ihren Gunsten geltend:
allein Ihn Wahshijjah hatte ja bei dem technischen Haupt-
thema derselben weiter nichts nothig, als sein eigenes Wissen
und seine eigenen Einfalle vorzutragen und die urzeitliche
Einkleidung hinzu zu erfinden. Ich wiederhole hier die
treffende Bemerkung Meyers über die arabischen Polygraphen
(HI S..107): „Selbst originelle Schriftsteller affectirten wohl
gar den Schein blosser Compilatoren, indem sie ihr Eigen-
thfimliches so darzustellen suchten, als wäre es längst aus-
gesprochen und von ihnen nur vermöge umfassender Ge-
lehrsamkeit aus dem Dunkel der Vergessenheit aufs Neue
hervorgezogen '^ So ganz vereinzelt steht die Ausdehnung
des nabatäischen Betruges übrigens denn . doch nicht: das
Desätir umfasst zwei Quartbände mit 397 Seiten Text, die
untergeschobenen Schriften Dionysios^ des Areopagiten füllen
einen riesigen Folianten, und selbst der Dictys Gretensis ist
nicht viel kürzer als die Ilias. So berechtigt endlich Ewalds
Forderung ist, dass jeder Betrug einen bestimmten Zweck
haben müsse, so unberechtigt ist die andere, dass jedes
Machwerk so lange als echt gelten müsse, als der Zweck
des Betrügers nicht sicher erwiesen sei : wie viele Betrügereien
z. B. in der späteren griechischen Literatur sind nicht bis
zur Evidenz erwiesen, und doch bei wie wenigen darunter
kommt man hinsichtlich der Absichten des Fälschers über
Vermuthungen hinauf! wer möchte jetzt noch die Plutarchi-
schen kleinen Parallelen und das Buch Ilsgl Tcotafiäv in 84
Schutz nehmen? und 'doch wer getraute sich mit Sicherheit
zu sagen, was der Betrüger mit ihnen gewollt hat? — Nun
736 WAR IBN WAHSHIJJAH
habe ich ja aber in der That bei Ibn Wahshijjah einen Zweck
als durchgängig zu Tage tretend nachgewiesen, nämlich ab-
gesehen von der persönlichen Eitelkeit, als Entdecker uralter
Weisheit zu glänzen, das patriotische Bestreben, seine ver-
achteten Landsleute in den Äugen der Araber in ein glänzendes
Licht zu stellen: Ewald erwähnt dies auch wirklich, wider-
legt es aber nicht, sondern erklärt diesen Zweck (der noto-
risch der Hebel zahlreicher Betrügereien gewesen ist^))
kurzweg für zur Erklärung nicht ausreichend, und richtet,
auf den Umstand pochend, dass Ibn Wahshijjah seine eigenen
Zuthaten yon seiner Ouelle genau unterscheide, S. 99 die
Frage an mich: ;,wie können wir so leicht die Stirne
haben, dies Alles für nichts als für Erdichtung und Betrug
zu halten?^'
Wir lassen hierauf den Ibn en-Nedim antworten durch
das Yerzeichniss der Schriften des Ibn Wahshijjah el-Keldäni,
über dessen wissenschaftlichen Charakter er nichts weiter
bemerkt, als dass er „sich mit Talismanen abgab und ein
Zauberer zu sein zu behaupten pflegte'^ Ibn en-Nedim führt
seine Werke theils in dem Abschnitte seines Fihrist el-'ulüm
auf, der von den Magiern handelt, theils in. dem über die
Alchymisten; durch die Güte Herrn Flügels bin ich. in den
Stand gesetzt, beide Verzeichnisse in correcterer Form zu
geben, als dies durch Hammer (Literaturgeschichte der Araber
V S. 404) geschehen ist.
L Seine magischen Werke sind: 1) das Buch der
Entfernung der Satane, bekannt unter dem Namen „die Ge-
heimnisse^'; 2) das grosse Buch der Zauberei; 3) das kleine
Buch der Zauberei; 4) das Buch der Cyklto, nach der Lehre
der Nabatäer, in 9 Büchern; 5) das Buch der Secten der
Nabatäer hinsichtlich der Götzen; 6) das Buch der Finger-
zeige über Zauberei (Eitab el-ishärah ß'l-sihr); 7) das Buch
der Geheimnisse der Gestirne; 8) das grosse Buch des Acker-
1) Ich will nur an ein recht schlagendes Beispiel erinnern, die
Franken Chronik des Honibald, bei der noch der psychologisch merk-
würdige Umstand hinzukommt, dass der Fälscher, Trithemins, eich
sonst eines guten Bufes erfreut
EIN NABATAEISCHER HERODOT ? 737
baues^); 9) das kleine*); 10) das Buch des Hanatüsi (?)85
Enaghi (?) el-Kesdaüi über die zweite Art der Talismane,
übersetzt von Ibn Wahshijjah; 11) das Buch des Lebens und
des Todes betreflfend die Heilung der Krankheiten, von Rähitä
ben Semütän el-Eesdäni; 12) das Buch der Götzen; 13) das
Buch der Opfer; 14) das Buch der Natur, von ihm (d. i.
Ibn Wahshijjah); 15) das Buch der Namen, von demselben;
16) Das Buch der Genossenschaft mit Ab^'l-Ga'far el-'ümewi
und Selämet ibn Suleimän el-Ichmimi über Alchymie und
Zauberei.
II. Die alchymischen Werke Ibn Wahshijjahs
sind: 1) das grosse Buch der Elemente betreffend die
Alchymie; 2) das kleine Buch der Elemente derselben;
3) das Buch der Methode (el-madragah); 4) das Buch der
Dissertationen (el-mudäkerät) über Alchymie, in 20 Büchern;
5) die abschriftliche Darstellung der Alphabete (Nuschet el-
aqläm), mit denen alchymische und magische Bücher ge-
schrieben werden (s. oben).
Um für den Leser das Bild von Ibn Wahshijjahs lite-
rarischer Betriebsamkeit möglichst zu vervollständigen und
damit eine empfindliche Lücke in den von Chwolson über
ihn gegebenen Notizen auszufüllen^ wird es erspriesslich sein,
auch die über ihn handelnden Artikel Hä^ Chalfahs hier
zusammenzustellen. Es sind nach Ausscheidung der Doubletten
(Nr. 4582. 10378. 10402) folgende:
Nr. 10311. Kitäb el-*Ishrin, das Buch der Zwanzig in Be-
zug auf Alchymie, von Abu Bekr Ahmad ben Wahshijjah.
Demselben Buche hat er den Titel El-Fewaid gegeben,
„ich habe es", sagt er, „mit diesem Namen darum be-
zeichnet, weil ich daselbst alles Nützliche angemerkt habe,
was ich auf Reisen vernommen habe" (V p. 117 ed. Flügel
= II, 4 bei Ibn en-Nedim).
1) Man beachte, wie Ibn en-Ned!m die Nabataische Landwirth-
Schaft ohne umstände ganz kaltblütig unter die Bücher über Magie
rechnet.
2) Vielleicht das von Eircher angeführte Werk über die Ägy-
ptische Landwirthschaft.
y. GuTSOHXio , Kleine Sobriften. II. 47
538 WAR IBN WAHBHUJAH
Nr. 7065. Sidrat el-Munteha, der Lotusbaum der Welt-
grenze in Bezug auf Alchymie, von Ibn Wahshijjah (III
p. 587, vielleicht = II, 2 bei Ibn en-Nedim).
Nr. 650 Asrär el-shams waM-qamar, die Geheimnisse
der Sonne und des Mondes in Bezug auf die Wissenschaft
el-Nirengijät, von Ibn Wahshijjah (I p. 281),
86 Nr. 10178. Eitäb sihr el-Nabat, das Buch über die
Zauberkunst de^ Nabatäer, von Ibn Wahshijjah (V p. 94
= I, 2 bei Ibn en-Nedim),
Nr. 7976. Die Wissenschaft der Talismane ... Ibn Wah-
shijjah hat aus der nabatäischen Sprache das Buch
Tabeqätä^) übersetzt (VI p. 166, vielleicht = 1, 10 bei
Ibn en-Nedim).
Nr. 10194. Kitäb el-Somüm, das Buch von den Giften,
welches Järbüqä el- Nabati el-Eesdäni el Fauqäji'), Be-
wohner der Stadt Bersäwijä, verfasst hat, und worin
auch Einiges aus einem von Sühäbshat, Bewohner der
Stadt ^Aqerqüfä, verfassten Buche enthalten ist Abu
Bekr Ahmed ben 'Ali, insgemein Ibn Wahshijjah genannt,
hat es aus der nabatäischen Sprache in die arabische
übersetzt, und 'Ali ben Abi Tälib Ahmed ben 'Ali und
Ibn el-Zajjät haben es redigirt. ') Es werden daselbst
Bücher über die Gifte von vielen früheren Völkern nam-
haft gemacht (V p. 95).
Nr. 9183. Felähah, das Buch des Ackerbaues, von Sheich
Abu Bekr Ahmed ibn Wahshijjah (IV p. 461 = I, 8 bei
Ibn en-Nedim).
Nr. 8508. Ghajat el-amel, die höchste Hoffnung, in Bezug
auf Geldwechsel, Geldgeschäft und die vielfach anwend-
baren mathematischen Wissenschaften. Ein Abriss, den
Abu Bekr ibn Wahshijjah aus den Schriften der Philo-
sophen übertragen hat (IV p. 298).
1) Sichtlich eine nach dem bekannten Becepte zd Stande gebrachte
Nabatäisirang des geläufigen arabischen Bachiitels Tabaqät
2) Schreibe Qüqäni.
8) Zu berichtigen nach Chwolson S. 120.
EIN NABATAEISCHER HERODOT? 739
Nr. 10896. Eanz el-hikmah, der Schatz der Weisheit, in
Bezug auf Metaphysik, von Ibn Wahshijjah (V p. 249).
Wir haben hiernach ,,die Stirue'', den Ibn Wahshijjah,
den Ewald sogar mit Herodot zu vergleichen nicht ansteht
(S. 105), als einen ausgemachten Schwindler, und jeden
Versuch, um seines ehrlichen Charakters willen die
Nabatäische Landwirthschaft fQr echt, das Shauq el-Musta-
häm aber für ihm untergeschoben zu erklären, als eine
Lächerlichkeit zu bezeichnen.
Uuter vielem Anderen hatte ich nachgewiesen, dass die
Doppelreime des Daghrith nur von einem Araber ersonnen
werden konnten, dass die Nabatäische Landwirthschaft in 87
Bezug auf die Namen der hebräischen Patriarchen und das,
was sie von ihnen erzählt, von der muhammedanischen Tra-
dition gänzlich abhängig ist, dass sie einen durch und durch
modernen Charakter trägt und durch die Inscenesetzung eines
kosmopolitischen Gelehrtenverkehrs ihren eigenen Voraus-
setzungen widerspricht, dass sie von Berossos in allen
Stücken Lügen gestraft wird und aller Berührungspunkte
mit echten Quellen haar und ledig ist. Auffallenderweise
beobachtet Ewald über alle diese Hauptsachen das
tiefste Schweigen, klammert sich dagegen an eine Neben-
sache, deren Ausführung ich von der BeweisfQhrung aus-
drücklich geschieden hatte (S. 90, vgl. mit S. 79), und reisst
auch aus dem jene Nebensache betreffenden Abschnitt nur
einen einzelnen Punkt heraus und stellt diesen in ein ganz
falsches Licht. Ich hatte S. 90f. [oben S. 689 f.] die auf
Babylonien lastende Fremdherrschaft der Kanaanäer mit der
arabischen, die in Babylonien, Mesopotamien und Syrien
herrschende, abergläubische, intolerante Religion der Ishi-
thianer mit dem Islam und die als Nachfolger oder Stell-
vertreter des Ishithä angesehenen Chalifen, in deren Person
sie concentrirt war, mit den wirklichen Chalifen verglichen.
Hiergegen bemerkt Ewald S. 102 f.: „da aus dem Namen
Ishithä Niemand auf die Chalifen und aus dem Namen
Kanaanäer Niemand auf die Araber und Muslim schliessen
würde, nirgends auch (soweit die Nabatäische Landwirth*
47*
740 WAR IBN WAHSHUJAH
Schaft bis jetzt vorliegt) nur ein Wink gegeben ist, dass
man die Namen so verstehen solle, so wäre diese ganze
Erdichtung nicht nur undurchdringlich und durchaus unklar,
sondern eben deshalb auch völlig zwecklos und unnütz. Und
dazu werden sowohl von Ishithä als von diesen Eanaanäem
Dinge ausgesagt, welche auf die Chalifen und Muslim nicht
die geringste Anwendung leiden, wodurch also der Zweck
der Erdichtung selbst sogleich wieder völlig zerstört wäre,
ehe er auch nur hätte deutlich werden können. Wir ver-
mögen in allen diesen Angaben nichts Deutliches, noch
weniger etwas Folgerichtiges und allseitig Zutreffendes zu
erblicken.'^ Dieser Einwand hielte nur dann Stich, wenn
ich der Nabatäischen Landwirthschaft den Charakter einer
politischen Flugschrift vindicirt hätte, die sich an Lands-
leute oder Gesinnungsgenossen in religiöser Hinsicht, kurz
an solche wendete, bei denen eine Bearbeitung im Sinne
des Verfassers auf Grund einer vorhandenen Prädisposition
88 zu erwarten war. Ich bin nun aber so weit entfernt
gewesen, die Namen Eanaanäer und Ishithä zu Stichwörtern,
etwa in dem Sinne wie die Chaldäer und Nebukadnezar im
Buche Daniel, zu stempeln, dass ich vielmehr ausdrücklich
die Nationaleitelkeit des Nabatäers für den Haupthebel des
Betruges erklärt habe, unter Bezugnahme auf die Angabe
Chwolsons, dass Ibn Wahshijjah sich zu seiner Arbeit ent-
schlossen habe, um zu zeigen, dass die Vorfahren seiner von
den Arabern so tief verachteten Stammgenossen durch ihre
Kenntnisse viele Völker des Alterthumes übertroffen hätten
(S. 92 [oben S. 691]). „Dazu" — hatte ich gesagt — „gesellte
sich die Tendenz, im Stillen die islamische Orthodoxie durch
Verbreitung rationalistischer Ideen, auch wohl Parodierung der
moslemischen Tradition, zu unterwühlen." Damit habe ich
bestimmt genug ausgesprochen, dass die Nabatäische Land-
wirthschaft nach meiner Ansicht vorwiegend auf Araber, auf
Moslems zu wirken berechnet war: diese sollten Respect vor
den Nabatäern bekommen und dann durch das Vertraut-
werden mit den geschichtlichen Enthüllungen, welche die
Nabatäische Landwirthschaft über die Patriarchenzeit giebt^
EIN NABATABISCHER HERODOT? 741
unyermerkt an der Richtigkeit so mancher koranischer
Tradition y und somit an der Göttlichkeit des Korans selbst^
irre werden. Der gottliche Ursprung des Korans aber
ist es, um den sich zu Ibn Wahshijjahs Zeit aller Streit
zwischen Orthodoxen und Mutazaliten drehte. Dass die von
mir dem Ibn Wahshijjah beigemessene Berechnung, den
Koran nicht sowohl direct anzugreifen, als ihn durch ein
ungleich älteres, also nothwendig besser unterrichtetes Buch
dementiren zu lassen, nichts weniger als Tag und unpraktisch
war, lehrt das Beispiel des Chalifen al-Mämün, der, als er
das ihm von einem persischen Yezir in die Hände gespielte
altpersische Buch der „ewigen Vernunft" gelesen hatte, aus-
rief: „Hier ist wahre Weisheit, das, womit wir (Musel-
männer) uns beschäftigen, ist nur eine eitle Bewegung der
Zunge in unserem Munde" (s. Weil, Geschichte der Chalifen
II S. 255). Dabei war natürlich grosse Vorsicht uöthig:
directe Angriffe auf Dinge, die auch dem vorurtheilsfreiesten
Moslem heilig waren, etwa auf die fünf Hauptgebote des
Islams, wie Ewald seltsamerweise verlangt, hätten von vorn-
herein den moslemischen Leser abgeschreckt und die Absicht
des Erfinders vereitelt; wir haben an einer anderen Stelle
(S. 99 [oben S. 701]) darauf hingewiesen, dass sogar Adami,
Anühä, Abrühüm, die zu den sechs grossen von den Muham- 89
medanem, selbst den ketzerischen Ismailiten (Weil II S. 501),
anerkannten Propheten gehören, planmässig geschont sind.
Indem ich die Kanaanäer mit den Arabern, die Ishithianer
mit den Moslems zusammenstellte, habe ich lediglich con-
statirt, dass die politischen und religiösen Voraussetzungen
der Nabatäischen Landwirthschaft nicht bloss in den Haupt-
sachen, der Herrschaft fremder Eroberer über die alte Landes-
bevölkerung, und dem Wachen einer starren Orthodoxie über
jeder freieren Geistesbewegung, sondern auch in vielen
kleineren Zügen genau der Lage der Dinge zu Ibn Wah-
shijjahs Zeit entsprechen; ich hatte dies schon in der üeber-
schrift des XXIV. Abschnittes ausgedrückt. Meine Ansicht, die
ich, um ferneren Missdeutungen vorzubeugen, hier bestimmter
formuliren will, geht dahin, dass Ibn Wahshijjah bei seinen
742 WAU IBN WAHSHUJAH
Erdichtungen theils unwillkürlich der Zeit des Qüthsämi die
Farbe seiner eigenen geliehen, theils als Schalk sich unter
dieser Maske AusföUe gegen allerhand ihm verhasste Dinge
erlaubt hat, die aber doch nur von seinen nächsten Ver-
trauten verstanden zu werden brauchten.^) Sollte mir auch
— freilich mit besseren Gründen, als Ewald vorzubringen
weiss — nachgewiesen werden, dass ich hierin allzu scharf-
sichtig gewesen bin, so bliebe doch immer der vorausgesetzte
Hauptzweck, die Verherrlichung der alten Nabatäer und die
Euhemerisirung koranischer Traditionen, davon völlig un-
berührt.
m.
So wenig wie im Ganzen, so wenig soll die Fälschung
bei den einzelnen Stücken von mir nachgewiesen sein: ich
habe Punkt für Punkt die Unechtheit im Einzelnen nach-
gewiesen, und daraus zum Schluss die Unechtheit des Ganzen
gefolgert. Ewald bemerkt, eine Erdichtung hätte alle ein-
zelnen Stücke durchdringen müssen (S. 104): Werke wie das
90 Desätir seien, trotzdem dass sich sehr verschiedene Stoffe in
ihm endlich zusammengefunden haben, wie aus einem Geiste
und einem Gusse. Dies ist ja aber gerade bei der Naba-
täischen Landwirthschaft und den verwandten Werken in
solchem Grade der Fall, dass, wenn ja ältere echte Vorlagen
in einzelnen Stücken benutzt worden sind, dieselben doch
vollständig die Farbe des Ganzen angenommen haben. Die
Existenz solcher echten (aber wohl kaum besonders alten)
Angaben hatte ich, da ja auch bei Erdichtungen das An-
knüpfen an Gegebenes am nächsten liegt, keineswegs für un-
möglich erklärt (vgl. S. 41 f. 103 [oben S. 623. 706]). Inwiefern
aber der wirkliche Nachweis vereinzelter echter Nachrichten
mein Gesammtergebniss auch nur im Geringsten zu afficiren
1) Aehnliches kommt bei Betrügern nicht selten vor; so beruht,
Wie mir Jemand, der zugleich mit Wagenfeld auf dem Bremer Gym-
nasium gewesen ist, erzählt hat, das nicht unebene Geschichtchen im
Pseudo - SanchuniathoQ , welches zur Anbringung eines Citates des
Athenäos über den Kuchen %^<aq6SXa^ov eingeflochten ist, auf einem
wirklich ausgeführten Öymnasiastenstreiche.
EIN NABATAEISCHER HERODOT? 743
yermochte, ist nicht abzusehen: eine echte Notiz prägt doch
darum noch nicht den ganzen Abschnitt, in den sie verwebt
ist, zu einem echten , und vermag noch weniger etwas an
dem anderweitig feststehenden Charakter des ganzen Werkes
zu ändern! Am allerwenigsten sind dies die beiden Beispiele
im Stande, deren Echtheit uns jetzt wieder von Ewald (S. 105)
angepriesen wird, nachdem dies schon von Ghwolson zur
Genüge geschehen war.
Die mit der Legende vom heiligen Georgios identische
Sage vom Tammüz soll deshalb unverdächtig sein, weil Ibn
Wahshijjah dabei seine eigenen Zusätze von dem Ueber-
lieferten genau scheidet. Bevor man schliesse, dass diese
aus jener entlehnt und zwar von Ibn Wahshijjah selbst ent-
lehnt sei, würde man — verlangt Ewald — wenigstens zuvor
näher untersuchen müssen, welchen Ursprunges und Wesens
die christliche Sage vom heiligen Georgios sei. Obgleich
sich über die Berechtigung eines solchen Verlangens wohl
streiten liesse, so können wir doch auf dasselbe eingehen
und uns auf den in diesen Berichten über das Wesen des
heiligen Georgios*) gegebenen Nachweis berufen. Sollte
selbst das bis jetzt bekannte Material nicht ausreichen, um
die Richtigkeit des gewonnenen Ergebnisses völlig sicher zu
stellen, so reicht es doch dazu völlig aus, um zu erkennen,
dass die Legende vom heiligen Georgios mit der echten
Sage von Tammüz oder Adonis weder in den Details noch
ihrem ganzen Geiste nach auch nur die entfernteste Aehn-
lichkeit hat.
Als zweites Beispiel führt Ewald den ägyptischen König
Sefüräs an, der sich bei Manetho wiederfinden soll, bemerkt
aber gleich im Voraus S. 106: „Wir wollen hier nicht diese
Zeitrechnung erörtern, da Alles, was die in der Nabatäischen
Landwirthschaft erwähnten Zeitrechnungen imd Eönigsfolgen 91
betrifft, erst nach dem Drucke des ganzen Werkes sicher
genug untersucht und. festgestellt werden kann.'^ Nun, wenn
*) [Dieser Aufsatz wird im dritten Bande dieser Sammlung
erscheinen. F. R.]
