Skip to main content

Full text of "Klio : Beiträge zur alten Geschichte"

See other formats


>r'-c>^v 


■m'^^i 


■^-■^^cJr--i^^.-\J 


^ 


KLIO 

Beiträge  zur  alten  Geschichte. 

In  Verbindung  mit 

Fachgcnossen  des  In-  und  Auslandes 

herausgegeben  von 


C.  F.  Lehmann-Haupt,  und  E.  Kornemann, 

o.  ö.   Professor  an   der   Universität  o.  ö.  Professor  an  der  Universität 

Liverpool.  Tübingen. 


Elfter    Band. 
Mit  2  Karten,  einer  Abhilihiny,  11  Figuren. 


Leipzig 

Dieteiich'sche  Verlagsbuchhandlu  nj 

Theodor  Weicher 
Inselstrasse  lo 

1911. 


D 


Druck  von  H.  Laupp  jr.  in  Tübingen. 


Prfnted  in  Germany 


Inhalt. 

Seite 

ALY.  W.,  Delphinios,    Beiträge  zur  Stadtgescliichte  von  Milet  und  Athen.  1—25 

BELOCH.  K.  .1..  Zur  Karte  von  Griechenland 431—449 

COSTANZr.  V..  n  domino  egiziano  nelle  Cicladi  sotto  Tolomeo  Filopatore  277—283 

FKROrSON,  W.  S..  TheLawsofDemetrius  oi'Phaleruni  and  their  Gurdians  265—276 

FKAN'K.  T..  On  Rome's  conquest  of  Sabiuum,  Picenum  and  Ktruria      .     .  367—381 

GRAFFUNDKR.  F..  Das  Alter  der  servianischen  Mauer  in  Rom    ....  83-123 
HEINF.N,  H.,  Zur  Begründung  des  römischen  Kaiserkultes.    Chronologische 

Uebersicht  von  48  v.  bis  14  n.  Ohr 129—177 

HOHL.  E..  Vopiscus  und  die  Biographie  des  Kaisers  Tacitus.  I.  II.     178—229.  284—324 

KAHRSTEDT,  ü..  Zum  Ausbruch  des  dritten  römisch-makedonischen  Krieges.  415—430 
KANNENGIESSER.  A..    Aegäische.    besonders  kretische    Namen    bei    den 

Etruskern 26—47 

KORNEMANN.  E..  Die  älteste  Form  der  Pontifikalannalen 245—2.57 

Die 'Alliaschlacht  und  die  ältesten  Pontifikalannalen    .  335—342 
KUGLER.  F.  X..    Der   Ursprung    der  babylonischen   Zahlensymbole  15  = 
imnu   .rechts'   und   150    =  sumelu   .links'   in    pythagorei- 
scher Beleuchtung 481—496 

LEHMANN.  K.,  Die  Schlacht  am  Granikos 230-244 

PHILIPP,  J..  Wie  hat  Hannibal  die  Elefanten  über  die  Rhone  gesetzt?  .  343—3-54 

PREMERSTEIN.  A.  v.,  Untersuchungen  zur  Geschichte  des  Kaisers  Marcus.  I.  3.55-366 
SCHULZ,  O.  Th.,  Ueber  die  wirtschaftlichen  und  politischen  Verhältnisse 

bei  den  Germanen  zur  Zeit  des  C.  lulius  Caesar  .     .     .  48—82 

SOLCH,  J.,  Ueber  die  Lage  von  Kaisareia  in  Bithynien 3'25— 334 

Modrene,  Modroi  und  Gallus 393—414 

SUNDWALL,  J.,  Zu  den  karischen  Inschriften  und  den  darin  vorkommen- 
den Namen 464—480 

SWOBODA.  H..  Studien  zu  den  griechischen  Bünden 4-50-468 

MITTEILUNGEN  UND  NACHRICHTEN. 

124—128:  '258—264;  382—392:  497—511. 

BANG.  M..  Zu  den  Germani  corpore  custodes 497—499 

BORCHARDT,  Vorjährige  amerikanische  Ausgrabungen r24— 126 

Die  vorjährigen  deutschen  Ausgrabungen 2.58  —  264 

HERMANN,  M.,  Hekataios  als  mutmassliche  Quelle  Herodots  in  seiner  Be- 
schreibung des  Xerxeszuges 382 — 384 

KORNEMANN,  E.,  Römische  Kolonien  ohne  Autonomie 390—392 

PROTASSOWA,  S.,  Jfiy/narodfjzru 510—511 

ROSTOWZEW,  M.,  Definitio  und  defen.sio 387-388 

SCHMIDT.  E.,  Sarapis 127-1-28 

TEGLAS.  6.,  Neue  Beiträge  zur  Inschriftenkunde  Dakiens 499—510 

VULIC,  N.,  Hasdrubals  Marschziel  im  Metaurus-Feldzug 384—387 

WILHELM,    A..    Zur    Grabschrift    des    Bischofs    Eugenios    von   Laodikeia 

Katakekaumene 388 — 390 

Eine  neue  Zeitschrift 392 

Personalien 1-28.  264.  39-2.  511 

NAMEN-  UND  SACHVERZEICHNIS  {R.  BRÄUER) 512-522 


Delpliiiiios. 

Beiträge  zur  Stadtg-eschichte  von  Milet  und  Athen. 
Von  W.  Aly. 

Ais  ich  vor  3  Jahren  das  damals  bekannte  Matsrial  für  den  Kult  des 
Gottes  Delphinios  durcharbeitete,  um  ein  Verständnis  für  das  Delphidion 
der  kretischen  Hauptstadt  Knosos ')  zu  gewinnen,  konnte  ich  nur  die  Hoff- 
nung aussprechen,  dass  das  wiedererstehende  Milet  manches  erklären  werde, 
was  damals  noch  dunkel  oder  unbewiesen  hatte  bleiben  müssen.  Die  z.  T. 
wenig  verständnisvolle  Aufnahme  meiner  damaligen  Arbeit  in  der  Kritik 
veranlasst  mich,  noch  einmal  auf  jenen  Gott  zurückzukommen  und  die 
Zustände  in  Milet,  wie  sie  sich  allmählich  dank  der  Arbeiten  der  Berliner 
Museumsverwaltung  so  klar  gestalten,  zu  besprechen,  ohne  jene  erste 
Arbeit,  deren  Resultate  angefochten  werden,  vorauszusetzen. 

Unmittelbar  veranlasst  wurde  ich  durch  die  Aeusserungen  von  Malten-), 
der  den  Delphinios  nun  einmal  von  den  Delphinen  nicht  trennen  kann, 
verbunden  mit  dem  jüngsten  lebendigen  Bericht  über  Milet,  den  A.  v.  Sa- 
lis  in  den  Neuen  Jahrbüchern  1910  S.  103  ff.  gegeben  hat.  Letzterer  be- 
zeichnet S.  105  den  Apollon  Delphinios  von  Milet  als  Hafengott, 
und  ich  mnsste  nach  einem  Blick  auf  die  Karte  beschämt  gestehen,  dass 
das  milesische  Delphinion  allerdings  im  Mittelpunkt  der  Stadt  unmittelbar  am 
Hafen,  der  sog.  Löwenbucht,  liegt,  sodass  es  für  sicher  gelten  kann,  dass 
jeder  unbefangene  Fremdling,  der  Milet  besuchte,  den  Gott  für  den  Herrn 
der  Delphine  und  Schützer  der  Seefahrt  gehalten  hat.  Dass  Griechen 
einmal  diese  naheliegende  Identifikation  vollzogen  haben,  war  überdies  be- 
kannt, da  der  delphische  Hymnus  auf  ApoUon  sie  bereits  für  das  Ende  des  7.  Jh. 
voraussetzt.  Wenn  Malten  seinen  Respekt  vor  einem  so  beträchtlichen  Alter 
äussert,  —  auch  das  Pythion  von  Gortyn  ist  so  alt,  —  so  wäre  vor  Schliemann 
nichts  dagegen  zu  erwidern  gewesen.  Seit  wir  aber  wissen,  dass  die  gi'ie- 
chische  Geschichte  fast  ein  Jahrtausend  älter  ist,  und  dass  Milet  nach  Aus- 
weis der  Scherben  bereits  um  1200  bestanden  haben  muss,  ist  es  voreilig, 
aus  Ansichten  des  7.  Jh.   Rückschlüsse  auf  den  Ausgang  der  mvkenischen 


1)  Der  kretische  ApollonkuU,  Leipzig  1908  S.  l-S  ft'. 

2)  Berliner  philologische  Wochenschr.,  1910  nr.  11,  Sp.  331. 

Klio,  Beitrüge  zur  alten  Geschichte  XI  1. 

1 


2  W.  All/, 

Epoche  zu  machen.  Es  wäre  ebenso  berechtigt,  christliche  Dogmen  des 
17.  Jh.  in  das  12.  zurückzuversetzen.  Nun  halten  sich  i-eligiöse  Ueberzeu- 
gnngen  allerdings  mit  wunderbarer  Festigkeit;  manche  alt-heidnische  An- 
schauung scheint  unausrottbar  zu  sein.  Wie  also  die  Milesier  selbst  in 
späterer  Zeit  von  ihrem  Gotte  gedacht  haben,  das  lässt  allerdings  Rück- 
schlüsse zu.  Ich  gebe,  um  dies  festzustellen,  zuerst  eine  Beschreibung  des 
Heiligtums,  soweit  wir  Bescheid  wissen ;  in  zweiter  Linie  interessiert  uns 
seine  Lage  in  Beziehung  zu  AltmUet,  das  sich  mit  der  hellenistischen 
Stadt  höchstens  teilweise  gedeckt  hat. 

Versetzen  wir  uns  in  die  Zeit  kurz,  ehe  der  Mäander  mit  seinen  leh- 
migen Fluten  den  ganzen  Golf  von  Milet  zu  einer  sumpfigen,  fieberver- 
seuchten Ebene  gestaltete,  so  lag  Milet ')  auf  einer  nach  Nordosten  vor- 
springenden hügligen  Halbinsel,  die  nicht  nur  an  ihrer  Wurzel  3  grosse 
offene  Buchten  schuf,  sondern  vor  allem  durch  eine  enge  von  Norden  ein- 
schneidende Bucht  fast  in  zwei  Teile  zerschnitten  wurde,  den  zwar  kleinen, 
aber  ausgezeichneten  Hafen  der  Stadt,  den  wir  nach  den  zwei  hellenistischen 
Wappenlöwen  am  Eingang  die  Löwenbucht  zu  nennen  pflegen.  Mit  ca.  300  m 
Länge  und  150  m  Breite  erreicht  er  allerdings  nicht  einmal  Athens  Mi- 
niaturhafen Munj'chia  mit  ca.  350  X  200  m ;  eine  deutliche  Vorstellung 
seiner  Grösse  gibt  vielleicht  die  reizvolle  Bucht  von  Porto  Fino  unweit 
Genua,  die  ungefähr  die  gleichen  Masse  hat.  Dafür  führte  aber  die  Löwen- 
bucht bis  in  das  Herz  der  Stadt ;  denn  unmittelbar  am  Südwestkai  lag  der 
ältere,  hellenistische  Markt,  an  der  Südspitze  das,  als  Archiv  dienende 
Delphinion,  dessen  Lage  und  Benutzung  schon  für  seine  zentrale  Bedeu- 
tung spricht. 

Das  Heiligtum  war  ein  Temenos  von  50x61  m  Grösse:  innerhalb  der 
ringsum  laufenden  Säulenhallen  befand  sich  ein  freier  Platz  von  ehemals 
30X47,  später  34X4:7  m  Areal,  auf  dem  sich  kein  Tempel,  wie  man  er- 
warten sollte,  befundeu  hat.  Dagegen  fand  sich  in  der  Mitte,  ein  wenig  in 
der  Achse  des  Ganzen  nach  Ost-Süd-Ost  verschoben,  ein  rundes  Fundament, 
das  man  anfangs  für  die  Reste  eines  Hiesendreifusses  hielt,  wie  ein  solcher 
in  der  Westecke  des  Hafens  tatsächlich  gestanden  hat.  Doch  heisst  es 
im  5.  Vorbericht  S.  12:  „Ferner  ergab    sich,    dass  die  frühere  Annahme. 


1)  Die  beiden  im  gleichen  Maßstab  gehaltenen  Skizzen  werden  das  im  Text  Ge- 
sagte veranschaulichen.  Sie  enthalten  nur  das  zu  diesem  Zwecke  Erforderliche. 
Milet  ist  wiedergegeben  nach  der  Wilskischen  Karte,  verbunden  mit  den  Skizzen 
in  Wiegands  sechstem  Bericht  Berlin  1908,  S.  5  und  Taf.  EI.  Das  schraffierte  Ge- 
biet innerhalb  des  jetzigen  Mäanderlaufes  bezeichnet  vermutungsweise  die  frühere 
Ausdehnung  des  Meeres ;  die  ältere  Stadtmauer  ist  verlängert,  wie  sie  m.  E.  gelaufen 
sein  dürfte. 

Für  Athen  (S.  21)  ist  die  Kiepertsche  Karte,  nr.  14  der  formae  orhis  aniiqui  zu- 
grunde gelegt.  Nur  der  Deutlichkeit  halber  sind  die  im  einzelnen  ganz  hypothetischen 
Demengrenzen  angedeutet,  wie  sie  im  Text  angenommen  sind.  Manches  Fragezeichen 
musstc  der  Deutlichkeit  zuliebe  fortbleiben. 


Delphinios.  3 

auf  dem  kreisrunden  Kundiimcnt  in  der  Mitte  des  Delphinion.s  habe  ein 
grosser  Dreifuss  gestünden,  irrtümlich  ist.  Dieses  Fundament  ist  nämlich 
nicht,  wie  dann  gefordert  werden  niüsste,  gleichmässig  durchgeschichtet, 
sondern  es  ist  nur  ein  Kingfundament,  sodass  angenommen  werden  muss, 
dass  ein  regelrechter,  innen  zugänglicher  Rundbau,  den  wir  in  seinem 
Oberbau  nicht  kennen,  auf  dem  Ring  gestanden  hat.  Die  Annahme,  dass 
es  sich  um  einen  vollen  Kernbau  handelte,  war  dadurch  mit  veranlasst 
worden,  dass  der  l?ing  über  dem  Fundament  einer  älteren  Exedra  errichtet 
ist,  die  jedoch  nur  halbkreisförmig  war."  Soweit  der  vorläufige  Bericht, 
der  freilich   mehr    die  Neugier    reizt    als    unsem  Wissensdurst   befriedigt. 


Hat  der  Oberbau  wirklich  existiert,  so  ist  er,  da  sich  keine  Spur  davon 
gefunden  hat,  von  Holz  gewesen.  Als  Gebäude  kann  er  mit  der  Tholos 
von  Epidauros,  dei-jenigen  von  Delphi  und  dem  von  Pomtow  entdeckten 
Rundbau  ebendort  verglichen  werden  und  kann  die  gleiche  musikalische  Be- 
stimmung gehabt  haben.  Man  hat  vielfach  die  Deutung,  die  H.  Thiersch 
diesen  Rundbauten  gegeben  hat.  abgelehnt;  und  doch  ist  es  merkwürdig, 
gerade  in  dem  Heiligtum  wieder  einen  Rundbau  von  fast  10  m  Dureh- 
messer anzutreffen,  zu  dem  die  bekannte  milesische  Sängergilde 
in  einem   ganz  besonderen  Verhältnis    stand  ^).     Ein  Kulttempel    kann    es 


1)  Vgl.  jedoch  die  mindestens  ebenso   wahrscheinliche  Vermutung,  die  S. 
anderem  Zusammenhang  begründet  werden  wird. 

1* 

3 


4  W.  Ahj, 

keinesfalls  gewesen  sein,  zumnl  fla  sicli  in  einer  älteren  Epoclie  etwas  an- 
deres dort  befnnden  hatte.  Westlich  vor  dem  Rundbau  befindet  sich  in 
der  Achse  des  Tenienos  der  grosse  Altar  und  zwischen  beiden  zwei 
Exedren,  endlich  seitwärts  drei  kleinere  Altäre,  darunter  einer  für  Zeus 
Soter,  einer  für  Artemis,  vor  dem  grossen  Altar  ein  solcher  für  Hekate ') 
und  östlich  des  Rundbaues  ein  rundes  tiefes  Mannorgefäss  von  2  m  Durch- 
messer, fast  ebensoviel  Rätsel  wie  Gegenstände. 

Heben  wir  das  Wesentliche  heraus,  so  haben  wir  einen  ummauerten 
Bezirk  mit  Altar  vor  uns,  in  den  später  ein  Rundbau  hineingebaut  ist. 
Für  das  Alter  der  Anlage  ist  entscheidend,  dass  die  Ausgräber  den  grossen 
Altar  sowie  den  der  Hekate  dem  6.  Jh.  zuweisen.  Falls  diese  Stücke 
also  nicht  aus  einem  älteren  Heiligtum  dorthin  übertragen  sind,  was  mir 
recht  unwahrscheinlich  vorkommt,  ist  das  Heiligtum  älter,  als  die  Zer- 
störung der  Stadt  von  494.  Ueber  die  Lage  von  Altmilet  lehren  uns  aber 
die  Funde,  dass  sich  in  spätmykenischer  Zeit  die  Ansiedlung  nicht  am  Del- 
phinion, sondern  an  der  nach  Nordwesten  geöffneten  sog.  Theater-Bucht 
befunden  hat,  da  ungefähr,  wo  später  das  Atheneheiligtum  lag.  Südwest- 
lich davon  liegt  in  einer  Entfernung  von  ca.  1  km  die  alte  Akropolis,  die 
im  we.sentiichen  erst  in  griecliisch-archaischer  Zeit  besiedelt  gewesen  zu 
sein  scheint.  Später  hat  dann  eine  völlige  Verschiebung  des  Zentrums 
der  Stadt  nach  der  Löwenbucht  hin  stattgefunden.  Wir  zweifeln  nicht, 
dass  nur  die  Zerstörung  von  494  eine  so  starke  Veränderung  des  Stadt- 
bildes und  des  ganzen  Stadtplanes  hervorgerufen  haben  kann,  wenn  auch 
die  Tendenz  dazu  schon  vorher  vorhanden  gewesen  sein  mag.  Damit  ist 
zunächst  ein  fester  Punkt  gewonnen.  Weiterführt  folgende  Beobachtung: 
Die  vorpersische  Siedelung  war  zunächst  unbefestigt,  dann  ward  die  Akro- 
polis auf  dem  Kalabaktepe  geschaffen;  sie  war  zuerst  kretisch"),  dann 
ionisch.  Es  liegt  nahe,  die  unbefestigte  Stadt,  die  etwas  mehr  als  ein 
Fischerdorf  gewesen  sein  dürfte,  mit  der  kretischen  Siedelung,  die  Akro- 
polis mit  dem  ionischen  Milet  zu  identifizieren,  da  sich  die  Muster  nach- 
weisen lassen,  die  die  Kolonisten  jedesmal  aus  ihrer  Heimat  mitgebracht  haben. 

Zunächst  ist  oft  mit  dem  Ausdrucke  der  Verwunderung  betont,  dass 
die  kretischen  Städte,  soweit  sie  altminoisch  sind,  keine  Spur  von  Be- 
festigung zeigen.  Man  hat  wohl  im  Knosos  von  Bastionen  gesprochen, 
ohne  indes  ernst  zu  nehmende  Festimgswerke  gefunden  zu  haben.  Nun 
liegen  diese  Städte  oder  Paläste  mitten  im  Lande,  Milet  am  Meere ;  aber 
auch  von  kleinen  Seestädten  haben  wir  durch  die  Entdeckung  von  Gurnia 


1)  Hekate  ist  die  Herrin  Kariens.  vgl.  Röscher  Lex.  der  Mythol.  I.  2,  1885,  wo 
sie  eine  Menge  altoriginaler  Kulte  hat.  Man  könnte  ja  auch  so  konstruieren:  He- 
kate nach  Hesiod  Theog.  4-39  Göttin  des  Fischfangs,  gestellt  zum  Delphinsgott.  Aber 
der  Delphin  ist  gerade  der  Fisch,  den  man  nicht  fängt,  weil  er  zu  nichts  nütze 
ist,  daher  seine  Heiligkeit! 

2)  Vgl.  das  kretische  Milatos. 


Delphinios.  5 

an  der  Küste,  sowie  von  Ansiedelungen  auf  den  kleinen  Felsinseln  Psyra 
und  Mochlos  östlicli  dei-  Bai  von  Mirabello  eine  Anschauung  bekommen,  die 
wii-  auf  Milet  übertragen  dürfen.  Als  Hafen  diente  eine  offene  Bucht,  vom 
Laude  aus  war  ein  Angriff  nicht  zu  gewärtigen :  so  entl)ehrte  man  nicht, 
was  man  nicht  brauchte. 

Und  Milet  ist  nicht  die  einzige  kretische  Kolonie  jener  Zeit ;  in 
langer  Reihe  ziehen  sich  gleichartige  Spuren  von  Ephesos  südlich  die 
Küste  entlang  bis  nach  Kypros  und  Palästina,  Kolonien,  die  nach  dem 
einmütigen  Zeugnis  der  Funde  sämtlich  erst  nach  der  Zerstörung  der  kre- 
tischen Paläste,  nacli  1400  gegründet  sind.  Weiter  nördlich  reichen  die 
Spuren,  soweit  wir  bisher  wissen,  nicht,  während  die  Besetzung  von  Ly- 
kien  mit  in  diese  scheinbar  systematische  Kolonisation  hineingehört,  wenn 
wir  es  dem  Herodot  wenigstens  glauben,  dass  ,  die  Lykier  vor  Alters  aus 
Kreta  gekommen  sind".  Nehmen  wir  einmal  die  Hypothese  an.  dass  es 
Achäer  waren,  die  um  1400  Zentralkreta  besetzten  und  dort  die  zerstörten 
Paläste  zum  Teil  wieder  bewohnten,  so  wäi-e  es  verständlich,  in  diesem 
Yorstoss  nach  Osten  das  Ausweichen  der  altkretischen  Bevölkerung  zu 
erkennen,  die  infolge  von  üebervölkerung  ohne  nachhaltigen  Widerstand 
den  Eindringlingen  Platz  machte  und  sie  z.  T.  nach  sich  zog.  Dieses 
neue  Kolonialreich  ist  erst  dem  folgenden  Schübe  der  griechischen  Stämme 
in  der  ionischen  Wanderung  unterlegen.  So  tritt  v.  Salis  mit  I{echt  ent- 
schieden dafür  ein,  dass  sich  in  Milet  (und  nicht  bloss  da)  die  Lücke 
schliesst,  die  für  unser  Wissen  noch  immer  zwischen  der  mykenischen  und 
archaisch-griechischen  Kultur  klafft  und  durch  die  Forschungen  von  Fim- 
men  eher  vergi'össert  als  verkleinert  ist.  Die  grossen  Veränderungen  im 
Inneren  Kleinasiens,  die  sich  im  Vordringen  der  Karer.  Lyder,  Myser  nach- 
haltig der  Küste  mitteilen,  helfen  die  Zeit  zu  füllen,  während  der  wir  ein 
jahrhundertelanges  Vegetieren  der  kretisclien  Ansiedelungen,  ein  langsames 
Ausleben  ihrer  Kultur  in  der  Tat  annehmen  können.  Geblieben  sind  sie: 
denn  das  Delphinion  ist,  wenn  schon  das  kretische  Milatos^)  denselben 
Gott  verehrte,  nicht  erst  von  den  loniern  gegründet.  Die  Einwohner  müssen 
sich  sowohl  mit  den  Karern  wie  mit  den  loniern  gut  vertragen  haben, 
denen  beiden  sie  durch  ihre  Handelsbeziehungen  wohl  unentbehrlicli  waren. 

Die  Hellenen  sind  den  Wegen,  wie  die  Kreter  sie  gewiesen,  allenthalben 
gefolgt.  So  folgt  der  Ostwanderung  der  Philister  die  teilweise  Besetzung 
von  Kypros  durch  Achäer.  so  der  von  Herodot  erzählten  Westwanderung 
die  Besetzung  Italiens  und  Siziliens,  wenn  auch  geraume  Zeit  später;  auch 
den  Weg  nach  Kyrene  werden  die  Kreter  schon  gekannt  haben,  wie  die 
Kämpfe  mit  den  Aegyptern  und  die  Sage  bei  Herodot  IV  151  zeigt.  So 
haben  Griechen,  die  sich  offenbar  nicht  bloss  auf  Kreta  mit  den  alten  Be- 
wohnern eingelebt  hatten,  im  allmählichen  Zuzug  neben  die  kretischen  offenen 


1)  Der  Kult  ist  nicht  unmittelbar  bezeugt,   aber  nach  Eret.  Ap.  S.  15  f.  mit  Si- 
cherheit zu  erschliessen. 


6  W.  Ahj, 

Flecken  ihre  Bergstädte  gele^.  Der  Burgenliau  war,  wie  die  Praxis  im 
Mutteriande  zeigt,  dort  eine  altbewährte  Kunst:  und  zwar  zeigen  die  äl- 
teren Burgen  fast  alle  einen  übereinstimmenden  T\^us:  der  Burgberg  ist 
mäßig  hoch,  wie  die  Aspis  in  Ai'gos,  wie  Mykene.  das  Heraion  und  Athen 
erkennen  lassen,  doch  höher  als  die  flachen  Hügel  der  vorgriechischen 
Siedlungen:  erst  Akrokorinth  und  die  Kastelle  von  Argos  und  Orchomenos 
sind  Beispiele  der  späteren  Hochburg.  Nicht  alles  Volk  wird  auf  der  Burg 
haben  wohnen  können :  so  bildet  sich  die  Unterstadt,  die  wir  deutlich  in  Athen 
(vgl.  S.  19)  erkennen  können.  Auch  Argos.  Tiryns,  Mykene  sind  so  an- 
gelegt, ebenso  Megara,  Aphidnai.  Theben.  Krisa  u.  a.  m.  Kommt  das  Meer 
irgendwo  in  Frage,  so  wohnt  man  nicht  unmittelbar  am  Wasser  *),  aus 
Furcht  vor  der  infolge  mangelnder  Seepolizei  blühenden  Seeräuberei,  die 
einen  Hauptsitz  in  Karlen  gehabt  hat;  eine  leidlich  geschützte  Bucht  wie 
die  von  Phaleron  bei  Athen  in  nicht  allzugrosser  Entfernung  gilt  für  ge- 
nügend; erst  später  hat  man  die  Vorzüge  eines  geschlossenen  Hafens  wie 
des  Piräus  schätzen  gelernt. 

Bei  Milet  lag  die  Sache  in.sofern  anders,  als  bereits  eine  Xiederlas- 
sung  bestand.  Man  brauchte  nur  den  nicht  weit  gelegenen  Kalabaktepe 
zu  besetzen,  um  ganz  in  heimischer  Weise  leben  und  doch  die  Vorteile 
des  Seeverkehrs  gemessen  zu  können.  Seeräubereien  waren  in  dem 
Heimatlande  dieses  Handwerks  nicht  zu  befürchten,  da  man  entweder 
selbst  beteiligt  war  oder  sieh  wehren  konnte.  So  hat  das  älteste  grie- 
chische Milet  sich  neben  die  alte  Siedelung  unter  Benutzung  der 
Burg  gelegt  und  nur  den  Markt  in  der  Unterstadt  am  Atheneheilig- 
tum -)  an  dem  Punkte  gehabt,  auf  den  noch  heute  die  Feststrasse  von 
Didyma  her  hinweist,  ehe  sie  den  Knick  nach  dem  neuen  Mai-kt  macht. 
Zwar  lässt  das  erhaltene  Stück  Stadtmauer  vermuten,  dass  sie  nicht  kreis- 
förmig um  die  Akropolis  lief,  sondern  als  Sperrmauer  die  ganze  Halbinsel 
abschloss,  so  wie  es  um  540  die  Knidier  gegen  Harpagos  haben  machen 
wollen,  und  wie  es  nicht   viel   früher  Miltiades    auf   dem  Chersones    nach 


1)  Die  Hinunterveiiegung  ans  Meer  ist  von  Paus.  3.  2.  7  auf  Kreta  ausdrücklich 
unter  König  Alkamenes  von  Sparta  kurz  vor  Ol.  1.  1  bezeugt. 

2)  Das  Atheneheiligtum  der  kretischen  Kolonie,  das  gleiche  in  Ephesos  und  Priene, 
Athene  im  homerischen  Troia,  ihre  häufige  Verehrung  auf  Kreta  gerade  als  Polisuchos 
und  in  der  singulären  und  altertümlichen  Form  der  Muttergottheit  (vgl.  S.  17  Anm.  2). 
an  die  auch  das  alte  Kultbild  auf  der  Burg  von  Athen  erinnert,  vgl.  Frickenhaus  A. 
M.  1908.  S.  17  ff.  legen  den  Gedanken  nahe,  hier  ursprüngliche  Eigenschaften  der 
Göttin  zu  vermuten,  deren  Name  mit  den  Mitteln  der  griechischen  Sprache  noch  nicht 
erklärt  ist  und  auch  wohl  nie  erklärt  werden  wird.  Die  un  griechische  Her- 
kunft der  Athene  wird  uns  weiter  noch  beschäftigen.  Wenn  wir  so  gezwungen 
werden,  unsere  bisherige  Vorstellung  von  der  lanzenschwingenden,  aus  dem  Haupte 
des  Zeus  geborenen  Jungfrau  erheblich  zu  reduzieren,  so  erfordert  das  eine  gewisse 
Bereitwilligkeit,  um  das  Trägheitsmoment  des  Traditionellen  zu  überwinden.  Aber 
die  Tatsachen  sprechen  zu  deutlich  und  können  eben  aus  der  traditionellen  Vor- 
stellung heraus  nicht  erklärt  werden. 


JMplihiios.  7 

Herodot  VI  36  gemacht  hat.  Denn  sie  biegt  an  der  Südostecke  des  Burg- 
hügels nach  aussen  um.  Aber  Altmilet,  aucli  das  griechische,  ist  nicht  immer 
so  gross  gewesen,  wie  die  erhaltenen  archaischen  Heste  vermuten  lassen. 
Bewohnt  war  zunächst  nur  der  Streif  von  Kalabaktepe  bis  zur  Theater- 
bucht, sodass  schon  die  ganze  Situation  aufs  deutlichste  zeigt,  wie  die 
Löwenbucht  erst  in  den  reichsten  Zeiten  der  Stadt  liat  als  Hafen  verwendet 
werden  können.  Aber  nicht  als  einziger  Hafen,  dazu  ist  sie  zu  klein. 
Endlich  zeigt  die  Benennung  des  Burghügels  bei  Strabo  als  Altmilet,  dass 
dort  nicht  bloss  ein  Vorwerk  gelegen  hat,  das  man  später  aufgab,  son- 
dern dass  dort  das  eigentHche  Zentrum  der  alten  ionischen  Stadt  zu  su- 
chen ist.  Doch  das  Delphiuion  lag  schon  immer  dort,  wo  es  heute  liegt, 
also  ausserhalb  der  Stadt. 

Bis  zur  Zei'störung  hat  diese  gewaltig  an  Umfang  zugenommen. 
Man  wird  den  grossen  Vorteil,  den  die  Löwenbucht  zumal  als  Schlecht- 
wetterhafen bot,  aihnählich  erkannt  haben;  zum  mindesten  eine  Vorstadt 
nach  Art  des  Athenischen  Piräus  können  wir  dort  vermuten.  Dann  kam 
die  Zerstörung  und  mit  ihr  die  Aufgabe,  die  Stadt  neu  zu  gründen.  Da 
zeigt  sich  nun  gerade  im  Gegensatz  zu  Athen  die  Natur  des  unternehmen- 
den loniers.  Auch  Athen  ist  zerstört  und  zwar  zu  einer  Zeit,  als  es  be- 
reits eine  Flotte  besass,  und  nichts  hätte  wohl  näher  gelegen,  als  die  Stadt 
nach  dem  Piräus  zu  verlegen,  der  in  der  Höhe  von  Munychia  eine  ver- 
teidigungsfähige Burg  besass  und  Athen  erst  zu  einer  richtigen  Seestadt 
gemacht  hätte.  Ich  weiss  nicht,  ob  man  so  etwas  damals  gedacht  hat ; 
E.  Meyer  nimmt  es,  wie  ich  nachträglich  sehe,  an.  Aber  es  wäre  undenk- 
bar gewesen,  dass  die  gottesfürchtigste  Stadt  von  Hellas  die  Götter  der 
Heimat  so  im  Stich  Hess.  Mag  diese  Erwägung  auch  noch  so  unpolitisch 
klingen,  für  das  Athen  der  Perserkriege  war  sie  ausschlaggebend ;  und  noch 
zu  Nikias'  Zeiten  würde  man  sich  nicht  anders  entschieden  haben.  In 
Milet  hat  man  anders  gedacht.  Eine  Stadt,  die  so  ausschliesslich  auf  das 
Wasser  angewiesen  war  wie  Milet.  musste  sich  den  Hafen,  der  in  Kriegs- 
zeiten leicht  zu  sperren  war,  sichern.  Und  so  wanderte  der  Markt  an 
den  Kai  der  Löwenbucht,  so  riclitete  sieh  das  ganze  neue  Stadtbild  nach 
einem  neuen  Zentrum.  Eine  kürzere  Mauer  schnitt  die  Halbinsel  ab '),  und 
die  alte  Burg  mit  ihren  Tempelruinen  Hess  man  liegen. 

So  ist  das  Delphinion  in  den  Mittelpunkt  der  Stadt  gerückt,  nachdem  es 
Jahrhunderte  lang  ausserhalb  gelegen  hatte.  Eine  fast  unnötige  Bestäti- 
gung ist  es,  dass  das  südwestlich  benachbarte  Asklepieion,  das  wie  viele 
Heilorte  des  Altertums  im  Freien  -)  angelegt  war,  noch  in  römischer  Zeit 


1)  Die  erhaltene  Mauer  ist  hellenistisoh.  —  2)  Vgl.  nicht  bloss  Epidauros,  son- 
dern vor  allem  die  beiden  Asklepien  des  kretischen  Gortyn,  im  Süden  das  Seebad 
von  Leben,  im  Norden  der  Luftkurort  auf  der  Höhe,  der  in  der  Grenzbeschreibung 
gegen  Knosos  C.  B.  .5016.  6  genannt  ist:  x>}:il  rav  Jivkav  Tttv  inl  [rö  >']  ^Aaxi.aniiv 
iiyovauv.     Mit  dem  Tor  ist  vermutlich  die  Stadt  Arkades  gemeint. 


8  W.  Ahj, 

das  Vor  der  Stadt  genannt  wird '). 

Ich  kehi-e  nun  endlich  zum  Delphinion  zurück,  dessen  Lage  fem  von 
der  alten  Ansiedelung  und  dem  damaligen  Hafen  wohl  nicht  mit  dem 
Schlagwort  Deiphinsgott  wird  erklärt  werden  können.  Noch  weniger  wii-d 
das  möglich  sein,  wenn  man  die  athenischen  Verhältnisse  zum  Vergleich 
heranzieht,  dessen  Delphinion  südöstlich  der  Burg  ganz  am  Rande,  wenn 
nicht  ausserhalb  der  Themistokleischen  Stadt,  erst  recht  also  ausserhalb 
der  Pisistratischen  Stadt  gelegen  hat. 

II. 

Unabhängig  von  diesen  Tatsachen,  die  durch  keine  Interpi-etation  aus 
der  Welt  geschafl't  werden  können,  lässt  die  Beschaffenheit  des  Temeuos 
Schlüsse  auf  die  Eigenart  des  Gottes  zu,  die  zwar  an  Zuverlässigkeit  mit 
den  Ergebnissen  der  Grabung  nicht  wetteifern  können,  denen  aber  trotz- 
dem innere  Wahrscheinlichkeit  nicht  fehlt,  wenn  ich  nur  den  Leser  bitten 
darf,  den  folgenden  Gedankengängen  ohne  Vorurteil  zu  folgen. 

Das  Heiligtum  hat  keinen  Tempel^). 

Die  Frage,  was  das  Fehlen  eines  Tempels  für  den  betreffenden  Gott 
bedeute,  kann  vollständig  nur  an  der  Hand  einer  Entstehungsgeschichte 
des  Tempels  überhaupt  beantwortet  werden:  ich  muss  mich  hier  auf  An- 
deutungen beschränken  ^).  Bereits  E.  Reisch  weist  in  seinem  Vortrag :  Ent- 
stehung und  Wandel  griechischer  Göttergestalten  darauf  hin.  dass  der 
Tempel  ein  Götterbild  voraussetzt,  so  dass  wi;-  aus  dem  Vorhanden- 
sein eines  Agalma  zum  Mindesten  auf  das  Vorhandensein  einer  Kapelle, 
aus  dem  Fehlen  eines  solchen  Raumes  auf  Bildlosigkeit  des  Kultes  schliessen 
können.  Diese  letztere  Art  der  Verehrung  ist  ehemals  allgemein  ver- 
breitet gewesen  und  hat  sich  in  einer  bestimmten  Gruppe  göttlicher  Wesen 
auch  in  Hellas  dauernd  gehalten. 

Das  typische  Bild  der  mykenischen  Ansiedelung  hat  sich  von  dem 
einer  griechischen  Stadt  wesentlich  dadurch  unterschieden,  dass  im  grie- 
chischen Stadtbild  der  eine  oder  andere  Tempel  kaum  weniger  in  die 
Augen  fiel,    als    in  einem    deutschen  Dorfe    die  Kirche,    während    für    die 


1)  Wenn  das  inilesisehe  Asklepieion  bis  in  die  Zeit  vor  der  Zerstörung  zurück- 
reicht, so  hat  Asklepios  einen  älteren  Inhaber  verdrängt,  vgl.  S.  24  Anm.  1. 

2)  Im  Gegensatz  dazu  erwähnt  Pausanias  1.  19.  1  im  Delphinion  zu  Athen  einen 
vaöq.  Da  er  aber  daneben  nur  ein  aya/./.ta  \-i7i6/./.coro£  üvl^iov  kennt,  während  wir 
aus  Hesych  iv  llvfUw  yiaai  hören:  IlfiaiazQazo:  wxoSöi.ifi  röv  dv  /7r9/w  laöi;  so 
möchte  ich  beide  Tempel  für  identisch  halten  und  den  Neubau  mit  der  Gründung 
des  Pythions  durch  Peisistratos  in  Verbindung  bringen.  Vgl.  Judeich  344.  4,  der  die 
Pausaniasstelle  unrichtig  verwertet. 

3)  Man  darf  nach  den  Andeutungen  Ath.  Mitt.  1908  hoffen,  dass  uns  die  Ar- 
beiten von  Frickeuhaus  über  Tiryns  und  den  argivischen  Herakult  in  diesen  jetzt 
oft  diskutierten  Fragen  fördern  werden.  Ich  kann  hier  nur  skizzieren,  was  sich  mir 
im  Laufe  mündlicher  und  schriftlicher  Diskussion  ergeben  hat. 


Belphinios.  9 

Epoche  vor  der  grossen  Wanderung  ein  grosses  Gotteshaus  überhaupt 
noch  nicht  nachgewiesen  ist.  Daran  ist  nicht  etwa  der  schleclite  Erhal- 
tungszustand schuld,  da  auch  Tempel,  deren  vergängliches  Material  fast 
ganz  verschwunden  ist,  wie  etwa  der  des  diktäischen  Zeus,  haben  nach- 
gewiesen werden  können.  Der  Schluss  ist  nicht  zu  umgehen,  dass  ent- 
weder Räume  zu  gottesdienstlichen  Zwecken  gedient  haben,  deren  Bestim- 
mung wir  bisher  verkennen,  oder  dass  man  überhaupt  keine  geschlossenen 
Räume  dazu  benutzt  hat;  wahrscheinlicli  war  beides  der  Fall.  Das  letztere 
ist  altindogermanische  Sitte ;  so  sagt  Tacitus  Germ.  9  ausdrücklich,  dass 
die  Germanen  weder  Götterbilder  noch  Tempel  kennten.  Von  den  Kelten 
bezeugt  es  u.  a.  schal.  Lucan.  33  ed.  Usener'),  und  dass  die  Italiker  es 
ursprünglich  nicht  anders  gehalten  haben,  beweist  nicht  bloss  die  gestalt- 
lose BegritHichkeit  der  altrömischen  Götter,  sondem  auch  die  zahlreichen 
Gründungsgeschichten  der  Tempel,  die  sich  so  und  so  oft  an  lieiiigo  Haine 
anschliessen. 

Dem  entspricht  es  vollkommen,  dass  wir  in  dem  Griechenland  vor 
der  Wanderung  auch  von  Götterbildern  so  gut  wie  nichts  hören.  Denn 
der  Paladionraub  in  der  Ilias  ist  junge  Zutat,  die  nackte  weibliche  Göt- 
tin, die  uns  das  Bleiidol  aus  Troia  ebenso  wie  das  Goldblech  aus  My- 
kene  zeigen,  sicher  kleinasiatischer  Import:  und  auch  die  Schlangen- 
dame von  Knosos  ist,  falls  wirklich  eine  Göttin,  nicht  für  Griechen  ge- 
macht. Noch  erheblich  später  begnügen  sich  die  letzteren  mit  formlosen, 
fetischartigen  Symbolen  und  primitiven  Schnitzbildern,  als  bereits  die  Poesie 
dank  ihrer  Ueherlegenheit  über  das  technische  Unvermögen  der  Bildschnitzer 
eher  und  vollkommener  einen  Ausdruck  für  die  neuen  Göttermenschen  ge- 
funden hat,  als  die  Plastik. 

Einen  Versuch,  dem  Gott  ein  Haus  zu  geben,  [treffen  wir  auf  Kreta 
an,  wenn  wenigstens  die  von  Evans  gefundene  und  wieder  aufgebaute 
Hauskapelle  Anspruch  auf  Realität  machen  darf,  was  ich  keinen  Grund 
sehe  zu  bezweifeln,  zumal  da  die  Hauskapelle  des  Palastes  uns  einen  Aus- 
hlick  eröffnet,  die  Entstehung  des  griechischen  Monumentaltempels  zu  be- 
greifen. Denn  setzen  wir  einmal  voraus,  die  HauskapeUe,  die  in  der  Ge- 
schlossenheit des  kretischen  Vielzimmerhauses  zu  keinem  Monumentalbau 
erwachsen  konnte,  sei  etwa  in  das  grosse  Megaron  von  Tiryns  übertragen, 
so  bedurfte  es  nur  des  kleinen  Schrittes,  den  ganzen  Raum')  für  den 
Kultus  zu  beanspruchen,  und  der    mit    den  übrigen  Gemächern    nicht    im 

1)  Tac.  Germ.  9  ceterum  nee  cohibere  parietihus  deos  neque  in  uUam  humani  oris 
speciem  adsimulare  ex  magnitudine  caelestium  arhitranttir :  lucos  ae  nemoru  consecratit 
deorumqiie  nominihus  appellant  secretum  illud,  quod  sola  reverentia  i-ident.  Schal.  Lucan. 
33  U.  zu  Lucan.  I  453  von  den  Druiden:  sine  templis  colebant  deos  in  silvis,  vgl. 
P.  W.  V  1730. 

2)  Man  denkt  unwillkürlich  an  die  römische  aedes,  die  eigentlich  , Zimmer"  be- 
deutet. Nicht  viel  anders  ist  vadg  „Wohnung"  zu  verstehen.  Der  jüdische  Tempel 
ist  aus  einem  Zelt  hervorgegangen. 


10  W.  Äly, 

Verbände  stehende  monumentale  Tempel  war  da.  So  treten  denn  in  Ti- 
ryns,  Athen,  Phaistos  Tempel  als  Fortsetzung  der  Hauskapelle  anstelle  von 
Palästen,  ohne  dass  darum  das  grosse  Megaron  von  Tiryns  von  vornher- 
ein für  einen  Kultbau  gehalten  werden  miisste.  Diese  Entwicklung  ist 
aus  einer  Einwirkung  der  kretisch-minoischen  Kultur  auf  die  mykenische 
zu  begreifen,  obgleich  die  kretischen  Götter  weder  immer  noch  alle  in 
Tempeln  oder  Kapellen  verehrt  worden  sind.  Das  Gegenteil  lässt  sich 
geradezu  beweisen. 

1.  Von  den  zahlreichen  Hühlenkulten  gehen  wenigstens  einige  wie  die 
Höhle  von   Psychro  in  vorgriechische  Zeit  zurück. 

2.  Auch  der  berühmte  Sarkophag  von  Hagia  Triada  zeigt  nur  einen 
umfriedigten  Raum,  innerhalb  dessen  vor  einem  Altar,  dem  religiöse  Sym- 
bole zur  Seite  stehen,  geopfert  wird.  Die  Gestalt  rechts  vor  dem  Naiskos  und 
dieser  selbst  haben  mit  dieser  Handlung  offenbar  nichts  zu  tun ;  ich  möchte 
mit  andern  glauben,  dass  dort  der  Tote  steht,  der  entweder  durch  Beerdigung 
im  Temenos  heroisiert  ist  oder,  da  ja  der  Sarkophag  nicht  in  einem  solchen 
Temenos  gefunden  wurde,  nur  bei  dieser  dauernden  Opferbandlung  mit  samt 
seinem  Grabe  anwesend  gedacht  ist.    Ich  komme  auf  die  Szene  noch  zurück. 

3.  Die  Herkunft  des  eigentlichen  Tempelgedankens  von  auswärts  wird 
dadurch  bestätigt,  dass  auch  das  altsemitische  Heiligtum,  wie  die  Urform 
der  Moschee,  der  umfriedigte  Hof,  ein  Altar  unter  einem  Baum,  ohne 
überdachten  Raum  gewesen  ist^);  ob  Babylon  oder  Aegypten  hier  einge- 
wirkt haben,  oder  ob  hier  eine  spontane  Entwicklung  vorliegt,  wage  ich 
nicht  zu  entscheiden.  .Jedenfalls  ist  die  Idee  des  griechischen  Tempels 
nicht  urgriechisch,  aber  ebensowenig  bei  den  Kleinasiaten  und  Semiten 
original;  wir  können  daher  aus  der  Tempellosigkeit  des  Delphinions  nur 
auf  sein  Alter,  nicht  auf  die  ethnologische  Zugehörigkeit  seiner  Gründer 
schliessen.  Aber  etwas  uraltes  muss  es  sein,  älter  als  die  eigentliche  ioni- 
sche Kultur,  die  den  Tempel  bereits  aus  dem  Mntterlande  mitbringt,  wenn 
sie  auch  unter  ägyptischem  Einfluss  einen  nicht  bloss  ornamental  selb- 
ständigen Stil  geschaffen  hat. 

Aber  noch  eins  ist  sicher.  Die  Eigenart  des  Gottes  hat  es  mit  sich 
gebracht,  dass  er  auch  späterhin  keinen  Tempel  erhalten  hat.  Unter  den 
grossen  Heiligtümern  gibt  es  dafür  nur  wenige  Parallelen,  ich  nenne  das 
Lykaion,  das  Eleusinion  in  Athen  und  die  Zeushöhle  auf  dem  kretischen 
Ida.  Einige  andere  Heiligtümer  wie  das  zu  Eleusis ''),  zu  Dodona,  und  das 
des  Trophonios  in  Lebadeia  muss  ich  bei  Seite  lassen,  da  sie  zwar  ihi-er 
Eigenart  nach  ebenfalls  hierhergehören,  aber  im  Laufe  der  Entwickelung 
nach  bekannten  Mustern  ebenfalls,  wenn  auch  spät  erst,  Tempel  bekommen 
haben.    Diese  erweisen  sich  als  fremdartige  Zutat  dadurch,  dass  sie  im  Kult 

1)  S.  J.  Curtiss,  ursemitische  Religion  im  VoUcslehen  des  heutigen  Orients,  deutsch 
von  Wolf  Wilh.  Grafen  Baudissin,  Leipzig  1903,  Kap.  14  und  15,   besonders   S.  149. 

2)  Das  Telesterion  ist  kein  Tempel,  sondern  eine  Kirche. 

10 


Belphinios.  11 

keine  Rolle  spielen.  Die  genannten  Götter  sind  sämtlich  von  derart,  wie 
ich  sie  bereits  im  krct/srlioi  Apollon  S.  34  näher  charakterisiert  habe. 
Am  deutlichsten  ist  das  bei  Trophonios,  der  in  seiner  Höhle  wohnt  und 
bei  den  eleusinischen  Göttinnen,  deren  eine  in  der  Erde  gedacht  wird, 
wenn  nicht  geradezu  in  dem  Heiligtum  des  Pluton  in  Eleusis  mit  seiner 
Höhle  eine  Pfoi'te  der  Hölle  erblickt  werden  muss.  Auch  der  Gott  vom 
Ida,  dessen  eigenartige  Physiognomie  hier  nur  angedeutet  werden  kann, 
da  sie  andern  Orts  ausführlich  be.sprochen  werden  soll,  besitzt  eine  Höhle 
und  wird  in  ihr  vrenigstens  zeitweise  anwesend  gedacht.  Das  zeigt  das 
Lichtwunder,  von  dem  Antoninus  Liberalis  19')  erzählt,  und  das  nach  dem 
Stande  der  Sonne  möglicherweise  wirklich  um  die  Zeit  der  Frühlingstag- 
undnachtgleiche  eingetreten  ist,  indem  minutenlang  die  sonst  dunkle 
Höhle  bis  in  den  tiefsten  Winkel  von  der  Sonne  beleuchtet  ward").  Es 
mutet  uns  seltsam  an,  uns  einen  Lichtgott  an  die  Erde,  selbst  wenn  es 
hoch  auf  einem  Berge  ist,  gebunden  zu  denken,  und  doch  hat  der  kreti- 
sche Zeus  sogar  ein  Grab  gehabt.  Dass  aber  ein  Lichtgott  auch  ohne 
Höhle  an  einen  bestimmten  Erdfleck  gebunden  sein  kann,  zeigt  das  Ly- 
kaion,  der  Ort,  wo  kein  Wesen  Schatten  wirft  ^).  Das  kann  kein  Platz 
unter  der  Sonne  sein,  denn  selbst  in  den  Tropen  ist  ein  wenn  auch  mini- 
maler Schatten  bemerkbar.  Nur  da  wo  das  Licht  selbst  zu  Hause  ist, 
das  von  allen  Seiten  leuchtet,  da,  wo  der  strahlende  Gott  selbst  sich  auf- 
hält, nur  da  kann  es  keinen  Schatten  geben,  weil  das  eine  Verneinung, 
eine  LTuvoUständigkeit  des  göttlichen  Licbtkörpers  bedeuten  würde. 

So  glaube  ich,  dass  alle  die  genannten  Götter  trotz  ihrer  verschie- 
denen Eigenart  den  einen  verwandten  Zug  gemeinsam  haben,  an  einer  be- 
stimmten Stelle  in  freier  Natur  anwesend  zu  sein.  Suchen  wir  in  primi- 
tiven Verhältnissen  den  Gegensatz  dazu,  so  kann  Kameios  als  Beispiel 
dienen,  der  ebenfalls  entsprechend  der  Altertümlichkeit  seines  Kultes  wenn 
überhaupt,  erst  spät  einen  Tempel  in  Sparta  bekommen  haben  kann.  Als  Gott 
eines  wandernden  Volkes  ist  er  wie  dieses  selbst  vom  Orte  losgelöst,  und 
dadurch,  ähnlich  dem  Jahve  der  wandernden  Israeliten,  der  sich  vom  Sinai 
loslöst,  einem  natürlichen  Vergeistigungsprozess  unterworfen.  So  kann  ich 
mir  auch  die  12  01\Tnpier  Homers  nicht  ohne  die  grosse  Wanderung  denken, 
die  vergeistigend,  verschmelzend  und  vereinheitlichend  gewirkt  hat.  Vor 
allem  für   die  Entwicklung    des    delphischen  Apollon*)    muss    eine    solche 

1)  'Ev  zpöi'w  a^pwQiauivu)  oQÜiai  xaS^  exuaxov  tzoq  nlüarov  ixi.dunov  ix  Tov  otitj- 

laloV    TtVQ- 

2)  Ich  verdanke  diese  Feststellung  Herrn  Professor  Georg  Meyer  in  Freiburg. 
Sie  ist  nach  der  italienischen  Aufnahme  im  Musen  ital.  II  689  S.  gemacht  und  be- 
ruht, solange  nicht  an  Ort  und  Stelle  nachgeprüft  wird,  auf  der  Zuverlässigkeit  der 
dortigen  Angaben. 

3)  Vgl.  Immerwahr,  Arkadische  Kulte,  Leipzig  1891,  S.  8  f. 

4)  Hier  sei  noch  einmal  mit  aller  Deutlichkeit  ausgesprochen,  dass  Apollon  des- 
halb, weil  sein  Name  ausnahmslos  den  Gesetzen    der    griechischen   Dialekte  gefolgt 

11 


12  TT'.  Aly, 

Loslösunff  angenorunien  werden,    die    ihn    zu  seiner  ausgedehnten  Mission 
befähigt  hat. 

Das  war  das  Widerspiel ;  wir  erkennen  nun,  dass  bodenständige  Götter 
auch  eine  bodenständige  Kultur  voraussetzen,  oder,  um  griechisch  zu  spre- 
chen, autochthon  sind.  Für  die  Kolonie  Milet  kann  das  freilich  nur 
cum  grano  salis  gelten,  aber  wir  dürfen  annehmen,  dass  die  ersten  Mi- 
lesier  anders  als  die  späteren  lonier  die  Verhältnisse  ihrer  Heimat  ein- 
fach übertragen  haben.  Vielleicht  fanden  sie  das  Zeichen  wieder,  das  in 
der  Heimat  die  Anwesenheit  des  Gottes  verriet,  der  so  auch  in  der  Kolonie 
Wurzel  schlagen  konnte.  Es  fragt  sich  nur:  Gibt  es  überhaupt  eine  autoch- 
thone  griechische  Kultur  oder  sind  wir  nicht  gezwungen,  da  auf  die  vor- 
griechische Bevölkerung  zurückzugreifen?  Die  Antwort  wird  verschieden 
lauten,  wie  man  sich  das  Verhältnis  der  beiden  Bevölkerungsschichten  zu 
einander  denkt.  Die  Namen  der  Götter  Lykaios,  Zeus,  Demeter,  Pherrephatta, 
Trophonios  sind  mindestens  zur  Hälfte  sicher  indogermanisch.  Und  in 
einem  Falle,  dem  des  idäischen  Zeus,  kommt  der  archäologische  Befund  zu 
Hilfe,  der  uns  lehrt,  dass  der  Kult  in  der  Höhle,  obgleich  er  aus  reingriechi- 
schen Anschauungen  allein  nicht  erklärt  werden  kann,  um  1400  noch  nicht  be- 
standen hat  und  seinen  Höhepunkt  erst  in  frühai'chaischer,  d.  h.  griechischer 
Zeit  erlebt.  Und  doch  sind  alle  Griechen,  nicht  bloss  die  Dorer  von  Norden 
zugewandert  und  können  solche  Kulte  nicht  mitgebracht  liaben,  wie  denn 
die  echtgriechischen  Götter,  der  olympische  Zeus,  der  Apollon  Patroos.  der 
helikonisclie  Poseidon  ein  ganz  anderes  Gesicht  zeigen.  Auch  kann  ein 
Gott  mit  einem  griechischen  Namen  sehr  wohl  nur  die  Uebersetzung  eines 
fremden  Gottes  sein ;  gute  Beispiele  dafür  sind  Kallone  und  die  unten  zu 
nennenden  Meergötter.  All  diese  Schwierigkeiten  drängen  hin  zu  der  An- 
nahme, dass  das  ausgehende  mykenische  Griechentum  ganz  so,  wie  die 
Monumente  lehren,  eine  Mischkultur  besessen  habe,  deren  Sprache  zwar 
im  wesentlichen  griechisch,  deren  Elemente  aber  zu  einem  mehr  oder 
weniger  beträchtlichen  Prozentsatz  kretische  oder,  wie  wir  sie  auch  nennen 
können .  lelegische  oder  minyeische  gewesen  sind  ')•  Nur  einer  solchen 
Kiüturschicht  ist  es  zuzutrauen,  dass  sie  mit  dem  Begriff  des  Autoch- 
thonentums  auch  die  genannten  Gottheiten  zum  Teil  unter  griechischen 
Namen,  zum  Teil  unter  volksetymologischer  Anpassung,  wohin  Delphi- 
nios  zu  rechnen  ist,    übernommen  hat,    ohne  dass   ein  Bruch  in  der  Tra- 


ist,  urgriecliisch  sein  muss.  Die  Erkläiung  des  Namens  bei  Prellwitz,  eti/mol.  Wörferb.  - 
S.  47  ist  zum  mindestens  sachlich  wie  formell  die  einzige  ganz  korrekte.  Dadurch 
ist  natürlich  Beeinflussung  der  Vorstellung  durch  den  Orient  nicht  ausgeschlossen. 
1)  Den  Ausdruck  ^kleinasiatisch"  vermeide  ich  absichtlich,  um  nicht  den  An- 
schein zu  erwecken,  als  wenn  es  sich  hier  um  eine  üebertragung  von  aussen  her 
handele.  Diese  in  Hellas  heimischen  Motive  haben  zwar  ihre  nächsten  Verwandten 
im  Orient  ;  sie  haben  aber  ihre  eigene  Geschichte  und  zeigen  daher  ein  ganz  an- 
deres Gesicht  als  die  von  Osten  hereinbrechende  Flut  des  „orientalisierenden"  Stils, 
den  es  nicht  bloss  in  der  Vasenmalerei  gibt. 

12 


Delpliinios.  13 

dition  einh-at.  wie  ihn  vielfach  die  dorische ')  Wanderung  hervorgerufen  hat. 

Zum  Schhiss  nocli  ein  spezieller  Beweis,  dass  wir  in  der  Tat,  ohne 
eine  solche  Mischung  nicht  auskommen.  Ihn  liefert  das  arkadische  Ly- 
kaion,  das  uns  Pausanias  8.  38.  7  sorgfilltig  beschreibt.  Wiihrend  an  der 
griechischen  Herkunft  des  Namens,  mag  man  ihn  nun  richtig  von  Latei- 
nisch Inx,  Griechisch  Zvxüßag  oder  falsch  von  Ävy.og  ableiten,  niemand 
zweifelt,  bietet  das  Heiligtum  selbst  folgenden  seltsamen  Anblick :  In  einem 
terapeUosen  Bezirk  befindet  sich  nur  ein  Altar  und  Säulen  mit  vergoldeten 
Adlern  darauf-).  Es  ist  meines  Wissens  noch  nicht  bemerkt,  dass  uns  die 
jüngsten  Funde  dazu  eine  Abbildung  beschert  haben,  wie  sie  passender 
nicht  verlangt  werden  kann.  Es  ist  der  oben  genannte  Sarkophag  von 
Hagia  Triada  im  südlichen  Zentral-Kreta.  dem  entzückenden  Sommersitze 
der  Heiren  von  Phaistos.  Sehen  wir  von  der  schon  erwähnten  Darstel- 
lung des  Toten  ab,  so  zeigen  beide  Langseiten  je  eine  Szene  in  einem 
von  einer  hohen  weissen  Mauer  umgebenen  Temenos.  Durch  eine  Lücke 
im  Hintergrund  sieht  man  den  blauen  Himmel.  Eine  Prozession  mit  Mu- 
sik nähert  sich  einem  Altar,  vor  dem  das  eine  Mal  eine  Spende,  das  andere 
Mal  ein  blutiges  Opfer  dargebracht  wird :  neben  dem  Altar  stehen  zwei 
Säulen,  auf  denen  über  einem  Doppelbeil  ein  schwarzer  Vogel  sitzt.  Ist 
es  auch  kein  goldener  Adler,  sondern  eher  ein  Kukuk.  Rabe  oder  Taube, 
so  sind  diese  und  andere  Differenzen  doch  im  ganzen  unbedeutend.  Den- 
noch ist  der  Schluss  v.  Duhns^),  der,  ohne  jene  Pausaniasstelle  zu 
verwerten,  aus  der  blossen  Tatsache  des  Totenkultus  schloss,  „diese  my- 
kenischen  Achäer  noch  für  Nichtgriechen  erklären  zu  wollen,  gehe  nicht 
an",  ganz  gewiss  irrtümlich.  Wenn  schon  die  Physiognomie  der  darge- 
stellten Menschen  und  das  Doppelbeil  dagegen  spricht,  so  sicher  die  Datierung. 
Mit  Recht  setzt  Fimmen'')  den  Sarkophag  vor  1400,  in  die  zweite  spätminoi- 
sche  Periode,  eine  Zeit,  in  der  von  Achäern  auf  Kreta  wohl  noch  keine  Rede 
sein  kann.  Ausserdem  ist  das  Stück  für  die  spätmykenische  Periode,  die 
den  oben  geschilderten  allgemeinen  Ausgleich  bringt,  viel  zu  gut. 

Nach  alledem  müssen  wir  den  Sarkophag  für  ein  Werk  der  echten 
Kreter  halten  und  können  uns  dem  Scliluss  nicht  entziehen,  dass  die  auf 
dem  Lykaion  bezeugte  Kultfoi-m  nicht  erst  von  den  zugewanderten  Griechen 


1)  Die  , Achäer'  haben  sich  auf  den  alten  Stätten  angesiedelt  (Tirjns,  Knosos), 
die  Dorer  nicht;  daher  die  Erhaltung  der  zerstörten  Reste.  Die  Verfluchung  des 
äusseren  Pelargikons  in  Athen  gehört  jedoch  nicht  hierher.  Das  war  wohl  das  Gla- 
cis  um  die  Veste. 

2)  Die  Mitteilungen  des  Pausanias  haben  sich  an  Ort  und  Stelle  bestätigt,  vgl. 
die  Funde  s<prjß  .  äg-/.  1904,  S.  1.53  S.  Dass  die  Dimensionen  auf  dem  Lj-kaion  ge- 
waltige sind,  denn  der  ganze  Gipfel  des  Berges  ist  Altar,  ändert  an  dem  Prinzip 
der  Anordnung  nichts. 

3)  Archiv  f.  ReUgkmm:  TU  (1904)  S.  273. 

4)  Zeit  und  Dauer  der  Iretisch-mi/ken.  Kultur,  Freib.  Diss.  1909  S.  19  vgl.  die 
Zeittafel  am  Schluss. 

13 


14  W.  AI,/. 

<»escbaffen  worden  ist.  Man  werfe  mir  nicht  ein.  dass  ich  Mitteilungen 
aus  allen  Zipfeln  Gi'iechenlands  unberechtigter  Weise  zu  einem  Gesamt- 
bilde vereinigte.  Gerade  zwischen  Arkadien,  Kreta.  Attika,  Eleusis  und 
Milet  besteht  eine  Verbindung.  Das  beweist  die  Stadt  Arkades  in  Zen- 
tralkreta, die  den  Enyalioskult  mit  Mantinea  gemeinsam  hat:  die  Be- 
ziehungen Athens  zu  Knosos  sind  bekannt  genug:  dass  Milet  seinen  Namen 
ebenso  wie  seinen  Delphinioskult  aus  dem  nördlichen  Zentralkreta  be- 
zogen hat.  ist  ebenfalls  nicht  neu,  und  dass  Eleusis  mitten  zwischen 
Megara  und  Athen,  den  beiden  von  Minos  unterworfenen  Städten,  von 
kretischem  Einfluss  frei  geblieben  sein  sollte,  widerlegt  die  bei  Hesiod 
TJien<).  971  erzählte  Foi-m  der  Demetersage,  der  auf  Kreta  bezeugte  Mo- 
natsname Eleusinios  und  die  antike  Anschauung,  Ki-eta  sei  das  Land 
aller  Mysterien  gewesen.  Viel  eher  darf  man  das  ganze  Mysterienwesen, 
die  Orphiker  eingeschlossen,  für  Reste  vorgiüechischen  Glaubenslebens 
halten.  Das  sind  also  die  Fäden,  die  das  zerstreute  Material  verbinden. 
Sind  sie  auch  frühzeitig  schon  gerissen,  so  haben  sie  doch  gerade  in  jener 
Endperiode  vor  der  grossen  Wanderung  bestanden.  Von  allen  Seiten 
werden  wir  immer  wieder  in  dieselbe  Zeit  und  Kulturperiode  gewiesen,  der 
wir  von  vornherein  das  milesische  Delphinion  haben  zusprechen  müssen '). 
Zugleich  ergibt  sich  für  die  Eigenart  des  Gottes,  dass  sich  der  mile- 
sische Delphinios  eben  wegen  des  Fehlens  des  Tempelhauses  derselben 
Gmppe  von  Göttern  zuordnet,  der  der  attischen  Delphinios  hatte  zuge- 
sprochen werden   müssen.     Welches  bestimmte   Zeichen   freilieh  in  Milet 

1)  Die  Kret.  Ap.  S.  32  zitierte  Inschrift  IG  III  9.39   möchte   ich  jetzt   nach  der 
Fourmontschen  Abschrift  etwa  so  ergänzen: 

Ev]ßov).w  [Tü)]t  Je?.(p{i)p(i)a>  [vac? 

ftj     J]s/.<plvi[ov  av]Tljv  i(p[evov- 

a[av  E]i!Hnv  Xo/./.eiä[ov  yvi^aixa 

6  avijQ  [a\yid^>jxc  Ei9[inQ  Ei&i- 

Si'juov?]  Xo'/./.eiSij:  [vac. 
Anfang  erhalten  .  .  POYAQ  DIAEA<1>N0l):  die  Ergänzung '.-l.iö/./.<üi-i  (so  IG)  ist  ausge- 
schlossen, wie  ja  auch  sonst  der  Gott  nur  Delphinios  heisst.  Die  erste  Zeile  ist  als 
Satz  für  sich  zu  fassen.  tfp[f(C)']  (so  IG)  ist  zu  kurz ;  die  Lücke  vorher  füllt  sich, 
wenn  das  Objekt  mit  cid)»'  wieder  aufgenommen  wird.  Steht  Delphinios  in  der  er- 
sten Zeile,  so  kann  der  Anfang  der  2.  nur  den  Namen  des  Hieron  enthalten.  Die 
übrigen  Ergänzungen  von  Boeckh  CIG.  Auch  diese  Weihung  erlaubt  einen  Schluss 
auf  die  Eigenart  des  Gottes.  Mustern  wir  die  gleichartigen  Inschriften  (Ehrendekrete 
für  Frauen  und  Mädchen  in  gottesdienstlichen  Funktionen)  IG  II  1376  ff.  und  IG  III 
885  ff.,  so  steht  als  Empfängerin  an  erster  Stelle  Athene  Polias.  Teils  ist  sie  aus- 
drücklich genannt,  teils  bandelt  es  sich  um  Kanephoren  und  Errephoren,  teüs  ist 
der  Fundort  am  Erechtheion;  in  zweiter  Linie  Demeter,  meist  weil  der  Fundort 
Eleusis  ist;  vereinzelt  finden  sich  Göttermutter,  Isis.  Eileithyia,  die  als  Mysterien- 
göttinnen von  Demeter  kaum  zu  trennen  sind;  endlich  Asklepios.  Die  3  bei  Pana- 
gia  Pyrgiotissa  gefundenen  897,  898,  910  (Südecke  der  Attalosstoa)  gehören  wohl  in 
das  Heiligtum  der  Eileithyia,  das  Paus.  1.  18.  5  am  Prytaneion  nennt.  In  dieser  Um- 
gebung fällt  Delphinios  nur  dann  auf,  wenn  er  als  Delphinsgott  erklärt  wird.  Da- 
gegen gesellt  er  sich  als  Gott  der  Zeugung  und  Heilspender  zu  ihnen. 