744 WAR IBN WA^JSHUJAH
irgend etwas schon jetzt sicher festgestellt werden kann, so
ist es gewiss die Zeitrechnung, über welche ChwolsoD, dessen
ganze Ansicht über Alter und Werth des Buches von dessen
Zeitangaben ausgeht und sich darauf allein stützt, die aller-
Yollstandigsten Mittheilungen geben musste und wirklich ge-
geben hat. Und was die Konigsfolgen betrifiTt, so kannte
Chwolson, ehe das letzte noch übrige Stück der Nabatäischen
Landwirthschaft in Leyden wieder aufgefunden wurde und
unter Anderem einen neuen Eonigsnamen 'Azrawajä oder
'Azrüwil brachte (üeber Tammüz S. 110), nach seiner eigenen
Angabe (Altbabylonische Literatur S. 42) 22 altbabylonische
Könige, von denen Qüthämi 20 namentlich auffuhrt, und
zwar 18 mit ihren Eigennamen und 2 bloss mit ihren Bei-
namen. Erwähnt aber hat er 1) die beiden ungenannten:
den Nachfolger desGarmäthi und den, unter dem der Ibrahims-
bäum entstand, 2) die beiden mit ihren Beinamen aufgeführten:
den vierfach Unglückseligen und den Gesegneten, 3) namentlich
genannte 11: Tibätänä, Bedinä, Garmäthi, QerÜ9aDi, Semüna,
Hinäfa, Saha, Nemrüda, Zahmünä, Süsqijä, ^a^lbämä. Folglich
fehlen nur 7 Königsnamen, also kaum ein Drittel, die an dem
Gesammtresultate nichts ändern werden. Meine Berechnung,
dass Ibn Wahshijjahs Seföräs gegen 21650 v. Gh., mithin
18000 Jahre vor dem Manethonischen SriipovQig gelebt haben
muss, eine Thatsache, die mir zu der Bemerkung, es sei lächer-
lich, da noch von Uebereinstimmung zu reden (S. 78 [oben
S. 673]), das vollste Recht gab, stützt sich durchaus nur auf
die von Chwolson hier ohne Auslassung irgend eines Zwischen-
gliedes mitgetheilten Daten der Nabatäischen Landwirthschaft.
Statt dies anzuerkennen hebt Ewald die Einfachheit der
Nachricht von der Einführung des zackigen Knoblauchs in
Aegypten hervor und fragt: „wie lässt es sich denken, dass
eine solche Nachricht erdichtet wäre? und zu welchem Zwecke
wäre sie erdichtet 9^' Das Verlangen, dass in einem grossen
von einem notorischen Schwindler herrührenden Werke bei
jeder noch so geringfügigen Notiz über den Zweck der Er-
findung Rechenschaft gegeben werde, zu würdigen, überlasse
ich dem Leser. Auch hier wird mit ebensowenig Recht wie
EIN NABATAEISCHER HERODOT ? 745
bei anderen Gelegenheiten behauptet; ich setze nur der Folge-
richtigkeit meiner Grundannahme wegen auch hier reine Er- 92
dichtung vorauS; und zur Widerlegung hinzufügt: ^^inmal
findet sich statt ^\jjjL^ in einer anderen Handschrift auch
die Lesart j^L^JU», welche die D. M. G. Z. vorzieht: allein
wer arabische Handschriften kennt, weiss, dass die Zeichen L ,
wie sie in vielen Handschriften erscheinen, durch flüchtiges
Lesen leichter in b verdorben werden können als umgedreht.
Zweitens meint sie, es könne ja nach dieser anderen Lesart
bloss ein rein griechischer Name wie Skopas die Grundlage
bilden, und dann sei die willkürliche Erdichtung doch unleug-
bar: allein diese zweite Annahme sinkt eben mit der ersten
zusammen'^ Wie schon oft, hat Ewald auch hier die Haupt-
sache verschwiegen: dass Seqobäs die Lesart des
besseren Cod. Leid. 303.A, Sefüräs aber die des weniger
guten Cod. Leid. 303. D ist. Was sich paläographisch für
Sefüräs anführen lässt, war mir durch die Auseinandersetzung
von Chwolson S. 106 sehr wohl bekannt, und ich hatte die
Bevorzugung von Sefüräs ausdrücklich nur darum verworfen,
weil sie unmethodisch sei (Zeitschrift XV S. 78 [oben S. 673]).
Wenn die Verbindung des . mit dem I und in Folge davon
Uebergehen in U etwas in Handschriften so Gewöhnliches
ist, so konnte recht gut auch ein ohne diakritischen Punkt
und etwas unproportionirt geschriebenes U von einem Schreiber
für die ihm geläufige Ligatur von . und 1 gehalten werden;
dass der erstere Fall der häufigere sein mag, will ich gern
zugeben, halte aber meine Behauptung vollkommen aufrecht,
dass eine solche Wahrscheinlichkeitsrechnung zu einem Ab-
gehen von der guten zu Gunsten der schlechten Ueberlieferung
nicht berechtigt. Es ist dies nur die Anwendung eines der
ersten Grundsätze methodischer Kritik, die bei der Heraus-
gabe classischer Schriftsteller heutigen Tages zu allgemeinster
Geltung gelangt sind: und ich meine, die Principien der
Kritik müssen überall dieselben sein, also warum nicht auch
bei der Textesherstellung arabischer Bücher? — Vollends
übel sieht es mit dem Hilfsargumente Ewalds aus, dass ein
746 WAR IBN WAHSHUJAH
so gelehrter Mann wie Ihn Wahshijjah einen der den Arabern
bekannten Pharaonennamen hätte wählen können, statt einen
zu erdichten: das Shauq el-Mustahäm giebt ausser den anders
woher bekannten Sürid, Qaftorim, Harniis Abü-Tät, Aqlimün^
93 Marqünas und ^äaa (statt ^ä) noch folgende erdichtete Namen
ägyptischer Könige und Zauberer zum Besten: Bilbeis, Resiüt
el-Fara'üni, Eimäs el-Harmisi, Diös-Müs^), Brahmiüs, Filaüs,
Tibariuüs. Nach Ewalds Theorie müssten die Letzteren fortan
•
als unverdächtig angesehen werden; denn warum, konnte
man argumentiren, brauchte ein so gescheuter Mann, wie
der Verfasser des Shauq el-Mustahäm^), diese Namen zu er-
finden, da ihm ja überlieferte Namen zur Hand waren?
IV.
Endlich soll auch in Bezug auf die Sprache nach Ewald
die Sache der Nabatäischen Landwirthschaft keineswegs
verzweifelt stehen. In den Worten des von mir S. 14 f. be-
sprochenen Gebetes findet er: „Herr, Herr, der heisst Herr,
sende, Herr, herab deine Kraft!" Steinschneider, Zur pseud-
epigraphischen Literatur S. 8 hat aus derselben Zeile heraus-
1) Wohl D!d8 Jus, d. i. Jtog vtog.
2) Abgesehen yon den den Arabern geläufigen Autoritäten Har-
mis, AsqallbÜB, Fitäghöraa, Dhimoqrätis, Suqrät, Iflätün, Aristüs, DIs-
qüridüB , Beltnäs , Betaltmüs el - Jünän! werden folgende griechische
Eigennamen angeführt, die sich theil weise auch wirklich als Schrift-
stellemamen nachweisen lassen: Arkighänta CAgxiyivrig) el-Jün&nt,
piOg&nas el-akbar, Qolfatriüs (KUojearQOs), Maghnis, Marjänüs, Siür-
jänÜB (ZvQiavog), Trtsbtgistamas Thüwasliüs {TffigfiiyiaTog Osoßaai'
lsvg)f ZOsim el-'Ebri, endlich folgende Phantasienamen, denen aber
doch Wörter, die im Griechischen wirklich etwas bedeuten, zu Grunde
liegen : Farang'iüsh (jipsifiyyvog) , Ghämigh&shir (nafifiiyag d^rjg) el-
Jilnän!, Huliäiis (o Avaiog) el-Jünän!, Qustügis (custodiens) el-Jünäni.
Der König Berdüis es-Surjani ist wahrscheinlich der auch bei Mas'iidi
vorkommende Berldas. Es geht aus diesen Beispielen hervor, dass
dem Verfasser des Shauq el - Mustahäm eine ziemliche Kenntniss
griechischer Dinge zu Gebote stand, wie sie Ihn Wahshijjah notorisch
besessen hat, welche aber nicht leicht Jemand dem Kopten Ewalds
zutrauen wird.
EIN NABATAEISOHER HERODOT ? 747
gebracht: ^^Mein Herr^ Herr des Himmels, o Herr, lose ihre
Kraft !'^ Die Uebereinstimmung beschränkt sich mithin auf
die Worte ^^Herr^' und ^^Eraft'^ Mehr hat auch Ewald in
dem Gebete nicht zu entziffern vermocht. Das bis auf Ibn
Wahshijjahs Zeit erhaltene Nabatäische könne, meint er, nur
eine Art von Aramäischem gewesen sein. Dies käme also
heraus auf die von mir, für den Fall, dass in der That eine
lebendige Sprache yorliegen sollte, in Aussicht gestellte
Eventualität, dass sie den Stempel eines späteren ostara-
mäischen Dialektes tragen werde. Daraus folgt aber fUr die
Echtheit der Nabatäischen Landwirthschaffc nicht eben viel; 94
denn dass Ibn Wahshijjah als Nabatäer den zu seiner Zeit
von seinen Landsleuten gesprochenen Dialekt kennen musste
und, auch wenn er fälschte, bei seinen Fälschungen am be-
quemsten gerade diesen zu Grunde legte, ist selbstverständlich,
und ich habe dies so wenig geleugnet, dass ich vielmehr in
dem fünften Abschnitte, wo ich den Betrug aus der Sprache
nachgewiesen habe, gerade von einer solchen Voraussetzung
ausgegangen bin.
Ewald hatte sich gleich zu Anfang S. 93 beeilt, in einer
Anmerkung, in welcher er sich sogar herabliess meinen
Namen zu nennen, diesen ganzen Theil meiner Untersuchung
und recht eigentlich den Kern derselben mit der einfachen
Bemerkung zu beseitigen, dass ihr Urheber „nicht sowohl
Kenner morgenländischer Sprachen als vielmehr bloss Histo-
riker ist'^ Da somit dem Laien, der aus seinem Laienthume
noch obendrein kein Hehl gemacht hat, der Grossmeister
morgenländischer Sprachwissenschaft gegenübertritt, so fühlt
sich dieser begreiflicherweise sehr sicher. Er entwickelt
dann, dass die Endigung der meisten Eigennamen auf ä gut
aramäisch sei, findet darin einen „sicheren Beweis, dass Ibn
Wahshijjah diese ganz eigenthümliche Sprache als seine
alte (?) Volkssprache wirklich verstand und aus ihr ins
Arabische übersetzen könnte", stellt dann die Vermuthung
auf, dass der Auslaut i in anderen Eigennamen sich aus
älterem ü, welches die echt nabatäischen Münzdenkmale auf-
weisen, entwickelt habe, und sagt sogar S. 109: „aber auch
748 WAE IBN WAHSHIJJAH
die fremden Nameii; welche in das Nabatäische eingebürgert
waren, hatten in ihm eine ganz andere Gestalt angenommen
als im ge wohnlichen Aramäischen: wie Irmisä zwar schon
nach meiner früheren Behauptung sicher erst aus ^Eg^i^g so
umgebildet ist, aber doch ganz anders lautet als das im
Aramäischen gebräuchliche Harmis/' Gerade von dem ganz
eigenthümlichen Uebergangsprocesse fremder Eigennamen ins
Nabatäische, die mit jenen gut nabatäischen Endungen ä
und i, mitunter auch mit einem entsprechenden Vorschlag
versehen werden, sonst aber vollkommen intact bleiben, war
ich ausgegangen, hatte darauf aufmerksam gemacht, dass
dieser Process allen Erfahrungen, die man in Bezug auf die
Entlehnung fremder Namen in anderen Sprachen mache, völlig
ins Gesicht schlage, und hatte vor Allem nachgewiesen, dass
eine derartige Nabatäisirung nicht etwa bloss, was weniger
95 verfänglich wäre, an griechischen, sondern an einer langen
Keihe arabischer Namen vorgenommen worden ist, und, zum
weiteren Zeichen der völligen Abhängigkeit vom Arabischen,
dass nicht nur die so sehr entstellten arabischen Formen der
hebräischen Patriarchennamen zu Grunde Hegen, sondern
sogar da, wo im Arabischen zwei Formen nebeneinander
gebraucht werden, die entsprechenden zwei in nabatäisirter
Gestalt vorkommen. Um dies nachzuweisen^ war keine tiefe
Sprachkenntuiss nöthig, sondern lediglich ein offenes Auge
fär das, was jedem unbefangenen Beobachter in die Augen
springt. Aber wie gewöhnlich schweigt Ewald über diese
Hauptsache gänzlich.^) Statt dessen stützt er sich auf
ein ungedrucktes ihm von Chwolson mitgetheiltes Yerzeichniss
1) Die UebereilaDgen , die wir dem grosBen Gelehrten mehrfach
nachzuweisen Gelegenheit hatten, bürgen zur Genüge daffir, dass auch
hier nur ein für uns freilich recht unangenehmer Zufall sein Spiel
gehabt hat. Wer aber wie Ewald sich das ebenso erhabene als
schwere Amt eines Sittenrichters der deutschen Wissenschaft auferlegt
hat und oft genug in der Lage ist, Gelehrte, die anderer Ansicht als
er sind, als unwissenschaftlich, in zweiter Instanz aber als unsittlich
brandmarken zu müssen, der sollte auch den Schein vermeiden, als
Hesse seine Gewissenhaftigkeit in der Wiedergabe fremder Ansichten
etwas zu wünschen übrig.
EIN NABATAEISCHBR HERODOT? 749
ungewöhnlicher Pflanzennamen der Nabatäischen Landwirth-
schaft^ die sie theils als nabataische; theils als altarabische,
theils auch wohl als germaqanische^ als chaldäische und als
jemenische (!) bezeichnet: ,,solche Namen also gehen in grosser
Fülle durch das ganze lange Buch, und wie konnte man
dabei schon an sich annehmen, dass sie alle bloss erdichtet
seien (S. 108)?'^ Gerade diese Namen waren es, die den
trefflichen Meyer zuerst Verdacht schöpfen liessen; wir sehen
der Veröffentlichung des Verzeichnisses nabataischer und
altarabischer, „von den gewohnlichen arabischen sehr ab-
weichender'' Pflanzennamen mit grosser Gemüthsruhe ent-
gegen und ahnen, dass bei so grosser Fülle an Pracht-
exemplaren wie nabatäisches Sha'ara-Habbärä für arabisches
Sha^ar el-habbär kein Mangel sein wird.
V.
Blickt man nach dem Allen zurück und stellt eine Ver-
gleichung an, wie schwache Gründe für Ewald zur Ver-
dammung des Shauq el-Mustahäm genügten, und wie selbst
die stärksten Gründe seinen Glauben an die Nabatäische 96
Landwirthschafb nicht zu erschüttern vermögen, so kann
man sich über diese neueste Probe der alten Kunst zov r^xxio
koyov xQSLtta) %outv eines Lächelns nicht erwehren. Fragt
man, was für eine positive Ansicht denn Ewald, indem er
die meinige verwirft, an die Stelle setzen will, so erfahren
wir allerdings S. 92, dass er „von Anfang an darauf ge-
drungen hat, man möge die verschiedenen Stoffe, aus welchen
das Werk unverkennbar besteht, wohl sondern '', bisher ist
aber diese incongruente Zusammensetzung fQr Niemand als
für Ewald erkennbar gewesen. Der einzige Beweis, auf den
er sich anfangs stützen konnte, war die vermeintliche suc-
cessive Ueberarbeitung und Vermehrung der Nabatäischen
Landwirthschaft durch Daghrith, Janbüshäd und Qüthämi,
und der Glaube, dass Qüthämi über seine Zeit nichts Be-
stimmtes aussage (Göttinger Nachrichten 1857 S. 150): nach-
dem Chwolson selbst beide Annahmen als irrthümlich zurück-
genommen hatte, liess auch Ewald in den Göttinger Anzeigen
750 WAR IBN WAHSHIJJAH
1859 S. 1128 den Qüthami als Hauptverfasser gelten , und
muss nun folgerichtigerweise Alles , was uns über die Zeit
Qüthämis hi&ausführt, als seinem Werke fremde Zusätze
ansehen und auf Rechnung jüngerer Ueberarbeiter setzen.
Es liegt auf der Hand, dass für eine solche Annahme das
blosse Vorhandensein späten Zeuges neben Dingen, die an
sich unverdächtig scheinen, kein Beweis ist, da es ebenso
gut zur Erhärtung der von mir verfochtenen Ansicht dienen
kann. Ich getraue mir den Nachweis zu liefern, dass die
Ansicht des Gottinger Gelehrten von einer Entstehung unserer
Nabatäischen Landwirthschaft durch das Anschiessen jQngerer
Bestandtheile an einen echten Kern sich zwar in der Theorie
recht hübsch ausnimmt, sobald man sie aber praktisch
durchzuführen sucht^ Schiffbruch leidet. Sieben Stellen der
Nabatäischen Landwirthschaft hatte Ewald bisher ausdrück-
lich als alt und echt, andere sieben ausdrücklich als jüngeren
Ursprungs bezeichnet. Es lässt sich beweisen, dass die
ersten sieben unzertrennlich mit anderen Angaben verquickt
sind, die den Stempel späterer Erfindung auf der Stirn
tragen, andererseits dass die zweiten sieben sich unzwei-
deutig für sehr alten Ursprungs ausgeben und von ihren
Umgebungen nicht lostrennen lassen.
I. 1) Mit der Erwähnung des vermeintlichen Sephuris
(Gottinger Nachrichten 1861 S. 105) sind die Daten ver-
97 bunden, aus denen folgen würde, dass derselbe gegen 21650
V. Ch. regiert hat, was, in Erwägung namentlich des nichts
weniger als mythisch gefärbten Berichts über jenen Konig,
eine so abenteuerliche Abweichung von der geschichtlichen
Zeitrechnung ist, dass dergleichen unmöglich aus dem vier-
zehnten oder auch nur aus dem achten Jahrhundert v. Ch.
herrühren kann. 2) Die Sage vom Tode des Tammüz und
der Todtenklage der Gotter (Gottinger Nachrichten 1861
S. 104) bezieht sich auf die Planetenordnung, die den romi-
schen Namen der Wochentage zu Grunde liegt, und auf den
im Koran erwähnten arabischen Gott Nasr, und berührt sich
so eng mit der Legende vom heiligen Geoi^ios, dass ent-
weder diese aus ihr entstanden sein muss oder umgekehrt:
L
EIN NABATAEISCHER HEBODOT? 751
da sich nun für den heiligen Georgios als Urbild ein Wesen
nachweisen lässig das weder mit Tammüz noch überhaupt
mit einer semitischen Gottheit das Geringste zu scha£Fen hat^
so muss jene Alternative zu Ungunsten des Tammüz ent-
schieden werden. Ewald hat in den Gottinger Anzeigen 1860
S. 1328 zu zeigen gesucht, wie sich die eigenthümliche Rolle
des Tammüz bei Ibn Wahshijjah aus der echten Gestalt des
Tammüz -Adonis habe entwickeln können, und wir sind nicht
gesonnen, die geschichtliche Möglichkeit einer solchen Um-
gestaltung zu leugnen. Wenn derselbe aber jetzt (Göttinger
Nachrichten 1861 S. 105) sich auf diese Möglichkeit stützt
und die Sage in Ibn Wahshijjahs Auffassung für wesentlich
dieselbe erklärt, „welche wir ganz unabhängig von den naba-
täischen Büchern auch sonst im Alterthume wiederfinden'^^
so ist dies ungenau: mit der aus den Classikern bekannten
Adonissage berührt sie sich gar nicht, wohl aber bis zu
einem gewissen Grade mit der Tammüzsage der Harranischen
Sabier: und da zum Ueberfluss Ibn Wahshijjah selbst in
gewohnter selbsi^efalliger Manier auf den grossen Unsinn
Bezug nimmt, den die Sabier über Tammüz zusammenfabeln
(Chwolson, Ueber Tammüz S. 55), so liegt nichts näher, als
dass seine Erzählung einer Verzerrung der sabischen bie-
genden ihren Ursprung verdankt. 3) Die Nennung des
Nimrod und der kanaanäischen Könige (Göttinger Nach-
richten 1857 S. 154) hängt aufs Engste mit der des Abraham
zusammen; für die Verbindung beider sind aber späte von
den Juden auf die Araber übergegangene Fabeleien von uns
als Quelle nachgewiesen worden, aus denen sich auch der
plumpe Anachronismus, mit dem von Goldmünzen Nimrods
geredet wird, zur Genüge aufhellte. 4) Von den uralten
kanaanäischen Weisen (Göttinger Nachrichten 1857 S. 152)
sind gerade die berühmtesten und am häufigsten angeführten 98
Anühä und Ibrahim, die notorisch keine Kanaanäer waren
und deren Geschichte zum Theil unzweideutig an koranische
Legenden anknüpft (vgl. Zeitschrift XV S. 38. 44 [oben
S. 618f. 628 f.]). 5) Die verhältnissmässig am wenigsten ver-
fängliche Notiz von einer uralten Vertreibung der Kanaanäer
752 WAR IBN WAHSHUJAH
aus Babylonien nach Syrien (Göttinger Nachrichten 1857
S. 155) ist aufs Innigste verwebt mit einer auf Stelzen gehen-
den politischen Tüftelei QüthämiSy die sich im vierzehnten
Jahrhundert v. Gh. drollig genug ausnimmt. 6) Die Erzäh-
lung vom Tode des Janbüshäd (Göttinger Nachrichten 1857
8. 150); des wegen seines offen zur Schau getragenen Ratio-
nalismus bei Lebzeiten mit einem Tempel beehrten uralten
Literaten y enthält unter Anderem den Passus^ in welchem
Qüthämi die grossere oder geringere EntleerungsHLhigkeit
seiner Thränendrüsen bei den Klagen um Janbüshäd und um
Tammüz mit chronologischen und philosophischen Gründen
motivirt — ein Prachtstück salbungsvoller Schulmeisterei^
um welches das vierzehnte Jahrhundert v. Ch. zu beneiden
ist. 7) Janbüshäds Kenntniss von den Himjariten (Göttinger
Nachrichten 1857 S. 158) kritisirt sich selbst, wie ich in
der Zeitschrift XV S. 70 [oben S. 662] auseinandergesetzt
habe. Wir wenden uns
IL zu den Stücken, deren jüngerer Ursprung von Ewald
anerkannt worden ist: 1) die Stelle über die Pehlewisprache
(Göttinger Nachrichten 1859 S. 1134) ist möglicherweise ein
Zusatz Ibn Wahshijjahs (Ghwolson, lieber Tammüz S. 112),
mag also hier bei Seite bleiben. 2) Die Erwähnung der
syrischen Suraner (Göttinger Nachrichten 1857 S. 150) ge-
hört zu einer kurzen Notiz, die Qüthämi über seine Person
giebt, und lässt sich nicht ausscheiden. 3) Hermes und
Agathodämon (Göttinger Anzeiggn 1859 S* 1130) kommen in
einem Citate aus Janbüshäd vor. 4) Von den Angaben über
die lonier. (Göttinger Anzeigen 1857 S. 159) steht die, welche
sie im Besitze von Syrien kennt, in einem Bruchstücke des
uralten Mäsi; andere, wie das ionische Sprichwort vom
jemenischen Zauberer und das ionische Land Britannien,
sind ohne Annahme eines Betrugs völlig unerklärbar: ich
berufe mich auf das Zeitschrift XV S. 28 [oben S. 604 f.]
Gesagte. 5) Asqülebithä (Göttinger Anzeigen 1859 S. 1133)
ward von dem Zauberer 'Ankebüthä eifrig studiert, der selbst
wieder älter als Adami, Mäsis Grossvater, war (vgl. Ghwolson
S. 52. 166). 6) Die Benennung aller Geschöpfe durch Adami
EIN NABATAEISCHER HERODOT? 753
(Gottinger Nachrichteu 1857 S. 163) kommt in einem Priori-
tätsstreite vor, der wie nur irgend etwas den Stempel des
Pseudo-Qüthämi trägt. 7) Die Angabe, dass Ishithä Adamis 99
Sohn sei (Göttinger Nachrichten 1857 S. 145), hängt, wie
man aus Ghwolson S. 167 sehen kann, auf das Engste mit
der über die üeberlieferung der Adamischen Schriften zu-
sammen, diese aber ist recht eigentlich der Angelpunkt von
Qüthämis Polemik gegen die Ishithianer, die sich durch die
ganze Nabatäische Landwirthschaft hindurchzieht.
Nach dem Allen wird man es uns nicht verdenken
können, wenn wir die Anwendbarkeit der Ewaldschen Lieb-
lingsidee von einer schichtweise vor sich gegangenen Ent-
stehung auch der Nabatäischen Landwirthschaft (die bei der
verzweifelt persönlichen Färbung dieses Buches schon a priori
nicht unbedenklich ist) so lange in Abrede stellen^ bis ernst-
hafte Gründe für sie vorgebracht worden sind. Auch das
quantitative Yerhältniss der älteren zu den jüngeren Bestand-
theilen würde hier keineswegs gleichgiltig sein, die Brauch-
barkeit der Nabatäischen Landwirthschaft vielmehr hiervon
wesentlich abhängen. Während aber die „Bemerkungen über
die nabatäischen Schriften und eine beabsichtigte Heraus-
gabe derselben" aus dem Jahre 1857 uns den Eindruck
hinterliessen, als hielte ihr Verfasser etwa y^o für alt, y,Q für
spätere Zuthat, so sieht es dagegen nach der Anzeige von
Chwolsons Schrift „über Tammüz" vom Jahre 1860 aus, als
müsse etwa V^q echt und %o eingeschoben sein: und doch,
meinen wir, reden schon die bisher veröffentlichten Auszüge
aus der Nabatäischen Landwirthschaft deutlich genug, um
hinsichtlich der Frage, welcher von beiden Bestandth eilen
überwiegt, aus dem Schwanken heraus zu kommen. Weitere
Veröffentlichungen aus dem Felde von Ihn Wahshijjahs Thätig-
keit werden, wie sich voraussehen lässt, Herrn Prof. Ewald,
will er nicht mit seiner ganzen kritischen Vergangenheit
brechen, zu einer weiteren Herabstimmung seiner Erwartungen
nöthigen.
T. GcTSCHMiD, Kleine Schriften. li. 48
xvm.
Reeensionen and Anzeigen znr Geschichte des Islam.
1.*)
7Wfi8tenfeld, F., Geschichte der Fatimiden-Chalifen.
Nach arabischen Quellen. Mit einer Kartenskizze.
Göttingen 1881. Dieterich. (352 S. gr. 4P. Karte fol.)
JL\L
Aas dem 26. nnd 27. Bande der Abhandlungen der königlichen Gesell-
schaft der Wissenschaften zu Göttingen.
In derselben Weise wie in den Abhandlungen über „Die
Statthalter von Aegypten zur Zeit der Chalifen" setzt der
Verfasser hier die Geschichte Aegyptens in der Darstellung
des Fatimidenchalifats fort: der eingehendste Bericht wird
in der Regel zu Grande gelegt und dann aus den übrigen
ergänzt und die Abweichungen angegeben , die Kritik des
Verfassers beschränkt sich auf Detailangaben; er will augen-
scheinlich in Bezug auf Darstellung und Auffassung der
Begebenheiten die Quellen möglichst selbst reden lassen^ in
der ursprünglichen Form^ die daher je nach den Umständen
eine ausführliche Geschichtsdarstellung bietet oder auch in
dürren Ghronikenstil herabsinkt.
Wie man aus dem Verzeichniss der benutzten Quellen-
schriftsteller S. If. ersieht, sind die muslimischen Werke
über ägyptische Specialgeschichte und allgemeine Geschichte,
sowie die Geographen in grosser Vollständigkeit herangezogen
worden, nicht minder für die erste Zeit der Dynastie Special-
*) [Literarisches Centralblatt 1882 S. 7 — 8. Die Anzeige war
anonym. F. R.]
WUESTENFELD, GESCHICHTE D. FATIMIDEN-CHALIFEN. 755
geschichten von Afrika, die namentlich auch für Geographie
und Ethnographie Beachtung verdienen. Misslich ist freUich,
dass von allen diesen Historikern nur zwei, einer den An-
fangen, einer dem Ausgange der Fatimiden, gleichzeitig sind.
Doch ist dieser letztere, Dschamaleddin, Ton hervorragender
Wichtigkeit, und die Auszüge aus seinem Achbar ed-dawal
verleihen dem vorstehenden Werke einen ganz besonderen
Werth. Einigermassen wird die Sache auch dadurch com-
pensirt, dass unter den späteren ägyptischen Historikern
einige sind, vor Allem Makrizi, die nicht bloss ihre Vor-
gänger mit Sorgfalt und Kritik benutzt haben, sondern auch
für Culturgeschichte und Aehnliches ein Interesse an den
Tag legen, wie es bei muslimischen Historikern nicht eben
häufig zu finden ist Referent erinnert hier an das Ver-
zeichniss der Nahrungsmittel und der seltenen Thierarten,
die unter den Fatimiden in Aegypten eingeführt wurden
(S. 163), an das der von el-Hakim Biamrillahi für das Haus
der Wissenschaft in Eahira ausgeworfenen Legate, die bis
auf die Rechnung des Buchbinders herab specificirt sind
(S. 180), an die Nachrichten von der beim Brande des
Jahres 1068 erfolgten Verschleppung der Schlossbibliothek
von Eahira, die zur Zeit des el-Aziz Billahi (975 — 996)
unter Anderem über zwanzig Exemplare der Chronik des
Tabari, darunter die Originalhandschrift des Verfassers,
besass (S. 261).
Gänzlich beseitigen lässt sich der Uebelstand freilich
nicht, dass fast alle Quellen erst nach dem Untergänge der
Fatimiden verfasst sind, zu einer Zeit, als das Andenken der
ketzerischen Dynastie verflucht war: die üeberlieferung ist
sehr eehässis fiesen sie und vielfach keineswegs unverdächtiir.
Namentlich giW dies von dem, was von der Gransamkelt
und den sonstigen Schandthaten des Dynastiegründers Obeid-
allah, sowie von seinem Zusammenhang mit dem Stifter
der Earmaten erzählt wird, lieber seine Herkunft ist es
wegen der sich widersprechenden Üeberlieferung kaum mehr 8
möglich ins Reine zu kommen; der Verfasser erklärt sich
gegen die Fatimidische Abstammung Obeidallahs, weil die
48*
756 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
verschiedenen ihm beigelegten Stammbäume sich gegenseitig
ausschlössen (S. 12). Dagegen ist einzuwenden^ dass dies
von denjenigen Berichten, die ihn mit mannigfachen Variationen
bald für einen Magier, bald für einen Juden oder gar fQr
einen wieder erst für einen hingerichteten jüdischen Betrüger
untergeschobenen Judensklaven erklären, erst recht gilt-,
während aber das Auseinandergehen der Stammbäume, die
Obeidallah mit Fatima verknüpfen, sich sehr wohl auf das
Interesse der verschiedenen Alidischen Secten zurückführen
lässt, die darüber, welcher Linie der Aliden das Imamat
zukomme, sich gegenseitig widersprachen, aber doch jede
gern eine so mächtige Dynastie, den Hort aller Schiiten, für
sich in Anspruch nehmen wollten, so lassen die Widersprüche
der zweiten Kategorie von Genealogien schlechterdings keine
andere Erklärung als die böswilliger Erfindung zu. Ent-
scheidend aber ist die (in der Folge mit schnödem Undank
gelohnte) Hingebung des Abu Abdallah el-Schii für seinen
Meister Obeidallah, filr den er, als derselbe in Afrika noch
eine unbekannte Grösse ist, die Herrschaft der Aghlabiden
zerstört, ein grosses schiitisches Reich gründet, dann mit
Heeresmacht vor Sidschilmasa zieht und den Meister aus
dem Kerker befreit, um schliesslich den Befreiten an die
Stätte zu geleiten, die er ihm bereitet hat, und sich zu seinen
Gunsten aller Machtfülle zu entäussern: welcher denkbare
Grund hätte ihn bestimmen können, das Alles für einen
Betrüger zu thun? und, war einmal eine Täuschung nöthig,
was hinderte ihn, dessen Macht auf so soliden*) Grundlagen
ruhte, das zu thun, was mehr als Einer Dach ihm gethan
hat, nämlich mit der Eröffnung hervorzutreten, dass er selbst
der erwartete el-Mahdi sei? er brauchte ja nur den unbequemen
Partner in den Händen der Polizei im fernen Sidschilmasa
zu lassen, kein Hahn hätte mehr um diesen gekräht. Davon,
dass Aegypten seit den Omajjaden nie wieder unter einer
80 wohlgeordneten Verwaltung gestanden und so gute Zeiten
*) [So hat Gataohmid in seinem Handexemplar corrigirt; im
Originaldmck steht „vielen" statt „soliden". F. R.]
WUESTENFELD, GESCHICHTE D. FATIMIDEN-CHALIFEN. 757
erlebt hat als in den ersten 90 Jahren der Fatimiden, bis
dann wahrend der achtundfunfzigjährigen Regierung des el-
Mustansir Billahi der Marasmus senilis eintrat und alle Macht
immer mehr in die Hände der Oberbefehlshaber der fremden
Soldner überglitt; spürt man bei der Leetüre des vorstehenden
Geschichtswerkes nur wenig, woran zum Theil jene Partei-
lichkeit der sunnitischen Quellen, mehr aber noch eine allen
muslimischen Chronisten anhaftende Einseitigkeit Schuld ist.
Es ist daher sehr zu bedauern, dass der Verfasser die christ-
lichen Quellen, insbesondere Michael, Bischof von Tanis und die
ihn fortsetzenden Geschichtsschreiber des jakobitischen Patri-
archats, gänzlich bei Seite gelassen hat; nicht bloss würden
diese für einzelne Abschnitte, z. B. die ersten Versuche der
Fatimiden, sich in Aegypten festzusetzen, die vormundschaft-
liche Regierung für el-Hakim, die Zerstörung der heiligen
Grabeskirche durch diesen, mehrfachen Aufschluss ergeben
haben, sondern viele der wichtigsten Dinge erfährt man nur
aus ihnen, z. B. dass el-Aziz zur Regulierung der Steuer-
erhebung eine solare Aera einführte, deren Epoche der 1. Mu-
harram 366 des Hedschra = 1. Thoth 693 n. Diocl. «= 29. Aug.
976 n. Ch. war, und dass in der guten Zeit der Dynastie
bis zum Jahre 1108 im bürgerlichen Leben nach diesen so-
genannten Charadschjahren gerechnet wurde. Anders als mit
der hier gerügten Unterlassung dürfte es sich mit einer
anderen verhalten, dass nämlich in Bezug auf den Sturz der
Fatimidendynastie nur eine einzige für Salaheddin äusserst
wohlwollende Version gegeben wird, der doch andere, un-
günstiger lautende entgegenstehen: es ist dies vermuthlich
geschehen, um Wiederholungen zu vermeiden, und wird als
ein Unterpfand angesci^en werden dürfen, dass der Verfasser
die Absicht hat, auch die Ajjubidendynastie besonders zu
behandeln und so seine verdienstvollen Arbeiten über die
Geschichte des muslimischen Aegyptens, die mit der spätesten
Zeit, der des zweiten Abbasidenchalifats, begannen, zu einem
Abschluss zu bringen.
758 BECENSIONEN UND ANZEIGEN.
2.*)
loMfiUer, Aug., Der Islam im Morgen- und Abendland.
Mit Abbildungen und Karten. I. Band. 1. — 3. Lfg.
[Allgemeine Geschichte in Einzeldarstellungen, heraus-
gegeben von W. Oncken. 2. Hauptabtheilung. 4. Theil.]
Berlin, Grote 1885.
Das einzige Buch, auf das bisher der Historiker an-
gewiesen war, der die Geschichte des Islams übersichtlich
kennen lernen wollte, Weils Geschichte der Chalifen, ist
wenig mehr als eine Wiedergabe des nachlässigen persischen
Auszuges, den Beiami aus Tabari gemacht hat, dann der
viel besseren Chronik des Ibnelathir, ohne kritische Durch-
arbeitung des geschichtlichen Rohmaterials. Eine im höheren
Sinne historische Darstellung dieses wichtigen Theiles der
Weltgeschichte durch einen kundigen Fachmann war ein
dringendes Bedürfniss, dem das vorliegende Werk in der
erwünschtesten Weise entgegenkommt. Sein Verfasser, ein
erprobter Orientalist, macht sich anheischig, das den Vor-
gängern Entlehnte an der Hand der Originalquellen nach-
zuprüfen, verzichtet aber auf eine in allen Partien gleich
selbstständige und tiefgehende neue Durcharbeitung der
Originalschriftsteller: „ich will" — sagt er — „ein Hand-
buch darbieten, welches den augenblicklichen Stand der
Forschung möglichst zuverlässig zu einem hoffentlich les-
baren Ausdruck bringt." Diese bescheidenen Versprechungen
sind mehr als erfüllt: der Verfasser hat uns ein sehr respec-
tables Geschichtswerk geboten.
Er beginnt mit einer kurzen üeb^rsicht der arabischen
Geschichte vor Mohammed, in der gleich anfangs ein Blick
auf den vierzigjährigen sogenannten Krieg der „Bessiiss^'
zwischen den Stämmen Bekr und Taglib geworfen wird;
nicht als ob diese Kette einzelner in der Streitweise der
*) [Theologische Literaturzeitang. Elfter Jahrgang (1886) S. 10
— 12.]
MUELLER, DER ISLAM IM MORGEN- UND ABENDLAND. 759
Helden vor Troja ausgefochtener Kämpfe irgend welche Be-
deutung für die Geschichte hätte^ sondern als charakteristisches
Culturbild; mit feinem Takte sind daher auch die von dem
Kamele zertretenen Lercheneier als Anlass des Krieges nicht
beseitigt, wie dies von Caussin de Perceval aus Erwägungen
eines hier nicht angebrachten geschichtlichen Pragmatismus
geschehen war. Sehr anschaulich wird uns der Handelsstaat
der Koreischiteji geschildert und der Schauplatz, auf dem
Mohammed erwuchs. Die Geschichte des Kossai erklärt derli
Verfasser S. 33 mit grosser Bestimmtheit für mythisch; sie
sei ,,nichts als ein Versuch, für Zustände und Einrichtungen
aus der Zeit Mohammeds eine feste historische Begründung
zu finden, welche für die volksmässige üeberlieferung nur
in der Zurückführung auf eine bestimmte Persönlichkeit be-
stehen: so wenig wie Aeolus, Hellen oder Dorus, wird man
den Kossai für eine wirklich historische Gestalt halten dürfen'^
Dass der Stammbaum seiner Nachkommen zum guten Theil
künstlich, manches darin auch wohl absichtliche Fälschung
sein mag, gebe ich gern zu, obgleich ich z. B. nicht einsehe,
warum Abd Menäf ihn Kossai ein ungeschichtlicher Name
sein soll; viel wahrscheinlicher ist mir, dass man die nicht
besonders vornehme, von Haschim abstammende Familie zur
grösseren Ehre des Propheten an einen Ahnherrn der vor-
nehmen Omajjaden angeknüpft hat. Aber auch wenn man
dem Verfasser hier Alles zugiebt, will mir der auf Kossai
gezogene Schluss nicht einleuchten. Die griechische Analogie
beweist eher das Gegentheil: kein griechischer Eponym hat
eine Sage. Dass sich die ätiologische Erfindung von Abu
Gubschän an Kossais Geschichte angesetzt hat, beweist auch
nichts; die Erzählung von Sebba und Amr ihn Adi liest sich
von Anfang bis Ende wie ein Abschnitt aus den griechischen
Parömiographen, und doch hat sie unzweifelhaft die Geschichte,
nicht die Sage, zum Hintergrund; mehr noch, die Erzählung
wie Kossai mit Hülfe der Odhra, denen sein Stiefbruder an-
gehörte, die Chosä'a aus Mekka verdrängte, schliesst die Er-
zählung von Abu Gubschän einfach aus, es ist der geschicht-
liche Hergang gegenüber dem sagenhaften. Auch andere
760 RECENSIONEN UND ANZEIGEN.
Züge an Eossai sehen sehr charakteristisch und gar nicht
wie Sage aus^ so der, dass die Eoreischiten sich gefürchtet
hätten^ auf dem heiligen Gebiete einen Baum umzuhauen,
bis sie Eossai selbst mit seinem Gehülfen umhieb (Ihn
Hischim übersetzt von Weil I S. 61).
Mit einer in der Wichtigkeit der Sache vollauf begrün-
deten Ausführlichkeit wird nicht bloss die Geschichte des
Propheten y sondern auch die Geschichte Mohammeds vor
dem Antritt seiner Prophetenlaufbahn behandelt; wahrend
bei dem Versuche einer Lösung der vielen , namentlich
psychologischen , Bäthsel, die sie bietet, bisher bald ein
einseitig medicinischer, bald ein theologischer Standpunkt
massgebend gewesen ist, ist der Verfasser bemüht, auf dem
Wege objectiv historischer Betrachtung zu einem Endurtheile
durchzudringen. Mit vollem Rechte entscheidet er sich dafür,
dass Mohammed mit heiligem Ernste an seine Berufung
zum Propheten glaubte, dass er weder ein Schwindler, noch
epileptisch war; seit der Uebersiedelnng nach Medina sei
eine Sinnesänderung in ihm eingetreten, eine nothwendige
Folge der Verweltlichung, da die von ihm ins Leben ge-
rufene religiöse Gemeinde von Anfang an zugleich ein Staats-
wesen war: in gleichem Masse sei die anfänglich glühende
Begeisterung des schwärmerischen Gottesbekenners dem
alternden Propheten abhanden gekommen. In der That er-
klärt diese Beobachtung — die Verweltlichung, welcher der
Prophet verfallen musste, indem er Lenker einer nicht bloss
religiösen Gemeinde wurde — das Meiste, was auf den ersten
Blick befremdlich scheint. Ein von seiner göttlichen Sen-
dung überzeugter Fanatiker konnte in den Ungläubigen, die
ihm widerstrebten, nur Bösewichter sehen, die sich gegen
den Willen Gottes auflehnten, denen gegenüber daher jedes
Mittel erlaubt sei. Für friedliche Ueberwindung entgegen-
stehender Tendenzen geht dem Araber jedes Verständniss ab;
sein Sittencodex ist, wie der Verfasser richtig hervorhebt^
ein anderer als der unsere: die schlimmsten Eigenschaften
Mohammeds, die in seiner späteren Zeit zu Tage treten,
Lügenhaftigkeit und Treulosigkeit, sind aber recht eigentlich
MUELLEB, DER ISLAM IM MORGEN- UND ABENDLAND. 761
die arabischen NationalfeUer. Grosser ist in meinen Augen
eine andere Schwierigkeit, für die den rechten Schlüssel ge-
funden zu haben, wie mir scheint, auch dem Verfasser nicht
gelungen ist. Der Prophet ist einer der grössten Staats- 12
männer aller Zeiten gewesen; die diplomatische Kunst, mit
welcher er die gefahrliche Coalition der Stamme, die ihn in
Medina belagerten, zu Schanden zu machen wusste, der Ver-
trag mit den Mekkanern nach der Pilgerfahrt von Hodeibija
sind in ihrer Art einzige politische Meisterstücke. Der Ver-
fasser hat in seiner Erzählung mit grosser Kunst diese Seite
Mohammeds immer mehr hervortreten lassen; er macht
darauf aufmerksam, dass die Umstände seine Lehrmeister
wurden, so bei der in ihren Folgen wichtigsten aller Neue-
rungen: indem die religiöse Gemeinde an die Stelle des
Stammes gesetzt ward, durchbrach Mohammed den Bann der
Stammeszugehörigkeit, der bis dahin die arabische Nation
zu unfruchtbarer Zersplitterung verurtheilt hatte; er erinnert
ferner an den Einfluss, den die pünktliche Beobachtung der
Gebete mit ihrer mechanischen Nachahmung jeder Geberde
des vorbetenden Propheten auf die militärische Disciplinirung
der Muslim übte. Auch ist bei der Würdigung der stauneus-
werthen Erfolge Mohammeds über seine Gegner mit dem
Verfasser in Anschlag zu bringen, dass von etwas wie einer
Politik, welche auch auf morgen oder gar übermorgen be-
dacht ist, ausser Mohammed Niemand in ganz Arabien eine
Ahnung hatte. Beide Erwägungen erklären Manches, aber
lange nicht Alles; immer steht man vor der Frage: wie ist
aus dem schüchternen, schwächlichen, nach ekstatischer Auf-
regung zeitweise wieder verzweifelnden, von allen Seiten
herumgestossenen Mekkanischen Waisenkinde urplötzlich der
Realpolitiker ersten Ranges geworden, der sich in Medina
von dem ersten Augenblicke an, wo ihm die Mittel zu herr-
schen in die Hand geliefert worden, zum Herrn der Situation
macht und zielbewusst von Triumph zu Triumph schreitet?