14 


Delphinios.  15 

vorhiiiiden  gewesen  ist,  d.is  die  Anlai^e  des  Heiligtums  so  weit  von  der 
Ansiedelung  entfernt  bedingte,  vermögen  wir  heute  nicht  mehr  mit  Sicher- 
heit zu  erkennen.  Wenn  ich  im  Verlauf  der  Untersuchung  eine  be- 
stimmte Vermutung  aussprechen  werde,  so  geschieht  das  mit  allem  Vor- 
behalt ;  wissen  können  wir  nur,  dass  Delphinios  an  joner  Stelle  haftete  ; 
das  verbürgt  uns  sein  Charakter  und  die  besprochenen  Analogien.  Mehr, 
hoife  ich,  wird  die  definitive  Publikation  Wiegands  lehren. 

Anderen  Einwänden  zu  begegnen,  noch  ein  paar  Worte.  Jene  Zeit, 
die  einst  Delphinios  nach  Milet  verpflanzte,  hat  allerdings  ihren  Meeres- 
gott gehabt,  der  Herr  der  Delphine  ist  und  späterhin  (nicht  vor  dem  9.  Jahrb.) 
fischschwänzig  gebildet  wird.  Es  ist  jener  merkwürdige  Geselle,  der  auf  dem 
archaischen  Keller  von  Praisos  bekämpft  wird  und  seine  Gestalt  mit  dem  phi- 
listäischen  Dagon  teilt.  In  Hellas  heisst  er  entweder  einfach  der  Meergreis 
oder  er  führt  verschiedene  Namen :  bald  Glaukos,  bald  Enhalos,  bald  Proteus, 
Phorkys,  Nereus  oder  Olitos,  bald  Triton,  letzteres  an  der  tanagräischen  Küste. 
Von  ihm  ist  Amphitrite  wohl  kaum  zu  trennen ,  ebensowenig  aber  seine 
Tochter,  die  TQiioyereia  Athene,  deren  Name  ebenso  ungriechisch  ist,  wie 
der  ihres  Vaters.  Letzterer  weist  insofern  nach  Kreta,  als  das  seemächtige 
Knosos  auch  Trito  geheissen  haben  soll.  Endlich  verbirgt  sich  dieser  Gott  in 
der  Gestalt  des  mythischen  Tauchers  Skyllies,  der  nach  Herod.  8,  8  vor  der 
Sehlacht  beim  Artemision  von  Aphetai  nach  Artemision  hinübertauchte  ').  Er 
wird  kaum  mehr  Realität  besitzen,  als  jener  Heros  Echetlos,  der  bei  Marathon 
die  Perser  niederschlug  und  alsbald  verschwand.  Sein  Name  ist  nicht  von 
dem  der  Skylla  zu  trennen,  die  als  menschenraubendes  Meerungeheuer 
ebensogut  die  Fortsetzung  einer  alten  Göttin  ist,  wie  als  schöne  Königs- 
tochter. So  wenig  kann  sie  ihr  Verhältnis  zum  Meere  verleugnen,  dass 
sie  schwimmend  der  Flotte  des  geliebten  Minos  folgt.  Spätere  Erotik 
hat  daraus  die  widersinnige  Sage  gemacht,  Minos  habe  sich  ihrer  Liebe 
zwar  bedient,  um  Nisos  zu  stürzen,  habe  sie  aber  dann  zur  Strafe  im 
Meer  nachschleifen  lassen.  Die  seltsame  Todesart  verrät  nur,  welches  ihr 
eigentliches  Element  gewesen  ist.  Als  göttliches  Epitheton  hat  sich  der 
Name  nur  im  kretiscben  Gortyn  gehalten,  wo  Zeus  Skyllios  (nicht 
Skylios,  wie  man  oft  liest),  auf  dem  Skyllion  Oros  verehrt  wird,  das  wir 
uns  an  der  Küste  denken  können.  Seine  Funktionen  werden  die  gewesen 
sein,  die  mit  durchsichtigem  Namen  Zeno-Poseidon,  kariscli  0  sogo, 
in  Mylasa  versieht.  Das  alles  sollen  nur  Andeutungen  sein,  dass  jene 
Zeit  Gottheiten  des  Meeres  gekannt  hat,  die  die  zuwandernden  Indogernni- 
nen  bereits  vorfanden :  mit  welcher  Zähigkeit  sie  sich  an  Ort  und  Stelle 
gehalten  haben,  beweist  der  Umstand,  dass  der  Meergreis  noch  heute  in 
der  griechischen  Sage  lebt^). 

Man  hat  ihn  auch  schlechtweg   nach   seiner  Gestalt  den  Delphin  ge- 

1)  Vgl.  Hitzig-Blümner  zu  Paus.  10.  19.  1. 

2)  Vgl.  Bernh.  Schmidt,   Volksleben  der  Neugriechen  S.  135. 

15 


16  TF.  .-1/^, 

nannt,  denn  der  Portus  Delphini  (vgl.  P  IT  IV  2516),  wie  die  oben  bereits 
angeführte  Bucht  von  Portofino  an  der  Riviera  di  Levante  mit  antikem 
Namen  hiess,  enthält  ebensogut  wie  der  Portus  Veneris  (heute  Spezia) 
und  der  (PÖQy.vvoc,  At/irjv  auf  Ithaka  einen  Gottesnamen  in  sich,  nur  nicht 
etwa  Delphinius,  was  bei  dem  adjektivischen  Epitheton  kaum  zu  erklären 
wäre  ').  Auch  auf  das  AVesen  des  Delphingottes  lassen  diese  Parallelen  einen 
Schluss  zu.  Denn  Phorkys  ist  sicher  der  Name  eines  Meergottes,  und  Aphro- 
dite kann  nur  gemeint  sein  als  Iloinia  Ai/ieria,  die  Paus.  2.  34.  11  in  Her- 
mione  kennt,  oder  als  EiTcJ-oia.  deren  Tempel  im  Piräus  Paus.  1.  1.  3,  deren 
Kult  in  Mylasa,  Olbia  (Weihung  eines  Rhodiers)  und  Kilikien  die  In- 
schriften erweisen,  vgl.  PTFI  2773,  67  ^).  Die  Bucht  ist  jedesmal  als  Auf- 
enthalt des  Gottes  gedacht,  der  die  Seefahrenden  schützend  aufnimmt.  Bei 
allen  ist  die  Beziehung  zum  Meere  so  deutlich,  dass  es  höchst  wunderbar 
wäre,  wenn  der  echte  Delphinios,  bei  dem  diese  Beziehungen  durch  ver- 
schiedene Anzeichen  direkt  ausgeschlossen  sind,  zu  ihnen  gehörte. 

III. 

Vermutungsweise  und  in  der  festen  Ueberzeugung.  einen  vollen  Be- 
weis meiner  Behauptungen  noch  nicht  und  bei  der  Beschaffenheit  des  Ma- 
terials vielleicht  nie  geben  zu  können,  möchte  ich  endlich  meine  früheren 
Ausführungen  über  Gott  Delphinios  in  einem  Punkte  ergänzen.  Dass  das 
Heiligtum  an  ein  bestimmtes  Zeichen  gebunden  war,  glaube  ich  gezeigt 
zu  haben;  nur  war  an  keiner  der  zahlreichen  Kultstellen  deutlich,  welcher 
Art  dieses  Zeichen  gewesen  sei,  wie  man  ja  selbst  in  Athen  an  Ort  und 
Stelle  den  Sinn  des  UeQkfQayiiov  nicht  mehr  verstanden  hat.  Vielleicht 
kann  ims  der  Name  des  Gottes^)  weiter  führen. 

Ich  hatte  bereits  trühcr  die  delphische  Quelle  Delphussa  mit  der  bö- 
otisch-arkadischen  Tilphosa  zusammengebracht,  ohne  daran  zu  denken, 
dass  der  Drachin  von  Pytho  eine  ebenfalls  weibliche  Gottheit  an  der  bö- 
otischen   Quelle    entspricht,    die   nach   hyiiin.  Apoll.  375  ff.    von  ApoUon, 

1)  Vgl.  Buecheler-Windekilde,  latein.  DeMination,  Bonn  1879,  S.  71  £F.  So  bietet 
Plinius,  der  den  Portus  Delphini  nennt,  zwar  z.  B.  Fulvi,  Corneli,  Domiti,  Aesculapi, 
aber  Posidonü,  Pythii,  Olympii.  Sollte  trotzdem  der  Delpbinios  von  Massalia  mit- 
hineinspielen,  so  liegt  bier  -wiederum  die  zu  Anfang  angeführte  volksetymologische 
Umdeutung  vor.  —  2)  Limnesia  heisst  sie  bei  Serv.  aä  Aen.  I  720. 

3)  Die  grammatische  Sicherheit  Maltens  ist  nicht  über  jeden  Zweifel  erhaben. 
Um  Delphi,  Tilphosa  (mit  ungriecbiscbem  Suffix!)  und  Delphidios  mit  den  Delphinen 
unter  einen  Hut  zu  bringen,  soll  eine  Wurzel  delph-„  bohl'  bedeuten.  Gemeint  ist 
1/g°elbh  in  griech.  deXcfvg,  gall.  Galba  „Schmerbauch",  nhd.  Kalb,  skr.  gärbba,  eine 
Wurzel,  die,  wie  es  scheint,  ausschliesslich,  vom  schwangeren  Leibe  und  der  Leibes- 
frucht gebraucht  wird.  Davon  TfXcpovar],  Ti>.<pwaa.  6s?.novaa  in  Böotien,  Thessalien, 
Arkadien,  obgleich  der  anlautende  Labiovelar  im  Thesaalisch-Böotischen  durch  La- 
bial vertreten  wird  ?  Und  wo  kommt  die  Tenuis  her  ?  Und  Delphidios  in  Sparta 
kann  dann  doch  wohl  nur  , Bauchgott',  nicht  Delphinsgott  bedeuten?  Mit  dieser 
Methode  kann  man  alles  beweisen. 

16 


DelpJiinios.  17 

den  sie  vergebens  bat  lietrügon  wollen,  unterdrückt  wird.  Danach  wäre  es 
möglich,  dass  delph-  überhaupt  nur  eine  dialektische  Nebenform  zu  tilph- 
(aus  *dhilph?)  sei.  freilich  nicht  nach  den  Ge.setzen  der  «^riecliischen  Dia- 
lekte ;  aber  es  liegt  sehr  nah.  zu  vermuten,  dass  auch  die  Sprache  der  vor- 
griechischen Bevölkerung ,  der  ich  zuversichtlieh  Tilphosa  und  unbe- 
denklich mm  auch  Delphos  und  die  Minyer-Minos  zuweise,  dialektisch 
differenziert  gewesen  sei.  Dann  würde  sich  das  Bild  etwa  so  gestalten: 
Der  ganze  Süden  und  Osten  hat  das  fremde  Wort  in  der  Form  delph- 
übernommen,  der  Norden  und  Westen  dagegen  die  andere  Lautierung  bei- 
behalten mit  der  einen  Ausnahme,  dass  Delphussa  und  Delplivna  dem 
Namen  Delphoi  angeglichen  wurde,  der,  wie  der  anlautende  Labiovelar 
zeigt,  andern  Urspi-ungs  ist.  Die  gleiche  Verteilung  empfiehlt  das  Ge- 
schlecht der  Gottheit,  die  hier  weiblich,  dort  männlich  gedacht  wird. 

Unter  diesen  an  und  für  sich  möglichen  Voraussetzungen  ist  in  Athen 
und  Milet  wenigstens  weiter  zu  kommen,  wälirend  wir  von  Kreta  bei  dem 
gänzlichen  Mangel  an  einschlägigem  Material  vorläufig  leider  ganz  absehen 
müssen.  Beide  Städte  zeigen  in  ihrer  Siedlungsgeschichte  so  auifällige 
Analogien,  dass  es  sich  lohnt,  die  Schichtenhildnng,  die  in  Milet  so  klar 
ist,  auch  in  Athen  zu  verfolgen.  Mit  anderen  Worten:  Altmilet  lag  um 
das  Atheneheiligtum  am  Hafen,  die  ionische  Akropolis  unweit  daneben,  das 
Delphinion  neben  der  unbefestigten  Stadt  an  ein^m  durch  die  Natur  an- 
gewiesenen Platze.  In  Athen  ist  abgesehen  davon,  dass  es  von  vornherein  in 
viel  geringerem  Grade  als  Milet  Seestadt  ist,  das  Bild  im  wesentlichen  dasselbe. 

Die  Athener  hielten  sich  für  Autochthonen.  Dieser  Begriif  ist  hi- 
storisch nicht  ganz  so  unbrauchbar,  wie  man  gewöhnlich  annimmt.  AVenn 
daraus  auch  nichts  weiter  folgt,  als  dass  die  Bewohner  des  Landes  so 
hinge  dort  ansässig  waren,  dass  auch  nicht  der  fernste  Anklang  einer 
alten  Wandersage  existierte,  so  ist  das  doch  schon  etwas.  So  war  es 
also  in  Athen;  und  doch  hat  hier  ein  W'echsel,  wenn  nicht  der  Be- 
völkerung, so  doch  des  Glaubens  einmal  stattgefunden,  das  zeigt  der 
G  ö  1 1  e  r  k  a  m  p  f  ^)  a  u  f  d  e  r  B  u  r  g :  Athene  und  Poseidon  -)  haben  sich 

1)  Denselben  Schluss  hat  bereits  v.  Wilamowitz  Arisioteles  und  Athen  II  S.  37.  5 
gezogen,  besonders  unter  Hinweis  auf  die  Chronologie  der  Sage  bei  Euseb.  ad  a.  Abr. 
461  ff. ;  und  Dünimler  bei  PTT^II  1950.  42  hätte  das  nicht  so  rundweg  ablehnen  sollen. 
Nur  warum  W.  gerade  an  Pallene  als  Heimat  Athenes  denkt,  verstehe  ich  nicht. 

2)  Anders  stellt  sich  Hephäst,  der  Gott  der  ;ffpß.«frc  am  Dipylon  zu  Athene. 
Auch  er  scheint  zugewandert  zu  sein  (ich  denke  an  die  ,tyrrhenischen  Pelasger'  aus 
Lemnos,  wo  der  Kult  fest  ist.  und  an  die  merkwürdig  enge  Verbindung  Athens  mit 
dem  Norden  des  ägäischen  Meeres),  aber  als  Nichtgrieche,  als  Gott  eines  den  Ur- 
athenern  verwandten  Stammes,  wird  er  als  Gatte  Athenes  gedacht.  Freilich  verzerrt 
das  spätere  Dogma  von  der  Jungfräulichkeit  Athene  diese  alte  Götterehe  greulich ; 
Athene  als  Mutter  ist  nur  auf  Kreta  noch  nachweisbar,  vgl.  Strabo  10  p.  472:  Koqx- 
ßavTfQ  .  .  'A&r/väg  xai  'Hi.iov  Tialötg  in  Hierapytna.  Das  ist  dieselbe  Göttin,  der  fol- 
gende Weihung  dargebracht  wird  C.  B.  5145  A  (aus  Kreta,  Gegend  von  Phaistos):  vjieQ 
zcxvtav  'Al^avä  j:auu)riK  evyäv.  dieselbe  wahrscheinlich,  die  Apollonios  der  Rhodier  IV 

Klio,  Beiträge  zur  alten  Geschichte  XU.  2 

17 


18  H'.  AJii. 

einst  den  Platz  streitig  gemacht  und.  muss  ich  hinzusetzen.  Athene  siegt: 
also  ist  Poseidon  als  Erechtheus  der  ältere  auf  der  Burg  von  Athen.  Der 
griechische  Gott,  denn  sowohl  Erechtheus  wie  Poseidon  sind  gut  grie- 
chische Worte'),  ist  dort  auf  dem  Berg  alteingesessen,  weil  es  Griechen 
waren,  die  Burgen  bauten.  Es  ist  derselbe  Gott,  der  in  lonien  der  Herr 
des  Paniünions  wird,  natürlich  nicht  Poseidon  als  Meeresgott,  wie  er  sich 
erst  verhältnismässig  spät  herausgebildet  haben  kann,  sondern  Poseidon, 
der  Er  der  schütterer^)  oder,  ^vie  er  eben  in  Athen  heisst.  der  Erech- 
theus oder  E  r  i  c  h  t  h  o  n  i  o  s. 

Es  wäre  übereilt,  zu  glauben,  die  Verehrer  der  neuen  Göttin  seien 
notwendig  so  wie  diese  zugewandert.  Xur  die  Rezeption  ihres  Kultes  in 
der  Polis.  wie  Thukydides  und  die  Inschriften  die  Burg  nennen,  kann  im 
Götterkampf  symbolisiert  sein ;  und  schon  der  veränderte  Typus  beider 
Götter  zeigt,  dass  diese  nicht  sehr  alt  sein  kann.  Poseidon  ist  bereits  der 
Meeresgott  geworden,  und  die  blauäugige  Tochter  Tritons  ^),  des  alten  Meeres- 
gottes, hat  dieselbe  Wandlung^)  durchgemacht,  wie  ihre  Verehrer,  deren 
binnenländiseher  Sitz  aus  den  Untertanen  weiland  König  Minos'  ein  Bauem- 
volk  geschaffen  hat.  So  erscheint  Athene  auf  der  Bui-g  als  Schützerin 
des  Oelbaumes  ^).  des  Kulturgewächses,  dessen  Anbau  eine  jahrzehntelange 
Pflege  voraussetzt  und  so  das  Kennzeichen  einer  autochthonen  Kultur  wird. 
Dieser  Wandel  ging  vor  sich,  während  die  lonier.  wie  ich  jetzt  wohl  sagen 
darf,  auf  der  Burg,  die  älteren  Insassen  in  der  Ebene  nebeneinander  her 
lebten,  so  etwa,  wie  wir  heute  in  Smyrna  das  Juden-,  Türken-,  Griechen- 
1691  ausdrücklich  MirwU  nennt.  Die  Sage,  die  Erichthouios  (wohl  'E^f/ß-6v-tOi)  als 
Sohn  von  Hephäst  und  Athene  kennt  (Apo)lodor  3.  14.  6),  setzt  bereits  die  Verschmel- 
zung der  Berg-  und  Talgemeinde  voraus. 

1)  Sein  Beiname  ist  \iaiffU.fioi:,  vgl.  Wide.  Lakon.  Kulte  S.  .36  .Gott  der  festen 
Erde",  Gruppe,  Handhucli  der  griech.  Mtiihohujie  München  1906.  S,  1157.  Danach  ist 
die  Inschrift  aus  Polyrrhen  JHSi.  16,  178  nr.  "2  zu  korrigieren,  wo  der  Herausgeber 
fälschlich  [z/iöc]  ergänzt,  Erechtheus  von  iofydiu  „ zerreissen "  vgl.  Prellwitz.  Etymol. 
Lexikon-  S.  1.55,  Tloi-fiSaptov  der  Gott  des  Erdbebens,  vgl.  Fick-Beclitel.  Griech.  Per- 
»onetmamen,  Göttingen  1894,  S.  461/2. 

2)  Als  solcher  besonders  auf  Kreta  gut  zu  erkennen,  wo  seine  Kultstätten  mit 
Vorliebe  im  Innern  des  Landes  liegen,  so  das  eben  genannte  Polyrrhen,  so  Rhaukos 
vgl.  die  Münzen  bei  Svoronos  Kumisniaiiqiie  de  la  Crele,  Macon  1890  Taf,  29,  6  ff.,  so 
Vasos,  vgL  C.B.  5126  B. 

3)  Ich  glaube  allerdings  kaum,  dass  Athene  jemals  eigentliche  Göttin  des  Meeres 
gewesen  ist.  Es  bat  den  Anschein,  als  wenn  sie  als  mütterliche  Gottheit  eines  see- 
fahrenden Volkes  mit  dem  Herrn  des  Meeres  verknüpft  worden  sei.  Merkwürdig  je- 
doch sind  die  Beziehungen,  an  die  Dümmler  PW  II  1994.  53  erinnert:  , Einen  Rest 
ehemaliger  Vogelgestalt  oder  wenigstens  der  Fähigkeit,  solche  anzunehmen,  wie  sie 
in  Hellas  vornehmlich  den  Wasserdämonen  .  .  .  eignet,  .  .  .  könnte  man  versucht 
sein,  in  der  megarischen  A.  .\,ithyia  zu  erblicken," 

4)  Für  ihre  spätere  Geburt  aus  Zeus"  Haupt  vgl,  PW  II  1989. 

5)  Man  denke  an  den  kretischen  Baumkult,  Die  Pflege  der  /loolai  und  der  Kult 
des  Zeus  Morios  erinnern  sehr  stark  daran.  Letzterer  wird  von  schol.  Soph.  Oid. 
Kol.  705  mit  Zeus  Kataibates  zusammengebracht,  der  am  Delphinion  wiederkehrt, 

18 


Tkipliiilios.  19 

und  Frankenviertel  säuberlich  nebeneinander  finden,  wir  in  lioni  die  Ge- 
meinde vom  Quirinal  neben  der  des  Palatin  gesessen  bat,  und  wie  es  ge- 
raume Zeit  auch  in  Milet  gewesen  ist.  Als  dann  ein  Ausgleich  stattfand, 
hat  in  lonien  das  griechische  Element  in  höherem  Grade  die  Oberhand 
behalten  als  in  Athen ;  das  beweist  eben  der  Einzug  Athenos  auf  der  Burg '). 

Eine  letzte  Frage  bleibt  noch  zu  beantworten.  Wo  hat  jenes  von 
mir  nicht  vorausgesetzte,  sondern  durch  die  Kultustatsachen  geforderte 
Urathen  gelegen?  Schauen  wir  uns  unter  den  benachbarten  Demen  um, 
so  trage  ich  kein  Bedenken,  des  Namens  halber  Kydathen')  dafür  in 
Anspruch  zu  nehmen,  mag  es  gelegen  haben,  wo  es  will.  Denn  dass  Ky- 
dathen  in  der  Urgeschichte  der  Stadt  eine  Holle  gespielt  hat,  haben  selbst 
die  nicht  bezweifelt,  die  es  im  Norden  der  Burg  gesucht  haben. 

Unzweifelhaft  fest  steht  Folgendes :  Die  uralte  Gemeinde  mit  dem 
Dionysion  im  Sumpfe,  dem  Stadtbrunnen  Enneakrunos  und  dem  alten 
Markte  als  Zentrum,  die  sich  als  Unterstadt  vor  den  Eingang  der  Burg 
gelegt  hat,  ist  es  nicht;  die  hiess  Kollytos,  und  Melite  grenzte  so  daran, 
dass  man  auf  der  verbindenden  Bazarstrasse  die  Grenze  nicht  konstatieren 
konnte.  Das  Grenzviertel  war  belebt,  aber  nach  Art  der  Altstadt  schlecht 
gebaut.  So  bleibt  also  der  Norden,  Osten  und  Süden  für  Kydathen  übrig. 
Wenn  Judeich  in  seiner  Topoijraphie  von  Athen  S.  159  sagt,  der  Name 
Ehrenathen  lasse  vermuten,  dass  er  den  Mittelpunkt  der  Stadt,  die 
Burg  mit  ihren  Abhängen  umfasste,  so  ist  das  nicht  ganz  richtig.  Denn 
erstens  möchte  ich  aus  dem  speziellen  Namen  der  Polis  den  Schluss 
ziehen,  dass  sie  als  typischer  Gegensatz  der  Demen  unmöglich  zu  einem 
solchen  gehört  haben  kann ;  die  Stadt  kann  zwar  mehrere  Dorfgemeinden 
umschliessen,  das  Dorf  aber  keine  Stadt;  zweitens  heisst  Kydathen  nicht 
so,  wie  man  es  gewöhnlich  übersetzt;  denn  an  der  einzigen  Stelle,  wo 
es  im  Verse  erscheint,  Wespen  895  und  902  ist  das  y  kurz ;  die  Verse  heissen : 
itixav  Kvöa&tjvaievg  Adßi]T'  Aigcovia 
und  710V  ö'  ö  öiMXCJV  ö  Kvöad'ijfaiEvg  xvcov; 
wo  wir  zu  Anfang  des  Verses,  wenn  wir  nicht  mit  Meineke  das  nov  ver- 
doppeln, jenen  Choriambus  anerkennen  dürfen,  den  Aeschylus,  Sophokles 
und  Herondas  gelegentlich  zu  Anfang  des  Trimeters  haben.  Ist  das  y 
aber  kurz,  so  darf  man  den  Namen  mit  der'  Wurzel  y.vö  nicht  unmittel- 
bar zusammenbringen.  Will  man  etymologisieren,  so  darf  man  nur  xt5doc, 
xvöd^cü,  xvöÜTrco  heranziehen,  die  etwa  Schelten  bedeuten  und  ein  nicht 
erhaltenes  *icvöa^  „einer  der  zum  Schelten  neigt"  voraussetzen.  Zur  Be- 
deutung und  Verbreitung  vergl.  (h  Aeschi/U  copia  rerh.  p.   102.    Dass  die 

1)  Der  helikonische  Poseidon  ist  für  Athen  auf  dem  Ardettos  nachweisbar,  vgl. 
Judeich  S.  42.  5 ;  Athene  und  Poseidon  werden  auf  dem  Kolonos  Hippios  verehrt 
(schol.  Oid.  EoL  74). 

2)  Nur  eins  könnte  man  in  der  Beweisführung  vermissen,  ein  altes  Athenaheilig- 
tum  in  Kydathen.  War  es  etwa  das  der  Athena  Itonia.  das  man  aus  dem  Itoiii- 
schen  Tor  in  der  Nähe  des  Delphinions  erschlossen  hat  V 

19 


20  TF.  Aly, 

Bildung  mit  c  nicht  attisch  sei.  möchte  ich  aiuh  jetzt  noch  aufrecht 
halten :  dagegen  ist  es  doch  wohl  wahrscheinlich,  wenn  auch  nicht  absolut 
sicher,  dass  diejenige  mit  tt  dem  attisch-höotischen  Kreise  angehört. 
Also  von  Eiirenathen  kann  keine  Rede  sein ;  selbst  für  den  Fall,  dass  y.vö 
und  xvö  nur  verschiedene  Stufen  einer  Wurzel  neutraler  Bedeutung  „spre- 
chen von  jemand  in  gutem  oder  schlechten  Sinne"  sein  sollten,  sind  die 
Kydathener  doch  die  S  c  h  e  1 1  a  t  h  e  n  e  r ;  oder  hat  sich  Aristophanes  durch 
willkürliche  Verkürzung  der  ersten  Silbe  einen  besonderen  Scherz  erlaubt? 
Ich  glaube  es  nicht,  trotzdem  er  gerade  seinen  Liebling  Kleou  meint,  weil 
die  Bedeutung  des  Wortes  wohl  kaum  zum  Bewusstsein  des  Hörers  ge- 
kommen wäre.  Wenn  aber  bereits  ein  antiker  Gelehrter  bei  Hesycb  er- 
klärt: K.  i'rSoiOQ   'Ad'7]raiog,  so  beweist  das  für  ältere  Zeit  nichts. 

Schwieriger  ist  es.  sich  über  die  Lage  des  Demos,  von  dem  wir  nur  wissen, 
dass  er  in  der  Stadt')  gelegen  hat,  zu  entscheiden;  früher  hat  man  ihn, 
wohl  auf  Grund  von  Thuk.  II  15.  im  Süden  der  Burg  angenommen,  wäh- 
rend Judeich.  der  infolge  seiner  Ansetziing  von  Diomeia  und  Ankyle  Kol- 
Ij'tos  bis  zum  Ilisos  und  zum  Olympieion  hinziehen  muss,  für  Kydathen, 
dessen  Gerber  doch  Wasser  brauchten,  nur  den  Korden  übrig  behält,  da 
aber  bis  zum  Eridanos  gehen  muss  und  infolgedessen  Skambonidai  etwas 
sehr  stark  nach  Norden  abdrängt,  obgleich  es  nach  S.  160  unmittelbar 
nördlich  der  Burg  liegi. 

Zweierlei  darf  man  heutzutage  für  die  Lokalisierung  der  städtischen 
Demen  voraussetzen,  den  lokalen  Zusammenhang  der  einzelnen  Trittys  und 
das  Vorhandensein  einer  auf  tatsächlicher  Nachbarschaft  beruhender  Reihen- 
folge der  Phylen.  Dabei  ist  noch  nicht  beachtet,  dass  die  1.,  2.  vmd  3. 
Phyle  imd  auch  nur  diese  nach  Lage  ihrer  Kultzentren  am  Fusse  der  Burg  ge- 
legen haben  müssen,  ich  meine  die  Erechtheis  mit  dem  Erechtheion.  die  Aigeis 
mit  dem  Aigeu.sgrab ')  und  die  Pandionis  mit  dem  Heiligtum  des  Pan- 
dion  ^)  auf  der  Burg.  Da  nun  die  Zählung  der  4. — 7.  und  8. —  10.  Phyle 
im  entgegengesetzten  Sinne  des  Uhrzeigers  läuft  und  die  Aigeis  durch  Kol- 
lytos  im  Westen  festgelegt  ist.  so  kann  die  Erechtheis  nur  nördlich 
der  Pandionis*),  der  Kydathen  angehört,  gesucht  werden. 

Der  Plan  bei  Judeich  S.  160  bietet  noch  zwei  Schwierigkeiten:  man 
fragt  sich  vergebens,  weshalb  die  Zählung  gerade  bei  dem  Vorstadt-Demos 
Agryle  beginnt,  und  die  Ansetzung  von  Diomeia  jenseits  des  Ilisos  ist 
nicht  weniger  unwahrscheinlich.  Die  Trittys  der  ersten  Phyle,  deren  übrige 
Demen  wir  nicht   kennen,    muss   sich    wohl    sehr    energisch    in   die  Stadt 


1)  Hesych:    KvdnS)jrcäo:'  d'7.«o;  tj/c  {a)(fvXr/g   xT/s  tlccvöioriSos   iv  aaxfi,    Kvöaf^or 
6/Aoiaiq. 

2)  Jahn-Michaelis,  Arx  Athomrum  tab.  XVII  h..  p.  44. 

3)  Ebenda  p.  86  s.  v.   Tlctvdiwv ;   Lage   unbekannt,    aber   wahrscheinlich    entspre- 
chend der  Lage  der  Pandionis  auf  der  Südseite  des  Parthenon. 

4)  Die  Stellen  dazu  bei  Judeich  S.  158;  dazu  S.  372  über  das  K_ynosarges,  S,  365 
über  das  Lj'keion,  S.  374.  14  über  Pausanias. 

20 


Ddphhüos. 


21 


hinein  erstreckt  uml  dort  irj^en'!  einen  wichtigen  l'unkt  uinfasst  haben, 
der  es  gerechtfertigt  erscheinen  liess,  die  Zählung  mit  ihr  zn  beginnen, 
etwa  das  Prytaneion.  Wir  müssen  uns  die  10  städtischen  Trittyen  spei- 
chenförmig um  einen  gewissen  Mittelpunkt  herum  gruppiert  denken,  an 
den  sie  freilich  aus  naheliegenden  Gründen  nicht  alle  unmittelbar  iieran- 
reichen  konnten.  Das  wird  der  Zentralmeilenstein,  der  Z  w  ü  1  f- 
g  ö  1 1  e  r  a  1 1  ar  (nach  Herod.  11  7)  in  der  Südwestecke  ')  des  neuen  Marktes 
gewesen  sein,  mit  dessen  Gründung  l'eisistratos  den  Plan  der  Stadter- 
weiterung nach  Nordosten  begonnen  hat. 


So  nehme  ich  an,  dass  der  Norden  der  Burg  einem  unbekannten  De- 
mos der  Erechtheis  gehörte ;  denn  die  erste  Phjle  muss  bis  ins  Zentrum 
der  Stadt  gereicht  haben.  Diomeia  wird  von  Judeich  S.  158  gegen  die 
geltende  Ansicht  richtig  in  den  Süden  der  Stadt  verlegt,  doch  schliesst 
m.  E.  der  Pausaniasgiro  die  Ansetzung  jenseits  des  Ilisos  aus.  Man  kann 
den  Weg  des  antiken  Bädeker  1.  19.  1  etwa  mit  folgenden  Stich  Worten 
kennzeichnen  ^) :    „  Nach  dem  Tempel   des  olympischen  Zeus   in   der  Nähe 

1)  Robert,  Pausanias  (Berlin  1909)  S.  330. 

2)  Hhzä  äs  rov  vubv  xov  Jibq  tov  ''OXvfinlov  nhplov  aytO.fxd  iativ  ' Anö>.>.u>rog 
Ilvdiov.  sszi  6e  y.al  aV.o  lufbv  ' AnoV.wvoq  inixhiaiv  Athptviov  .  .  .  it;  <Jt  tö  -/wqIov  ö 
Ki^novg  ovoßä^ovai  .  .  .  iazi  dt-  ' H(iax?.tovg  u()bv  xai.oi/itfvnv  Kvvoanpyfg  .  .  .  .li'xetov 
ÖS  .  .  .  saxi   ÖS   uJuaD-sv   xov    Avxsiov  Ntaov   /ivr/fia  .  .  .  nota.uoi  äs  ' Ai^r/vuioti;   Qhovoiv 

D.iaöq  TS  xal   'Hi)iäcivög  .  .  .  äslxvviai  äs  xai  »itci  Tls'/.OTiovvijatoi  KoSqov  xov  MshivSov 


21 


22  W.  All/. 

das  Bild  des  pythischen  Apollon.  Es  gibt  noch  ein  anderes  Heiligtum  des 
Apollon  mit  Beinamen  Delphinios ...  die  sog.  Gärten  . .  .  das  Herakle.sheilig- 
tum,  das  Kynosarges  heisst  (derselbe  Weg  wird  im  Axiochos  geschildert)  .  .  . 
das  Lykeion  .  .  .  hinter  dem  Lykeion  das  Grab  des  Nisos  .  .  .  Flüsse  gibt 
es  in  Athen  den  Ilisos  und  Eridanos  .  .  .  Grab  des  Kodros.  Wenn  man 
den  Ilisos  überschreitet  ...  Artemistempel  .  .  .  Stadion  ...  es 
gibt  aber  auch  eine  Strasse  vom  Prytaneion.  die  rginodec,  heisst  ..." 
Daraus  folgt  meiner  Ansicht  nach  notwendig,  dass,  wenn  Pausanias  die 
TJeberschreitung  des  Ilisos  so  ausdrücklich  nennt,  er  ihn  vorher  nicht 
überschritten  hat,  sondern  vom  Delphinion  aus  erst  das  rechte  Ufer  ab- 
wärts bis  zum  K}Tiosarges,  dann  aufwärts  bis  zum  Lykeion,  dann  den 
Ilisos  an  der  Uebergangsstelle  und  endlich  das  linke  Ufer  beschreibt. 
Dann  beginnt  er  seinen  Giro  von  neuem  am  Prytaneion.  Wir  gewinnen 
dadurch  die  Möglichkeit,  all  die  in  Betracht  kommenden  Punkte,  Diomeia, 
Kynosarges,  Grab  des  Anchimolos  und  des  Isoki-ates  befriedigender  an- 
setzen zu  können,  als  es  Judeich  gelungen  ist. 

So  reicht  also  Kollytos  nicht  über  die  Linie  Akropolis-Philopappos 
hinaus.  Südlieh  schliesst  sich  zwischen  Mauer  und  Ilisos  unmittelbar  vor 
dem  diomeischen  Thore  Diomeia  an;  jenseits  des  Baches  folgt  Ankyle. 
Dann  lag  das  Kynosarges,  dessen  strategische  Bedeutung  schon  Judeich 
betont,  an  dem  südwestlichen  Vorsprunge  des  Pnyxgcbirges  da,  wo  man 
den  freien  Blick  bis  zur  Bucht  des  Phaleron  hat,  und  das  Grab  des  Iso- 
krates  in  der  Niederung,  die  zum  melitischen  Thor  hinaufführt.  Dort  gibt 
es  tatsächlich  einen  „Hügel  zur  Linken",  an  dem  es  nach  der  Ueberlieferung 
gelegen  hat^).  Unterhalb  des  Kynosarges  folgte  auf  der  Grenze  gegen 
Alopeke  das  Grab  des  Anchimolos,  das  Herodot  V  63  mit  der  etwa  dort 
beginnenden  phalerischen  Ebene  in  Verbindung  nennt. 

Es  liegen  also  im  Umkreise  der  Burg  die  Trittyen  der  ersten,  zweiten 
und  dritten  Phyle,  die  erste  im  Norden  und  Westen,  die  zweite  im  Osten 
und  Südosten ;  so  bleibt  für  die  dritte  nur  der  Süden,  eine  Lage,  die  noch 
dazu  den  Vorzug  gewährt,  dass  sie  uns  Platz  lässt,  weitere  Demen 
der  Trittys  zwischen  Ankyle  und  Agryle  anzusetzen.  Wenn  ich  dabei  mit 
Kydathen  wieder  auf  die  alte  Stelle  zurückgekommen  bin,  wo  man  es 
immer  vermutet  hat.  so  ist  das  völlig  unbeabsichtigt  geschehen,  so  brauch- 
bar auch  das  Resultat  in  anderer  Beziehung  ist;  es  sind  nur  aus  den 
deutlich  erkennbaren  Prinzipien  der  kleisthenischen  Phylenordnung  die 
Konsequenzen  gezogen,  sodass  das  Resultat  weder  von  Thukydides  noch 
von  der  gleiclizunennenden  Schuchardt'schen  Hypothese  oder  religionsge- 
schichtlichen Spekulationen  beeinflusst  ist. 


ßaaO.tvovta   'A&rjvalwv   xzfivovat.     Aiaßäat  öl   ruv  'Ihahv  .  .   ritbc  \4{)rf',«(t(oc  .  .  . 
aräiiov  .  .  .  dazi  Si  ö6og  anb  rov  Upviaveiov  xa>.ov/iiv>j  r^lnoöfs  ■  ■  ■ 

1)  Vgl.  Judeich  a.  a.  0.  S.  361  nach  Plutarch,  10  Bdn.  p.  838  B  (V  18  Bernad.) 
izäipti  6i  n'/.tjaiov  Kvvoaägyovq  inl  jov  }.o(pov  tv  npiazfpä. 

22 


Delphinios.  23 

Idi  habe  auf  eine  Nebenfrage  so  •:fenau  einteilen  müssen,  um  einen 
wichtigen  Punkt  der  Stadtgeschichte  ohne  Voreingenommenheit  zu  fixieren. 
Erst  jetzt  dürfen  wir  an  weitere  Zeugnisse  lierantreten.  die  für  sich 
vieldeutig,  nur  vereinigt  ein  erkennbares  Bild  geben :  ich  meine  die  be- 
rüchtigte Thukvdidesstelle  II  l.'>,  die  Heiligtümer  vom  Asklepieion  bis  zum 
Olympieion.  die  Schuchardt'sclie  Hypothese  u.  a.  m.  Letzterer  M  hat  im 
Anschluss  an  die  Herausbildung  der  deutsehen  Siedelung  aus  dem  Bauern- 
hof eine  ähnliche  Entwicklung  für  Hellas  angenommen.  Geleitet  durch 
eine  nicht  unbedingt  zuverlässige  Tradition,  dass  das  Haus  des  Aigeus 
unten  am  Ilisos  gelegen  habe,  glaubte  er  hierin  eine  Erinnerung  an  den 
ältesten  Hof  dort  in  der  Nähe  der  Gärten  sehen  zu  dürfen.  Mag  auch 
hinter  den  Alyeoig  nvlai  etwas  anderes  stecken  (aber  selbst  als  Stadttor 
konnte  es  den  Namen  des  alten  Hofbauem  bewahren),  so  haben  doch 
Fluss  und  Feld  die  richtige  Stelle  bewiesen.  Diejenigen,  die  sich  zuerst 
Athener  nannten  und  später  den  oben  erwähnten,  wenig  ehrenvollen  Spitz- 
namen der  Kydathener  erhielten,  haben  hier  unter  der  Burg  am  Ilisos 
gesessen,  da  wo  die  Quelle  Kallirrhoe  ihnen  als  Dorfbrunnen  dienen  konnte. 
Dass  wir  uns  letztere  darum  nicht  als  Mittelpunkt  der  Siedelung  zu  denken 
brauchen,  beweisen  die  zahlreichen  Darstellungen  der  Troilossage.  die  Troilos 
auf  dem  Wege  ausserhalb  der  Stadt  zeigen.  Auch  Thebens  Dirke  lag  am 
Rande,  die  Arethusa  von  Chalkis  {FW  IM  2079)  ausserhalb  der  Stadt.  Wann 
das  gewesen  ist,  entzieht  sich  völlig  unserer  Kenntnis,  da  wir  in  mykeni- 
scher  Zeit  die  Burg  bereits  besiedelt  finden.  Diese  ist  jedoch  von  Ilisos 
aus  nie  zugänglich  gewesen,  sodass  ihre  Besiedlung  von  dort  aus  nicht 
erfolgt  sein  kann. 

Nachgetragen  sei  eine  Notiz,  die  das  Gesagte  zu  bestätigen  scheint. 
Haben  wir  das  älteste  Athen  mit  Recht  einer  nichtgriechischen  Bevölke- 
iimg  zugesprochen,  so  müssen  Beziehungen  zu  Kreta  vorhanden  sein,  wie 
sie  sich  in  den  Geschichten  von  König  Minos  niedergeschlagen  haben.  Von 
den  wenigen  Spuren,  die  gerade  in  Athen  lokalisiert  sind,  befindet  sich 
das  Grab  des  Kalos,  der  trotz  der  singulären  Lautveränderung  dem  kreti- 
schen Talos  entspricht,  auf  der  Südseite  der  Burg  in  der  Gegend  des 
grossen  Theaters.  Von  den  Kulten  der  alten  Gemeinde  scheinen  sich  einige 
an  Ort  und  Stelle  gehalten  zu  haben,  als  die  Gegend  schon  längst  an  den 
Rand  der  Stadt  gerückt  war.  Welche  Gottheiten  freilich  sich  insbesondere 
durch  ihren  Namen  als  Barbaren  verraten,  ist  nicht  leicht  zu  sagen.  Von 
Kodros  sagt  das  Strabo  321^)  ausdrücklich,    von  Kronos    wage  ich 

1)   Verh.  der  49.  Philologenvers.  L.  1908,  S.  .36. 

21  'Exax  alo  s  fiiv  ovy  6  Mth'iaioe  Tti^l  Tr,g  TJfÄOTiovvr'jOOV  (fija'iv,  on  ngo  tCov 
'EU.ijvtav  wxr,aav  uvtIjv  BäoßtiQOt.  ^/fdov  dh  xal  t/  avfinaaa  ''  EV.ni;  xatoixi'a  BaQßagwv 
vnTiQ^t  To  na}.aiov  An  avtSiv  ).oyitoftti'oi(;  Tüiv  fiitj/joi'fvo/Aivwv '  Tlilonoi  fiev  ix  xTff 
4>Qvyittq  inayoftivov  P.«6v  il<;  xf/V  nn  avxoO  xh)SHauv  Ile).onövvtjaov,  Javaov  de  i§ 
AlyvTixov,  AQvdntov  xe  xal  Kavxwvwv  xal  Ihf.nayibv  xal  Ac>.sy(uv  xal  äiJ.wv  xoiovxmv, 
xaxavsiixaniviov  xa  ivxdg  'la9ftov,  xal  xä  ixxbq  6L    xfjv  /jhv  yag  'Axxixfjv  oi  fiixa  Et- 

23 


24  W.  Äh/, 

niclits  zu  liehaupteu,  obwohl  sein  Kult  durchaus  kleinasiatischen  Typus 
zeigt;  Deukalion  <rehört  sicher  nicht  her,  aber  sein  Grab  schliesst  sich 
eng  an  den  Erdspalt  der  Ge  an,  deren  Kultname  verloren  ist.  Desto  zu- 
versichtlicher möchte  ich  jetzt  das  Delphinion  aus  diesen  Zusammenhängen 
heraus  erklären,  zumal  nach  dem,  was  vorher  über  Delphi  bemerkt  wurde, 
möglicherweise  ein  Zusammenhang  zwischen  ihm  und  der  Quelle  KaliiThoe 
angenommen  werden  darf,  die  einstmals  Stadtbrunuen  gewesen  war  und 
im  Kultus  noch  immer  eine  Rolle  spielte,  vgl.  Thuk.  II  15  ').  War  etwa 
das  jifo'KfQuy.iov  ein  Laufbrunnen,  in  den  Aigeus  das  Gift  schüttete,  um 
es  zu  beseitigen  V  Während  ich  die  Ansetzung  von  Altatheu  mit  seinen 
Kulten  für  sicher  halte,  dürfte  hier  vorsichtigste  Zurückhaltung  des  Ur- 
teils am  Platze  sein. 

Zum  Schluss  nur  wenige  Worte  über  Thukydides  -),  der  nur  eine 
einzige  Voraussetzung  zum  Verständnis  erfordert;  er  verquickt  das  durch 
Kydathen  repräsentierte  Urathen  mit  der  ionischen  Burg  und  der  vor- 
pisistratischen  Unterstadt  KoUytos  und  setzt  es  im  Gegensatz  zu  der 
Neustadt  am  Neumarkt.  Von  seinem  Standpunkt  aus  hat  Thukydides 
ganz  recht;  insbesondere  der  Name  des  Demos  Kydathen  wird  ihn  zu 
seiner  Hypothese  geführt  haben,  den  Südosten  mit  dem  Südwesten  zu  ver- 
binden. Sondern  wir  darin  die  beiden  Schichten,  wie  oben  geschehen,  so 
ergibt  sich  ein  Bild  der  athenischen  Urgeschichte,  das  die  Erscheinungen 
der  historischen  Zeit  hinreichend  erklärt. 

Sollte  sich  der  Zusammenhang  des  Delphinios  mit  dem  Stadtbrunnen 
bestätigen,  so  wäre  das  ein  Gedanke,  der  sich  wohl  auf  Milet  anwenden 
lässt,  um  die  Lokalisation  des  dortigen  Heiligtums  zu  verstehen.     Natür- 

HÖXnov  OpKxig  ta/ov  tTjq  Sh  4'(oxlöoq  xljV  Javcildn  Tijqsvq  '  ri/v  6s  I{ad,ue!((y  o!  /^fr« 
Käönov  <Poirixfg'  ai-r^iv  <Jf  zifV  Boiwtiav  I^oi'f?  aal  Ttfifiixsg  xal  YnvTfQ.  tu?  6h  niv6ap6i; 
<prjoiV  'Hv  i'/ts  vag  Boiüiztov  s&vog  h'enov.  Kai  imö  tibv  uvoudrojv  6'e  ivlior  ro  ßä^ßa- 
^ov  fß(palvfTC!i  KixQOV!   xal  Kö6^og  xal  Aixi.oq  xal  Kö9og  xal  J()i\uaQ  xal  KqhovÖc- 

1)  Stammte  vielleicht  die  Gesundheit  spendende  Kraft  des  Delphinios  (vgl.  IG  IH 
138)  aus  der  Quelle  als  Heilquelle?  Man  würde  dann  die  Nachbarschaft  des  As- 
klepios  in  Milet  verstehen.  Ebenso  könnte  seine  Beziehung  zum  Geschlechtsleben 
(vgl.  Kret.  Ap.  S.  32  f.)  eine  Erklärung  dafür  abgeben,  warum  man  nach  Thukydides 
das  Wasser  der  Kallirhoe  später  noch  gerade  zu  Hochzeitsbräuchen  verwendete. 

2)  Tö  jipö  TOi'tov  ij  nxQÖnohq  ij  i'iv  ovaa  nöXiq  i^r  xal  z  b  vTi  avz  1/  r  n  p  6  c 
V ÖT o  V  ixahaxa  ttxQafißsvov "  zexßr/Qiov  6s "  T«  yäp  Isffä  iv  avifj  zjj  h.xQonö).fi  xal 
aU.wv  öfüjv  iazi  xal  zä  s^o  nQog  zovzo  zu  nSQOq  zT/g  nölttog  fiäl?.ov  'i6(>vTai,  z  6  z  s 
zov  dibg  zov  'OXv  fXTil  o  V  xal  z  b  IIv  9  lov  xal  zb  i  Tj  g  r  y  g  xal  zb  iv 
Xi/xvaic  dioviaov.  q  zä  agyaiötepa  Jiovvaia  z^  6w6sxäz^  noiilzai  iv  fitjvl  \4v- 
&€azti(>iü)vc  loaTifQ  xal  oi  ein'  'A3->jvai(ov  "Itovsg  szt  xnl  vvv  i'OfttZovotv.  'idgvzui  6's  xal 
aX/.a  (ap«  z  a  i  z  ?j  lipyata.  Kai  zjj  XQi'jVtj  zy  vvv  ,«sv  zvov  zvQavvwv  oviio  axfva- 
aitvxaiv  'Ei'vsaxpovviu  xa/.ovßsi'ij,  zb  6h  naXai  (pave(>ibv  zü>v  nr/yöiv  ovaütv  Ka).- 
XiQQÖ7j  wvofiaofiiv^  ixslvoi  zs  iyyvg  ovay  za  nXtlazov  a^ia  ixQÖ>yzo  xal  vvv 
tu  aito  zov  ä^yalov  tcqö  zs  ya^iixwv  xal  ig  a).'f.a  züjv  Is^üjv  roftiXszat  zw  v6azi  yjjTfi- 
ftai.  xalslzai  6h  6ta  ziiv  nclaiär  zuvztj  xraolxijaiv  xal  ij  äxQonohg  ßiyQi  zov6f  szt 
VTi"  'A^tjvaiwv  nö'/.ig. 

24 


Delphinios.  25 

lit-ii  wird  man  heute  in  dem  völlig  veränderten  Boden  wenig  mehr  davon 
erkennen  können ;  iiber  wozu  sollte  sonst  das  runde  tiefe  Marmorbassin 
von  2  Meter  Durchmesser,  das  noch  heute  im  Delphinion  liegt,  gedient 
haben,  wenn  nicht  zu  irgend  einer  Brunnenanlage  *).  Von  befreundeter 
Seite  werde  ich  dai-an  erinnert,  dass  auch  der  Rundbau  in  der  Mitte  eine 
ähnliehe  Bestimmung  gehabt  haben  kann ;  doch  darüber  lässt  sich  vom 
Schreibtisch  aus  nichts  sagen. 

Ich  fasse  zusammen :  Wir  können  heutzutage  die  Frühzeit  der  Helle- 
neu in  Hellas  nicht,  mehr  verstehen,  ohne  in  weitestem  Umfange  auf  die 
Bevölkerung  Rücksicht  zu  nehmen,  die  vor  ihnen  dort  gesessen  hat  und 
nicht  verdrängt,  sondern  aufgesogen  ist,  so  dass  wir  ihre  Spuren  allent- 
halben innerhalb  der  griechischen  Welt  erkennen  können.  Das  zeigen  uns 
die  Stadtgeschichten  von  Athen  und  Milet,  die  eine  gewisse  Aehnlichkeit 
in  der  Schichtenbildung  miteinander  haben.  An  beiden  Stellen  erst  eine 
unbefestigte  „kretische"  Siedelung,  die  in  Athen  uralt  ist,  in  Milet  seit 
frühestens  1400  angenommen  werden  kann;  daneben  die  jüngere  Burg 
eines  Volkes  griecliischer  Abstammimg.  in  Athen  seit  mykenischer  Zeit, 
in  Milet  seit  spätestens  800.  Beide  verschmelzen  miteinander,  wenn  auch 
in  verschiedenartiger  Weise.  Sowohl  Athen  wie  Müet  ist  von  den  Persem 
gründlich  zerstört :  die  wiedererbauten  Städte  zeigen  ein  etwas  verändertes 
Bild.  Athen  rückt  langsam  am  Fasse  der  Burg  aus  dem  Süden  über 
Westen  nach  Norden,  Milet  wird  hinunter  zum  Hafen  verlegt. 

Wir  haben  dann  einen  Blick  auf  die  beiden  gemeinsamen  Kulte  der 
Athene  und  des  Delphinios  geworfen,  zwei  Götter,  die  auch  auf  Kreta 
wiederholt  verbunden  auftreten,  und  haben  aufs  neue  den  Eindruck  ge- 
wonnen, dass  Delphinios  mit  dem  Delphin  des  Meeres  nichts  gemein  haben 
kann.  Es  schien  sich  die  Möglichkeit  zu  eröffnen,  seinen  Namen  mit  dem 
Quellnamen  Tilphosa  zusammenzubringen  und  ihn  als  Gott  des  Stadt- 
brunnens in  dessen  Nachbarschaft  lokalisiert  zu  denken.  Mit  aller  Ent- 
schiedenheit konnte  ausgesprochen  werden,  dass  es  nicht  bloss  sprachliche, 
sondern  vor  allem  topographische  imd  kultliche  Tatsachen  sind,  die  beide 
Götter  der  nichtgriechisehen  Bevölkerung  zusprechen.  War  der  Nachweis 
auch  lückenhaft,  so  bedingte  das  einerseits  die  Spärlichkeit  des  Materials, 
andererseits  cUe  Kürze  des  hier  gegebenen  Abrisses.  Manches  wird  im 
Laufe  der  Diskussion  klarer  herauskommen,  wie  es  überhaupt  vieler  Hände 
bedarf,  um  ein  Problem  so  mannigfacher  Beziehungen  durchzuarbeiten. 
In  diesem  Punkte  soUen  meine  Ausführungen  nur  andeutend  und  program- 
matisch verstanden  werden,  und  jede  Ergänzung  und  Berichtigung  soll 
willkommen  sein. 

Freiburg  i.  Br. 

1)  Wiegand,  Vierter  Vorlauf.  Bericht  (190.5)  S.  10.  Der  Wilskischen  Karte  ent- 
nehme ich,  dass  eine  römische  Wasserleitung  in  die  Gegend  des  Delphinions,  d.  h. 
des  Marktes  führte;  von  einer  griechischen  Leitung  ist  mir  nichts  bekannt. 

25 


26 


Aegäische.  besonders  kretische  Namen  bei  den  Etruskern. 

Von  A.  Kannengiesser. 

Für  die  Herkunft  der  Etrusker  aus  dem  kretiscli-kai-iscten  oder,  wie 
ich  nach  Ficks  Vorgänge  ihn  lieber  nennen  will,  hattidischen  Völkerkreise 
mehren  sich  von  Tag  zu  Tage  die  Beweise,  besonders  arebäologische  und 
mythologische.  Ein  genügender,  linguistischer  Beweis  steht  aber  immer 
noch  aus  und  kann  m.  E.  nach  dem  heutigen  Stande  unserer  Kenntnis  der 
eti-uskischen  und  der  hattidischen  Sprachen  vorerst  auch  nur  an  der  Hand 
der  uns  vorliegenden  einerseits  etruskischen  bezw.  etruskisch-lateinischen  und 
andererseits  hattidischen  EigennameTi  erbracht  werden.  Einen  Beitrag  hierzu 
soll  die  vorliegende  Arbeit  liefern.  Als  Gebiete,  welche  von  vorgiüechischer 
Bevölkening  bewohnt  waren,  kommen  als  Heimat  der  Etrusker  die  Länder 
am  ägäischen  Meere  und  unter  diesen  in  erster  Linie  die  Insel  Kreta  in 
Betracht.  Fick^)  hat  das  Xamenmaterial,  das  in  kretischen  Ortsnamen 
vorliegt,  eingehend  untersucht  und  das  Giüechische  vom  Vorgriechischen 
scharf  gesondert:  die  Ergebnisse,  zu  denen  er  gelangt  ist,  sind  im  allge- 
meinen anerkannt  worden.  Sehr  zweifelhaft  aber  ist  es.  ob  die  Kydonen. 
wie  Fick  meint,  thrakisch-phrvgischen  LTrsprimgs  sind  oder  auch  zu  der 
urkretisclien  Bevölkerung  gehören,  ferner,  ob  eine  strenge  Unterscheidung 
von  pelasgischer.  lelegischer  und  urkretischer  Bevölkerung  sich  im  ein- 
zelnen durchführen  lässt  oder  ob  wir  uns  in  der  Hegel  damit  begnügen 
müssen,  nur  im  allgemeinen  von  den  Völkern,  die  am  ägäischen  Meer 
wohnten,  als  hattidischen  d.  h.  weder  indogermanischen  noch  semitischen 
Völkern  zu  sprechen. 

Füi"  unseren  Zweck  genügt  jedenfalls  das  letztere.  Auch  die  Frage, 
ob  ein  Teil  der  alten  Bevölkerung  Kretas  thrakisch-phrygisch  war  oder 
nicht,  will  ich  vorläufig  auf  sich  beruhen  lassen  und  mich  damit  begnügen 
zu  beweisen,  dass  das  nicht  griechische  oder  vorgriechi- 
sche Namenmaterial  Kretas  zu  einem  sehr  grossen 
Teile  in  Etrurien  wiederkehrt-). 

Ehe  wir  in  die  Untersuchung  eintreten,  bedarf  es  einiger  Worte  über 

1)  Die  griechischen  Ortsnamen  ah  Quelle  der  Vorgeschichte  Griechenlands,  Göt- 
tingen 1905,  und  Hattiden  und  Danubier,  Göttingen  1909. 

2)  Dass  der  Name  Kvöovia  nicht  thrakisch  ist,  soll  unten  S.  38  gezeigt  werden. 


A.  KiwnoKjksser,  Acgüischc,  besonders  Irretisehe  Ndnini  h.  d.  Kiriiskeni.    27 

die  Grundsätze,  welclu'  für  dio  Vergleichung  der  aiif  beiden  Gebieten  vor- 
kommenden Namen,  soweit  sie  für  die  Frage  nach  der  Herkunft  der  Etriis- 
ker  in  Betracht  kommen .  massgebend  sein  müssen.  Selbstverständlich 
müssen  die  etruskischen  Namen  wirklich  etruskisches  Sprachgut  und  nicht 
etwa  mit  etruskischen  Suffixen  versehene  Namen  von  Italikern  oder  illyrisch- 
venetischen  Völkern  sein.  Ob  ein  Name  etruskischer  Herkunft  ist,  lässt 
sich  häufig  schwer  oder  gar  nicht  bestimmen ;  es  bleiben  daher  besser  alle 
Namen  fort,  deren  etruskische  Herkunft  nicht  wenigstens  im  höchsten 
Grade  wahrscheinlich  ist.  Als  Merkmale  für  einen  solchen  Ursprung  gelten: 
erstens  das  Vorkommen  eines  Namens  in  einer  alten  Inschrift  etruskischer 
Sprache,  zweitens  häufiges  Vorkommen  des  Namens  auf  etruskischem  Ge- 
biet, drittens  die  Zugehörigkeit  desselben  zu  einer  grösseren  spezifisch 
etruskischen  Namengruppe,  viertens  das  sonstige  Fehlen  des  Namensstam- 
mes bei  den  nichtetruskischen  Völkern  Italiens,  wenn  die  Namensform 
etruskisch  ist.  Ferner  müssen  die  zum  Vergleich  herangezogenen  Namen 
beider  Gebiete  alt  sein ;  insbesondere  dürfen  sie  nicht  erst  von  Inschriften 
aus  der  Zeit  des  römischen  Weltreichs  stammen,  in  welcher  Leute  aus 
allen  Gegenden  in  Italien  zusammenströmten  und  Römer  draussen  als  Be- 
amte oder  Kaufleute  wohnten  i).  Es  ist  nicht  meine  Aufgabe,  alle  Namen, 
die  möglicherweise  denselben  Ursprang  haben  können,  zusammenzustellen, 
sondern  nur  das  soll  hier  herangezogen  werden,  was  für  die  Herkunft 
etruskischer  Namen  wirklich  beweisend  ist. 

In  dem  Gange  meiner  Untersuchung  folge  ich  im  allgemeinen  Ficks 
Schrift  über  die  Vorgriechi sehen  Ortsnamen,  die  ich  mit  F.  zitiere,  und 
füge  dann  ein  paar  von  diesem  nicht  behandelte  Ortsnamen  sowie  einige  kre- 
tische Personennamen  hinzu.  Das  Material  für  die  etruskischen  und  sonstigen 
italischen  Namen  entnehme  ich  in  der  Regel,  auch  wenn  dies  nicht  be- 
sonders bemerkt  ist,  W.  Schulzes  Werk  Zur  Geschichte  lateinischer  Eigen- 
namen, das  ich  mit  Seh.  zitiere. 

Ueber  den  Namen  der  Kydonen  handle  ich  unten  bei  Kvia,  ich  be- 
ginne mit  F.  S.  17: 

'ÄTtTaga,  gleichnamig  mit  einer  lykischen  Stadt.  St.  Byz.  hat  die 
Form  "ÄTtrega.  die  lykischen  Inschriften  Uj  Tuqa.  Die  Einwohner  heissen 
inschriftlich  'AnTSQaloi  und  IL^rraQuioi ;  die  letztere  Fonn  ist  die  der  ein- 
heimischen Inschrift  Smly.  Nr.  4942. 

Den  Namen  von  "ÄTiraga  vermute  ich  in  den  Apfronii.  die  nach  Seh. 
S.  111  ,  auf  den  alten  Grabinschriften  Praenestes.  CIL  XIV  3063  ff.  auftau- 
chen, um  dann  ganz  aus  der  Ueberlieferung  zu  verschwinden"'.  Praeneste  ist 
die  Fimdgrube  von  zahlreichen  etruskischen  Namen,  Schulze  meint  geradezu, 
es  mit  etr.  presntc  verbinden  zu  können  -). 

1)  Ausnahmsweise  wird  indes  auch  ein  solcher  Name  berücksichtigt  werden  können. 

2)  Fick  vergleicht  zur  Endung  zwei  andere  lykische  Städte,  nämlich  ndxuQa  und 
nivaQct,  die  wir  auch  in  etruskischen  bezw.  römischen  Namen  wiederfinden,  nämlich 


28  -•!•  Kannengiesser, 

F.  S.  18:  nvKvoQ.  Den  Namen  dieses  bei  Kydonia  fliessenden  Ba- 
ches verbinde  ich  mit  noiy.i/.a(j{a)6Q.  Dieses  bringt  Fick  S.  24  mit  Ilsiye- 
Jlaaög  in  Karien  und  JIvyeÄa  in  Lydien  in  Verbindung.  IIvyEXa  stimmt 
jedenfalls  zu  Puctdeius,  Buculeius,  Bnclcius,  etr.  puclii  und  in  letzter  Linie 
zu  etr.  puce  [CIE  1639,  2609  Clusium).  Hierzu  gehört  das  Gentiliciura 
imcna  [CIE  2610,  ebenfalls  Clusium),  dessen  Käme  in  Kreta  in  dem 
Flussnamen  Hvxvog  wiederkehrt,  der  demnach  der  Bach  des  Geschlechtes  der 
pKcna  sein  wird,  wie  der  Sarniis  des  Geschlechtes  der  Sarii  (cf.  Seh.  S.  571). 

Zu  Käinavoc,  oder  Kaviavia  vgl.  Canienius  CIL  V  8355  (Aquileia) 
8651  (lulium  Carnicum),  canüni  CIE  4204  (Perusia).  can&usa  902,  1257 
(Clusium)  etc.,  m.  0.  Cantininno  in  Toscana  etc. ').  Oestlich  von  Kan- 
tanos  lag  "EXvqoq.  Vermutlich  ist  am  Anfang  ein  /"  ausgefallen,  sodass 
der  Name  zu  dem  etr.  Vornamen  rchi  gehört,  dieser  ist  wiederum  eine  Er- 
weiterung des  Vornamens  vel,  der  im  Etr.  ebenso  häufig  ist  wie  (Talus 
im  Lateinisclien.  Zu  "EÄ.vQOg  ist  speziell  auf  VeJinius  (Pompeii)  und  etr. 
relnuil  CIE  3402  zu  verweisen  -). 

Der  Hafen  von  Elyros  hiess  —via,  wir  haben  den  dazu  gehörigen  Gentil- 
namen  in  etr.  suie,  lat.  Soiiis  und  Suius,  dazu  gehören  femer  svea,  Soenüts, 
Siicliis  etc.  {Seh.  233).  Die  von  Fick  herangezogenen  Namen,  die  mit  dem- 
selben Stamm  gebildet  sind,  finden  wir  sämtlich  genau  in  Italien  wieder: 

Sveaaa  (lykisch)  in  Sucssa  1.  in  Latium,  2.  im  Aurunkerland  ;  dazu 
das  Diminutiv  Suessnla  1.  im  Sabinerland,  2.  in  Kampanien ;  Svaaaoc, 
in  Phrygien  =  Suasa  in  der  gallischen  Mark.  Zu  derselben  Gruppe  ge- 
hört noch  in  Kleinasien  Soavöoc,  (Varianten  ^löavdov,  Soanda,  Siienda), 
welches  mit  seiner  kleinasiatischen  Diminutivendung  ^)  genau  dem  itali- 
schen Siiessida  entspricht. 

TÜQQa,  welches  nach  St.  Byz.  auch  im  Pontus  und  in  Lydien  vor- 
kommt, gehört  zu  farna,  Tarius,  Taronius,  Tarronius,  Taniüus  etc.  [Seh. 
S.  96  f.),  und  wahrscheinlich  hängen  hiermit  auch  Tarraeo  und  Tarraehut 


in  der  weit  verbreiteten  Sippe  der  patruni  oder  petnoii.  sowie  in  dem,  wiederum 
auch  pränestinischen,  Patronius  [CIL  XIV,  2878),  IlivuQa  ist  u.  a.  in  der  Familie  der 
Piiiarii  vertreten,  auf  deren  asiatis-cben  Ursprung  schon  Hommel  hingewiesen  hat 
{Gnindriss  S.  65). 

1)  Fick  vergleicht  zur  Endung  "Avdaroi;,  KävöaQa  und  Aß>'d«ö«.  Das  erste  ge- 
hört zu  der  grossen  Sippe  der  antni,  zu  KävöctQa  vgl.  üantrius  (häufig)  und  Canihc- 
rius  Berg  im  Sabinerland,  zu  Kdvdaaa  Cantasius. 

2)  Zur  Endung  von  Elyros  vergleicht  Fick  eine  Reihe  von  Namen,  von  denen 
AaßVQK  unten  behandelt  wird,  zu  den  übrigen  hier  kurz  wuge  Parallelen :  A}'avQO(; 
—  etr.  ais  =  Gott,  Aesernia,  Aeserius  (Aesius  Aesontus).  "Aaxvga  —  Astur,  Astura, 
Aslurius,  Astrius,  Asturnius,  Astranius.  LifiVQu  —  limurce;  limrce-,  hmrecna,  lem- 
rcna,  Limbrichts  {Seh.  S,  180  n.  1).  KißvQu  —  Ciprinius,  cipiru,  cipirunia  (Seh. 
S.  271). 

3)  Dass  die  mit  r&-Suffix  gebildeten  Wörter  im  Griechischen  sowohl  wie  im 
Etruskischen  Dimiuutiva  sind,  suchte  ich  in  der  Abhandlung  Ist  das  Etiusl;ische  eine 
hettitisehe  Sprache?    I-   TJeher  das  vl^-Suffix  etc.  (Gelsenkirchen  1909)  darzutun. 


Aegäische,  besonders  kretische  Namen  bei  de»  FArnslern.  29 

zusammen:  „schon  ^sicbiihr  hat",  wie  Schulze  S.  ")73  bemerkh  .Tarraco 
mit  den  Etruskern  in  Verbiniiung  gebracht". 

Wir  kommen  zu  Ficks  Kapitel  „Pelasgor  in  Kreta"  und  wenden  uns 
zuerst  zu  dem  ausser  Kreta  auch  sonst  vielt'acli  Ijegoijrnenden  Stadtnajnen 
AäQiaa  (F.  S.  20). 