Hierauf weiss auch ich eine sichere Antwort nicht zu geben:
das Aufwachsen Mohammeds in der Umgebung der welt-
klugen kaufmännischen Aristokratie Mekkas, vor der er doch
762 RECENSIONEN UND ANZEIGEN. MÜELLER, DER ISLAM.
wieder nachdenklichen Ernst yoraus hatte , wird nicht ohne
Einfluss geblieben sein; auch möchte ich auf die Beisen
Mohammeds und ihre Einwirkung auf seine Entwickelung
grösseres Gewicht legen, als dies der Verfasser zu thun ge-
neigt ist. Wir wünschen dem trefflichen Werke besten
Fortgang.
Es ist dasselbe gut geschrieben, nicht selten mit einem
Anfluge von Humor, der aber durchweg Mass hält, um im
rechten Momente wieder dem Tone ernster Geschichtserzäh-
lung den Platz zu räumen.
■♦♦»
Eegister.
Abbanea 333.
Ab bar 70. .
'Abdallah ibn al-Gih&n al-
Sakawi 482 f.
AbdaB 337.
Abdaatart I. 63.
AbdaatartU. 63 f.
Abdaatart III. 68.
Abdaatbarym 64.
Abdera io Spanien 58.
Abdiaa 338. 339. 349. 365 f.; aeine
Zeit 374.
Abdimilknt 67.
Abedbaloa 44.
•Abed-Ferghilä 640.
Abenephi 726. 728.
Ab gar von Edeaaa im Verkehr
mit Chriatna 345 ff. 534 ff.; mit
Tiberiua 535; mit Neraeh 675;
vgl. Abgar V.
Abgar V. 346. 347. 366.
Abgar VII. 347.
Abgar Vm. 348.
Abhlra 5.
Abibai 61.
AbilioB, Patriarch 422.
Abraham, Erzvater, Fabeln von
ihm 625. 626 ff. ; ala Scbriftateller
627 f.; vgl. Abruhüm.
Abraham, Patriarch, a. Ephraim
ben Zor*a.
Abraham, Gegenpatriarch 503.
Abrühüm577. 583. 607f. 626 ff.;
vgl. Abraham.
Abu Abdallah el-Schii 756.
Abu Gubachan 759.
Abnlabbäa Ahmed Calca-
achendi 401.
Abü*l-*Alä 692.
Abnlberekät 401. 403. 416. 424.
507.
Abü'1-Fata al-Danafi 237 f.
Abü-Tälib ez Zajjäth 572.
Abydenoa 103; über Nergil-Sar-
ezer 168; aeine Zeit 287.
Abyaainien, ayriache Coloniaten
daseibat 376.
Abyasinier im Kampf mit den
Saaaaniden 374; werden Chriaten
374 f.; ihre Eönigaliaten 375 f.
Achäer am Pontoa 382.
Achämeniden in der arabiachen
Tradition 664.
Achiacharoa 135.
Achillea, Patriarch 426 f.
AchnÖchä 616 f.
Acta Andreae 386.
Acta Barnabae 388.
Acta Matthaei 372.
Acta Matthiae et Andreae
378 f.
Acta Pauli et Theclae 355f.
Acta Petri et Pauli 388.
Acta Philippi 350.
Acta Simonia et Judae 364 ff.;
gegen die Manichäer gerichtet
370.
Acta Thaddaei 345. 346. 537.
Acta S. Thomae 333 ff.
Adadremmon 28.
Adam ala Scbriftateller 609 ff.; im
Koran 609. 613; ala Beiaender
610; aeine Kinder 613; aeinName
614; sein Grab 617.
Adami 570 f. 608 ff.
Adamspik 610.
Adar 28.
Addäus 684.
Adiabene im Krieg mit Severus
236; zur Saaaanidenzeit 675.
Adonia 29. 32. 637 ff.
Adoniafest zu ßjbloa 41.
764
REGISTER.
Adores 28.
Aegidins, Patriarch 520. 524.
Aeglippns 372 f. 875.
Aeg^pten, UnbekanntBchaft der
Griechen damit 40; den Fremden
Tor Psammetich nicht verschlos-
sen 17 f.; -wird ihnen yerschlossen
49; Yon Assarhaddon erobert
162; von Artaxerxes III. 77;
römische Usorpatoren daselbst
215 ff. 229; unter Yalerianus und
Gallienus 229. 231; von Aurelian
erobert 216; von den Arabern
erobert 476 f.; unter den Fati-
miden 756 f.
Aegypter fallen in Phönicien ein
44. 69 f.; ihre XX. Dynastie 162;
ihre Thalassokratie 164; Handel
mit den Phöniciern 17. 49. 69;
mit den Griechen 69.
Aegyptische Culte, durch den
Handel verbreitet 2.
Aegyptische Namen bei Ibn
Wahshijjah 746.
Aemi'lianus 216. 219. 229.
Aera von Tyros 45. 93; vonTroja
45 f. 92; von Karthago 93; von
Flaviopolifi 354; der Eharäg 415.
757; abgeschafft 513; Vorzüge
der christlichen 165.
Aethicus 660. 685.
Aethiopien von Semiramis er-
obert 162; bei Abdias 373 f.
Aethiopier, ihre Wohnsitze 164.
Africanus über den Exodus und
den Tempelbau 1941; seine
Chronologie der Richterzeit 195;
über die Zerstörung Jerusalems
264; über die Päpste 544; benutzt
Eupolemos 194; übersetzt Eraton
365 f. ; Freund Abgars VIII. 348.
Afrika, von den Phöniciern colo-
nisirt 56.
Afslminä 589.
Agathias 106. 112.
Agathodämon 616. 634.
Agathokleia 362.
Agathokles, Historiker 710.
Agathon, Patriarch 499 f.
Agathon, Priester 477.
Aghätsädlmün 616. 634.
Aglebü 375. 376.
•Agliböl 376.
Agrippa, Tetrarch 318. 319 f.
Agrippinos, Patriarch 422.
Ai'dahak 155 f. 393.
ACyBdtrjg 386.
At^ 60.
AkikaroB 135.
Akra 60.
Aktion, Schlacht, Prodigien votr-
her 282.
Akylas 385.
Albatl27f.
Albericus Triumfontium520f.
Alchymie 185.
Alezander, Priamos^ Sohn 66.
Alexander der Grosse erobert
Phönicien 77; verpflanzt Syrer
nach Aethiopien 376.
Alexander Jannaeos 308 f.
Alexander Polyhistor über ba-
bylonische Geschichte 120; seine
jüdische Geschichte 180 ff ; Ver-
hältniss zu seinen Quellen 181 f. ;
seine jüdisch - hellenistischen
Quellen 182 f.; wie von Eusebios
benutzt 667; ob von Josephos
benutzt 182.
Alexander Zebinas 323.
Alexandre 324 f. 328.
Alexandrien, Aufstände unter
Gallienus 217 f.; Handel 376;
Patriarchen 895 ff. (vgl. Patri-
archen); von den Arabern er-
obert 477.
Alexandros I., Patriarch 427.
442.
Alexandros n., Patriarch 501.
Alexandros, Patriarch (1095)
487.
Alfterus 488.
Al-Mämün 505. 741.
■Al-Man9ür 602 f.
Alphabet, semitisches 47. 138 f.;
griechisches 53; sogenannte na-
batäische, s. Ibn Wahshijjah;
vgL Schrift.
Alt-Earthago 58.
Alyattes 152.
Amasis 71.
Amgarron 168 f.
Amida 346.
Amm'ashtart 74.
Am OB 132.
Amyite 142. 153.
Amyntes 113.
Anakyndaraxes 122.
Ananel 281.
Ananias, Patriarch 522.
BE6ISTEK
765
Anaphe 61.
AnaBtasios 6 'Anoivyuffiog
499.
Anastasios, Bischof von Antio-
chien 469.
Anastasios SinaiteSjPatriarcIi
vonAlezaiidrien497; sein Todes-
tag 411.
Anastasius, £[aiser 564. 665 f.;
sein Perserkrieg 661 f.
Anastasius Bibliothecarius
399.
Andhra 363.
Andrapolis 333. 362 f.
Andreas, Apostel 378 ff.; nicht
Bischof von Bjzanz 382.
Andreas nnd Elene 381.
Andromeda 164.
Andronikos, Patriarch 499; sein
Todestag 411.
Andronikos, Syrer 122 f.
An^er 712.
Anianos, Chronograph 99. 411.
Anianos, Patriar^i 421. 422.
Annedoten 134.
Annins von Viterbo 159. 697.
Anojsh 398 f.
Anquötil du Perron 126 f. 641.
Ansns, Patriarch 405 f. 452.
Antedatirung 149 f.
Antichrist 240.
Antiochia, fabelhafte Gründnng
599 f.; syrische Namen 600;
Chronologie der Patriarchen 412.
458; der ältesten 539 ff.; Bischöfe
seitAsklepiades 553f.; arianische
435 f.; Synode von 341: 446 f.
Antiochis 177.
Antiochos IV., seine Thron-
besteigung 175 f.; ermordet sei-
nen Neffen 176 f. 178; rächt
Onias 177 f.; seine B>egierungs-
zeit 176.
Antiochos YIL Sidetes 303f.
311.
Antiochos IX. 304. 308. 309.
Antiochos XIL 309.
Antoninus, Sohn desSeyema 239.
Antonios, Patriarch 619.
'Avov^lyya^a 2.
Ann bis, nicht in Indien verehrt 2.
Anühä 607. 616.
Annke 40.
Aoadas 336 f.
Aoza, Gründung 56. 64; Lage 69.
Aparanadios 129. 167.
Aphrodite Urania von Kythera
52.
Aphthartodoketen 463 f.
Apollinarios, Patriarch 469.
Apollonios, Sohn Alexanders 305.
Apollonios von Tvana 372.
Apostelgeschicnten, apo-
kryphe 332 ff.; ihre Zeit 378
Statthalternamen darin 886 f.
geographische Notizen 387 ff.
antiquarischer Inhalt 389; vgl.
Acta, Martyrium, Tsle£toeig,
Apsephas 84.
Apsilen 384.
Araber, Name 14; erobern Baby-
lonien 161; Babylon am Nil
476 f.; im griechischen Sprich-
wort 604 f.; ihre historischen
Kenntnisse 664; ihre Schrift-
stellerei 702 ; ihr Charakter 760 f. ;
im 4. Buch Esra 212 f. ; vgl.
Moslems.
Arabien, sein Handel 13 ff. 17.
49 ; assyrische Eiaflüsse 14 f.
von Assarhaddon erobert 15 f.
Arachosien 335; zum Buddhis-
mus bekehrt 361 f.
Arados 65. 67. 73.
Aralios 113.
Aram, König von Armenien 124.
Aram, König von Hurassad 123 f.
Aramäisch, eeineV erbreitung 581 .
Aranos 113.
Arbijäsijüs 589.
Archilochos 69.
Ardath 261.
Ardawän von 'Iraq 675.
Ardeshfr I. 675. 676.
APJOXPO 340.
Areios 113.
Ares, Opfer für ihn 581 f.
Arfaxat, Magier 364. 365. 370;
in Aethiopien 372 f. 378.
Arp^anthonios 69.
Ana 335.
Aristeas, der falsche 183 f.
Aristobulos, Tetrarch 318.
Aristobulos, Astrolog 680 f.
Aristobulos, FUscher 185.
Armü.sijümi 589.
Armenien, Name 123; semitische
Urbevölkerung 124; Königslisten
124; Juden daselbst 280. 355.
Armenier, Formen persischer
766
REGISTER.
EGnigsnamen bei ihnen 166; ihre
Beziennogen su den Assjrem
161; ihre Keilschrift 161; ver-
ehren Schlangen 393 f.; erkennen
den Papst an 621.
Armenische Münzen 342.
Armlsä, 8. Ermisä.
Arnaldus Bernardi deMonte-
ma'jori 626.
Arphazad 166; Tgl. Arfazat.
Arphäzad 870.
Arsakiden bei Moses von Chorene
108 f.
'AQödqara 280.
Arsareth 278 ff.
ArsatfijülÜB 680.
Arsenios, Patriarch von Alexan-
drien 487.
Arsenios, Patriarch von Con-
stantinopel 489.
Artabanos III. 366. 366.
Artachshashth barChashltth
346.
Artapanos 184 f.
Artashgs, Name 166.
Artashds II. 366.
Artashir, König yonHa^jab 676.
Artazares I. 220.
Artazerxes III. 76 f.
Artazias III. 363. '
Artemidoros, Quelle des Strabon
und PtolemSiOS 43.
Arüd 669.
Arw6 26.
Asaradinos 129 f.
Asbus 462.
Ash€räh 40.
Ashurbftnipal 67.
Ashurna9irpä.l 65.
Asien im 4. Esrabuch 226 f.
Askalon 46; tyrisch 77.
Askatades 113.
Asklepiades, Bischof von Antio-
chien 640 f. 656.
Asklepiades in der Nabatäischen
Landwirthachaft 631 ff.; vgl. As-
qülebithsä.
Asklepios 633.
Asmüni 686. 694.
Asordanios 129 f. 167.
Asow 279.
Asqülebithsä 670f. 682f. 631ff.
Assardonpal I. 122.
Asearhaddon erobert Arabien
16 f.; ob identisch mit Assnr-
nadin 129 f. ; erobert Aegypten
162. 163; in Phönicien 67; seine
Zeit 168.
Assemani 669 £
Assnr im 4. Buch Esra 236.
Assur, Stadt 11. 48.
Assurnadin 129.
Assyrer, ihre D^astien nach
Berosos und Etesias 103 ff. 290.;
nach den Chronographen 106 ff.;
Chronologie ihrer Könige 109 f.
130 ff. 290; erfundene Königs-
namen 107 f. ; ihre Kämpfe gegen
Phönicien 66 ff.; besetzen C^em
68; beherrschen Kappadokien
162; am Pontes 164; Ausdehnung
ihrer Herrschaft 160 ff.; Sfid-
grenze ihres Reichs im siebenten
Jahrhundert 164; ihr Einfluss
auf Arabien 15; ihre Beziehungen
zu den Armeniern 161; ünbehülf-
lichkeit ihrer Herrschaft 67; Zeit
des Sturzes derselben 107. 111;
ihre Cultur 137 f. ; ihre L&ngen-
masse 171 ff.
Assyrien, Ausfuhrartikel 1 2 f. ;
Begriff in der Kaiserzeit 223.
Assyriologen 26. 146. 169 f.
Assyrische Könige, ihre Namen
144. 146 f.; vgl. Assyrer.
Assyrium stagnum 87.
Astara 362.
Astaroth 348 f. 362.
Astart 63 f.
Astarte 39; am Bosporos verehrt
162. 362.
Astharym 64.
Astibaras 127 f. 676.
Astor 14.
Astyages, König von Medien 142;
kein Dynastiename 166; ist nicht
Darias Medus 156 f.
Astyages in der Bartholom&os-
legende 349. 360. 353.
Athanasios I., Patriarch 428 ff.;
seine Festbriefe 430 f. 432 f. 439 f.
444.
Athanasios IL, Patriarch 466 f.
Athanasios III., melchi tischer
Patriarch 490 f.
Athanasios III. , jakobitischer
Patriarch 616.
Athanasios IV., Patriarch 491.
A t h a n a s i 0 s , gajanitischer BiBchof
494.
REGISTER.
767
Athanasioa, Tritheit 496.
Athanasius von Cl6rmont520.
623. 524.
Attana 16.
Attene, s. Attana.
Atticns 121.
Atossa 104.
Angnstas, seine Regiemngszeit
244 f.
AnrelianuB erobert Aegypten 216.
Auzia 69.
Azurn, Chronik 418. 618 £
Azaph 278. 279.
Azdah& 644 f. 662. 663.
AzemilkoB 78.
Azibaal 67.
•Aztz Bi'llah 487. 766. 767.
Azoros 90. 92 f.; vgl. ZoroB.
*Azrawajä 744.
Baal I. 67.
Baal IL 70.
Baal-Shamaim 46. 61.
Baaltis 38.
Bäbä der Aramäer 676.
Bäbek 644.
Babnüda 424.
BabrioB, seine Zeit 606.
B a b y 1 a 8 , Bischof von Antiochien
640. 664.
Babylon in Aegypten, von den
Arabern belagert 476.
Babylon am Enphrat, seit den
Arsakiden 674 ff.; seine Bezie-
hunffen zu Kyzikos 710.
Babylon im 4. Buch Esra 216.
Babylonien, von Sargon unter-
worfen 156; Yon den Arabern 161.
Babylonier, ihre Chronologie
98 ff. 119; ihr Jahr 102; ihr
Kalender 646 ff.; ihre astirono-
mischen Aufzeichnungen 98; ihr
Zahlensystem 101. 113; ihre
Masse 171 ff.; ihre Sprache 680 f.;
ihre Literatur 570 f. ; ihre Mär-
chen 676; ihre Könige in der
Nabatäischen Landwirthschaft
744; ihre angebliche kanaanäi-
Bche Dynastie 673 ff.
bad 17.
Badt 329 ff«
Baer, K. E. t. 63.
BalaeoB II. 113.
Baläibalan 694.
Balasch 560.
Balatores, König von Assyrien
104; vgl. Beletaras.
Balatoros von Tyros 71.
Baldad, s. Vualdath.
Ballista 221.
Balsam von Gilead 10.
Balthasar 383 f.
Bar Bahlül 333. 343. 638.
Barbelioten 683.
Barcino 58.
Bardesanes 363 f.
Barhebräus schöpft aus Ensebios
237.
Barkäer,im Kampf mit Karthago
83.
Barsch am ja 636 f.
Barsos 618.
Bartholomäos, Apostel 348 f.
360 f.
Baschmüriten 402. 506.
Basileios IL, Kaiser 487.
Basileios, Patriarch von Jerusa-
lem 484.
Basmath 13.
Bätyle 87.
Baudissin, Graf, seine „Studien
zur semitischen Religionsge-
schichte" 20 ff. 37 f. 79; sein
„Jahve et Moloch" 20 f.
Bäume, ihr Cultus bei den Se-
miten 33. 37.
Baur 268.
Bawaris 376. 876.
Bayer 346.
Bäz^n 375 f.
Becher, s. Beireth.
Beelsam§n37; vgl. Baal-Shamaim.
Beibars 490.
Beireth 349. 352.
Beith Oromo'ie 667.
Beladen 129.
Beleous 104. 112.
Belesys 111.
Beletaras 104. 120. 126; Bedeu-
tung des Namens 125 ff.
Belib 129 f. 164. 167.
Belkis bintHadhad ibnSura-
hil 16.
Belochos, Name 112. 113.
Belochos L 113.
Belochos IL 104. i
Belos, König von Assyrien 106 f.
204; = Nimrod 576.
Belos, Gründer von Kition 50.
Belshazer 142.
768
REGISTER.
Beltis 15.
Benfey 188.
Benhadad 27. 168
Benhadar 87
BenjaminL, Patriarch 476 ff. 499;
sein Todestag 411.
Benjamin IL, Patriarch 616.
Beor 373. 376.
Berenike, Wittwe des Herodes
von Chalkis 361.
Bernardus, Mönch, besucht Ae-
gypten 486.
da Bernat 406. 416.
Bernstein 66 f.
B er OS OS, seine Liste der baby-
lonischen Dynastien 97 ff. ; Jatho
darüber 290; rechnet cyklisch
101; über Assyrien 102 f. 120;
von wo an er historische Zahlen
giebtll4; seine assyrisch- jüdische
Chronologie 131 n.; Anordnung
seines Werks 140 ; über Sanherib
167 f.
Bertänijä 606 ff.
BerytoB, Gälte 39 f.; gehört zu
BybloB 23.
Beschneidang 38.
BesBuss 768 f.
Btith Armajg 667.
Be thl eh emitisch er Kindermord
626. 632.
Bibel, siehe Testament.
Bilder der Grade der Sphären
670. 671. 673 ff. 687.
Bin 27.
Bin-idri 27. 28.
Bion 120.
Bleek 323.
Blemmyer 219.
Bochart 79 f.
Bod'ashtart 76.
Bohnen, ihr Genuss verboten 616.
634.
Boranen 228.
Bosporanische Götter 362.
Bosporanische Könige 361.
Bosporos, Jadensitz 366; «=* Se-
pharad 307.
Botrys 64.
Bötticher, W. 81.
Brahmänijä el- Chesarwäni
679 f.
Brahmlüs 679.
Brandis, J., „Ueber den histori-
schen Gewinn u. s. w." 116 ff.;
„Rerum AsByriarum tempora**
118. 138 f.; über die Meder-
herrschaft 161.
Brann, über die Söhne des
Herodes 316 ff.
Britannien in der Nabatäischen
Landwirthscbaft 606 f.
Brockhaus 683. 642. 696.
Bruce 143.
Brucheion 216, 217. 229.
Brugsch 144.
BucheriuB 619.
Büchertitel bei" den Arabern
729 f.
Buddha, seine Leiche 861.
Buddhisten, ihre Missionsthätig-
keit 368; Aehnlicbkeit ihrer
Legenden mit den christlichen
368 ff. ; Einfluss ihrer Lehren im
Westen 363 f.
Bulan 279.
Bunsen, Chr. E. J. v., über
Sodom 41 f. 87; „Aegyptens
Stelle in der Weltgeschichte^*
134; über die XKIL Dynastie
296; über Herenuius 296; über
die Nabatäische Landwirthschafb
668.
Bunsen, E. y., „Biblische Gleich-
zeitigkeiten" 299 ff.
Buntwirkerei 47.
Burnell 63.
Busiris 17 f. 49.
Byblos, seine Beziehungen zu
Aegypten 17; zu Assyrien 66.
67; sein Cultns 38; in der
Perserzeit 73.
Byzantiner, ihr Name bei den
Orientalen 607.
Caesellius 387.
Caldwell 63.
Öänakja 696.
Gandacis 372.
Oandragupta 696.
Caracalla 236; mit Commodus
verwechselt 238; judenfreondlich
239; Zeit seiner Erhebung zum
Cäsar 260.
Carmonii 220.
Carteja 68.
Cassianus, siehe Julius Gas-
sianus.
Catalogue des Patriarches Coptes
d'Alexandrie 403 f.
REGISTER.
769
Catalogns patriarchanim Ale-
zandricorum 405. 416.
Caussin de Perceval 759*
Ch, siehe auch Kh.
Chalbea 49.
Chaldäer sind Arier 114; fallen
in Phönicien ein 66; ihre Sprache
136 f.; bei Ibn Wahshijjah 693.
Chalke 69.
Chalmana 15.
Ghanaan 576.
Ghanac, Wilhelm von 624.
Chares von Mytilene 641.
Charinus, L. 333.
Charädsch-jahre, siehe Aera.
Charmande 11. 48.
Chayila 4.
Chazajan 123.
Chazajel 123.
Chazakijahu 129.
Chazaren 279.
Chinesen, ihre Herrscheijabre
167.
%txmv 6.
Xva 42.
Choche 697.
Chondemlr 676.
Chor äs an unter den Sasaniden
676.
Chorsabad, Umfang 172 f.
ChristoduloB, melchiti&rcher Pa-
triarch 486. 608 f.
Christodulos, jakobitischer Pa-
triarch 611 f.
Christophoros, Patriarch 484.
Christus, sein Geburtsjahr nach
den Alexandrinern 267; Zumpt
darüber 626 ff.; Röckerath 298;
sein Verkehr mit Abgar 346 ff.
634. 636 f. ; Dauer seiner Wirk-
samkeit 627; seine Mutter 683;
sein Bild 636 f.; sein Kreuz 537 f.
Chronik von Axum 418. 618 f. '
Chronikon paschale benutzt
Philostorgios 664.
XQOvoyQatpBtov dvi^rofioy 398.
409 f. 412.
Chronologie, Methode derUnter-
suchuDg 298 f.
Churnäraweih 607 f.
Chus 576.
Chwolsohn, siehe Chwolson.
Chwolson über die Ssabier 8.
567. 621; über die Nabatäische
Landwirthschaft 146. 567 ff.; über
y. Gt7T80HMZi> , Kleine Schriften. IL
Tammüz 569. 637; über die na-
batäischen Alphabete 703; über
den Reim 587 f.; über Qöstir
621; als Chronolog 670ff.; seine
Kritik 635 ff. 704 f.; sein Euhe-
merismus 639; seine Geschichts-
philosophie 657.
Christenverfolgung des Vale-
rian 219. 226 f.; des Decius 226.
240; des Severus 238. 239.
Classen, J. 603.
Claudius, Räuber 237.
Clemens von Alexandrien benutzt
Julius Cassianus 192. 196; sein
Verhältnisa zu Tatian, Justinus
und Africanus 197; gegen die
Judenchristen 240; Abfassungs-
zeit der Stromateis 257 f.
Commodus mit Caracalla ver-
wechselt 238; verfolgt die Sa-
maritaner 237 f.
Conring 142.
Constans 447 f.
Constantinopel, Patriarchen
454 f.
CoDSummatio S. Thomae, siehe
Cooper, Basil 302.
Cosmographns Ravennas 659.
Cremeaux, Simon de 625.
Culte, durch den Handel ver-
breitet 2. 376 f.
Cunningham 332. 340.
Curtius, E., über die lonier 601 ff.
Cypern, phönicische Herrschaft
daselbst 60 f.; assyrische 68; von
Amasis besetzt 71 ; in den Acta
Barnabae 388; von Kanaan&ern
besiedelt 36. 389.
Dagon 33.
Damaskos, Sagen 14 f.
Damianos, Patriarch 498 f.; sein
Todestag 411.
Daniel, Buch 141 f.; der zehnte
Griechenkönig 175 ff.; die vierte
Monarchie 242 ; von den Christen
ausgedeutet 267; Zündel und
Hilgenfeld darüber 286.
Där& 664.
Dar ei 0 8 J., sein Zug nach Aegy-
pten 15 ; Organisator Phöniciens
71 f.; sein Tod 166.
Darius Medus 142. 156.
Dattelpalme 42.
49
770
REGISTER.
David 62; als Zeitgenosse des
Troischen Kriegs 128.
Dedan 15.
Deinon, Quelle Diodors 163.
Dei'okes 151; kein Dynastiename
155; Sayce über ihn 302.
Delfinus, Leonardas 525.
D elketaden, siehe D er ketaden.
Demetrios I. Soter 175.
Demetrios IIL yon Syrien 808 f.
Demetrios, jüdischer Historiker
182 f.; seihe Zeit 183. 186 ff.
268. 291; seine Chronologie 186 ff.
Demetrios, Patriarch 423.
Demokritos 46. 184 f.; als an-
geblicher Alchymist 183; bei
Malalas 557.
Deridotis 12.
Derketaden 112.
Derketades 113.
Des&thtr 694. 698.
Dewfinät 682. 659.
Dido 81.
Diestel, L. 30.
Dillmann 875.
Dindorf, L. 181.
Diodoros über 'la<6 25; benutzt
Ktesias 105; macht Zusätze zu
Etesias 163; benutzt Deinon 163;
seine Quellen über Semiramis
163.
Dionysios, Patriarch von Ale-
xandrien 424.
Dionysios 1., Patriarch von An-
tiochien 505. 506.
'Dionysios II., Patriarch von An-
tiochien 507.
Dionysios Y., Patriarch yon An-
tiochien 512.
Dionysiosvon Telm ah ar, seine
Chronologie 346 f. ; erhält Josua
Stylites 559.
Dios 61.
Dioskorosl., Patriarch 418 f. 451.
Dioskoros IL, Patriarch 456 f.
458.
Doctrina Addaei 534 f.
Dodwell 896. 407.
Domitianus, Usurpator 216 f.
Dorotheus, Paulitenbischof 497.
Dorotheos, Theodosianischer
Bischof 496.
Dsch, siehe G.
Dsü*lqarnain 668.
Duinisades 405.
Duncker, M., über die lonier 602.
D zaghrlths 571. 582; seine Reime
587 f.; seine Zeit 665.
Dzahhäk 577. 677.
£bn, ygl. Ihn.
Ebn el-Kolzumi 403.
Ebn Rahib 406. 414. 507.
EbusoB 69.
Echidna 389 ff.
Eckhel 342.
Eddana 11. 12. 48.
Eden, Stadt 12. 48.
Edessa, Chronik 559 ff.; ygl.
OsroSne.
Edom, » Rom 807.
Eigennamen, antike, ihre Ortho-
graphie 165.
Eileithyia 682.
Einsiedler in Babylon 651 ff.
Ekdikios, Praefectus Aegypti
. 440.
El 38 f.
El-Azlz, siehe Aziz.
Elagabalus 254.
Elam 162.
El-b!sh 695.
Elesbaas 378. 874.
Eleutheros, Patriarch 488.
Elia, Dürre zu seiner Zeit 69.
Elias, Patriarch 487.
Elibos 129 f. 154. 167.
Elisa, Inseln 52.
Elissa 64. 89.
Eliun 88 f.
Elle, assyrische 171 ff.
Elmakin 406. 414. 507.
Elpidios, Bischof yon Alexan-
drien 494.
EluläoB 65.
(E)luli 66.
Elymer 57.
Emporia 58.
Engel, W. E. 889.
Ephraim ben Zor'a 510f.
Epiphanios 884 f. 442.
Eponymen, assyrische 166 f.;
griechische 759.
Erbes 548. 557.
Erdbeben yon 31 n. Ch. 282.
Erember 14.
Erowand 350.
Erm!Bä616.684f.682;ygl. Hermes.
Esarhaddon67; ygl Assarhaddon.
Esau, Stammvater der Römer 271.
REQISTEIL
771
Efihmün 40.
Eshmun^azar, siehe Eamun-
*ezer.
Esmnn'ezer I. 10. 74.
Esman'ezer 11. 9 f. 74.
Esrai Buch IV (Apokalypse), Li-
teratur dardber 211 f.; Volkmar
darüber 204 ff. ; Hilgenfeld. 204.
285ff.; Ueberlieferung 204f. 241.
286; arabischer Text 286; wo
zuerst citirt 267 f.; Adlergesicht
204. 206 ff. 240 ff. 284. 286 f.; Ab-
fassungszeit 206 f. 281 f. 239. 266;
Heimath des Verfassers 266; Re-
ligion desselben 266 f.; Anhang
212 f.; Cap. 1 u. 2 232 ff. 283 f.;
die ursprangliche Apokalypse
268ff.; Sprache 268; benutzt die
LXX 269; Zeitrechnung 260 ff.
276; Verfasser 268 f.; seine Zeit
269. 268 f. 276; seine Heimath
276 f.
Essäer 823.
Eteokreten 62.
Ethbaal 64.
Etrusker, ihre Beziehuogen zu
den Phöniciern 68.
Euagoras erobert Tyros 76.
Euagrios 469.
Eudeipne 69.
Euechoios 126.
Eugenius, Kaiser 327.
Euhemerismus 612. 631f. 634f.
638. 639.
Eulogios, Patriarch 469. 470.
497.
Eulogios, angeblich schrift-
stellernder Patriarch 488.
Eumenes, Patriarch 423.
Eunapios über die Mönche 662 f.
E u o d i 0 s , Bischof von Antiochien
662.
Euphemios, Patriarch von Con-
stantinopel 464 f.
Euphenissa 372.
Euphranon 372.
Eupolemos 183; seine Zeit 191 ff.
281; schrieb in Aegypten 192;
seine Chronologie 192 ff.; von
Africanus benutzt 194; benutzt
Etesias 676; über Chanaan 676.
Evasßfig 388.
EusebioB, Bischof von Alezan-
drien 482.
Eusebios von Eaesareia, sein Ver-
halten gegenüber Athanasios
444 ff.; Verhältniss des lateini-
schen und armenischen Textes
seiner Chronik 397. 648 f. 663;
Uebersetzung von Petermann 166 ;
AbfassungEzeit der Chronik 396.
443; sein Verhältniss zu seilen
Quellen 181 f.; seine Benutzung
des Alexander Polyhistor 667;
faeine assyrische EOnigsliste 106;
seine assyrisch-jüdische Chrono-
logie 131 ff.; seine Chronologie
der Eaiserzeit 397; über Abgar
634 f.; über die Patriarchen von
Alexandrien 396 f. 443. 642 f.;
über die Bischöfe von Antiochien
639 f. 646 ff. ; über Ignatios 666 ff. ;
über die Bischöfe von Jerusalem
660 f. 666; seine Papstliste 644 ff. ;
Handschriften der Praeparatio
181 ; Abfassungszeit der Kirchen-
geschichte 443.
EustathioB, Patriarch 484.
Eutychianus, Papst 647.
Eutychios, Patriarch 486; sein
Nazm algauhar 399 f. 412. 480.
496; über die Bischöfe von An-
tiochien 661 f; über Noah 622.
Evangelium des Johannes 627 f.
Evangelium des Lukas 628f.
Evangelium de obitu Mariae
337 f.
Evil-Merodach 142.
Ewald, seine Stellung 717. 748;
„Sibyllische Bücher" 822 ff. ; über
die Nabatäische Landwirthschaft
668. 682 f. 696 f. 698. 613. 684.
637. 661. 676; „Zur weiteren
Würdigung der nabatäischen
Schriften" 717ff.; über die naba-
täische Schrift 688 f.; über die
nabatäische Sprache 746 ff.; über
Thenkelöshä 677 f. 679; über
Teukros 701 f. 709; über Tham-
müz 761; über die Hyksos 13;
über Bartakos 377.
ExcerptaLatina barbari, ihre
assyrische Eönigsliste 106; ihre
jüdische Königsliste 189; Ver-
zeichniss der alexundrinischen
Patriarchen 898. 410 ; Abfassungs-
zeit 396 f.
Fabius, Bischof von Antiochien
640.
49*
772
BEGISTEB.
Falconilla 355.
F&lscher 684f. 697. 784ff. 742.
Fatimiden, Anfang ihrer Dynastie
509; die Quellen für ihre Ge-
schichte 755. 757; ihre Herr-
schaft 756 f.
Febrnarias 649.
Fenchel 610f.
Ferishtah 868.
Firdnsi 220.
Fische, ihr Genuas verboten 615.
616. 684.
Flaviopolis, Aera 854.
Fleischer, zur Nabatäischen
Landwirthschaft 588. 587. 592.
612. 619. 632. 679. 701. 713ff.
Flüsse als Götter, sieheGewässer.
Fosfor 619.
Fraas 55.
Franken stammen you Esau ab
271.
Freudenthal, „Hellenistische
Studien'' 180 ff.; über das vierte
Makkab&erbuch 181.
Fulvianus 384.
Gabriel L, Patriarch 509.
Gabriel II., Patriarch 513.
Gabriel III., Patriarch 515.
Gabriel IV., Patriarch 516.
Gabriel V., Patriarch 516 f.
Gabriel VI., Patriarch 518.
Gabriel VTI. , Patriarch 418.
578.
Gabriel VIH., Patriarch 518.
Gad 333. 837.
Gades 56. 58.
Gajaniten, ihre Patriarchen
494 ff.; ihre Union mit den
Theodoaianern 497.
Gaianos, Patriarch 459. 460 ff.
Gajömarethna 127.
Gaüos, Patriarch, siehe Gaianos.
Gaius, Kaiser, arabische Formen
583 f.
Galatien, ein Legatus Augusti
387.
Galepsos 54.
Gallienus215; besiegt die Gothen
226.
G&m&sp 642 f.
Garamäer 641.
Garamanten 59.
ragagivTjg 335.
Garmos 641.
Gaulos 8. 48.
Gazara 318. 315.
Gazus 335 f.
Gecnac 15.
Gedalja, Rabbi 624. 625.
Gelasius, Papst 455 f.
Geldwert h in PhGnicien und
Palästina 3f:; vgl. Preise.
Georgios, Heiliger 654. 743.
Georgios I., Patriarch von Ale-
xandrien 437 f.
Georgios IL, Patriarch von Ale-
xandrien 475.
Georgios H., Patriarch von Ale-
xandiien (998?) 487.
Georgios, Patriarch von An-
tiochien 502.
Georgios, angeblicher Patriarch
479 f.
Georgios, Archidiaconus 402.
414.
Georgios Kedrenos über Adonis
638 f.
Georgios Kvprios 490.
Georgios Sjnkellos benutzt
Anianos und Panodoros über
Babylon 99; verderbt die Nach-
richten des Berosos 99 f.; seine
assyrische Königsliste 105 f.;
seine Liste der alexandrinischen
Patriarchen 398 f.; über die Kin-
der Adams 613 f.
Ger&miqah 632. 641.
Gerasimos I., Patriarch 492.
Gerasimos IL, Patriarch 493.
Gerlach, F. D. 531.
Gerlach, Stephan 492.
Gerrh&er 15. 17.
Geschichtschreiber, orientali-
sche 220.
Geschwisterehe 74.
Geta 250.
Gewässer von den Semiten ver-
ehrt 32. 34. 37.
Gewürze 6 f.
Giddan 11. 48.
Gifte, Buch von den 570. 571.
Giftmädchen 695 f.
Gildemeister 645.
Girba 59.
Girgäs 654.
Glasfabrikation 46f.
Godaphara, s. Gondophares.
Gog 230.
Gold bei den PhSniciem 4$ aU
REGISTER
773
Tanschmittel 624; seit wann
gemünzt 624 f.
Gondophares in der Legenda
aurea 832 ; ia den Acta Thomae
333; seine Namen 334; sein Reich
335. 340; seine Zeit 341.
Görres, J. 127.
Gothen plündern Thrakien, Ma-
kedonien nndAchaia 225; Klein-
asien 225. 227 f.; von Gallienus
besiegt 226; sind Gog und Ma-
gog 230.
Götter, ihre geheimen Namen
623 ; griechische und ägyptische
durch den Handel verbreitet 2;
der Bosporaner 352; semitische
31 ff. 37; ihr Geschlecht 34. 37;
phönicische 38 ff.; wie darge-
stellt 40.
Graetz 286ff!. 239. 420; seine
Methode 321.
Gregor IX., Papst 524.
Gregorios, arianischer Patriarch
von Alexandrien 428 f. 431. 432.
434. 444.
Gregorios I., armenischer Pa-
triarch Yon Alexandrien 527.
Gregorios I., melchitischer Pa-
triarch 489.
Gregorios IL, armenischer Pa-
triarch von Alexandrien 522.
Gregorios IL, melchitischer Pa-
triarch 491.
Gregorios IIL, Patriarch 491.
Gregorios IV., Patriarch 491.
Gregomos V., Patriarch 492.
Gregorios, Bischof Ton Antio-
chien 469.
Griechen, ihre erste Kunde yon
Aegrpten 49; auf Gypern 50;
Einnuss der PhOnicier auf sie
52 f. ; in Sicilien und Aegypten
69; ihr Name bei den Orientalen
607; ygl. Neugriechen.
Griechisch als Münzsprache in
Iran 341.
Fginnovrig 405.
Grote über die PhÖoicier 80.
Gundaforus, s. Gondophares.
Guäd 337.
Gytte 60.
Haarabschneidung der Frauen
41.
Hadad 26 f.
Hadad'ezer 26.
Hadad-Rimmön 28.
Hadar 26. 28.
Hadar*ezer 26.
Hadrumetum 59.
Häg! Chalfah über Ihn Wah-
shiijah 729. 737 ff.
Häkim 487.
Hammer, J. 582. 719. 723. 730.
Handelsstrassen nach dem Eu-
phrat^llf.; nach Arabien 13 ff.
48; nach dem BemsteiDlande 55.
Hanno der Grosse, Enkel Magos
71. 84.
Hanno der Seefahrer 60.
Hansen 152.
Hanzalah ben Qafwän 483.
Haöinacultus 127.
Haran 8. 48.
Hareths al-R&ish 662.
Haria 335.
Harismanos 461.
Harnack, A., „Zeit des Ignatius**
538 ff.
Hartwig 257.
Härün al-Raschld 484.
Hasael 123. 168.
Hasan ben Fara^ 701. 722 f.
Hasdrubal, Enkel des Mago
83 f.
Hatra 224.
Hang, M. 117.
Hausrath 317.
Hebräer 13; vgL Israeliten.
Heftwäd 220.
Heiligengeschichten, neu-
griechische 369.
Heiligkeit, Begriff im alten
Testament 30.
HekatäOB von Abdera, Quelle
des Diodor 25.
Hekatäos, der falsche 185.
Helena, Kaiserin 537.
Heliodoros 175 f.
Helioskinder 52.
Hellanikos über Sardanapallos
122; über O^ges 201.
Hemerobaptisten 323.
Heniocher 382.
Henooh 616.
Henschen 471.
Heraklas 424.
Herakleia Minoa 57.
Herakleios, Kaiser 476 f. 480.
Herakleonas 480.
774
REGISTER.
Herakles, sein Colt bei den
Griechen 34; als Melkarth 8.
Herakles, Tyrischer, empfängt
den Zehnten 61; sein Tempel
61 f.; Fest seiner Erwecknng 62;
als Städtegründer 59 ; seine
Priester 72.
Herennins, siehe Philon von
Byblos.
Herennins Severus 22.
Hermes 682. 712; YgL Ermlsä.
Hermes el-Bäbeli 682.
Hermes T(fiafiiyi<tTos 682.
Herodes der Grosse, wird König
270. 281 ; nach der Schlacht von
Aktion 274 f ; seine Beziehungen
zu den Parthern 281; seine Re-
giernn^szeit 298; seine Ehe 317;
Ereignisse bei seinem Tode 320.
Herodes von Palmyra 222.
Herodes, Tetrarch 319.
Herodias 317 ff.
Herodotos über den Ursprung
der Phönicier 41.87; seine Glaub-
würdigkeit 118; seine Zeit 118 f.;
seine assyrische Geschichte 119;
über den Abfall der Meder von
Assyrien 164 f.; seine persische
Chronologie 156.
Heruler 452.
Hesion 123.
Heuschrecken 563.
Hierapolis in Asien 389 f.; Mün-
zen 391 f.
Hierodulen 41.
Hieroglyphen bei Ihn Wah-
shijjah 692. 708 f.