Nacli  St.  Byz.  wurde  Föqxvi'  auch  LÜQiaa  genannt,  dazu  bemerkt 
Fick:  „Vermutlich  war  es  die  Burg,  die  den  Namen /-rrm-c»  trag,  wie  die 
Burg  von  Arges  ebenfalls  hiess".  Es  liegt  nahe  den  Namen  mit  dem  etr. 
Vornamen  lar  und  der  ungeheuren  Masse  von  Namen,  die  von  ihm  abge- 
leitet sind,  in  Beziehung  zu  setzen ;  so  könnte  der  Name  zu  dem  Vornamen 
Iuris  gezogen  w^erden;  aber  wegen  des  häufigen  Vorkommens  von  Larisa 
in  allen  Gebieten  vorgriechisch- hattidischer  Bevölkerung  erscheint  es  mir 
noch  wahrscheinlicher,  dass  ein  etruslrisches  Appellativum:  lar  =  Fürst, 
Herrscher  zugrunde  liegt,  Larisa  demnach  etwa  Herrschersifs,  Fiirsten- 
sits  bedeutet.  Eine  passendere  Bezeichnung  kann  schwerlich  für  diese 
Orte  gefunden  werden ;  denn  es  handelt  sich  bei  ihnen  durchweg  um  solche, 
die  eine  zentrale  Lage  hatten  und  von  denen  aus  man  die  Gegend  beherr- 
schen konnte.  In  Campanien  gab  es  übrigens  auch  ein  Larisa,  sodass  also 
auch  der  Stadtname  in  Italien  wiederkehrt. 

Leßriv  oder  AEßi'p't],  Hafenort  von  Gortjni,  hielt  man  früher  für  phö- 
nizisch  und  brachte  es  mit  'sb  zusammen.  Dagegen  hält  Fick  es  für  pelas- 
gisch  und  stellt  es  zu  Adßa,  nöhq  ijiö  Ogaxwv  (Hes.).  wo  er  ein  Wort 
wie  „zerstört"  ergänzt').  Aißsöog,  das  nach  Pausanias  früher  den  Karcm 
gehörte,  Aeßäöi].  ebenfalls  in  lydien,  Aeßdösicc  in  Boiotien  und  Afßivd-og. 
Für  die  Richtigkeit  dieser  Auffassung  spricht  der  Umstand,  dass  Aäßrjg 
der  Vater  des  kretischen  Wahrsagers  Bcixiog,  der  eine  kretische  Expedi- 
tion nach  Asien  führte  und  dessen  Name  sicher  zur  Stadt  Pavy.oc  gehört 
(s.  unten  S.  39).  geheissen  haben  soll  (Schot,  zu  ApoU.  Bhod.  I.  308).  Für  den 
hattidischen  Charakter  dieser  Namen  spricht  ferner  der  Name  des  Gebirges 
AEnsTVfwoQ  {F.  62)  dessen  eponymer  „Heros  als  Gemahl  der  Heroine  Me- 
thymna  galt",  eine  Anschauung,  die  insofern  richtig  ist,  als  beide  Namen 
dasselbe  Suffix  fivog  und  iira  haben,  das  Fick  mit  Recht  als  hattidisch  be- 
trachtet, insofern  aber  unrichtig  ist,  als,  wie  wir  später  sehen  werden. 
Md&v^iva  genau  einem  etruskischen  männlichen  Gentilnamen  entspricht. 
Der  Stamm  Lep{e)t-  steckt  nun  in  dem  lateinischen  Cognomen  Lepta.  das. 
ausser  in  der  Weiterbildiuig  Lepfinii.  zweimal  vorkommt  und  wohl  sicher 
etruskisch  ist ;  denn  es  erscheint  einmal  in  Verbindung  mit  dem  Gentil- 
namen Paconius,  der  offenbar  zu  einer  etr.  Namengruppe  gehört  (.SV/(.  203  f.). 
Zu  der  Form  des  Wortes  Lepta  vergleiche  man  noch  KoQVJira  (genet.)  in 
der   Inschrift  S»dg.  5075.    das    ich    nicht  mit  Bechtel,    Spitznamen  S.  65, 


1)  Da  indessen  Ifßu  nur  einmal  in  einem  thrakisehen  Ortsnamen,  'Aßgo>.eßa,  vor- 
kommt, oft  dagegen  äeßa,  so  ist  Thomaschecks  Vermutung,  dass  nur  ein  Scbreib- 
fehler  bei  Hesych  vorliegt  und  6ißa  zu  lesen  ist,  wohl  wahrscheinlicher. 


30  A.  Knnnengiesser, 

für  einen  Spitznamen  halte,  sondern  zu  KoQÖnij.  St.  in  Thessalien;  und 
KoQOJiaaaög,  Flecken  in  Lykaonien,  stelle. 

F.  S.  21.  Der  Hauptort  der  Pelasger  in  Kreta  war  FÖQTv(r)g,  Föq- 
Tvv  oder  FoQtvva.  Der  mittleren  Form  entspricht  genau  etr.  *  curtun, 
der  letzteren  lat.  Corfona.  Schulze  S.  78  sagt:  „Der  etr.  Stadtname  Cor- 
tonu  wird  in  der  Folge  seine  Identität  mit  dem  erschlossenen  cmiii  {ciir&u, 
cur^una)  enthüllen"  und  S.  573  f.:  „Das  Verhältnis  von  Cremona:  Cre- 
iiiiifhts  wiederholt  sich  genau  zwischen  dem  Stadtnamen  Cortona  und  dem 
Gentilnamen  cio-d-itfc,  in  der  Inschrift  CIE  2470  (Clusium)  Jard-i.  nünati 
cnr^ntcs.  So  wird  deutlich,  dass  auch  der  Name  Cotiona  uns  einen  sonst 
verschollenen  Geschlechtsnamen  ('««»•5'((  oder  «tr^m?«  vertreten  muss".  Auf 
einer  Inschrift  aus  Cortona,  CIE  471,  finden  wir  den  Namen  ciirtiui-. 
Leider  ist  der  Sinn  der  Inschrift  mi  unia{l\  curtun  nicht  sicher  gedeutet, 
vielleicht  handelt  es  sich  um  ein  Weihgeschenk  {tinscril  steht  auf  dem 
manubrium)  einer  uni  airtnnei '). 

Es  verdient  nun  besondere  Beachtung,  dass  der  von  Schulze  erschlos- 
sene aber  etruskisch  nicht  bezeugte  Name  cmiH  oder  rurd'M  sich  direkt 
noch  inschriftlich  in  Kreta  findet,  und  zwar  zunächst  noch  in  Gortyn  selber. 
SmJf/.  Nr.  5032 :  „  [ol  abv  KÖQd-^v'i  tw  KÖQ^vog,  wo  der  Dativ  allerdings 
auf  Konjektur  beruht,  der  Genetiv  aber  sicher  ist;  sodann  in  einer  In- 
schrift aus  Latos  SmJg.  5079,  wo  ebenfalls  der  Genetiv  KoqQ^voc,  vor- 
kommt. Da  es  sich  in  beiden  Fällen  um  jüngere  Inschriften  handelt,  kann 
der  Konsonantenwechsel  von  y.  und  ^  gegenüber  der  offiziellen  Schreibung 
mit  y  und  t  nicht  befremden,  um  so  weniger,  als  St.  Byz.  von  dem  gleich- 
namigen FÖQxvg  in  Arkadien  berichtet,  dass  es  auch  Kögjvg  und  danach 
die  Arkader  auch  Koqtvvioi  genannt  wurden,  und  die  Neigung  der  Etrusker 
zur  Aspiration  der  Mutae  sattsam  bekannt  ist,  wie  ebenso  die  Griechen 
bei  Fremdwörtern  gern  die  Aspirata  setzen.  Der  Name  Köqi^vg  ist  iden- 
tisch mit  dem  des  Heros  FÖQivg,  nach  welchem  St.  Byz.  zufolge  der  Oi-t 
benannt  sein  soU  und  auch  tatsächlich  benannt  worden  sein  wird,  abge- 
sehen davon,  dass  ihm  das  griechische  Nominativ-g  fehlte ;  KÖQ^vg  wird 
also  nicht,  wie  Bechtel  (1.  c.  S.  40)  meint,  ein  Spitzname  sein;  dasselbe 
gilt  auch  von  dem  gleich  zu  behandelnden  KvÄ/.og. 

Die  Inschriften  von  Gortyn  bieten  noch  mehrere  andere  Namen,  die 
zu  spezifisch  etruskischen  zu  gehören  scheinen: 

Der  Name  KÜQavog  (Smlg.  5016)  kehrt  wieder  in  Curanius,  das  aber 
auch  keltisch  sein  könnte  (s.  Seh.  S.  415).  Küqtwv  {Smlg.  5024)  fügt 
sich  einer  etruskischen  von  Seh.  unter  Gardenus  aufgeführten  Gruppe  or- 
ganisch ein.  Smlg.  5028  B  wird  em  Aiabg  Avöäfuog  aus  Halikarnass  zum 
Proxenos  von  Gortyn  erklärt,  er  dürfte  zu  Disins,  Bisiiiius,  l'isenius, 
etc.  gehören.    In  der  Inschrift  4991  finden  wir   eine  Gottheit  Toxaia,  sie 


1)  Vgl.  Seh.  S.  364. 


Äegäisclie,  hc.souders  kretische  Namen  hei  den  Etruslcern.  31 

erinnert  an  I'ncca,  Titccius,  Tueasius  tuctmtual  (Seh.  S.  375),  einen  KvZZog 
cf.  Citlliits,  Cullonius  etc.,  cnlni  (Seh.  S.  306);  zu  Kdoigiog  in  Nr.  5007  vgl. 
Castrius,  Castricius,  Castronitis  etc.  (Seh.  S.  271).  Zu  'Eqüomp  Smly.  5008 
gehört  wohl  Eniseuus  CIL  VI  20938  (Seh.  344);  da  der  Name  ziemlich 
vereinzelt  dasteht  und  es  zweifelhaft  ist,  ob  die  von  Schiil/.e  mit  ihm  zu- 
sammengestellten wirklich  zu  ihm  gehören,  so  kann  es  sich  natürlich  um 
einen  vereinzelten  Kreter  handeln,  der  in  Rom  eingewandert  ist.  Smh/. 
5030  (vom  Pythion  in  Gortyn)  lehrt  uns  einen  KäZaßtg  kennen.  Bechtel 
stellt  den  Namen  zu  Ka/.aßoyi t]ig.  In  Etrurien  haben  wir  denselben  Namen 
als  cahqii,  er  gehört  der  zweifellos  altetr.  Familie  der  petru  ealapi  in  CIu- 
sium  an.  Schulze  (S.  1:38)  erklärt  es  für  zweifelhaft,  ob  ealapi  verwandt 
ist  mit  Calpennia,  Calpenius.  Calpurniits  etc.,  hält  es  dagegen  für  wahr- 
scheinlich, dass  Calabius  =  Caliiriii.s,  wie  eine  Familie  in  Capua  hiess; 
jedenfalls  gibt  es  im  Griechischen  von  dem  oben  erwähnten  y.aXaßcbrrjg 
abgesehen  nichts,  was  mit  dem  Namen  in  Verbindung  gebracht  werden 
könnte,  ausser  xäÄaßig  =  tö  TtEQianüv  r«  iayia  etc.  Hes.  und  xaÄaßoiöia 
=  ^»'  TCO  rijc  Aegeäitöog  l£Q(^  'Agrifiiöog  dööuevoi  ijfivoi  Hes.  Diese 
beiden  Wörter  scheinen  aber  nur  Vaiianten  gleichbedeutender  Wörter 
mit  0  statt  a  in  der  ersten  Silbe  zu  sein  und  zu  y.o?M "  eIöoq  öqxijoscoq  etc. 
Hes.  zu  gehören,  das  Thomaschek  ')  von  der  Wurzel  ,'/V'/:  (jol-  sich  drehen, 
sich  bewegen"  ableitet. 

In  der  Nähe  von  Gortyn  lag  MvQiva;  der  Ort  „stellt  sich  als  dritter 
im  Bunde  zu  MvQiva  auf  Lemnos  und  in  der  Aeolis".  Der  Name  er- 
scheint auch  in  der  vorgriechischen  Inschrift  von  Lemnos  in  der  Form 
morinaiJ.  In  MvQiva  haben  wir  direkt  ein  etriiskisches  Gentilicium  vor 
uns,  das  vielfach  im  CIE  als  murina  oder  Mitrina  oder  in  lateinischer 
Uebertragung  als  Mitrrenius  im  11.  Bande  des  CIL  vorkommt.  Daneben 
gibt  es  nutria.  lat.  Miitrhius  oder  Murrius.  murunial  =  lat.  Mitrimiiis  nebst 
zahlreichen  anderen  Verwandten.  Schulze  vermutet  (S.  195).  dass  auch 
lat.  jMurena  nur  eine  Variante  von  murina  sei  und  mit  dem  Fisch  murena 
nichts  zu  tun  habe. 

F.  S.  22:  „Nordwestlich  von  Gortyn  lag  2vß()iTa  (Münzen  ^rßgi- 
TioV").  das  nicht  bloss  in  Attika,  sondern  auch  in  Illyrien  Vei-wandte  hat. 
Die  Form  SvßQiriov  ist  gräzisiert,  die  einheimische  Form  wird  —rß^iia 
gewesen  sein,  das  eine  vollständig  etruskische  Gentiücialform  trägt.  Das 
Suffix  id-a.  ita  oder  id^e.  itc  ist  in  etruskischen  Namen  sehr  häufig,  ich 
stelle  aus  dem  etruskischen  Index  bei  Schulze  folgende  i'ormen  zusammen: 
cisuita  cisvite,  sveital  (gen.),  i^i<])ites.  lelxite  velcife,  vcJ^ritial  (gen.)  nisid-r. 
titistid'e,  larQ-ite.  latid'c  lutite.  amid-e.  Die  etraskische  Parallele  zu  Sybrita 
ist  das  forum  Suhertanum  in  Etrurien ;  die  Form,  aus  der  sich  mit  obigem 
Suffix  Syhrita  entwickelt  hat,  liegt  vor  in  sitpre  CIE  2251  (Clusium). 
supri  CIE  53  (Volaterrae)  =  lat.  Suhrius  CIL  V  7917  u.  ö.  und  Sobrins. 
1)  Die  alten  Tlimler  II.  U. 


32  A.  Kannengiesser, 

mit  gentiliziscbem  n :  Suhrriiins.  Die  aucli  vorkommende  Nebenform  ^or- 
ßqna  zeigt,  dass  gr.  v  =  lat.  n  zu  spi'eclien  ist. 

„Wiederum  nordwestlich  von  Sybrita  wird  die  Lage  der  alten  Stadt 
B/jvri  durch  das  heutige  Dorf  Vcni  verbürgt. "  Durch  Vergleicbung  von 
Bevva  an  der  thrakischen  Küste  und  Bivva  bezw.  Beivri,  Phyle  von 
Ephesos,  kommt  Fick  zu  dem  Schluss,  dass  Bävfog  die  ursprüngliche 
Form  sei.  Dazu  werden  gehören  Benus  CIL  VI  18961  {Seh.  133  unter 
Biennius),  Be{ii)iiii(s.  das  häufig  vorkommt  (Srh.  423).  Pcinuts  (Konsul  167, 
Seh.  365).  ferner  die  nur  in  Etrurien  inschriftlich  erscheinenden  Pcnnasius 
{CIL  XI  5115),  PetHisius  (5053  Mevania).  Pcnsius  (XI  5386  Asisium)  und 
pen^E  [CIL  3048  Clusium). 

Aus  Bt)vri  stammt  der  Dichter  'Piavög,  auf  dessen  nicht  griechische 
Endung  Fick  S.  23  hinweist.  Den  Namen  dieses  Dichters  haben  wir 
jetzt  inschriftlich  in  doppelter  Fonn,  imd  zwar  auf  einer  Stele  Smlff.  5124, 
wo  ein  2(baog  'Piavß»  genannt  wird,  und  auf  einer  Platte  in  Suia  Sml(i. 
4961  i :  'Peiavög  Tar.ewvog  (ef.  Wilamowitz,  Lit.  Centralhl.  1903,  1483). 
Genau  dieselbe  Form  wie  die  letztere,  lieianus,  finden  wir  CIL  Yl  25391  ff., 
ferner  reistii  CIE  342,  Raius  {CIL  XI  4914  Spoletium)  sowie  Paieniis  und 
Beius.  Auch  zu  Tay.scöi'og  haben  wir  lat.-etr.  Formen:  Taganhis,  Tac- 
cianorum  etc. 

Von  den  Orten,  die  Fick  den  Eteolcretern  zuweist  (S.  23  f.),  ist  oben  S.  27 
"Ajiraga  schon  besprochen  worden,  ebenso  (S.  28)  Ilor/.ilaaaög.  Ob  der  Fluss 
Meaaäniog  kretisch  ist,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden,  dagegen  muss  ich 
im  Gegensatz  zu  Fick  (S.  8)  Ldnna  als  urkretisch  erachten.  Der  Ort  heisst 
bei  St.  Byz.  auch  Adfini],  und  dies  hält  Fick  für  die  ursprüngliche  und 
damit  griechische  Form.  Dafür  spricht  allerdings,  dass  gleichnamige  Städte 
in  Arkarnanien  und  in  der  Argolis  existierten;  dagegen  zeigen  die  In- 
schriften durchweg  Lünna  und  Lannaloi  [Smlg.  5018,  ebenso  der  Ver- 
trag der  Kreter  mit  Eumenes,  ferner  SmJg.  5075  a). 

Sehr  merkv\'ürdig  ist  nun,  dass  wir  in  Italien  den  Namen  Lcqipa  als 
Cognomen  finden  und  eine  Reihe  von  Weiterbildungen  desselben  Namens 
{Seh.  358).  Daneben  aber  findet  sich  auch  Jamxfie  {CIE  1111  ff.)  und  Janqje 
imd  la(pe,  lat.  Lamponius.  Es  scheint  mir  wahrscheinlich,  dass  wir  die 
ursprüngliche  Form  in  Lappa  zu  suchen  haben,  welches  sowohl  Stadtname 
als  Familienname  war,  und  dass  der  Name  aut  kretischem  und  ebenso  auf 
italienischem  Boden  auch  nasaliert  wurde. 

Für  den  Wechsel  von  fin  und  nn  vergleicht  Fick  S.  9  Xänri  =  /.ü^imi 
„Schimmel,  Kahm"  bei  Hes. ;  als  Beispiel  dafür,  dass  die  Griechen  sich 
doppelten  Dental  fremder  Sprache  durch  Verwandlung  des  ersten  in  [i 
muudgereeht  machten,  verweise  ich  auf  aaiißvy.y],  das  aus  dem  aramäischen 
subbeJca  stammt. 

Zum  Namen  Köqlov  {F.  S.  24)  gehört  der  in  der  Nähe  gelegene 
See  KoQijaia,   femer   die  Sporadengruppe    der   Koqaaiai,   KoQ)]aög   oder 


Aegäische,  besonders  kretische  Namen  hei  den  FJrusl-eni.  33 

KoQr^olu  auf  Keos.  der  Borif  KoQijOÖg  oder  Kortr^naög  bei  Ephesus.  des- 
sen eponymor  Heros  als  Autochtbon  bezeichnet  wird:  weiter  rechne  ich 
hierher  KoQvvti  in  Elis,  Koovvu.  Stadt  der  erythriiischen  Halbinsel,  Vor- 
geb.  KoQvvvaiov,  die  wohl  mit  <jr.  xoqvvij  =  Keule  nichts  zu  tun 
haben,  sowie  auch  Kögtrd'og,  dHS  sowohl  Personen-  als  auch  Stadtname  ist. 
Diese  ganze  Gruppe  kehrt  in  Etrurien  und  in  lateinischen  Namen  wieder, 
zu  KÖQiov  ist  etr.  curial,  lat.  Ciirius;  zu  KoQtjaög  etc.  Corisiiis  und  Cu- 
risitts.  zu  Koqvvij  etr.  CKruiiu,  zu  dem  Deminutiv  K6()ir9-og  Corioli  die 
entsprechende  Form.  Auch  die  Curirttii  sowie  die  volskischen  Städte  Com 
und  CoreUa  dürften  hierher  gehören.  Eine  Nebenform  v(jn  h'oovvi]  ist 
KoQTjvtj,  vgl.  Corenits  CIL  VI  10407. 

Zu  dieser  Gruppe  gehören  auch  die  Gentilnamen  Corona  und  C'oronius 
=  etr.  cttruna  und  x'O'i'«-  Auch  diese  Formen  finden  ihre  Analogie  in  Kreta 
und  zwar  in  der  Inschrift  Snilg.  5015,  wo  es  heisst:  „Kvotnoi  öh  etc.  nqb 
rag  KoQoiviag  vefiovi'jviag  (:=  veofit]viag) ".  Es  gab  also  in  Kvojaög  einen 
Monat  KoQÜviog  '),  er  entspricht,  wie  aus  dem  in  der  Inschrift  vorher- 
gehenden Texte  hervorgeht,  dem  Monat  Aea%av6Qtog  in  Gortyn ;  über 
diesen  Monat  KoQwviog  ist  mir  nichts  weiter  bekannt,  es  liegt  jedoch  die 
Vermutung  nahe,  dass  er  mit  der  Göttin  Koqmvi]  oder  Kogcovig  in  Zu- 
sammenhang steht,  die  zum  Stamme  der  Fhleyyer  gehört,  der  wahrscheinlich 
hattidisch  ist.  Dass  in  der  Sage  von  den  KoQOiviöeg  bei  Ovid  zwei  männ- 
liche Coronae  auftreten  statt  weiblicher,  hat  man  als  arge  Verwirrung  bei 
ihm  bezeichnet:  es  erklärt  sich,  wenn  wir  wissen,  dass  Corona  eben  ein 
männlicher  Gentilname  ist,  die  KoQÖivi]  wird  Gottheit  dieser  Gens  ge- 
wesen sein,  wie  Voltumna  und  Verfiiminis  etruskische  Gentil-Gütter  waren. 
Da  bei  den  Etruskern  sehr  häufig  eine  männliche  und  eine  weibliche  Gott- 
heit neben  einander  standen,  wie  Cariis  und  Cura.  so  wird  es  vielleicht  auch 
eine  männliche  und  eine  weibliche  Gottheit  Corona  gegeben  haben.  So  müssen 
uns  die  etruskischen  Namen  die  gi-iechische  Mythologie  erklären  helfen. 
Zu  der  von  Fick  (S.  24)  ferner  behandelten  Namengruppe  vom  Stamm 
Ärb-  stelle  ich  folgende  vorgriechisclie  und  etr.  bezw.  lateinische  Xamen 
gegenüber: 

"ÄQßtor,  Bei-g  in  Kreta  iZevg  "ÄQßiog) '  Arpiiis,  Fl.  Arhia 
'Agßa,  Ort  in  Achaia  i  ^»7;«  in  Apulien.   ArlKÜanus 

"Aqtiivu  in  Elis  \Arpinum   im   Volskerland.    Arpiniiis, 

Arpinianiis 
'Agßlvvac  P.N.  Lykien  |  Arbenins 

'Agßi'h/g  P.N.  Karlen  Arbula,    Vater   des   Vinius    Etruseus 

Bia-ägßaaig.    TQOxo-dQßaaig,  "Aq-   Arhiissoniiis 
ßr^aoog  P.N.  (letzterer  vom  Orts- 
namen 'Aqßrjaaög)  Karlen 

1)  Derselbe  Monat  heisst  allerding.s   in   einer  Inschrift   von   Delos,   Smlg.   .5149, 
Kc^üivtog,  doch  wird  jene  Form  wohl  die  richtige  sein. 

Klio,   Beiträge  zur  alte«  Geschichte  XI  ).  3 


34  -■!•  Knnncngiesser. 

Tni  Gebiete  von  Ai-pinum  lag  Sora,  das  ebenfalls  etruskisch  ist  und 
zu  ki-etisch  2vQivd^og  gehört,  worüber  unten  S.  36 ;  und  der  Fluss  Aina- 
senits.  noch  heute  Amaseno.  gehört  zu  Amntins  Amantius  in  Clusium. 
ÄmantiuiKS  in  Florenz  (Seh.  S.  345,  121  und  besonders  572).  In  Brut- 
tium  gab  es  eine  Stadt  Amant/a.  welche  wohl  der  epirotischen  Landschaft 
'A^iafTia  bezw.  den  "AuaineQ  ihren  Namen  verdankt.  Diese  wurden  mit  den 
"AßavTEQ  auf  Euboea  identifiziert  und  Fiek  hält  diese  für  Leleger:  aber  nach 
dem  Zeugnis  des  Thukydides  sind  die  Abanten  Thraker,  es  bleibt  daher 
das  bruttische  Anianfia  hier  lieber  ausser  Betracht,  da  vieUeicht  nm-  ein 
zufälliger  Gleichklang  mit  Namen  etruskischen  Ursprungs  vorliegt,  auch 
dürfte  der  Amasenus  mit  'Atiüaeia.  Stadt  in  Pontos.  verwandt  sein.  Im 
Gebiete  von  Arpinum  lag  ferner  Cercatae  (Marianae),  dies  ist.  wie  auch  weiter 
unten  (S.  35  f.)  erhärtet  werden  soll,  ebenfalls  etruskisch  und  mit  Kuigarog 
in  Kreta  verwandt.  Ich  führe  alles  dies  schon  hier  an.  um  jeden  Zweifel 
an  dem  etr.  Ursprünge  von  Arpinum  zu  beseitigen.  Die  Könige,  die  dort 
einst  geherrscht  haben  soUen.  sind  ein  etruskisches  Adelsgeschlecht,  das 
auf  einen  Gott,  der  später  als  "Aq^ioc,  mit  Zevq  identifiziert  wurde,  seinen 
Ursprung  zurückfühi-te. 

F.  S.  25.  Der  Fluss-  und  Stadtname  'Ativiaöc  gehört  zu  etr.  amni 
amnei.  Zu  dieser  Namengrappe  gehört  ferner  'Auviac  noTafiög,  Appian, 
Mithr.  18  und  Suid.,  'Atirsiög  TTOiauöc  in  Paphlagonien.  Strab.  12,  562,  und 
die  EiZeid'via  'Äftvidg.  Merkwürdigerweise  ist  das  lat.  Appellativ  niunis  = 
Strom  ganz  arm  an  Weiterbildungen.  Es  Hegt  daher  die  Vermutung  nahe. 
dass  aninis  ein  etruskisches  Lehnwort  ist,  in  welchem  zugleich  der  Xame 
einer  Gottheit  steckt,  die  mit  der  Eileithyia  verbunden  wui'de,  weil  sie 
eine  Gottheit  der  Zeugungskraft  und  der  Fruchtbarkeit  war. 

ßi]Qiji',  ein  Bach,  von  Fick  mit  der  Insel  f)i]Qtt  zusammengestellt,  sehe 
ich  als  gentilizisches  Adjektiv  an  wie  Saniiis.  das  den  Bach  als  der  gens 
*  Ot'jQa  oder  *  0/;()j;ra  angehörig  bezeichnet,  dann  haben  wir  diese  gens 
vieUeicht  in  etr.  »mi.^  {Seh.  S.  373).  lat.   Teriiis  {Seh.  S.  68)  u.  a. 

Den  Fluss  Maaaa/Jag  bringt  Fick  mit  2IassaUa  (Marseille)  in  Ver- 
bindung, ferner  mit  ildatjg.  auch  könne,  wenn  aa  =  r  sei.  ^Iütiov  imd 
MÜTa?M{ov)  dazu  gehören.  Kreter  würden  Massalia  schon  vor  den  Phokäern 
kolonisiert  haben. 

Für  die  vom  Stamme  Mas-  bezw.  Mass-  gebildeten  Namen  tritt 
allerdings  keltische  KonkuiTenz  ein.  aber  es  gab  in  Etrurien  mehrere  Orte, 
die  Ma.ssa  Hessen  ')  und  die  jedenfalls  etruskisch  sind :  auch  der  Mons 
Masskus  im  Aurunkerlande  wird  einen  etruskischen  Namen  haben,  ebenso 
die  mO  Massiguauo  bei  Ancona  imd  Masskino  bei  Perusia.  Zahlreiche 
Personennamen  von  diesem  Stamme  haben  wir  in  etr.  sowohl  wie  in  lat.  In- 
schi'iften;  sie  bieten  die  Formen  masni.  masnial.  masit,  masui.  Masoniiis. 
Masiiis,  Maskliiis,  Maskliauus,  3Iassidius,  Masuriiis,  und  was  für  unsere 
1)  Nissen,  It.  L.  n,  306. 


Aefßischc,  lirsiin<]ers  l-retische  Ncuticn  hei  den  Efriislccni.  35 

Form  MuooaAiag  besonders  in  Frage  kommt,  Mdssellius  Cli'.  17G(>,  Mds- 
siUiiis  CIL  XI  4758  (Tuder),  nishici  CIE  3570.  3789  ff.,  inushii  4394 
(Seh.  68  n,  278,  373). 

Scliliessen  wir  hier  gleich  Mätiov,  Küstenort  westlich  von  Knosos, 
und  MdraP-a,  Hafenplatz  von  Phaistos  an,  so  sind  auch  hier  zweifellos  die 
etruskischen  Parallelen  vorhanden  und  kaum  Zweifel  möglich,  dass  die 
entsprechenden  Namen  altetruskisches  Sprachgut  sind,  das  Material  ist  bei 
Schulze,  S.  274 f.;  es  sind:  Maünlus,  Matetikmus,  Matho,  mntuna,  Mato- 
nius,  fundus  Matieianus,  Maticius,  verbreitet  sind  Matius  (mit  Matidius, 
Matienus  und  Matt'ms),  nur  vereinzelt  begegnen  Maüanins  und  Matisius, 
dazu  [Seh.  S.  563)  Timqci  ij  xalovfiEvi]  MaTiijvi]  im  Sabinerland  bei  (Dionys. 
Hai.  aiitiqx.  I,  14),  dessen  „Beiname  offenbar  mit  der  gcvs  Mntiena  zu- 
sammenhängt". Für  MäTa?M  kommen  besonders  in  Betracht:  fmuliis 
Matellianns  in  Veleia,  „MnteUius  ist  selten",  Matl/a,  nur  in  Praeneste, 
matuhia  (Tarquinii).  nuid-l-  (Clusium) ;  dazu  kommt  der  Ort  MatÜiea  in 
Umbrien  [Seh.  S.  552).  Auch  Mdd-vftva  auf  Lesbos  dürfte  dieser  Gruppe 
nicht  fremd  sein,  da,  wie  wir  gleich  sehen  werden,  die  Endung  nrna  ebenso 
gut  etruskischen  wie  vorgriechischen  Namen  eigen  ist.  Auf  die  merk- 
würdige Tatsache,  dass  der  Name  des  römischen  Konsuls  Matienus  wieder- 
kehrt in  den  Namen  zweier  asiatischer  Volksstämme,  der  Maxnjvoi  in 
Kajipadokien  und  in  Medien,  hat  Wirth  schon  hingewiesen ').  Es  ist  kaum 
zu  bezweifeln,  dass  diese  Stämme  auch  hattidisch  sind ;  die  ersteren  ge- 
hören zu  den  Bewohnern  Kappadokiens,  die  vor  der  phrygischen  und  ga- 
latischen Einwanderung  sclion  doi-t  ansässig  waren,  die  letzteren  nennt 
Herodot  III,  94  mit  Saspiren  und  Alarodiern  zusammen  als  dem  17.  Kreise 
des  persischen  Reiches  angehörig. 

F.  S.  26.  „'AAZaQi'a  stimmt  zu  'AlsQta,  der  Niederlassung  der  Pho- 
käer  in  Corsica".  Es  ist  bekannt,  dass  die  Etrusker  Niederlassungen  auf 
Corsica  hatten,  sie  werden  dort  wie  in  Massilia  den  Phokäem  vorange- 
gangen sein,  bezw.  eben  Kreter  den  Ort  gegründet  haben.  Auf  italischem 
Boden  begegnen  wir  sowohl  Ähirius  als  Älal/us,  doch  stammen  beide  In- 
schriften nicht  aus  Etrurien. 

Der  Fluss  'Ayxaiag  bei  Priansos  und  der  Name  des  Lelegerkönigs 
'Ayxalog  kann  zu  Anciis  gehören  und  der  Gruppe  Arnjinriimins  bei  Schulze 
S.  122. 

Kaigcerog,  der  alte  Name  für  Knossos,  wohl  mit  dem  etr.  Suffix  ata 
gebildet,  gehört  zu  Caere.  „Der  maskulinische  Nominativ  zu  xaireah  kann 
'/,aire  gelautet  haben,  das  ist  zugleich  der  Name  der  Stadt  Caere",  sagt 
Schulze  S.  567,  und  S.  354  sagt  er:  „In  Etrurien  hat  es  ein  Geschlecht 
der  ;^«»"e  oder  '/airea  gegeben".  Danach  ist  KaiQuiog  der  Ort,  der  der 
Familie  Kuire  gehört,  KaiQCtrog  auch  der  ihr  gehöiige  Fluss  wie  Surnus 


1)  Polüisch-anthrop.  Kerne,  VI  S.  200. 

10 


36  ^-  Kunnengiesser, 

der  Fluss  der  Saril  ist.  Zu  Caere  gebort  das  Geschlecht  der  y/ritna.  das 
in  Saena  und  Clusiwm  vorkommt  {Seh.  S.  529). 

Wie  hier  altes  ai  (über  ei)  zu  e  geworden  ist,  darf  der  gleiche  Vorgang 
auch  bei  Cereatae  angenommen  werden,  das  oben  (S.  34)  schon  erwähnt  ist. 
Das  vor  dem  Suffix  at  vorgeschlagene  e  hat  sein  Analogon  in  Gereoiihmi 
=  Gerunium. 

F.  S.  27.  J\[ivo)Q,  Mivqja  und  pisidisch  Mifctaaög  etc.  haben  einen 
in  Etmrien  mehrfach  vorkommenden  Stamm,  zahlreich  ist  die  Familie  der 
nihiafe,  lat.  Minatius,  ferner  Minacitis,  Minasius.  Miiiiiis.  Minid'nts ;  etrus- 
kisch  ist  auch  Minturnae  in  Auninkerland. 

Zu  Mäyo)g  Smlg.  5023  vgl.  macimki  CIE  2355  (Chisium).  Mariovius. 
macutia,  Maguclius  etc.     Zu  UvQwq  s.  unten  (S.  43)  IJvQat'öog. 

F.  S.  28.  2ÖQivd-og  gehört  zu  SvQog  und  deckt  sieh  mit  Siirrentnm. 
Der  Name  gehört  einer  sehr  weit  verzweigten  etruskischen  Namengruppe 
an,  die  bei  Schulze  S.  235  und  271  verzeichnet  ist:  die  einfachste  Form 
ist  siirc,  welches  gr.  SvQog  entspricht  (Kyklade  und  Insel  bei  Akarnanien). 
Das  in  Etrurien  mehrfach  vorkommende  surna  entspricht  genau  2vQva, 
Stadt  in  Karlen.  Diese  Stadt  wird  auch  SvQVog  genannt,  genau  wie  eine 
der  Kykladen  heisst :  die  lateinische  Form  des  Gentiliciums  snnia  ist  Sor- 
nius.  Diese  Namengruppe  lebt  fort  in  mehreren  Ortsnamen:  Sora  im 
Volk.skerlande.  das  schon  oben  (S.  34)  als  etruskisch  genannt  wurde,  Sofffiumo 
{fundKs  Sorniamis  in  Veleia).  Soriano,  Sorciano. 

'Piivfira  wechselt  mit  'PiS-vftfa  ganz,  wie  irii  Etruskischen  Tenuis  und 
Aspirata  unzähligemal  wechseln,  z.  B.  in  rahtmsnu  neben  rad-innsunl.  Die 
in  Kleinasien  häufige  Endung  fii'a  kommt  auch  in  etruskischen  Namen 
vielfach  vor,  bisweilen  steht  noch  ein  e  zwischen  »in,  dies  ist  nur  ein  ein- 
geschobener Vokal,  die  richtige  etruskische  Form  wird  vokallos  gewesen 
sein.  Bisweilen  wird  auch  ein  s  eingeschoben,  so  steht  neben  obigem 
ratumsna:  Batumennia,  neben  arcumsnei:  Arcumenna.  Für  die  Häufigkeit 
solcher  Namen  im  Etruskischen  genügt  folgende  Zusammenstellimg  von 
rein  eti-uskischen  Formen  aus  dem  Index  bei  Schulze:  arcumsnei,  clunmei, 
Lumina,  lauxmnsnei,  luxii»inl,  poTurnsna,  2)ersunisna,  rat(&)mnsna,  recimna, 
restumnd,  rems{s)na,  ucnmzna,  f{h)ehnmnati  [heisumnatiaJ) ,  malamenas, 
sehtinnal,  velinma,  j^xsfmhias,  tiicmenas,  sesumsnei,  sefunniei,  farchumenam. 
uUiinne,  idimnaJ. 

Dem  Namen  'Phvfiva  entspricht  nun  genau  etr.  ritiniienns.  Wir  haben 
es  hier  mit  einem  so  eigenartigen  Lautgebilde  zu  tun,  dass  seine  Wieder- 
kehr auf  zwei  verschiedenen  Gebieten  kaum  als  Zufall  angesehen  werden 
kann,  umsoweniger  als  noch  eine  zweite  kretische  Stadt  von  dem  näm- 
lichen Stamme  einem  etruskischen  Gentilicium  entspricht:  'Pmijv  (=  'P/t- 
Ti]va  wie  A&j3i']v  =  Asßt'^va,  Pöqtvv  =  Poqtvvo)  ;  es  gehört  zu  ritnei  CIE 
1616  (Clusium),  es  stimmt  dazu  auch  lat.  Eklanius.  Zweifelhaft  ist.  ob  auch 
Eeihüiis,  Retiliits  und  Retonhis  etruskisch  sind  (s.  Seh.  278  n.  1). 

11 


Acjjäisclif,  Ix'sitndi'rti  /üctisr/n:  Namen  hei  den  Etriislcni.  37 

Diese  Namen  setzen  eine  Grundform  rite  voraus,  welche  wir  in  Fahr. 
802  und  803  finden;  da  indessen  der  Sinn  dieser  Inschriften  nicht  klar 
ist,  ist  es  nicht  unmöglich,  darin  mit  Bugge,  Fo.  und  Sind.  IV,  44  f.  ein 
Verbum  zu  sehen.  Bugge  betrachtet  auch  rid-cc  (Fahr.  2596)  als  Verbal- 
fomi.  es  kann  jedoch  auch  ein  Name  sein,  gebildet  wie  larce. 

Was  nun  die  Form  'PitTi'jv  betrifft,  so  gibt  St.  Byz.  dieselbe  als 
Titiivta,  und  Blass  (in  SmJf/.  S.  213)  weist  darauf  hin,  dass  tt  in  attische.s 
a.  aber  nicht  in  t  umgesetzt  werden  müsste.  Es  wird  daher  wohl  'Pn- 
Ti'iv  nicht  einfach  :=  etr.  *  riteu  bezw.  *  ritenna  sein,  sondern  eine  .s- Bil- 
dung wie  rersena  vorKegen.  so  dass  *  'Firar'jv  die  Ausgangsform  ist,  aus 
der  teils  'Fmrjv  teils  'Pi^ijv  wurde.  Der  Stamm  des  Wortes  ist  rit,  da- 
her auch  'Piivfiva  nicht,  wie  Fick  tut,  in  'Fi  -[-  rv/iva  zu  zerlegen  ist. 
sondern  in  ' Fi  r  -\-  n  -{-  fi  ra  oder,  da  R/ta  ein  fertiges  etr.  Gentilicium  dar- 
stellen würde,  in  'Fitv-\- /iiva.  'Fvfit'og  und  Tvfivtjaaög  in  Karien,  welche 
Fick  zum  zweiten  Teil  von  Bi-ti/mna  vergleicht,  haben  Tv/i-  als  Stamm 
und  das  etr.  gentiliciabildende  v.  Sie  gehören  zu  dem  kretischen  P.N.  Tv- 
ficov,  der  bei  dieser  Gelegenheit  gleich  mitbehandelt  werden  mag.  Der 
Name  kommt  mehrere  Male  inschriftlicli  vor :  Siidc/.  5056.  5076  und  5078. 
Er  entspricht  genau  etruskisch  tiiiiiK  ClE  2997 — 3000  (Clusium).  Das 
karische  Tv/ivog  entspricht  genau  etr.  tumunias  CIE  2600.  Obwohl  nun 
von  dem  Stamme  tum-  weitere  etruskische  oder  lateinische  Namen  nicht  vor- 
kommen als  die  genannten,  so  ist  der  etruskische  Ursprung  derselben  doch 
um  so  sichei'er,  als  lateinische  oder  den  Italikem  angehörige  Namen,  die  nach 
Etrurien  gewandert  sein  könnten,  nicht  vorhanden  zu  sein  scheinen  und  der 
Sohn  jener  Tumauia,  der  Träger  der  eben  genannten  Inschrift,  ein  prcsnto 
ist  und  zu  der  an  Hgalaog  sich  anschliessenden  Gruppe  gehört  (s.  u.  S.  44). 

Von  den  andern  hattidischen  Namen  mit  dem  Element  tiva.  welche  Fick 
anführt,  gehört  Mdx)-vfiva  zw.  Math),  das  oben  (S.  35 1  erwähnt  ist,  Kü?a^!.ivu 
kehrt  wieder  in  chimnei  CIE  4305  (Perusia).  das  wohl  zu  caliimi  (welches 
ausser  den  von  Schulze  S.  171  angeführten  Inschriften  von  Clusium  auch 
in  Perusia  VIE  4305  bezeugt  ist),  ebenso  wie  auch  Klitm.  in  der  oski- 
sehen  Inschrift  Conway  Nr.  121  gehören  wird.  Calumcins,  Calmeius,  Cal- 
maens  entsprechen  etr.  *  caJumna,  wir  sehen  also  in  Käkvjiva  direkt  die 
Form  eines  etr.  Gentiliciums.  Die  ganze  etruskische  Namengruppe  (zu  der 
auch  der  Gott  calu  gehört),  sehe  man  bei  Schulze  S.  251/2. 

-läxQa.  Genau  denselben  Namen  Satra  finden  wir  CIL  VI  1812  3. 
satriul  in  Clusium  {('IE  2395),  die  zugehörige  Namengruppe  ist  in  Italien 
weit  verbreitet;  Schulze  bemerkt  S.  225,  wo  sie  eingehend  behandelt  ist. 
dass  Saf remis,  Satrenius.,  Satr/nius,  Satroniuf!  ,etruskischer  Herkunft  einiger- 
massen  verdächtig  sind,  da  das  freilich  auch  sonst  in  Italien  häufige  Sa- 
trius  in  Etrurien  ganz  eingebürgert  ist".  Auch  die  Verbreitung  der  ii- 
Formen  sei  der  Annahme  nicht  ungünstig,  dass  ein  etr.  safrna  zugrunde 
liege,  wie  denn  auch  saternas  aus  Volsinii  belegt  sei.    Im  modernen  Orts- 

12 


38  Ä.  Kdnnciujiexser. 

namen  Satrinno  lebt  diese  Namengruppe  fort,  zu  der  vielleicht  auch  Sa- 
tricum  gehört.  Fiele  vermutet,  dass  2äTQa  =  üdfaTQa  sei  und  sich  mit 
2avaTQa,  2dßaTQa  in  Isaurien  decke.  Merkwürdigerweise  haben  wir  in 
Etrurien  neben  safure  CIE  2736  (Clusium)  und  saturinies,  Fabr.  s.  3,  Garn. 
745  (Viterbo),  auch  sauturine,  satititrini.  sanfiirinial,  sautri,  sauturia,  so  dass 
diese  etruskischen  Formen  aus  den  kretisch-kleinasiatischen  Namensformen 
ihi-e  Erklärung  finden :  hierin  darf  gewiss  wieder  ein  imumstösslicher  Beweis 
für  die  kretisch-kleinasiatische  Herkunft  der  Etrusker  gesehen  werden. 

Ein  Digamma.  das  hier  in  kretisch  2c'tTQa  verloren  gegangen  ist.  hat  sich 
in  /"«coc  (andere  Formen  favtixoi',  ^Oaiog.  "A^oc)  besser  erhalten  und  wurde 
von  den  Vaxiern  in  ihren  Inschriften  bis  in  späte  Zeit  hinein  treu  festgehalten. 
Den  nichtgriechischen  Charakter  des  Namens  zeigt  schon  die  Vielheit  der 
Transskription  an.  Der  Name  kann  in  Bn.riiis,  (pacsneal,  pacsniaJ,  pac^inkd 
wiederkehren  und  in  der  dazu  gehörigen  Namengruppe  {Seh.  S.  213). 

Der  Hafen  von  fä^og  war  wahrscheinlich  'AaTäP.ij.  einen  Aminnas 
Asthts  haben  wir  CIL  Y[  647 ;  doch  ist  die  Ueberlieferung  nicht  sicher 
imd  vielleicht  Ascias  zu  lesen,  jedenfalls  kann  'AaTCc/.r]  zu  astne/  {('IE  .52) 
imd  zu  dem  öfter  vorkommenden  Asfius  gehören  {ScJi.  S.  131). 

-F.  S.  29.  Kvra  oder  Kviaiov.  Die  zweite  Form  ist  Adjektiv  der 
ersteren.  In  Kvra  steckt  wahrscheinlich  schon  ein  Gentilname .  und 
es  widerstrebte  den  Griechen,  diesen  direkt  als  Ortsnamen  zu  gebrauchen. 
Der  Name  fügt  sich  der  unter  Cofinna  bei  Schulze  S.  78  f.  zusammenge- 
stellten Gruppe  organisch  ein:  in  ciiüis  ist  die  «-Form  des  Gentilnamens 
vorhanden,  zu  welcher  cutnvns,  cidimial,  Cotonia  (Perusia)  gehören,  aber 
wir  haben  auch  Cotena  in  Falerii,  Cotinius  CIL  IH  5625,  Ciitinu  im  Ve- 
stinerlande  und  endlich  cutanasa,  welches  die  Form  ciifa  zur  Voraus- 
setzung hat,  wofern  nicht  das  a  eingeschoben  ist  und  die  richtige  etr. 
Form  vokallos  war  wie  cutni,  cutna,  oi&nai.  Jedenfalls  könnte  cida  ohne 
weiteres  als  etr.  Gentilname  fungieren;  die  modernen  Ortsnamen  Cotlignola 
bei  Faventia  und  Cnf/gnano  bei  Nola  sind  Ueberbleibsel  dieser  Namen- 
gruppe, zu  der  mir  auch  Kvötovia  zu  gehören  scheint,  das  sich  mit  Co- 
tonia genau  deckt.  Von  dem  Geschlechte  der  cidinia  =  KvÖMVsg  erhielt 
zuerst  die  Stadt,  dann  die  Landschaft  ihren  Namen.  Die  Schwierigkeit. 
Kma  mit  Kvöcovla  zusammenzubringen,  die  in  in  der  Lautstufe  des  Den- 
tals steckt,  darf  nicht  zu  sehr  ins  Gewicht  fallen.  Die  Etrusker  sprachen 
wie  noch  heute  die  Kaukasier  alle  Laute  möglichst  hinten  in  der  Kehle, 
wodurch  die  L^nterscheidung  der  Lautstufen  erschwert  wurde ;  dass  die 
Kreter  ebenso  sprachen,  geht  daraus  hervor,  dass  in  mehreren  Namen  sich 
ein  Schwanken  zwischen  Tenuis  und  Media  oder  Aspirata  zeigt:  oben  (S.  30) 
wurde  schon  KÖQ&rg  neben  FdoTVC,  Rid-vfd'a  neben  Blrv/wa  erwähnt. 
s.  auch  unten  (S.  42)  Kavdog  neben  Favöog  etc.  Ich  setze  Kvdwvia  gleich  mit 
KvTwviov,  St.  auf  der  Grenze  von  Lydien  und  Mysien.  Es  gab  auch  ein 
Kvra   im   Kolcherland.     Zu  Kvra    gehört  zweifellos    auch  KvTivog,    das 

13 


Aef/äische,  besonders  kretische  Xaiiitn  hei  den  ElnisJceni.  39 

iiuf  einem  Stein  in  Itanos  steht  (Halbhen-  Nr.  19 1;  mit  Cntiva  im  Ve- 
stinerland  deckt  sich  Kt'iivn  in  Thessalien,  zu  Cotiniits  vergl.  Kviiriov 
in  Doris. 

Tv/u(j6q  verhält  sich  zu  etr.  title  wie  Afiinaög  zu  amne ;  tiih:  steht 
CIE  376  und  433;  dass  die  letztere  Inschrift  alt  ist,  lehrt  die  dort  vor- 
kommende Form  cnvinei  (Frau  des  fide)  für  späteres  cainai.  tide  ist  = 
TidliKS,  welches  auf  etruskischem  Gebiete  in  Faesulae.  Volsinii,  Viterbo 
und  Falerii  begegnet.  Ttdlenns  kommt  CIL  VI  66.58,  Tidlnnins  in  Bene- 
veut  und  TuUienus  in  Cupi-a  Montana  und  Cupra  Maritima  vor.  Es  kann 
kein  Zweifel  sein,  dass  wir  es  in  TuUius  mit  einem  Gentilnamen  etrus- 
kischer  Herkunft  zu  tun  haben,  und  den  M.  Tidlius  Cicero  wird  man  um 
so  eher  als  Etrusker  ansehen,  als  auch  seine  Heimat,  wie  wir  oben  (S.  33) 
sahen,  einen  etruskischen  Namen  trägt  imd  auch  sein  Cognoraen  nichts  anderes 
als  eine  latinisierte  Form  eines  etr.  *  cicrit  zu  sein  scheint,  auf  welches 
die  Formen  cicu,  Cicrii<s,  Cicereius  führen  und  auf  dessen  mögliche  Gleich- 
setzung mit  Cicero  Schulze  zweimal  (S.  273  und  315)  hingewiesen  hat.  Es 
gab  allerdings  auch  noch  eine  dem  Cicero  nicht  verwandte  (illyrisch-veneti- 
sche)   gens   Tullia  (Seh.  S.  30  n),    wie  Cicero   selbst  gelegentlich  erwähnt. 

Für  die  Sicherheit  des  etr.  Ursprungs  von  tide  darf  noch  auf  das  in 
den  Agramer  Mumienbinden  vielfach  vorkommende  Wort  tul,  auch  auf 
tidar  hingewiesen  werden.  Tvh]aaög  heisst  auch  ein  Vorgebirge  Bruttiums, 
Tv/.o)v  ein  alter  lydischer  König  bei  Nie.  Dam. 

Den  Namen  'Pavxog  bringt  Fick  mit  dem  des  Dichters  'PäxiOQ  in  Ver- 
bindung unter  Berufung  darauf,  dass  neben  fdtoc,  auch  favc.ioiv,  karisch 
AäßQUvvda  neben  Aci^Qavöa  stehe.  Wir  können  noch  einen  Schritt  weiter 
gehen:  in  der  Inschrift  Sndij.  5167  steht  neben  'Pav/.ion'  auch  'Pcoxiovg 
für  die  Bewohner  von  'Pavy.og.  Damit  ist  eine  vollständige  Parallele  für 
die  etruskische  Vokalisation  gegeben ;  dass  o  und  au  nebeneinander  vor- 
kommen, ist  sehr  häufig,  wie  wir  oben  (S.  38)  schon  saturine  neben  sauturine 
notiert  haben;  für  den  nämlichen  Vokal  tritt  aber  auch  i(  =  gr.  o)  ein; 
dies  ist  z.  B.  der  Fall  bei  der  Familie  Bafia  in  Perasia,  deren  Mitglieder 
in  derselben  Grabkammer  bald  ruft,  bald  raiifi.  bald  rufi  genannt  werden. 

Wenn  man  hüben  in  Perusia  ebenso  wie  drüben  in  Kreta  bei  der 
schriftlichen  Fixierung  der  Laute  in  gleicher  Weise  schwankte,  so  müssen 
die  Organe,  mit  welchen  dieselben  gesprochen  wurden,  auch  die  gleiche 
Struktur  gehabt  haben.  Da  die  Kreter,  wie  schon  oben  gesagt,  die  Laut- 
stufen der  Mutae  fast  gar  nicht  unterscheiden  konnten,  werden  wir  kein 
Bedenken  tragen,  neben  kretisch  'Pdy.iog  etr.-lat.  Euf/iKS  CIL  5915  (Anag- 
nia).  Eagaieiia  (VI  25352)  imd  Rac/oniiis  (V  3725  Verona)  zu  stellen;  über 
den  letzteren,  der  L.  Bac/oniits  Üriiiatius  Larciiis  Qi(intiaiiits  heisst,  be- 
merkt Schulze  S.  87 n.  dass  ihn,  wenigstens  in  ethnographischem  Sinne, 
das  Zusammentreffen  von  Larcixs  und  üriuatius  lokalisiert ;  wir  haben  in 
ihm  einen  echten  Etrusker  vor  uns. 

14 


40  ^4-  KnnneiKjiesser, 

Qevai  bei  Lyktos  ist  zwar  in  altetruskisclien  Namen  nicht  vertreten, 
aber  Tenetiiis  und  Tcnatius  tragen  ein  durchaus  etr.  Gepräge,  einer  des 
letzteren  Namens  stammt  aus  Ateste,  ein  anderer  aus  Verona,  aus  letzterer 
Stadt  auch  ein  Tcmufmo ;  Tcnadns  begegnet  dreimal,  Tenatknuts  und  Tcu- 
neiiis  je  einmal. 

Li/ktos  liiess  nach  Hesych.  früher  KaQ)'ijaa<'>no?,.ig  und  dieses  nach  Fick 
ursprünglich  KaQvaanöc.  gleichlautend  mit  'Ah-y.ciQvaaaög.  Dies  gehört 
zu  der  Gruppe  etr.  cnrnü.  die  man  bei  Schulze  S.  146  und  306  zusammen- 
gestellt findet. 

Mika%oc,  ist  =  MUasiuR  CIL  VI  2662  u.  ö.,  Miliaslus  XI  1878  (Pi- 
sae),  Milassius  XI  6683  (Umhrien) :  vgl.  milaei  CIE  234  (Saena) :  SJilomns, 
Mülenius,  Milkn'ms  xmd  besonders  das  bekannte  Cognomen  Milo '). 

„AqVjQOc,  ist  eigenartig  gebildet",  doch  entspricht  ihm  genau  der  Fluss 
Trent.s  fl.  Sacco  oder  Tolero  im  Hernikerlande.  das  ebenso  wie  das  Vols- 
kerland  von  etniskischen  Namen  wimmelt.  Nissen,  Ital.  L.  S.  647,  tritt 
allerdings  für  Nibbys  Vermutung  ein,  dass  Treriis  nur  für  Tokrits  ver- 
schrieben sei :  da  indessen  l  imd  n  ebenso  im  Etruskischen  häufig  wechselt 
(vgl.  mze  neben  nu.zlxne  in  den  Mumienbinden  VIII  14,  axmcmrnn  = 
'Aycq(ifiPO)v),  ebenso  vde  in  den  griechischen  Namen  hattidischen  Ursprungs 
(z.  B.  TsP.fUjaaöc  =  TeQfiijaaöc),  so  kann  Tolerus  mit  eingeschobenem  o 
sehr  wohl  eine  —  vielleicht  auch  infolge  von  Dissimilation  eingetretene 
—  jüngere  und  Trcnis  die  echt  etruskische  Form  sein.  Nicht  unerwähnt 
darf  indessen  bleiben,  dass  es  auch  ein  thrakisclies  Volk  Tq)]qoi  gab  und 
die  Frage,  ob  Thraker  nicht  auch  früh  nach  Kreta  gekommen  sind,  noch 
nicht  entschieden  ist. 

AÜTcog,  Bewohner  Adriot.  Dass  die  Lathü  von  hier  stammen,  hat 
schon  Wirth  vermutet  {PulU.-Anthrop.  Herta'  VI  207);  es  erscheint  aber 
im  höchsten  Grade  wahrscheinlich,  dass  wir  auch  den  Hafen  von  Latos 
KafidQCC  in  Italien  wiederfinden  und  zwar  mehrfach,  zunächst  in  dem  alten 
Namen  von  Clusium,  der  Canutrs  lautete,  auf  Münzen  Cha  abgekürzt  ist. 
Derselbe  Name  kehrt  wieder  in  Cameria  in  Latium.  Cauier/)iiiiii  in  Um- 
brien  und  der  gens  der  Camerfes.  Dass  diese  Namen  zu  Ea^iÜQU  ge- 
hören, wird  auch  dadurch  bestätigt,  dass  sie  im  Griechischen  mittleres  n 
statt  lat.  e  bezw.  auch  n  statt  e  haben:  KaficiQia  neben  KafiEQia  und 
KafiaQlfor.  Wenn  es  nun  in  Kreta  einen  Hafen  Kctfiäga  von  Latos  gab 
und  die  Bewohner  desselben  Adnoi.  oi  ngög  7i'a//«^a/  heissen,  so  haben 
wir  darin  einen  unverkennbaren  Fingerzeig  für  den  Ursprung  von  La- 
tium und  Camars,  Cameria  etc.  Dass  beide  Namen  sich  in  engster  Ver- 
bindung in  Etrurien  und  Latium  wiederholen,  kann  doch  kaum  mehr  als 
Zufall  angesehen  werden,  lässt  vielmehr  nur  die  eine  Deutung  zu,  dass 
die  Aäiioi    von   Latos    und   Ka^idga  in  Kreta    aus    auf  italischem  Boden 

1)  Für  die  Endung  atos  zieht  Fick  auch  t| '0();«irov  (Kalymna"!  heran:  vgl.  Orca, 
Orcius,  Orcinius,  Orchifius  etc.  Schulze  S.  68  und  364. 

15 


Aci/iiischi'.  hcsomlers  JcrcfiscJic  Xitiiien  hei  <lcii  Etrtiskcrn.  41 

kolonisiert  lialien.  Die  Laiini  sind  also  Söline  oder  Verehrer  der  Lato ; 
denn  der  inschriftliche  Genetiv  des  Hafens  Latos  heisst  Aaiü.  der  Dativ 
Aaxibi  etc.  (Fick  1.  c.  S.  29);  die  Aaxö)  oder  ^'1»;tw  ist  eine  Hauptgott- 
heit  der  älteren  Bevölkerung  Griechenlands  gewesen,  sie  besass  die  älte- 
sten Orakelstätten.  Zu  der  nämlichen  Sippe  gehört  ferner  Camcre  ager 
in  Bruttium  (Ovid,  Fast.  III,  582).  Auf  Sizilien  haben  wir  Ka/iÜQtva, 
in  Hispania  Tarrac.  KafiÜQxa.  In  der  weiteren  Verfolgung  dieser  Kette 
treffen  wir  die  KufiaQhai  in  Albanien  zwischen  dem  Kaspischen  und  dem 
Schwarzen  Meere,  sie  heissen  genau  ebenso  wie  die  Bewohner  von  Ka- 
ficcQa  auf  Kreta.  Eine  Gruppe  arabischer  Inseln  heisst  Kafiagtivoi.  die 
man  als  „Mondinsebi"  gedeutet  hat:  denn  kamar  heisst  arabisch  „der 
Mdtul" :  auch  in  Indien  heisst  eine  Stadt  Ka/MQa  an  der  Mündung  des 
XäßijQog.  Aber  auch  in  Chaldäa  haben  wir  eine  Stadt  Ka/^aQiri],  so 
nennt  Eupolemos  Abrahams  Vaterstadt  Ur  bei  Euseb.  praep.  ev.  9.  17 
(Hommel,  Gnindr.  S.  383).  Diese  Bezeichnung  der  Stadt  Ur  rührt  offen- 
bar daher,  dass  sie  eine  Hauptstätte  des  Mondkults  war.  Es  ist  nicht 
unmöglich,  dass  auch  den  kretisch-etruskischen  Namen  desselben  Stammes 
ein  alter  Mondgott  zu  Grunde  liegt. 

Kehren  wir  noch  einmal  nach  Italien  zurück,  so  hatte  Nissen  aus 
der  Uebereinstimmung  des  Namens  Camars  von  Clusium  mit  demjenigen 
der  Caniertes  etc.  den  Schluss  gezogen,  dass  jener  umbrischen  Ursprungs 
sei ;  dass  das  Verhältnis  gerade  umgekehrt  liegt,  erscheint  mir  wahrschein- 
licher auf  Grund  des  ganzen  bei  Schulze  S.  139  ff.  dargebotenen  Materials. 
wenn  auch  nicht  zu  leugnen  ist.  dass  auch  umbrische  und  lateinische  An- 
sprüche an  diese  Gruppe  vorhanden  sind. 

Eine  weitere  Bestätigung  für  die  Herkunft  des  Latinernamens  aus 
Latos  geben  die  Inschriften  dieser  Stadt,  die  verhältnismässig  viel  Namen 
bieten,  die  in  Etrurien  Verwandte  haben : 

KÖQd-vg  Smig.  5079  ist  oben  (S.  30)  schon  erwähnt.  Die  hexametrische 
Inschrift  Smic/.  5083  rührt  von  einem  Aviiwv  her,  vgl.  etr.  auta  CLE  369. 
ait^nal  384  (Arretium),  autnl  4304  (Perusia),  untti  4250  ft'..  aidks  1276 
(Clusium).  lat.  Aidius,  Ätid-ius,  Aufoiiiiis  etc. 

In  der  Inschrift  Sndfj.  5080  heisst  es:  Atayecov  y.oafiiövroji'  iwv  ahv 
ndvd-ai  T(b  Aeiiikw.  Der  Name  dieser  Phyle  der  Aia^siS  ist  offenbar 
in  etruskisch  es^xna,  Aesdonius,  Escionia,  ferner  vielleicht  in  Acschiones, 
fundiis  AcscJänianus  in  Veleia  und  Rom,  Esquilius  vertreten;  der  Name 
LIävd-oyv  gehört  zu  pantna,  pand-(v)cnisu,  panUsil  (Fabretti  803)  etc.,  und 
AeiTi?.OQ  zu  Ddelius,  Detellius.  In  derselben  Inschrift  findet  sich  ein  MeÄcc- 
VOQ,  möglich  dass  er  zu  griechisch  filÄag  gehört,  wahrsclieinlicher  zu  etr. 
mehieaJ,  melida. 

Und  der  Avaaofiivrjg  derselben  Inschrift  wird  wieder  einen  etr.  Namen 
mit  tun  enthalten  und  zu  der  in  Etr.  zahlreich  vertretenen  Gruppe  der 
Lnseni,  Lusins,  Lussius  etc.  (Schulze  184),  vielleicht  auch  zu  hisce,  hiscni, 

16 


Aäfi(üP  St.  Kreta   — 
Adfiog  Ort  und  Fluss  Kilikien  — 
AdfivQog  P.  N.  Latos  Snilg.  5076 
AdfivQog  Fl.  Lykien  und  Böotien 


42  ^1-  Kannen giesser, 

Luscenius  (Scluilze  1.  c.)  gehören.  Bei  Ephesus  »ab  es  ein  Avaaov  öqo:. 
eine  Stadt  Lvaivia  in  Pisidien.  eine  Stadt  Aoraoi  oder  Aovaaoi  in  Ar- 
kadien, einen  Demos  Aovatd  in  Attika. 

Smig.  Nr.  5075  enthält  auch  manches  Vorgriechische,  einiges  wird  im  An- 
schluss  an  Fick  besprochen:  ich  hebe  ausserdem  hervor  ig  Svdcfvag  und  vgl. 
damit  Suavithus,  Siiavettiits,  Siiavitius,  Suavitfi  mit  dem  etr.  Suffix  i^i{e). 

Fick  S.  30 :  Der  Fluss  'EAZrjv  wird  wohl  ursprünglich  ein  -F  ge- 
habt haben ,  wie  die  Helena  etruskisch  auch  Velena  genannt  wurde. 
Dann  ist  die  bei  Schulze  S.  99  zusammengestellte  Gruppe  „  Velina "  her- 
anzuziehen, die  in  ihren  überaus  zahlreichen  Mitgliedern  auch  VeJlemis, 
VeleniKS.  VeUenhis,  VeUiniits  zählt  und  schliesslich  ebenso  wie  "EkvQog 
Velurius  zum  Vornamen  vel  gehört. 

Fick  S.  31  :  Zu  Adtiav  stelle  ich  nur  folgendes  gegenüber: 

ad  Lamnas  b.  Tibur 
Lametus  Fl.  Bruttium 
Lamyrus,  Rutuler  bei  Vergil 
Lamyrus  und  LmngrinnHS.    Etrusker 
Schulze  S.  87 
AdfuiQa  Stadt  Lykien 

Adfiia  St.  Thessalien  Aa/üi'iov  St.   Hisp.   Tarr. 

Aa^uiaQ  Athener  Lamia  Cognomen  der  gens  Aelia 

Adftog  König  der  Lästrygonen  AdfiOQ,  Rutuler  bei  Vergil. 

2ov/.ia  stimmt  zu  Sulenius,  SuUenius,  etr.  suliis  und  st(I{ii)nia  (Clu- 
sium),  fundtis  Solonianus  und  Solianus  (Veleia).  Eine  Solonia  Sahina  ist 
Gattin  eines  JidnisjK.i-  Tiiccius,  „der  Beruf  ihres  Mannes  legt  den  Gedanken 
an  etruskische  Herkunft  nahe"  (Schulze  S.  239).  Solloniiis  begegnet  in 
Verona  und  Mailand.  SoUo  ClE  XI  6700  ess,  Solonius  und  SüIUks    öfter. 

"ÄZaaaa  hatte  ursprünglich  wahrscheinlich  ein  ■/"  und  ist  abgeleitet 
von  etr.  vala,  Vala  und  hat  selbst  Weiterbildungen  in  Valasenins,  Vala- 
siniiis,  Valasennus  (Schulze  S.  376).  Ohne  Digamma  reüit  es  sich  einer 
andern,  wie  es  scheint,  auch  etruskischen  Gnippe  ein,  die  bei  Schulze 
S.  345  verzeichnet  ist  und  u.  a.  einen  AJasiniiis  aufweist. 

Ki]ay.(bQa  SmJg.  5000  11  stellt  Fick  zu  Kiay.og.  Hafenstadt  in  Pamphy- 
lien.  Dazu  wird  die  bei  Schulze  S.  353  gegebene  Gruppe  gehören :  Casca, 
Casdns,  CasceUiiis,  Gasciis,  und  was  besonders  zu  beachten  ist,  das  Cog- 
nomen Casco  und  Casconia.  „Dass  die  Römer  Casca  zu  cascus  gedeutet 
haben,  sagt  Schulze  1.  c,  ist  selbstverständlich,  ob  sie  richtig  gedeutet 
haben,  ist  eine  andere  Frage. " 

Die  Insel  Kavöog  hat  eine  Nebenform  Favöog  (ausserdem  auch  Klav- 
dog),  ebenso  wechseln  in  Italien  (Seh.  148)  Caudius,  CandelUus,  Caudina, 
Caiiden-  mit  Gaitdienns,  GandeUiiis  und  weiter  mit  Caiitius,  CatiUmis, 
Gautius,  cantias,  cau^ial,  Cauthia.  Diese  Gruppe  ist  wieder  ein  schlagen- 
der Beweis  für  die  Unfähigkeit  der  Etrusker  bezw.  Kreter  die  Lautstufen 

17 


Aegüische,  hesomlers  hrdische  Nniiini  hei  flau  Etniskcni.  43 

fler  Mutae  zu  unterst-lioiden.  Zur  <?ens  Caiidia  geliört  das  l>eriihmte  Caii- 
(Jiiim  im   Hirpinerland  (s.  Schulze  560). 

Fick  S.  32 :  Der  Name  ITQiai'aog  hat  keinerlei  nahe  Verwandte  in 
Etrurien,  wohl  aber  gibt  es  eine  etr.  Göttin  Fri,  die  besonders  in  der  In- 
schrift von  S.  Maria  di  Capua  mehrfach  vorkommt,  vielleicht  leiten  sich 
Privernum  und  Prifernum  von  ihr  ab,  denn  die  Namen  auf  fer  sind  etrus- 
kisches  Sprachgut,  cf.  Caefer  (Schulze  297A  Mefcnia  und  Trifenm  (Schulze 
107  n.  1  u.  378),  Volferna,  velfems,  veJfrei  (Schulze  103  f.).  Auch  prkesa 
(Schulze  134),  Briafia  CIL  XI  1865  u.  a.  mögen  zu  dieser  Gottheit  in  Be- 
ziehung stehen. 

JIi'Qavd'0(^  und  karisch  Ili'(}tvöog  gehören  zu  etr.  j)iire  und  seiner 
zahlreichen  Familie  (Schulze  S.  217).  In  den  kretischen  Inschriften  finden 
wir  häufig  den  Namen  IIvQcog.  Wenn  ITvQavd'og  eine  diminuierte  Form 
ist.  entspricht  ihr  PitreUhis  CIL  2368;  die  Inschrift  ist  aus  Allifae,  wo 
auch  sonst  etruskisch-lateinische  Inschriften  mehrfach  vorkommen.  Nahe 
bei  Orvieto  liegt  (mO)  Pornno  (Schulze  1.  c). 

Für  "Ivarog  ist  die  Giimdform  fivaTog.  Hesj'ch  nennt  den  Ort  Eiva- 
Tov.  ebenso  kennt  er  ein  E'ivaiov  in  Lykien.  Es  ist  klar,  dass  fivaxog 
der  Personenname  ist,  der  dem  Ort  den  Namen  gab,  wir  treffen  ihn  wieder 
in  V/nafius  CIL  XI  6712  484;  er  gehört  zu  der  weit  verzweigten  Sippe, 
deren  Stammvater  vina  hiess  (Schulze  380). 

Zu  'Pvtiov  und  'PvTiaaaög  haben  wir  die  Personennamen  ebenfalls 
in  Etrurien,  und  zwar  in  ridia  CIE  2697  sqq.  (Clusium),  latinisiert  Rutiits 
CIL  V  932,  ferner  ri(fsnei  CIE  4083  ff.  (Perusia)  u.  a.  (s.  Schulze  S.  222). 

„Die  Nachbarstadt  von  .Fivarog  gegen  Osten  nennt  Stephanos  Biev- 
rog,  sie  hiess  in  Wahrheit  Biavvög.  die  Einwohner  Biürrtoi,  wie  die 
Inschriften  zeigen,  womit  der  heutige  Name  Viano  übereinstimmt".  Hier- 
nach erklärt  Fick  es  für  fraglich,  ob  der  Anlaut  ursprünglich  B  oder  J' 
ist.  In  Italien  haben  wir  entsprechende  Formen  mit  h  und  e,  und  zwar 
Bienus.  BiemiKS  CIL  XI  972  (Regium  Lepiduml.  Bknm  VI  10006.  13584, 
Biennius  CIL  VI  13584.  Schulze  S.  133  hat  mit  diesen  Namen  auch  Benus 
verbunden,  das  wir  oben  (S.  32)  zu  Bi]vrj  oder  Bivva  gezogen  haben.  Die 
Namen  mit  und  ohne  i  sind  mit  Rücksicht  auf  die  beiden  kretischen  Orte 
wohl  zu  sondern.  Bkihia,  den  inschriftlichen  Namen  des  Chaldenlandes  am 
Van-See  ^)  hätte  Wirth  -)  mit  Bkvvög  nicht  mit  Byv?]  vergleichen  sollen ; 
in  der  Tat  ist  ein  Zusammenhang  zwischen  beiden  nicht  unwahi'scheinlich. 
da  nach  Lehmann-Haupt  ■')  die  Biainier  aus  dem  Westen  Kleinasiens  nach 
Armenien  gewandert  sein  sollen. 


1)  [S.  dazu  besonders  die  grosse  Inschrift  König  Kusas'  II  Z.  41.  und  die  Bemer- 
kungen dazu  ZDMG  -56  (1902),  S.  114,  vgl.  Bd.  .58  (1904).  S.  8.31.    C.  F.  L.-H.] 

2)  PoUtisch-Antkrop.  Revue.  1.  c.  S.  233. 

3)  Materialien   zur  älteren  Geschichte  Anneniens,  Göttingen   1907,   S.  120  ff.  und 
Sitzungsber.  der  Berliner  archäol.  Ges.  Nov.  1907  Nr.  32,  S.  .56  ff. 

18 


44  A.  Kannengiesser, 

Md?JM,  vermutlich  unweit  Biawög  (kilikisch  Ma/Üög),  hat  in  Italien 
eine  grosse  Sippe  maahms  ClE  4083,  mahutienas  ClE  177  (Sena),  malavi- 
sina  CIE  2570  (Clusium)  sind  etruskische,  Mallins,  MaJaniiis,  Malinins. 
Mafetini,  Malisini ,  Malonil  latinisierte  Formen,  vielleicht  gehört  auch 
MaJo  CIL  3924  dazu  (s.  Schulze  S.  313). 

Fick  S.  33:  KvQßa  (auch  in  Karlen  und  Pamphylien)  alter  Name  für 
'JeQCtTivTva,  ist  wohl  die  Heimat  des  Kiirpenns  oder  Kurrenas,  CIE  383 
(Aretium),  der  Ciirpenü  und  der  Curpennii.  Wahrscheinlich  ist  KvQßa 
direkt  identisch  mit  curre  CIE  1797,  2060  sq.  (Clusium),  und  es  gehören 
dazu  auch  die  Curvinii  \md  Ciinni.  Die  Formen  citrifpena  CIE  1458  (Clu- 
sium) und  curspia  4311  (Perusia)  gehören  nach  Schulzes  Vermutung  viel- 
leicht auch  hierher,  ähnliche  Beispiele  eines  eingeschobenen  s.  dessen 
Funktion  ims  einstweilen  dunkel  bleibt,  hat  Schulze  S.  156  mehrere  ange- 
führt.   KvQßa  lebt  weiter  im  modernen  Ortsnamen  Corhignano  bei  Florenz. 

In  dem  Haaptorte  am  Ostende  Kretas,  „wo  sich  die  Urkreter  am 
längsten  erhalten  haben",  in  IlQaiaüc,  haben  wir  sicher  einen  Ausgangs- 
punkt für  zahlreiche  etruskische  Geschlechter.  In  Clusium  haben  wir  die 
einfachste  Form  presii.  dessen  e  wie  häutig  im  Etruskischen  über  (/  aus 
ai  entstanden  ist,  was  durch  die  Formen  preisnte  (neben  presnte)  und  die 
lateinischen  Formen  Praesidiiis  (neben  PresicUus),  Praesenfes  und  das  ge- 
rade auf  etr.  Gebiet  sehr  oft  vorkommende  Praesentius  erwiesen  wird.  Die 
Form  preisnd'e,  die  bei  Schulze  S.  210  Anm.  6,  wo  die  übrigen  zu  finden 
sind,  noch  fehlt,  steht  jetzt  CIE  5102  (Orvieto). 

Aus  dem  Vertrage  zwischen  Itanos  und  Praisos  seien  erwähnt:  lg 
AoQ&öt'vag,  dieses  eigentümliche  Lautgebilde  scheint  in  Ditnliiis,  Dio-dcn/is. 
Dnrdenius,  Tmiellius,  Titrtiirius.  etr.  titrte  {CIE  3007)  und  imiia  2975 
(Clusium)  seine  Verwandten  zu  haben.  —  ig  löv  Mö/./.oi>  vgl.  Molo.  MoJ- 
lius,  MoUetiiis,  Mollifius,  MolUrii(S  (Schulze  S.  428).  —  öi'  Argüra  vgl. 
ntru,  atrioiias,  Ätronius  (Schulze  S.  269). 

Fick  S.  34 :  ^i]tüi].  Sr/TÖg  Kilik.,  2i]Toi  Bithyu.  vgl.  Sctia  im  Volsker- 
lande,  Setiiis  (gr.  3/)t/oc).  etr.  .'ie&na,  lehut,  Setinius,  Setonius  etc.  (Schulze 
S.  231  und  560). 

'^'Iffog.  Dazu  gehört  wohl  nicht  etr.  asi,  da  es  nach  Schulze  S.  214 
aus  axsi  entstanden  ist,  wohl  aber  asna,  asati,  osk.  Asis,  Asinias  etc. 
(Schulze  129). 

Niu-  inschriftlich  bezeugt  sind  'Efjiovioi,  Nebenform  ^Egäwioi.  Das 
letztere  veranlasste  mich,  den  Namen  im  heutigen  Veran  Episcopi  zu 
suchen,  das  seinen  Beinamen  vielleicht  führt  zur  Unterscheidung  von  dem 
nicht  gar  weit  entfernten  Veriana.  Dann  hat  der  Name  ein  Digamma. 
und  es  scheint  höchst  wahrscheinlich,  dass  er  mit  Verona,  das  eine  Etrus- 
kerstadt  war,  identisch  ist,  obwohl  das  e  in  Verona  lang  ist.  Dieses  ist 
„direkt  identisch  mit  etr.  veru^  {Seh.  S.  574),  das  zu  einer  sehr  verbrei- 
teten Sippe  gehört,  vgl.  VcroniKs  CIL  XI  3943  (Capena).  X  4890  (Vena- 

19 


Aegäische,  besonders  kretische  Niuiien  hei  den  FJntsliern.  45 

fluni),  auch  Verro)iiiis  IX  362,  407  (Cauusium).  Docli  kommt  auch  L'ro- 
niiis  CIL  XI,  6045  vor. 

Kavpoc,  St.  hl  Kreta  und  in  Kurien,  wohl  entstanden  ans  Ka.Frn:. 
gehört  zu  Caxniiis.  Gaiiiüa,  cavinei  (Volaterrae).  Carinius,  Gavinins  etc. 
(Schulze  S.  76).  Der  Name  cavinei  wird  später  zu  cainei,  wie  schon  ohen 
erwähnt ;  dies  bringt  uns  auch  Aufklärung  über  den  Namen  des  Lapithen- 
königs  EaivEvg,  der  aus  *  Kafivevi;  entstanden  sein  wird. 

'Okovg  hält  Fick  S.  13  für  gi-iechisch  und  bringt  es  zu  .FöP.og,  das  wohl 
„Rundstein"  heisse.  in  Beziehung;  er  nimmt  zwei  ursprüngliche  Diganima 
in  dem  Worte  an :  *  foP.d.FEvg :  ich  leite  den  Namen  von  etr.  rehid-  ab  und 
glaube  unter  Berufung  auf  die  Wiedergabe  dieses  Namens  in  pränestinisch 
VolntiUiis,  Volentiliiis  und  Volunfilins,  dass  sich  hierauf  sämtliche  über- 
lieferte gi-iechisehe  Fonnen  des  Namens  der  Stadt  und  ihrer  Bewohner 
zurückführen  lassen.  Wir  besitzen  aus  Olus  ein  paar  Inschriften,  die 
mehrere  vorgriechische  Namen  enthalten.  So  finden  wir  Smlg.  5107 
einen  Tv/äaiog,  der  einen  Namensvetter  aus  Mallos  in  Smig.  4941  (Ap- 
tara)  hat.  Die  ungriechische  Endung  -daiog  legt  die  Vermutung  nahe, 
dass  der  Name  nur  gräzisiert  ist  und  mit  Ti'xt]  nichts  zu  tun  hat ;  dann 
gehört  er  zur  Gruppe  Ducenius  (Schulze  S.  160),  zu  etr.  tucmenas,  und  es 
liegt  die  Vermutung  ebenfalls  nahe,  dass  Tvxcc/ih'rjg  Smlg.  4948  b  und 
4951  (in  letzter  sogar  ein  TvxafiEvijg,  Tv/aj^ihnog)  auch  nur  gräzisierte 
Formen  eines  ungrieehischen  Namens  mit  -^iva  sind,  so  dass  sogar  die 
direkte  genaue  Entsprechung  dafür  in  tucmenas  vorliegt,  wofür  wieder 
das  oben  zitierte  tucmnsna  nur  eine  Variante  ist.  Eine  andere  Inschrift 
aus  Olus  [Smlg.  5104)  lehrt  uns  einen  Damiurgen  'ÄQoiag  kennen,  vgl. 
Silva  Arsia,  Arseniiis,  Arsellins,  Arsnins,  Arsiiis,  Arsina,  arzni,  Arsuniuciis. 
Genau  so  wie  der  Damiurg  aus  Olus  heisst  griechisch  der  Fluss  Arsia. 
der  Grenzfluss  von  Oberitalien  und  Illyrien.  'Agata  heisst  aucli  die  Um- 
gegend vom  See  'Agarjau  (Van-See).  wo  die  hattidischen  Biainier  oder 
Chalden  wohnten,  AQOijZig  ein  König  der  Myleer  in  Karlen. 

Dieselbe  Inschrift  Sndg.  5107  macht  uns  auch  mit  einem  Damiur- 
gen AoxQirojv  bekannt.  Stammt  der  ausLokris?  Vielleicht.  Aber  die 
L  0  k  r  e  r  waren  nach  der  Ansicht  der  Alten  L  e  1  e  g  e  r,  und  derselbe 
Name  kann  sich  auch  anderswo  bei  stammverwandter  Bevölkerung  ent- 
wickelt haben.  Zu  der  lelegischen  Namengruppe,  zu  der  die  Loxqoi  ge- 
hören, stellen  die  Etrusker  ein  grosses  Kontingent:  Im^qe  (Luceres),  Locritis^ 
Lucernius  Lucretins  (gr.  AoxQiiJiog),  Loccr{iiis?),  Liicrianns,  Lucrinius, 
fitndus  Locresianus  in  Veleia. 

Ein  Grabstein  aus  Olus,  Sndg.  5108,  trägt  die  Inschrift :  (I>i/.tg  Kij- 
Kijvog.  Die  zahlreichen  Verwandten  dieses  KrjXrjV  haben  wir  bei  Schulze 
S.  273:  Cccanias  CIL  XI  6712  mg,  Geganius  6223,  Gigennius  (das  Schulze 
S.  220  einen  „ganz  etr.  Namen"  nennt)  CIL  VI  2379a.  zahlreich  in  Sas- 

20 


46  -i-  Kannengiesser, 

sina,  ferner  vielfach  etr.  cku  und  äcunia,  Gigennaus  CIL  VIII  s.  18065, 
das  Quartier  der  Ciciiicnses  in   Hom  etc. 

Eine  Inschrift  von  Elyros  Smlg.  4960  macht  uns  mit  einem  Kosmen 
TvQßaaog  bekannt;  der  Name  hat  besonderes  Interesse;  da  er  nicht  grie- 
chisch ist,  so  ist  auch  das  Fest  TvQßi],  das  auf  dem  Chaongebirge  zwi- 
schen Arges  und  Tegea  dem  Dionysos  gefeiert  wurde  (Paus.  II,  24.  6).  nicht 
etwa  ein  d-ögvßoc.  auch  "Ajiö/.äiov  TvQß>]vög  (Hes.)  kein  Gott  des  Win-- 
warrs,  sondern  wir  haben  in  diesem  Namen  einen  alten  Gott  zu  suchen, 
an  dessen  Stelle  in  ArgoHs  der  Dionysos  getreten  und  der  anderswo  mit 
ApoUo  identifiziert  ist.  Hesychs  Glosse  ivQßaaia  yoQÜv  äytayi]  rig  öid^v- 
QUfißixwv  bezieht  sich  jedenfalls  auf  die  Aufführang  am  Feste  zu  Ehren 
dieses  Gottes  Tvgß-  und  wird  auch  mit  ivQßt]  ■=  avQßij  nichts  zu  tun 
haben.  Ein  Verehrer  oder  Nachkomme  dieses  Gottes  steckt  im  Namen 
Tvgßaaog.  Jenen  Apollo  finden  wir  in  Turpenus  pater  in  Praeneste  in- 
schriftlich wieder,  also  in  einer  etruskischen  oder  halbetruskischen  Stadt: 
seine  Nachkommen  oder  Verehrer  finden  wir  an  vielen  Orten  als  Turpilii, 
einen  Tnrpüimts  in  Falerii,  einen  TitrpiUenus  CIL  VI  27774,  etr.  turpli 
in  Perusia,  auch  je  zwei  Tiopkiii  und  Tnrpedii  und  zweimal  das  Cognomen 
Turpio  (bei  einem  Ambivius  und  einem  Antistius).  s.  Schulze  S.  246  und  308. 
In  Kreta  begegnet  von  demselben  Stamme  noch  ein  TvQßatog  in  der  In- 
schrift aus  ÜATtakina  5055  a. 

Zwischen  Kreta  und  dem  Peloponnes  lag  eine  kleine  Insel  namens 
"Qyv/.OQ  ;  Fick  hält  den  Namen  für  griechisch  und  leitet  ihn  von  einem 
Adjektiv  cbyv^.og  =  krumm,  gebogen  ab,  das  in  (hyv?J.oi<TO  =  avvey.aj.i7i- 
lOVTO  (Hes.)  stecke.  Aber  der  Name  müsste  dann  m.  E.  'Qyv/.t]  lauten: 
der  Name  wird  vielmehr  vorgriechisch  sein ;  dann  haben  wir  in  dieser 
Insel  wahrscheinlich  die  Heimat  der  plebeischen  gern  Ogulnia,  wie  aus 
folgenden  Inschriften  klar  erhellt  (Schulze  150  f.):'  Ocidmiis  CIL  2097 
(Clusium),  4901  (Spoletium)  VI  23  427,  ferner  Ocuhihis  ani  Münzen,  Ogiil- 
iiius  CIL  6064  (Minturnae).  XIV  1423  Ostia.  3979  f.  Nomentum,  L.  Ogithii 
V  8112  62,  OyUnia  CIE  2075  =  CIL  XI  2479  (Clusium),  mlina  CIE 
4502  (Perusia),  uclnial  2571  (Clusium),  Oc(ii)Jatius  (c.  12  mal)  und  Oda- 
tinius  cons.  218.  Ob  die  übrigen  Formen,  die  Schulze  S.  150  n.  4  heranzieht, 
a{u)cilnia,  audina,  adiiie.  und  der  oskische  Vorname  AuJcil  nebst  Ocellius, 
Aucilius,  sowie  Aiicideni  imd  Auceius  auch  hierher  gehören,  ist  leider  nicht 
zu  entscheiden.  Die  Formen  mit  au  führten  Schulze  zu  der  Vermutung, 
dass  es  möglicherweise  zwei  verschiedene  Ogidnü  gegeben  habe,  einen  mit 
kurzem  und  einen  mit  langem  o.  Da  wir  das  Analogon  von  Bavy.og,  Rä- 
y.og,  Röjy.og  haben  sowie  von  rafi,  raitfi,  rufi,  so  können  sämtliche  obige 
Formen  mit  /  auf  das  dem  griechischen  "QyvZog  entsprechende  vorgrie- 
chische Wort  zurückgehen,  die  Quantität  düi'fte  bei  der  Uebertraguug  des 
fremden  Wortes  ins  Lateinische  kaum  ins  Gewicht  fallen.  Wenn  aber  Ogid- 
nius  zu  Auddiiis  gehört,  dann  kann  eine  erst  auf  italischem  Boden  vorge- 

21 


Aef/äisrhc.  hcfioitdcrs  Irdische  Namen  hei  den  Efnislieni.  47 

gan^ene  Nanienbihlung  aus  ilcin  Stamme  Aiir-  unter  anderem  auch  zu 
dem  Namen  Oeulniiis  gefulirt  haben,  so  dass  wir  in  der  Insel  "üyvXoq  nicht 
die  Heimat  aller  jener  Etriisker  zu  sehen  hätten,  sondern  nur  dieselbe 
Namenentwicklung.  Allerdings  wäre  ja  auch  eine  Rückkehr  zu  einfacherer 
Namensform  wieder  denkliar,  so  dass  alle  Träger  obiger  Namen  doch  aus 
'QyvAog  stammten.  Solche  Fragen  müssen  leider  unbeantwortet  bleiben  ; 
sicher  ist,  dass  die  Ogulnier,  wie  schon  Schulze  ausdrücklich  feststellte, 
etruskisch  und,  wie  ich  nunmehr  hinzufügen  darf,  hattidisch  sind. 

Das  Ergebnis  imserer  Untersuchung  lässt  sich  in  wenige  Worte  zu- 
sammenfassen : 

Die  altkretischen  Ortsnamen  scheinen  durchweg 
mit  Personennamen  in  Zusammenhang  zu  stehe  n.  D  i  e 
grosse  Masse  dieser  Ortsnamen,  insbesondere  die  Na- 
men fast  aller  (vielleicht  aller!)  an  der  See  liegenden 
Orte  Kretas  kehren  in  i  t  a  1  i  s  c  li  e  n  Orts-  und  Personen- 
namen wieder,  die  e  t  r  u  s  k  i  s  c  h  e  n  Ursprungs  sind,  ebenso 
ein  grosser  Teil  gelegentlich  vorkommender  kreti- 
scher Personennamen.  Es  m  u  s  s  daher  eine  a  u  s  s  e  r- 
ordentlich  starke  Einwanderung  in  Italien  aus  Kreta 
oder  aus  Ländern  erfolgt  sein,  die  eine  mit  der  alt- 
kretischen stammverwandte  Bevölkerung  hatten.  Es 
bedarf  nur  noch  einer  genaueren  l'^ststellung  des  An- 
teils, den  die  übrigen  Länder  und  Inseln  des  ägäischen 
Meeres  an  der  Besiedeln ng  Italiens  gehabt  haben. 

Gelsenkirchen. 


22 


48 


Ueber  die  wirtschaftlichen  und  politischen  Verhältnisse  bei  den 
Germanen  zur  Zeit  des  C.  Julius  Caesar. 

Von  Otto  Th,  Schulz. 

In  der  Einhititnci  in  das  Studium  der  Alten  Geschichte  vom  Jahre  1895 
findet  sich  folgender  Satz  aus  der  Feder  Kurt  Wachsmuths: 

„Natürlich  waren  es  politische  Zwecke,  die  ihn  (Caesar)  veranlassten, 
die  7  Bücher  .Comiiientarii  de  hello  Gcdlico'.  d.  h.  die  Memoü-en  seiner 
eigenen  Taten  in  Gallien  während  der  letzten  sieben  Jahre  (58 — 52 ;  je  ein 
Jahr  in  einem  Buche)  im  Winter  52/51  auszuarbeiten  und  Frühjahr  51 
herauszugeben"  (Seite  662). 

VVachsmuth  stellte  sich  damit  also  dm-chaus  auf  die  Seite  Theodor 
Mommsens,  der  im  dritten  Bande  seiner  Ttömischen  Geschichte  (Seite  615  f., 
8.  Aufl.)  den  Beweis  für  seine  Behauptung  liefero  zu  können  geglaubt  hatte 
„Das  Bellum  Gallicum  ward  geschrieben  und  bekannt  gemacht  im  Jahre 
703.  als  in  Rom  der  Sturm  gegen  Caesar  losbrach  und  er  aufgefordert 
wurde,  sein  Heer  zu  entlassen  und  sich  zur  Verantwortung  zu  stellen." 

Ganz  anders  war  die  Auffassung  der  Frage  von  selten  Wachsmuths  bis 
zu  dem  Wintersemester  1900/01  geworden,  in  dem  er  in  seinem  althisto- 
rischen Seminar  Caesars  Feldzüge  behandelte,  üeber  den  beweisenden  Satz 
des  Bellum  Gallicum  I  28.  5.  auf  den  sich  Mommsen  stützte,  urteilte  er 
jetzt  folgendermassen  '): 

„Der  Satz  beweist  nichts:  denn  der  Relativsatz  qxosqiic  ist  unmöglich 
angeknüpft  und  ersichtlich  von  einem  eingeschoben,  der  seine  Kenntnisse 
damit  dokumentieren  wollte." 

Und  er  fügte  zu  dem  zweiten  Passus,  den  man  besonders  als  Beweis 
für  die  Abfassung  der  Kommentarien  in  einem  Zuge  anzuführen  liebte, 
lY  21.  7  hinzu: 

„Noch  schlimmer  steht  es  mit  dem  anderen  Satz.  Vier  miteinander 
verbundene  Relativsätze  gibt  es  im  ganzen  Caesar  nicht  und  dann  schleppt 


1)  Aus  dem  eigenen  Leipziger  Kolleghefte  des  Verfassers  dieser  Zeilen.    Thema 
Die  UeherUeferuiig  des  Bellum  Gallicum,  behandelt  im  Februar  1901. 


().  Th.  Schill.;-,  Ucher  dir  ir/rfsclKif'tl.  II.  /ml/t.  l'i  rliiiltii/ssihridcn  (Irnmiiieii.    49 

tliis  iiüttif  so  nngl;iul)licli  iKii'li  I  Nur  ein  Spraclistiiiupcu' konnte  einen  .sol- 
chen Satz  verbrechen,  ein  Caesar  f^ewiss  nicht"  '). 

Daran  an  schloss  dann  der  aiisfilhrliche  Nachweis  der  sukzessiven 
Entstehung  der  Bücher  des  gallischen  Krieges,  den  in  ähnlicher  Weise 
Verfasser  seit  1905  in  seinen  einschlägigen  Kollegs  oder  im  Seniinarvor- 
kurs  zu  führen  pflegte. 

Er  braucht  in  seinen  Einzelheiten  hier  nicht  wiederiioit  zu  werden; 
denn  in  der  Zwischenzeit  ist  die  Dissertation  von  Christian  Ebert  Ueber 
die  Entstelmmj  von  Caesars  ,BeUnm  Gallicinir  (1909)  erschienen,  die  vor- 
sichtig und  klar,  erschöpfend  und  restlos  überzeugend  den  gleichen  Beweis 
erbracht  hat  ^). 

Wir  haben  uns  heute  eine  weitere  Aufgabe  gestellt,  deren  Notwendig- 
keit an  seinem  Teile  im  übrigen  bereits  Felix  Jacoby  erkannt  hat,  wenn 
er  in  No.  8  der  Berliner  P/iilitlof/tselieti   Wochensehrift  (1910)  schreibt: 

„Weil  ich  von  der  Lektüre  (Eberts)  einen  so  seltenen  Genuss  gehabt 
habe,  möchte  ich  auch  nicht  mit  Polemik  schliessen.  Sie  würde  sich  gegen 
das  zu  richten  haben,  was  Ebert  S.  74  f.  über  die  Frage  der  Edition  der 
Kommentarien  .  .  .  sagt.  Nicht  als  ob  der  Verfasser  hier  falsch  urteilte.  Aber 
er  hat  diese  Fragen  zu  flüchtig  gestreift,  wohl  um  die  einleuchtend  rich- 
tigen Ergebnisse  nicht  zum  Schlüsse  durch  Hypothesen  abzuschwächen. 
Dennoch  werden  wir  uns  der  Forderung  nicht  entziehen  können,  nun 
weiter  zu  untersuchen,  ob  die  Kommentarien  auch  einzeln  publiziert 
sind  — ". 

Die  Erkenntnis  von  der  sukzessiven  Entstehung  des  Bellum  Gallicum, 
erweitert  dui"ch  eine  derartige  Fragestellung,  muss  nämlich  an  einem  spe- 
ziellen Punkte  zu  einem  Resultate  führen,  das  in  der  Tat  den  Anspruch 
auf  hohe  geschichtliche  Bedeutung  wird  erheben  können  :  in  den  beiden 
Exkursen  Caesars  über  Uermanien  und  Germanen. 

Es  kommen  in  Betracht  Buch  IV.   Kajiitel  1,  :?  ff.  und  Buch  VI.  Ka- 

1)  JB.  G.  I  28,  5 :  Boios  pdentihux  Haediiis,  quod  ryregia  virtutc  erant  coi/niti,  ut 
in  finibus  suis  eonlocarent  concesxit :  fiuihus  Uli  agros  dederunt  ißwsque  postea  in  parem 
iuris  libertatisque  condicionem  atque  ipsi  erant  receperimt.  B.  G.  IV  21,7:  eos  dotnum 
remittit  et  cum  iis  una  Commium,  quem  ipse  Atrehatibus  superatis  regem  ibi  constituerat, 
cuius  et  virtuiem  et  consilium  probabat  et  quem  sibi  fidelem  esse  arbitrabatur  cuiusque 
auctoritas  in  his  regionibus  mnijni  habehatur,  mittit.  Man  beachte,  dass  jedesmal  am 
Satzscbluss  zwei  Verben  sich  unmittelbar  folgen,   eine  kaum  erträgliche  Härte ! 

2)  Anerkannt  bereits  in  Nordens  Römischer  Literaturgeschichte  bei  Gercke-Norden, 
Einleitung  in  die  Altertumsivissenschaft  I  1910  S.  486  f.,  deren  Bespreclmng  vonseiten 
des  Verfassers  in  nächster  Zeit  in  Seeligers  Historischer  Vierteljahrssclirift  erfolgen 
soll,  und  im  Grzmdriss  der  Geschichte  der  riimischen  Literatur  von  Max  Zoeller,  neu 
bearbeitet  von  Edgar  Martini  1910,  S.  213  f.,  wo  sich  die  widerlegbare  Behauptung 
findet:  „Wurden  also  die  Commentarü  einzeln  abgefasst,  so  wurden  sie  aber  ge- 
wiss nicht  einzeln  veröiFentlicht,  sondern  alle  auf  einmal,  und  zwar  vermutlich  bald 
nach  52".  —  Irrig  gegen  Ebert  nochmals  A.  Klotz,  Caesarstudien.  S.  17  ft'.,  unmittel- 
bar vor  Drucklegung  dieses  Aufsatzes  (November  1910)  veröffentlicht. 

Klio,  Beiträge  zur  alten  Geschichte  XI  1.  4 

2 


50  <»f(>  Th.  Siliiih, 

pitel  21  tf.  Das  erstemal  handelt  es  sich  um  die  Sueben  (Schwaben),  denen 
der  Feldherr  im  Kriege  begegnet,  das  zweitemal  um  die  Germanen  über- 
haupt, und  zwar  mit  einer  ausdrücklichen  Betonung  ihrer  ethnischen  Ver- 
schiedenheit von  den  Galliern,  mit  denen  er  sich  Kapitel  11.  2  ff.  befasst, 
nämlich  Kapitel  11,  1  quoniam  ad  hitnc  locum  perventum  est,  non  alkmtni 
esse  vidctur  de  Galliae  Germaniaeqite  »loribus  et,  quo  differant  hac  nationcs 
inter  sese,  proponere  und  21,  1  am  Anfang  und  gleichsam  als  Ueberschrift 
der  germanischen  Digression  Gcrmani  imdtum  ah  hac  constietudine  diffeninf: 
nam  neqiie  dnddcs  hahent,  qid  rebus  divinis  p)-aesivt,  neque  sacrificiis  stii- 
dent  usf.  Darauf  wird  im  sechsten  Buche  teilweise  dasselbe  ausgeführt, 
was  sich  schon  im  vierten  findet,  wie  sogleich  in  den  uns  hier  interessie- 
renden Partien  nachzuweisen  sein  wird. 

An  einem  sehr  wichtigen  Punkte  aber  findet  sich  eine  Behauptung, 
mit  der  man  sich  bisher  absolut  nicht  auseinanderzusetzen  vermochte,  so 
dass  schliesslich  0.  S  c  h  r  a  d  e  r  in  seinem  ausgezeichneten  Werke  Sprarh- 
vergleicJuDi;/  und  UrgeschicJde  IL  2  S.  212  f.  (1906)  den  Verzicht  auf  Er- 
kenntnis hier  überhaupt  aussprach:  -So  glaubte  Caesar.  .  .  .  dass  die  Ger- 
manen jährlich  nicht  nur  ihre  Aecker.  sondern  auch  ihre 
Wohnungen  wechselten  und  eine  ausserordentlich  lebhafte,  noch  heute 
nicht  geschlichtete  Streitfrage  hat  sich  darüber  entsponnen,  ob  Caesar  in 
dieser  Auffassung  geirrt  habe  '),  oder  wie,  wenn  dies  nicht  der  Fall  sein 
sollte,  dieser  ganz  ausserordentliche  Mangel  an  Sesshaftigkeit  zu  erklären 
sei ").  Wir  verzicliten  darauf  auf  diese,  wie  es  scheint,  niemals 
ganz  zu  erklärenden  Verhältnisse  näher  einzugehen  — ". 

Es  soll  nun  im  folgenden  nach  einer  generellen  Norm  verfahren 
werden,  deren  Anwendung  sich  dem  Verfasser  in  mehr  als  einem  Falle 
bisher  empfohlen  hat  und  die  er  so  präzisieren  möchte: 

„Bei  viel  verhandelten  Problemen  ist  zunächst  gar  keine  Rücksicht 
auf  das  vorher  Geschriebene  zu  nehmen,  sondern  lediglich  das  QueUen- 
material  genau  zu  interpretieren.  Sow^eit  dasselbe  literarischen  Charakter 
trägt,  ist  schai-f  zu  unterscheiden,  was  in  ihm  tatsächlicher  Bericht,  was 
reflektierender  Zusatz  —  in  wie  cachierter  Form  auch  immer  dies  sein 
möge  —  ist;  denn  letzterer  hat  an  sich  für  den  Forseher  keinen  originalen 
Wert." 

Im  vorliegenden  Falle  ist  Caesar  der  literarische  Zeuge:  unmittelbar 
heranzuziehen  ist  nur  noch  Strabo  in  den  GrogmpJiica  VII  1,  3  Cas.  291 
von  den  Worten  xoivöv  S'iaiiv  äjtaai  .  .  .  an').    Sie  geben  uns  alles,  was 


1)  Vgl.  zuletzt  R.  Much.  Zt>:chr.  für  Beul t'clieif  Altertum  36,  102  tf. 

2)  Vgl.  zuletzt  J.  Hoops,  Waldbäume  und  Kulturpflanzen  im  germanischen  Alter- 
tum, 1905.  S.  .511  ff. 

3)  Strabo  aus  Araaseia  (ca.  65  vor  bis  20  nach  Chr.  Geb.)  ist  ein  Menschenalter 
jünger  als  Caesar,  hat  ihn  aber  um  zwei  Menschenalter  überlebt.  Die  raoyywfixä 
sind  erst  am  Schlüsse  des  Lebens  ihres  Autors  veröffentlicht  worden  (vielleicht  erst 


Ueber  die  ivirfschaffl/rhr»  und  politischen  Verhältnisse  hei  den  Geniinnen.     51 

wir  fliiekt  sclirit'tlich  über  ilie  wirtscliaftliclien  be/.w.  poHtisclien  Verhält- 
nisse unserer  Vorfahren  um  die  Mitte  des  ersten  Jahrhunderts  vor  Christus 
erhalten  besitzen:  im  übrigen  kommen  in  Betracht  die  Ergebnisse  der 
linguistisclien  und  sogenannten  praehistorischen  Forschung.  Wenn  die 
Tatsachen  der  literarischen  Berichte,  das  heisst  in  erster  Linie  die  des 
Caesar,  vor  dieser  sonst  möglichen  Kritik  standhalten,  so  sind  sie  unbedingt 
bindend,  weil  er  Augenzeuge,  wissenschaftlich  interessiert  und.  wie  wir  aus 
allem  übrigen  sonst  tausendfach  wissen,  von  höchster  Intelligenz,  einer  der 
schärfsten  und  kühlsten  Köpfe  des  Altertums  überhaupt  war  und  nicht  der 
geringste  Grund  vorliegt  noch  irgend  ein  Anzeichen  sich  finden  liisst,  dass 
er  bei  den  ethnogi-aphischen  Untersuchungen  über  die  Germanen  habe 
täuschen  wollen  ^l. 

Endlich  kann,  um  das,  was  Caesar  berichtet,  geschichtlich  in  einem 
weiteren  Umfange  zu  verstehen,  als  Hilfsmittel  unsere  sonstige  Kenntnis 
der  späteren  Zeiten  des  germanischen  Volkstums  herangezogen  werden. 
Hierhin  gehört  auch  des  Tacitus  Germania.  Aber  es  darf  nicht  verkannt 
werden,  dass  mau  sich  dabei  der  Gefahr  aussetzt,  die  dazwischen  liegende 
Entwicklung  zu  übersehen :  denn  selbst  zwisclien  den  Darstellungen  von 
Caesar  und  Tacitus  klafl't  eine  Zeitspalte  von  150  .Tahren.  die  insofern  für 
die  germanische  Entwicklung  vielleicht  am  bedeutungsvollsten  von  allen 
übrigen  gleichgTOssen  Zeitspannen  gewesen  sind,  als  imsere  Vorfahren  in 
ihnen  überhaupt  erst  so  recht  eigentlich  mit  einer  fremden,  höheren  Kultur  in 
Berührung  und  Beziehung  getreten  sind.  Und  hier  Hessen  sich,  weit  hinaus- 
greifend über  den  Kahmen  dieser  Untersuchung,  zahlreiche  und  teilweise 
einschneidende  Veränderungen  nachweisen. 

Doch  wir  geben  jetzt  am  besten  gleich  dem  Berichte  das  Wort,  der 
die  uns  interessierenden  Verhältnisse  am  kürzesten  behandelt.  Das  ist 
Strabo  an  dem  soeben  angeführten  Orte.    Die  Rede  ist  von  den  Schwaben. 

Strabo.  Geogr.  VU,  1,  3  p.  291  C: 
xoivöv  ö'eaTiv  änaai  ToTg  taurrj  .Gemeinsam  aber  ist  allen  denen. 
TÖ  Ttegl  xäg  fiETapaardasig  eifiagag  die  hier  wohnen,  die  Leichtigkeit  von 
öiü  Ttjv  hiöxrjia  %ov  ßiov  y.al  Siä  Umsiedelungen  wegen  der  Einfach- 
unmittelbar  nach  diesem  ?).  Caesar  kann  also  sehr  wohl  an  unserer  Stelle  Quelle 
sein.  In  der  Tat  werden  die  Cominentarii  p.  177  C.  von  Strabo  angeführt;  indessen 
ist  sein  Urteil  über  die  römischen  Schriftsteller  wenig  günstig  (p.  166  C).  Für  un- 
sere Zwecke  kommt  die  Frage  nach  der  Bewertung  des  strabonischen  Berichtes 
kaum  in  Betracht,  bieten  uns  doch  Caesar  und  Strabo  (ohne  sich  dabei  zu  wider- 
sprechen, wie  gezeigt  werden  wird)  alles,  was  wir  literarisch  besitzen:  Wenn  sich 
erweisen  Hesse,  dass  Strabo  selbständig  sei,  so  bedeutete  das  freilich  eine  Unter- 
stützung der  Mitteilungen  Caesars,  aber  keine  von  weiterer  Bedeutung,  da  diese, 
richtig  angeschaut,  wie  sich  ergeben  wird,  für  sich  selbst  sprechen  und  keiner  son- 
stigen Unterstützung  bedürfen. 

1)  Caesar  konnte  freilich  noch  nicht  wissen,  welch  unvergleichliche  Bedeutung 
das  germanische  Volkstum  in  der  Zukunft  für  Rom  haben  würde!  Er  war  rein 
wissenschaftlich  interessiert ;  vgl.  auch  Ebert  1.  c.  Seite  58  tf.  und  unten  S.  61  f.,  74  ff. 

4* 
4 


52  Otto  Th.  Schul". 

TÖ  Uli  yaojQyeir  ftijöf  d^ijaavQiTeir,  heit  ihrer  Lebensweise  und  deswegen, 
ttM'  Iv  xa/.vßioig  oixelv  iq)ijfiSQOV  j  weil  sie  kein  Ackerland  besitzen  (kei- 
txoi'oi  naQaay.evt'iv  '  TQOfpij  <5'<i?iö  I  nen  Ackerbau  betreiben?)  noch  etwas 
TÜv  d'QEftfidTiov  t)  nZeimi]  xa&dnsQ  aufspeichern,  sondern  in  Hütten  hau- 
TOlg  voßdai  •  war'  ixelvovg  fti/iiov-  j  sen  und  nur  das  haben,  was  sie  täg- 
ftevoi  rä  oixeia  -laTg  ägfia/iiäimg  lieh  brauchen:  ihr  Unterhalt  aber 
indgavTcg,  önoi  äv  ööii],  iQinovim  stammt  meist  vom  Vieh,  so  wie  bei 
fiEtä  iwv  ßoax't]fidTiov.  den  Nomaden,  derart,    dass    sie  jene 

nachahmend,    ihren   Hausrat    auf  die 
Wagen    laden    und    sich    mit    ihren 
Viehherden  hinwenden,  wohin  es  ihnen 
gerade  gut  dünkt. " 
Aus  diesen  Worten  geht  mit  Sicherheit  hervor: 

1.  Die  Leichtigkeit  der  Umsiedlung  bei  den  Schwaben. 

2.  die  Einfachheit  ihrer  Lebensführung. 

3.  das  Wohnen  in  Hütten,  die  sich  leicht  abbrechen  lassen, 

4.  die  Wichtigkeit  der  Viehzucht,  die  die  hauptsächliche  Nahrung  liefert. 
Nicht  mit  Sicherheit  vermögen  wir  dagegen  aus  Strabo  zu  erkennen, 

wie  es  um  den  Ackerbau  bei  den  Schwaben  gestanden  hat:  denn  die  Worte 
fiij  yEiogyEiv  können  an  sich  nur  bedeuten  „keinen  Ackerbau  treiben"  und, 
übertragen,  ev.  noch  „kein  Ackerland  besitzen".  Heissen  sie  das  erstere, 
so  sind  zwei  Möglichkeiten  denkbar:  entweder  meint  Strabo,  sie  treiben 
überhaupt  keinen  Ackerbau,  oder  sie  betreiben  keinen  Ackerbau,  das 
würde  heissen,  die  Schwaben  treiben  —  vom  Standpunkte  des  hochkulti- 
vierten Griechen  aus  gesprochen  —  keinerlei  nennenswerten  oder  auch  nur 
etwas  raticmelleren  Ackerbau,  so  dass  ihnen  eigentlich  der  Charakter  als 
ackerbautreibendes  Volk  fehlt.  Hiessen  die  Worte  das  letztere,  so  böten 
sie,  wie  wir  noch  sehen  werden,  eine  direkte  Bestätigung  zu  einer  ana- 
logen wichtigen  Mitteilung  Caesars. 

Zunächst  spricht  jedenfalls,  wie  der  unbefangene  Leser  zugeben  wird, 
alle  Wahrscheinlichkeit  für  die  zweite  Möglichkeit  des  ersten  Falles:  denn 
sonst  wären  die  Schwaben  seiner  Zeit  in  den  Augen  Strabos  eben  Nomaden 
und  er  hätte  nicht  nötig,  sie  nur  mit  diesen  zu  vergleichen  (^xad'dirsQ 
TOig  V.  ■ —  ixEirovg  ftifioi'fievoi").  sondern  müsste  beide  identifizieren.  Da- 
für lässt  sich  schliesslich  auch  seine  Mitteilung  heranziehen,  ihre  TQoqjij  — 
f}  nÄEiati]  stamme  vom  Vieh,  nicht  aber  ausschliesslich.  Was  assen  sie 
denn  sonst  noch?  Die  Antwort  werden  vms  Caesars  ausführliche  Berichte 
geben. 

Wir  wenden  uns  ihnen  zu. 

Zunächst  untersuchen  wir  die  betrefl'enden  Stellen  im  vierten  Buche 
seines  BeUuni  Gallicitm  '). 

1)  Im  wesentlichen  ist  zu  Grunde  gelegt  der  Text  der  H.  Meuselschen  Ausgabe 
(1894).     Vgl.  jedoch  jetzt  dazu  noch  die  ausgezeichnete  Abhandlung  von  A.  Klotz  im 


Ueber  die  ir'niscluiftl'nhcn  und  jmI/I /sehen  VerhäUnissc  bei  den  Geniiaiien.    53 


Caesar,  B.  G.  IV,  1,3  ff.: 
Sueborum  gen.s  est  lonye  maxima  et  \      -Der  Stamm  der  Schwaben  ist  bei 
belUcosissima    Gernianorum   omninni ;  1  weitem  der  grösste  und  kriejrerischste 


4)  hi  eentum  pagos  habere  dicnntur, 
ex  quibiis  qiiotannis  singula  milia  ar- 
matorum  beUandi  causa  ex  fitiibus 
educimt;  reliqui,  qiii  domi  manserunt, 
se  afque  illos  ahmt;  5)  hi  rursits  in 
vicem  anno  post  in  armis  sunt,  Uli 
domi  remanent;  6)  sie  neqtie  agri- 
ctdtura  nee  ratio  atqite  usus  belli  inter- 
mittitur.    7)   sed  privati  ac  separati 


von  allen  Germanen.  Die  Schwaben 
sollen  hundert  Gaue  haben,  aiis  denen 
sie  jähi-lich  je  eintausend  Bewaffnete, 
um  Krieg  zu  führen,  aus  ihrem  Ge- 
biet ausziehen  lassen.  Die  übrigen, 
die  zu  Hause  geblieben  sind,  schaffen 
den  Untei'halt  für  sich  und  jene.  Diese 
sind  wiederum  ihrerseits  ein  Jahr  spä- 
ter unter  Waffen,    und  jene   bleiben 


Ackerbau  noch   die  Kriegskunst  und 
-Uebung  eine  Unterbrechung.  .Jedoch 


agri  apud  eos  nihil  est,  neque  longius  \  daheim  zurück.  So  erleidet  weder  der 
anno  remanere  uno  in  loco  incolendi 
causa  licet.  8)  neque  multum  fnanento, 
sed  maximam  patiem  lade  atqiie  pe- '  gibt  es  bei  ihnen  keinerlei  privates 
core  vivunt  »iidtuinque  sunt  in  venatio-  Sondereigentum  an  Ackerland  noch 
nibus;  !))  quae  res  et  cibi  genere  et  dürfen  sie  länger  als  ein  Jahr  an 
cotidiana  exercitatione  et  libetiate  vitac, '  einem  Orte  des  Wohnens  halber  ver- 
quod  a  piietis  nidlo  officio  aut  dis-  bleiben.  Sie  leben  nicht  viel  von  Ge- 
ciplina  assuefacti  nihil  omnino  contra  treide,  sondern  meistens  von  Milch 
vohintatem  faciunt,  et  vires  alit  et  im-  und  Fleisch  ihres  Viehes  und  befin- 
mani  corporuni    niagiiifudinc  honiincs  den  sich  viel    auf  Jagd:    das    stärkt 


effcit. 


Kap.  3,  1:  publice  maximam  ptdant 


sowohl  durch  die  Art  ihrer  Nahiimg 
wie  durch  die  tätliche  Uebung  und 
die  Freiheit  ihrer  Lebensweise,  da  sie 
von  Kindheit  auf  an  keine  Pflicht  oder 
Disziplin  gewöhnt,  überhaupt  nichts 
gegen  ihren  Willen  tun,  sowohl  ihre 
Kräfte  als  auch  macht  es  sie  zu  Men- 
sehen von  ungeheuerer  Körpergrösse". 
„Sie  glauben,   es    sei  der  Staaten 


esse  laudem,  quam  latissime  a  suis  grösstes  Lob,  wenn  soweit  als  mög- 
fmibus  vacare  agros:  hac  re  significari  lieh  von  ihren  Grenzen  die  Aecker 
magnum  numerum  civitatum  suam  rim  unbewohnt  seien;  dadurch  werde  (so 
sustinere  non  posse.  recht  eigentlicli)  zu  erkennen  gegeben, 

dass  eine  grosse  Zahl  von  Stämmen 

ihrer  Macht  nicht  standhalten  könne. " 

Die  erste  Behauptung    in    §  3   lassen   wir    auf   sich    beruhen;    es    ist 

natürlich,  dass  der  Feldherr  Caesar  den  mächtigen  Stamm,  den  er  besiegt 

hat,  als  den  grössten  und  kriegerischsten  von  allen  germanischen  Stämmen 

Rheinischen  Museum  1909,  S.  224  ff.  sowie  H.  Meusel  Caesar  in  den  Jahresberichten 
des  Philologischen   Vereins,  Zeitschrift  für  das  (rymnasialwesen,  Januar  bis  März  1910. 


54  (Mo  Th.  Schids, 

seinen  Landslcuten  vorführt.  Könnten  wir  die  Anj^aben  des  i;  4  als  ricliti<;' 
anneliraon,  so  würde  sich  eine  Zahl  von  200000  waffenfähigen  Männern, 
das  hiesse  von  8 — 900000  Seelen  überhaupt  für  die  Schwaben  ergeben, 
nebenbei  bemerkt,  an  sich  nicht  unmöglich,  aber  mit  äusserster  Vorsicht 
zu  betrachten,  da  Cäsar  seine  Mitteilungen  als  keineswegs  bindend  selbst 
schon  verklausuliert  hat  [clkimtur).  Auch  auf  die  eigentümliche  Rollen- 
verteilung unter  den  Volksgenossen,  ein  Jahr  um  das  andere  draussen  im 
Kriege  oder  daheim  zu  Zwecken  des  Unterhaltes  des  Ganzen  zu  verbringen, 
brauchen  wir  hier  nicht  näher  einzugehen ;  aber  nun  kommen  war  zu  dem. 
was  ims  eigentlich  interessiert,  den  Mitteilungen  über  die  wirtschaftlichen 
Verhältnisse  bei  den  Schwaben. 

In  dieser  Hinsicht  ist  der  Inhalt  von  i^  5  und  6.  der  unmöglich  ver- 
kannt werden  kann,  der,  dass  dieser  germanische  Stamm  Ackerbau  treibt, 
doch  so,  wie  ein  Blick  in  S  ^  lehrt,  dass  der  Ackerbau  zwar  nicht  un- 
wichtig für  die  Art  ihrer  Wirtschaft,  aber  immerhin  nicht  die  Hauptsache 
ist.  "Wir  erinnei-n  uns  unmittelbar  an  die  Auffassung  des  strabonischen 
/<»/  yE(i)QyEiv,  die  unter  Berücksichtigung  des  ganzen  Habitus  seines  Be- 
richtes als  besonders  wahrscheinlich  angesehen  werden  musste:  die  Germa- 
nen sind  noch  keine  rationellen  Ackerbauei'.  ihre  Wirtschaftsform  ist  in 
mancher  Beziehung  nomadenälmlich,  jedoch  nicht  nomadenhaft  '). 

Zu  dem  gleichen  Ergebnis  würden  wir  auch  gelangen,  wollten  wir  der 
früher  als  wenigstens  möglich  bezeichneten  Annalime  stattgeben,  Strabo 
habe  ganz  kurz  andeuten  wollen,  dass  es  bei  derl  Germanen  keinen  Acker- 
besitz gäbe,  das  wäre  dasselbe,  was  Caesar  in  §  7a  mitteilt.  Aus  ihm  geht 
hervor,  dass  das  Ackerland  der  Schwaben  Gemeindebesitz  war,  mithin  zu 
folgern  ist,  dass  die  einzelnen  Stammesgenossen  jährlich  ihren  bestimmten 
Anteil  an  dem  gemeinsamen  Ackerland  zur  Xutzniessung  erhielten.  Also 
ein  jährlicher  Flurwechsel  ist  danach  zweifellos. 

Ist  jährlicher  Wohnungswechsel  nach  Caesars  Meinung  damit  Hand  in 
Hand  gegangen?     §  7b  behauptet  das  allem  Anscheine  nach. 

Xeqiie  lonyixs  anno  rcnianere  iino  in  loco  hicohndi  causa  Uccf  lieisst 
wörtlich  nichts  anderes.  Auch  dann  nicht,  wenn  wirklieh  colendi  caiisu  zu 
lesen  wäre,  das  der  eine  Teil  der  Codices  (Familie  ß.  danach  M  e  u  s  e  1)  bietet, 
und  colere  nicht  mit  incolcrc  zu  gleichen  wäre  -).     Denn  unverkennbar  hat 


1)  Cf.  B.  G.  YI  29.  1.  wo  es  ausdrücklich  heisst:  quod  ■  .  .  minime  liomines  Ger- 
mnni  agrieulturae  Student  „sehr  wenig  betreiben  die  Germanen  den  Ackerbau"  .  .  . 
wir  können  das  als  die  fast  wörtliche  Bestätigung  unserer  Auffassung  in  Anspruch 
nehmen.  In  den  Augen  des  Griechen  und  Römers  fehlt  ihnen  eigentlich  „der  Cha- 
rakter als  ackerbautreibendes  Volk"  :  vgl.  oben  S.  .')2. 

2)  Wie  häufig  eins  für  das  andere  gebraucht  wird.    Vgl.  z.  B.  unten  S.  79  Anm.  1. 

—  In  dem  oben  angedeuteten  Falle  wäre  coleiidi  cat(^(t    entweder   absolut  zu  fassen 
(.der  Bebauung   halber")  —  allerdings  kommt    es    so    nirgends  sonst  bei  Caesar  vor 

—  oder  man  müsste  sich  aus  dem  Vorhergehenden  als  Objekt  agri  ergänzt  denken ; 

—  V  12,  2  findet  sich  übrigens  einmal  bei  Caesar  agros  cohre. 


Uehcr  die  iviiisrhdfflic/icii  und  iiolilisrhen  Verliüllnissc  bei  den  Germanen.     55 

der  Alltor  den  Xarlulnick  auf  lemtmcrr  ii  n  o  in  loco  geleimt:  er  «lenkt 
also  an  durchgreifenden  Wohnunffswechsel.  Es  Hesse  sich  daran  vielleicht 
noch  die  Fraoe  knüpfen,  ob  man  nicht  nach  dem  Inhalt  von  S  4— ß  auch 
daran  denken  könnte,  der  Stamm  sei  alle  zwei  Jahre  erst  umgesiedelt 
und  das  wolle  {in)colendi  ransd,  das  sonst  überhaupt  nicht  unbedingt  nötig 
wäre,  besagen.  Nämlich  so:  Es  heisst  vorher,  dass  der  eine  Teil  der 
Volksgenossen  zum  Unterlialte  des  Ganzen  zu  Hause  bliebe,  der  andere 
draussen  im  Kriege  wäre  und  im  nächsten  Jahre  umgekehrt:  wenn  ergo 
der  gesamte  Stamm  alle  zwei  Jahre  umsiedelt,  so  ist  jeder  einzelne  Mann 
(und  von  ihnen  ist  bisher  immer  nur  die  Rede)  gleichwohl  nur  ein  einziges 
Jahr  MIO  in  loco  (in)colewli  causa  verblieben,  weil  er  ja  eines  von  den  zwei 
Jahren  draiissen  im  Kriege  verbrachte.  Man  möchte  sich  fast  dieser  An- 
nahme zuneigen,  wenn  man  schärfer  hinsieht:  es  würde  so  auch  erst  voll 
das  domi  remanere  des  §  5  verständlich,  weil  es  bei  einjäiirigeni  Wohnungs- 
wechsel ein  örtliches  zu  Hause  eigentlich  überhaupt  nicht  gibt,  zum  min- 
desten nicht  für  diejenigen,  die  draussen  kämpfen,  da  ihr  Daheim  im  ver- 
gangenen Jahre  ganz  wo  anders  lag,  als  in  diesem  und  in  dem.  das  folgen 
wirtl.  Man  raüsste  denn  nur  an  den  Winter  denken,  den  sie  bei  den  Ihren 
an  dem  für  sie  neuen  Orte  zubringen  werden,  bis  das  zeitige  Frühjahr  ') 
sie  in  eine  andere  Gegend  führt  usf.  Fürwahr,  ein  etwas  sehr  reges 
Fluktuieren  eines  sich  doch  ebenfalls  mit  Ackerbau  beschäftigenden  Volkes! 

Jedoch  es  kommt  auf  diese  Frage,  wie  sich  sogleich  zeigen  wird,  ge- 
schichtlich so  gut  wie  garnichts  an.  Wir  wollten  nur  einmal  an  einem 
speziellen  Falle  erläutern,  wie  sich,  um  den  Sinn  von  Caesars  Mitteilungen 
zu  erschöpfen,  an  seine  Worte  philologische  Erörterungen  anfügen  hissen, 
die  im  allgemeinen  nicht  in  den  Kreis  der  Betrachtung  gezogen  zu  werden 
pflegen  und  die  doch  nicht  bedeutungslos  sind. 

S  8  beschäftigt  sich  mit  der  Lebensführung  der  Sciiwaben.  Das  Ge- 
treide spielt  entsprechend  allem,  was  wir  bereits  ausführen  konnten,  nur 
eine  untergeordnete  Rolle,  man  lebt  meist  von  Milch,  folglich  auch  von 
Käse  und  Fleisch,  weil  die  Männer  häufig  leidenschaftliche  Jäger  sind, 
natürlich  nicht  nur  von  dem  erwähnten  pecas.  sondern  auch  von  dem  Fleisch 
des  erlegten  Wildes.  Soweit  ist  alles  klar  und  dient  in  willkommener 
Weise  dazu,  Strabos  kurzen  Bericht  von  ihrer  TQoqi]  äjib  jwi'  d-Qfuuä- 
Tcov  f]  Ji  Z  E  I  a  T  1]  zu  bestätigen  und  zu  ergänzen.  §  9  zieht  aus  dem 
V'orhergehenden  die  Folgerung  in  Verbindung  mit  einem  Hinweis  auf 
die  Ungebundenheit  des  ganzen  Lebens  von  Jugend  auf;  es  ist  ein 
Raisonnement  des  antiken  Autors,  der  sich  und  seinen  Landsleuten  die 
auffallende  imponierende  äussei-e  Erscheinung  jener  Reckengestalten  er- 
klären will. 

Wir   berücksichtigen    vorläufig   Kap.  3,  1    niclit    und    gehen   sogleich 

1)  Was  notwendig  aus  dem  Ackerbau  hervorgeht :  das  Getreide  würde  sonst  hier 
im  Norden  einfach  nicht  reif  geworden  sein. 


56 


Oifo  Th.  Schith 


zu  dem  sechsten  Buche  des  Belhim  Gallicum  über  und  werden  hier  schliess- 
lich zu  einem  umfassenderen  Bilde  mit  klarer  Lmienführung  gelangen- 
Caesar,  B.  G.  VI: 

Kap.  11,  1 :  quoniam  ad  hunc  locutn  „Da  wir  zu  diesem  Punkte  gekom- 
pervenücni  est,  iion  aJieninn  esse  vide-  \  men  sind,  erscheint  es  nicht  unan- 
tur  de  Galliac  Gennaniaeque  nioribus  gemessen  zu  sein,  über  den  Charakter 
et,  quo  differatit  hae  nationes  inter  von  Gallien  und  Germanien  und  den 
sese,  proponere.  Unterschied  dieser  Völker  von  einander 

Kap.  11,2—20.  3  folgt  die  Öchil-   zu  beriL-hten.'^ 
derung  der  Gallier. 

Kap.  21,  la:  Gerimini  iiiultiim  ab 
hac  consiictudine  (sc.  Gallorum)  diffe- 
riiuf. 

Kap.  21,  3:  vita  omnis  in  venatio- 
nibus  atque  in  studiis  rei  militaris 
consistit :  ab  parmdis  ')  tabori  ac  du- 
ritiae  student. 

Kap.  22,  1 :  agriculturae  non  Stu- 
dent, maiorque  pars  eorum  victns  in 
lade,  caseo,  carne  coiisistit.  2)  neque 
quisquam  agri  modum  ccrtum  aut  fincs 
habet  proprios;  sed  magistratus  ac 
prindpes  in   annos  singulos  gentibus 


„Die  Germanen  weichen  sehr  von 
dieser  Gewohnheit  (der  Gallier)  ab. " 

,  Ihr  ganzes  Leben  besteht  aus  Jagd 
und  eifriger  Pflege  des  Kriegshand- 
werks: von  Kindesbeinen  an  widmen 
sie  sich  der  Strapaze  und  Abhärtung. " 

,üm  den  Ackerbau  kümmern  sie 
sich  nicht  (besonders)  und  der  grössere 
Teil  ihres  Lebensunterhaltes  besteht 
aus  Milch.  Käse  und  Fleisch.  Auch 
besitzt  niemand  ein  bestimmt  abge- 
cfi-enztes  Mass  an  Acker  oder  eigene 


cognationibusqiie  hoinlnum,  qui  tum  -)  Feldfluren,  sondern  die  Behörden  und 
tinu  coierunt,  quantuni  et  quo  loco  vi-  die  Ersten  teilen  auf  je  ein  .Jahr  hin 
sunt  est  agri  attribuunt  atque  anno  j  den  Geschlechtsverbänden  und  Sipp- 
jyost  alio  transire  cogunt.  3)  eius  rei  schaften  der  Mannen,  die  da  zusam- 
muUas  afferunt  causas :  ne  assidua  •  mengetreten  sind,  soviel  und  an  der 
consuetudine  capti  Studium  belli  gerendi  Stelle  Ackerland  aus,  wie  es  ihnen 
agricultura  commutent ;  ne  latos  fines  gut  dünkt,  und  zwingen  sie  ein  Jahr 
parare  studeant  potcntioresque  humi-  \  später,  anderswohin  überzugehen.  Da- 


liores  jwssessionibus  expellant  ^) ;  ne 
accuratius  ad  frigora  atque  aestus  vi- 
tandos  aedificent;  ne  qua  oriatur  pe- 
cuniae  cupiditas,  qua  ex  re  factiones 
dissensionesque  nascuntur;  ut  animi 
aequiiate  plebem  contineant,  cum  suas 


für  biingen  sie  viele  Gründe  bei : 
erstens  sagen  sie,  es  wäre  deshalb, 
damit  sie  nicht  durch  die  ununter- 
brochene Gewohnheit  befangen  den 
Kriegseifer  mit  dem  Ackerbau  ver- 
tauschten:   zweitens,  damit  sie  nicht 


1)  A  parvis  Handschriftengruppe  ß\  Mensel. 

2)  In  dem  einen  Teil  der  Codices  qui  cum  (Gruppe  «);  qui  tum  Heller,  auch  C. 
Wachsmuth;  quique  ß,  wonach  Meusel. 

3)  So  die  Handschriften:  X  Meusel;  potentiores  atque  humiliores  H.  J.  Müller,  pu- 
tentiores  humilioresque  Paul,  was,  wenn  man  überhaupt  ändern  will,  das  einfachste 
wäre.    Meusel  schliesst  sich  H.  J,  Müller  an. 


Ueber  die  nirtscJiaßlichen  iimi polifisrhoi  Vcf/iültiiissc  bei  den  GeniKtiieii. 


qiiisqite  opes  cinii  pofenfissimis  ucqnari 
rideat. 

Kap.  28,  1:  ririt(dibifs  ma.iinui  Jaus 
est  quam  hUissime  eircuni  se  vastatis 
finibus  solitudines  habere.  2)  hoc  pro- 
prium virtutis  existimant  expidsos  agris 
finitimos  cedere  neque  quemquam 
prope ')  andere  consistere.  8)  simnl 
hoc  se  fore  tutiores  arbitrantur  repen- 
titiae  incursionis  timore  suMato.  4)  cum 
bellum  civitas  aut  iUntmn  defendit  auf 
infert,  magistratus,  qui  ei  bello  prae- 
sint,  ut  -)  litae  necisque  habeaut  po- 
testafem,  deUguntnr.  5)  in  pace  nuUus 
est  communis  magistratus,  sed  prin- 
cipes  regiontim  atque  pagorum  inter 
suos  ius  dicunt  controversiasque  minii- 
tint.  6)  latrocinia  ntdlam  habent  in- 
famiam,  quae  extra  fines  cuiusque  ci- 
vitatis fiunt  atque  ea  hiventiitis  exer- 
cendae  ac  desidiae  minuendae  causa 
fieri  praedicant.  7)  atque  tibi  quis  ex 
principibus  in  concilio  dixit  se  ducem 
fore,  qui  sequi  velint,  profiteantur,  con- 
surgunt  ii,  qui  et  causam  et  hominem 
probant,  suumque  auxilium  poUicentur 
atque  a  multitudine  collaudantur :  8) 
qui  ex  his  sectcti  non  sunt,  in  deser- 
torum  ac  proditorum  numero  ducuntur 
omniumque  his  rertim postea  fides  dero- 
gatur. 

Kap.  23,  9—24,  1  beliandelt  Dinge, 
die  gänzlich  ausserhalb  unseres  The- 
mas liegen. 


darauf  ausgingen,  weite  Fluren  zu 
erwerben  und  die  Mächtigeren  nicht 
die  Geringeren  aus  ihrem  Besitz  ver- 
trieben; drittens,  damit  sie  keine 
Häuser  bauten,  die  besser  geeignet 
wären,  Kälte  und  Hitze  zu  entgehen; 
viertens,  damit  keine  Begierde  nach 
Geld  entstehe,  woraus  nur  Parteiungen 
und  Zwistigkeiteu  erzeugt  würden  und 
fünftens,  um  das  Volk  durch  Zufrie- 
denheit in  Ordnung  zu  ei-halten.  da 
jeder  sehe,  dass  seine  Mittel  mit  den 
Mächtigsten  gleichgestellt  seien.  Es 
gereicht  den  Stämmen  zum  grössten 
Lobe,  soweit  als  möglich  um  sich 
hervim  Einöden  zu  haben,  nachdem 
die  Grenzgebiete  verwüstet  worden 
sind.  Dies  erachten  sie  als  das  eigent- 
liche Zeichen  von  Mannhaftigkeit, 
wenn  die  Benachbarten  (die  angren- 
zenden Stämme)  weichen  müssen,  aus 
ihren  Aeckern  vertrieben,  imd  nie- 
mand mehr  wagt,  in  der  Nähe  zu 
verweilen ;  zugleich  fühlen  sie  sich 
dann  sicherer  und  der  Furcht  vor 
einem  plötzlichen  Einfalle  überhoben. 
Wenn  ein  Stamm  einen  Verteidigungs- 
oder einen  Angriffskrieg  zu  führen 
hat,  so  wählen  sie  Beamte  zur  Lei- 
tung dieses  Krieges,  damit  sie  Ge- 
walt über  Leben  und  Tod  haben. 
Im  Frieden  dagegen  gibt  es  über- 
haupt keinen  gemeinsamen  Beamten, 
sondern  die  Ersten  der  Gegenden 
(Bezirke)  und  Gaue  sprechen  unter 
den  Ihren  recht  und  suchen  die  Strei- 
tigkeiten zu  schlichten.  Räubereien 
gelten  keineswegs  als  Schmach,  so- 
weit sie  ausserhalb  des  Gebietes  eines 
jeden  Stammes  geschehen  und  sie 
wollen  ausdrücklich,  dass  diese  ge- 
schehen, um  die  Jugend  zu  üben  und 


1)  prope  se  ß,  Meusel.  —    2)  ut  X,  et  Meusel. 