Hieronymus, seine Chronik 397;
über die Patriarchen von Ale-
xandrien 440; über Sanherib und
Salmanassar 188.
Hieropolis 336.
Hilario, siehe Julius.
Htläthsij& 682.
Hilgenfeld über IV. Esra 204.
206. 212; „Esra und Daniel"
285 f.; über die Sibyllen 822.
Himjariten 169; ihre Züge nach
Innerasien 662 f.
Himjaritische Annalen 662.
Himmelskörper, ihr Cult 32. 37 f.
Hinrichtung durch Lanzen 361.
Hiob, Buch, Alter der Nachschrift
184; vgl. lob.
Hippo Zarytos 59.
Hir&h 585; Könige 675.
Hiram, Erzarbeiter 63.
Hirom I. 61 ff.; unterwirft Utica89.
Hirom IL 66.
Hirom IIL 71.
Hirschopfer 40.
Hiskia 129. 169.
Historia acephala 439. 447.
Historia patriarcharum Ale-
xandrinorumque Jacobitarum
401 f. 607.
Hiwä el-Balch! 692.
Üöhendienst 38. 85.
Holm, A. 81.
^Ofiogama 136.
Homorka 136 f.
Hophra 70.
Hosius 447.
Hrodan 393. 641.
Humbert, lateinischer Patriarch
von Alexandrien 626.
Hunibald 736.
Hup fei d über die Zerstörung
Ninives 111; über die Meder
290.
Hyde 333.
HyksoslS; Zeit ihrer Vertreibung
194.
Hyndopherres, siehe Gondo-
phares.
Hypatios 386.
Hyrkanos 275. 281. 308. 309 f.
Hyrtacus 373. 376. 877.
Hystaspes, fabelhafter Meder-
könig 680.
Jacobus a Vitriaco 332 f.
Jacobus a Voragine 332 f.
Jahr, grosses 102; chald&isches
102.
Jahre von Königen, ob postdatirt
146 ff.; der römischen Kaiser 40.
Jahr punkte von den Persern
gefeiert 870 f.
Jahwe 23 ff.
Jakinlu 67.
Jakob, Jakobitenpatriarch 504.
Jakobiten 460. 477; ihrVerhält-
niss zu den Katholiken 522. 624;
ihre alexandrinischen Patriarchen
498 ff.
JamblichoB, der B omanschreiber
580. 641.
Jamilki 67.
Jamolkes 86.
EEGISTER.
775
Janai, Rabbi 236.
Janbüshäd 571. 693; seine Zeit
665.
'Idm 24f.
Ja'qöb Bürd'äjä 498.
jarbüqä 570. 571ff. 738.
J ath 0 , „Alttes tarn entliche Chrono-
logie" 288 ff.
Jayan 54. 603. 605.
Ibn, vgl. Ebn.
Ibn en-Nedün über Ibn Wah-
shijjah 729. 736 f.
Ibn Wahahijjah, sein Name
689. 720 ff.; seine Vaterstadt
597; als Verfasser der I^aba-
täischen Landwirthschaft 568.
570 ff.; seine Alphabete (Shauk
al-Mustahäm) 582 ff. 589 ff. 701.
703. 719; ob Verfasser derselben
703 ff.; seine von Eircher er-
wähnten Schriften 725 ff.; son-
stige Schriften von ihm 729 f.
731. 736 ff.; als Fälscher 688 ff.
696 ff. 703 f.; seine Tendenz 689 ff.
699 ff. 740 ff. ; seine Kenntnisse
692 ff. ; Werth seiner Schriften
706 f. 718.
Idumäer 14. 271 f.
Jebusäer 388.
Jehu 169.
Jeremia, sein Gottesbegriff 23.
Jernbbaal 44.
Jerusalem, Tempelbaa 62 f. 94.
194. 197; die Mauern eingerissen
312; von den Moslems erobert
478 f.; Patriarchen 412.
Jesid I. 482.
Jezid ben Hätim 503.
Jima Ehsha^ta 127.
Ignatios, seine Briefe 538 f.;
seine Zeit 538 f. 557 f.
Inder, lassen einen Bischof in
Alezandrien ordiniren 498.
Indien, das weisse 335.
Indische Könige nach Volks-
namen benannt 362 f.
Indoskythen, ihre Chronologie
341 ff.
Innocentius III. 488.
Insel, glückselige 60.
Joakeim, Patriarch (1561) 492.
Joakeim, Patriarch (1665) 493.
Joanne^, vgl. Johannes.
Joannes I., Patriarch von Ale-
zandrien 454.
J o an n e 8 I., lateinischer Patriarch
von Alexandrien 524.
Joannes II. Monazon oder He-
mula, Patriarch von Alexan-
drien 456.
JoannesII., lateinischer Patriarch
von Alexandrien 624.
Joannes III., melchitischer Pa-
triarch 456.
Joannes III., jakobitischer Patri-
arch 500 f.
Joannes III., lateinischer Patri-
arch von Alexandrien 525.
Joannes IV., melchitischer Patri-
arch 469.
Joannes IV., jakobitischer Patri-
arch 418. 502 f.
Joannes V., melchitischer Patri
arch 471 ff.
Joannes V., jakobitischer Patri-
arch 514.
Joannes VI., melchitischer Patri-
arch 488.
Joannes VI., jakobitischer Patri-
arch 514; vgl. Jonas II.
Joannes VI.^ jakobitischer Patri-
arch 515.
Joannes VII., jakobitischer Patri-
arch 515.
Joannes VII. von Sis, armenischer
Patriarch 521.
Joannes VIII., Patriarch von Ale-
xandrien 516.
Joannes VIII., Patriarch von An-
tiochien 511.
Joannes IX., Patriarch 516.
Joannes X., Patriarch 517.
Joannes XI., Patriarch 518.
Joannes XII., Patriarch 518.
Joannes XIII., Patriarch 519.
Joannes XIV., Patriarch 519 f.
Joannes XV., Patriarch 520.
Joannes; theodosianischer Bi-
schof 497 f.
Joannes, gajanitischer Bischof
494.
Joannes von Antiochien benutzt
Africanus 196.
Joannes Bekkos, Patriarch 490.
Joannes, Diaconus 402 f.
Joannes el-Qäim bi'1-haqq
494 f.
Joannes von Ephesos 464.
Joannes Kosmas 490.
Joannes Laskaris 489.
776
REGISTER.
Joannes Malalas über die Bi-
schöfe Yon Antiochien 552; be-
nutzt Theopbilos 557; über die
Gründung von Antiochien 599;
über den römi8chenKalender649.
Joannes, Bischof von Majuma485.
Joannes von S. Makarios 519.
Joannes Philoponos 495.
Joannikios, Patriarch 498.
Joasaph, Patriarch 492.
lob, vgl. Hiob.
lob, Patriarch von Alexandrien 487.
lob, Patriarch von Antiochien 484.
Johannes, vgl. Joannes.
Johannes ben Salud 403.
Johannes Hjrkanos I. 303 f.
Joktaniden 18.
Jona, Buch 142.
Jonas, lateinischer Patriarch von
Alexandrien 520 f.
Jonas I., s. Joannes V.
Jonas IL, Patriarch 514. 521. 522;
vgl. Joannes VI.
Jonas III., Patriarch 518.
1 0 n i e r in der Nabatäischen Land-
wirthschaft 600 ff.; ihre ürsitze
601 f. ; in Aegy pten 602 ; bedrohen
Tyros 66.
Jonithus 15 f.
lopolis 599.
Josephos über die Gründung von
Tjros und Karthago 46; über
Salomos Tempelbau 63; seine
Königsjahre 150; ob er Alexan-
der Polyhistor benutzt 182 ; seine
Chronologie des Exodos 193. 262
der Zerstörung Jerusalems 264
Senatusconsulto bei ihm 803 ff.
seine Quelle dafür 806 f.
Joppe 804. 813 f.
Jösäb. Patriarch 485. 504 f.
Joseph, siehe Jös^b.
Jost 239.
Josua Stylites 559 ff.
Jovianus, Kaiser 564.
Iphigenia, Aethiopin 873. 378.
Iran, Urbevölkerung 159.
Irland, fabelhafte Urgeschichte
606.
Isä ben Muhammed al-Nü-
shari 509.
Isaak,melchitischer Patriarch 487.
I s a a k , j akobitischer Patriarch 50 1 .
tshtthsä 614 ff.; stellt Moham-
med vor 690. 739 ff.
IsigonoB 119.
'I66'^>ritpa 136.
Ispabara 127.
Israeliten, Geldwerth bei ihnen
4 ; ihr Gottesbegriff 23 f. ; Be-
ziehungen zu den Phöniciern
62; ihr Auszug aus Aegypten
198 f.; 9V, Stämme 278; Schick-
sale der 10 Stämme 280 ; Chrono-
logie ihrer Richter und Könige
289. 294. 297; vgl. Juden.
Istares 185.
It-himyar 169.
1 1 an 0 s , Münzen 33. 52 ; phönicisch
51 f.
Ithobal von Sidon 66.
Ithobal I. von Tyros 64.
Ithobal II. von Tyros 70.
Juba II. 357.
Jubiläen, Buch der 574 f.
'lovSatoi in den Sibyllinen 327t.
Judas, Apostel 864 f. 369.
Judas, Chronograph 240. 257.
Juden, ihre Wegführung aus Pa-
lästina 187; in Armenien 280.
355; in Bosporos 355; in Sinope
385; ihre Beziehungen zu Antio-
chos VII. und IX. 803 f. 308 ff.;
zu den Parthem 280 f.; zu den
Römern 303 ff. 307; ihre Stellung
unter den Hasmonäem 807 f.;
hassen Palmyra 222 ; hassen Tyros
und SidoQ 285; ihr Aufstand
gegen Severus 286 ff.; von ihm
verfolgt 288; ziehen Christen zu
sich herüber 240; ihre Ethno-
graphie 307 ; Rationalisten unter
ihnen 692; alezandrinische 185;
als Fälscher 185. Vgl. Israeliten.
Judenchristen 240.
Julianos, Patriarch 428.
Julius I., Papst 444 ff.
JuliusAfricaHU8,s.AfricanuB.
Julius Cassianus 192. 196 f.
Q. Julius Hilario 292.
Junis von Damiat 424.
JuniuB, F. 235.
Jus ab 484; sein Biograph 402.
Justinus I., Kaiser 566.
Justinus Martyr, sein Verhält-
niss zu Tatian, Africanns und
Clemens von Alexandrien 196 ff.;
seine Cohortatio ad Graecos 197.
202.
Just OS, Patriarch 423.
REGISTER.
777
Ja st 08 von Tiberias 201 ff.
'loviavTis 839.
Izates von Adiabene 347 f.
Izeds, ihre Namen auf Menseben
überiaragen 337.
izat 347.
Kabiren 40.
Kabul 62.
Kadmeier 63.
Kadmos 63.
Kabira, Hans der Wissenschaften
766; Schlossbibliothek 766.
Kai Khosrü 641.
Kain 683 f.
Kaival 12. 48.
Kaiser, römische, ihre Jahre 160.
Kalamine 339 f.
K&16b 374.
Kalrjfiiga t6.
Kalender der Nabatäer 646 ff.;
der Syrer 647 f. 660 ; altrömischer
649 ; koptischer 401 ; kappadoki-
scher 149.
Kali-Jnga 114.
Kalneh 12.
Kalwäds 682.
Kämäsh 642.
Kämäsh al-Neheri 646.
Kamphausen 184.
Kanaan äer 42; herrschen in Ba-
bylon 673 ff. ; in der Nabatilischen
Landwirthschaft 622 ff. 661.
Kavai 12.
Kanneh 12. 48.
Kanthele 69.
Kappadokien, Kaisermünzen
149; Kalender 149; von den As-
Syrern beherrscht 162.
Kapsa 69.
Karalis 67.
Karchedon 46. 90.
Karer 61. 62.
Karikon Teichos 60.
Karkar 66.
Karmanien von den Sassaniden
erobert 220.
Karpasia 60.
Karrae 48.
Karthager besetzen Ebusos 69;
kämpfen mit den Barkäem 83;
erobern Numidien 83; ihre Politik
94; ihre Verträge mit Rom 94;
ihre Parteien 94.
Karthago, Gründung 46 f. 64.
89. 90 f. 92; Culte 39; wird un-
abhängig von Tyros 71; Ver-
fassung 72; Aera 93.
Karthago vetus 68.
Kasion 11. 13f.
Kaspar 334.
Kassiteridische Inseln 66.
maaaitSQog 6.
KaeTeXiog 387.
Kastor über Ogy^es 201.
Katalog der Patnarchen aus der
Medresse 406.
Kaufleute, phönicische 7.
KaukasoB, König 640.
Kedrenos-, siehe Georgios.
Keilschrift, assyrische 116 ff.
134. 137 f.; Stand der Ent-
zifferung 144 f. 168; wie lange
im Gebrauch 669; armenische
161.
Keim 317. 319.
Keladion, Patriarch 423.
Kemosh 38.
Kena'an 42.
Kenked 618.
Kephalion 106.
Krjtpsvg 673.
Kordon, Patriarch 422.
Keryneia 60.
Kritig 60.
Ketura 13.
Kh vgl. Ch.
Kharfigjahre, siehe Aera.
Khesärvanüs 370. 679 f.
Khsathrita 346.
Kiepert, H., über die lonier 602.
Kilikien60; unter den Seleukiden
178; in der Kaiserzeit 364.
Kilmad 11. 48.
Kition 60; fällt von Tyros ab 61.
KiQ'Cov 6.
Kipin 861f.
Kircher, A. 726 ff.
Kittäer 66.
KittIm 60.
Kleopatra Selene 367.
Knoblauch 669 f.
Kobäd Schirujeh 476.
Köhler 362.
Koläos 69.
Komet von 838: 606 f.
Kommagene, Könige 286.
Könige, heilige drei 333 ff.;
Verzeichnisse 343 f. ; ihr Stern
629.
778
REGISTER.
Könige, Bücher der, ihre Chrono-
logie 168. 188.
EOnigSDamen, gefälschte 107.
113; aBsjrische 144. 145 f.; per-
sische bei den Armeniern 155;
ägyptische bei Ibn Wahshijjah
746.
Eosmas I., Patriarch 483. 501.
Eosmas II., melchitischer Patri-
arch 494.
Eosmas II., jakobitischer Patri-
arch 506.
Eosmas in., Patriarch 510.
Eosmas Eomanites 488.
Eossai 759 f.
Eossura 57.
Eotarzene 369.
Eraton 365.
Erehl 667.
Ereta, Mythen 52.
Eronos 52.
Eruger 127.
Etesias über Assyrien 102 f. 120.
144. 160; über den Sturz des
assyrischen Reichs 104. 111. 120 f.
seine assyrische E-önigsliste 158 ;
seine babylonische Eönigsliste
668; über die Mederherrschaft
104; giebt statt der Könige die
Generationen an 108 f. 144; seine
Eönigsnamen 126. 144; rechnet
cyklisch 113 f.; von wann an er
historische Zahlen giebt 114;
Werth seiner Nachrichten 116.
143 f. ; seine Quellen 111; Quellen
über Assyrien 144; seine Ans-
Schreiber 105; von Eupolemos
benutzt 575.
Etesiphonvon Odänathos erobert
222. 224.
Euhlmey 286.
Eükäsh 640.
Eundun 67.
Eurden 593.
Eusan Risathaim 574.
Eyaxares ist Astibaras 128; ver-
treibt die Skythen 152.
Eyprien 66.
Eypros, siehe Cypern.
Ey rill OS I., Patriarch von Ale-
zandrien 450f.; benutzt Jnstinus
196.
Ey r i 1 1 0 s II. Lukaris, melchitischer
Patriarch von Alexandrien 492;
CaWinist 493.
Ey rill 08 IL, jakobitischer Patri-
arch von Alexandrien 512.
Eyrillos III., Patriarch von Ale-
xandrien 514 f.
Eyrillos, angeblicher Patriarch
487 f. ; seine Schriften 487.
Eyrillos, Patriarch von Antiochia
554 f.
Eyros, Eönig, Sagen von ihm
641; bei Methodios 16.
Eyros, Patriarch 473. 475. 476 ff.
Eythera 51. 52.
Eyzikos, seine ßeziehungen zu
ßabylon 710; zu Byzanz 710.
LabynetoB 153.
Lacedaemonius, Vater Nebu-
kadnezars 16.
Laish 11. 48.
Land wir thschaft,- Nabatäische
B. Nabatäische Landwirth-
schaft.
Längenmasse, babylonisch - as-
syrische 171 ff.
Laosthenes 121.
Lapethos 50.
Larsow 489. 442.
Lassen über Ophir 5; über Gundo-
phares 341; über Pahkwt 596;
über Javana 605.
Laterculus episcoporum Alexan-
driae Graece 398.
Laterculus Romanorum Alexan-
drinorumque pontificum 395 f.
Ledra 388.
Leichenconservirung 622.
Leichenverbrennung 371.
Leinwand 17.
Lenormant 31.
Leo VI, Eaiser 486.
Leontios, Patriarch von Alexan-
drien 488.
Leontios, Bischof von Antiochien
436. 554.
Leontios (867) 485.
Lepsius über Berosos 97. 99;
über die assyrischen Eponymen
1 66 ff. ; „Babylonisch - assyrische
Längenmasse^* 171 ff.
Leptis magna 58.
Leptis minor 59.
Le Quien 400. 407. 413.
Leukosyrer 164.
X^ßavos 6.
Xißavtorog 6.
REGISTER.
779
Liberatus 463.
Libyer, Aufatand gegen Karthago
84 f.
Libyphönicier 69. 88.
Ai^ 218. 219.
Lipsins, R. A., seine „Abgar-
Sage'' 584 £f.; über die ältesten
Päpste 544. 547. 558; über die
Ophiten 658. 683.
Lisbins 387.
Lizos 56. 59.
L 0 n g i n i a n u 8 , Praefectus Aegy pti
440.
LoDginuB Ton Nikäa 440.
Longp^rier 336 f. 342.
Lot 11.
LOwenstein, Albrecbt Ton 492.
Lücke über IV. Esra 206. 211.
Lakios, Patriarch 438 f. 449.
L y d e r , ihre Heraklidischen Könige
290; achlagen zuerst MÜDzen
624 f.
Ly dien, von den Assyriern befreit
155.
Mabug 8.
MacrianuB 215 f. 217. 219.
Macrinus 254.
Madäin 597.
Maeonios 222.
Magier, s. KOnige, heilige drei.
Magindanata 15.
Mago 71. 94 f.
Magog 230.
Mähäbäds 694.
Maharbal 84 f.
Mai, A. 177.
Maimonides 630 f. 728.
Makara 57.
Makarios I., Patriarch von Ale-
xandrien 510.
Makarios IL, Patriarch von Ale-
xandrien 513.
Makarios IL, Patriarch von Con-
stantinopel 492.
Makrizi 406. 414. 507. 755.
Malaca 58.
Malalas, siehe Joannes.
Malcolm 127.
Manasse 131; Daner seiner Re-
gierung 153 f.
Manazara 389.
Manchaleos 575.
Manchester, Herzog von 289.
Manetho, seine Königslisten 1 44 ;
seine Königajahre 148; verschie-
dene Recensionen 297; über Sa-
latis 575.
Manhüb ben Mansür 402. 403.
Manichäer nicht Erfinder der
Thomaslegende 348.
ManliuB Capitolinns 649.
Ma'nü VIL 347
Ma'nü IX. .347.
Marathos 72. 73.
Marcianus 225.
Mariamne 73.
Maria, Hebräerin 185.
Markos, Evangelist, als Patriarch
von Alexandrien 417. 421 f.
Markos IL (L), Patriarch 423.
Markos IL, melchitischer Patri-
arch 488.
Markos IL, jakobitischer Patri-
arch 503.
Markos III., melchitischer Patri-
arch 491.
Markos III., jakobitischer Patri-
arch 514.
Markos lY., melchitischer Patri-
arch 491.
Markos IV., jakobitischer Patri-
arch 516.
Markos V., Patriarch 519.
Markos VI., Patriarch 519.
Markos ben Zor'a^ Patriarch
403.
Markos ebn el-Konbari 522.
Marmariden 219.
Marqnardt 354.
Märshiminä 689.
Martin, P. 559 f.
Martyrium Bartholomaei 348.
349.
Martyrium Ignatii Golber-
tinum 556 f.
Martyrium Matthaei 880 f.
Marudach Baidan 129.
Mäsiel-Süräni 693. 600. 659.
Massud! über Adam 611; über
St. Georg 654; über Assyrien
und Babylonien 668; über Hy-
staspes 680.
Matintana, s. Magindanata.
Matthaeos, Apostel, vertreibt
ZaroSs und Arfaxat 364. 372 f.;
in Aethiopien 372 ff.; bei den
Parthem 377; mit Andreas 378 ff.
Mattbaios L, Patriarch 417. 516.
Matthaios IL, Patriarch 517.
780
REGISTER
MatthaioB III., Patriarch 619.
MatthaioB lY., Patriarch 619.
Matthias, Apostel 379 f.
Matthias, Hoherpriester 320.
Manretanien, Könige 366 f.
Maximianopolis 28.
Mazimos, Patriarch von Alezan-
drien 424.
Mazimos, Bischof von Jenisalem
436.
Meder, ihre Erhebung ge^en As-
syrien 164 f.; Chronologie ihrer
Könige 161 ; ihre Herrschaft 104.
161. 290; ihre Herrschaft über
Babylon 166 ff.; ihr Aufstand
ge^en Dareios 118.
Medische Dynastie in Babylon
98 f. 119.
M e e r g ö 1 1 e r der Phönicier 32 f. 39.
Meyictos Ssog 39.
Meherdates 347.
Melchior 333.
Melchiten, Begriff 419. 462; ihre
alezandrinischen Patriarchen
468 ff. ; nehmen die constantino-
politanische Liturgie an 488.
Meletias Ilr\yag 492.
Melicha 461.
Melikertes 33; sein Cult auf
dem Isthmos 63; ygl. Melqarth.
Melite, Insel 67.
Melite in Armenien 363.
Melite Achnlla 69.
Melitianer 441 f.
Melos 61. 62.
Melqarth 8. 39; ygl. Melikertes.
Meltzer über die Gründung E^r-
thagos 64; „Geschichte der Kar-
thager" 80. 81 ff.
Memkeron 374 f.
Memphis, Tyrierquartier 49.
Menander Yon Ephesos 61.
Menas L, Patriarch 602.
Menas U., Patriarch 610.
Monas, Gajanitenbischof 498.
Mendäer 706. 713.
Mendelssohn, L. 188; „de
senati consultis apud Josephum"
303 ff.
Menelaos, Hoherpriester 177.
Meninz 69.
Menodotos ron Samos 6.
Menschenfresser 378 ff.
Menschenopfer der Phönicier
41; auf Rhodos 62.
Mentor 76 f.
Merbal 71.
Merodach-Baladan 164.
Meroö 170.
Merrich 362.
S. Methodios 16 f.
Methusalah 292. 293.
Metrophanes, Patriarch 491.
Metrophanes Kritopulos 493.
Metten I. 64.
Metten II. 66.
Meyer, Ernst, über die Naba-
täischeLandwirthschaft 669. 687.
646. 666. 693. 703. 707; über
arabisches Schriftthum 702. 729.
Mezizios 327.
Michael I., melchitischer Patri-
arch 486.
Michael I., jakobitischer Patri-
arch 602.
Michael IL, melchitischer Patri-
arch 486 f.
Michael IL, jakobitischer Patri-
arch 606.
Michael IIL, Patriarch 606 f.
Michael IV., Patriarch 613.
Michael V., Patriarch 613.
Michael VI., Patriarch 617.
Michael VIL, Patriarch 618.
Michael, Patriarch (1427) 418.
Michael Psellos 708.
Michael, Bischof Ton Tanis 402.
403. 414. 607 f. 767.
Miluchcha 170.
Minotauros 62.
Mionnet 364.
Mirkhond 220. 706 f.
Misdeos 338 f. 840.
Mithras 339. 660.
Mithridates, Partherkönig 281.
ftva 63.
Mno'iten 62.
Modetheologie 286. 288. 289;
ygl. Theologen.
Mohammed, der Prophet 760 f.
Mohammed Munsh!, Hand-
Schriften seines Täxich Montecheb
724.
Molen 182.
Monatsnamen, semitische 639;
nabatäische 647; syrische 647 f.;
assyrische 137; jüdische 137.
Mönche 661 ff.
Mondfinsterniss zur Zeit des
Herodes 320 f.
BEQISTEE.
781
Monophysiten 463 f.
Montfaacon 446 f.
Moses, seine Zeit 198 ; Zeitgenosse
des Ogyges 200; gleich Mnenes
gesetzt 200.
Moses, Bücher, s. Pentateach.
Moses von Chorene 108 f.; über
Simon und Jndas 366; über
Aj'dahak 893; über Abgar 586;
seine Quellen 668.
Moslems erobern Aegypten 476 f. ;
Phönicien 478 f.; Ketzer unter
ihnen 692. 701. 741: Tgl. Araber.
Motye 67.
M 0 V e r s , seine ,, Phönizier " 1 ff.
79 f. ; über semitische Mythologie
18. 32. 79; über Philon 21 f.;
seine „ Reunionskamm em ^' 34.
80. 86; über die Gründung Kar-
thagos 89 ; über die israelitischen
und jüdischen Könige 294.
Muhammed, s. Mohammed.
M ü 1 1 e n h o f f über die Phönicier 80.
Müller, A., „der Islam" 768 ff.
Müller, K., über Berosos 97 f.
100; über Alexander Polyhistor
120; über Porphyrios 149; über
Teukros 709.
Münzen, ihr Ursprung 624 f.
Muqauqis 477.
Mustashir 416.
Muys 119.
Muzur 170.
Mykenä, Funde daselbst 63.
Mylitta 368.
Myriandos 60.
MvQiirj%iov 383.
Myrmidooa 388.
Nabatäer, ihre Sprache 681 ff.
746 f.; ihre Schrift 688 ff. 696.
719; ihr Kalender 646 ff.
Nabatäische Landwirth-
schaft 146. 668 ff.; Verthei-
digung ihrer ünechtheit gegen
Ewald 734 ff.; Eigennamen diurin
681 ff. 644 f. 747 f.; Pflanzen-
namen 584 f. 749 ; biblische Per-
sönlichkeiten 607 ff.; griechische
631 ff.; persische 640 ff.; baby-
lonische Könige 744; ihr Werth
für die Botanik 707. 718; der
angeblich echte Kern 750 ff.
Nabonassar 111; yernichtet die
Archiye seiner Vorgänger 140.
Nabukodrossor 17.
Naddaver 374.
Nahardea 221.
Nahar-Pakor 643 f.
Näke 122.
Namen vom Garten abgeleitet
126 f.; officielle der orientali-
schen Könige 144.
Narde 6.
Narses 461.
Nebnkadnezar 70. 163; bei Me-
thodios 16.
Necho läflst Afrika umfahren 60;
im Kampf mit Nebnkadnezar
69 f.
Nektanebos II. 76.
Nemrüdä 573. 607. 623ff.; münzt
Gold 624.
Nephon 491.
Nergal 162. 362.
Nerj^al-Sarezer 142.
Neriglissar 167.
Nero in den Sibyllen 326.
Nerseh 366 f. 371 f. 675.
Nesrä 663 f.
Neugriechen, ihr Buf bei den
Moslems 681.
Neuper'ser, s. Sassaniden.
Neupersische Annalen 368.
Neuplatoniker 634 f. 666 f.
Niebuhr, B. G. 18; über Berosos
97. 98; über Königsjahre 146 ff.;
über De'iokes und Astyages 165 f.
Niebuhr, M. v., „Geschichte As-
surs und Babels" 139 ff.; seine
Etymologien 159 ; über die Tha-
lassokratien 164.
Niese über Philon 22; als Col-
lationator 181.
Nigriten 60.
Nikäa, Concil 427. 442.
Nikephoros, Patriarch von Ale-
xandrien 493.
Nikephoros von Constantinopel
399; über die Bischöfe von An-
tiochien 652.
Nikephoros Kalli8tos410;über
Bartholomäos 860.
Niketas, Patriciue 472.
NikolaosL, Patriarch yon Ale-
xandrien 488 f.
Nikolaos IL, Patriarch yon Ale-
xandrien 489.
Nikolaos III., Patriarch yon Ale-
xandrien 491.
782
BEGISTEB,
Nikolaos, Patriarch Ton Gon-
stanÜDopel 486.
Nil, Wasserstand 476 f.
Nimrod 676 f.; vgl. Nemrüda.
Niniye, Grösse 142 f.; Zeit der
ZerstOrang 162.
Ninos 1., seine Epoche 112; colo-
nisirt Arabien 14 f.; «» Nimrod
676.
Ninos II. 106. 163.
Ninyas 163.
Nisibis von Jovian abgetreten
664 f.
Nitokris 163.
Noack 208. 212.
Noah in der Nabatäischen Land-
wirthschaft 616. 617 ff.; im Koran
618 ff.; balsamirt ein 622.
NOldeke 44. 667.
NonnoB 31.
Nova 371.
Numidien Ton den Karthagern
erobert 83.
Numismatik 842.
Gada 337.
Oannes 33. 134.
Gbeidallah 609. 766 f.
Odänathos .212 f. 221 f. 224;
^ Papa ben Nazar 221. 676.
Odatis 641.
Oddo de Sala 624.
Gdzeina 213.
Oea 68.
Gekumenios 360 f. 382.
Ogyges 200. 201.
Gliaros 61.
Glshausen, J., über semitische
Grtsnamen 34. 80.
G 1 y m p 0 s , Praefectus Aegypti
440.
Gm'ar 476 f. 479.
Gnias 177 f.
Gnka 40.
Gnkelos 386.
Gnoba 68.
Gnoprosopos 482.
Gpfer bei den Phöniciem 40 f.
'OtptOQVfirj 389. 392.
Gphir 4 f. 62.
Gphiten 663. 683.
Gphrataeos 107.
Gppert, J., über die persischen
Inschriften 117 f.; als Assyriolog
121. 139; über die assyrische
Eponymenliste 167; über die
assyrischen Masse 172 f.
GrchoS 698.
OFdAFNO 368. 377 f.
Grdericus Vitalis 336 f.
Grdination der alezandrinischen
Patriarchen 416.
Grigenes 423 f.
Grthomasd^s 340.
6&6via 17.
GsroSne, Chronologie 347.
Gsterchronik, s. Chroniken
paschale.
G vidi US, sein Ibis 687.
Pachomios Yon Lesbos 492.
Pachomios, Bischof von Saka
607 f.
Paisios, Patriarch 493.
PaUsch 220.
Palästina, Ausfuhrartikel 8. 10 f.
Palätyros 46. 66.
TtaXXani^ 6.
Palmyra, Name 11.
Palmyrener 216f. 218; ihre Be-
ziehungen zu den Persem 220 ff.;
bei den Juden verhasst 222 ; ihr
Handel 376 f.; ihre Inschriften
876 f.
Palut 636 f.
Panchaia 136.
Pangäos, Goldbergwerke 64.
Panodoros 99. 411.
Panormos 67.
Pantänos 374.
Papa ben Nazar 221. 676.
Paphnutios 424.
Päpste, Chronologie der Ältesten
641. 644 f. 668.
P a r a d i e s , seine Fruchtbäume 611.
naQTiXiov 611.
Paris 617.
Pärsi, setzt g vor v 336.
Parthenios, Patriarch von Ale-
zandrien 493.
Parthenios IL, Patriarch von
CoDstantinopel 493.
Parther, ihre Beziehungen zu den
Juden 280 f.; semitische Unter-
könige 344; mit den Persern
verwechselt 674. 679.
Patriarchen von Alezandrien
396 ff.; Eusebios darüber 396 f.
443. 642 f.; älteste 419 ff.; ihre
Grdination 416; ihre Todestage
REGISTER.
783
410 f.; Z&hlweise 417 ff.; seit
wann hiatorisch 420 f.; melchi-
ti8che468ff.; Titel 487; gaja-
nitische und paalitische 494 ff.;
jakobitische 400 f. 498 ff.; latei-
nische 520 ff.; armenische 521 f.
Patriarchen von Antiochien
412. 458. 539 ff.; seit Asklepiades
553 f.
Patriarchen von Gonstanti-
nopel 454 f.; in der alexandri-
nischen Liturgie 486.
Patriarchen von Jerusalem
412. 550 f.
Patriarchen vonTiberias 420.
Pauliten 496; ihre Patriarchen
496 f.
Paulos, Apostel, in Ikonion 856.
Paulos, Patriarch von Antiochien
(521) 458
Paulos, Patriarch von Antiochien,
Gründer der Pauliten 496.
Paulos von Samosata 540.
Pehlewl 596f.
Paulos 6 TaßsvvrjaKDTJig 462.
4681
Pehlewler 596.
Peirescius 405.
pellez 5.
Pentateuch, Gottesbegriff darin
23; Alter 30.
Periandros 620 f.
Periplus maris Erythraei 842.
Perser, Chronologie ihrer Könige
157; ihrCuHuB370f.; ihre Feuer-
verehrung 371; vgl. Sassaniden.
Persis, » Elam 162.
Persische Heldensage 640 ff.
Pescennius Niger 235. 236 f.
Petermann 165.
Petros L, Patriarch 425 f.
Petros IL, Patriarch 449.
Petros lU. o Moyyog^ Patriarch
453. 454.
Petros lY ., monotheletischer Patri-
arch 480. 481.
Petros lY., jakobitischer Patri-
arch 498; sein Todestag 411.
Petros Y., Patriarch 516.
Petros Yl., Patriarch 520.
Petros, Bischof von Alezandrien
(691) 482.
Petros, gajanitischer Bischof 494.
Petros, Renegat (unter Alman9ar)
502 f.
Petrus I. Amelii de Brenaco 525.
Petrus II. Alezander, lateini-
scher Patriarch von Alezandrien
625.
Petrus m. Aymericus, lateinischer
Patriarch von Alezandrien 525.
Pfauen auf Samos 6.
Pflanzen, kalte und warme 604;
paradiesische 611 f.
Pharusier 60.
Phelles 64.
Philänen 82 f.
Philippos, Apostel, inHierapolis
389 f.; sein Martyrium 390.
Philippos, Tetrarch 817 f.
Philippus, Kaiser 554.
Philistaea 164.
Philistäer 45.
Philistos über die Gründung
Karthagos 45 f. 90. 92.
Philocalus 558.
Philochoros Über Ogvges 201.
Philon von Byblos 21 f. 36 f.;
'Ed'at^ioiv vnofivi^iicczcc 22; sein
Stammbaum der Kabiren 40;
über Babylon 295.
Philo storgios über die Syrer in
Abyssinien 876; im Chroniken
paschale benutzt 554.
Philotheosl., melchitischer Pa-
triarch 491.
PhilotheosIL, melchitischer Pa-
triarch 491.
Philotheos, angeblicher Mel-
chitenpatriarch 487.
Philotheos, jakobitischer Patri-
arch 487. 511.
Phönicien, Grenzen 42 f.; Besitz-
stand der Städte zur Zeit des
Skylaz 77; von Alezander er-
obert 77; von den Moslems 478 f.
Phönicier,Name42; Ürsitze41f.
87 ; ihre Könige 72 ; Königslisten
44; Geschichte 61 ff. ; Kämpfe mit
den Aegyptem 44; Beziehungen
zu den Israeliten 62; Kämpfe
mit Assyrien 65 f.; von Necho
unterworfen 69 f.; von den Per-
sern 71; Bundesverfassung 72 f.;
unter der Perserherrschaft 73 ff.;
Tribut 73; im Aufstand gegen
Artazerzes III. 76 f. ; ihre Colo-
nien im Innern von Asien 48;
in Kilikien und Cypem 50 f.; in
Griechenland 51 ff. 54; im west-
784
REGISTER.
liehen Mittelmeer 54 ff. ; am Ocean
66; in Afrika 58. 88; politische
Stellang ihrer Colonien 60 f. 88;
verlieren ihre Colonien 68 f. ; ihr
Handel 2 ff.; Sklavenhandel 5;
Handel mit Thieren und Kleidern
6; mit Gewürzen 6 f.; ihr Land-
handel 7 f. 80 ff. 88. 248 ff.; See-
handel 8: Schiffführt 47 f.; ara-
bischer Handel 13. 17. 48 f.;
ägyptischer 17 f. 49. 69; griechi-
scher 17. 51; syrischer 49 f.;
nach dem westlichen Mittelmeer
54 f.; nach dem Ocean 55; In-
dustrie 46 ff.; Erfindungen 47;
Fischerei 54; umsegeln Afrika
60; ihr Einfluss auf cUe Griechen
52 f.; ihre Religion 22 f. 36 ff.;
ägyptische Einflüsse darauf 40.
Phönicische Culte in Griechen-
land 52.
Phönicische Eaufleute 7.
Phönicische Lehnwörter im
Griechischen 6. 52 f.
Phönicische Ortsnamen aus-
serhalb Phöniciens 34.
Photios excommunicirt 485; wie-
dereingesetzt 486.
Phraatakes 281.
Phraortes 651.
^q£[i 405.
Phul 121 f. 154; seine Existenz 169.
Phygmalion, s. Pygmalion.
pilegesh 5.
Pirhu 170.
Pityusen besiedelt 92.
Planetenordnungen 666 f.
Polarstern 48.
Polemios, s. Polymios.
Polemon, Historiker 201.
Polemon U. 351. 353 ff.; seine
Gattin Tryphaena 356 f.
PolitianoB, Patriarch 484.
Po lyhi8tor,s. AI exander Poly-
histor.
Polymios 349. 351.
Pompejus Trogus über die ür-
sitze der Phönicier 41; über
Karthago 91; seine Quellen-
benutzung 91.
Pomponius Laetus 658.
Po ros,KönigTon Babylon 121.169.
Porphyrios, seine Chronologie
148 f.; über die Seleukiden 323;
zu Ptolemäos 708.
Poseidon bei den Phöniciern
32 f. 39.
PoseidonioB als Quelle des Jo-
sephos 311. 312.
Pospinh (? ?) 294.
Postdatirungen 146 ff. 167.
Präadamiten 608 f.
Preise im alten Palästina 4; bei
Josua Stylites 562.
Preuss, „Zeitrechnung der LXX"
291.
Priesterehe 424.
Primos, Patriarch 422.
Probus, seineKämpfeinAfrika219.
Prodigien vor der Schlacht bei
Aktion 282.
Pronektos 54.
Proterios, Patriarch 451 f.
Protonike 537 f.
Psammetich, Zeit 290 f.
Psaphon 84.
Psellos, s. Michael.
Pseudepigraphische Schrift-
stellerei 21. 22.
Ptolemaeos Euergetes IL 191f.
PtolemaeoB benutet in der Geo-
graphie Artemidoros 43; über-
geht in seinem Kanon Zwischen-
regierungen 129; seine Königs-
jahre 147.
Pulosata 45.
Purpurfärberei 47. 51.
Pygmalion 50. 64.
Pygmalion, angeblicher Gott 90 f.
Pylas 65.
Pyritiades 121.
Qäbil 683 f.
Qäbin 684. 685.
Qäbis 59.
Qartichadast 50.
Qavad 560; sein Krieg mit den
Römern 561 f.
Qedgshöth 41.'
Qerügai 670 f.
qödesh 30.
Qöstir 621. >
Quatrem^re 668. 607. 630.
QuiriniuB^ P., Statthalter von
Syrien 528 f.
Quirinus, Proconsul von Make-
donien 387.
Qüqa 597.
Qütbs&mi 570. 571; seine Zeit 573.
577. 579. 665; sein Name 585 f.
REGISTER.
785
R&kshasa 696.
Rftma 610.
Rambam 728.
Rammän-idri 65.
Rammanniräru III. 65.
Raschid, Augenarzt 489.
RawliDBon, H., als Assyriolog
115. 116 f. 123. 124. 137.
Redslob 9.
Regierangsdauer, durchschnitt-
liche 102 f.
Reim bei den Semiten 587 f.
Reinaud 342.
Renan über Philon 19. 21; über
Tyros 61; über die Nabatäische
Landwirthschaft 569. 7 11 f.
Renaudot 401. 407. 508 f.
resina 10.
(rjT^vT} 10.
Richter, seine genealogischen
Tabellen 165.
Röckerath, „Biblische Chrono-
logie" 294 ff.; über Aegypten
295. 297.
Rhegma 15.
Rhodos phönicisch 52 ; Mythen 52.
Rhömöje 567.
Richänä 673.
Ritschi, F., über Josephos 303.
305.
Robertis de Tripoli, ügo de
525.
"PoSävTjg 641.
Rodanim 57.
Römer, ihre Handelsverträge mit
Karthago 94; stammen von Esau
ab 271. 307; ihre Trappen im
sechsten Jahrhundert 562; ihr
Name bei den Orientalen 607;
«s Soldaten 567.
Rubino 119.
Saba 49.
Sabäer aus Aegypten vertrieben
13; ihr Handel 14.
Sabas, Patriarch 488.
Sabbatposaune 282 f.
Sabier 8. 621. 655 f. 658.
Sabratha 58.
Sacharja über Hadad-Rimmon
26 ff.
Sacherdonos 135.
Sacy, S. de 590.595. 694. 703. 720 ff.
Sa'ld ibnBatriq,8. Eutychios.
Sala, Oddo de 524.
V. GuTscHMiD , Kleine Schrifton. II.
Salaheddin 757.
Salatis 575.
Salmanassar I. 124; mit San-
herib identificirt 188; Form des
Namens 66. 278.
Salmanassar H. 169.
Salmanassar lU. 65.
Salmanassar IV. 65 f.
Salmasius 677. 708.
Salofaciolus 452.
Salome 317 f.
Salomo, seine Beziehungen zu
Hirom 62 f. ; als Zeitgenosse des
Troischen Krieges 128.
Säm 643 f.
Sämä 622.
Sämai al-Nehori 643 f.
Samaria, Name 124; Belagerung
66.
Samaritaner 237.
Sames 342.
Samirina 124.
Sampsigeramos 223.
Samsi3 169.
Samuel, Patriarch 493 f.
Sanchuniathon 21. 37.
Sandes 104.
Sanduarri 67.
Sanerges 352.
Sanherib 66f. 127; kämpft gegen
die Juden 129. 131; seine Zeit
130 f. 167 f.; mit Salmanassar
identificirt 188.
Sanythios L, Patriarch 506.
Sanythios U., Patriarch 511.
Sapho 84.
Sapores im Kampf mit Rom und
Palmyra 221 ff.; in Emesa 223.
Sarak 104. 120.
SarbaroB 475.
Sardanapallos 104. 120. 122;
seine Inschriften 122.
Sardika, Synode 433. 448.
Sardinien, von den Phöniciem
besiedelt 57; falsche Werth-
schätzung der Insel 57 f.
Sargana 124 f.; vgl. Sargon.
Sargon, König 66. 124; unter-
wirft Babylonien 155; Dynastie-
wechsel unter .ihm 158; seine
Beziehungen zu Arabien 169.
Sargon, Ruinenstadt 125.
Sarkel 279.
Saron 9.
Sana 362.
50
786
REGISTER.
Sassaniden, Berechnung ihrer
RegierungBJahre 149; ihre Prä-
tensionen 218; erobern und ver-
lieren Earmanien 220; ihre Be-
ziehungen zu Palmyra 220 f.;
erobern Hatra 224; fallen in
Aegypten ein 473 f; ihre Va-
sallenkönige 675 f.
Säulen des Hermes 135; des
Eronos und der Rhea 135; des
Seth 135.
Sayce 302.
Seh vgl. Sh.
Schäfer, A. 81.
Scharbil 535.
Schätzung zur Zeit von Christi
Geburt 528 ff.