10 


58 


Otto   n.  SrliuU: 


den  Müssigiiiing  zu  veniiiii(lern.  Uml 
zwar  wenn  einer  von  den  Ersten  in 
der  Volksversammlung  gesagt  bat,  er 
wolle  Führer  sein  und.  die  gewillt 
seien  zu  folgen,  möchten  es  öffent- 
lich erklären,  so  erheben  sich  die.  die 
Sache  und  Mann  gutheissen,  ver- 
sprechen ihm  iliren  Beistand  und  wer- 
den von  der  Menge  gepriesen :  die 
aber  aus  ihrer  Zahl  nicht  Gefolg- 
schaft geleistet  haben,  rechnet  man 
unter  Deserteure  und  Verräter  und 
versagt  ihnen  all  und  jeden  Glauben. " 
Kap.  24,  2:  Haqtic  ca.  quae  ferii-l  „Und  so  haben  die  fruchtbarsten 
Ussima  Germaniae  sunt,  loca  circnni  Gegenden  von  Germanien  um  den 
Hercyniam  silvam,  quam  Erutostheni  Wald  Hercynia,  der  wie  ich  sehe. 
et  quihusdani  Gracc/.'s  fama  notam  esse  ,  dem  Eratosthenes  und  einigen  anderen 
Video,  quinii  ilU  Orryniam  appellayit.  Giiechen  schon  vom  Hörensagen  be- 
Volcae  Tectosagcs  occupat'eriint  atque  kannt  ist,  nur  dass  sie  ihn  Orcynia 
ibi  consederunt:  3)  quae  yens  ad  hoc  nennen,  die  Volker- Tektosageu  iu 
tenqms  his  sedihus  sese  eontinet  siim-   Besitz     genommen     und     sicli    darin 

niedergelassen :  ein  Volk,  das  bis  auf 
I  den    heutigen    Tag    sich    auf    diese 
1  Sitze    beschränkt    und    den    höchsten 
Ruf    der    Gerechtigkeit    und    kriege- 
rischen Trefflichkeit  geniesst." 
,Wir  haben  bis  jetzt  die  Frage  der  Edition  der  Kommentare  gar  nicht 
berührt  und  uns  damit  begnügt,  festzustellen,   wann  die  einzelnen  Bücher 
abgefasst  sind.   —   Auch  jetzt  wollen  wir  über  die  Herausgabe  keine  An- 
sicht aufstellen;    aus    dem    einfachen    Grund,    weil    das    unmöglich 
ist').  —  Alle  die  Dinge,  die  wir  behandelt   haben,    schliessen    zwar    die 
Abfassung  in  einem  Zuge  vollständig  aus,  setzen  sich  aber  der  Veröffent- 
lichung in  einem  Zeitpunkt  keineswegs  entgegen,  wenn  wir  nur  anneh- 
men, dass  diese   schnell   und    ohne   tiefgreifende  Ueberarbeitung   vor    sich 
gegangen  ist.   —  Jeder  kommt   leicht    auf   den   Gedanken,    die    Digi-ession 
über  Germanien  und  Gallien  im  sechsten  Buche  sei  ein  späterer  Bestand- 
teil ;  man  kann  mit  Hecker  -)  vermuten,  dass  sie  aus  Privatbriefen  Caesars 
eingeschoben  sei,  oder  mit  anderen,  dass  sie  eine  Sonderschrift  gewesen  sei. 
Bewiesen  ist  das  alles  nicht.     Es  ist  gerade  so  gut  denkbar,  dass  sie 
zugleich  mit  dem  ganzen  sechsten  Kommentar  geschrieben  ist;   die  Quellen- 
benUtzung,    die    in  der  Digi-ession    besonders  stark  an  den  Tag    tritt,    hat 


mumque  habet  iustitiae  et  hcUicae  lan- 
dis  op'niioncm. 


1)  Bei  Ebert  1.  c.  S.  74  nicht  gesperrt. 

2)  Hecker,  Quaestiones  de  commentariis  Caefaris  de  Bello  GalUco,  Groningen 


11 


Ueher  die  iciyfscliaftl/c/ioi  toxi  politisrlicn  Vcrhnitni.tse  bei  ihn  (icnnoiie».     59 

aiicli  sonst  im  .sechsten  Koninicntar  wie  ini  l'üiitten  nml  siebenten  ihre 
Spuren  liinterhissen.  Eine  Naclirieiit  aus  dem  Altertum  scheint  sogar 
darauf  liinzudeuten.  dass  überhaupt  nichts  an  der  ursprünglichen  Gestalt 
der  Kommentarien  geändert  war :  Sueton  [Div.  InJ.  56) :  Pollio  Asiniiis 
pnrmn  (lilicjoifer  parumqiie  infej/ra  vcritate  compositos  putat  (commentarios) 
—  existimcdqite  rescr/ptiirum  et  eorrecturum  fnisse"  '). 

Diese  Worte  Eberts  fordern  gerade,  nachileni  wir  ilic  beiden  Schil- 
derungen Caesars  von  germanischen  Zustünden  in  I!u(  h  IV  unil  \'I  gelesen 
haben,  unseren  Widerspruch  heraus. 

Zunächst  lässt  sich,  ganz  allgemein  gesprochen,  niciit  in  Abrede  stellen, 
dass  die  von  uns  gesperrt  gedruckte  Behauptung  von  der  Unlösbarkeit  des 
Problems  der  Edition  der  Kommentare  von  Ebert  zum  mindesten  nicht 
erwiesen,  sondern  eben  nur  beiläufig  gemacht  worden  ist;  dann  wäre  doch 
wohl  die  Frage  aufzuwerfen,  was  Ebert  unter  einer  .tiefgreifenden  Ueber- 
arbeitung"  versteht  und  wie  weit  er  eine  „oberflächliche"  Bearbeitung  vor 
der  Publikation  in  einem  Zeitpunkt  anzunehmen  geneigt  ist,  deren  Vor- 
handensein seine  Worte  andeuten.  Warum  soll  endlich  die  Digression 
über  Gallien  und  Germanien  im  sechsten  Buch  eventuell  ein  späterer  Be- 
standteil sein,  wenn  sich  keinerlei  irgendwie  verbindliche  Indizien  dafür 
auffinden  lassen  und  sogar  eine  wohlverbürgte  Nachricht  bei  Sueton 
(Div.  lul.  56)  die  Annahme  solcher  späterer  Zutaten  zu  dem  ursprüng- 
lichen Inhalt  der  Kommentarien  direkt  auszuschliessen  scheint? 

Doch  sehen  wir  von  der  Unwahrscheinlichkeit  ab,  zu  der  diese  allge- 
meinen Erwägungen  führen,  und  bemühen  wir  uns,  aus  dem  sechsten  Buche 
des  Bellum  Gallicimi  selbst  mit  zwingender  Verbindlichkeit  zu  erschliessen. 
ob  der  gallisch-germanische  Exkurs  integrierender  Bestandteil  in  ihm  ist 
oder  nicht.     Das  ist  gewiss  der  sicherste  Weg,  den  wir  einschlagen  können. 

Fällt  nun  der  ganze  Exkurs  Kap.  11  —  28  aus,  so  hat  Kap.  29  un- 
mittelbar an  das  Ende  von  Kap.  10  zu  treten.  Und  in  der  Tat  setzt  es 
die  Erzählung  des  zehnten  Kapitels  unmittelbar  fort.  Aber  worum  handelt 
es  sich  bei  dieser? 

Kap.  9  und  10:  Caesar  hat,  nachdem  er  den  Rhein  überschritten,  an 
dem  Trevererufer  an  der  Brücke  eine  starke  Besatzung  zurückgelassen,  die 
Unterwerfung  der  germanischen  Ubier  angenommen  und  Zugänge  und 
Wege  ins  Gebiet  der  Schwaben  erkundet  hat.  alles  vorbereitet,  in  das- 
selbe einzufallen  und  den  Feind  zu  stellen.  Er  sucht  natüidich  zvi  be- 
wirken, dass  das  an  einem  möglichst  günstigen  Ort  geschieht;  daher 
§  2  b  f . : 

übiis  imperat,  ut  pecora  dedneant  suaque   oninia   ex   agris  in   oppida 

confermvt,   sperans  barbaros  atque  imperitos  Jtomines  inopüi  cibarionim 

addudos  ad  iniquam  pugnandi   eondieionem  posse  deduci,   mandat,    ut 

1)  Ebert,  1.   c.  S.  74  f.  v<;l.  auch  oben  S.  49. 

12 


60  Otto  Th.  Schuh, 

crebros  exploratores  in  Siii-hos  niitf<uii  qinteqiie  (tpnd  cos  gcranfiir  rognos- 

cant. 
Caesars  HofFniing  erweist  sich  bald  als  trügerisch,  —  kennt  er  doch  die 
wirtschaftlichen  Zustände  der  Germanen  noch  nicht  genauer  —  die  Kund- 
schafter melden  das  Gegenteil,  die  Feinde  haben  sich  auf  die  Nachricht 
vom  Anrücken  der  Römer  §  i  peiütus  ad  extremes  fiiies  se  recepisse  zum 
ungeheuer  grossen  Wald  Bacetiis.     Dort  wollen  sie  den  Gegner  erwarten. 

Kap.  29 :  Caesar  kann  ihnen  nicht  dahin  folgen,  warum ?  inopiam 
fr  H  m  e  n  t  i  v  er  i  tu  s ,  q  ti  od,  u  t  s  up  r  a  d  e m  o  n  st  r  u  v  i  m  t( s ,  m  i- 
n  i  m  e  ho  m  ine  s'^)  G  e  r  m  an  i  a  g  r  icult  u  r  a  e  s  t  u  d  c  ii  1 !  Jedoch  er 
will  den  Feinden  nicht  ganz  die  Furcht  vor  seiner  Küclikehr  benehmen, 
daher  bricht  er  die  Rbeinbrücke  nur  zum  Teil  am  jenseitigen  (ubischen) 
Ufer  ab,  befestigt  und  besetzt  das  Uebrige  mit  12  Kohorten  unter  dem 
Kommando  des  jungen  C.  Volcacius  Tullus.  Er  selbst  geht  durch  den 
Ardennenwald  nach  Gallien  zurück  usw. 

Wer  wollte  hiernach  noch  behaupten,  dass  der  grosse  Exkurs  Kap. 
11  —  28  mit  seiner  fesselnden  Schilderung  nicht  unmittelbar  in  den  Text 
des  ursprünglichen  Kommentars  gehöre  ?  Dass  nicht  speziell  die  Darstellung 
der  Zustände  in  Germanien,  und  zwar  ganz  speziell  die  der  wirtschaft- 
lichen Verhältnisse,  die  unser  vornehmliches  Interesse  hier  gefesselt  haben, 
von  allem  anderen  abgesehen,  einen  ganz  bestimmten  Zweck  für  Caesar 
erfüllen  sollen  ?  Den  nämlich,  abzulenken  von  dem  Rückzug  aus  Deutsch- 
land und  gleichzeitig  augenfällig  zu  begründen,  warum  er  erfolgen  musste. 
Es  bedurfte  freüich  einer  so  souveränen,  sprachlichen  und  sachlichen  Mei- 
sterschaft wie  die,  über  welche  dieser  wundervolle  Genius  verfügte,  um 
beides  zu  erreichen,  von  denen  das  eine  das  andere  gleichwohl  direkt  aus- 
zuschliessen  schien! 

Dass  Caesar  ausserdem  ein  ausgesprochenes  wissenschaftliches  Interesse 
bei  seiner  Digression  leitete  und  er  es  gewesen  ist,  dessen  klarer  Blick 
zuerst  die  Erkenntnis  von  der  Verschiedenheit  der  Kelten  und  der  Ger- 
manen gewonnen  und  erwiesen  hat,  gilt  uns  als  eine  wissenschaftliche 
Grosstat  allerersten  Ranges,  die  in  dem  immerhin  prekären  äusseren  Zu- 
sammenhange, in  dem  sie  steht,  nur  um  so  höhere  Bewunderung  abnötigt^). 

Wir  wenden  uns  damit  bereits  der  Einzeluntersuchung  der  oben  mit- 
geteilten und  übersetzten  Aeusserungen  Caesars  über  die  wirtschaftlichen 
und  politischen  Verhältnisse  bei  den  Germanen  zu.  Sie  soll  auch  die 
Antwort  auf  die  Frage  nach  der  Zeit  der  Veröffentlichung  zum  mindesten 
von  Buch  IV''  und  VI  erteilen. 

Kap.  11,  1:  gleichsam  die  Ueberschrift  des  Exkurses:  auffallende,  aus- 


1)  Davis.,  Meusel;  omnes  X. 

2)  Sie  bezeichnet  eine  geographische  und  ethnographische  „Entdeckung"  folgen- 
schwerster Bedeutung ;  vgl.  ausführlich  unten  S.  74  ff. 

13 


Ucher  die  u'irtsc/iaftlichen  Hud  politischen  Vcr/iäJinissc  hei  den  Gcrnniiicn.     61 

drüc'kliclie  Betonung  des  Unterscliiedes  des  Charakters  von  Gallien  und 
Germanien  und  seiner  Bewohner.     Dementsprechend 

Kap.  21.  1:  Als  programmatische  Ueberschrift  des  zweiten  Teiles  des 
Exkurses.  Germanien  und  Germanen  betreffend,  nochmals  pointiert  heraus- 
gestellt: „Die  Germanen  sind  ganz  anders  als  die  Gallier".  Die  Bespre- 
chung von  Kap.  24,  2  wird  vielleicht,  nachdem  die  Einzeluntersuchung  eine 
breitere  Grundlage  geschaffen  hat,  seinei-zeit  erkläi-en,  aus  welchem  Grunde  '). 

Kap.  21,  3:  Dasselbe  in  anderer  Ausführung  wie  in  IV  1,  S-b,  was  die 
Vorliebe  für  die  Jagd  anbetrifft;  stadia  rei  militaris  gleich  IV  1,  6  ratio 
atque  iisHs  belli.  Zu  der  geübten  Abhärtung  kann  im  übrigen  noch  -) 
IV  1.  10  herangezogen  werden:  atque  in  eam  sc  consi(eti(dinem  adduxeritnt, 
i(t  locis  frigidissimis  neqiie  vestitus  praeter  pclles  haherent  quicquam,  qitarmn 
proptcr  exifiuitatem  magna  est  corporis  pars  aperta,  et  lararentiir  in  fln- 
minihiis.     Zu  der  Art  der  Jagden  vgl.  auch  VI  27  f. 

Kap.  22,  1 :  Die  für  Caesars  politischen  Zweck  so  wichtige  Betonung 
des  agricidtitrac  n on  st u der e  cf.  IV  29,  1  inopiam  frmnenti  verifns.  quod, 
ut  sitpra  dcnioiistrarinms,  inininie  homines  Germani  agricidtiirae  student. 
Der  Mangel  an  Zerealien  will  ja  für  den  Südländer  etwas  völlig  anderes 
besagen  als  für  den  Germanen  —  bekanntlich  auch  heutigentages  noch !  — . 
dessen  abweichende  Ernährangsweise  22,  Ib  angibt:  Milch,  Käse,  Fleisch. 
Das  ist  das  gleiche,  was  bereits  IV  1,  8  von  den  Schwaben  aussagte  [maxi- 
mam  partcm  lacte  atque  pecore  vivunt  und  Erwähnung  der  Jagd  ohne  Schluss- 
folgerung für  die  Nahrung)  und  auch  ganz  kui-z  aus  Strabo  VII  1.  1:5  zu 
erkennen  war  ^). 

Kap.  22,  2  f. :  Eine  der  wichtigsten  Stellen  des  ganzen  Berichtes,  wenn 
nicht  die  wichtigste  überhaupt.  Es  handelt  sich  um  dasselbe,  was  IV 
1,  7  a  kurz  mitgeteilt  war  scd  prirati  ac  separati  agri  apnd  nihil  est,  nur 
dass  entsprechend  der  Absonderlichkeit  der  für  Caesar  ebenso  wie  für  uns 
heutigentages  noch  gleich  auffallenden  Institution  im  sechsten  Buch  sich 
die  ausführliche  Darlegung  derselben  findet,  der  dann  noch  im  Paragraphen  3 
ein  langes  Raisonnement  über  ihre  möglichen  oder  angeblichen  Ursachen 
bei  den  Germanen  folgt.  Schon  daraus  ist  ersichtUch,  dass  Caesar  in  der 
Zwischenzeit,  die  die  Abfassung  von  Buch  IV  und  VI  von  einander  trennt, 
sich  mit  den  Xachrichten  über  die  ihm  (wde  jedem  Angehöi'igen  eines  voll 
entwickelten  Kulturkreises,  in  dem  der  Grundsatz  des  Privateigentums 
prinzipiell  durchgeführt  ist)  besonders  befremdliche  Erscheinung  näher 
befasst  hat,  so  dass  seine  Kenntnis  in  Buch  VI  bedeutend  erweitert  er- 
scheint. Man  sieht  zugleich,  welch  vortreffliche  Erklärung  der  quantita- 
tiven Verschiedenheit  der  beiden  Berichte  die  Lehre  von  der  sukzessiven 
Entstehung  der  Kommentaiien  de  hello  GaUico  uns  an  die  Hand  gibt,  und 
mit  welcher  Lebendigkeit  sie  das  Bild  des  stets    i-egen    Geistes    des  Feld- 

1)  S.  74  f.  —  2)  S.  53  fortgelassen  als  nicht  eigentlich  zum  Thema  gehörig. 
3)  Vgl.  oben  S.  52. 

14 


62  Otto  Th.  Schuh. 

heiren,  der  bei  allen  seinen  umfassenden  politischen  Unteraehnuinixen  und 
(Geschäften  die  Zeit  findet,  seinen  ethnoiirajihischen  Interessen  nachzusehen, 
vor  unser  geistiges  Auge  zaubert. 

In  der  Tat:  ,Sü  ist  die  Lehre  von  der  sukzessiven  Entstehung  des 
Werkes  nichts  weniger  als  bedeutungslos  in  ihren  unmittelbaren  imd  mit- 
telbaren Folgen:  an  die  Stelle  eines  Buches  mit  einer  unpraktisch  ge- 
wählten und  schlecht  durchgeführten  Tendenz  tritt  ein  anderes  voll  per- 
sönlichen Erlebens,  voll  innerer  Wandlungen.  Für  einen  konstruierten 
Helden,  der  den  Verlauf  des  Bürgerkrieges  schon  im  Kopfe  trug,  als  er 
sich  ilim  noch  mit  allen  Mitteln  zu  entziehen  suchte,  tausehen  wir  einen 
lebendigen  Menschen  ein.  dessen  wunderbare  Entwicklung  während  sieben 
wichtiger  Jahre  seines  Lebens  offen  vor  unseren  Augen  liegt " '). 

Doch  wir  gewinnen,  quellenkritisch  betrachtet,  durch  den  Vergleich 
von  IV  1,  7  und  VI  22,  2  f.  für  unseren  speziellen  Zweck  noch  mehr:  denn 
an  die  Seite  des  quantitativen  Unterschiedes  der  beiden  Berichte  tritt  so- 
gleich ein  hochbedeutsamer  qualitativer,  mit  einem  anderen 
Worte:  Caesar  widerspricht  an  der  zweiten  Stelle  einer  Nachricht,  die  er 
selbst  vorher  gegeben,  indem  er  sie  —  wie  das  unter  den  obwaltenden 
L'mständen  auch  ein  moderner  Schriftsteller  kaum  anders  getan  haben 
würde.  —  stillschweigend  korrigiert.  Damit  wird  der  betreffende  Absatz 
in  Buch  IV  einfach  kassiert  und  alles,  was  über  ihn  und  sein  Verhältnis 
zu  Buch  VI  geschrieben  worden  ist.  das  heisst  viele  hundert  Seiten  oft 
sehr  scharfsinniger  Erwägungen,  ein  für  allemal  ungültig.  Es  ist  die  an- 
gebliche Verwechslung  von  seilen  Caesars  in  der  Frage  des  jährlichen 
Flurwechsels  und  des   Wohnungswechsels  bei  den  Germanen  -).     IV   1,7  b 


1)  Ebert  1.  c.  S.  80. 

2)  Wie  sie  zum  Beispiele  R.  Much  dem  Römer  vorgeworfen  hat  in  seinem  Auf- 
satz Waren  die  Germanen  Wanderhiiien?  —  eine  übrigens  nunmehr  an  sich  unmög- 
liche Fragestellung  —  im  36.  Bande  der  Zeitschrift  für  Deutsclies  Altertum  (NF.  24 
=  1892)  S.  97  tf.  Vgl.  schon  oben  S.  -50,  Anm.  1.  Der  jährliche  Wohnungswechsel  hätte 
überhaupt  nie  ernstlich  diskutiert  werden  sollen;  er  ist  aus  allgemeinen  einfachen 
Erwägungen  heraus  wie  auch  den  Ergebnissen  der  modernen  prähistorischen  For- 
schung gegenüber  a  priori  ein  Unding.  —  Die  neuesten  Erscheinungen  hierzu  sind 
R.  Gradmann.  Getreidehau  im  deutschen  und  romischen  Altertum  1909,  wo  in  der  Ein- 
leitung kurz  die  -Nomadentheorie"  der  Germanen  zurückgewiesen  wird,  und  von 
fundamentalem  Interesse  Ed.  Hahn,  Die  Entstehung  der  Pflugkultur  1909,  der  auch 
seinerseits  S.  4  in  der  Einleitung  die  frühere  Annahme  zurückweist  .als  müsste 
überall  dem  sesshaften  Ackerbau  eine  Stufe  schweifenden  Hirtentums  vorangegangen 
sein" ;  musste  dieselbe  doch  .noch  vor  gar  nicht  lauger  Zeit  die  Disposition  für 
Roschers  grundlegendes  Werk  über  unsern  Ackerbau"  hergeben  (Nationalökonomilc 
des  Äelerbaus.  fünfte  Auflage  1867,  S.  49).  Vgl.  auch  Ed.  Hahn  1.  c.  S.  24  ff.  —  Es 
trennen  uns  heute  erst  55 — 60  Generationen  von  den  Germanen  Caesars;  haben  in 
dieser  geringen  Zahl  der  Geschlechtsfolgen  wirklich  grundlegende  Aenderungen  des 
Körpers  und  des  Geistes  der  Hassen  vollendet  werden  können '? !  —  Der  Histo- 
riker ist  freilich  im  allgemeinen  nicht  geneigt,  unter  diesem  physiologischen  Ge- 
sichtsivinkel  zu  betrachten. 

15 


l'chcr  die  irirtsrliaftliclu'ii  iiiid  jxilif/sriien  Verhältnisse  bei  den  Germanen.     63 

hiess  es,  wie  wir  S.  'A  f.  sahen.  allenlin<;s  «'v//«'  h^njins  anno  reniancre  tino 
in  hco  ineolendi  eausa  licet  von  den  Schwaben,  was  eventuell  auch  auf 
einen  Wohnungswechsel  des  ganzen  Stammes  alle  zwei  Jahre  hinweisen 
konnte.  VI  22,  2  jedoch  steht  kein  Wort  von  einer  solchen  Gepflogenheit, 
liat'ür  aber  heisst  es  ganz  ausführlich,  nachdem  die  Worte  ne(iHe  (pt/s(jiunn 
fif/ri  modnm  eertuni  auf  fines  /lafjet  proprios  denen  sed  privati  ae  .separati 
ar/ri  apiid  nihil  est,  man  kann  nicht  anders  sagen,  als  direkt  entsprochen 
haben,  sed  magistndas  ac  principcs  i  n  anno  s  s  i  n  yulo  s  yentihus  eoij- 
nationdmsque  hominitm,  qiii  tum  nna  eoierunt,  quuntum  et  quo  Inen  risnm 
est  agri  attrihmtnt  atqiie  n  n  n  o  p  o  s  t  alio  transire  cotjunt.  Und  darauf 
folgt  das  weitläufige  Kaisonnement. 

Was  bedeutet  das  anders  als  die  stillschweigende  Kon-ektur  der  in  (hm 
früheren  Kommentar  gegebenen  Nachricht  von  dem  jährliclien  Wohnungs- 
wechsel der  Germanen  ?  Dabei  lässt  der  Wortlaut  der  Stelle  noch  durch- 
schimmern, dass  Gaesar  die  frühere  irrige  Mitteilung  vor  Augen  hatte,  als 
er  das  Spätere  niederschrieb.  Warum  also  kassierte  er  nicht  einfach  die 
falsche  Nachricht  IV  1,  7b  und  liess  nur  den  ersten  Teil  7a  stehen,  indem 
er  die  ausführlichere  Mitteilung  dem  sechsten  Kommentare  vorbehielt  y 

Warum? 

Weil  er  das  früher  Geschriebene  nicht  mehr  kassieren  k  o  n  n  t  e,  oder 
anders  ausgedrückt,  weil  Buch  IV  bereits  veröffentlicht  war.  als 
Buch  VI  niedergescli  rieben  wurde. 

Daher  hat  Caesar  seinen  anfänglichen  Irrtum  an  dieser  ihn  so  stark 
beschäftigenden  imd  überhaupt  so  allgemein  interessierenden  Stelle  still- 
schweigend verbessert  als  Meister  der  Sprache  in  einer  wundervollen  Form, 
auf  deren  stilistische  Feinheit  wir  aufmerksam  machen  zu  müssen  glaubten. 
Man  mag  sich  wenden,  wie  man  will,  es  findet  sich  an  diesem  Punkte 
keine  andere  Erklärung;  sie  erbringt  gleichzeitig  den  Nachweis,  dass  zum 
mindesten  Buch  IV  bereits  in  der  Oefifentlichkeit  verbreitet  war,  als 
Buch  VI.  in  dem  die  gallisch-germanische  Digression  als  integrierender 
Bestandteil  erwiesen  ist,  erst  geschrieben  wurde. 

Wir  haben  im  Rahmen  unseres  Aufsatzes  nicht  erschöpfend  nachzu- 
weisen, dass  überhaupt  jeder  einzelne  Kommentar  am  Ende  oder  am  An- 
fang jedes  einzelnen  Jahres  publiziert  worden  ist.  Innerlich  wahrschein- 
lich ist  es  in  hohem  Masse.  Verfasser  sieht  im  übrigen  soeben,  dass  die 
gleiche  Auffassung  von  H.  Walt  her  in  No.  13  der  Detdschen  Literatur- 
zeitung 1910  anlässlich  seiner  Besprechung  von  Eberts  Buch  geteilt  wird : 

„Allerdings  lassen  sich  (für  die  jährliche  Veröffentlichung)  bestimmte 
Beweise  nicht  beibringen  ^).  aber  sollte  Caesar  sich  begnügt  haben,  nur 
durch  kurze  Berichte  an  den  Senat  seine  Kriegstaten  in  das  richtige  Licht 
zu  setzen?     Sollte  er  wirklich  die  Papvrusrollen,    die    seinen    Ruhm    ver- 

1)  Das  ist  nicht  mehr  haltbar  und  ersichtlich  geschrieben  unter  dem  Plinfluss 
von  Eberts  unerwiesener  Behauptung  S.  74.  vgl.  dazu  oben  S.  -59. 

16 


64  Ofh  Th.  Sr/iiiL-. 

künden  und  seine  Autorität  stützen  mussten.  auf  seinen  oft  beschwerlichen 
Kriegszügen  lange  Jahre  hindurch  gleichsam  als  Ballast  mit  sieh  geschleppt 
haben,  während,  wie  wir  wissen,  in  Rom  seine  Gegner  durch  böswillige 
Ausstreuungen  ihm  auf  jede  Weise  zu  schaden  suchten?" 

Es  gibt  in  der  Tat  wohl  nichts,  was  dieser  Annahme  an  innerer  Un- 
wahrscheinlichkeit  gleichkäme,  zumal  wir  uns  nicht  erklären  könnten, 
warum  dieser  hervorragende  Schriftsteller  nicht  wenigstens  einige  der  auf- 
fallendsten Unebenheiten  und  Diskrepanzen  hätte  verbessern  sollen,  wenn 
er  die  Kommentare  so  lange  bei  sich  führte  und  gewiss  doch  hier  und  da 
wieder  überlas  oder  in  ihnen,  die  eigene  Erinnerung  wachzuhalten  und  zu 
unterstützen,  nachblätterte  '). 

Also:  nur  die  Institution  des  jähi-lichen  Flurwechsels  ist  nach  Caesar 
germanisch :  er  erfolgt  so.  dass  jedesmal  die  einzelnen  Geschleehtsverbände 
und  Sippschaften  zusammentreten  und  dann  von  den  magistrafus  ac  prin- 
cipes  nach  deren,  wie  wir  wohl  hinzufügen  dürfen,  durch  Sitte  und  Her- 
kommen geregeltem  Belieben  ihren  Anteil  am  Ackerland  erhalten,  den  sie 
im  nächsten  Jahr  mit  einem  anderen  vertauschen  müssen.  Magisfratiis  ac 
principes  gibt  es,  jedoch  nach  Kap.  23.  5  nur  für  die  örtlich  enger  um- 
grenzten regiones  ntque  ])agL  nicht  aber  gemeinsamme  Stammesbehörden, 
die  erst  in  Kriegszeiten  in  Aktion  treten.  Man  hat  öfters  beliebt,  die 
Worte  Caesars  so  zu  übersetzen,  als  ob  er  von  -Häuptlingen"  bei  den 
Germanen  spräche.     Das  ist  ganz  und  garuicht  der  Fall. 

Denn  es  ist  wohl  nicht  abzustreiten,  dass  die  Bezeichnung  .Häupt- 
ling" dem  herrschenden  deutschen  Sprachgebrauch  zufolge  die  Vor.stellung 
auslöst,  dass  die  betreffende  Person  mit  ausserordentlicher,  wenn  nicht 
unumschränkter  Machtbefugnis  ausgestattet  sei  und  diese  jederzeit  gegen- 
über ihren  .Untertanen"  anwenden  könne,  wie  das  bei  dem  Kegerhäupt- 
ling ganz  despotisch,  bei  dem  Indianerhäuptling  in  milderer  Form  der  Fall 
ist.  Immer  aber  steht  der  Häuptling  hoch  über  .seinem"  Stamm.  Beide 
verbindet  kein  gemeinsames  Gesetz,  nur  bisweilen  Sitte  und  Herkommen. 
Der  Römer  nun  spricht  von  »lagisfmtus  ac  p)-hici2)es  der  einzelnen  Bezirke 
des  Stammes,  das  heisst  in  dem  Sprachgebrauch  der  klassischen  Latinität 
.Behörden  (Beamte)  und  Erste",  weiter  nichts.  Die  magisiratiis  der  Ger- 
manen sind  mithin  diejenigen,  denen  in  den  Bezirken  ein  ge'W'isser  behörd- 
licher oder,  wir-  können  auch  sagen  amtlicher,  obrigkeitlicher  Charakter 
zukommt,  ad  hoc :  zur  Verteilung  des  Ackerlandes  und,   wie  ein  Blick  in 

1)  So  beispielsweise  gleich  Kap.  29,  4  im  sechsten  Buche :  per  Arduennam  silvam, 
quae  est  totius  GalUne  maxima  atque  ab  ripis  Rheni  finibusque  Treverorum  ad  Nemos 
pertinet  milibusque  amplius  D  in  longitudinem  patet,  während  V  3, 4  es  noch  unbe- 
stimmt heisst:  in  silram  Arduennam  abditis.  quae  ingenti  magnitudine  per  medios  fines 
Trererorum  a  flumine  Rheno  ad  iniiiiim  Eemorum  (!)  pertinet.  Caesar  hat  eben  erst 
die  genauere  Kenntnis  erworben,  nachdem  Buch  V  veröffentlicht  worden  war,  sonst 
würde  er  die  frühere  Angabe  doch  höchstwahrscheinlich  korrigiert  haben.  Vgl.  auch 
Ebert  1.  c.  S.  61  f. 

17 


l'chcr  die  u-irfscliaftlirhen  und  polifisrlini  Verhältnisse  hei  dev  fierwone».     65 

Kap.  23,  5  zeigt,  wohl  auch  zu  Zwecken  der  Rechtspiecliung  und  zur 
Schlichtung  von  Streitigkeiten.  Ihnen  zur  Seite  und  der  ganzen  Natur 
der  Sache  nach  zu  einem  guten  Teile,  vielleicht  vorwiegend  mit  ihnen 
identisch  stehen  die  prineipes,  die  „Ersten",  das  sind  die  Miinuor.  die  als 
die  hervorragendsten  ihres  Gaues  sich  bewährt  haben  und  an  Ansehen 
allen  Uebrigen  voranstehen,  aber  keine  „Häuptlinge"  mit  diski-etionärer 
Gewalt  über  die  Ihrigen,  sind  doch  gerade  die  Germanen  „von  Kindheit  auf 
an  keine  Pflicht  oder  Disziplin  ')  gewöhnt  und  tun  überhaupt  nichts  gegen 
ihren  Willen'  (IV  1,  9:  quod  a  piieris  vnlln  offirio  auf  disrip/iiid  fissxefacii 
nihil  nmnino  contra  roJitntntem  facinnt). 

Man  bemühe  sich  nur,  die  Worte  Caesars  nach  Möglichkeit  genau  zu 
interpretieren,  der  Lohn  dafür  wird  nicht  ausbleiben.  Denn  e  r  hat,  wie 
kaum  ein  Zweiter,  gewusst,  was  er  sagen  will  und  wie  er  die  Worte 
wählen  soll,  um  die  interessanten  germanischen  Zustände  seinen  Lands- 
leuten in  Rom  zu  verdeutlichen,  immer  bestrebt,  streng  sich  an  das  zu 
halten,  was  er  auf  dem  Grund  der  ihm  vorliegenden  Berichte  für  wahr 
erkannt. 

„Er  beginnt  den  Entdecker  mit  derselben  Genialität  zu  verkörpern 
wie  den  Feldherrn,  ja  er  scheint  über  jenem  diesen  zu  vergessen;  —  mit 
einer  gewandten  Redensart,  mit  einer  eleganten  Handbewegung  wendet  sich 
der  Führer  Dingen  zu.  die  unser  ganzes  Interesse  in  Anspruch  nehmen; 
wie  lauschen  wir  ihm  und  wie  bewundern  wir  ihn,  der  über  das  Dasein 
eines  fremden  Volkes,  über  eine  akademische  Frage  mit  derselben  Klar- 
heit, mit  demselben  Interesse  zu  sprechen  weiss  wie  über  seine  grossen 
Taten.  Doch  vergessen  vfir  darüber  ganz,  dass  er  eigentlich  unsere  Blicke 
abzieht  von  einem  Punkt,  über  den  wir  gern  etwas  hören  wollen,  den  er 
aber  verschweigen  will?  Nein.  Aber  wir  sind  nicht  gekommen  mit  der 
vorgefassten  Meinung,  eine  rein  tendenziöse  Erzählung  zu  hören,  und  hüten 
uns  jenes  Negative  an  die  erste  Stelle  zu  setzen ;  denn  wir  kennen  den  Mann 
genau  genug,  um  zu  wissen,  dass  er  trotz  gelegentlicher  diplomatischer  Ab- 
weichungen vom  Wege  der  Rechtlichkeit  im  Innern  —  wie  jede  Grösse  — 
wahrhaftig  ist:  .  .  .  geniessen  wir  den  grossen  Eindruck,  wie  hier  das  Genie 
auf  seine  besondere  Art  dem  Geiste  eines  starken  und  gesunden  Volkes 
den  Tribut  seiner  Bewunderung  zollt  und  zugleich  das  Wesen  dieses  Volkes 
klarer  erfasst  hat  als  die  ganze  Gelehrsamkeit  seiner  Zeit"  -). 

Caesar  hat  sich  seine  selbst  gewählte  Aufgabe  in  Buch  VI  wirklich 
nicht  leicht  gemacht.  Das  zeigt  schon  die  präzise  Ausdrucksweise  von 
Kap.  22,  2,  dass  er  bemüht  ist.  Missverständnisse  von  dem  Leser  fernzu- 
halten, wir  werden  jetzt  wohl  sagen  dürfen,  nicht  zuletzt  auch  deswegen. 


1)  Das  einzig  bezeichnende  Fremdwort  ist  mit  Absicht  stehen  gelassen. 

2)  Warme  Worte  der  Bewunderung  für  Caesar  von  Ebert  1.  c.  S.  79  f. ;  vgl.  das 
oben  S.  -59  f.  Ausgeführte  über  die  ursprüngliche  Zugehörigkeit  des  Exkurses  zu  Buch  VI, 
die  Ebert  indessen  nicht  unter  Beweis  gestellt  hatte. 

Klio,  Beiträge  zur  alten  Geschichte  XI  1.  5 

18 


66  Otto  Th.  Schulz, 

weil  ihm  selbst  ja  früher  in  der  Frage  des  jährlichen  Wohnungswechsels  ein 
solcher  L-rtum  passiert  war :  agri  modiini  cerium  auf  fines  —  proprios ;  magi- 
atratns  ac  principes  in  annos  singulos  gentihus  cognationihusque  hominum, 
qiii  tum  utm  coierunt,  quantum  et  quo  —  anno  post.  Es  ist  das  erstemal 
überhaupt,  dass  mr  von  der  Bedeutung  von  Familie  (Geschlechtsverband) 
und  Sippschaft  bei  den  Germanen,  die  sich  bis  auf  ihre  Siedelungsform  er- 
streckt, reden  hören. 

Die  eigenartige  germanische  Institution  interessiert  und  befremdet  den 
Römer  zu  gleicher  Zeit :  ausführlich  versucht  er  daher,  sie  sich  und  seinen 
Landsleuten  zu  erklären,  indem  er  nach  bekannter  antiker  Schriftsteller- 
sitte diese  Erklärungen  den  Germanen  selbst  in  den  Mund  legt.  Es  ist 
dabei  folgende  einfache  Erwägung  anzustellen:  Unmöglich  haben  die 
Gei-manen  der  Zeit  Caesars  ihre  agrarischen  Gepflogenheiten  in  der  Weise 
zu  rationalisieren  gesucht,  wie  das  Caesar  hier  tut.  ja  es  ist  in  hohem 
Masse  unwahrscheinlich,  dass  sie  überhaupt  über  die  Entstehung  und  Be- 
gründung der  ihnen  natürlich  als  selbstverständlich  vorkommenden  Sitte 
damals  schon  nachgedacht  und  die  Resultate  ihres  Nachdenkens  in  irgend- 
welche »udfae  caitsae  für  dieselbe  formuliert  haben  sollten,  die  sie  nun 
etwa  dem  sie  interviewenden  Römer  vortrugen.  Kap.  23.  3  bietet  somit 
lediglich  fünf  Auslegungen  Caesars,  unter  denen  er  noch  dazu  dem  Leser 
die  Wahl  lässt :  sie  sind  an  sich  für  ims  unverbindlich,  dennoch  von  Wichtig- 
keit und  wert,  im  einzelnen  geprüft  zu  werden,  weil  sie  sich  stützen  auf 
geschichtliche.  tatsächUche  Verhältnisse,  über  die  sich  ein  Augenzeuge  der- 
selben Gedanken  macht.  Daher  lassen  sich  verschiedene  Folgerungen  aus 
ihnen  ziehen,  von  denen  wir  einige  verweilten  können. 

1.  Die  ununterbrochene  Gewohnheit  der  Sesshaftigkeit  solle  sie  nicht 
dazu  bringen,  den  Kriegseifer  mit  dem  Ackerbau  zu  vertauschen:  nahe- 
liegende Folgerung  Caesars  aus  dem  IV  1,  4  ff..  VI  21,  3  und  22,  1  Mit- 
geteilten '). 

2.  Damit  sie  nicht  darauf  ausgingen,  weite  Fluren  zu  erwerben  und  die 
Mächtigeren  nicht  die  Geringeren  aus  ihrem  Besitz  vertrieben:  Die  pos- 
sessiones  können  natürlich  nur  der  zugewiesene  Ackerbe.sitz  sein,  so  dass 
die  Geringeren  ihren  Anteil  daran  schliesslich  verlören.  Es  interessiert  in 
diesem  Zusammenhange  aus  Tacitus  Germania  Kap.  26  zu  ersehen,  dass 
fünf  Menschenalter  später  die  Ackerverteilung  schon  secinifhtm  dignationem, 
mithin  nicht  mehr  ex  aequo  vor  sich  ging. 

Es  gibt  also  Mächtigere  und  Geringere:  potentiores  —  humiliores  auch 
nach  Caesar,  keine  , allgemeine  iu"sprüngliche  Gleichheit",  wie  sie  in  den 
Köpfen    der   sozialdemokratischen  „Historiker"    spukt.     Wir   werden    bald 


1)  Man  beachte,  dass  auch  daraus  hervorgeht,  dass  der  gegenwärtige  Zustand 
der  Germanen  ein  Mangel  an  Sesshaftigkeit  ist,  was  nach  dem  bisher  Gehörten  voll- 
kommen korrekt  ist.  Nur  hat  man  hierbei  nicht  mehr  an  jährlichen  Wohnungs- 
wechsel zu  denken! 

19 


Uchcr  die  irhisc/iitffl/r/irii  und  iwliti.sclicn  Vcf/iältiiissc  hii  den  Genitftneii.      67 

Gelegenheit  lüiben,  zu  sehen,  worin  der  Unterschied  zwischen  beiden  be- 
stand, wie  er  sich  begründen  und  befestigen  mnsste  selbst  unter  den  primi- 
tiven Verhältnissen  der  frühen  Zeit. 

3.  Damit  sie  keine  Häuser  bauten,  die  besser  geeignet  wären.  Kälte 
und  Hitze  zu  entgehen:  Es  spricht  der  Augenzeuge  Caesar,  der  die  primi- 
tiven VVohnstätten  der  Germanen  gesehen  und  sie  als  Südländer  doppelt 
unzureichend  zum  Schutze  gegen  die  Unbilden  der  nordischen  Witterung 
empfunden  hat.  Zur  Abhärtung  vergleiche  VI  21,  3  b  sowie  IV  1,  10:  (deine 
in  eam  se  consudmlinem  adänxerunt,  ut  loris  frif/id/ssim/s  ueipie  ecstitus 
praeter  pelhs  haherent  quicquam  etc. 

4.  Damit  keine  Begierde  nach  Geld  entstehe,  woraus  nur  Parteiungen 
und  Zwistigkeiten  erzeugt  wUi'den:  Wenn  irgendwo,  so  tritt  hier  deutlich 
zutage,  dass  der  Römer,  nicht  ein  Germane  rationalisiert.  .Jedes  weitere 
Wort  erübrigt  sich  hierzu. 

5.  Um  das  Volk  durch  Zufriedenheit  in  Ordnung  zu  erhalten,  da  jeder 
sehe,  dass  seine  Mittel  mit  den  Mächtigsten  gleichgestellt  seien:  Ein 
höchst  wichtiger  Passus,  dem  die  Tatsache  zugrunde  liegt,  dass  bei  den 
Germanen  jedes  Mannes  02}es  denen  auch  des  Mächtigsten  gleichkomme. 
Was  heisst  opes?  Ganz  allgemein  „Mittel"  und  nichts  weiter;  worin  diese 
Mittel  bestehen,  geht  jeweils  aus  dem  Zusammenhange  und  der  Färbung 
des  betreffenden  Berichts  oder  der  Erzählung   hervor ').     So   kann    es    an 

1)  Das  Wort  opes  lässt  sich  mit  Sicherheit  an  12  Stellen  bei  Caesar  nachweisen: 
Im  Bell.  Civ.  I  8-5,  5  neque  nunc  se  .  .  .  postulare,  quihus  rebus  opes  augeanlur  suae, 
II  5,  5  ut  si  .  .  .  superavissent  vel  domesticis  opibus  vel  exteriiis  auxiliis  de  salute  urbis 
confiderent  (besonders  lehrreiche  Stelle),  III  3.5,  2  summae  nobilitaiis  adulescens  suis 
ac  suorum  opibus  Caesarem  enixe  iurnbat,  III  103,  3  «f  .  .  .  illius  opibus  iti  calaniitale 
tegeretur. 

Im  Bell.  Gull.  VI  "21.  2.  wo  es  besser  nicht  mit  H.  Mensel  im  Lcxicon  Caesdria- 
mim  II  Sp.  9.52  nu.viliuni  gleichzusetzen  ist,  da  man  es  ebenso  gut  seiner  folgenden 
Rubrik,  die  vielleicht  nur  mit  facultaies  zu  überschreiben  gewesen  wäre,  zuweisen 
kann:  deorum  numero  eos  solos  ducuirt,  quos  cennint  et  ijuorum  apertc  opibus  iuvantur ; 
VI  1.4  et  celeritate  et  copiis  docuit,  quid  poptdi  Rotnani  disciplina  atque  opes  jiossent, 
wiederum  höchst  lehrreich :  die  disciplina  bezieht  sich  auf  die  Schnelligkeit,  mit  der 
der  militärische  Apparat  funktionierte,  die  opes  auf  die  Stärke  der  Truppen,  die 
-Machtmittel'  des  popidus  Romanus,  dann  VII  39.  2  in  illa  magistratnum  controversia 
alter  pro  Convicfolituvc,  alter  pro  Coto  suminis  opibus  pugnuvcrant  sowie  VII  14,  6  harum 
ipsis  reniin  copiam  sujijietere,  quod,  quorum  in  fiiiibus  bellum  gerutur,  eorum  opibus  sub- 
leventur;  II  14,  6  quorum  au.Tdiis  atque  opibus,  si  qua  bella  inciderint.  sustenfare  con- 
suerint,  das  ist  ganz  entsprechend  BC  II  -5,5,  wo  es  noch  genauer  hiess  rel  dome- 
sticis opibus  vel  e xternis  auxiliis  (vgl.  oben);  weiter  I  20,3  quibus  opibus  ac 
nervis  non  solum  ad  minuendam  gratiam,  serf  paene  ad  perniciem  suam  uteretur,  ct.  Ci- 
cero ad  Att.  IX  16,3  tu  relim  mihi  ad  urbeti^  praesto  sis,  ut  tuis  cousiliis  atque  opibus, 
ut  consuevi,  in  omnibus  rebus  utar  („Mittel  des  Geistes,  Fähigkeiten',  sicher  nicht 
.Geld' !),  und  endlich  gerade  das  Gegenteil  bei  Caesar  B.  (lall.  VII  Tii,  2  tania  tarnen 
universae  Galliae  consensio  fuit  libertatis  rindicandae  et  2>ristinae  belli  laudis  recupe- 
randae,  ut  .  .  .  .  omnesque  et  unimo  et  opilnis  in  id  bellum  incmnberent,  das  heisst  .mit 
ihrem  ganzen  Sinnen  und  Trachten  und  all  ihren  (Macht)initteln  (,mit  Blut  und  Gut'), 

5* 
20 


68  Otfo  Th.  Schuh. 

dieser  Stelle  nur  verstaiulen  werden  als  die  Mittel,  die  nian  für  den 
Lebensunterhalt  aus  der  Bebauung  des  Ackerlandes  erwirbt,  als  die  Erträg- 
nisse aus  der  Bebauung  des  Ackers,  an  dem  niemand  privates  Sonder- 
eigentum besitzt,  an  dem  alle  Mannen  gleichen  Anteil  haben. 

Wir  stehen  damit  an  einer  Stelle  von  fundamentaler  Wichtigkeit. 

Mit  der  richtigen  Auslegung  des  Wörtchens  opes,  das  Caesar  sehr 
wohlweislich  wählte,  weil  es  eben  erst  durch  die  Verbindung,  in  die  es 
ti-itt,  Leben  und  Farbe  gewinnt,  an  sich  jedoch  weder  „Reichtum"  noch 
„Macht"  noch  „Eigentum"  schlechthin  bezeichnet,  ist  ähnlich  viel  gewon- 
nen wie  mit  der  des  Wortes  princeps.  Jedesmal  stürzt  eine  ganze  Reihe 
von  Hypothesen  zusammen,  die  von  einer  inügen  Interpretation  ausgingen. 
Die  Latinität  eines  Caesar  ist  nun  einmal  so  klar  und  präzis  und  steht  in 
so  hellem  Lichte  der  Wissenschaft,  dass  es  einen  unverantwortlichen  Ver- 
zicht auf  Erkenntnis  leisten  hiesse,  wollten  wir  nicht  endlich  einmal  ebenso 
klar  und  scharf  fassen,  w  a  s  e  r  sagen  wollte  und  wie  er  es  sagte.  Der 
Stein  des  Anstosses.  die  Falschmeldung  des  jährlichen  Wohnungswechsels, 
die  so  bequem  herangezogen  werden  konnte,  um  auch  andere  Teile  seines 
Berichtes  über  die  wirtschaftlichen  und  politischen  Zustände  bei  den  Ger- 
manen verdächtig  zu  machen,  ist  ja  ein  für  allemal  hinweggeräumt. 

Immer  klarer  vrbrd  das  Bild,  das  Caesar  auf  Grund  eigener  Erfahrung 
und  Erkundung  mit  ruhigen,  la-äftigen  Strichen  zeichnet. 

Es  gibt  Mächtige  und  Geringe,  aber  das.  was  besonders 
dem  wenig  Fleisch  konsumierenden  Südländer  so  einzigartig  und  erstaun- 
lich scheint,  ist.  dass  allen  der  gleiche  Anteil  am  Ackerland  zukommt 
imd  damit  die  gleiche  Höhe  des  Ertrages  an  Feldfrüchten.  Xiir  die  Ein- 
fachheit der  gesamten  Lebensführung,  der  Mangel  an  jeglichem  Luxus,  wie 
ihn  Caesar  auch  noch  im  zweiten  Kapitel  des  vierten  Buches  schilderte, 
kann  das  einigermassen  verständlich  machen  '). 

Man  fragt  jetzt  un^vdllkürlich.  wie  ist  unter  solchen  Verhältnissen  die 
Existenz  von  potentiores,  ja  potentissimi  und  humUiores  eigentlich  denkbar? 
Caesar  gibt  selbst  wieder,  wenn  auch  indirekt,  die  sichere  Antwort  darauf, 
die  mit  allem,  was  sich  sonst  noch  auf  dem  Wege  der  Praehistorie  und 
Linffuistik  erschliesst.  übereinkommt. 


folglich  auch  mit  ihrem  .Geld  und  Gut'.  Das  Wort  opes  der  klassischen  Latinität 
ist  in  der  Tat  der  farblose  Kristall,  der  wechselnd  in  den  Farben  erstralilt.  die  von 
seiner  Umgebung  aus  sich  in  ihm  brechen.  Es  ist  ein  besonders  glücklicher  Um- 
stand, dass  die  deutsche  Sprache  ein  an  sich  gleich  neutrales  Wort  aufweist  Mittel: 
„Das  setzt  der  mit  allen  Mitteln  durch!  Aber  hat  er  die  Mittel  dazu?  Nun,  er 
wird  schon  Mittel  und  Wege  finden, ■     Und  so  fort! 

Vi  IV  2,  1  mercatoribits  esl  orfifu.«  maffis  eo,  iit  qicae  hello  ceperint  quihiis  teiidant 
habeaiit.  quam  quo  tiUam  rem  ad  .«<>  importari  desidereiit.  Was  zahlten  wohl  die  Kauf- 
leute dafür?  Etwa  Geld?  Und  in  wessen  Besitz  kam  das  Zahlmittel ?  Tgl.  oben 
S,  70  f.  Vielleicht  auch  IV  2, 6  viitum  onmino  ad  se  im})0}iari  iion  paiiuntur,  quod  ea 
re  ad  laborem  ferendum  retttoUescere  homines  atque  effeminari  arhitrantur. 

21 


Ucher  die  irnisc/iiiftl/clici/  mnl  politisc/icii  Vcrhiiltnissc  hei  de».  (IniiMUcn.     69 

Bei  alloilein,  was  wir  in  Kiip.  21.  2  hörten,  iiiindelt  es  sich  ledifflich 
um  ein  w  i  r  t  s  c  h  a  f  U  i  ch  e  s  Moment.  Es  ist  ein  grosser  Fehler  ge- 
wesen, wenn  man  versucht  hat,  dariui  politische  Erwägungen  mitanzu- 
knüpfen.  Nein,  von  politischer  Gleichstellung  der  Stammesgenossen  ist 
bei  Caesar  nirgends  die  Kede.  Gleichheit  herrscht  allein  nach  zwei  Rich- 
tungen:  in  der  Verteilung  der  AckerUlndereien  und  teilweise  im  Zusam- 
menhang hiermit:  in  der  Einfachheit  der  Lebenshaltung.  Wir  dürfen  ruhig 
behaupten,  dass  ebenso  wie  150  Jahre  später  zur  Zeit  des  Tacitus.  so  auch 
damals  schon  —  vielleicht  sogar  in  noch  höherem  Masse  —  Luxus  direkt 
als  des  Mannes  unwürdig,  wenn  nicht  schimpflich  galt^). 

Gleichwohl  existiert  Privateigentum,  und  zwar  in  sehr  verschiedenem  Um- 
fang.   Worauf  gründen  wir  unsere  Behauptung  und  worin  hat  es  bestanden  ? 

Wir  können  da  einmal  verweisen  auf  die  p  r  a  e  h  i  s  t  o  r  i  s  c  h  e  n 
F  u  n  d  e,  die  tausendfache  Belege  dafür  erbracht  haben,  dass  ein  stark 
differenziertes  Privateigentum  schon  zur  Zeit  des  Ueberganges  von  der 
neolithischen  zur  Bronzekultur  (das  bedeutet  etwa  20  Jahrhunderte  vor 
Caesar,  als  das  indogermanische  Urvolk  sich  eben  zu  spalten  begann)  in 
Mitteleuropa  bestand,  und  zwar  zunächst  an  allen  solchen  Gegenständen, 
die  für  den  persönlichen  Gebrauch  und  den  persönliclien  primitiven  Schmuck 
dienten. 

Dass  mit  ihnen  ein  verhältnismässig  ausgebreiteter  Handel  getrieben 
worden  ist.  beweisen  im  übrigen  die  vielfachen  Depotfunde,  die  be- 
kanntlich sich  meist  nur  so  erklären  lassen,  dass  ihre  Materialien  zurück- 
weisen auf  Händler,  die  in  Gefahr  oder  irgendwelche  Misshelligkeit  ge- 
rieten und  ihr  Gut  durch  Vergraben  oder  Verstecken  für  später  zu  retten 
hofften.  Die  Depotfunde  häufen  sich  in  der  weiteren  LTmgebung  Leipzigs 
zum  Beispiel  meist  um  die  Salzstadt  Halle  herum,  deren  natürliches  Er- 
zeugnis schon  in  der  Vorzeit  ein  ebenso  wichtiges  Handelsobjekt  war,  wie 
es  heutigentages  das  fast  unentbehrliche  Salz  etwa  im  Innern  Afrikas  dar- 
stellt. Es  veranschaulicht  in  lehrreicher  Weise  den  Umfang  dieses  prae- 
historischen  Handels,  wenn  wir  hören,  dass  hier  einmal  in  1200  Stück 
volle  7  Zentner  Bronze  sich  gefunden  haben  oder  aber  120  Bernstein- 
perlen aneinandergereiht,  mithin  eben  noch  nicht  zum  Schmucke  ver- 
wandt,   jedoch  ersichtlich  zum  Tausch  oder  Verkauf  für  ihn   bestimmt^). 

1)  Z.  B.  GerTOOxia  Kap.  h;  l.")Ende;  auch  i'i  (nur  der  alte  deutsche  Durst  ist  es 
hier,  der  zu  ausschweifenden  Gelagen  führt !);  26.  —  Zur  Einfachheit  der  Lebensweise 
der  Germanen  vgl.  auch  noch  Caesar  selbst  im  B.  G.  VI  24,  4fl'. :  nunc,  quod  in  ea- 
dem  inopia,  erjestate,  patientia,  qua  {ante},  Germani  permanent,  endem  victu  et  cultu 
corporis  utiintiir,  Oallis  autem  provinciarum  iinipiniinitns  et  Irnnsmariiiarum  rerum  no- 
tititia  multa  ad  lopiam  atqne  usus  laryitur,  paulatim  assuefacti  superari  multisque  vidi 
proeliis  ne  se  quidein  ipsi  cum  Ulis  virlute  comparant.  Man  bemerke  wiederum  die 
starke  Betonung  des  Unterschiedes  zwischen  beiden  Völkern. 

2)  So  die  Depotfunde  von  Gröbers,  Dieskau,  Karsdorf- Pegau !  —  Die  Bronze- 
ware ist  schon  ganz  frühzeitig  im  Lande   selbst   bei  Leipzig   gegossen   worden ;   bei 

22 


70  Otto  Th.  Schuh, 

Was  gewann  nun  der  Händler  bei  diesen  beiden  ?  Was  war  bei 
„Arm"  und  ,  Reich",  wenn  auch,  ciuantitativ  in  verschiedenem  Masse  zu 
holen?  An  Geld,  ungemünzt  oder  gar  gemünzt,  kann  selbstverständlich 
nicht  gedacht  werden,  ganz  abgesehen  von  dem  direkten  Zeugnis  des  Cae- 
sar Yl  22,  3  ').  Es  ist  der  Besitz  von  Vieh,  der  den  Umfang  des  Privat- 
eigentums so  recht  eigentlich  bezeichnet,  der  die  „Vermögens Verhältnisse" 
der  potentissimi  über  die  der  humiJiores  und  letzthin  über  diese  selbst  er- 
hebt -).     Wir  werden  noch  sehen,  aus  welchem  einfachen  Grunde. 

Die  vergleichende  Sprachwissenschaft  hat  uns  längst  darüber  belehrt, 
dass  diese  Entwicklung  bei  den  Germanen  nicht  isoliert  dasteht,  dass 
vielmehr  die  Begriffe  -Geld"  und  „Vieh"  überall  bei  den  Ariern  ursprüng- 
lich miteinander  identischen  Ausdruck  durch  die  Sprache  fanden;  vgl. 
beispielsweise  Alois  Walde,  Lateinisches  EtijmoJogisches  Wörterhuch,  1906, 
S.  455: 

„pecu,  -iis,  pecus,  -oris  und  -udis  „Vieh",  pecfdiitm  „Vermögen",  pe- 
cünia  „Geld":  u.  pequo  „peciia",  got.  failix  „Vermögen.  Geld",  ahd.  usw. 
fihu  „Vieh":  ai.  pä-rx,  pacü,  parii-s,  av.  juisii  „Vieh" :  lit.  (mit  abweichen- 
dem Gutt.)  2)(%iis.  apr.  pechi  „Vieh"  etc.  etc. 

Es  hiesse.  Eulen  nach  Athen  tragen,  wollten  wir  liier  altbekannte 
Dinge  näher  detaDlieren. 

Denn  jetzt  ist  Wichtigeres  zu  tun. 

Der  Historiker  hat  sich  hineinzudenken  in  die  einfachen  Verhältnisse 
der  frühen  Zeit  und  da.  wo  die  direkte  Ueberlieferung  versagt,  zu  der  be- 
rechtigten Konstruktion  selbstredend  mit  aller  gebührenden  Vorsicht  zu 
schreiten. 

Knüpfen  wir  au  das  farblose  Wort  opcs  an:  Gleichheit  hat  es  nur 
gegeben  in  den  ojks,  das  heisst  den  Mitteln  zum  Lebensunterhalt,  die  man 
aus  der  gleichmässig  verteilten  Ackerflur  gewann;  dafür  ist  Caesar  aus- 
drücklicher Zeuge;  nicht  jedoch  existierte  Gleichheit  in  all  den  andern 
opes,  die  im  Menschenleben  wirksam  werden.  Konkret  ausgedrückt:  Un- 
gleichheit heiTSchte  einmal  in  den  Mitteln,  die  man  gewaun  aus  dem  ver- 


Amruendorf.  unweit  südlieli  von  Halle,  sind  z.  B.  50  Gussformen  dafür  gefunden 
worden,  teilweise  auseinander  gebrochen  und  den  fertigen  Bronzeguss  somit  heute 
noch  aufweisend.  Also  praehistorische  Fabrikation  auch  bei  uns.  im  übrigen  schon 
in  der  jüngeren  Steinzeit,  wie  der  Depotfund  von  Kleindölzig  bei  Leipzig  zeigt,  ab- 
gebildet und  besprochen  von  F.  Max  Nabe  1908  Die  steimeitliche  Besiedehmg  der 
Leipziger  Gegend  S.  4  fl'. 

1)  Anders  bereits  l'/?  Jahrhunderte  später  laut  Tacitus.  Germania  Kap.  -5:  pe- 
cuniam  probant  veterem  et  diu  notam.  serratos  bigatosque.  argentum  qitoque  viagis  quam 
aurum  sequuutur.  nulla  adfectione  animi  (sie!),  sed  quia  numerus  argciiteitrum  facilior 
iisui  est  promiscua  ac  vilia  mercantibus.  Das  hat  also  die  Berührung  mit  den  Römern 
in  der  Zwischenzeit  schon  bewirkt.    Man  erinnere  sich  an  S.  51 '. 

2)  Cf.  Strabos  kurzen  Bericht  (oben  S.  52),  der  vortrefflich  mit  Caesar  zusam- 
menstimmt, und  auch  noch  Tacitus,  Germania  Kap.  5 :  tiumero  {armeniorum)  gattdent 
eaeque  solae  et  gratissimae  opes  sunt. 

23 


i'cber  die  wirfsc/inftl/i/icii  itnd  jmlitisclicn  VcrliäUnisse  hei  den  Germanen.     71 

schieden  gestalteten  I'riviitljcsitz  von  Vieh  (und  Waffen,  wie  sich  «gleich 
zeigen  soll),  Ungleichlieit  dann  natürlicherweise  von  jeher  in  den  Mitteln 
des  Intellekts  und  der  Stärke  und  Gewandtheit  des  Körpers  des  Kriegers. 
Und  das  musste  unter  den  lierrschenden  Verliältnissen,  wie  sie  uns  Oaesar 
schildert,  wo  der  Krieg  fast  die  Hegel,  der  Friede  fast  Ausnahme  war. 
wo  freier,  durch  keinerlei  „Hänptlingswesen"  eingeengter  Wettbewerb  aller 
Kräfte  aller  Volksgenossen  sich  im  Kampfe  betätigte,  im  Grunde  einander 
gegenseitig  bedingen.  W^ir  meinen  so:  Persönliche  Tapferkeit  eignete  allen 
in  ähnlichem  Masse  zu ;  sie  ist  für  diese  Zustände  einfach  Voraussetzung 
des  Mannes  {i:ir-(usf);  indessen  wer  an  Verstand,  Kraft  und  Gewandtheit 
die  anderen  übertraf,  musste  bald  zu  grösserem  Ansehen  gelangen  als 
diese,  zumal  wenn  sich  beides  mit  Wohlhabenheit,  das  bedeutet  gi-össerem 
Viehbesitz,  verband.  Dies  letztere  aber  war  wieder  die  von  der  Natur  der 
Dinge  selbst  gegebene  Folge  der  hervorragenderen  Mittel  des  Intellekts 
und  der  körperlichen  Tüchtigkeit.  Denn  wer  mehr  und  ausgezeichnetere 
Feinde  als  die  anderen  besiegte,  gewann  damit  mehr  und  bessere  Waifen, 
als  diese  besassen.  und  das  führte  selbstverständlich  wiederum  dazu,  dass 
der.  der  im  Besitze  der  besseren  Waffen  war,  es  verhältnismässig  leichter 
hatte,  den  Sieg  zu  erringen  '),  den  Sieg,  an  den  sich  bald  auch  direkte 
materielle  Vorteile  anschlössen,  mag  nun  das  Vieh  der  Gegner  nach  dem 
Malsstab  der  persönlich  erworbenen  Vorteile  verteilt  worden  sein,  das  wäre 
quantitativ  und  vielleicht  auch  qualitativ  verschieden  insofern,  als  der,  der 
das  Hervorragendste  geleistet,  den  grössten  und  besten  Beuteanteil  erhielt, 
mag  auch  nur  zunächst  daran  gedacht  werden,  dass  der,  der  allmählich 
in  den  Besitz  von  soviel  Waffen  gekommen  war,  dass  er  und  die  Seinen 
nicht  mehr  benötigten,  die,  welche  er  weiter  im  Kampfe  von  dem  besiegten 
Feinde  gewann,  gegen  Vieh  der  Stammesgenossen  austauschte:  auf  alle 
Fälle  ist  grösserer  Besitz  ursprünglich  durch  grössere  Tüchtigkeit, 
grösseren  Erfolg  bedingt,  und  dieser  dann  zu  einem  guten  Teile  durch 
den  ersteren. 

Und  damit  kommen  wir  so  recht  eigentlich  zu  der  politischen 
Kehrseite  der  Dinge.  Freiheitlich  ist  alles  geordnet,  aber  es  ist  g  e  o  r  d- 
net,  Caesar  sagte  es  uns  selbst;  zwar  herrscht  keine  römische  „Diszip- 
lin", keine  Unterwürfigkeit  überhaupt,  gleichwohl  eine  feste  Sitte,  ein  be- 
stimmtes Herkommen,  eine  Ueberlegenheit  derer,  die  das  meiste  „Ansehn" 
haben,  die  die  „Ersten"  in  den  einzelnen  Bezii-ken  und  Gauen  sind,  von 
einer  Art.  die  der  Römer  mit  der  der  maijistmtiis,  der  „Behöi'den"  glich. 
Wir  greifen  immer  mehr  mit  Händen,  wie  töricht  es  war,  hier  das  Wort 
„Häuptling"  je  zu  gebrauchen. 

Doch  wir  eilen  zu  weit  voraus;  zurück  zu  der  Interpretation  des  Bd- 
liim  GaJlicuml 


1)  Man  erinnere  sich,  welch  unvergleichliche  Rolle  die  gute  ,Wehr  miil  Watlun' 
noch  im  Nibelungenliede  spielt! 

24 


72  Otto  Tli.  Schuh, 

Kap.  23,  1  f. :  Dasselbe  in  nur  wenig  veränderter  Ausfübriing.  was 
Caesar  bereits  IV  3,  1  gebracht  hat.  Vhins  ist  einfach  mit  .Mannhaftig- 
keit" zu  übersetzen  (rir-tus)  '). 

Kap.  23,  3 :  stellt  keinen  tatsächlichen  Bericht,  sondern  ein  Raisorme- 
ment  des  liömers  dar,  das  er  ganz  ebenso  wie  in  Kap.  22,  3  den  Germanen 
in  den  Mund  legt :  es  erscheint  völlig  ungermanisch  gedacht,  das  Verwüsten 
des  angrenzenden  Gebietes  als  ,  Vorsichtsmassregel '  gegen  plötzliche  feind- 
liche Einfälle  in  der  Weise  zu  bezeichnen,  dass  man  sagt :  ,  Ja.  so  fühlen 
wir  uns  dann  übrigens  auch  sicherer  und  sind  der  Furcht  (!)  vor  einem 
plötzlichen  Einhruche  überhoben". 

Kap.  23.  1  f. :  Die  erste  rein  politische  Mitteilung.  Aus  ihr  geht 
hervor,  dass  die  Zusammengehörigkeit  des  Stammes  erst  in  Kriegszeiten 
in  äussere  Erscheinung  tritt.  Nur  dann,  wenn  es  sich  darum  iiandelt.  einen 
Verteidigungs-  oder  einen  Angrifiskrieg  von  Stammeswegen  zu  führen, 
werden  Männer  als  gemeinsame  Kriegsbehörde  zur  Leitung  des  Feldzuges 
gewählt.  Diese  haben  für  Kriegszeit  dann  natürKch  auch  Gewalt  über 
Leben  und  Tod.  weil  die  Notwendigkeit  von  jeher  erheischt  hat.  dass  die 
Befehlgewalt  im  Kriege  eine  unbedingte  sei,  um  überhaupt  erfolgreich 
werden  zu  können.  Das  bekannte  Wort  hifer  anna  silent  hujes  gilt  mutatis 
mutandis  schon  im  alten  Germanien:  denn  im  Frieden  ist  alles  ganz 
partikularistisch  und  ganz  freiheitlich  geordnet,  so  nämlich,  dass  dann 
überhaupt  keine  gemeinsame  Stammesbehörde  existiert,  sondern  die 
Ersten  der  Gegenden  und  Gaue  (die  . Gauvorsteher ')  unter  den  Ihren 
Recht  sprechen  und  die  Streitigkeiten,  an  denen  es  unter  so  leidenschaft- 
lichen Naturen  gewiss  nicht  gefehlt  haben  wird,  zu  schlichten  suchen  -). 
Das  ist  also  eine  der  praktisch  wichtigsten  Aufgaben,  die  im  Frieden  den 
Bewährtesten  und  Vornehmsten  zufällt  und  ihnen  in  gewissem  Sinne  die 
Eigenschaft  von  Beamteten  —  wir  sagen  vielleicht  besser:  Beauftragten 
—  ihi'er  näheren  Stammesgenossen   beilegt.     Noch    lange    in  historischer 


1)  Es  könnte  an  dieser  Stelle  vielleicht  der  Einwand  erhoben  werden,  dass  ähn- 
lich wie  §  3  (vgl.  oben  im  Text)  anch  §  2  schon  ein  Raisonnement  des  Autors  wie- 
dergibt ;  dem  steht  unserer  Auifassung  nach  entgegen,  dass  IV  3, 1  dasselbe  eben- 
falls in  tatsächlicher  Form  berichtet  sowie  die  innere  Verknüpfung  von  §  2  mit  §  1 
(maxima  laus  —  hoc  proprium  virtutis  e.ristimanf).  Caesar  hörte  eben  von  dieser  eigen- 
artigen und  für  ihn  (wie  noch  für  uns !)  befremdlichen  Autfassung  des  Begriffes 
, Stammesruhm '  bei  den  Germanen  und  teilt  sie  daher  mit:  was  er  selbst  dazu  noch 
zu  bemerken  hat.  spiegelt  im  übrigen  recht  charakteristisch  für  die  römische  Auf- 
fassung §  3  wieder.  Im  übrigen  mag  noch  darauf  aufmerksam  gemacht  werden, 
dass  Caesar  im  sechsten  Kommentar  nicht  mehr  von  der  eigenartigen  Weise  (der 
Schwaben),  rursus  in  ricem  jährlich  Krieg  zu  führen,  spricht,  ohne  dass  wir  für  un- 
sere Zwecke  daran  weitere  Erörterungen  zu  knüpfen  brauchten. 

2)  Worin  die  Busse  bestanden  haben  muss.  ist  nach  dem  vorher  Ausgeführten 
ohne  weiteres  klar :  in  Vieh.  Die  unmittelbare  Bestätigung  dafür  findet  sich  noch 
in  der  Zeit  des  Tacitus,  cf.  Cermania  Kap.  21  luitur  cnim  etiam  homicidium  certo  ar- 
mentorum  ac  pecorum  numero  etc. 

25 


lieber  die  whisclKiftlicIioi  und  politisrltcn  Verhältnisse  hei  den  frcnnancn.     73 

Zeit  ernennt  die  Gauvorstilndt'  die  Volksversiimmlung.  Von  ,  Hilu})tliii'2;.s- 
wesen"  keine  Spur! 

Kap.  23,  6:  Als  kraftstrotzende,  leidenschaftliche  Männer,  mit  jeder 
Faser  des  Herzens  auf  Wahrunfj;  der  persönlichen  Freiheit  und  Ehre  be- 
dacht, treten  uns  die  Germanen  in  der  Geschichte  des  Altertums  entgegen. 
Es  ist  ein  Ueberschuss  an  Kraft  und  Tatendurst  in  Friedenszeiten  vor- 
handen, der,  nach  innen  gewandt,  dem  eigenen  Stamm  höchst  gefährlich 
werden  kann,  in  der  Tat  ja  auch  des  öfteren  geworden  ist').  Dazu  kommt 
die  Neigung  der  Mannen,  die  Caesar  hier  andeutet  und  Tacitus  in  seiner 
Germania  -)  mit  Ausdrücken  höchster  persönlicher  Verwunderung  gänz- 
lich unverdächtig  schildert'^),  im  Frieden  nur  dem  Müssiggang  zu  leben 
und  Trinkgelage  Trinkgelagen  folgen  zu  lassen,  wobei  der  Xatur  der 
Sache  gemäss  die  Gemüter  sich  des  öfteren  gefährlich  zu  erhitzen  pflegen. 
Deswegen  also  werden  Raubzüge  in  die  umliegenden  Gebiete  nicht 
nur  erlaubt,  sondern  direkt  gewünscht  ^),  und  sie  erfolgen  gewöhnlich  laut 

Kap.  23,  7  f. :  unter  der  P^ührung  eines  der  erprobten  Ersten  der 
Gegend,  der  in  der  Volksversammlung  sich  zum  Führer  des  Zuges  erboten 
und  bald  hier  Gefolgschaft  gefunden  hat,  die  als  unbedingt  verpflichtend 
für  den  gilt,  der  sich  zu  ihr  einmal  erklärt  hat.  Wir  greifen  mit  Händen, 
dass  die  politische  und  wirtschaftliche  Stellung  der  7)»7nr/^;e.5  infolge  dieser 
eigenartigen  Gepflogenheit  nur  gewinnen  konnte,  einmal  durch  den  direkten 
Einfluss,  den  sie  durch  diese  Züge  auf  ihre  Gefolgsleute  erhielten,  dann 
durch  das  Imponderabile  der  Gemeinsamkeit  der  Erinnerungen  an  Kampf 
und  Sieg  mit  diesen,  das  auch  in  sonstigen  politischen  Fragen  zusammen- 
führen konnte  und  musste,  endlich  durch  die  materiellen  Vorteile,  die  sich 


1)  Man  denke  nur  an  die  furchtbaren  Tragödien,  die  sich  innerhalh  des  Stammes 
der  Cherusker  anschliessend  an  die  Ermordung  des  vere  liberutor  Germaniae  Arminius 
abgespielt  und  in  wenig  Jahrzehnten  den  mächtigen  Stamm  aus  dem  Buche  der  Ge- 
schichte gestrichen  haben.  —  Es  war  (in  Parenthesi  bemerkt)  fürwahr  eine  tiefe 
Staatsklugheit  des  Tiberius.  nach  dem  Jahre  11  die  Germanen  sich  selbst  zu  über- 
lassen, damit  sie  sich  gegenseitig  zerfleischen,  —  vielleicht  wären  sie  als  reife 
Frucht  dereinst  doch  Rom  noch  in  den  Schoss  gefallen,  wenn  nicht  Germanicus  mit 
seinen  durch  die  vorhergegangene  Meuterei  der  Legionen  gewiss  nicht  etwa  als  Si- 
cherheitsventil zu  rechtfertigenden  Kriegszügen  den  langsamen  deutschen  Michel 
rechtzeitig  gewarnt  hätte.  Eindringende  Forschung  wird  je  länger,  je  mehr  zeigen, 
wie  verwerflich  und  töricht  der  kaiserliche  Prinz  gehandelt  hat. 

2)  Z.B.  Kap.  1.5  und  22  f.  —  Vgl.  auch  noch  Caesar  VI  28,  6b:  atque  in  amplis- 
üimis  epulis  pro  poculis  ntuntiir  („Trinkhörner"). 

3)  Die  Züge  der  Trunksucht  und  Trägheit  der  Germanen  in  Friedenszeit  sind 
es  vor  allem,  die  nicht  zu  der  bekannten  Auffassung  passen,  Tacitus  habe  seinen 
Römern  einen  germanischen  , Sittenspiegel "  vor  die  Augen  halten  wollen.  Es  Hesse 
sich  im  übrigen  bequem  zeigen,  dass  die  Germania  einfach  ein  ethnographisches 
Essai  im  Geiste  der  zeitgenössischen  Schriftstellermode  ist  (Seneca !)  und  weiter  nichts. 
Doch  das  würde  hier  zu  weit  führen. 

4)  Ein  nicht  unwichtiger  Vorläufer  des  Raubritterwesens,  dessen  letzte  geschicht- 
liche Verankerung  unseres  Erachtens  bis  hierher  reicht. 

26 


74  Otto  Tli.  Schuh, 

aus  dem  geglückten  Haubzug  am  meisten  selbstverständlich  für  den  An- 
führer ergaben.  So  liegen  an  diesem  Punkte  in  der  germanischen  Vorzeit 
bereits  deutlich  erkennbar  —  dank  Caesar  —  die  Keime  zu  der  späteren, 
frühmittelalterlichen  Entwickelung. 

Kap.  24,  2  f.:  Wir  wenden  unseren  Blick  zurück  zu  der  lieber- 
schritt,  die  Caesar  in  pointierter  Weise  seiner  germanischen  Digression 
gab  „Unterschied  der  Gallier  und  der  Germanen"  und  wir  erinnern  uns 
noch  einmal  der  so  reiche  Frucht  bringenden  Lehre  von  der  sukzessiven 
Entstehung  der  Koramentarien,  die  vermutlich  überhaupt  in  die  der  suk- 
zessiven Veröffentlichung  auszubauen  sein  wird,  wie  sich  ja  schon 
für  uns  hier  zeigte,  dass  Buch  IV  wenigstens  bereits  veröffentlicht  war, 
als  Buch  VI  erst  geschrieben   wurde. 

Kein  Geringerer  als  Karl  M  ü  1 1  e  n  h  o  f  f  in  .seiner  klassischen 
Deutschen  Altertum sliimde  (II  S.  154)  hat  bekanntlich  erwiesen,  dass  Caesar 
überhaupt  der  erste  antike  Autor  ist,  der  mit  seinem  scharf  und  klar 
blickenden  Auge  den  Unterschied  zwischen  den  Kelten  und  den  Germanen 
erkannt  und  herausgehoben  hat.  im  Gegensatz  zu  den  früheren  Gewährs- 
männern, mithin  vor  allem  den  Griechen,  denen  Germanen  und  Gallier  eins 
waren  '),  und  im  übrigen  selbst  in  der  Folge  noch  häufig  genug  eins  ge- 
blieben sind  (Strabo  VII  1,  2  p.  290  C.  typisch!),  bis  zur  Zeit  des  Cassius 
Dio  die  alte  Konfusion  wieder  das  Normale  ist ''). 

Betrachten  wir  nun  den  Bericht  des  Römers  in  dem  vierten  Buche 
mit  ruhigem  BKcke.  so  tritt  uns  an  dieser  Stelle  einfach  die  Erzählung 
eines  Augenzeugen  entgegen,  der  nach  seinen  persönlichen  Eindrücken  und 
Erkundigungen  von  den  Schwaben  als  einem  Volke  erzählt,  das  seine  eigene 
Art  hat,  in  unbefangener,  selbstverständlicher  Weise,  ohne  Betonung  der 
Differenz  gerade  zu  den  Galliern,  die  ohnehin  sinnfällig  ist. 

Ganz  anders  VI  11,  1  non  alienimi  esse  videtur  de  Galliae  Germaniae- 
que  moribus  et  quo  differant  hae  nationes  inter  sese  ^^roponere  und  Yl  21, 
nochmals  Germani  niultum  ab  hac  consueiudine  (sc.  Gallorum)  differimt^). 
Ebert  hat  (a.  a.  0.  Seite  59)  darauf  hingewiesen,  dass  mit  diesen  Wor- 
ten das  „Leitmotiv  für  die  ganze  Abliandlung  über  die  Gallier  und  Ger- 
manen angegeben"  sei  und  er  fragt,  woher  diese  „ausserordentlich  nach- 
drückliche Betonung  des  Unterschiedes"  nun  mit  einemmale  komme,  wäh- 
rend sie  doch  früher  im  viei"ten  Buch  ganz  fehlte. 

Ebert  hat  auch  schon  so  ziemlich  die  richtige  Antwort  gefunden, 
wenn  er  es  ausspricht : 


1)  Poseidouios-Strabo !  —  Schade,  dass  das,  was  lange  vorher  der  erste  Nord- 
polarforscher, den  die  Geschichte  kennt,  P  y  t  h  e  a  s  über  die  Gutonen  und  Teutonen 
zu  berichten  gewusst  hat,  nicht  mehr  erhalten  ist.  Vgl.  unter  anderem  des  Ver- 
fassers Entwicklung  und  Untergang  des  kopernikaniscken  Weltsi/stems  bei  den  Alten 
Stuttgart  1909.  S.  107  S. 

2)  Z.  B.  Buch  78  (Boissevain),  Kap.  13.  —  3)  Vgl.  oben  S.  .^)6.  60  f. 

27 


Ueher  die  wirtschafVirhc»  umJ  poJUisrhm  Vr.rhnUninsc  hei  den  Germanen.     75 

„Caesar  hatte,  wie  gesagt,  von  jeher  die  Ueberzeugung.  —  aber  er 
hatte  nicht  gewnsst.  dass  man  in  wissenschaftlichen  Werken  die  entgegen- 
gesetzte, falsche  Ansicht  aufgestellt  hatte.  Erst  in  diesem  Jahre  {sie!) 
hatte  er  sich  mit  griechischen  Geographen  abgegeben,  dort  die  falsche 
Ansicht  gefunden  und  sofort  Anlalä  genommen,  sie  zu  bekämpfen.  Er 
hätte  sicher  Gelegenheit  genommen,  dies  schon  im  vierten  Buch  zu  tun, 
wenn  er  damals  jene  griechischen  Quellen  so  lebendig  vor  Augen  ge- 
habt hätte  ').  Darum  dürfen  wir  es  ruhig  aussprechen :  In  die  Zeit  zwi- 
-schen  die  Abfassung  des  vierten  und  sechsten  Buches  fällt  die  erste  Be- 
schäftigung Caesars  mit  griechischen  geographischen  Werken.  (Das  einzige 
Kapitel,  das  dem  widerspricht,  ist  IV  10.  Es  ist  aus  den  verschiedensten 
Gründen  verdächtig) "  -). 

In  der  Tat  erwähnt  Caesar  an  unserer  Stelle  VI  24.  2  giiechische  Geo- 
graphen in  einer  Weise,  die  deutlich  zeigt,  dass  ihm  die  betreffenden  Au- 
toren direkt  vorlagen,  als  er  seine  Auseinandersetzung  des  Unterschiedes 
zwischen  Galliern  und  Germanen  niederschrieb :  circam  Hercyniam  silvam, 
quam  Eratostheni  et  (jidhiisdam  Graecis^)  fama  not  am  esse  video. 
quam  Uli  Orcyniam  appeUant.  und  noch  ist  die  leichte  Spitze  erkennbar, 
die  Caesar  in  seine  Worte  hineinlegte:  die  Griechen  kennen  die  Verhält- 
nisse nur  vom  Hörensagen,  er  der  Römer,  hat  sie  zu  einem  grossen 
Teile  persönlich  studiert *). 

Wenn  nun  aber  als  erwiesen  gelten  darf,  dass  die  „erste  Beschäf- 
tigung Caesars  mit  griechischen  geogi'aphischen  Werken"  in  die  Zeit  zwi- 
schen die  Abfassung  des  vierten  und  fünften  bezw.  sechsten  Buches  lallt, 
so  hat  Ebert  sich  zum  mindesten  schief  ausgedrückt,  wenn  er  meint,  der 
Römer  habe  zur  Zeit  der  Abfassung  des  vierten  Buches  jene  Griechen 
noch  nicht  „so  lebendig"  vor  Augen  gehabt.  Was  soll  man  sich  eigent- 
lich dabei  denken?  Nein,  er  hat  sie  bis  damals  überhaupt  nicht  vor  Augen 
gehabt,  sondern  ist  eben  erst  dann,  nachdem  ihm  die  eigenartigen  Zu- 
stände bei  den  Germanen  ein  regeres  Interesse  abgewonnen  hatten,  zum 
Studium  der  (giiechischen)  wissenschaftlichen  Literatur  geschritten,  bei  dem 
er  auf  die  falsche  gi-uudlegende  Lehre  von  der  Gleichheit  der  Gallier  und 
Germanen  stiess,  deren  sein  scharfer  Kopf  sich  schon  in  Buch  IV  hätte  er- 
innern müssen,  wenn  er  früher  jemals  sich  mit  diesen  Dingen  literarisch 
beschäftigt  hätte.     Zugleich  wird  uns    auch   von   dieser   Seite    her   wieder 

1)  Sic'   Bei  Ebert  nicht  gesperrt. 

2)  Schon  der  Umstand,  dass  es  völlig  aus  dem  Zusammenhang  herausfällt  und 
zwischen  Kap.  9  und  11  stilistisch  betrachtet  in  der  Luft  schwebt,  zeigt  nach  un- 
serer Meinung  den  späteren  Einschub.  —  Irrig  übrigens  Klotz  a.  a.  0.  S.  89  tt'. 

31  Darunter  Poseidonios! 

4)  Den  ausführlichen  Beweis,  dass  Caesar  bei  der  Abfassung  der  vier  ersten 
Kommentarien  noch  keine  geographischen  Studien  gemacht  hatte,  findet  man  bei 
Ebert  a.  a.  0.  S.  .59  ff.  Die  Nachrichten  über  Britannien  in  Buch  IV  bezw.  V  spielen 
hier  eine  wichtige  Rolle.    Vgl.  S.  63  ft'. 

28 


76  Ofto  Th.  Schuh, 

klai-,  dass  Buch  IV.  auf  das  Caesar  so  deutlich  in  Buch  VI  zurückgreift. 
schon  veröfi'entlicht  war,  als  das  letztere  geschrieben  wurde :  sonst  wäre 
es  doch  das  natürlichste  gewesen,  an  der  ersten  Stelle  die  Polemik  gegen 
die  herrschende  irrige  Ansicht  einzufügen,  anstatt  die  Auseinandersetzung 
derartig  zu  verzetteln.  Aber  der  Autor  konnte  nicht  mehr  in  das 
frühere  Buch  hineinkorrigieren:  schon  über  ein  Jahr  war  es  seinen  Hän- 
den entglitten,  schon  hatte  es  seinen  Weg  in  Rom  gemacht,  seine  Wirkung 
für  ihn  dort  getan,  wo  der  Mann  selbst  nicht  zu  weilen  vermochte. 

Wir  stehen  am  Ende  unserer  Untersuchungen.  Nur  wenige  Worte  sind 
noch  zu  VI  24,  2  f.  zu  äussern.  Diese  Sätze  zeigen  nochmals,  wie  vor- 
züglich Caesar  unterrichtet  war  und  sie  warnen  nochmals  den  Historiker, 
sich  nicht  leicht  über  den  Wortlaut  einer  derartigen  Quelle  hinwegzu- 
setzen. Der  Römer  spricht  davon,  dass  es  in  Germanien  fruchtbare  Gegen- 
den gibt,  dass  die  .fruchtbarsten"  um  den  Wald  Hercynin  liegen.  Damit 
hat  schon  Caesar  das  richtige  Bild  des  damaligen  Germanien  angedeutet, 
wie  es  dem  modernen  Forscher  sich  aus  den  praehistorischen  Funden  er- 
geben hat;  das  grosse  Land  ist  nicht  lediglich  oder  auch  nur  vornehmlich 
Waldwildnis  und  Morast  gewesen,  sondern  hat  ausgedehnte  weide-  und 
anbaufähige  Strecken  besessen,  die  einzig  imd  allein  das  Anwachsen  einer 
starken  und  zahlreichen  Bevölkerung  ermöglicht  und  damit  die  Grundbe- 
dingung ihrer  weltgeschichtlichen  Wirksamkeit  erfüllt  haben. 

Das  Kulturbild  des  alten  Germanien  nach  der  wirtschaftlichen  Seite 
hin,  das  uns  Caesar  entwirft,  steht  in  Einklang  rait  Strabos  kargen  Worten 
und  mit  den  leider  viel  zu  wenigen  gesicherten  Resultaten  der  ver- 
gleichenden Sprachforschung  und  der  Praehistorie  und  vermag  beide  in 
glücklicher  Weise  zu  ergänzen;  daher  dürfen  wir  ruhig  annehmen,  dass 
sich  die  Verhältnisse  hier  seit  der  Zeit,  da  die  Indogennanen  noch  zusam- 
men sasseu.  nicht  wesentlich  geändert  haben,  sondern  in  der  Hauptsache 
stabil  geblieben  sind  ').     Und  wenn  die  Nachrichten  unseres  Autors  nach 

1)  Die  Kulturentwicklung  der  frühesten  Zeiten  ist  bekanntlich  allerorten  eine 
sehr  langsame  gewesen.  —  Verfasser  glaubt  im  übrigen  nicht,  .dass  die  Auffindung 
der  tocbarischen  Sprache  (in  Ostturkestan)  doch  wieder  eine  mächtige  Stütze  für 
die  asiatische  Herkunft  der  Indogennanen  bilden  kann',  wie  soeben  noch  auf  S.  45 
S.  Feist  Eduard  Meyers  Ausführungen  in  seiner  Geschichte  des  Altertums  I  "2.  zweite 
Auflage,  S.  799  S.  glaubt  nachgeben  zu  müssen.  Vgl.  den  lebendig  geschriebenen 
Aufsatz  von  S.  Feist  in  SiegJiiis  Quellen  und  Forschungen  zur  alten  Geschichte  und 
Geographie,  Heft  19,  Europa  im  Lichte  der  Vorgeschichte  und  die  Ergehnisse  der  ver- 
gleichenden Sprachwissenschaft,  1910.  Auch  die  kurze,  aber  präzise  Besprechung  von 
M.  Hoernes  in  Nr.  17  der  Deutschen  Literaturzeitung  (1910):  Es  fehlt  in  der  Tat  .an 
einer  erfolgreichen  Verschmelzung  der  gesicherten  Daten.  Denn  wie 
wenig  zu  solcher  Verknüpfung  Brauchbares  ist  in  jenen  drei  Fächern  (Linguistik. 
Anthropologie,  prähistorische  Archäologie)  als  gesichert  anzusehen!  Und  wie  vor- 
schnell werden  von  allen  Seiten  die  zweifelhaftesten  Resultate  kombiniert!"  —  Um 
so  erfreulicher,  dass  die  Quellenkritik  Caesars  uns  sicheren  Boden  gab,  der  auch 
für   .jene  drei  Fächer-  fruchtbar  wird. 

29 


Uehcr  die  irhisrlinffUchrn  kikI  polifisrlin)  Verliällniase  hei  (hn  (hrwmioi.     77 

der  einen  Kichtnni,'  hin  sieh  bewährt  haben,  so  ist  methodisch  (bis  einzig 
Zulässige,  ihnen  auch  in  der  anderen  Itichtung  zu  folgen,  die  sich  mit  den 
politischen  Zuständen  der  Germanen  befasst.  da  sie  denselben  Charakter 
wie  die  erstere  aufweist:  Klarheit  im  Denken  und  in  der  Darstellung, 
wissenschaftliches  Interesse  für  den  Gegenstand  selbst  und  Aufbauen  auf 
Autopsie  und  zuverlässige  Nachrichten,  von  denen  nur  eine  nicht  Stich 
hielt  und  deswegen  von  dem  Römer  selbst  fallen  gelassen  ist. 

Wir  fassen  zusammen: 

Trotz  aller  Divergenzen  in  Einzelheiten  kommt  ])raehistorische  und 
linguistische  Forschung  jetzt  darin  zusammen,  dass  das  indogermanische 
Urvolk  zur  Zeit  seiner  Trennung  und  Spaltung,  das  ist,  wenn  wir  die 
beiden  äussersten  Ansetzungen,  die  Anspruch  auf  ernsthafte  Beachtung 
haben,  mitteilen,  zwischen  2500  und  1800—1600  vor  Christus,  die  Kultur 
des  ausgehenden  Neolithikum  im  Uebergang  zur  Metallzeit  (Kupfer- Bronze- 
zeit) besessen  hat  ').  Zahllose  Funde  haben  uns  über  die  Waffen,  Werk- 
zeuge und  Geräte  jener  Periode  bis  ins  Detail  informiert;  sie  haben  auch 
gezeigt,  das  damals  bereits  ein  primitiver  Ackerbau  bestand  von  Weizen, 
Gerste,  Hafer,  Leindotter.  Spelt  und  Hirse  und  es  ist  durch  die  neuere 
Forschung  überhaupt  wahrscheinlich  geworden,  dass  nicht  das  Nomaden- 
tum,  sondern  die  relative  Sesshaftigkeit  verbunden  mit  rohem  Hackbavi 
die  ursprünglichere  Wirtschaftsform  des  jungen  Menschengeschlechtes  ge- 
wesen ist,  da  sie  ja  auch  die  grössere  persönliche  Sicherheit  gewährleistet-). 

Sei  dem  nun,  wie  ihm  sei.  das  eine  steht  für  die  germanische  Vorzeit 
jedenfalls  fest,  dass  damals  ein  irrationeller  Ackerbau,  und  zwar  nicht  nur 
in  der  Form  des  Hackbaues,  sondern  bereits  mit  Benutzung  des  Haken- 
pfluges '),  getrieben  wurde,  irrationell  schon  deshalb,  weil  die  regelmässige 
Düngung  des  Landes  noch  unbekannt  ist  und  infolgedessen  die  Tragfähig- 
keit des  Ackers,  so  kräftig  und  jungfräulich  wir  ihn  uns  auch  sonst  vor- 


1)  Eduard  Meyer  1.  c.  S.  721.  "i&h  bezw.  Hermann  Hirt.  Die  Indiniermanen  I  S.  22. 
Die  Wahrheit  liegt  nicht  immer,  aber  wahrscheinlich  hier  in  der  Mitte.  Der  Nach- 
weis wird  sich  allerdings  kaum  je  bindend  erbringen  lassen. 

2)  Wir  können  im  Rahmen  dieses  Aufsatzes  nicht  näher  auf  diese  eben  recht  ak- 
tuell gewordenen  hochinteressanten  Fragen  eingehen.  Den  wichtigsten  Anstoss  gab 
hier  wohl  das  interessante  Buch  von  Karl  von  Steinen  Uitter  den  Naturvölker)! 
Zeniralhrasiliens  1894,  das  auch  für  diese  Fragen  direkt  den  Wert  des  originalen 
Zeugnisses  besitzt.  H.  Hirt  hat  mit  Recht  so  stark  die  Bedeutung  des  Werkes  in 
seinen  „Indogermanen"  betont.  Das  eine  gibt  jedenfalls  dem  Historiker  besonders 
zu  denken,  dass  ihm  der  Wagen  im  Altertum  in  dem  konservativsten  von  allem, 
was  es  gibt,  dem  religiösen  Kulte,  als  der  Gottheit  des  Ackerbaues  geweiht  entgegen- 
tritt; er  kann  füglich  ursprünglich  nicht  Verkehrsmittel  gewesen  sein,  sondern  war 
Ackerbaugeriit ! 

3)  Vgl.  z.  B.  0,  .Schrader  1.  c.  II  2.  208  ft'.  und  J.  Hoops  1.  c.  S.  499  Vi.,  wo  sich 
die  vorzügliche  Reproduktion  des  bronzezeitlichen  Felsenbildes  von  Bohusliin :  von 
Rindern  gezogener  Hakenpflug  mit  Pflüger  findet. 

30 


78  Otto  Th.  SrJnth, 

stellen  mögen,  sich  in  nicht  allzulanger  Zeit  erschöpfen  niuss.  was  not- 
gedrungen den  Flurwechsel  veranlasst '). 

Bekannt  ist  am  Ausgange  des  Neolithikums  im  mittleren  und  südlichen 
Europa  weiter  die  Kultur  einiger  Obstarten  und  überall  die  Zucht  der 
Haustiere,  die  den  eigentlichen  privaten  , Reichtum"  ausmachen  ^).  Geübt 
wird  ferner,  wie  der  gemeinsame  Sprachschatz  beweist,  Jagd  und  Fischerei. 
Die  Wohnungen  der  Menschen  ähneln  in  ihrer  runden  Form  dem  Zelte 
und  sind  wie  jenes  leicht  abbrech-  und  aufrichtbar:  über  einer  Höhlung 
des  Erdbodens  geflochtene,  mit  Lehm  gedichtete  Wände.  Sorgfältig  werden 
die  Toten  bestattet,  schon  greifen  religiöse  und  ethische  Vorstellungen  tief 
in  das  Leben  selbst  hinein  .  .  .  Doch  d  a  s  fällt  bereits  ausserhalb  des  Rah- 
mens dieser  Abhandlung.  — 

Wir  deuteten  schon  einmal  an,  dass  auch  die  Funde  gelehrt  haben, 
dass  es  Arm  und  Reich  gab ;  die  Sprachvergleichung  führt  hier  viel  weiter. 
Die  Worte  für  König  und  Königin,  für  den  Herrn  des  Hauses  und  die 
Hausfrau  sind  gemeinsames  arisches  Sprachgnt.  übei-kommen  aus  der  Ur- 
zeit. Dem  widerspricht  nicht,  was  uns  Caesar  über  die  freiheitlichen  In- 
stitutionen speziell  der  Germanen  erzählt  hat;  denn  auch  er  kennt  hoch 
und  niedrig,  wohlhabender  und  ärmer  und  wir  wissen  aus  unserer  sonstigen 
literarischen  Ueberlieferung  zur  Genüge,  dass  es  auch  in  Deutschland  Fa- 
milien gab,  die  sich  königlichen  Ansehens  erfreuten,  ohne  die  Königsge- 
walt allerdings  selbst  auszuüben :  Julius  Civilis  stammte  aus  einer  solchen, 
ein  Marobod  aber  war  direkt  , König"   seines  Stammes  ^). 

1)  So  fällt  auch  von  dieser  Seite  her  ein  Streiflicht  eigener  Art  auf  die  Jlethüde 
des  jährlichen  Flurweehsels  bei  den  Germanen,  den  für  Tacitus'  Zeit  noch  die  Ger- 
mania Kap.  26  unmittelbar  bestätigt  agri  pro  nnmero  cultorum  ab  universis  {cices)  oc- 
cupantur,  quos  niox  inter  se  secuudum  dignationem  (Fortschritt  der  Entwickelung  vgl. 
schon  oben  S.  66,  70,  Anm.  1)  partiitntur ;  facilitatem  parlkndi  camporum  spatia  prae- 
stant.  arva  per  annos  mutant,  et  superest  ager.  nee  enim  cum  iibertate  et  amplitudine 
$oU  lahore  coutendunt  —  sola  tenae  sege/>  imperatur. 

2)  Vgl.  oben  S.  70  f.  ausführlicher.  Wie  gefährlich  Schlüsse  e  silentio  der  Funde 
auch  in  der  praehistorischen  Archaeologie  sein  können,  zeigt  übrigens  vielleicht  die 
Ende  1909  erfolgte  Entdeckung  eines  steinzeitlichen  Pfahlbaues  in  der  Nähe  der 
Bahnstation  Alvastra  am  Wetternsee  in  Schweden.  Hier  fanden  sich  neben  Weizen- 
körnern auch  Aepfel  und  Haselnüsse !  (Korrespondenz  der  Vossischen  Zeitwuj  aus 
Stockholm  unterm  3.  XH.  1909).  Danach  müsste  Obstbau  doch  auch  im  nördlichen 
Europa  existiert  haben. 

.S)  Cf  Tacitus,  Bistor.  IV  13;  —  (jcrmania  Kap.  7:  reges  ex  nohilitate,  duces  ex 
riritite  sunnint.  nee  regibus  infinita  aiit  libera  potestas,  et  duces  exemplo  potius  quam 
imperio,  si  prompti,  si  conspicui,  si  ante  aciem  agant,  admiratione  praesimt.  Das  stimmt 
ganz  vortrefflich  mit  Caesar  zusammen,  nur  dass  sich  natürlich  in  der  Zwischenzeit 
die  nobilitas  noch  mehr  konsolidiert  hat.  Folglich  ist  der  Vorschlag,  den  J.  J.  Hart- 
mann in  der  Mnemosyne  1910,  S.  1-5.5  gemacht  hat,  exempli  —  imperii  statt  des  Ab- 
latives  zu  schreiben,  hinfällig.  —  König  und  Königin  heissen  übrigens  altindisch 
räjan,  rät  und  räjnl,  lateinisch  lea' und  rep?Ha,  König  gallisch :  -rix,  Königin  altirisch: 
rigan,  rigain ;  Hausherr  und  Hausfrau  altindisch  daynpdtis,  vt<;pdtis  und  vi^pdtnl,  grie- 
chisch öeonÖTtjQ  und  äfOTioiva,  Hausherr  litauisch  reszpats.     Vgl.  S.  Feist  1.  c.  S.  36. 

31 


Uchcr  die  iriiisilidftl/clirif  itiid  jiolit/schen  VerliäUnissc  lici  den  Germanen.     79 

So  ist  denn  das  Bild,  das  Caesar  von  den  iiolitischen  Verhältnissen 
bei  den  Germanen  entwirft,  besonders  wertvoll  und  in  den  Einzelheiten 
vmersetzbar  für  unsere  Erkenntnis. 

Wir  sehliessen  damit,  dass  wir  es  im  gekennzeichneten  weiteren  litera- 
rischen Zusammenhange  und  nach  den  in  Betracht  kommenden  Ergebnissen 
der  Linguistik  und  Praehistorie  niederzeichnen.  Da  Caesar  es  aber  selbst 
mit  der  Schilderung  der  agrarischen  und  wirtschaftlichen  Verhältnisse  inner- 
lich verbunden  hat,  so  haben  wir  zugleich  auch  diese  nach  dem  Stande 
seiner  Kenntnis  zur  Zeit  der  Abfassung  des  sechsten  Kommentars  mit  in 
Betracht  zu  ziehen.  So  entsteht  für  ims  ein,  wenn  auch  nicht  ganz  voll- 
ständiges, so  doch  recht  umfassendes  und  klares  Gemälde  von  noch  allge- 
meinerer kultureller  Bedeutung,  gegründet  auf  solider  Basis. 

Das  bedeutet  zwar  bis  zu  einem  gewissen  Grade  eine  Wiederholung 
des  bisher  im  einzelnen  Besprochenen,  ist  indessen  immer  wieder  lehrreich 
und  wird  hoffentlich  nicht  der  Form  nach  als  lästige  Rekapitulation  emp- 
funden werden. 

Zur  Zeit  Caesars  wohnen  die  Germanen  in  leicht  gebauten  Rundhütten, 
die  nur  einen  spärlichen  Schutz  gegen  die  Unbilden  der  Witterung  ge- 
währen und  ebenso  rasch  abgebrochen  und  auf  die  Wagen  verladen,  als 
wieder  aufgerichtet  werden  können.  Diese  Hütten  sind  häufig  zu  Sippen- 
dörfern vereinigt,  häufig  liegen  sie  auch  ganz  vereinzelt  und  zerstreut  in 
der  Landschaft  umher  ^).  Denn  der  Germane  will  Bewegungsfreiheit  nach 
allen  Seiten  hin :  wie  jeder  Stamm  meint,  es  gereiche  ihm  zum  besonderen 
Ruhme,  soweit  als  möglich  um  sein  jeweiliges  Gebiet  herum  Einöde  und 
Verwüstung  zu  haben,  nachdem  man  die  Grenznachbarn  aus  ihren  Fluren 
vertrieben  hat,  so  baut  im  Kleinen  der  Einzelne  sich  so  an.  dass  Raum 
bleibt  zwischen  seiner  Hütte  und  der  des  Nachbarn,  —  weit  und  frei! 

•Ja,  es  ist  ein  freiheitsstolzes,  rauhes,  kriegerisches  Volk,  das  dem  Römer 
da  im  Norden  entgegentritt.  Ganz  eigenartig  sind  seine  Sitten  und  Gebräuche, 
grundverschieden  von  denen  der  keltischen  Gallier.     Unverständlich  ist  es. 


1)  Caesar  äussert  sich  über  die  Siedlungsform  der  Germanen  zwar  selbst  nicht 
genauer,  doch  scheint  er  schon  Nachricht  vom  ,  Sippendorf ^  gehabt  zu  haben,  cf. 
VI  22,  2  :  auch  ist  hier  der  Rückschluss  aus  Tacitus  erlaubt,  da  gewiss  nicht  ange- 
nommen werden  kann,  dass  die  den  Germanen  eigentümliche  Siedlungsart  in  den 
l'l2  Jahrhunderten,  die  ihn  von  Caesar  trennen,  sich  wesentlich  geändert  hat;  Ger- 
mania Kap.  16:  rmllas  Germanorum  jwpulis  tirlies  habitari  satis  notum  est,  ne  pati 
quidem  inter  se  iunctas  sedes.  cohmt  (gleich  incolunt.']  discreti  ac  diversi,  ut  fons,  ut 
Campus,  ut  itemus  placuit.  vicos  locant  non  in  nostrum  morem  conexis  et  cohaerentibus 
aedifieiis:  suam  quisque  domum  spatio  eircttmdat  sive  adversus  casus  ignis  remedium 
sice  inscitia  aedificandi.  Das  letztere  ist  mm  freilich  ganz  vom  Standpunkte  des 
Römers  gesprochen,  der  vergeblich  nach  der  richtigen  Erklärung  der  befremdlichen 
Erscheinung  sucht.  —  Das  Bild  hat  sich  übrigens  bis  heute  noch  nicht  verschoben ; 
denn  die  Siedlungsart  ist  mit  das  konservativste  von  allem:  die  dumpfen,  engen 
Steinklumpen  der  italienischen  Dörfer  sind  andererseits  noch  heute  für  den  Deutschen, 
der   von   den  Alpen    nach    Süden  herabsteigt,  der  erste  Gegenstand  des  Befremdens 

32 


80  Otto  Tli.  Schul-. 

dass  man  <iie  beiden  bisher  für  die  echten   und    rechten  Brüder  gehalten. 

Der  germanischen  Männer  liebste  Beschäftigung  ist  Jagd  und  kriege- 
risches Treiben  jeder  Art  sowohl  im  eigentlichen  Kriege,  den  Stamm  gegen 
Stamm  führt,  als  im  selbsterwählten  Kaub-  und  Freibeuterzug  in  stamm- 
fremdes Land,  das  man  als  rechtloses  , Ausland"  empfindet;  keine  Spur 
deutet  auf  das  Bewusstsein  gemeinsamer  nationaler  Zusammengehörigkeit. 
Von  frühester  Kindheit  an  härtet  man  sich  ab  in  allen  Arten  von  Leibes- 
übung, in  der  Ertragung  von  Mühen  und  Beschwerden.  Und  dies  geschieht 
freiwillig  und  gern,  gemäss  der  herrschenden  Sitte.  So  wachsen  die  Jüng- 
linge fern  von  Zwang  oder  gar  „Disziplin",  aber  auch  fern  von  jeder 
Verweichlichung  zu  jenen  Hünengestalten  heran,  die  seit  den  Tagen  der 
Kimbern  und  Teutonen  noch  so  oft  den  Schrecken  der  Südländer  bilden  sollten. 

Der  Ackerbau  wird  im  allgemeinen  nur  lässig  getrieben,  und  zwar 
in  der  Fonn  des  Raubbaues,  so  dass  es  die  an  rationelle  Bodenwirtschaft 
gewöhnten  Römer  und  Griechen  bisweilen  bedünken  will,  als  wenn  den 
Germanen  eigentlich  der  Charakter  des  landbautreibenden  Volkes  fehle  und 
nomadenhafte  Züge  in  seinem  Vordergrund  stünden.  Denn  die  Germanen 
sind  vor  allem  Viehzüchter  und  dementsprechend  Fleischesser  im  Gegen- 
satz zu  dem  hauptsächlich  von  Zerealien  lebenden  Südländer;  sie  nähren 
sich  in  erster  Keihe  von  dem  Fleisch  und  der  Milch  ihres  Viehs,  kennen 
aber  auch  die  Zubereitung  von  Käse  und  schätzen  das  Fleisch  des  erleg- 
ten Wildes,  der  gefangenen  Fische,  hingegen  nicht  den  Genuss  des  Weines, 
den  das  rauhe  Land  selbst  noch  nicht  hervorbringt.  Allen  gemeinsam  ist 
die  Einfachheit  der  Lebensführung:  Luxus  und  Geld  sind  unbekannte 
Dinge  *).  Dennoch  gibt  es  Wohlhabendere  rmd  Aermere  infolge  des  schon 
stark  differenzierten  Privatbesitzes  an  Vieh.  Dagegen  existiert  kein  Sonder- 
eigentum in  Bezug  auf  das  Ackerland.  Die  Feldfiur.  die  der  Bebauung 
unterliegt  oder  die  man  vielleicht  manchmal  auch  erst  ui'bar  macht,  ge- 
hört allen  Mannen  gemeinsam,  ihre  Bewirtschaftung  mit  Hilfe  des  Haken- 
ptluges  ist  allerdings  besonders  den  Frauen,  Kindern  und  Greisen,  das 
heisst  den  nicht  oder  noch  nicht  bezw.  nicht  mehr  Waffenfähigen  über- 
lassen -).  Die  Austeilung  des  Ackerlandes  erfolgt  alljährlich  in  den  ein- 
zelnen lokalen  Bezirken  gleichmässig   ohne  Ansehn    der   Person;    die    zu- 


1)  Ausschweifung  herrscht  einzig  und  allein  im  Trinken  des  stark  alkoholhaltigen 
Met,  -worüber  Caesar  abgesehen  von  B.  G.  VI  28,  6  b  (vgl.  oben  S.  73,  Anm.  2)  schweigt, 
Tacitus  so  überzeugend  wahrheitsgetreu  in  der  Germania  Kap.  22  f.  berichtet.  Fast 
hat  sein  Schluss  noch  in  unseren  Tagen  Gültigkeit  si  indniseris  ebrietati  suggerendo 
quantum  concupiscunt,  haud  minus  facile  ritiis  quam  armis  vincentur. 

2)  Tacitus'  Germania  Kap.  15,  das  hier  sehr  wohl  zur  Ergänzung  von  Caesars 
Bericht  herangezogen  werden  kann,  da  dieser  selbst  schon  die  inertia  der  Mannen 
in  Friedenszeit  YI  23,  6  andeutet.  Tacitus  verschweigt  den  Römern  den  Fehler  der 
Deutschen  nicht :  ipsi  hehent.  mira  dirersitate  naiurae.  cum  idem  homines  sie  ament  in- 
ertiam  et  oderint  quictem.  —  Eine  ähnliche  Abneigung  der  Männer  gegen  den  Acker- 
bau findet  sich  laut  Herodot  V  6  übrigens  bei  den  Thrakern. 

33 


VrJicr  ilic  irh-tschaftHrlicti  und  /inl/l/srhr»  Vcrliälfiuf:s/'  hei  ilrii  Grnmnii)/.      Sl 

sanimen  siedelnden  Fuinilien  tmd  Sippschaften  erhalten  einen  bestimmten 
Anteil,  den  sie  im  nächsten  .Jahre  mit  einem  anderen  zu  vertauschen  haben. 

Mit  dem  Flurwechsel  ist  bei  der  vorhandenen  «frossen  Masse  Landes 
nicht  notwendig  Hauswechsel  verbunden.  Aber  andererseits  nehmen  die 
Germanen  keinen  Anstand,  wenn  das  Weideland  al)gegrast.  der  Acker  er- 
schöpft ist,  dem  ja  noch  keine  Düngimg  aufliilft,  ihre  Hütten  abzubrechen 
und  mit  Weib  und  Kind,  mit  ihrem  Vieh,  mit  Sack  und  Pack,  auf  die  Wagen 
verladen,  hinzuziehen,  wohin  es  ilinen  gerade  gut  scheint,  zu  neuer 
vorübergehender  Niederlassung.  Eine  Art  Völkerwanderung  ist  so  hier 
von  jeher  in  Permanenz  ge\\esen  '). 

Dabei  sind  die  Mittel,  die  aus  den  Erträgnissen  des  Landbaues  ge- 
wonnen werden,  naturgemäss  für  Hoch  und  Niedrig  dieselben,  entsprechend 
der  gleichmässigen  Verteilung  der  Feldflur.  Für  Hoch  und  Niedrig:  Kei- 
neswegs herrscht  Gleichheit  unter  den  Stammesgenossen,  sondern  es  gibt 
Ungleichheit.  Ungleichheit  der  Mittel,  die  man  gewinnt  aus  dem  verschie- 
den gestalteten  Privatbesitz  von  Vieh,  Ungleichheit  in  den  Mitteln  des 
Intellekts  und  der  körperlichen  Stärke  und  Gewandtheit  des  Kriegers,  den 
Grundbedingungen  der  menschlichen  Natur  entsprechend,  indem  eins  unter 
den  einfachen  Verhältnissen  der  Vorzeit  bis  zu  einem  gewissen  Grade  das 
andere  bedingt  -).  Denn  freier  Wettbewerb  aller  Kräfte  aller  Volksge- 
nossen vermag  sich  im  Ki-iegs-  und  Raubzug  zu  betätigen,  und  dem,  der 
sieh  auszeichnet,  materiellen  und  ideellen  Vorteil  zu  gewinnen.  Materiellen 
Vorteil:  grösseren  Besitz  von  Vieh  und  überlegenen  Waffen ;  ideellen  Vor- 
teil :  Achtung  und  Ansehn  unter  den  Seinen,  das  ihn  zum  Ersten  seines 
Gaues  oder  seiner  Landschaft,  zum  mit  Amtshoheit  ausgestatteten  Gau- 
vorsteher, ja  schliesslich  zu  einem  der  ersten  Männer  seines  ganzen  Stam- 
mes erheben  kann!  Wen  so  das  Glück  und  besondere  Verhältnisse  be- 
günstigen, der  vermag  vielleicht  sogar  zu  der  Stellung  eines  Königs  seines 
Stammes  zu  gelangen,  zumal  wenn  er  aus  einer  von  jeher  sich  auszeichnen- 
den und  damit  überragend  „vornehmen"  Familie  stammt,  wie  es  denn 
bisweilen  Geschlechter  gibt,  die  sich  königlichen  Ansehens  erfreuen,  ohne 
die  Königsgewalt  allerdings  selbst  auszuüben. 

Denn  der  Stammesverband  selbst  ist  in  der  Regel  ganz  lose  und  die 
Zusammengehörigkeit  des  Ganzen  tritt  nur  in  Kriegszeiten  in  äussere  Er- 
scheinung. Wenn  es  gilt,  einen  Verteidigungs-  oder  einen  Angriffskrieg 
von  Stammeswegen  zu  führen,  werden  geeignete,  mithin  die  bewähr- 
testen und  angesehensten  Männer  gewählt,  um  den  Feldzug  zu  leiten.  Sie 
erhalten  gleichzeitig  Gewalt  über  Leben  und  Tod,  weil  keine  andere  Be- 
fehlsgewalt im  Kriege  denkbar  ist  als  die  unbedingte.  Aber  im  Frieden 
zerfällt  gewöhnlich  wieder  das  Ganze   in    die   vielen   kleinen  Partikelchen 

1)  Universalgescliiclitlich  nicht  ohne  Interesse,  da  es  der  sogenannten  "losscn 
, Völkerwanderung"  einen  weiten  und  tiefen  historischen  Hintergrund  gibf. 

2)  Vgl.  die  näheren  Ausführungen  olx'n  .S.  70  t'. 

Klio,  Bfiträ«"  z">-  aUeii   Gcsflii.lit..  XI  I.  G 

31 


82  Ott.,  Th.  Srhidi. 

der  lokalen  Verbände  der  Gaue  und  Laudscliaften  und  keine  tfemeinsaiue 
Oberbebörde  des  Stammes  existiert  mebr.  Dafür  sjjrecben  die  Männer, 
die  in  den  einzelnen  Bezirken  durch  Vornehmheit  ihres  Geschlechtes  und 
persönliches  Ansehn  als  die  ersten  gelten,  unter  den  Ihren  Recht  imd 
suchen  die  Streitigkeiten,  an  denen  es  unter  so  ungezügelten  und  leiden- 
schaftlichen Naturen  nicht  fehlt,  zu  schlichten.  Sie  sind  es  auch,  die  als 
Beauftragte  ihrer  Volksgenossen  alljährlich  den  Akt  der  Ackerverteilung 
vornehmen.  So  stellen  diese  Ersten  die  einzige  lokale  Behörde,  den 
Gau  V  0  r  s  t  an  d.  dar  in  ganz  freiheitlichem  Sinne,  ohnehin  ihrerseits  an 
Sitte  lind  Herkommen  gebunden,  weit  entfernt  von  allem  dem  absoluteren 
..Häuptlingswesen"  anderer  Naturvölker,  einzig-  und  eigenartig  auch  in 
diesem  Hinblicke. 

Diese  ausserordentliche  persönliche  Freiheit  des  Einzelnen  ist  ein 
grosser  Vorzug,  aber  auch  ein  grosser  Nachteil  für  die  Allgemeinheit. 
Denn  da  die  Mannen  im  Fi'ieden,  wenn  sie  nicht  der  Jagd  obliegen,  dem 
Müssiggang  und  dem  Trünke  fröhnen.  so  bricht  ihr  Ueberschuss  an  Kraft 
und  Tatendurst  mit  elementarer  Gewalt  nur  allzu  häutig  hervor;  Streit 
und  Zank.  Blutvergiessen  und  Mord  drohen  Zerrüttung  aller  inneren  Ver- 
hältnisse M.  Deswegen  hat  man  sich  ein  eigentümliches  Sicherheitsventil 
nach  aussen  hin  geschaifen,  das  wiederum  ganz  einzigartig  dasteht.  Es 
werden  Freibeuterzüge  in  die  umliegenden  stammfremden  Gebiete  nicht 
nur  erlaubt,  sondern  direkt  gewünscht  und  gerühmt! 

Auch  die  Art  ihrer  Veranstaltung  ist  sehr  bezeichnend:  Einer  von 
den  Ersten  seiner  Gegend  tritt  in  der  Volksversammlung  auf  und  erklärt 
sich  bereit,  die  Espedition  zu  führen,  wer  ihm  Gefolgschaft  leisten  wolle- 
möge  es  öffentlich  bekennen.  Je  nach  dem  Ansehn,  das  der  Führer  ge- 
niesst  und  das  mehr  oder  weniger  Aussicht  auf  Erfolg  gewährleistet,  bildet 
sich  nun  eine  grössere  oder  kleinere  Gefolgschaft,  die  sich  seinem  Befehle 
unterstellt  und  mit  ihm  auf  Raub  auszieht.  Die  öffentliche  Erklärung  ist 
bindend,  wehe  dem,  der  sich  die  Sache  noch  einmal  anders  überlegen  will, 
ihn  trifft  die  gleiche  Schmach  wie  den  Deserteur  und  Verräter  und  weist  ihn 
ausserhalb  von  Treu  mid  Glauben!  Der  Grundsatz  „Ein  Mann,  ein  Wort*", 
an  dem  nicht  zu  rühren  noch  zu  deuteln,  ist  urdeutsch.  Darum  ei'greift 
doppelt  der  Gedanke  daran,  wie  tausendfach  er  in  der  Zeiten  Folge  ge- 
schichtlich wirksam  ward.  — 

Hiermit  schliesst  das,  was  uns  an  Caesars  Bericht  heute  interessierte. 
Wir  sind  überzeugt,  dass  er  wert  war,  in  eine  neue,  richtigere  Beleuchtung 
gerückt  zu  werden.  Vieles.  Avas  geschichtlich  fruchtbar  gemacht  werden 
kann,  liesse  sich  anknüpfen  und  wird  hoffentlich  von  anderen  Händen 
daran  angeschlossen  werden. 

Leipzig. 

1)  Cf.  Tacitus'  Germania  Kap.  22 :  crehrae,  iit  inter  i-iiii)le)i1<is,  rixae  rarn  conviciis, 
saepitis  clade  et  nihurilms  transiguiititr. 

35 


83 


Das  Alter  der  servianischen  Mauer  in  Rom. 

Von  P.  («rattiiiulei". 

„II  muro  (li  Servio  e  edificato.  siccome  e  ben  nuto,  con  nia.ssi  ili  tiifa 
alti  sempre  clue  piedi  romani",  in  diesen  Satz  hat  Lanciani,  der  beste 
Kenner  jener  altrömischen  Befestigung,  sein  Urteil  zusanimengefasst  über 
die  Maße,  nach  denen  das  Werk  gebaut  ist ').  Darauf  fassend  hat  0. 
Richter-)  zu  erweisen  versucht,  dass  die  servianisehe  Mauer  kaum  noch 
in  das  4.  Jhd.  v.  Chr.  gei'ückt  werden  könne ;  sie  sei  als  völliger  Neubau 
erst  nach  dem  Galiierbrande  errichtet  worden.  Der  König  Servius  habe 
wohl  nur  einen  Erdwall  um  die  Stadt  gezogen.  Noch  schroffer  sprach 
Pinza  sich  dafür  aus ^).  Nur  Nissen'*)  ist  bei  der  alten  Meinung  geblieben. 
Andrerseits  hat  Delbrück'')  die  Vermutung  ausgesprochen,  dass  die  innere 
Wallmauer  379  v.  Chr.  erbaut  sei,  die  äussere  später,  vielleicht  am  An- 
fange des  3.  Jhds.  v.  Chr. 

Der  Satz  Lancianis,  von  dem  diese  Streitfrage  zuerst  ausging,  ist  in- 
sofern richtig,  als  der  grösste  Teil  der  Mauer  in  der  Tat  jenes  Maß  auf- 
weist. Aber  wird  der  Satz  so  verallgemeinert,  dass  man  ihn  auf  das  ge- 
samte Werk  ausdehnt,  so  kann  er  nur  den  wahren  Saciiverhalt  verdunkeln. 
Schon  Jordan  hat  beobachtet,  dass  die  Messungen  von  Lanciani  nicht 
immer  zuverlässig  seien,  da  seine  eigenen  Messungen  in  der  Regel  weniger 
ergaben  (53 — 56  cm);  er  sprach  auch  schon  die  Vermutung  aus.  dass  in 
einigen  Ruinen  der  Fuss  von  0,275  m  die  Norm  abgegeben  habe ").  Die 
Einheitlichkeit  des  Baus,  die  man  nach  Lancianis  Worten  erwarten  müsste. 
ist  in  Wirklichkeit  nicht  vorhanden.  Vor  der  Entdeckung  der  Ruinen 
am  Bahnhof  dachte  niemand  daran,  die  Quaderhölie  von  59 — 60  cm  als 
allein  herrschend  zu  betrachten,  sondern  die  geringeren  Maße  galten  als 
die  gewöhnlichen.  Jordans  Vermutung  habe  ich  bei  meinen  Messungen 
bestätigt  gefunden.  Denn  an  nicht  wenigen  Stellen  liegen  in  der  servia- 
nischen Mauer  Quadern,  die  eine  Höhe  von  etwa  55 — 5G  cm  haben,  also 
nach  dem  altitalischcn  Fuss  geschnitten  sind.  Da  diese  Tatsache  von 
grosser  Bedeutung  ist  für  die  Bestimmung  der  Zeit,  in  der  das  Werk  zu- 
erst errichtet  wurde,  sollen  hier  zunächst  diejenigen  Stellen  der  Mauer 
betrachtet  werden,  an  denen  das  oskische  Maß  auftritt. 


1)  Bull,  municipnle  1876,  37 ;  Amntl.  del  Inst.  1871,  56. 

2)  Topographie^  1901,  43;  Beiträge  1903,  L").  —  3)  Monum.  ant.  19U.'>.  7.^2. 

4)  Ital.  Landeskunde-  1902  II.  1,  63.  —  .5)  Der  ApoUotempel  o.  d.  Marsfeld  1903,  16. 
6)  Topogr.  I,  1,  273  Anm.  36a. 

6* 
1 


84  T-  (h-iift'i(ii(kr. 

Der  römische  Fuss.  gleichwertig  dem  solonisclien  Fusse.  ist 
von  Nissen  nach  Messungen  in  Pompeii  zu  0.296  m  angesetzt  worden  '). 
Die  siclierste  Bestimmung  hat  erst  Lehmann-Haupt  gegeben,  indem  er  als 
Ursprung  auch  dieses  Maßes  die  gemeine  balwlonische  Elle  oder  Doppel- 
elle nachwies-).  Es  kann  niclit  Zufall  sein,  dass  die  wahrschcinlicbste 
Länge  dieser  Doppelelle  (992,33  mm)  mit  dem  Sekundenpendel  jener  Breiten 
(992,35  mm)  übereinstimmt  ^).  Die  Handbreite  dieser  Doppelelle  ist  das 
Urmaß ,  aus  dessen  Kubus  alle  antiken  Gewichte  entsprungen  sind 
(99,23  mm).  Der  römische  Fuss  beträgt  das  Dreifache  dieser  Handbreite, 
also  297,7  mm.  Durch  eine  Betraclitung  der  Stadien  hat  Lehmann-Haupt 
dann  diesen  Ansatz  noch  mehr  gesichert  *).  Die  servianisclie  Mauer  be- 
stätigt ihn,  da  in  ihr  die  Quaderhöhe  von  nicht  ganz  60  cm  hunderte  von 
Malen  vorkommt.  Eine  Minderung  hat  das  Maß  in  Kom  also  nicht  er- 
fahren. 

Den  altitalischen  oder  oskischen  Fuss  hat  ebenfalls 
zuerst  Nissen  °)  bestimmt  auf  0,2751323,  und  Man^)  und  Hultsch') 
stimmten  ihm  bei.  Auch  dieser  Fuss  hat  seinen  Ursprung  im  Orient.  Er 
ist  Zweidrittel  der  babylonisch-phönikisehen  Elle  von  mindestens  0,4125  m, 
die  ihrerseits  25  Finger  der  Do])pelelle  von  992,33  enthält;  danach  be- 
trägt der  Fuss  275,7  mm''').  Ob  aus  dem  Maßstab  von  L^shak  (555mm) 
überhaupt  ein  Fuss  von  277,5  mm  abgeleitet  werden  darf'),  ist  zweifel- 
haft; schwerlich  aber  ist  derselbe  mit  dem  oskischen  Fusse  identisch.  Auf 
diese  Unterschiede  ist  im  folgenden  nicht  I» Ucksicht  genommen:  denn  das 
ist  nicht  von  Belang,  da  die  Quadern  der  servianischen  Mauer  ziemlieh 
roh  behauen  sind.  Vielmehr  sind  der  Berechnung  die  Längen  von  275 
und  296  mm  zugrunde  gelegt,  damit  eine  Vergleichung  mit  Nissens  Ta- 
bellen leichter  möglich  ist. 

Die  Frage,  wann  der  solonische  Fuss  in  Rom  eingeführt  wurde,  ist 
noch  nicht  mit  voller  Sicherheit  entschieden.  Dörpfeld'")  meint,  dass  es 
nm  268  v.  Chr.  geschehen  sei  zugleich  mit  der  Aufnahme  des  neuen 
Pfundes  von  327,45  g,  weil  einerseits  der  Kubus  des  euböisch- attischen 
Talentes  (26,196  kg)  zur  Seite  den  Fuss  von  297,7  mm  hat,  andrerseits 
das  Pfund  von  327,45  g  gerade  80  mal  in  jenem  Talente  enthalten  ist. 
Aber  auch  das  altrömische  Pfimd  von  272,75  g  steht  ja  in  geradem  und 
bequemem  Verhältnis  zu  jenem  Talente  (1  :  96)  *').  Da  nun  das  römische 
Hohlmaß    auf  dem  alten   Pfunde   von    272,75  g  beruht'-)  und   das   qim- 

1)  PonqteJ.  Forsch.  S.  86;  vgl.  Dörpfeld,  Athen.  Mitteil.  188.5,  290. 

2)  Zeitschr.  f.  Ethnologie  1889,  300. 

3)  A.  a.  O.  S.  320:  Actes  d.  S">c  cotigres  fies  Oiiental.  II,  1893,  197 :  Klio.  I  1902,  394. 

4)  Actes  d.  S^^  comires  S.  230  und  244.  —  5)  A.  a.  0.  S.  86  und  92. 
6)  Pompejanische  Beitrage  S.  20.  —  7)  3Ietrologie-  S.  672. 

8)  Lehmann-Haupt  a.  a.  0.  S.  234  u.  244.  —  9)  Hultsch  a.  a.  O.  S.  .572. 
10)  Athe».  Mitteil.  188.5,  295  u.  312.  —  11)  Regling,  Klio  1806.  491  Anm.  3. 
12)  Nissen.  Metrolog.-  S.  886  und  882. 


Diis  Älter  dar  scrriun/schoi   Mm«  r  in   Ilmii.  85 

(Irautal  ('J6  X  272.75)  oben  dem  euböiscli-attisch-sizili.scben  Talente  «^'leicb 
ist,  so  muss  man  eher  scbliessen.  dass  jenes  Talent,  also  aucb  der  Fuss 
in  Rom  schon  vor  dem  neuen  Pfunde  von  327.45  ^  bekannt  war.  Der 
seit  frühesten  Zeiten  lebhaft  betriebene  Getreidehandel  mit  Sizilien,  wo- 
her nach  ausdrücklichem  Zeugnis  das  Wort  heriiina ')  stammt,  und  wo 
das  eigentlich  zur  euböisehen  Mine  gehörige  Pfund  von  218  g  (120x218.3 
^  26,196  kg)  als  Kupferpfund  seit  ältesten  Zeiten  in  Brauch  war,  hätte 
<lann  die  Einführung  des  sog.  euböisehen  Talentes  in  I!om  und  ebenso 
des  Fusses  (297,7  mm)  begünstigt  oder  herbeigeführt.  Soviel  steht  fest, 
dass  in  Sizilien  schon  am  Ende  des  6.  Jhds.  v.  Chr.  der  solonische  Fuss  ange- 
wendet worden  ist.  Der  älteste  Tempel  von  Agi-igent,  der  Herkulestempel 
ist  danach  gebaut').  Ganz  sicher  kommt  hinzu  der  Selinuntische  Tempel 
A  (500 — 480  V.  Chr.),  an  dessen  Stylobat  ein  Kanon  von  etwa  0.45  m 
d.  i.  die  römische  Elle  von  0,4455  m  angemeisselt  ist  ■^).  Wahrscheinlich 
gehören  auch  hierher  die  Tempel  0  und  E  von  Selinunt,  die  in  derselben 
Zeit  entstanden  sind.  Der  Poseidontempel  von  Paestum  (um  450  v.  Chr.) 
ist  nach  einem  Fuss  von  298  mm  gebaut*). 

Aehnliche  Tatsachen  haben  wohl  Nissen*)  zu  der  Annahme  geführt, 
dass  der  solonische  Fuss  schon  im  6.  Jhd.  v.  Chr.  zu  den  Etruskern  ge- 
kommen sei,  obwohl  er  früher"),  wenn  auch  zweifelnd,  dessen  Einführung 
in  Rom  spätestens  in  die  Mitte  des  3.  .Jhds.  v.  Chr.  gesetzt  hatte.  Um 
so  mehr  war  er  dazu  geneigt,  da  Lehmann-Haupt')  nachgewiesen  hatte, 
dass  der  Heratempel  in  Olympia  dennoch  nach  dem  Fusse  von  297.7  mm 
gebaut  ist  und  dass  dieser  Fuss,  den  er  das  Schwestermaß  des  babylo- 
nisch-altattischen Fusses  von  330  mm  nennt,  schon  vor  Pheidon  im  Pelo- 
ponnes  üblich  war.  Im  Einklang  mit  Nissens  letzterer  Meinung  steht 
Mommsen^),  der  die  offizielle  Einführung  des  neuen  Fusses  den  Dezemvirn 
zuwies,  da  sie  ja  auch  den  römischen  Kalender  nach  der  attischen  Okta- 
eteris  ordneten"),  also  zweifellos  metrologische  Refoi-men  nach  attischem 
Vorbilde  vornahmen.  Die  erhaltenen  Bruchstücke  geben  zwar  über  die 
Länge  des  Fusses  keinen  Aufschluss.  aber  die  Einteilung  (pes  sestertius 
=  1  gradus  Taf.  VII,  1  S.  136:  5'  =  1  passus  Taf.  VII.  4  S.  137)  ist 
schon  die  später  übliche.  Daher  hat  auch  Hülsen  sich  dem  Zeitansatze 
von  Mommsen  angeschlossen  und  rechnet  danach '").  Wenn  endlich  Pigo- 
rini^')  sogar  schon  in  den  Terramare  der  Poebene  einen  Fuss  von  etwa 
30  cm  entdeckt  zu  haben  meinte,  so  kann  man  zunächst  darauf  keinen 
Schluss  gründen,  da  die  Beobachtung  zu  vereinzelt  bleibt. 


1)  Nissen  MelroL-  S.  867  Anm.  4;  Hultsch  a.  a.  0.  S.  103  Anm.  3. 

2)  Koldewey-Puchstein,  Die  griech.  Tempel  S.  152  u.  140.  —  3)  A.  a.  O.  S.  1 
4)  A.  a.  0.  S.  30.  —  5)  Ital.  Latideghimle  II.  1.  163.  —  6)  Mehohij.  S.  88.'). 
7)  Actes  d.  s™«  congres  S.  244.  —  8)  Hermes  XXI.  419. 

9)  Schoell  Legg.  XII  tab.  rell.  S.  156  Taf.  XI.  —  10)  Rom.  Mitt.  1893,  303. 
11)  Not.  Scavi  1892,  452  u.  1895,  14  Anm.  1. 


86  !'■   (inifjuinlcr. 

Dass  die  Etrusker  schon  im  6.  Jlul.  v.  Chr.  den  baljylonisch-olyinpisch- 
attischen  Fuss  von  297.7  mm  kennen  lernten,  ist  auch  deswegen  sehr 
wahrscheinlich,  weil  wenigstens  in  der  zweiten  Hälfte  dieses  Jahrhnnderts 
ihr  Handel  mit  Athen  so  lebhaft  war,  dass  ihre  eigenen  Schifie  dorthin 
fuhren,  um  Waren  umzusetzen').  In  Marzabotto  ist  schon  der  solonische 
Fuss  angewendet  worden,  wie  Brizios  Maßangaben-)  zeigen.  Nach  dem 
Plane  (Taf.  I)  hatten  isola  II,  V,  VIII.  IX,  X.  XI  und  die  ihnen  ent- 
sprechenden eine  Breite  von  etwa  35  m  d.  i.  ziemlich  genau  1  actus  röm. 
(=  35,5  ni).  Die  isola  VII  hat  eine  Breite  von  68  m  (230'  solou.  = 
68,08  m);  denn  wenn  diese  isola  auch  urspi'ünglich  von  einer  Strasse 
durchschnitten  wurde  ^),  so  muss  das  Gesamtmaß  zweier  isole  doch  auch 
die  Norm  erkennen  lassen.  Die  isole  IV  und  VI  haben  40  m  (185'  solon. 
=  39,96  m).  Die  Entfernung  des  decumanus  von  decumanns  soll  165  m 
betragen;  das  wären  600'  oskisch.  Aber  die  Worte  Brizios*)  und  der 
Plan  lassen  erkennen,  dass  dieser  Zahl  nicht  tatsächliche  Messung  zu- 
gnuide  liegt,  sondern  Schätzung.  Die  decumani  und  der  cardo  haben  eine 
Breite  von  15  m  (50'  solon.  =  14,80  m).  Die  kleineren  Strassen  haben 
meist  ein  Drittel  dieser  Breite;  nur  eine  hat  6  m  (20' solon.  =  5,920  m). 
Unter  den  Heiligtümern  der  Burg  scheint  der  gi-osse  Altar,  wohl  das  äl- 
teste Bauwerk  daselbst,  noch  nach  oskischem  Fusse  errichtet  zu  sein;  die 
Seite  des  Quadrates  hat  4,1  m  (S.  258;  15'  osk.  =:  4,125  m).  Von  den 
Tempeln  ist  allein  sicher  messbar  Tempel  D,  den  Dell)riick  °)  in  das  5.  Jhd. 
V.  Chr.  setzt.  Er  hat  ein  Quadrat  von  etwa  9x9  m ").  Da  aber  der 
Treppenvorbau  nur  2.80  m  breit  ist,  was  nach  Brizios  eigener  Angabe 
ein  Drittel  der  Seite  sein  soll,  so  muss  die  Seite  etwas  kleiner  als  9  m 
gewesen  sein  .  das  führt  auf  8,88  m  (30'  solon.).  Marzabotto  ist  bekannt- 
lich um  400  V.  Chr.  von  den  Galliern  zerstört  worden.  Es  ist  gegründet 
worden  etwa  um  550  v.  Chr.  ').  Da  nun  das  Strassennetz  doch  nicht 
erst  gegen  Ende  der  Stadtentwicklung  festgelegt  worden  ist.  wird  man 
kaum  zu  viel  behaupten,  wenn  man  sagt,  dass  die  Etrusker  gegen  Ende 
des  6.  Jhds.  v.  Chr.  den  solonisehen  Fuss  angewendet  haben.  Weil  aber 
damals  das  gesamte  römische  Leben,  vor  allem  die  Baukunst  völlig  unter 
dem  Einflüsse  der  Etrusker  stand,  ist  es  sehr  gut  möglich,  dass  etwas 
später  von  dorther  auch  den  Römern  die  Kenntnis  des  solonisehen  Fusses 
übermittelt  worden  ist. 