Schiffe der Alten 8 f.
Schlange des Paradieses 26.
Schlangencult bei den Semiten
25 f.; bei den Aethiopen 25 f.;
bei den Assyrem 26; in Hiera-
polis 389 ff. ; bei den Armeniern
393 f.
Schlangengestalt der Götter 40.
Schlangengötter in Indien 359.
Schrader, E., über Hadad 27 f.;
über Bin-idri 27. 28.
Schrift, Erfindung 47; kyprische
61; vgl. Alphabet.
Schwanbec^ 342.
Sclavenhandel der Phönicier 5.
Sebastianus, Praefectus Aegy-
pti 440.
Sebastopolis 382.
Sefüräs 670. 743 f.
Seguinus 525.
Seide 12.
Seiden 79.
Seleukiden, politische Stellung
der letzten 309.
Seleukos V. Philopator 175 f.;
seine Regierungszeit 176.
Sem 622.
Semiramier 112.
Semiramis 104. 112; colonisirt
Arabien 14 f. ; ihre Eroberungen
160 ff.
Semiten, ihre - Mythologie 20 f.
32; ihr Schlangencult 25; ihre
Verehrung von Naturgegenstän-
den 31 ff.; ihre Götter 33 f.
Senkereh, Tafel von 170 ff.
Sepharad 307.
Sephuris 670 ff.
Septimius Severus kämpft ge-
gen die Juden 236 f. ; verfolgt
bristen und Juden 238; als
Herrscher 260; nicht in den
Sibyllen 325.
Septuaginta, Text 291 f.; Zeit-
rechnung 291 f.
Seqöbäs 670. 673. 745.
SerapioD, Bischof von Antio-
chien 535 f.
Sergios, Patriarch von Constan-
tinopel 487.
SergiuB Paulus 386.
Seth 135. 615 f.
Seuechoros 126. 158.
Severus, Patriarch von Antio-
chien 457 ff. 468.
Severus von Ashmunin 403. 41 3 f . ;
über Gaianos 463 f.
Sex 68.
Shadid 39.
Shalmaneser, s. Salmanassar.
Shamashshumukin 67.
Shamir 662.
Shänäq 696.
Sharmtdä 655.
Shauq el-Mustahäm 719 f.;
ägyptische und griechische Na-
men darin 746; vgl. Ihn Wah-
shijjah.
shesh 17.
Shishim 590f.
Shobät 646 f.
Sibyllenbücher 322 ff.; das äl-
teste 322 f.; 1. und 2. Buch 326;
4. Buch 328. 329 f.; 6. Buch 323 f.;
6. und 7. Buch 324 f.; 8. Buch
325; 11.— 14. Buch 326.
Sicharbas 64.
Sicilien von den Phöniciern be-
siedelt 57 ; von den Griechen 69.
Sidon, Götterdienste 32; Grün-
dung 41; im alten Testament
und bei Homer 43; mit Tyros
vereinigt 43 f.; fällt von Tyros
ab 44; Colonien 68. 59; Be-
ziehungen zu den Israeliten 62;
zu den Assyrern 66 ff.; zu den
Kypriem 66; von den Assyrern
zerstört 67 ; von Hophra erobert
70 ; Verfassung 72 ; leitender
Staat unter den Persem 74
von den Persem zerstört 76 f.
Verfall in der Eaisenseit 286
Gross-Sidon und Klein-Sidon 66.
REGISTER.
787
Sigon 73.
Silber als Geld in der ältesten
Zeit 3 f. ; in Tarshisb 64 f.
SilbestroB, Patriarcb 492.
Sillü 60.
Siltan Sebech 170.
Simeon, Patriarcb von Jerusalem
666.
Simeon Metaphrastes 471.
Simon, Apostel 864 ff. 369; in
Kolcbis 369.
Simon I., Patriarch 601.
Simon IL, Patriarch 604.
Simon de Cremeaux 626.
Simonides, E. 734.
SimpliciuB, Papst 464.
Simri 281.
Sinan ben Thäbit 723.
Sinder 361.
aiv86v8^ 17.
Sinope, Judensitz 386.
Sintfluth 380. 621.
Sipasier 694.
Siris 136.
Sizu 67.
Skylax, der falsche, Aasgaben
32; Zeit 60.
Skythen, ihre Herrschaft über
Asien 162. 166; als Menschen-
fresser 382.
Smith, G., über die Paradieses-
schlange 26; über die Eponymen-
liste 167.
Smith, Robertson 74.
Sokrates, Historiker 408. 439;
über die Synode von Sardika
448.
Sol inyictus, s. Mithras.
Soli 60.
Sollcrius 407. 422. 471.
Sollier, s. Sollerius.
Soloeis 67.
Sonnenfinsterniss des Thaies
162 f.
Sonnenland in der Nabatäi sehen
Landwirthschaft 610.
Sophronios L, Patriarch 484 f.
Sophronios II., Patriarch 487.
Sophronios IIL, Patriarch 488.
Sophronios, KirchenTater 339.
382.
Sosarmos 110.
Sozomenos 408. 439; über die
Synode von Sardika 448.
Spanien, Handel der Phönicier
dahin 64 f.; ihre Golonien da-
selbdt 68.
Spartiaten, Brüder der Juden 307.
Spiegel 668. 600. 637. 686.
Sprachen, erfundene 694.
Ssabier, s. Sabier.
St. Martin 149.
St aar, karthagischer Beiname 84.
Stabrobates 118.
Steinschneider 718. 746.
Stephanos, Bischof von Antio-
chien 433 f. 436.
Strabon benutzt Artemidoros 43.
ZtQcitmv, Name 10.
Straton I. 10. 76.
Straten II. 10. 76 f.
Straton III. 68.
Suanir 366. 369.
Suanis 369.
Sucruta 696.
Suffeten in Tyros 70 f. 72; in
Karthago 90 f. 92 f.
Süfis 701.
Sühäbsät 671.
Sulpicius Quirinius, P. 628 f.
Sura in Syrien 11. 48. 698.
Sürä. in Babylonien 698.
Susa bei Albericus Triumfontium
521.
Synaxar, äthiopisches 401.
Synkellos, s. Georgios.
Syphör 338. 339.
Syrer in Abyssinien 36.
2vQia, Name 163.
„Syrische" Götter 40.
Taaut 40.
Tabari über Thenkeldshä 686 f.;
Originalhandschrift 766.
Tabeqätä 738.
Tabnit 9. 74 f.
Tachos 76.
Tadmor 11.
Takape 59.
Talos 62.
T'am 46.
Tämithsri 600. 669.
Tammüz, s. Thammüz.
Tamosheh 696.
Tamurojg 667.
Tanit 40.
Tapurojß 667.
T'ar 44.
Tarshish 64.
TarsisBchiffe 8. 48.
60*
788
REGISTEK.
TarsoB 60.
TartesBOs, phöniciscber Handel
dahin 54; phönicische Colonien
68; aufgegeben 69.
Tatianus, sein Yerbältniss zu
Justinus, Clemens und Africanua
196 ff.
TautanoB, b. Teutamos.
Tebennit 9f.
Tehuti 40.
Tslf£(ß6ig Smfiä 338.
Temüsbän 694 f.
TenkelÖBhä, s. Tbenkelöebä.
TenneB I. 10. 75.
Tennes n. 76.
Teredon 12.
TertullianuB über Jesu Tod 527.
Testament, altes, sein Gottes-
begriff 23 f. ; als Gescbicbts-
quelle 140 f.; Text im 3.-4.
Jahrhundert v. Ch. 193; samari-
tanischer Text 293. 296; vgl.
Septuaginta.
TetramnestoB 74.
Teukros der Babjlonier 677 f.
708 ff. 713; ungedruckte Stücke
708 f. ; seine Zeit 709 f.
Teukros von Kyzikos 709 f.
Teutamos 107. HO. 123.
Teutäos 107.
Thabnith, s. Tabnit.
Thäbit ben Qorrah 722.
Thaddaeos, Apostel 346.
Thalassokratien 164.
Thaies, seine Zeit 153.
Thal los über Ogyges 201; seine
Zeit 202.
Thammüz 637 f. 653 f. 743. 751.
Tharah 624. 626.
ThasoB 64. 69.
^aviidüia 119.
Theben nicht phönicische Colonie
63.
Thekla 355 f.
Thengelösh, s. Thenkelösh.
Thenkelösh, Astrolog 677 f.
ThenkelÖBhä570.571.573; seine
Zeit 673 ff. 686 ff.; sein Name
676 ff.; seine Quellen 679 ff.
Theodoretos 396.
TheodoroB, jakobitischer Patri-
arch 601 f.
Theodoros, Gajanitenbischof 498.
Theodoros, paulitischer Patri-
arch 496.
Theodoros Balsamon 488.
Theodoros 6 ZnQlßmv 470 f.
Theodoros Studites 350f.
Theodoros 6 TOworijpijT^g 482.
Theodosianer 496; ihre Union
mit den Gajaniten 497.
Theodosios I., Patriarch 459ff.;
sein Todestag 411.
Theodosios IL, jakobitischer
Patriarch 515. 624.
Theodosios II. , melchitischer
Patriarch 488.
Theodotos 216. 229. 232.
Theoleptos 492.
Theologen 299; ihre Exegese
626; vgl. Modetheologie.
Theonas, Patriarch 424 f.
Theophanes 399; über die Er-
oberung Aegyptens 478.
Theophanios, Patriarch 510.
Theophiletos 482.
Theophilos, jakobitischer Patri-
arch von Alexandrien 611.
Theophilos, melchitischer Patri-
arch von Alexandrien 450.
Theophilos, Patriarch von Ale-
xandrien (1623), siehe Philo-
theos IL
Theophilos, Patriarch von An-
tiochien 567.
Theophilos, Antiochenischer
Chronograph 557.
Theophylaktos, Patriarch von
Antiochien 483.
Theophylaktos, Patriarch von
Condtantinopel 486.
Theophylaktos, Bischof (655)
482.
Thera 51. 62. 63.
Thieropfer 665.
Thilo 333. 334. 339. 389.
Thinaeos 110.
Thinkelösh, s. Thenkelösh,
Thinkehis 678. 686.
Thobba 662. 663.
Thogarma 50.
Thomas, Apostel, in Indien 333.
334. 335 ff.; tauft die Magier
333; in Parthien 334; bei Mis-
deos 338 f.; sein Tod 338. 339;
seine Legende nicht manichäisch
343; Ursprung derselben 343 f.
348. 856 ff.
Thonos Eonkoleros 104. 111.
ThraStÖna 127.
REGISTER.
789
Thubal 64.
thukijjim 63.
Thutmes III. 44.
Thjmiaterion 69.
Tibäthäba 670 f.
Tiberias, Patriarchen 420.
TiberiuB, sein Briefwechsel mit
Abgar 635.
Tiglath Pileser I. 66.
Tiglath Pileser II. 66.
Tigran 393.
Tillemont 369.
Timaeos über Karthago 90 fp.
Timotheos L, Patriarch von Ale-
xandrien 460
Timotheos U. 6 ACXovgog^ Patri-
arch von Alexandrien 452.
463.
Timotheos III. Salophakioloa,
Patriarch von Alexandrien 400.
452. 453 f.
Timotheos IV. (III.), Patriarch
von Alexandrien 467.
Timotheos, Patriarch von Con-
stantinopel 492.
Tingis 69.
Tinqerüs 678. 718.
Tirhaka, seine Zeit 190 f.
Todtes Meer 41 f. 87.
Trajanische Christenverfol-
gung 666.
Tripolis, Münzen 40; Bundes-
stadt 73.
Tritheiten 496.
Trithemius 736.
Trogns, s. Pompejns Trogus.
Tryphaena 366 ff.
Tsch, siehe Ö.
Tübet 662 f.
Turdetanien 68; s. Tartessos.
Typhon 390 f. 898.
Tyrier, ihr Quartier in Memphis
49.
Tyrische Annalen 62. 79. 94.
Tyros, Gründung 46. 93; in ägy-
ptischen Inschriften 44; Wasser-
leitungen 46; von Hirom I. ver-
grössert 61; Agenoreion 62;
EvQvxonQog 61; Tempel 61; des
Herakles 45; mit Sidon ver-
einigt 43 f. ; Handelsgebiete 49 f. ;
beherrscht Cypern 61; Colonien
in Mauretanien 66; in Spanien
68; in Afrika 69; seine Macht
60 f.; Geschichte 61 ff. 66 ff.; im
Kampf mit Assyrien 66 f.; mit
ionischen Seeräubern 66; Skla-
venaufstand 68; verliert seine
Colonien 69; von Nebukadnezar
belagert 70; wird Republik 70 f.;
Sinken seiner Macht 71; von
Euafforas erobert 75; voa Ale-
xander zerstört 77 f. ; von Pes-
cennius Niger 235; Verfassung
72; Aera 93; judenfeindlich 236 ;
im 4. Buch Esra 234 f.
Uaballathos 217.
OvaQagoivr}g 336.
Ovogoidrig 222.
Urania 32. 38.
Uranopolis 360.
ütica, Gründung 66.92; fölltvon
Tyros ab 61. 62. 89.
üzita 69.
Vahiln 497.
Vaillant 863 f.
Vansleb 403.
Varardach 364 f. 368.
Varazdat 123 f.
Vardanes 366 f. 871 f.
Vashthaph 333.
Vaux 116.
Velenus 676.
Velleius über Assyrien 120 f.
Venantius Fortunatus 374.
Verbrennung bei den Persem
371.
Veronica 687.
Victor Tununensis 408.
Visconti, E. Q. 866.
Vishakanjä 696 f.
Volney 102.
Volkmar, G., „Das 4. Buch Esra"
204 ff. ; „Entgegnung" 209 f.
Vopiscus über Probus 219.
Vualdath 349. 362 f.
Wachtang 369.
Wagenfeld 742.
Weber, A. 6.
Weihnachten 660.
Weil 476; „Geschichte der Cha-
lifen" 768.
Weise aus dem Morgenlande, s.
Könige, heilige drei.
Wilhelm von Cnanac 624.
Wij'en 839.
Wilson 341.
790
REGISTER.
Wüsten feld, „Geschichte der
Patimiden" 754 ff.
Xerses 366.
Xerxes, König yod Babylon 364 f.
Xisuthros 621.
Zacharias, Patriarch 511.
Zahlensystem der Babylonier
101.
Zahn 538 f.
Zamaris, s. Simri.
Zariadres 641.
Zarir 641.
Zarogs 364. 365. 369 f.; in Aethio-
pien 372 f. 878.
Zarwan 680.
Zauberei in der Nabatäischen
Landwirthschafb 699 f.
Zech 152.
Zelis 59.
Zenobia, Name 213; ecpbert
Aegypten 217; ihr Regierungs-
antritt 222.
Zenon, Kaiser 565.
Zenon von Bosporos 353.
Zeus Belos 39.
Zsvg XQvaaoQiog 390.
Zeus, Olympischer, in Tyros 45. 66.
Zsvg d'aldaaiog in Sidoa 32. 38.
Zinn, Name 5; von den Phöni-
ciern gewonnen 55.
Ziqpavia 183.
Zog, Kaiserin 486.
Zoilos, Patriarch 469.
Zoroastres, König von Babylon
100. 127.
ZoroB 45; vgl. Azoros.
Zumpt, A. W. , über Sulpicius
Quirinius 298. 528 f.; „Geburts-
jahr Christi" 526 ff.
Zumpt, C. G. 151.
Zündel 286.
Zyger 382.
Verzeictiniss
der *kritisc]i nnd exegetiscli behandelten
und **emendirten Stellen.
Seite
**Abdia8 VI, 7 364
**Acta Bamabae auctore Marco 23 p. 72 386. 388
**Acta Thaddaei p. 263 346
**Aelianos Nat. an. XII, 21 126
**Africaiiu8 bei Eusebios Praep. ev. X, 10 197
** Alexander Polyhistor fr. 3 676
♦♦Aristoteles ffist. an. VUI, 18 119
Astronomi vita Ludovici Pir c. 68 606 f.
Biblia
Genesis 6, 4 614
I. (III.) Regum 18, 27 39
Ezechiel 27, 7 62
Daniel 7, 7 176fF.
Sacharja 12, 11 28
Tobias Prolog. 1, 21 136
IV. Esra 1, 3 ; . . . 261
* „ „ 3, 1 269
** „ ,, 5, 16 259
* „ „6,10 271
., „ 9,4 273
* „ „ 10,46 f 262
* „ „ 11, 23 205
** „ „11,27 246
** n „11,32 249
** „ „ 12, 2 204. 263
,, n 12;21 247
* „ „ 12, 23 249
„ „ 12, 30 253
„ „ 13, 40 278
** „ „ 16, 36 .223
** „ „ 16, 36 226
792 VERZEICHNISS D. KRIT. ü. EXEGETISCH BEHANDELTEN
** IV. Esra 16, 38
**
**
**
**
*i
>»
>»
n
»»
»»
«
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n
I)
»»
»»
»»
16, 39
15, 40 :
16, 53
16, 12
16, 22
16, 71
Schluss
Acta apostolonim 13, 20. 21 289. 293.
Chares von Mitylene fr. 17 '.
Gbronikon paschale p. 699, 3
**XQOvoyQa(pstov avvtofLov p. 72 Schöne
Clemens Alezandrinus Strom. I p. 131 P
I p. 403P 188.
I p. 404 P
Diodoros I, 94
II, 21
XXX, 7, 2
Diogenes Laertios IX, 7, 13
**Eupolemos bei Eusebios P. ev. IX, 17
Eusebios Hist. ecc. V, 10, 3
„ Praep. ev. X, 9 p. 485 B
**£vangelium de obitn Mariae p. 111 Thilo
Frontinus Starat. H, 6, 12
»» »I Im "^»8
**Georgio8 Synkellos p. 62, 16
P. 116, 17
Hekataeos fr. 259
**Hellaniko8 fr. 160
Herodotos VIII, 89
Hieronymus Quaest. Hebr. in Genes. III p. 322«* Vall. . . .
Inschriften :
C. I. A. n n. 86
in n. 655
,1
»I
»»
C. I. G. n. 87
n. 360 ,
n. 2119
„ n. 4507 ,
C. I. S. I n. 3 .
>»
»»
»»
I n. 4
**Jo8epho8 Ant. Jud. VIII, 3, 1 46.
** „ „ „ VIII, 5, 8
* n n „ IX, 14, 2 65.
,♦ ,» n XI, 3, 5
SeiU
214
218
214
226
230 f.
228
230
260
295
641
470 f.
398
136
186 ff.
191 f.
25
106
177
134
576
374
44
337 f.
84
83
136
196
50
597
42
335
75
357
75
357
352
221
74 f.
75
62
88
66
377
)»
11
1?
UND EMENDIRTEN STELLEN. 793
Seite
JosephoB Ant. Jud. XIII, 9, 2 309
„ „ XIV, 8,5 303
** „ „ XIV, 10, 22 304f. 314
„ „ XVI, 8,4 281
„ „ XVII, 6, 7 820
♦♦ „ c. Apion. 1, 18 46. 62. 88
„ ., V I. 21 71
♦♦Josoa Stylites § 10 567
** „ „ §18 667
♦*Ju8tinu8 XVIII, 3, 3 87
„ XVIII, 3, 5 ^ 45
„ XVm, 3, 6 ff. 68
XVIII, 7, 1 71
„ XIX, 1 71
**Ju8tinu8 Martyr Coh. ad Graec. 9 p. 40 Otto 197
**S. MethodiuB, Revelatio 16
**Michael Psellos iceQl icaQado^onv avayvtoö^idzav p. 147 f. We8t. 708
*Oracula Sibyllina III, 402 323
IV, 1 f. 329f.
IV, 28 ff. 331
»» »»
* IV, 82 330
*
„ IV, 99 329
IV, 108 329
IV, 113 329
IV, 119 329
** „ „ IV, 121 330
V, 255 ff. 324
„ „ V, 317 390
„ „ VIII, 139 f. 325
VIII, 140 f. 325 f.
XIV, 94f. 326f.
n »I
** XIV, 303 327
** „ „ XIV, 340 327f.
**0rdericu8 Vitalis p. 111 Thilo 337 f.
♦Phoenix bei Athenaeos XII p. 530 351
Photios cod. 54 p. 15» 25 465
Pliniu8 N. H. XXXVII § 40 56
* „ „ XXXVII § 186 27
Polyaeno8 VII, 11, 7 15
**Porphyrio8 bei Eusebios Praep. ev. X, 9 p. 486 B 44
* „ Introd.inPtolem. de effectibusastrorump. 200Ba8. 708
Scholia in Maximum Tyrium di88. II, 3 84
*Simplikio8 zu Aristoteles de caelo II p. 123» 119
Spartianus Caracalla c. 1 236
V. GüTscHÄiD, Kleine Schriften. IL 50**
794 VERZEICHNISS DER BEHANDELTEN STELLEN.
Seite
*Stephano8 ByzantioB y. *ActiQ<iva{a 351
* „ „ ▼. Baßvlmv 296
** „ „ ▼. XaXSaioi 697
Stesichoros bei Athenaeos XI p. 469 D 8
.♦♦Strabon XVI, 2, 88 p. 762 136
Tacitus Ann. VI, 37 340
**TheophaneB p. 217 Bonn 466
** „ p. 372, 16 Bonn 491 f.
„ p. 618, 11 Bonn 478
Vopiscus Saturn, c. 8 420
Berichtigungen und Zusätze.
S. 237 Z. 3 und 2 ▼. u. Diese Anmerkung ist zu streichen.
S. 482 Z. 6 V. u. lies „Patriarchen der Melchiten nach Bekehrung
Alezandriens vom Monotheletismus**.
S. 614 Nr. 72 und Nr. 74. Joannes VI. ist richtiger als Jonas II. zu be-
zeichnen; vgl. S. 621 und 622. Jonas I. ist
identisch mit Joannes V. F. R.
NCV 2 1920
/
/
UNIVERSiTY Of M1CH1«AN
3 9015 02237 5789