Eine  sichere  Antwort  auf  diese  Frage  können  auch  für  Rom  natür- 
lich nur  die  Bauten  selber  geben.  Eins  der  ältesten  Bauwerke  Roms  ist 
das  Brunnenhaus,  das  auf  dem  Cermalus  nicht  weit  von  der  sog.  casa 
Romuli  liegt  *).     Piuza ")    setzt  es    in    das  7.  Jhd.  v.  Chr.  nach    den    auf 


1)  Furtwängler,  Gemmen  UI,  172. 

2)  Monum.  antich.  1889,  429  ff.  —  3)  S.  312.  —  4)  S.  286. 

b)  Das  Kapiiol  von  Siijnia  1903,  20.  —  6)  Brizio  S.  260.  —  7)  Hermes  1908,  442. 
8)  Hülsen,  Topoijr.  1907  Taf.  II,  d  u.  e).  —  9)  Momim.  (itit.  XV,  787. 


J)<is   Alter  (Irr  scrrintiisclicii   Mniirr  in   Ruin.  87 

dem  Uninde  gefundenen  Sclerben.  Nacli  der  Technik  der  Ueberkragiing. 
iK'i  der  nur  die  Ecken  der  vorspringenden  Steine  abgenieisselt  sind,  filsu 
die  Stufen  noch  deutlich  sichtbar  bleiben,  kann  es  nicht  jünger  sein  als 
das  Regnlini-Galassi-Grab  zu  Caei-e.  bei  dem  die  innere  Wölbung  glatt 
gemeisselt  ist;  dieses  Grab  wird  allgemein  in  die  zweite  Hälfte  des  7.  .Ihds. 
V.  Chr.  gesetzt').  Jenes  Brunnenhaus  ist  nun  fast  durchweg  aus  Lagen 
erbaut,  die  eine  Höhe  von  etwa  0.275  m  (=  1'  osk.)  haben.  Im  Innern 
konnte  ich  13  mal  dieses  Maü  feststellen :  daneben  kommt  auch  vor  0,28 
oder  0,25  oder  0,265  m.  da  die  Lagen  nicht  gleich  hoch  sind.  Ent- 
scheidend kann  nur  das  Maü  von  0.275  m  sein,  das  vorherrscht.  Genau 
die  gleichen  Maüe  fand  Delbrück')  an  einem  Stück  der  ältesten  Befesti- 
gung des  Palatin  (0.25  bis  0.27  m).  welches  hinter  der  sog.  Romulusmauer 
liegt.  Ein  anderes  ebenfalls  dort  vorhandenes  Stück,  dessen  vier  Lagen 
gleichmässig  0.30  m  hoch  sind,  wird  also  wohl_  aus  späterer  Zeit  stammen, 
da  es  schon  den  römischen  Fuss  anwendet. 

Unter  den  historisch  datierbaren  Bauwerken  li'oms  ptlegt  man  ge- 
wöhnlich den  kapitolinischen  Jupitertempel  als  nach  oskischem  Maße  er- 
baut zu  betrachten  ^).  An  dem  sehr  altertümlichen  Podion  im  Garten  der 
deutschen  Botschaft,  dessen  Quadern  auch  im  Stalle  sichtbar  sind,  lässt 
sich  das  allerdings  nicht  erweisen,  da  die  Lagen  sehr  verschieden  hoch 
sind*).  Auch  die  Schmalseite  des  Unterhaus  52.50  m^)  zwingt  nicht,  dies 
oder  jenes  Maß  anzunehmen.  Noch  viel  weniger  kann  man  oskisches 
Maß  finden  in  dem  Durchmesser  einer  aus  pentelischem  Marmor  bestehen- 
den Säule,  wie  0.  Richter  will :  dieselbe  gehört  vielmehr  dem  domitiani- 
schen  Neubau  zu ").  Aber  die  im  Innern  liegenden  Fundamente,  die  auch 
hei  Umbauten  kaum  die  alte  Form  änderten,  sind  4.2  m  dick  (15'  osk.  = 
4,125  m).  Und  danach  hat  Richter  in  sehr  wahrscheinlicher  Rechnung 
die  Gliederung  des  Gesamtbaues  nach  oskischem  Maße  vorgenommen. 

Nicht  ohne  Wahrscheinlichkeit  hat  Delbrück')  sieben  Lagen  grün- 
lichen Tuffs,  die  tief  innen  im  Podion  des  Kastortempels  auf  dem  Forum 
liegen,  dem  ältesten  Bau  von  484  v.  Ciir.  zugewiesen,  da  sie  in  Material 
und  Technik  dem  Podion  des  kapitolinischen  Tempels  gleichen.  Und  vor- 
her hatte  schon  Hülsen  ®)  dasselbe  Urteil  gefäUt :  jedenfalls  dem  Neubau 
des  Metellus  Dalmaticus  117  v.  Chr.  können  jene  Quadern  nicht  ange- 
hören. Dieselben  sind  allesamt  0.27—0.28  m  (1'  osk.  =  0,275  m)  hoch, 
wie  Delbrück  angibt.  Damals  herrschte  in  Rom  also  noch  der  oskische  Fuss. 

Dagegen  ist  es  sicher,  dass  das  Podion  des  Apollotempels  auf  dem 
Marsfelde  schon  den  römischen  Fuss  anwendet.  Nach  dem  Schema  der 
Kurvaturen*)  erhält  man  folgende  Quaderhöhen: 

1)  G.  Karo,  Bull.  Paletnoloy.  ital  1898,  1-52.  —   2)  Der  Äpollotempd  19U3.  13. 

3)  Holzapfel.  Eermeti  XXIII,  77.  —  4)  Delbrück  a.  a.  0.  S.   12. 

5)  Richter.  Beiträge  1903.  24.  —  6)  Bull.  mun.  1875,  184  u.  187. 

7)  ApoUotempel  S.  14.  —  8)  Forum  Bomaimm  S.  128.  —  9)  Delbrück  Taf.  I. 


7 

'.  Graff'ii 

Didcr, 

1. 

285 

280 

280 

■) 

296 

295 

293 

3. 

HOO 

299 

293 

4. 

299 

299 

301 

5. 

289 

284 

291 

6. 

285 

283 

283 

7. 

268 

284 

239  cm 

8.  — 

Man  sieht,  bei  weitem  die  meisten  Maße  liegen  su  nahe  um  29,6  cm 
herum,  dass  dieser  Fuss  als  Norm  betrachtet  werden  muss.  Auch  die 
Dicke  der  Mauer  beträgt  1,5  m  (5'  röm,  =  1.480  m).  Der  Tempel  ist 
zuerst  en-ichtet  483 — 430  v.  Chr.  (Liv.  IV.  29).  Dass  er  eingeäschert 
wurde,  als  die  Gallier  das  Kapitol  belagerten,  war  unausbleiblich,  da  er 
ja  in  unmittelbarer  Nähe  liegt.  Darum  musste  er  353  v,  Chi-,  erneuert 
werden  (Liv.  VII,  20).  Aber  dass  bei  der  Zerstörung  auch  das  massive 
Podion  zugrunde  ging,  ist  gar  nicht  wahrscheinlich.  Daher  darf  man  jene 
Ruine  unter  piazza  Campitelli,  der  aiich  Hülsen')  hohe  Altertümlichkeit 
zuerkennt,  vor  allem  wegen  ihrer  tiefen  Lage  als  Rest  des  Baues  von  430 
V.  Chr.  betrachten.  Also  um  430  v,  Chr,  baute  man  in  Rom  schon  nach 
römischem  Fusse,  Danach  erhält  man  als  Spielraum,  während  dessen  der 
olympisch-solonische  Fuss  in  Rom  eingeführt  wurde,  die  Zeit  484 — 430 
v,  Chr.  Etwa  in  der  Mitte  dieses  Zeitraumes  liegt  die  Regiening  der 
Dezemvirn,  denen  Mommsen  jene  Neuerung  zuschrieb.  Man  wird  also  bei 
seinem  Ansätze  stehen  bleiben  müssen.  Diese  m  et  r  ol  og  i  s  c  h  e  n  B  e- 
merkungen  mussten  vorausgeschickt  werden,  da  sie  die  Grundlage  für 
das  Folgende  bilden. 

Von  den  Ue  b  er  r  es  t  e  n  der  s  e  rv  ianis  ch  en  Mauer,  die  den 
A  v  e  n  t  i  n  umgeben,  ist  am  berühmtesten  und  leichtesten  zugänglich  das 
gi-osse  am  Südabhang  der  vigna  Maccarani-Torlonia  gelegene  Stück,  von  Jor- 
dan-) mit  u  bezeichnet,  über  das  Lanciani^)  berichtet.  Eine  gute  Vorstellung 
von  dem  Ganzen  gibt  die  Abbildung  2[onmH.  incdit.  1855  Taf,  XXI  (vgl. 
1871  Taf.  XXXVII.  11).  Auch  Reber.  Rmnen  1879,  443,  und  Parker, 
FoHifications  1878  Taf.  XI,  bieten  Abbildungen.  Der  nebenstehend  beige- 
fügte Abriss  (Fig.  I,  1),  der  nur  die  Maße  zur  Anschauung  bringen  soll,  ist 
von  der  Hinterseite  genommen,  da  man  von  dort  aus  leichter  herankommen 
kann.  Die  Angaben  über  die  Mafie  sind  verschieden.  Reber  gibt  die 
Dimensionen  der  Blöcke  zu  durchschnittlich  0,48 :  1,10  m  an,  Lanciani 
lässt  sie  0,59  m  hoch  sein.  Jordan  maß  Höhen  von  0,53 — 0,56  m, 
Richter*)  sagt,  dass  in  den  unteren  sechzehn  Lagen,  die  Quaderhöhe  fast 
konstant  0,55  m  betrage.  Der  Widerspruch  in  diesen  Angaben  ist  nur 
ein  scheinbarer.     Ich  habe  die  Ruine,  soweit  sie  ohne  Leiter  zu  erreichen 

1)  A,  a.  0.  S.  .537.  —  2)  Topogr.  I.  1,  m.  —  3)  Aiinal  ,1.  wstit.  1871.  81. 
4)  Steinmetzseichen  S.  11. 

6 


Das  Aller  der  ncroiuninclieu  Mamr  in  Jtom. 


89 


90  }'■    (h-nlfniah'i: 

ist,  zweimal  gemessen,  eimiial  im  Februar  1907.  dann  im  April  l'.MlS  in 
Gegenwart  des  Herrn  Dr.  Altmann.  Die  unterste  Lage  des  Grundstockes 
liegt  etwas  in  der  Erde ;  wo  sie  aber  meßbar  ist.  findet  man  die  Quaderhöhe 
von  0.55—  0,56  m.  Die  zweite  Lage  von  unten  zeigt  ebenfalls  am  häufigsten  die 
Höhe  von  0.55  m.  daneben  0.53  oder  0.54  oder  0.56  m.  Dasselbe  gilt  im 
wesentlichen  von  der  dritten  Lage  von  unten.  Am  östlichen  Ende  der  Ruine 
liegen  6  Lagen  übereinander:  I  etwa  0.55—0,56  :  11  0.55 — 0.56  ;  III  0,56  :  IV 
0,55  ;  V  0,55 :  VI  0.55  m.  Dieselben  Maße  findet  man  am  westlichen  Ende  der 
Ruine,  wo  man  hinaufklettern  kann:  doch  kommen  auch  Höhen  von  0,53  m 
vor.  An  der  Maiierdiirchbrechung  im  östlichen  Teile  der  Ruine,  wo  man  von 
hinten  liinaufsteigen  kann,  mißt  man  fast  ausschliesslich  0.55 — 0,56  m.  Dass 
in  den  obersten  Lagen  neben  dem  Bogen,  die  für  den  Grundstock  nicht  ent- 
scheidend sein  können,  auch  viel  kleinere  Höhen  vorliegen,  ist  bekannt : 
0,275 ;  0,29  ;  0.42 :  0,44 ;  0,50  m  in  der  Reihe  braunen  Tuffs,  die  im 
Bogen  am  Aussenrande  liegt;  zweimal  in  den  obersten  Lagen  fand  ich 
0,59  m  zwischen  dem  Bogen  und  der  Mauerdurchbrechung.  In  dem  Grund- 
stöcke habe  ich  nur  zweimal  diese  letzte  Höhe  feststellen  können.  Es 
liegen  in  der  dritten  Lage  von  unten  gerade  unter  dem  Bogen  fünf  Quadern 
von  braunem  Tufi'  mit  Rustikabearbeitung  und  glattem  Saum :  die  zwei 
östlichen  von  ihnen  haben  0,59  m,  dann  gehen  sie  nach  links  zu  dem  ge- 
wöhnlichen Maß  über.  Diese  Höhen  sind  also  so  vereinzelt,  dass  sie  neben 
dem  allgemein  herrschenden  Maß  nicht  in  Betracht  kommen.  Die  An- 
gaben von  Jordan  vmd  Richter  bleiben  zu  Rechte  bestehen.  Die  Längen 
der  Läufer  sind  verschieden:  doch  mißt  man  im  Grundstocke  mehrfach 
1.10  m  (3'  osk.  =  1,1  m).  wie  es  auch  Reber  angibt.  Demnach  kann  es 
keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  die  Ruine  nach  oskischem  Maße  erbaut  ist. 
Die  Dicke  der  eigentlichen  Quadermauer  beträgt  nach  Lanciani ') 
1,60  m  (6'  osk.  =  1.65  m).  Diese  Dicke  kann  man  an  dem  östlichen 
Ende  allerdings  nur  an  der  untersten  Lage  beobachten,  da  die  Ruine  dort 
von  kaiserlichen  Bauten  durchbrochen  ist :  ebenso  oben  neben  dem  Bogen. 
Diese  Dicke  entspricht  auch  den  sonst  bekannten  Verhältnissen  der  ser- 
vianischen  Mauer,  an  der  man  drei  verschiedene  Stärken  unterscheiden 
kann:  1)  die  durchschnittliche  Dicke  ist  3,2  m-):  z.  B.  am  Bahnhofe  3.32^) 
d.  h.  12'  osk.  (=  3,3  m):  3.45  bei  S.  Balbina*):  3.7  s)  vielleicht  12' röm. 
(3,55  m).  2)  An  gefährdeten  Stellen  oder  in  der  Nähe  der  Tore  hatte 
die  Mauer  eine  grössere  Dicke:  4,1  auf  Piazza  Fanti  (s.  u.):  etwa  4  m 
in  der  Nähe  der  Porta  Viminalis*);  4,22  ra  in  Via  di  M.arforio '),  d.  h. 
15'  osk.  (=  4,125  m).  3)  An  weniger  gefährdeten  Stellen  ging  man  auch 
xmter  das  mittlere  Maß  henmter;  1,72  bei  der  Panetteria  *).  d.  h.  6'  röm. 


1)  Annal   1871,  81.  —  2)  Bull.  mun.  1876,  171.  —  3)  Jordan  I.  1.  218. 

4)  Not.  scav.  1884.  223.  —  5)  Not.  scai:  1907,  504. 

6)  Richter.  Steinmetzzeichen  S.  8.  —  7)  Bull.  com.  1888,  14. 

8)  Bergau  Philol.  XXV,  653;  Lanciani  Annal.  1871,  54. 

8 


I)iif<  .Hfl r  der  scrriniiiarlirn   Miuiir  in    Hniii. 


91 


(=  1,77(')  in);  1,()3 — 1,70  am  Arco  Aiitonelli  in  veiscliirdciicii  Ij;ijfcii,  wolil 
6'  osk.  (=  l,6ö  m):  1,50  m  in  Via  Quattro  fontaue ').  Die  von  dem  Bau- 
meister gewollte  Dicke  scheint  danach  6  oder  12  oder  15'  oskisch  oder 
römisch  gewesen  zu  sein.  Somit  kann  die  Dicke  von  l.fiOiii  am  Avcntiii 
nicht  ungewöhnlich  erscheinen. 

Auch  die  Höhe  der  Keilsteine  des  Bogens  hetriigt,  aljgeselien  von  den 
untersten  Ansatzsteinen,  genau  0,55  m  (=  2'  osk.  genau).  Das  ist  um 
so  merkwürdiger,  da  dieser  Bogen,  wie  man  gleich  nach  der  Entdeckung 
erkannt  hat,  ein  sj^äterer  Restaurationsbau  ist-).  Sein  Material  ist  ein 
ganz  anderes,  ein  brauner  Tuff,  der  durch  Farbe  und  bessere  Erhaltung 
sich  scharf  von  dem  Grundstocke  abhebt.  Denn  in  diesem  ist  fast  durch- 
weg der  bekannte  hellgelbe  Tuif  aus  den  Steinbrüclien  von  S.  Saba  ver- 
wendet, der  überall  in  der  servianischen  Mauer  erscheint.  Nur  vereinzelt 
findet  man  Quadern  braunen  Tuffs  auch  unten  eingesetzt.  An  den  i)raunen 
Quadern  sowohl  oben  als  im  Grundstocke  kann  man  noch  jetzt  den 
Meißelschlag  deutlich  waliruehmen,  während  die  hellgelben  stark  verwittert 


i 

^ 

^^ 

(/^;' 

<^^    u 

J 

ßi'ii^ 

\^^-^^-^ 

fsr 

Vi''.   I.  •-'. 


Fis?.  I, 


sind.  Nun  lässt  sich  leicht  aus  den  grossen  Abmessungen  des  Bogens  er- 
weisen, dass  zur  Zeit  als  man  seine  Keilsteinhöhe  nach  oskischem  Maüe 
festsetzte,  dennoch  in  Rom  der  Fuss  von  0.296  m  herrschte.  Der  Keil- 
stein a  (Fig.  I,  2)  hatte  ursprünglich  oben  und  hinten  0,60  m  (2'  röm.), 
ist  dann  aber  soweit  abgemeisselt,  dass  er  zur  Höhe  von  0,55  m  passte. 
Ebenso  ist  es  dem  Stein  1  (Fig.  I.  3)  ergangen.  Stein  b  und  k  (Fig.  I.  1) 
haben  zwar  die  Keilhöhe  von  0,55  m.  aber  die  Aussensehne  ist  0.59,  die 
Innensebne  0,445  m  (1  Elle  röm.).  Die  Summe  der  inneren  Bogensehnen 
beträgt  5,605 ;  danach  ist  der  Radius  auf  1,788,  der  Durchmesser  auf 
3,577  m  zu  berechnen.  Setzt  man  aber  statt  0.42  und  0.445  die  wirklich 
antiken  Mafse  von  0,4125  und  0,444  ein,  so  hat  der  Radius  1,777  m  der 
Durchmesser  3,554  m;  das  sind  recht  genau  6'  röm.  (1.776  m)  und  12' 
röm.  (3,552  m).  Die  Weite  des  Bogens  im  Lichten  beträgt  3,55  m  •*),  was 
zu  der  Rechnung  aus  den  Sehnen  stimmt.  Somit  ist  der  Bogen  nach  dem 
Radius  von  6'  röm.  greschlagen.     Wenn  der  Baumeister  die  Keilsteinhöhe 


1)  Jordan  I.  1,  -212  Aum.  —  2)  Anmli  1855.  88 


•J)  Messung  von  Dr.  Hubert. 


92  P.    <rnifflüHlri: 

auf  2'  osk.  festsetzte,  so  hat  er  sich  muh  (U'in  Mal.ie  der  (^ladeni  des 
Grundstockes,  die  er  schon  vorfand,  gerichtet. 

Von  grosser  Bedeutung  für  die  richtige  Beurteihmg  der  Kuine  ist 
die  oben  berührte  Tatsache,  dass  auch  in  der  Aussenfront  des  Grund- 
stockes einzelne  Quadern  liegen  aus  demselben  braunen  Tuff  bestehend 
wie  der  Bogen.  In  der  Erhaltung  gleichen  sie  völlig  dem  Bogen,  unter- 
scheiden sich  aber  deutlich  von  den  gelben  Quadern,  die  im  wesentlichen 
den  Grundstock  bilden.  Der  Meisselschlag  ist  an  ihnen  noch  deutlich 
sichtbar,  was  an  den  gelben  nicht  der  Fall  ist.  Dazu  haben  die  meisten 
unten  verbauten  braunen  Quadern  einen  glatten  Saum  und  sind  im  Mittel- 
feld rustik  behauen,  was  man  sonst  nicht  an  der  servianischen  Mauer  be- 
obachtet hat.  Das  luuss  zu  der  Vermutung  führen,  dass  die  unten  liegen- 
den braunen  Quadern  in  derselben  Zeit  verbaut  sind,  als  der  Bogen  er- 
richtet wurde,  zeitlich  also  nicht  mit  der  Hauptmasse  der  gelben  Quadern 
des  Grundstockes  zusammenfallen. 

Für  die  Frage,  wann  die  Ruine  ihre  jetzige  Gestalt  erhalten  hat.  ist 
entscheidend  der  Umstand,  dass  nicht  nur  der  Bogen,  sondern  auch  der 
Grundstock  in  den  Fugen  als  Bindemittel  einen  feinen  weissen,  fast  ganz 
reinen  Kalk  verwendet,  in  dem  von  Puzzolanerde  oder  Sand  nicht  das  ge- 
ringste zu  spüren  ist.  Sonst  entbehrt  bekanntlich  die  servianische  Mauer 
eines  Bindemittels.  Die  älteste  Verwendung  des  Mörtels  findet  sich  an 
den  um  300  v.  Chr.  errichteten  Mauern  von  Alba  Fucens^).  Nach  300 
v.  Chr.  hat  also  die  Ruine  auf  dem  Aventin  ihre  jetzige  Gestalt  erhalten. 
Nun  hat  Richter  darauf  hingewiesen-),  dass  ebenso  ein  sandfreier,  fast 
reiner  Kalk  an  dem  Grabmal  der  Scipionen  verwendet  ist.  und  vermutet, 
dass  die  Ruine  errichtet  sei,  als  in  den  punischen  Kriegen  Ausbesserungen 
vorgenommen  wurden.  Da  der  Bogen  nicht  fortifikatorische  Zwecke 
haben  konnte,  sondern  im  wesentlichen  als  Schmuck  diente,  kann  man 
an  die  Zeit  nach  dem  Hannibalkriege  denken,  als  Rom  keinen  äusseren 
Feind  mehr  zu  fürchten  hatte.  Für  diese  Zeit  würde  es  passen,  dass,  wie 
Lanciani ')  angibt,  die  äussere  Quadermauer  nur  Verkleidung  war  für 
innen  liegendes  opus  ineerf  um,  das  ebenfalls  aus  einfachem  Kalk  und  Tuff- 
brocken besteht.  Vor  kurzem  ist  dasselbe  frei  gelegt  worden,  so  dass 
man  noch  deutlicher  sieht,  wie  die  Bauart  dieser  Ruine  von  den  ältesten 
Teilen  der  servianischen  Mauer  abweicht.  Aus  noch  viel  späterer  Zeit 
muss  das  Mauerwerk  stammen,  das  am  Ostende  der  Ruine  liegt,  wo  die 
Mauer  durchbrochen  ist.  Es  ist  von  Lanciani*)  festgestellt,  dass  in  der 
Kaiserzeit  Bauten  an  die  Ruine  herangeführt  wurden  und  sie  mehrfach 
durchbrachen.  Jenes  opus  reticulatum  an  der  Durchbrechung  liegt  zum 
Teil  oben  auf  der  Ruine  auf,  kann  also  erst  gelegt  sein,  als  das  Bauwerk 
schon  Ruine  war;    denn  im    westlichen  Teil    ist  der  in    sich    gleichartige 

1)  Delbrück.  Das  Kapital  von  Signia  S.  17.  —  2)  Steinmetzzeichen  .S.  12. 
3)  ^»i»«i/.  1871,  81.  —  4)  BuU.  mun.  1870,  74. 

10 


Dfi.^  Alt  fr  (Irr  serrhrnixclioi  Maiirr  in  Ttont 


93 


Grundstock  mindestens  doppelt  so  hoch,  wie  die  Stelle,  wo  um  östlichen 
Ende  das  Mörtehverk  anfliegt.  Von  den  kaiserlichen  Banten  sind  Ziegel- 
stempel erhalten :  Ini])  Cacs  Ner  Tra  Aitg  ex  fif/U  Marriiotis  etc. ') ;  sie 
gehören  in  die  Zeit  Trajans.  Man  hat  demnach  drei  verschiedene  Zeit- 
stnfen  an  der  Ruine  von  einander  zu  scheiden:  1)  Trajanische  Zeit,  wo 
die  Ruine  durchbrochen  und  zerstört  wurde;  2)  Zeit  nach  dem  Hannibal- 
kriege,  als  die  Ruine  im  wesentlichen  iiire  jetzige  Gestalt  erhielt.  Da- 
mals ist  auch  wohl  der  Bogen  aufgesetzt,  und  die  braunen  Quadern  ver- 
baut worden ;  3)  die  Zeit,  in  der  ursprünglich  die  hellgelben  Quadern  zum 
Mauerbau  verwendet  wurden.  Dies  muss  eine  Zeit  gewesen  sein,  in  der 
in   Rom  der  cskische  Fuss  herrschte. 

Dass  die  hellgelben  Quadern  in  der  Tat  einmal  einem  ursprünglichen 
Bau  der  servianisclien  Mauer  zugehörten,  wird  bewiesen  durch  die  auf 
einzelnen  von  ihnen  erhaltenen  Steinmetzzeichen.  Bisher  waren  solche 
dort  nicht  entdeckt  worden.  Da  machte  mich  Mau  darauf  aufmerksam, 
dass  dennoch  zwei  Zeichen  von  ihm  dort  gesehen  seien :  ich  habe  sie  dann 
auch  gefunden.  Sie  stehen  auf  der  inneren  Kopfseite  von  zwei  hellgelben 
Binderquadern,  deren  entgegengesetzte  Kopfseite  nach  aussen  blickt,  in  dem 
östlichen  Teil  der  Ruine  etwa  in  der  Mitte  zwischen  dem  Bogen  und  der 
Mauerdurchbrechung.  Beide  Quadern  haben  eine  Höhe  von  0,. 5.5— 0.50  m. 
Die  Form  der  Zeichen  ist  folgende: 


Die  Höhe  der  Zeichen  beträgt  0,275  und  0,220  m.  die  Länge  der 
Querstriche  0,095  und  0.090  m,  die  Tiefe  der  Einmeisselung  etwa  0,040 
bis  0,050  m.  Dass  das  eine  der  beiden  Zeichen  gerade  1'  osk.  hoch  ist. 
könnte  ja  Zufall  sein.  Doch  muss  es  angemerkt  werden:  denn  nach 
Richter"-)  beträgt  die  Höhe  der  von  ihm  untersuchten  Zeichen  durchschnitt- 
lich etwa  '^0  cm  (1'  röm.).  Die  beiden  Zeichen  vom  Aventin  gleichen 
völlig  dem  chalkidisch-uritalischen  Zeta:  über  ihr  paläographisches  Alter 
soll  unten  gehandelt  werden. 

Es  scheint  übrigens,  dass  am  A\  entin  in  der  serviauischen  Mauer 
die  Quaderhöhe  von  etwa  0,55  m  (2'  osk.)  durchweg  angewendet  war. 
Nach  .Jordan^)    hatte    auch  das   an  der  Nordseite  von  S.  Saba   entdeckte 

1)  Bull.  mim.  1870,  74.    CIL  XV.  :il2.  —  2)  Steinwrt-rriihnt  S.  11. 
3)  Tnpofir.  I.  1.  231  unter  V. 


11 


94  V.  (h-nffuiKln: 

Stück  Quadern  von  0,55x0,55  m:  sie  sind  jetzt  nicht  mehr  vorhanden. 
Dazu  kommen  die  elf  Lagen  im  Garten  von  S.  Balbina  (bei  Jordan  unter 
s),  von  denen  jede  nach  Gell ')  1'  10"  englisch  d.  h.  0,55  m  hoch  war, 
den  englischen  Fuss  zu  0,304  m  gerechnet.  Ich  habe  vergeblich  nach  der 
Ruine  gesucht:  niemand  in  der  Kirche  oder  dem  Kloster  konnte  mir  Aus- 
kunft erteilen.  Dagegen  zeigte  man  mir  drei  Lagen  der  bekannten  hell- 
gelben Quadern,  die  in  dem  Raum  neben  dem  Refektorium  verbaut  sind. 
Von  den  wenigen  Blöcken  ist  nur  die  in  der  Mitte  liegende  Reihe  meß- 
bar: sie  haben  eine  Höhe  von  0.55 — 0,56  m.  Dadurch  werden  die  An- 
gaben von  Gell  bestätigt ;  denn  jene  wenigen  Blöcke  stammen  sicher  von 
der  Hauptruine  im  Garten  her. 

Der  Graben  der  servianischen  Befestigung  zwischen  S.  Balbina  und 
S.  Saba  war  8.2  m  (30'  osk.  =  8,25  m)  breit-).  Nun  haftet  diesem  Maü 
allerdings  eine  gewisse  Unsicherheit  au.  Aber  dieser  Befestigungsgraben 
ist  doch  nicht  nach  beliebiger  Willkür  hergestellt,  wie  das  wohl  bei  einem 
Graben  der  Fall  sein  kann,  der  nur  augenblicklichen  Zwecken  dient.  Für 
den  servianischen  Graben  musste  die  Breite  und  Tiefe  geradesogut  von  der 
Bauleitung  vorher  festgesetzt  werden,  wie  etwa  die  Dicke  der  Mauer.  Merk- 
würdigerweise führen  auch  sonst  die  von  dem  Graben  angegebenen  Maüe 
auf  den  oskischen  Fuss.  Beim  Zentralbahnhofe  hatte  der  Graben  an  der 
Sohle  im  Tufiboden  eine  Breite  von  32.80  m  (1  actus  osk.  =  33  m).  wie 
Bergaii')  angibt.  Da  es  sich  hier  um  eine  runde  Zahl  handelt,  die  in 
römischem  Fuss  um  2,52  m  abweichen  würde,  da  unten  am  Grunde  des 
Grabens  die  ursprüngliche  Form  in  dem  Tuffboden  sich  am  leichtesten  er- 
halten konnte,  so  wird  man  doch  wohl  auch  dieses  Maß  hier  ins  Treffen 
führen  dürfen.  .Jedenfalls  kann  man  den  Satz  aussprechen,  dass  am  Aven- 
tin  die  servianische  Mauer  ganz  überwiegend  oskisches  Maß  aufweise. 
Hier  war  das  Werk  mehr  vor  Zerstörung  geschützt  gewesen  und  hat  da- 
her mehr  das  altertümliche  Maß  bewahrt. 

Fast  noch  lehrreicher  für  die  hier  behandelte  Frage  ist  das  grosse 
Bruchstück  auf  Piazza  Fanti,  bei  Jordan  mit  o^  bezeichnet,  von  Lan- 
ciani*)  bekannt  gemacht.  Einen  Grundriss  des  Ganzen  gibt  auch  Dro\'sen"), 
wobei  aber  die  Biegung  der  Mauer  nicht  zur  Geltung  kommt.  Sehr  nütz- 
lich ist  die  Abbildung  bei  Reber '').  da  sie  zeigt,  wie  das  Ganze  bald  nach 
der  Ausgi'abung  aussah.  .Jetzt  ist  vor  dem  halbkreisförmigen  Verstär- 
kungsljau  im  Innern  des  stumpfen  Winkels  ein  kleiner  Teich  angelegt. 
Die  iirsprünglich  vorhandenen  mächtigen  Seitenflügel  sind  bis  auf  ein 
kleines  Stück  verschwunden.  Die  unterste  der  vier  Lagen  des  Kreisbaus 
ist  ganz  verschüttet.  Außerdem  ist  alles  so  überwuchert  und  bemoost. 
dass  man   die    Steinmetzzeichen    nur    noch   mühsam  erkennt.     Daher   be- 


1)  TopogrJ  S.  494.  —  2)  Eöm.  Min.  189-3,  293.  —  3)  Amml.  1862,  186. 
4)  Bull.  nmn.  1874,  201 ;  Taf.  V  und  VI.  —  5)  Hermes  X.  461. 
6)  Riiineti  S.  492. 

12 


Das  Alfer  der  sryi-/ii)i/srlirji   Maiirr  in   I'oiii.  95 

schriinkte  ich  iiiicli  diu-auf,  den  Kreisban  nachzumessen,  soweit  er  aus  iler 
Erde  ragt.  Nach  Droysen,  der  aucli  die  weit  mächtigeren  Seitenflügel 
gemessen  liat.  beträgt  die  Quaderhöhe  „meist"  0.0:3— 0,.5<)  ni.  wie  wir  sie 
auch  an  der  Aventinruine  gefunden  haben.  Lanciani  gibt  keine  Maüe  an. 
Die  oberste  Lage  des  Kreisbaus  hat  durchweg  0,59  m  (2'  röm.) , 
auf  ihr  allein  stehen,  soweit  man  jetzt  sehen  kann,  die  recht  elegant  ge- 
arbeiteten Steinmetzzeichen  E.  Auch  die  zweite  Lage  von  oben,  es  sind 
Läufer,  hat  die  Höhe  von  0.59  m.  Nur  in  der  Mitte  finden  sich  auch 
zwei  Blöcke  von  0,55  m;  sie  fallen  gleich  auf  durch  die  breiteren  Fugen; 
die  infolge  des  Höhenunterschiedes  entstehen  mussten.  Die  dritte  Lage 
hat,  soweit  man  jetzt  messen  kann,  nur  Höhen  von  0.55 — 0.56  m.  Auch  die 
Steinmetzzeichen  sind  hier  andere,  mehrmals  A  mit  schrägem  Querstrich  '). 
dann  ^  sehr  stark  eingegraben  und  fast  durch  den  ganzen  Stein  hin- 
durchgehend, .ledenfalls  heben  sich  die  nach  römischem  Fuss  geschnittenen 
Quadern  sehr  klar  auch  durch  ihre  Steinmetzzeichen  ab  sowohl  von  den 
übrigen  des  Kreisbaus  als  auch  denen  der  Seitenflügel,  die  ausschliesslich 
V  trugen-).  Die  vierte  und  unterste  Lage  des  Ki-eisbaus  ist  jetzt  nicht 
meßbar.  Der  Radius  des  Kreises  beträgt  nach  Droysen  4,1  m  (15'  osk.), 
der  Durchmesser  8,10  m,  nach  Lanciani  und  Jordan  8,20  m.  Das  letztere 
wird  genauer  sein,  da  dann  Radius  zu  Durchmesser  gleich  1:2  ist;  es 
sind  30'  osk.  (=  8,250  m).  Die  Dicke  der  Mauer  ist  nach  Reber  4.30  m. 
nach  Droysen  4.00  m.  Das  vom  Baumeister  gewollte  MaJs  liegt  mit  4.125 
wohl  in  der  Mitte,  so  dass  es  dem  Radius  des  Kreisbaues  gleichkommt. 
Wenn  ferner  Droysen  die  Länge  des  südlichen  jetzt  verschwvmdenen 
Flügels  zu  11,10  m  angibt,  so  darf  mau  darin  40'  osk.  (=  11,00  m)  sehen. 
Den  Raum,  den  der  ganze  Querschnitt  des  Werkes  in  der  Nähe  des  Piazza 
Fanti  mit  Graben,  Mauer  und  Wall  einnahm,  gibt  Lanciani  zu  annähernd 
55  m  (=  200'  osk.)  an.  Man  sieht,  die  Grundlage  des  Ganzen  ist  durch 
oskisches  Maß  bestimmt.  Zwei  Epochen  sind  klar  zu  scheiden.  Als  man 
einen  Neubau  vornahm,  galt  der  römische  F'uss ;  aber  man  hat  die  grossen 
Abmessungen  des  Ganzen  nicht  geändert,  da  der  Grundstock  schon  vor- 
lag und  einen  gewissen  Zwang  ausübte. 

Von  den  mächtigen  Mauerresten,  die  im  Osten  des  Z  e  n  t  r  a  1  b  ah  n- 
h  o  f  e  s  liegen,  ist  es  bekannt,  dass  sie  nach  römischem  Fusse  erbaut  sind. 
Dieses  Stück  hatte  Lanciani  besonders  berücksichtigt,  wenn  er  den  an  die 
Spitze  dieser  Untersuchung  gestellten  Satz  aussprach.  Das  Ergebnis  hat 
Richter  dann  noch  mehr  sichergestellt  durch  den  Hinweis  auf  die  Tat- 
sache, dass  die  in  der  Mauer  erkennbaren  Bauschnitte  35  m  (1  actus  röm. 
=  35,52  m)  von  einander  entfernt  sind.  Und  trotzdem  blickt  auch  in 
diesem  Teile  des  Werkes  in  den  nördlich  der  porta  Viminalis  gelegenen 
Ruinen  das  oskische  Maß  hindui-ch. 

Vor  der  porta  Viminalis  nach  der  Stadt  zu  liegt  ein  kleiner 
1)  .Tordan  F.  1.    Tafel  I,  3.  —  2)  Jordan.  I,  1,  2r,9.  Taf.  I,  'i. 

13 


96 


r.   fTrnff)ni(]ci\ 


Mauei'zug  aus  hellgelbem  Tntt'.  der  jetzt  nur  mit  einer  Sehiclit  aus  der 
Erde  ragt.  Auf  dem  Plan ')  bei  Lanciani  ist  er  noch  nicht  verzeichnet, 
wohl  aber  Forma  urhis  Taf.  XVII.  Es  sind  drei  lieihen  von  Quadern 
nebeneinander.  Die  beiden  nach  dem  Tore  zu  gelegenen  Reihen,  acht 
Quadern  haben  die  Höhe  von  0,55  m,  die  nach  der  Stadt  zu  liegende 
Reihe,  die  also  in  diesem  Falle  nach  aussen  sichtbar  war,  hat  die  Höhe 
von  0,59  m.  Auf  den  ersten  Blick  sieht  man  deutlich,  wie  jene  beiden 
römisch  geschnittenen  Quadern  etwas  höher  ragen;  es  sind  die  4  cm,  die 
den  Unterschied  ausmachen.  Auch  hier  lässt  sich  dieser  Gegensatz  nur 
durch  Annahme  verschiedener  Bauperioden  erklären.  Denn  wollte  man 
selbst  den  Fall  setzen,  dass  das  ganze  Werk  entstanden  sei  zu  einer  Zeit, 
in  der  das  römische  Maß  sich  zwar  schon  eingebürgert  hatte,  aber  doch 
das     oskische     noch     nicht     ganz     verdrängt    hatte,    so    ist    es    dennoch 


(i,sf  o,^r 


,^fr 


kaum  glaublich,  dass  man  an  ein  und  demselben  Mauerstück  beide  Maße 
zu  gleicher  Zeit  anwendete.  Bekanntlich  tragen  gerade  die  nördlich  an 
fler  poi-ta  Viminalis  Hegenden  Ruinen  mancherlei  Spuren  von  Umbauten. 
Aehnlich  muss  das  Urteil  lauten  über  das  Mauerstück,  das  an  der 
nördlichen  Grenze  der  Dogana  dicht  am  Zaune  liegt.  Es  schliesst  sich 
nördlich  an  den  mit  dem  kreisförmigen  Yerstärkungsbau  versehenen  Zug 
an,  der  von  Lanciani'-)  mit  c"  bezeichnet  ist.  Die  nach  Süden  blickende 
Seite  hat  jetzt  vier  Lagen  über  dem  Boden:  I.  III  und  IV  zu  0,59  m 
Höhe,  II  zu  0,55  m.  Auch  in  der  nach  Norden .  gewendeten  Seite,  wo 
man  fünf  Lagen  sieht,  hat  die  dritte  von  unten  0.55  m  Höhe.  Hier  lagern 
also  oskisch  imd  römisch  geschnittene  Quadern  bunt  durcheinander.  Die 
Mauer  ist  einmal  zerstört  worden,  so  dass  nachher  die  nach  oskischem 
1)  BM.  mmi.  1S76  Tut.  XVIII.  —  2)  Bull.  mim.  187fi  Taf.  XXIII. 


14 


Das  Alter  der  sercianijic/icii  Mdiwr  in  Itom. 


97 


Mal.ie  gearbeiteten  Blöcke  des  uisprünjiliclu'n  Baues  umherlagen.  Diese 
verwendete  man  natürlich  bei  der  später  erfolgenden  Wiedererrichtung,  so- 
weit ihre  Beschatt'enheit  das  noch  gestattete. 

Einen  ebenso  deutlichen  Einblick  in  die  Geschichte  des  Werkes    ge- 


Fig.  11,  2. 


Fig.  U,  3. 


währt  uns  das  Mauerstttck,  das  in  der  Via  Volturno  (Piazza  de!  Mac- 
cao)  dicht  am  Zaun  liegt,  von  Lanciani'*)  mit  c  bezeichnet  (vgl.  Forma 
Urbis  Tat'.  X).  Wie  aus  dem  Querschnitt  (Fig.  II,  1)  ersichtlich  ist, 
haben  von  den  fünf  Lagen  I,  II  und  III  die  Höhe  von  0..")5  m.  die  oberen 
1)  Bull.  mun.  1876  Taf.  XVEI. 

K  1  i  o  ,  Beiträge  zur  alten  Geschichte  XI  I.  7 


98  -P.   Gntffnnda: 

IV  und  V  aber  0,59  m.  Im  Einklang  damit  stehen  die  östliche  und  west- 
liche Breitseite,  die  ein  sehr  wüstes  Gefüge  haben;  die  Westseite  (Fig.  II, 
2) :  I  und  III  zu  0.55  m.  II  und  lY  zu  0,55  m ')  und  0,59  m,  V  zu  0.59  m ; 
die  Ostseite  (Fig.  II,  3):  I,  II  und  III  zu  0.55  m,  soweit  meßbar;  IV  zu 
0,59  aber  ein  Block  zu  0,55  m,  der  sich  durch  einen  Hohlraum  abhebt,  end- 
lich V  zu  0,59  m.  Eigentümlich  ist  hier  also,  dass  unten  oskische  Qua- 
dern liegen,  dann  oskische  und  römische  gemischt,  endlich  oben  römisch 
geschnittene.  Dieser  Uebergang  von  der  einen  Art  zu  der  anderen  von 
unten  nach  oben  ist  sehr  wichtig.  Denn  nirgends  oifenbart  sich  so  deut- 
lich, dass  man  es  mit  zwei  Perioden  zu  tun  hat  und  dass  die  Periode  des 
oskischen  Maßes  für  die  ser\'ianische  Mauer  die  ältere  ist.  Delbrück  -) 
hat  vollkommen  recht,  wenn  er  aus  ganz  anderen  Gründen  gerade  an 
dieser  Stelle  zwei  verschiedene  Perioden  zu  erkennen  meinte,  wenn  man 
auch  im  einzelnen  von  seiner  Datierung  abweichen  kann. 

Bekanntlich  besass  der  servianische  Wall  auch  eine  innere  Böschungs- 
mauer, welche  die  Erdmassen  im  Innern  halten  sollte,  damit  sie  sich  nicht 
senken  oder  durch  Regen  herabgespült  werden  konnten.  Die  Stellen,  wo 
Reste  dieses  rec'into  inferiore  erhalten  oder  beobachtet  sind,  hat 
Lanciani')  zusammengestellt.  Begreiflicherweise  war  diese  Mauer  aus 
kleineren  Blöcken  hergestellt.  Es  sind  tafelfönnige  Platten,  die  in  den 
verschiedenen  Lagen  verschieden  tief  in  das  Innere  hineinreichen,  so  dass 
eine  Art  von  Verzahnung  entsteht.  Da  in  den  Stoßfugen  Anathyrosis  an- 
gewendet worden  ist.  so  ist  der  Fugenschluss  ein  viel  genauerer  als  an 
der  Aussenmauer.  Steinmetzzeichen  sind  bisher  an  den  Quadern  des  re- 
cinto  inferiore  nicht  beobachtet  worden.  Auch  das  Material  ist  ein  ganz 
anderes,  ein  blättriger,  peperinartiger  grauer  Tuff*) ;  derselbe  stammt  aus 
den  Steinbrüchen  der  Vigna  Querini  vor  Porta  S.  Lorenzo  '").  Und  zwar 
ist  die  servianische  Mauer  das  einzige  Bauwerk  Roms,  in  dem  diese  Tuff- 
art verwendet  isf).  Er  hat  in  nassem  Zustande  eine  graubraune  Fär- 
bung, in  trockenem  dagegen  aschgraue  mit  einem  Stich  ins  Grünliche. 

Von  diesem  recinto  inferiore  ist  jetzt  am  leichtesten  zugänglich  das 
Stück,  das  in  der  Via  V  o  1 1  u  r  n  o  an  die  ara  Vermini  sich  nach  Süden 
hin  anschliesst ').  Man  sieht  jetzt  über  der  Erde  zehn  Lagen,  die  z.  T. 
dem  Zwecke  der  Mauer  entsprechend  um  5  cm  zurücktreten,  so  dass  eine 
leichte  Neigung  nach  dem  Wall  zu  entsteht;  die  oberste  Lage  ist  völlig 
verwittert.  Die  Höhen  der  einzelnen  Lagen  sind  verschieden.  An  drei 
Stellen  habe  ich  von  oben  nach  unten  durchgemessen  mit  folgendem  Ergebnis : 


1)  Vgl.  Jordan  I,  1  Taf.  11,  1.  —  -21  Ber  Apollotevipel  S.  14. 

3)  Bull.  mun.  1876,  37.    Vgl.  Delbrück,  ApuUutempel  S.  17  Aum. 

4)  Tufa  lamellare   cinereo.   Bull  »iiiii.  1872.  (5;   similissimo    al   peperino,   Aunal. 
1871,  .57. 

5)  Borsari  Bull.  com.  1888.  18.  —  G)  Bull,  niitii.  1872.  6. 
7)  Bull,  iimii.  1876  Taf.  III. 

16 


Das  Alter  (kr  scrrianischcn  Mnncr  in  llom.  99 


1. 

— 

— 

—   (unten) 

2. 

24 

23,5 

23,5 

3. 

26 

24,5 

24,5 

4. 

27,5 

26,5 

26 

5. 

25 

25 

24,5 

6. 

25 

22,5 

23,5 

7. 

27.5 

25 

24 

8. 

27,5 

27,5 

27.5 

9. 

27,2 

27,5 

27,5  cm. 

Man  sielit.  es  kommen  Muüe  vor  von  0.23  oder  0,24  oder  0.26  m ; 
bei  weitem  am  hiintigsten  aber  ist  0.275  m  (=  1'  osk.),  ein  Maß,  das  in 
den  beiden  obersten  Lagen  ausschliesslich  erscheint.  Die  Längen  sind 
verschieden,  mehrfach  0,54  oder  0,55  oder  0.56  m  (wohl  jedesmal  2'  osk. 
=  0,55);  dann  0,69  m  (1  gradus  osk.  =  0.687) ;  0,83  m  (3'  osk.  =  0,825); 
mehrfach  1,10  m  (4'  osk.  =  1,1).  Jordans  Vermutung,  zu  der  ihn  gerade 
diese  Ruine  geführt  hatte,  dass  nämlich  der  oskische  Fnss  an  der  inneren 
Wallmauer  beobachtet  werden  könne,  hat  sich  also  völlig  bestätigt. 

Hierhin  gehört  auch  der  jetzt  abgebrochene  Kest  des  recinto  inferiore 
im  Garten  von  S.  Maria  dolla  Vittoria  mit  Höhen  von  0,25 — 0,28  m'). 
Dieselben  Höhen  0.24 — 0,27  m  hat  auch  der  Rest,  den  man  von  der  via 
delle  Finanze  leicht  erreichen  kann^).  Da  aber  hinter  den  kleineren 
Blöcken  noch  sieben  hellgelbe  Quadern  von  0,59  m  Höhe  verbaut  sind,  so 
kann  diese  Mauer  erst  in  späterer  Zeit  ihre  Form  erhalten  haben.  Auch 
Lanciani  fand  dort  eine  Unregelmässigkeit,  die  erst  später  entstanden  sein 
könne  ^).  Die  neuesten  Ausgrabungen  hinter  dem  Museo  agrario  haben 
das  bestätigt.  Denn  dieses  Stück  der  Innenmauer  liegt  fast  genau  in  der- 
selben Linie  wie  die  neuentdeckte  Aussenmauer*).  kann  also  an  jener 
Stelle  nicht  reeinto  inferiore  gewesen  sein.  Das  hindert  aber  nicht,  die 
kleineren  Blöcke,  was  ihre  erste  Verbauung  anlangt,  sowohl  wegen  des 
Matei'ials  als  wegen  der  Maße  zeitlich  gleichzusetzen  mit  der  Ruine  des 
recinto  inferiore  in  der  via  Volturno. 

Schwerlich  wird  man  dasselbe  aber  tun  können  mit  der  Ruine  des  recinto 
inferiore  in  der  viUa  Spithoever  und  mit  den  beiden  Stücken  am  Nymphaeum 
Sallustii,  welche  alle  die  Quaderhöhe  von  0,29  m  aufweisen^):  darin  kann  man 
nur  den  römischen  Fuss  von  0.296  m  erkennen.  Der  Gegensatz  des  oski- 
schen  und  römischen  Maßes  ist  also  auch  am  recinto  inferiore  zu  beobachten, 
wie  e.s  garnicht  anders  erwartet  werden  kann.  Denn  auch  die  Innen- 
mauer hat  natürlich  Erneuerungen  und  Ausbesserungen  erfahren,  gerade- 
sogut wie  die  Aussenmauer.  Und  solche  Umgestaltungen  konnten  auch 
noch  vorgenommen   werden,    als  in  Rom  schon    der  neue  Fuss  herrschte. 

1)  Jordan  I,  1,  212  unter  k. 

2)  Borsari  Bull.  com.  1888,  18.    Not.  scac.  1885,  250.  —  3)  Annal.  1871,  57, 
4)  Not.  scav.  1907,  505.   Fig.  1,  B  und  A>.  —  5)  Jordan  I,  1,  212. 

7* 
17 


100  P.    GraffiiMler, 

Endlich  ist  noch  neuerdings  ein  kleines  aber  sehr  wichtiges  Stück 
des  recinto  interiore  beim  Bandes  Museo  agrario  entdeckt  wor- 
den, aber  leider  bald  wieder  zerstört  bei  der  Fundamentierung  des  Neu- 
baus'). Ich  fand  nur  noch  die  Quadern  auf  einem  Haufen  liegen;  sie 
sind  stark  verwittert  und  abgestossen.  Es  ist  wenig  genau,  wenn  D.  Va- 
glieri  sagt,  sie  seien  etwa  1'  hoch;  ich  maß  Höhen  von  0,25  oder  0,28, 
aber  auch  von  0,31  m.  Das  Material  ist  das  gleiche,  der  graue,  blättrige 
Tuff  (lamellare  cinereo),  der  sonst  überall  im  recinto  interiore  liegt;  D. 
Vaglieri  nennt  ihn  nenfro.  Es  sind  tafelförmige  Platten,  an  denen  ich 
von  Anathyrosis  nichts  mehr  entdecken  konnte :  ein  glatter  Rand  mit  ver- 
tieftem Mittelfeld  war  auch  wohl  niemals  vorhanden.  Dante  Vaglieri 
vei-mutet  dann  aber,  dass  es  ein  Rest  sei  von  einer  Sonderbefestignng  des 
Quirinal,  welche  die  nördliche  Kuppe  desselben  zwischen  Villa  Spithoever 
und  den  Diokletiansthennen  als  Akropolis  umgab.  Damit  wird  er  kaum 
Beifall  finden;  denn  dann  lägen  ja  die  ältesten  Heiligtümer  des  Quirinal. 
das  templuin  Quirini,  das  capitolium  vetus  und  das  templum  Semonis 
Sanci^)  ausserhalb  der  Befestigung.  Vielmehr  ist  die  kleine  Ruine  ein 
Rest  des  recinto  interiore,  der  uns  wie  an  keiner  Stelle  sonst  einen  Ein- 
blick in  die  Geschichte  des  Werkes  eröffnet.  Allerdings  kann  jener  Rest 
Fig.  1.  A  nicht  ursprünglich  recinto  interiore  zu  der  Aussenmauer  Fig.  1. 
B.  C,  D  gewesen  sein;  denn  diese  liegt  fast  50  m  davor.  Dagegen  ist 
es  wohl  möglich,  dass  zu  Fig.  1,  A  ursprünglich  der  Mauerzug  Fig.  1,  E'*) 
als  Aussenmauer  gehörte.  Dante  Vaglieri  nennt  jenen  kleinen  Mauerzug 
Fig.  1,  E  eine  seconda  cinta,  vermutet  dann  aber  doch,  dass  er  recinto 
interiore  zu  Fig.  1,  B  C  D  gewesen  sei.  Das  ist  unmöglich.  Nach  der 
Abbildimg  hatten  die  fünf  Blöcke  quadratischen  Durchschnitt,  während 
sonst  am  recinto  interiore  nur  tafelförmige  Platten  verwendet  sind.  Sie 
haben  alle  fünf  Binderlage,  was  in  dieser  Weise  an  der  Innenmauer  un- 
möglich ist.  Sie  haben  alle  Steinmetzzeichen,  die  bisher  nicht  an  der 
inneren  Böschungsmauer  beobachtet  worden  sind.  Daher  kann  man  in 
jenen  fünf  Blöcken  Fig.  1,  E  von  denen  leider  keine  Maße  angegeben 
werden,  nur  einen  Rest  einer  älteren  Aussenmauer  sehen.  Es  liegen  hier 
also  zwei  Aussenmauern  nebeneinander,  etwa  22  m  von  einander  entfernt. 
beide  auf  terra  vergine,  also  beide  in  ursprünglicher  Lage.  Es  bleibt 
kaum  etwas  anderes  übrig,  als  die  weiter  nach  aussen  liegende  Mauer 
Fig.  1,  BCD,  die  nach  römischem  Maß  erbaut  ist,  für  die  jüngere  zu 
halten,  aber  die  um  22  m  weiter  nach  innen  liegende  Fig.  1,  E  für  die 
ältere.  Daher  ist  diese  Stelle  so  überaus  wichtig.  Zwei  Pei-ioden  des 
Befestigungswerkes  lässt  sie  uns  erkennen.  In  der  späteren  hat  man  nicht 
die  Linie  der  alten  Mauerflucht  innegehalten,  sondern  die  neue  Aussen- 
mauer um  22  m  weiter  nach  aussen  gerückt,  so    dass  der  Wall   nun  eine 


1)  Dante  Vaglieri  Not.  scar.  1907.  505  Fig.  1,  A;  S.  508  Fig.  4. 

2)  Hülsen- Jordan  I,  3,  400  ff.  —  3)  Bild  Not.  scav.  1907  Fig.  3  S.  504. 

18 


Das  Alfer  (kr  serviiinischcn  Mauer  in   llom. 


IUI 


un<;ewöhnliche  Breite  erhalten  musste.  Etwas  Aehnliches  scheint  übrigens 
aucli  In  der  Vigna  Spithoever  etwas  nördlich  von  dem  Museo  agrario  vor- 
zuliegen. Pinza  hat  richtig  erkannt  '),  dass  dort  eine  spätere  Erweiterung 
des  Walles  vorgenommen  ist,  so  dass  derselbe  etwa  50  m  breit  wurde. 
Auch  dort  wird  diese  ungewöhnliche  Breite  wohl  durch  Hinausriicken  der 
Aussenmauer  herbeigeführt  woi'den  sein. 

Zu  mancherlei  Zweifeln  haben  Anlass  gegeben  auch  die  Reste  des 
servianischon  Werkes,  die  1874/75  beim  Bau  des  Palazzo  Antonelli 
und  etwas  später  auf  Piazza  Magnanapoli  entdeckt  wurden.  Schon  Jor- 
dan -)  war  es  nicht  entgangen,  dass  der  Bogen  aus  einer  anderen  Art  Tuflf 
besteht,  als  der  untere  Teil  iler  Mauer.     Der   obere    Teil,    zu    dem    auch 


y 

!,;9 

\ 

:'f 

4i-3 

.ir 

'.li 

l 

^,7 

n^sr             ) 

Fig.  111.  1. 

der  erste  Ansatzstein  rechts  gehört,  hat  braunen  Tuff,  der  Grundstock 
den  bekannten  hellgelben  Tuff  von  S.  Saba.  Auch  die  Erhaltung  ist  bei 
dem  oberen  Teil  eine  viel  bessere.  Wichtig  ist  besonders  die  Tatsache, 
dass  die  Quadern  des  Grundstockes  verschieden  weit  nach  dem  Durchgang 
zu  vorspi-ingen,  so  dass  man  wohl  von  einer  lichten  Bogenweite  sprechen 
kann,  die  Toi-weite  im  Lichten  unten  aber  verschieden  gross  ist.  Also 
war,  als  der  Grundstock  gelegt  wurde,  hier  kein  Durchgang  beabsichtigt.. 
Dabei  darf  man  freilich  nicht  vergessen,  dass  die  unterste  Lage  im  Durch- 
gang erst  bei  dem  Bau  des  palazzo  weggebrochen  worden  ist ;  man  muss 
sich  dieselbe  also  hinzudenken,  um  sich  eine  Vorstellung  von  der  an- 
tiken Form  des  Ganzen   zu    machen.     Der  Grundstock,  drei    Lagen    links 


1)  Momim.  mit.  XIV.  248.  —  2)  I.  1.  208  unter  c. 


19 


102 


P.   Graffimäer. 


und  zwei  Lajyen  rechts  haben  die  (iunderhöhe  von  0.55  in  (2'  osk.  ==  0.55). 
Die  dritte  Lage  rechts  hat  0,59  m  (=  2'  röm.).  Der  erste  Keüstein  rechts 
hat  die  Keilhöhe  von  0,59  m,  ebenso  luisst  der  erste  Keilstein  links  hinten 
0,59  m.  Die  tibricren  Abmessungen  vergleiclie  man  auf  dem  Abriss  (Fig.  III. 
1).  Es  ist  klar,  dass  der  Grundstock  nach  oskischem.  der  obere  Teil  nach 
römiscbem  Maß  hergestellt  ist.  Das  bestätigen  auch  die  Querschnitte  im 
Innern  des  Durchganges  (Fig.  III,  2  und  3).  Noch  klarer  als  am  Aven- 
tinbogen  sind  hier  die  beiden  Perioden  des  Baues  gesondert. 

Rätselhaft  ist.  wie  Jordan  sagt,  dass  die  Quadern  des  Grundstockes 
nach  Lanciani')  auf  opera  a  sacco  aufliegen  sollen.  Ist  das  der  Fall, 
dann  können  auch  die  oskisch  geschnittenen  Quadern  sich  nicht  mehr  in 
situ  befinden,  sondern  hätten  ihre  jetzige  Lage  durch  spätere  Yerbauimg 
erhalten.  Dass  mancherlei  Veränderungen  hier  vorgegangen  sind,  ist  klar. 
Aussen  vor  dem  Bogen  in  einer  Entfernung  von  3  m  befanden  sich  nach 
Lanciani  Spuren  einer  sehr  zerstörten  Mauer  aus   gelbem  Tuff,    die    doch 


{ 

o,?r 

\ 

f"-^ 

c,^     \ 

ff,?r 

4fr 

\ 

',P 

',11     \ 

ö,ir 

o,?r 

\ 

\ 

s^a 

c,n 

C,i^ 

'/^ 

^^ 

(1,9^ 

1/»/ 
Fis.  m.  2. 


Fi?.  III,  3. 


nur  von  einer  zweiten,  später  hergestellten  Mauerflucht  herrühren  können, 
da  sie  parallel  mit  der  Richtung  der  Hauptmauer  laufen.  Es  ist  wohl 
möglicb,  dass  hier  derselbe  Fall  vorliegt,  wie  in  den  neuentdeckten  Ruinen 
am  Museo  agrario,  wo  man  zwei  verschiedene  Linien  der  Aussenmauer 
beobachten  kann.  Die  antike  Strasse,  welche  ausserhalb  daneben  hinlief 
in  der  ungewöhnlichen  Höhe  von  dem  obersten  Keilstein  des  Bogens,  ist 
vennutlich  erst  in  Trajans  Zeit  angelegt  worden,  als  starke  Umlagerungen 
der  Ei'dmassen  am  collis  Latiaris  vorgenommen  wurden,  wie  ja  auch  am 
Aventin  die  Mauer  in  dieser  Zeit  durchbrochen  wurde.  Was  nun  den 
Bogen  selbst  im  Palazzo  AntoneUi  anlangt,  so  hat  man  den  Eindruck,  als 
ob  der  Beton  nur  aussen  ansitzt,  herrührend  von  späteren  Anbauten, 
wie  ja  auch  die  Mauer  selbst  ohne  Mörtel  gebaut  ist.  Dafür  spricht  auch 
die  Tatsache,  dass  das  in  der  Waschküche  des  Palazzo  erhaltene  Mauei'- 
stück  (Fig.  IV)  oskisches  Maß  aufweist.  Die  Höhen  sind  recht  ungleich: 
I,  II  und  V  zu  0,55  m  (2'  osk.):  III  zu  0.52;  IV  zu  0.47  ni  und  0.42 
1)  Bull.  mun.  1876,  36. 


20 


Das  Alter  der  srrridiiisc/mi  Mauer  in   Ttow. 


103 


(1  Elle  osk.J.  Die  Längen  sind  verscliieflen :  1,335  ii.  1,34  (4'  14"  osk. 
=  1.34);  1,1  (4'  osk.  =  1,1):  0,7ü  (1  passus  osk.  =  0.688);  0,92.j  (3' 
fi"  osk.  =  0.928);  0,55  (=  2'  osk.);  0,41  (1  EUe  osk.);  0,28  (=  1'  osk. 
=  0,275).  Auch  aussen  im  Hofe  ist  noch  eine  Quader  0,55  m  (2'  osk.) 
hoch  sichtbar.  Die  Ruine  macht  an  der  Innenseite,  wo  man  sie  jetzt 
fast  allein  sehen  kann,  einen  sehr  rohen  und  altei'tüm liehen  Eindruck. 
Die  Quadern  liegen  an  der  Innenseite  der  Mauer  gamicht  nach  dem 
Läufer-Bindersystem;  wenigstens  sieht  man  in  den  unteren  vier  Lagen 
(vgl.  Fig.  IV)  sechs  Läufer  und  nur  zwei  kleinere  Quadern  0,25  und 
0.28  m  lang.  Es  liegt  hier  also  dasselbe  Verhältnis  vor  wie  am  kapito- 
linischen .Jupitertempel .  wo 
Läufer  und  Binder  nur  in  der 
Aussenschicht  wechseln,  nicht 
aber  im  Innern  der  Mauer*). 
Endlich  hat  die  gleichen  Maße 
wie  der  Grundstock  des  Bogens 
auch  die  kleine  Ruine  im  Gärt- 
chen  auf  Piazza  Magnanapoli : 
ich  maß  dort  achtmal  die  Höhen 
von  0,55  bis  0.56  m  (2'  osk.). 
Man  mag  übrigens  den  Bau  des 
Arco  Antonelli  setzen,  in  welche 
Zeit  man  wolle,  die  Annahme  ^fS' 
von  zwei  weit  von  einander  ab- 
liegenden Perioden  wird  dadurch 
nicht  berührt :  denn  der  Gegen- 
satz des  Maßes  bleibt  bestehen. 
Dass  aber  die  oskisch  geschnittenen  Quadern  von  hellgelbem  Tuff',  sollten 
sie  auch  ihre  jetzige  Lage  erst  durch  spätere  Verbauung  erhalten  haberi. 
in  jedem  Falle  dennoch  von  dem  ältesten,  ursprünglichen  Werke  herrühren, 
wird  wohl  kaum  in  Zweifel  gezogen  werden. 

Schon  Jordan  hatte  richtig  beobachtet,  dass  der  von  Braun  im  Garten 
Colonna  entdeckte  Rest  der  servianischen  Mauer'-)  etwas  geringere 
Höhen  hatte,  wenn  auch  keine  bestimmten  Zahlen  bekannt  waren.  Das 
Aussehen  des  Stückes,  von  dem  Momou.  ined.  V  Taf.  XXXIX,  2  eine  Ab- 
bildung gegeben  ist,  hat  sich  jetzt  stark  verändert,  da  zwei  Waschbe- 
hälter angebaut  sind  und  das  Ganze  durch  Buschwerk  verdeckt  ist.  Es 
liegt  in  der  Stützmauer  der  obersten  Terrasse  nördlich  von  der  Treppe 
nach  dem  Serapistempel  zu.  An  jener  Stelle,  wo  die  Pfeiler  der  Stütz- 
mauer vorspringen,  habe  ich  etwa  12mal  die  Höhe  von  0,41 — 0,42  m 
(1  Elle  osk.  =  0,4125  m)  gemessen.  Uebrigens  finden  sich  gleichartige 
Blöcke  auch  in  der  Stützmauer  der  untersten  Terrasse  in  dem  abgespen-ten 


1)  Delbrück,  ÄpoUotempd  S.  12.  —  2)  Amial.  1852,  324. 


21 


104  !'■  (iraffumJer, 

Garten  südlich  von  der  lierabführendeu  Treppe,  wo  ich  mehr  als  zwölf- 
mal  die  Höhen  von  0,41  m  feststellte.  Dass  diese  in  keinem  Falle  die 
ursprüngliche  Lage  haben,  ist  selbstverständlich.  Aber  auch  die  von 
Braun  entdeckten  Quadern  liegen  zweifellos  in  späterer  Verbauung.  Sie 
sind  mitten  in  die  Stützmauer  eingeschlossen,  sie  folgen  sogar  den  vor- 
springenden Pfeilern,  wie  das  auch  auf  der  Abbildung  Montan,  ined.  V 
Taf.  XXXIX.  2  deutlich  zu  sehen  ist.  Nichtsdestoweniger  wird  man  ja 
wohl  der  Meinung  von  Braun  beipflichten  können,  dass  sie  einmal  dem 
servianischen  Werke  angehört  haben. 

Es  sind  von  mir  nicht  alle  Reste  der  servianischen  Mauer  untersucht 
worden.  Aber  da  doch  die  wichtigsten  Ruinen  hier  in  Betrachtung  ge- 
zogen sind,  ist  es  dennoch  möglich,  einen  Schluss  zu  erzielen.  Von  vorn 
herein  ist  es  selbstverständlich,  dass  ein  Werk,  das  mehr  als  ein  halbes 
Jahrtausend  die  ewige  Stadt  vor  äusseren  Feinden  geschützt  hat,  von  den 
ältesten  Zeiten  seines  Bestehens  an  vielfachen  Umbau  und  Neubau  er- 
fuhr; und  das  gilt  geradesogut  für  den  recinto  inferiore  wie  für  die 
Aussenmauer.  Wann  diese  einzelnen  Umgestaltungen  stattfanden,  wird 
kaum  sicher  bestimmt  werden  können  und  muss  von  Fall  zu  Fall  ent- 
schieden werden.  Anders  stellt  es  mit  der  Tatsache,  die  hier  durch  die 
vorigen  Untersuchungen  ins  Licht  gestellt  worden  ist,  dass  nämlich  für 
viele  grosse  Reste  das  römische  Maß  die  Norm  gegeben  hat,  dass  andrer- 
seits daneben  das  oskische  Maß  teUs  allein  erscheint  wie  am  Aventin, 
oder  in  der  Waschküche  des  Palazzo  Antonelli,  oder  im  Garten  Colonna 
und  an  den  meisten  Ruinen  des  recinto  inferiore,  teils  gemischt  mit  rö- 
mischen Maßen  besonders  in  den  unteren  Lagen.  Diese  Tatsache,  die  bis- 
her bei  der  Zeitbestimmung  des  servianischen  Werkes  garnicht  berück- 
sichtigt worden  ist,  kann  eine  Erklärung  nur  finden  durch  den  Gegen- 
satz zweier  großer  Bauperioden,  die  durch  eine  einmalige  starke 
Zerstörung  von  einander  getrennt  sind. 

AA^ie  schon  oben  bemerkt,  haben  die  neuen  Ausgrabungen  hinter  dem 
Museo  agrario  uns  eine  Tatsache  gelehrt,  die  sehr  entschieden  für  diese 
Annahme  spricht ;  denn  dort  liegen  die  Fluchtlinien  zweier  Aussenmauern 
neben  einander.  Dabei  mag  noch  einmal  daran  erinnert  werden,  dass  auch 
vor  dem  Arco  Antonelli  von  Lanciaai  Spuren  einer  zweiten  parallel  laufen- 
den Aussenmauer  festgestellt  worden  sind.  Durch  die  Untersuchung  der 
Ruine  in  der  via  Volturno  war  Delbrück  aus  ganz  anderen  Gründen  schon 
zu  einer  ähnlichen  Ansicht  geführt  worden. 

Die  römische  Ueberlieferung  berichtet  bekanntlich,  dass 
die  servianische  Mauer  von  Servius  TulUus.  jedenfalls  von  einem  der 
letzten  römischen  Könige  errichtet  sei.  Weiter  weiss  sie,  dass  ein  starker 
Neubau  nach  der  Gallierkatastrophe  (379  Liv.  VI,  32)  vorgenommen  sei, 
endlich  dass  im  Hannibalkriege  (214  v.  Chr.  Liv.  XXV,  7)  Ausbesserungen 
notwendig  waren.     Entscheidend  ist  die  Frage,  wann  eine  so  starke  Zer- 

22 


Das  Alter  der  scrcianischcn  Mauer  in   lloiii.  1<J"> 

stüriiug  stattt'iiud,  dass  fast  ein  Neubau  nötijz;  wunlc  üoiu  ist  in  rejm- 
blikanischer  Zeit  zweimal  erobert  worden,  einmal  von  den  Galliern,  dann 
vorher  bald  nach  der  Verti-eibung  der  Köni<j;e  durch  Porsena.  Die  letztere 
Tatsache  hat  zwar  die  römische  Sage  stark  verschleiert.  Aber  wenn  Ta- 
citus  (Hisfor.  III,  72)  in  dem  Bericht  über  Porsenas  Belagerung  die  VV'orte 
dedita  urbe  gebraucht,  so  lässt  er  die  geschichtliche  Walirheit  durch- 
blicken. Vor  allem  überliefert  Plinius  {Hisf.  nat.  XXXIV,  :39) :  in  fwilere, 
(j/(od  expuhis  regibtis  populo  Romano  dedit  Porsena,  nonünatim  eomprr- 
liensum  videmus,  ne  ferro  nisi  in  agricidturam  uterentnr.  Also  hat  Pli- 
nius den  Wortlaut  jenes  Bündnisses  gesehen,  so  dass  an  der  Tatsache 
kaum  Zweifel  bestehen  kann.  So  tief  war  Rom  von  dem  mächtigen  Etrus- 
kerfürsten  gedemütigt  worden,  dass  er  ihnen  die  Eisenwaffen  zu  verbieten 
wagte.  Dann  wird  er  auch  wohl  die  Mauer  zerstört  haben;  denn  sonst 
wäre  jenes  Verbot  ganz  nutzlos  gewesen.  Andrerseits  ist  darauf  hinge- 
wiesen worden,  dass  die  überaus  schnelle  Einnahme  Roms  durch  die  Gal- 
lier nicht  recht  begreiflich  sei,  wenn  die  Stadt  damals  eine  starke  Befesti- 
gung gehabt  hätte ').  Daher  ist  es  wahrscheinlich,  dass  die  alte  von  den 
Königen  errichtete  Mauer  schon  von  Porsena  zerstört  worden  ist.  Nun 
stelle  man  sich  vor.  wie  diese  Zerstörung  stattfand.  Dass  die  ganze  Mauer 
völlig  beseitigt  wurde,  ist  kaum  glaublich,  ja  fast  unmöglich.  Dazu  war 
das  nicht  einmal  notwendig,  um  Rom  zu  einer  offenen  Stadt  zu  machen. 
An  besonders  wichtigen  Stellen  wurden  die  Blöcke  auseinandergerissen 
und  blieben  vermutlich  umher  liegen.  An  anderen  Stellen  Hess  man  auch 
wohl  den  alten  Bau  stehen  teils  bis  in  die  oberen  Lagen,  teils  nur  in  den 
unteren  Schichten,  die  nun  von  Schutt  überdeckt  wurden.  Bei  der  mehr 
als  200  Jahre  später  erfolgenden  Erneuerung  wird  man  meist  die  alte 
Linie  innegehalten  haben,  da  ja  die  Erhöhung  des  Walles,  die  kaum  viel 
bei  der  Zerstörung  wird  verloren  haben,  dazu  nötigte.  Nur  an  einzelnen 
Stellen  wird  man  die  Aussenmauer  hinausgerückt  haben.  Da  es  wichtig 
war,  nach  so  böser  Erfahrung  der  Stadt  möglichst  bald  wieder  den  Schutz 
einer  festen  Mauer  zu  geben,  Avird  man  meistenteils  auf  den  alten,  in  der 
Erde  und  in  Schutt  steckenden  Fundamenten  wieder  aufgebaut  haben. 
Auch  die  herumliegenden  Blöcke,  soweit  sie  noch  brauchbar  waren,  wird 
man  gern  wieder  benutzt  haben,  weil  man  so  die  Vollendung  des  Werkes 
beschleunigte.  Deshalb  ist  es  ganz  natürlich,  dass  gerade  die  tiefsten 
Lagen  die  Doppelseitigkeit  des  Maßes  und  damit  auch  der  Perioden  er- 
kennen lassen.  Dagegen  im  Osten  des  Zentralbahnhofes,  wo  an  der  Porta 
Viminalis  die  Etrusker  am  gründüclisten  zerstört  hatten,  musste  auch  der 
Neubau  am  gründlichsten  voi'genommen  werden :  darum  herrscht  dort  aus- 
schliesslich das  römische  Maß,  und  die  Quaderhöhen  sind  viel  gleichmäs- 
siger  als  etwa  am  Aventin    und    in  der  Waschküche  Antonelli. 

Die  um  379  v.  Chr.  errichtete  Mauer  muss  im  wesentlichen  noch  un- 
1)  Niese,  Rom.  Gesch.  1906,  43 ;  Pinza  Mo«,  ant.  XV.  749. 

23 


106  P.   (Ti-nffitmler. 

Tcrsehrt  gestanden  haben,  als  Hannilial  nach  der  Schlacht  am  Trasime- 
nischen  See  an  liom  vorbeizog.  Hätte  damals  die  Stadt  eine  schwache 
Befestigung  gehabt,  so  hätte  der  kühne  Karthager  sieher  den  Sturm  ge- 
wagt, um  die  verhasste  Gegnerin  Karthagos  vom  Erdboden  auszutilffeu. 
Die  Erneuerungen  des  .Tahres  214  v.  Chr.  können  daher  nur  ganz  leichter 
Art  gewesen  sein,  keinesfalls  ein  völliger  Neubau,  wozu  man  sich  schwer- 
lich mitten  im  Kriege  entschlossen  hätte.  Später,  als  üoni  keinen  äusseren 
Feind  mehr  zu  fürchten  hatte,  wird  die  Mauer  allmählich  der  Vernach- 
lässigung anheimgefallen  sein.  Mit  der  Freigabe  des  Pomeriums  durch 
Sulla  beginnt  die  immer  weiter  gi'eifende  Zerstörung. 

Der  Gegensatz  des  alt  italischen  und  römischen 
Maßes  gibt  uns  nun  eine  Möglichkeit,  die  beiden  in  den  Ruinen  erkenn- 
baren Bauperioden  auf  diese  überlieferten  Tatsachen  zu  verteilen. 
Die  Bauperiode  des  oskisehen  Fusses  muss  älter  sein  als  die  Decemvirn, 
die  ja  offiziell  den  römischen  Ftiss  einführten.  Man  wird  daher  diese 
ältere  Periode  der  Mauer  mit  dem  Bau  der  Königszeit  gleichsetzen  müssen. 
Dann  bleibt  nichts  anderes  übrig,  als  dass  der  zweite  Bau.  der  den  rö- 
mischen Fuss  anwandte  und  dem  die  meisten  erhaltenen  Reste  angehören, 
von  der  grossen  Erneuerung  nach  der  Gallierkatastrophe  herstammt. 

Es  erhebt  sich  nun  die  Frage,  wie  dieses  Ergebnis  zu  den  son- 
stigen Forschungen  sich  stellt,  vor  allem,  ob  die  Technik  der 
Mauer  es  unmöglich  macht,  die  Perioden  so  zu  verteilen,  wie  es  hier  ge- 
schehen ist.  Darüber,  w^ann  der  Q  u  a  d  e  r  b  a  u  in  Etrurien  und  Latium 
zuerst  auftaucht,  sind  wir  genau  unterrichtet.  Durch  Yergleiehung  mit 
den  etruskischen  Gräbern  hat  Pinza ')  unwidei-leglicli  bewiesen,  dass  in 
Etrurien  der  Quaderbau  zuerst  erscheint  in  der  Zeit  der  reiclien  Fürsten- 
gräber, wie  das  Regulini-Galassigrab  eins  ist-).  Diese  aber  gehören,  nach 
G.  Karos  überzeugender  Darlegung^)  in  die  zweite  Hälfte  des  7.  Jhd.  v.  Chr. 
Und  für  Rom  ergibt  sich  dasselbe.  Jener  Tholosbau  auf  dem  Palatin, 
der  dem  7.  Jhd.  v.  Chr.  zugewiesen  wird,  hat  ja  Quaderbau.  Aber  die 
Technik  der  servianischen  Mauer,  so  wendet  man  ein,  unterscheidet  sich 
in  zwei  Dingen  von  jenem  alten  Quaderbau:  1.  die  Quadern  der  serviani- 
schen Mauern  sind  gleichhoch,  in  jenen  Gräbern  aber  ungleich,  2.  die 
Quadern  der  ersteren  sind  nach  dem  Läufer-Bindersystem  gelegt.  Das 
trifft  nicht  einmal  für  das  servianische  Werk  unbedingt  zu.  Die  Quadern 
des  recinto  inferiore  sind  da,  wo  sie  oskisches  Maß  haben,  ungleich  hoch 
(0,25—0,275  m  ca.).  Auch  die  Aussenmauer  hat  mehrfach  ungleiche  Quader- 
höheu  in  den  Teilen,  die  der  ersten  Bauperiode  angehören,  wie  in  der  Wasch- 
küche des  Palazzo  Antonelli  (0.47- — 0.55  m).  oder  auf  Piazza  Fanti  (0.53 — 0,56 
nach  Droysen),  oder  am  Aventin,  wo  im  Grundstocke  doch  immerhin  Unter- 
schiede von  0,53 — 0,56  m  vorkommen.    Grössere  Unterschiede  ünden  sich 

1)  Bull.  mun.  1897,  241  uud  247.  —  2)  Vgl.  Süm.  Mitt.  1907,  35  ff. 
3)  BuU.  Paletml.  ital.  1898,.  152. 

24 


Das  Alfrr  der  serrianisclten  Mauer  in  Itow.  107 

Jiiicli  nii-ht  an  dem  Tliolosbaii  des  Palatin  (0,25  bis  0,28  m),  oder  am  I'o- 
dion  des  kapitolinischen  Tempels  (0.30—0.33  m,  nur  in  der  obersten  Lage 
0.38  m),  oder  an  der  ältesten  Befestigung  des  Palatin  (0,25—0,27  m). 

Dass  die  Quadern  des  recinto  interiore  in  den  Stossfugen  A  n  a  t  li  y- 
r  o  s  i  s  ohne  Fase  und  obne  glattgescbabten  Saum  haben,  die  Aus.sen- 
mauer  aber  nicht,  kann  nicht  zu  dem  Schhisse  führen,  dass  die  letztere 
jünger  sei.  Anathyrosis  mit  breitem  Hand  und  vertieftem  Mittelfeld  findet 
sich  nicht  nur  an  dem  Apollotempel  von  431  v.  Chr..  sondern  auch  an 
dem  Tempel  von  Signia,  den  Delbrück')  um  500  v.  Chr.  .setzt.  Ausser- 
dem ist  die  Anathyrosis.  die  ein  genaueres  Schliessen  der  Stossfugen  zu 
en-eichen  bezvFeckt,  doch  eine  grosse  Verfeinerung  der  Technik ;  aus  ihrem 
Fehlen  könnte  man  eher  den  entgegengesetzten  Schluss  ziehen.  Aber 
warum  sollten  beide  Methoden  nicht  gleichzeitig  sein  können  ?  An  der 
Innenmauei-,  die  dem  Anblick  aus  nächster  Nähe  ausgesetzt  war,  sorgte 
man  für  ein  schönes,  gleichmässiges  Aussehen,  in  der  Aussenmauer.  bei 
der  es  nur  auf  Festigkeit  ankam,  unterliess  man  das,  da  sie  ja  durch  den 
etwa  100  Fuss  breiten  Graben  von  jedem  Betrachter  getrennt  war. 

Das  wichtigste  ist.  ob  gegen  Ende  der  römischen  Königszeit  schon 
das  Läufer -Binder  System  in  Rom  bekannt  war.  Freilich  das  Po- 
dion  des  kapitolinischen  Tempels  besteht  aus  tafelförmigen  Platten,  aber 
in  der  Aussenreihe  wechseln  Läufer  und  Binder  miteinander  ab").  Das- 
selbe gilt  von  dem  Tempel  zu  Signia').  Und  wenn  in  der  ältesten  Be- 
festigung des  Palatin  imd  in  dem  ältesten  Rest  des  Castovtempels  schichten- 
weis tiefer  oder  weniger  tief  hineingreifende  Blöcke  in  der  Aussenreihe  ab- 
wechseln, so  ist  diese  Verzahnung  doch  nichts  andei-es  als  eine  Anwendung 
des  Läufer-Bindersystems  auf  tafelförmige  Quadern.  Demnach  muss  jenes 
System  gegen  Ende  der  Königszeit  schon  in  Rom  bekannt  gewesen  sein. 

Es  bleibt  als  technischer  Unterschied  bestehen,  dass  die  servianische 
Aussenmauer  auch  in  den  Teilen,  die  oskisches  Mala  haben,  im  wesent- 
lichen cju  ad  ratisch  geschnittene  Quadern  verwendet,  wäh- 
rend die  genannten  alten  Bauwerke  aus  tafelförmigen  hergestellt 
sind,  imd  ferner,  dass  in  der  servianischen  Aussenmauer  das  Binder-Läufer- 
system durch  den  ganzen  Verband  durchgeführt  ist.  Das  letztere  erklärt 
sich  leicht  aus  dem  Zweck  der  Mauer.  Da  sie  besonders  fest  sein  musste, 
so  führte  man  die  Methode,  die  besondere  Festigkeit  gibt,  durch  ;  dagegen 
bei  dem  recinto  interiore  und  bei  Tempelpodien,  wo  solche  Festigkeit  nicht 
vonnöten  war,  wo  man  den  Stoss  eines  Sturmbockes  niemals  befürchten 
brauchte,  begnügte  man  sich  mit  einer  Art  von  Verzahnung  in  der  Aussen- 
schicht.  Was  endlich  den  quadratischen  Durchschnitt  der  Quadern  der 
servianischen  Aussenmauer  anlangt,  so  sind  kleine  Unterschiede  vorhan- 
den.    Die  Quadricrung  der  Blöcke,  die    in  dem  Grundstocke    der    grossen 

1)  n.  Kupitol  von  Sigma  1903  S.  3  und  13. 

2)  Delbrück,  Apollotempel  S.   12/13.  —  3)  Delbrück.  Dks  Kapital  von  Signia  S.  .">. 

25 


108  -P-  Grajf linder. 

Aventinvuine  liegen,  ist  weniger  sorgfältig  als  an  der  grossen  Ruine  am 
Bahnhofe,  wie  schon  Richter^)  hervorhebt;  man  hat  manchmal  den  Ein- 
druck, als  seien  sie  ohne  Winkelmaß  gesclmitten.  Es  ist  bekannt,  dass 
die  etruskische  Säule  in  Pompeii  von  Mau  -)  in  das  6.  Jhd.  v.  Chi-,  gesetzt 
wird;  und  dazu  stimmt,  dass  man  schon  damals  tuskaniscbe  Tempel  nach 
dejn  Vorbilde  dorischer  Tempel  baute.  Wenn  man  so  kunstvolle  Bau- 
glieder herzustellen  verstand,  dann  sollte  man  nicht  quadratisch  geschnittene 
Blöcke  nach  dem  Läufer- Bindersystem  haben  legen  können?  Es  ist  ein 
Widersprach,  das  eine  zu  behaupten,  das  andere  zu  verneinen.  Kurz  die 
Technik,  welche  die  ältesten  Teile  der  servianischen  Mauer  zeigen,  ent- 
spricht sehr  wohl  der  Stufe  der  Entwicklung,  welche  die  römisch-etrus- 
kische  Baukunst  in  der  zweiten  Hälfte  des  6.  .]hds.  v.  Chr.  erreicht  hatte. 
Es  ist  noch  notwendig,  kurz  einzugehen  auf  Delbrücks  Ver- 
mutung '),  dass  die  Innenmauer  in  der  Via  Voltumo  älter  sei  als  die  dor- 
tige Aussenmauer;  ursprünglich  habe  zu  dem  recinto  interiore  eine  in 
Material,  Maßen  und  Technik  ihm  völlig  gleichende  Aussenmauer  gehört ; 
ein  Rest  der  letzteren  sei  die  von  Braun  im  Garten  Colonna  entdeckte 
kleine  Ruine.  Freilich  die  grossen  Blöcke  hellgelben  Tuffs,  welche  die 
Innenmauer  in  der  Via  Volturno  durchbrechen,  sind  jünger,  da  sie  römi- 
sches Maß  haben ;  ebenso  der  obere  Teil  der  dortigen  Aussenmauer  aus 
demselljen  Grunde.  Aber  dass  der  Grundstock  der  letzteren,  der  nach  o.s- 
kischem  Maße  erbaut  ist,  nicht  mit  dem  dortigen  recinto  interiore  gleich- 
zeitig sein  könne,  ist  nicht  erwiesen.  Wenn  der  Aussenmauer  die  Ana- 
thyrosis  fehlt,  so  kann  man  daraus  nicht  spätere  Entstehung  folgern.  Die 
Ruine  im  Garten  Colonna  hat  andere  Maße.  An  einer  Tatsache  aber,  die 
von  Borsari  und  Lanciani  beobachtet  worden  ist.  scheitert  Delbrücks  Ver- 
mutung. Die  Erdmassen  des  Walles  sind  am  genauesten  untersucht  in 
der  Via  delle  Finanze.  Die  Schichten  des  eigentlichen  Walles  enthielten 
dort  nur  Splitter  des  gelben  Tuffs,  aus  dem  die  Aussenmauern  bestehen*). 
Etwas  Aehnliches  hatte  schon  Lanciani  an  acht  Stellen  des  Esquilin- 
walles  festgestellt,  wo  man  bei  Durchschnitten  im  Lmem  sabbia  tufacea 
und  scaglie  di  cappellaccio  vorfand*).  Jedenfalls  ist  also  bei  der  Er- 
richtung des  Walles  auch  schon  hellgelber  Tuff  verar- 
beitet worden,  natürlich  doch  zu  den  Aussenmauern.  Dass  aber  ge- 
rade an  allen  jenen  neun  Stellen,  wo  man  den  Wall  in  dieser  Weise  unter- 
sucht hat,  spätere  Aufschüttung  vorliege,  wird  wohl  niemand  behaupten 
woUen.  Gehört  also  der  Wall,  wie  Delbrück  annimmt,  dem  6.  Jhd.  v. 
Chr.  an,  so  sind  auch  damals  schon  Mauern  aus  hellgelbem  Tuff  emchtet 
worden.  Nichtsdestoweniger  hat  Delbi-ück  damit  vollkommen  das  Richtige 
getroffen,  dass  er  zwei  Perioden  der  servianischen  Mauer  annahm. 

1)  Steinmetzteichen  S.  11.  —  2)  Rom.  Mitt.  1902  Taf.  8. 
3)  ApoUotempel  S.  16.  —  4)  Bull.  com.  1888.  17. 
5)  Bull.  man.  1874,  200. 

26 


Das  Alter  der  serrimiischen  Mauer  in  lioiii.  1011 

Ein  gutes  Mittel,  die  Zeit  zu  ))egren7,en.  in  der  die  h'uinen  der  sei- 
vianischen  Mauer  entstanden  sind,  bieten  die  auf  den  Quadeni  erhaltenen 
Steinmetzzeichen,  die  zuerst  von  Bruzza ')  gesammelt  sind,  dann  mehr- 
fach von  Jordan')  und  Hichter')  behandelt  sind.  Dass  diese  Zeichen  nicht 
alle  ein  und  derselben  Zeit  angehören,  ist  schon  an  und  für  sich  wahr- 
scheinKch.  Auch  treten  in  ihnen  augenfällige  Verscliiedenheiten  hervor. 
Bei  den  meisten  Zeichen  z.  B.  bei  dem  K '')  oder  dem  V  '*)  ist  auf  den 
ersten  Blick  klar,  dass  sie  ohne  Vorzeichnung  eingehauen  sind;  darum 
die  Roheit  und  Verschiedenartigkeit  in  der  Gestalt  ein  und  desselben 
Buchstabens.  Wie  stai'k  weicht  davon  ab  die  tadellose  Form  des  E.  das 
nur  in  den  obersten  Lagen  des  runden  Ausbaus  auf  Piazza  Fanti.  sonst 
nirgends  an  der  Mauer  ei'scheint ").  Solche  Gleichmässigkeit  der  genau 
rechtwinklig  ansetzenden  Querstriche  konnte  nur  durch  Vorzeichnung  er- 
reicht werden.  Dieses  Zeichen,  sicher  zu  den  jüngsten  gehörig,  könnte 
nach  seiner  Form  wohl  in  die  Zeit  des  Hannibalkrieges  fallen,  als  die 
Mauer  ausgebessert  wurde. 

Im  allgemeinen  ist  schon  von  Bruzza  (S.  80)  und  Richter  (S.  40) 
mit  Recht  bemerkt,  dass  die  grosse  Masse  der  Zeichen,  die  entweder  Buch- 
staben sind  oder  an  deren  Form  sich  anlehnen,  einer  jüngeren  Entwick- 
lungsstufe des  lateinischen  Alphabets  entsprechen.  Das  H  erscheint  nur 
in  der  geöffneten  Form  mit  schrägem  oder  gradem  Querstrich ').  Das  ge- 
schlossene H  findet  sich  nur  auf  der  Maniosfibel ").  und  auf  der  Stele 
des  Forums '*),  die  Mommsen  ebenfalls  dem  6.  .Jhd.  v.  Chr.  zuweist*"). 
Alle  späteren  lateinischen  Inschriften  kennen  nur  das  offene  H  *').  Wie 
weit  liegt  ferner  das  rechtwinklige,  eckige  n^-)  ab  von  der  uritalischen 
Form  n  der  Forumstele,  oder  das  H  '^)  von  der  ebensoalten  Form  A  der 
Maniosfibel.  Und  wenn  auch  die  meisten  übrigen  Zeichen  nicht  so  starke 
Abweichungen  aufweisen,  so  lassen  sie  doch  durch  ihre  oftmals  recht- 
winklige Gestalt  erkennen,  dass  das  griechische  Alphabet  schon  refor- 
mierend eingewirkt  hat.  Man  dai-f  wohl  die  Vennutung  äussern,  dass 
diese  Einwirkung  ihren  Anfang  nahm  in  der  Zeit  der  Decemvirn.  als  man 
aus  Athen  Gesetze  kommen  Hess  (Liv.  III.  ,31);  es  war  nur  natürlich,  dass 
die  dann  aufgestellten  Tafeln  auch  in  der  Buchstabenform  vielfach  nach 
der  Vorlage  sich  richteten.  Also  die  grosse  Masse  der  Steinmetzzeichen, 
wie  man  sie  vor  allem  auf  den  Ruinen  am  Bahnhof  sieht,  können  nicht 
der  Königszeit  angehören,  was  ja  für  den  grössten  Teil  der  Mauer  selbst 
schon  aus  der  Anwendung  des  römischen  Fusses  geschlossen  worden  war. 

I)  Aniial.  hist.  1876.  72;  Bull,  viiiii.  1878,  177. 

■2)  Hermes  1876,  401 ;  Tiqjon.  I,  1.  2.59.  —  3)    Winkelmannproy.  1885. 
4)  Bruzza  Nr.  78—91.  —  5)  Richter  S.  10.  —  6)  Jordan  I,  1  Taf.  I.  3. 

7)  Bruzza  Nr.  72—7.5;  Richter  Nr.  4a;  Jordan  I,  1  Taf.  II.  6—9. 

8)  6.  Jhd.  V.  Chr.  Räm.  Mitl.  1887,  40;  Bücheier,  Mevi.  Mux.  1887,  317. 

9)  Archäohg.  Anzeig.  1900  Taf.  I.  —  10)  Bermes  1903,  153. 

II)  Ritsehl  02*««^.  iV,  699.  —  12)  Richter  Nr.  6.  —  13)  Richter  Nr.  5a. 

27 


110  P.  Graffunder. 

Ob  das  Alphabet,  dem  die  Steinraetzzeiclien  entlehnt  sind,  i-echts- 
läufig  oder  linksläufig  war,  lässt  sich  an  den  meisten  Zeichen  (A,  C,  E, 
H,  J,  K,  T,  V,  X,  III,  V)  nicht  erkennen,  da  dieselben  einzeln  stehen 
und  die  Quadern  freie  Lagerung  haben.  Die  Rechtsläufigkeit,  die  die 
Herausgeber  anzunehmen  scheinen,  ist  nicht  erwiesen.  Sichere  Spuren 
der  Rechtsläufigkeit  bietet  einzig  und  allein  das  P,  wenn  die  rechte  Hasta 
nicht  ganz  heruntergezogen  ist.  Dagegen  ist  vermutlich  >l  auf  der  grossen 
Ruine  am  Bahnhof  linksläufig ') ;  denn  es  umgekehrt  einem  P  gleichsetzen 
kann  man  nicht,  da  das  P  derselben  Ruine  ja  ganz  andere  Form  hat. 
Für  dieselbe  Ruine  gibt  Bruzza  ein  linksläufiges,  etwas  gerundetes  T  an  -). 
Dazu  stimmt  bei  Richter  Nr.  15  n,  das  freilich  eckig  ist.  Allerdings  ist 
auf  Richters  Photographie  deutlich  dreimal  T  zu  sehen,  einmal  dicht  an 
der  nördlichen  Kommissur  in  der  zehnten  Lage  von  unten,  zweimal  dicht 
an  der  südlichen  Kommissur  in  der  zwölften  Lage  von  unten.  Ganz  sicher 
ist  es  femer,  dass  die  servianische  Mauer  nur  das  linksläufige  N  kennt.  Da 
nun  die  rechts-  oder  linksläufigen  P  imd  linksläufigen  N  nach  ihrer  Stellung 
auf  der  ganz  einheitlich  gebauten  Ruine  am  Bahnhof  gleichzeitig  sein  müssen, 
so  ergibt  sich  der  Schluss,  dass  damals,  als  die  Zeichen  eingehauen  wur- 
den, das  lateinische  Alphabet  auf  dern  Uebergange  von  der  Linksläufig- 
keit  zur  Rechtsläufigkeit  begriffen  war.  Da  aber  die  Rechtsläufigkeit  mit 
Beginn  der  Münzprägung  um  338  v.  Chr.  schon  völlig  durchgedrungen 
ist^),  so  führt  das  auf  die  erste  Hälfte  des  4.  Jhds.  v.  Chr..  in  die  ja 
auch  jene  lluine  aus  anderen  Gründen  gesetzt  worden  ist. 

Sehr  wichtig  wäre  es,  wenn  man  für  die  einzelnen  Steinmetzzeichen 
einen  terminus  ante  quem  gewinnen  könnte.  Dazu  hilft  uns  freilich  nicht 
das  T.  das  am  Bahnhof*)  imd  an  der  zuletzt  entdeckten  Ruine  hinter  dem 
Museo  agrario  ")  erseheint.  Der  Querstrich  ist  teils  gei-ade,  teils  schräg ; 
auch  folgende  Form  \  findet  sich.  Mit  Recht  zieht  Bruzza  das  Zeichen 
J^  hierher,  da  es  im  Bereiche  der  T  steht.  Aus  dem  gleichen  Grunde 
muss  man  Richters  Zeichen  Nr.  17  hier  einreihen,  das  nach  der  Photo- 
gi-aphie  genauer  so  aussieht  ^1^.  Ein  T  mit  geknickten  Armen  kennen 
auch  faliskische  Inschriften  y  ")•  Aber  alle  diese  Abwandlungen  sind  zur 
Gewinnung  eines  terminus  ante  quem  wenig  brauchbar. 

Dagegen  eignet  sich  zu  diesem  Zwecke  sehr  gut  das  linksläufige  H 
oder  A;  es  findet  sich  sechsmal,  darunter  zweimal  das  schräge,  zwischen 
porta  Viminalis  und  der  nördlichen  Kommissur"),  einmal  zwischen  beiden 
Kommissuren  *),  zweimal  in  der  via  Volturno  (Richter  S.  8).  Freilich  gibt 
Jordan  ^) 'dort  ein  einfaches  schräges  N   an;    aber  nach    erneuter    Unter- 


1)  Bruzza  Bull  mun.  1878,  193.  —  2)  Vgl.  Jordan,  Erit.  Beitrüge  1879.  VA. 

3)  Job.  Schmidt  bei  Pauly-Wissowa,  Alphabeth  S.  1628. 

4)  Richter  Nr.  13.  —  -5)  Kot.  scavi  1907,  .505  Fig.  1,  B. 

6)  Zvetajeff,  Insc.  Ital.  med.  diaJ.  1885  Taf.  VIII,  2.  —  7)  Richter  Nr.  5  a  u.  5  b. 

8)  Richter  S.  10.  —  9)  H,  1  Taf.  I,  1. 

28 


Das  Alter  der  servmnischen  Mauer  in  liom.  111 

suchuiig  muss  ieli  Richters  Bild  bestätigen,  wenn  auch  die  liniie  Hasta 
infolge  der  Verwitterung  jetzt  fast  gänzlich  verschwunden  ist.  Besonders 
wichtig  ist,  dass  zweimal  die  rechte  Hasta  länger  lierabreicht.  Denn  ab- 
gesehen von  der  Altertümlichkeit  ist  (hidurch  jeder  Zweifel  an  der  Links- 
läufigkeit  ausgeschlossen.  Somit  kennt  die  servianische  Mauer  nur  das 
linksläufige  N. 

Der  Buchstabe  N  liat  im  lateinischen  Alphabet  vier  Stufen  durchlaufen: 
1)  A         2)  M  oder  Vv         3)  /v  4)  N 

Die  erste  Stufe  erscheint  nur  auf  der  Maniosfibel  und  Forumstele : 
sie  gibt  die  uritaHsche  Form  wieder,  wie  man  sie  auf  dem  Syllabar  von 
Veii-"^)  sieht.  In  der  zweiten  Stufe  werden  die  linken  Nebenstriche  herab- 
gezogen: dazu  gehört  auch  die  Variante  U,  die  im  Etruskischen  sehr  be- 
liebt ist.  Diese  drei  Formen  der  zweiten  Stufe  bietet  die  Duenosvase,  die 
Dressel  -)  allerspätestens  um  350  v.  Chr.  setzt,  die  aber  sicher  nocli  älter  ist. 

Zwischen  der  zweiten  und  dritten  Stufe  liegt  der  üebergang  zur 
Rechtsläufigkeit.  Dieselbe  ist,  wie  oben  bemerkt,  um  338  v.  Chr.  völlig 
durchgedrungen.  Schon  die  rechteckigen  Kupferbarren  ^).  die  in  der  Mitte 
liegen  zwischen  dem  aes  signatum  und  den  eigentlichen  Münzen  und  die 
Dressel  ■*)  deshalb  in  die  Zeit  um  350  v.  Chr.  verlegt,  haben  rechtsläufige 
Legende  {Romanom),  wenn  eine  solche  überhaupt  voi'liegt.  Eine  der 
sichersten  Tatsachen  der  Münzkunde  ist  es  ferner,  dass  die  römisch- 
kampanischen  Didrachmen,  die  nach  dem  Fuss  von  7,58  g  geschlagen  sind 
(Legende:  Bomano,  Caleno),  in  die  Zeit  338 — 312  v.  Chr.  gehören*).  Ge- 
rade die  überaus  reiche  Fülle  dieser  Münzen  macht  es  zweifellos,  dass 
damals  im  römischen  Alphabet  die  Rechtsläufigkeit  hen'schte. 

Allerdings  gibt  es  unter  den  damals  und  später  in  Kampanien  und 
anderen  römischen  Kolonien  geschlagenen  (gegossenen)  Münzen  ganz  ver- 
einzelt linksläufige  Legenden;  unter  den  in  Capua  hergestellten  Bomono- 
Münzen  nur  in  einer  einzigen  Serie "). 


1)  Bull,  instit.  1882,  90.  —  2)  Ämial.  inst.  1880.  192. 

3)  Milani,  Rivista  Ital.  di  Niimism.  1891,  67;  Regung.  Klio  1906,  .500. 

4)  Berlin.  Mimzkatalog  lU,  1  S.  IX. 

5)  Regling  a.  a.  0.  S.  490;  HaeberUn,  Ztsclir.  f.  Numismat.  1909,  60. 

6)  Minervakopf-Pferdekopf,  CIL  I,  17;  Bahrfeld,  Rinsta  Hai.  ä.  Numism.  1899, 
396—399;  A.  Sambon.  Les  nwnnaics  antiques  de  l'Italie  1903,  438  Nr.  1139  ff.  —  ferner 
von  Aquinum  (um  2.30,  CIL  I.  21  ;  A.  Sambon  Nr.  168)  —  von  Aesernia  (nach  263, 
CIL  I,  20)  —  von  Caiatia  (um  2r>0,  CIL  I,  21 ;  Fabretti  Corji.  inscr.  Ital.  Nr.  2829) 
—  von  Ariminum  (nach  268;  CIL  I,  23)  —  von  Cosa  (273—268,  CIL  I,  14;  A.  Sam- 
bon S.  82/83  Nr.  148  )F.)  —  in :  Paistano  (273—268,  CIL  I.  17 ;  Ritschi,  Prise.  Lat. 
Mon.  epig.  VI,  66,  e  vgl.  S.  13)  sind  nur  die  letzten  beiden  Buchstaben  nach  links 
gewendet.  Noch  seltener  kommt  es  vor,  dass  in  rechtsläufige  Legenden  sich  ein 
linksläufiges  N  verirrt;  in:  i?o)«a«o  (Bahrfeld  a.  a.  0.  S.  399;  Berlin.  Münzkatal.  lU, 
1,171  Nr.  9.5);  in:  Aisernino  (Prise.  Lat.  Mon.  ep.  VI,  23b  vgl.  S.  10);  in:  Cosano 
{CIL  I,  14;  A.  Sambon  S.  83  Nr.  2.50;  in:  Caleno  (Garucci.  Le  monete  d.  It.  ant.  I 
Taf.  LXXXIII,  18). 


112  P-  Ch-aff linder. 

In  welcher  AVeise  diese  ganz  vereinzelten  Fälle,  iu  denen  die  Legen- 
den teils  ganz  teils  in  einem  Buchstaben  linksläutig  sind,  zu  erkläi-en 
sind,  darüber  gibt  der  Ort  ihrer  Entstehung  eine  sichere  Weisung.  Das 
lateinische  Alphabet  erscheint  hier  auf  einem  fremden  Boden,  wo  die 
Etrusker.  Umbrer.  Osker  damals  noch  linksläutig  schrieben.  Es  war  da- 
her fast  unvermeidlich,  dass  die  dortigen  Stempelschneider  ab  und  zu  in 
die  Gewohnheit  ihrer  Heimat  zurückfielen.  Für  die  faliskische  Tertinius- 
basis^),  die  ein  linksläufiges  N  einstreut,  hatte  schon  Kitschi  ■^)  denselben 
Weg  der  Erklärung  gewählt.  Dasselbe  gilt  von  viel  späteren  Schleuder- 
bleien aus  Umbrien  *).  wenn  hier  nicht  der  Zufall  mitgespielt  haben  sollte. 
Aus  dem  gleichen  Grunde  kann  es  nicht  Wundernehmen,  dass  die  in 
einem  Gemisch  von  Latein  und  Marsisch  geschriebene  Fucinerbronze*)  die 
lateinische  Schrift  bustrophedon  wendet,  da  bei  den  Sabellern  diese  Schreib- 
weise besonders  beliebt  war. 

Bei  Betrachtung  aller  dieser  Ausnahmen  darf  man  nicht  vergessen, 
dass  besonders  für  jene  Münzserien,  die  in  die  Zeit  von  338 — 312  v.  Chr. 
fallen,  in  ungeheuer  überwiegendem  Maüe  die  Rechtsläufigkeit  gilt.  Hätte 
das  lateinische  Alphabet  damals  nur  noch  eine  Spur  von  Neigung  zur 
Linksläufigkeit  gehabt,  so  würden  die  in  dem  oskischen  Capua  entstan- 
denen römisch-kampanischen  Münzen  viel  häufiger  linksläufig  sein.  Die 
Ausnahmen  bleiben  aber  ganz  vereinzelt.  Sie  können  nicht  den  Satz 
erschüttern,  dass  um  338  v.  Chr.  im  lateinischen  Alphabet  die  Rechts- 
läufigkeit völlig  durchgedrungen  war  und  also  auch  das  rechtsläufige  X 
üblich  war. 

Die  weitere  Entwicklung  des  lateinischen  N  zu  verfolgen,  ist  für 
unsere  Frage  zwecklos.  Nur  das  mag  bemerkt  werden,  dass  um  300  v. 
Chr.  das  einfache  schräge  N  überwiegt:  ein  Beispiel  ist  etwa  der  Tonzy- 
linder aus  der  Villa  Caserta  mit  eco  Anionios'^).  der  das  G  noch  nicht 
kennt.  Im  Laufe  des  3.  Jhds.  v.  Chr.  nimmt  die  Schrägheit  immer  mehr 
ab.  Die  Inschrift  des  Aemilius  Paulus*)  hat  neun  gerade  X  neben  einem 
schrägen. 

Vergleicht  man  mit  dieser  Entwicklung  das  Steinmetzzeichen  M  oder 
A.  so  ist  es  klar,  dass  es  der  zweiten  Stufe  zuzuweisen  ist.  wenn  es  auch 
in  zwei  Beispielen  noch  ein  wenig  nach  der  ersten  Stufe  neigt.  So  er- 
halten wir  338  v.  Chr.  als  terminus  ante  cjuem,  der  dann  auch  für  die 
grosse  Ruine  am  Bahnhof  gelten  muss. 


1)  Zvetajeff  a.  a.  0.  Taf.  YII.  2:  Eng.  .Schneider.  DMector.  Ital.  e.eemp.  seh  1886. 
107  Nr.  28. 

2)  BUin.  Mus.  XIV.  382. 

3)  Ephemer,  epig.  VI,  72.  Lufnasia  z.  T.  mit  liuksläufigem  N. 

4)  Not.   scuri   1877   Taf.  XIII:    Gamurrini   appeiul  Nr.    940;   um    300.    Bücbeler, 
JRJiein.  Miif.  XXXUI,  489. 

5)  Um  300—2.50  v.  Chr..  Dressel  Anmd.  1880  Taf.  R  S.  336. 

6)  189  V.  Chr.  CIL  H.  .5041. 

30 


Das  AHcr  dir  scrrituiisclicii   Miiitcr  in  L'otii.  IVi 

Eine  ebenso  fjute  DatieniTig  crniöjjjliclit  das  einem  I'i  entsprechende 
Steinmetzzeicheii,  das  28  mal  am  Bahnhofe  zwischen  beiden  Kommissuren 
steht ').  Die  Entwicklung  des  lateinischen  P  etwa  seit  300  v.  Chr.  hat 
UitscJil-)  mit  grosser  Genauigkeit  dargestellt;  er  gibt  folgende  Reihe: 
n  P  r  P  r.  Um  300  v.  Chr.  herrscht  die  eckige  Form  P.  bei  der  der 
rechte  Seitenstrich  etwa  ein  Viertel  der  linken  Hasta  ausmacht^).  So 
konnte  Mommsen^)  sagen,  dass  das  eckige  Pi  um  250  v.  Chr.  noch  in  Ge- 
brauch war.  um  150  v.  Chr.  nicht  mehr.  Damit  stimmt  im  wesentlichen 
Ritschi  überein,  nach  dem  die  eckige  Form  nicht  über  134  v.  Chr.  üblich 
isf).  Auch  das  hat  Ritschi  mit  Recht  angenommen,  dass  der  um  300 
V.  Chr.  herrschenden  Form  P  das  griechische  n  vorhergeht,  dessen  Hasten 
gleich  lang  sind,  eine  Form,  die  im  oskischen  Alphabet  allein  gilt.  Wo- 
her dieselbe  stammt,  zeigen  die  kampanischen  Miiuzlegenden.  unter  denen 
sie  besonders  die  Münzen  von  Neapel  bevorzugen"!. 

Wie  stellt  sich  nun  das  betreifende  Steinmetzzeichen  zu  dieser  Reihe? 
Bei  weitem  die  meisten  ziehen  den  Strich  rechts  bis  zur  Hälfte  oder  Dreiviertel 
der  ganzen  Höhe  herab:  P  P;  eine  ganze  Anzahl  gleicht  sogar  völlig 
der  kampanischen  Form  n ').  Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  diese  Zeichen 
in  der  Mitte  liegen  zwischen  dem  älteren  kampanischen  n  und  dem  P, 
das  um  300  v.  Chr.  im  römischen  Alphabet  herrscht.  Sieht  man  also 
von  den  drei  oben  behandelten  linksläufigen  vor  338  v.  Chr.  anzusetzenden 
P  ^)  ab,  so  gewinnen  wir  etwa  300  v.  Chr.  als  terminus  ante  quem  für  unser 
Steinmetzzeichen. 

Das  Zeichen  der  servianischen  Mauer,  das  ein  chalkidisches  Chi  dar- 
stellt, liegt  in  zwei  verschiedenen  Arten  vor.  Die  erste  Art  V  ist  in 
etwa  70  Beispielen  auf  der  grossen  Ruine  am  Bahnhof  erhalten.  Die 
Seitenarme  sind  manchmal  nicht  gleich  lang,  sie  sind  mehrfach  ebenso- 
hoch wie  der  Mittelstrich;  zuweilen  sind  die  Striche  unverbunden.  was  bei 
altertümlichen  Inschriften  ja  nichts  Seltenes  ist.  Die  zweite  Art  findet 
sich  an  der  hinter  dem  Museo  agrario  neuentdeckten  Ruine ')  auf  der  mehr 
nach  imien  gelegenen  Aussenmauer  etwa  in  folgender  Gestalt  T.  Doch 
auch  hier  sind  daneben  die  Striche  unverbunden. 

Auch  die  Entwicklung  dieses  Buchstaben  haben  Mommsen  und  Ritschi '") 


1)  Richter  Nr.  6  S.  10.  —  2)  Op.  IV.  694.  701.  703. 

3)  So  haben  die  berühmten  Libralasse  von  Luceria  {Pri.ic.  Lat.  Man.  ep.  V,  D 
u.  E;  312—286,  —  der  Meilenstein  des  Claudius  (um  260:  Hörn.  Mitt  IV.  83),  —  die  In- 
schrift des  P.  Cornelius  (336;  CIL  I,  41),  —  der  Stein  von  Milionia  (vor  2.50;  Mommsen 
Unterital  Bial.  S.  334).  Von  den  Scipioneninsfhriften  hat  nur  die  rote  Ueberschrift 
auf  dem  Sarge  des  Barbatus-Sohnes' (Ritsch!  op.  IV,  213:  Wölfflin,  Jievue  de  pliilol. 
890,  122:  um  240—230)  die  eckige  Form,  sonst  erscheint   dort  allein  das  gerundete  P. 

4)  Unterital.  Dial.  S.  29.  -  5)  Op.  IV,  704. 

0)  Mommsen,  Miinzuesen  S.  160/161.  —  7)  Richter  Tat.  t  u.  11. 

8)  Richter  Nr.  15.  —  9)  Not.  scavi  1907,  -503  Fig.   1,  E. 

10)  Hermes  1887,  -598.     Unterital.  Dial  S.  33.  —  Op.  IV,  722. 

Klio     Beiträge  zur  alten  Geschichte  Sil.  8 

31 


lU  /'.  Graff'iiufley. 

genau  dargelegt.  Mommsen  gibt  folgende  Keilie  \  1  X  -L  L.  Die  an 
die  Spitze  gestellte  Form  ist  zwar  in  lateinischen  Inschriften  bisher  nicht 
nachgewiesen,  da  die  Inschrift  von  Cora  ')  ein  anderes  Zeichen  hat.  Den- 
noch weist  Mommsen  jener  Form  mit  Kecht  den  ersten  Platz  zu.  Die 
etruskischen  Syllabare  'zerfallen  in  zwei  Klassen,  solche,  die  den  neu- 
erfundenen  Buchstaben  8  noch  nicht  haben  d.  h.  die  von  Caere ^)  und 
Veii*);  zweitens  solche,  die  ihn  schon  haben  d.  h.  die  Syllabare  von  Bo- 
marzo  (Corssen  Taf.  I,  7).  von  Colle  (Taf.  I,  6),  von  Nola  (Taf.  L  9).  von 
Chiusi  (Taf.  I,  12),  von  Grosseto  *).  Die  ersteren  haben  Y.  die  letzteren 
I .  Man  ist  also  von  der  ersten  F'orm,  die  man  als  uritalisch  betrachten 
kann,  zur  zweiten  übergegangen.  Die  lateinischen  Inschriften  des  l3.  .Thds. 
V.  Chr.  bieten  nur  zwei  Beispiele,  der  Meilenstein  der  via  Appia  V  (um 
260).  die  Goldmünzen  aus  der  Zeit  des  HannibaUcrieges  ^1  *). 

Von  den  betreffenden  Steinmetzzeichen  ist  nun  die  erste  Gruppe  von 
der  grossen  Ruine  am  Bahnhof  vergleichbar  der  Form  des  Meilensteines : 
sie  kann  der  Mitte  des  3.  Jhds.  v.  Chr.  angehören,  aber  sie  kann  natür- 
lich auch  älter  sein.  Die  zweite  Gruppe  von  der  älteren  Aussenmauer 
beim  Museo  agrario  (Y)  muss  älter  sein  als  die  erste  Gruppe  (V),  also 
auch  älter  als  die  grosse  Ruine  am  Bahnhof.  Da  diese  nun  aus  anderen 
Gründen  oben  der  ersten  Hälfte  des  4.  .Jhds.  v.  Chr.  zugewiesen  ist,  so 
erhalten  wir  dieselbe  Zeit  für  das  Zeichen  I  als  freilich  bedingten  ter- 
minus  ante  quem. 

Das  altertümlichste  Steinmetzzeichen,  das  wir  überhaupt  an  der  ser- 
vianischen  Mauer  finden,  hat  sich  auf  der  grossen  Ruine  am  Aventin  er- 
halten -  (s.  0.  S.  93).  Einem  H  es  gleichzusetzen,  ist  unmöglich,  weil  bei 
dem  H'^)  die  senkrechten  Striche  gewöhnlich  mindestens  doppelt  so  lang  sind 
als  der  Querstrich,  der  ausserdem  meist  schräg  ist.  Vielmehr  gleicht  es  vöUig 
dem  chalkidisch-uritalischen  Zeta,  wie  man  es  in  dem  Syllabar  von  Veii ' ) 
sieht.  In  Rom  ist  es  bekanntlich  sehr  früh  aus  dem  Gebrauch  geschwun- 
den, später  aus  der  Reihe  des  Alphabets.  VaiTO  (VII,  26)  las  es  nocli 
in  der  Trausskription  des  Carmen  Saliare  in  rozeidadorieso.  Wahrschein- 
lich hat  es  erst  Appius  Claiidius  Caecus  aus  dem  Alphabet  verbannt*) 
und  an  seine  Stelle  G  gesetzt.  Wenigstens  kann  Sp.  Carvilius  Ruga  um 
239  V.  Chr.  auf  keinen  Fall  Erfinder  des  G  sein,  da  dasselbe  viel  früher 
auf  Münzen  von  Signia ")  und  auf  der  Bronce  von  Rapino  '")  vorkommt. 
Auch  hatte  das  Zeta  ja  Livius  Andronicus  und  Naevius  wieder  angewen- 

1)  CIL  I.  1156.     Wachsmut  zu  Ritschi  op.  W,  705. 

2)  Corssen,  Sprache  der  mni.^lcer  Taf.  L  3.  —  3)  Bull,  imtit.  1892,  90. 

4)  Gamurrini  appexd.  Taf.  EI,  57.  —  5)  Haeberlin,  Ztschr.  f.  Numismaf.  1907,  265. 

6)  Bruzza  Nr.  72 — 75;  Richter  Nr.  4  a. 

7)  Bull.  inst.  1882,  91;  Kirchhoff,  OriecJi.  Alpluih.*  S.  135. 

8)  Jordan,  Krit.  Beiträge  1879,  155. 

9)  Vor  268,  CIL  I,  11;  A.  Sambon  S.  100  Nr.  164. 

10)  Um  250.  Mommsen.   Unicritnl.  Dial  S.  338  Taf.  XIV. 

32 


/)((.<  Alter  der  serrianisiiicn  Mauer  hi  Rom.  115 

(leC).  ilii  sie  den  ;uis  ihrer  Heimat  her  ihnen  wohlbekannten  Buchstaben  für 
die  griechischen  Namen  in  ihren  Dichtungen  gar  nicht  entbehren  konnten. 
Der  Nachricht  zu  misstrauen,  liegt  auch  nicht  ein  Schimmer  von  Grund  vor. 

Welche  Form  das  altlateiuische  Zeta  hatte,  abgesehen  von  der  Ur- 
form, wissen  wir  nicht.  Aber  da  das  umbrische  Zeta  t  :i  d-  ^)  und  eben- 
so das  t'aliskisclie  Zeta  ip  C  t-  t  ^)  tlen  Abwandlungen  des  etruskischen 
Zeta^)  völlig  ähnlich  sind,  muss  man  für  das  altlateinische  Zeta  dasselbe 
voraussetzen.  Denn  von  allen  italischen  Alphabeten  ist  das  faliskische 
dem  lateinischen  am  nächsten  verwandt :  welchen  Einfluss  aber  in  älterer 
Zeit  die  Etrusker  auf  Rom  hatten,  ist  bekannt.  Daher  kann  man  den 
Zweifel  an  dem  Zeta  der  Inschrift  von  Milionia  "X^)  getrost  aufgeben,  da 
die  etruskischen  Inschriften  von  Norchia  und  Castelluccio ")  eine  sehr  ähn- 
liche Form  X-  bieten,  ebenso  das  Syllabar  von  Grosseto  "f- "),  natürlich 
hier  linksläutig  nach  der  anderen  Seite  gewendet.  Ferner  kann  man  es 
jetzt  wohl  als  ganz  sicher  hinstellen,  dass  auf  der  Duenosvase  in  dze 
iioine  das  JI  als  Zeta  zu  lesen  ist,  wenn  man  die  etruskischen  Formen  J^*) 
und  Jr  ")  und  vor  allem  die  faliskische  ]^  '")  danebenhält.  Dass  (he  für 
die  steht,  entspricht  italischem  Brauch").  Dieselbe  Lautwandlung  liegt  in 
dse  vor,  nur  ist  sie  nicht  ganz  zum  Ende  gekommen.  Also  auch  sprach- 
lich ist  Dresseis  Deutung  von  dze  noine  nicht  anzutasten. 

Leider  ist  die  Datierung  der  Duenosvase  noch  immer  strittig.  Pinza '-) 
setzt  sie  in  das  6.  Jhd.  v.  Chr.  Das  ist  unmöglich.  Denn  es  ist  schon 
F  an  Stelle  von  FH  getreten  '^),  und  das  N  steht  bereits  auf  der  zweiten 
Stufe.  Auch  ist  in  imhari  schon  der  sog.  Rhotacismus  vollzogen.  Nun 
nimmt  man  gewöhnlich  an,  dass  diese  Lautwandlung  um  330  v.  Chr.  zum 
endgültigen  Abschluss  gelangt  sei  '*).  Denn  Papirius,  der  Diktator  von 
348  V.  Chr.,  soll  sich  zuerst  so  genannt  haben  statt  Papisius  (Cicero  fam. 
IX,  21.  2).  Eigennamen  sind  aber  bekanntlich  überaus  spröde  gegen  eine 
Lautwandlung  und  nehmen  sie  immer  erst  zu  allerletzt  an,  wenn  sie  sich 
überhaupt  fügen.  Der  Anfang  dieser  Lautwandlung  liegt  natürlich  von 
jenem  Zeitpunkte  weit  ab.  Deecke  wird  das  Richtige  treffen,  wenn  er 
sagt,  dass  der  Rhotacismus  um  450  v.  Chr.  beginnt  und  um  350  v.  Chr. 
zum    Stillstande    gekommen  ist'^).     Danach  müsste    die  Vase    in  die  Zeit 

1)  Marius  Victorinus,  Keil  Gram.  Jat.  VI,  8. 

2)  Aufrecht- Kirchhoif.  D.   Umhrischen  Sprachdenkmäler  Tat.  1  etc. 

3)  Zvetajeff  Iitsc.  IlaJ.  med.  dial.  1885  Taf.  VII,  4;  XI,  1;  IX,  4. 

4)  Vgl.  Corssen  a.  a.  0.  Taf.  I.  —  5)  Zvetajeff  a.  a.  0.  Taf.  VI,  4. 

6)  Corssen  a.  a.  O.  Taf.  II.  18  u.  19.  —  7)  Gamurrini  append.  1880  Nr.  hl. 
8)  Vulci,  Corssen  Taf.  n.  16.  —  9)  Montepulciano,  Taf.  III,  23. 

10)  Zvetajefl"  a.  a.  0.  Taf.  XI,  1. 

11)  Etruskisches  Zfirt/üd/  wird  später  Xarja?  (Corssen  II,  163),  Volcutius  gibt  fa- 
liskisches  Tolcozeo  (Zvetajetl'  a.  a.  0.  Taf.  XI,  1),  dieciüus  entspricht  oskiscbem  ;i- 
colo  (Aufreeht-Kirchholf  a.  a.  O.  S.  107  Anm.). 

12)  Monum.  ant.  XV  190.5,  649.  —  13)  Vgl.  Pauli,  Altital.  Forsch.  III.  100. 

14)  F.  Stolz,  Histor.  Gram.  S.  27.   —  15)  Bursians  Jaliresh.  1896  Siipplem.  S.  16. 

8* 
33 


116  P-  Graff'nmJer. 

450 — 350  V.  Clir.  fallen.  Dressel  setzt  sie  allerspätesteus  350  v.  Chr..  in- 
dem er  aufwärts  Spielraum  lässt.  Nun  bedenke  man.  dass  mindestens 
um  338  V.  Chr.  die  Rechtsläufigkeit  im  lateinischen  Alphabet  herrscht: 
die  Vase  hat  linksläufige  Schrift.  Seit  mindestens  338  v.  Chr.  hat  R  den 
diakritischen  Strich,  die  Vase  kennt  ihn  nicht.  Das  M  hat  seit  338  v. 
Chr.  vier  Striche ;  die  Vase  kennt  nur  das  fünfsti-ichige  M.  Solche  ein- 
schneidenden Wandlungen  können  nicht  im  Handumdrehen  vor  sich  gehen. 
Wir  müssen  die  Vase  also  noch  bedeutend  von  338  v.  Chr.  abrücken. 
Jünger  als  400  v.  Chr.  kann  sie  schwerlich  sein.  Vergleichen  wir  nun 
unser  Steinmetzzeichen  Zeta  mit  dem  Zeta  der  Duenosvase,  so  liegt  es  auf 
der  Hand,  dass  das  erstere  älter  sein  muss,  da  es  selber  der  italischen  Urform 
gleicht,  die  Vase  aber  eine  abgeleitete  Spielart  bietet.  So  gewinnen  wir 
etwa  400  v.  Chr.  als  terminus  ante  quem  für  unser  Steinmetzzeichen  Zeta. 
Dass  es  auch  in  die  Königszeit  hinaufreichen  kann,  wird  niemand  leugnen. 
Das  Ergebnis  dieser  epigraphischen  Betrachtungen  ist  folgendes: 

1.  Die  grosse  Masse  der  Zeichen,  wie  sie  vor  allem  die  grosse  Ruine 
am  Bahnhofe  trägt,  kann  nicht  der  Königszeit  entstammen.  Denu  H.  X. 
F  und  die  jüngere  Art  des  Chi  liegen  weit  ab  von  der  italischen  Urform. 

2.  Die  Zeichen  N  und  P  derselben  Ruine  müssen  älter  sein  als  338 
(300)  v.  Chr.  .Jene  mächtige  Ruine  und  alle  ihr  ähnlichen  müssen  danach 
der  Bauperiode  von  379  v.  Chr.  zugewiesen  werden. 

3.  Andrerseits  muss  das  Zeta  der  Aventinruine  älter  sein  als  400  v. 
Chr.,  femer  die  zweite  Art  des  Chi  älter  als  die  erste  Hälfte  des  4.  Jhds. 
V.  Chr.  d.  h.  genauer  älter  als  379  v.  Chr.  Daraus  müsste  man  schliessen. 
dass  einzelne  Teile  der  Mauer  einer  noch  früheren  Banperiode  als  der 
von  379  V.  Chr.  angehören.  Der  aus  der  Betrachtung  des  römischen  imd 
oskischen  Fusses  gewonnene  Schluss  wird  also  in  erwünschter  Weise  durch 
die  Steinmetzzeiehen  bestätigt. 

Eine  genaue  Erwägung  verdient  noch  der  Grund,  durch  den  P  i  n  z  a 
zu  erweisen  sucht,  dass  das  gesamte  servianische  Befestigungswerk,  auch 
der  Wall,  frühestens  im  4.  Jhd.  v.  Chr.  nach  der  Gallierkatastrophe 
entstanden  sein  könne,  weil  innerhalb  des  Mauerringes  einige  jüngere 
Gräber  des  4.  Jhds.  v.  Chr.  liegen').  Freilich  das  Verbot,  innerhalb 
der  Stadt  einen  Toten  zu  bestatten,  enthalten  die  Zwölf-Tafeln.  Auch 
schon  die  Terramare  der  Poebene  legten  die  Totenstadt  ausserhalb  an. 
Dasselbe  gilt  von  Nekropolen  im  Faliskerlande  aus  der  Villanovazeit-). 
Die  neuentdeckte  Nekropole  auf  dem  Palatiu  neben  den  Scalae  Caci  *). 
im  wesentlichen  vom  9.-7.  Jhd.  v.  Chr.  reichend,  war  wohl  der  Begräb- 
nisplatz der  Roma  quadrata;  erstreckte  sich  dieselbe  nun  bis  zum  oberen 
Tor  der  Kakusstiege  *),    so   lag    die  Nekropole  also  auch  ausserhalb.     Es 

1)  Mon.  atit.  XV.  190.5,  746  ff.  —  2)  Pinza  BulL  Paletiwl.  ihil.  1898,  51. 

3)  Not.  scav.  1907,  18.5. 

4)  Ad  supereilhim  Scalarum  Caci.  Tarro  vgl.  Jordan  I.  1.  168. 

34 


Jhtn  A/fir  der  serviuiiischcn  JLiiicr  in  Itutn.  117 

scheint  äeiniuu-h  dieser  Brauch  von  ältesten  Zeiten  an  hei  den  Italikern 
^^egolton  zu  liaheu.  Darauf  hat  Pinza  seinen  Beweis  begründet.  Die  Mög- 
lichkeit, dass  jene  ganz  geringe  Zahl  von  Gräbern  republikanischer  Zeit, 
die  innerhalb  der  Stadt  liegen,  unter  die  Ausnahmen  des  B  e  s  t  a  t- 
t  u  n  g  s  V  e  rbo  t  e  s')  fallen,  hat  er  nicht  in  Betracht  gezogen. 

Wenn  Pinza  unter  den  jüngeren  Gräbern  auch  No.  CLVI  nennt  (S.  752), 
so  kann  man  darüber  hinweggeiien;  denn  es  liegt,  wenn  auch  dicht  am 
Bezirke  des  Grabens,  so  doch  ausserhalb.  Ebensowenig  sprechen  für  jene 
Annahme  die  drei  Gräber,  die  unter  einer  Erweiterung  des  servianischen 
Walles  in  der  vilhi  Spitlioever  entdeckt  sind  -).  Dass  sie  ganz  alt  sind. 
ist  allgemein  anerkannt'):  Pinza  selber  (S.  440)  setzt  sie  noch  in  die  erste 
Phase  der  ersten  Periode  der  Eisenzeit,  die  er  etwa  bis  700  v.  Chr.  rechnet. 
Sie  können  also   1-50  Jahre  älter  sein  als  der  servianische  Wall. 

Femer  zählt  Pinza  unter  den  jüngeren  Gräbern  auf  No.  LXI  (Tat. 
XXV,  B) :  es  liegt  in  der  Via  Giovanni  Lanza  noch  innerhalb  der  alten 
Septimontialstadt.  Es  enthielt  ausser  unverfänglichen  Dingen  eine  tazza 
ordinaria  etrusca  con  ornati  in  nero  (S.  115),  in  der  Pinza  den  Typus  des  'i. 
oder  4.  Jhds.  v.  Chr.  zu  erkennen  meint  (io  credo  riconoscere);  und  man  kann 
dem  Zeitansatze,  obwohl  Pinza  selber  niclit  ganz  sicher  war,  beistimmen. 

Viel  unsicherer  steht  es  wiederum  mit  den  drei  Gräbern  No.  CLXXI 
bis  CLXXIII,  tombe  a  fossa  dicht  vor  S.  Caterina  da  Siena.  die  nach 
Pinza  innerhalb  des  servianischen  Ringes  liegen  sollen.  Sie  enthielten 
eine  Knochennadel,  vielleicht  einige  Goldreste,  ein  balsamario  di  alaba- 
stro  und  vor  allem  eine  von  Lanciani  als  italogriechisch  bezeichnete  Vase, 
die  allerdings  ausserhalb  der  cassamortuaria  lag.  Diese  Bezeichnung  scheint 
Pinza  bewogen  zu  haben,  das  Grab  für  jünger  zu  halten.  Denn  unter 
italogriechisch  versteht  er,  wie  es  jetzt  üblich  ist,  die  etrusko-kampani- 
.«chen  Vasen,  die  im  4.  imd  3.  Jhd.  v.  Chr.  in  grossen  Mengen  herge- 
stellt sind*).  Zu  diesen  kann  jene  Vase  nach  der  Abbildung  bei  Pinza 
(S.  263)  niclit  gehören ;  sie  hatte  schwarze  Figuren,  deren  überaus  rohe 
Umrisse  mit  dem  Sticliel  eingekratzt  waren.  Auch  verstand  Lanciani  da- 
mals unter  italo-griechisch  etwas  ganz  anderes.  Pinza  selber  bemerkt, 
dass  nach  der  Entdeckung  der  esquilinischen  Nekropole  die  Teiininologie 
der  Vasen  noch  sehr  unsicher  war  (S.  46).  So  pflegte  Marsuzi,  der  die 
Rapporte  verfasst  hat,  einfach  die  vasi  a  copertura  nera  als  italogriechisch 
zu  bezeichnen ").  Auch  De  Rossi  hebt  nachdrücklich  hervor,  dass  irrtüm- 
lich die  vasi  calcidici  .  .  .  rappresentanti  il  piu  antico  periodo  della  ci- 
viltii  etrusca  auch  italogriechiscii  genannt  würden ").  Lanciani  unterschied 
damals  unter  den  esquilinischen  Ge';ätschaften  der  Gräber   drei  Gruppen  : 

1)  Cicero  Legg.  II,  23,  .58.  —  2)  Mou.  ant.  XV.  248. 

3)  Gatti  Bull.  com.  1896,  17.     Hülsen  I,  3.  397. 

4)  G.  Körte  Etrusker  bei  Pauly-Wissoira  1907,  763.   —  .5)  Pinza  S.  129  .\iiui.  1. 
6)  Bull.  am.  1878,  67;  vgl.  1885,  41  und  46. 

35 


118  P.  GmffioHkr. 

1.  tipo  preistorico,  2.  tipo  della  prima  uianieia  italogreca  (etrusca),  3. 
tipo  figurato  ^).  Noch  1884  hat  Lanciani  ')  zwei  Gefässe  des  Grabes 
No.  LXXYIII  als  italogi-iechisch  bezeichnet,  die  sich  nach  Pinza  (S.  590 
und  506)  als  protokorinthisch  oder  korinthisch  erwiesen  haben  (Taf.  IX, 
17 ;  X,  4).  Wenn  nun  Lanciani  jene  Vase  des  betreffenden  Grabes  No.  GLXXI 
eine  ani'oretta  elegantissima  italogreca  nennt,  so  ist  schon  ans  dem  Zu- 
sammenhange ersichtlich,  dass  er  sie  für  sehr  alt  gehalten  wissen  will. 
Denn  es  ist  ja  ein  sepolcreto  vetustissirao ;  auch  sagt  er,  dass  dort  die 
ersten  Bewohner  des  Esquilin  ihre  Toten  am  Fusse  der  Mauer  bestattet 
hätten  ^).  Dabei  meint  er  natürlich,  dass  dies  ausserhalb  der  Mauer  ge- 
schehen sei.  Man  sieht,  jeue  drei  Gräber  sind  mit  zuviel  Zweifel  behaf- 
tet, als    dass    sich    ein    sicherer  Schluss  darauf  gründen  Hesse. 

Es  erübrigt  noch  das  Grab  CLXX  auf  Piazza  Magnauapoli  zu  betrach- 
ten, auf  das  Pinza  ganz  besonders  seinen  Beweis  gestützt  hat.  Es  war 
ein  in  den  natürlichen  Felsen  eingehauenes  Kammergrab,  uud  zwar  so  nahe 
an  der  Mauer,  dass  es  bei  deren  Errichtung  wenn  nicht  zerstört,  so  doch 
blockiert  wurde.  Nach  Lancianis  Bericht  enthielt  es  raoltissime  scheggie 
di  fittili  italogreci;  aber  dass  er  damals  nicht  etrusko-kampanische  Vasen 
danmter  verstand,  ist  oben  erwiesen  worden.  Eine  Nachjjrüfung  ist  nicht 
mehr  möglich;  denn  die  von  Buonfanti  aufgezählten  Gefässe  sind  nicht 
mehr  im  Museum  vorhanden.  Ausserdem  spricht  es  Lanciani  klar  und 
deutlich  aus,  dass  jene  Scherben  gelegen  hätten  nelle  terre  che  riempi- 
vano  il  vano  della  grotticella,  und  diesen  Satz  wiederholt  Pinza  (S.  262) 
von  dem  Inhalte  des  Grabes.  Sollten  also  wirklich  darunter  etrusko-kam- 
panische Vasen  oder  Scherben  sich  befunden  haben,  so  können  sie  doch 
nicht  die  ursprünglichen  Beigaben  des  Grabes  gewesen  sein,  da  sie  um- 
hüllt waren  von  den  Erdmassen,  die  den  Inuenraum  des  Grabes  ausfüllten. 
Die  ursprünglichen  Beigaben  hätten  doch  auf  dem  Boden  bei  den  Ske- 
letten liegen  müssen  :  denn  ein  Kammergrab  lässt  man  doch  nicht  müh- 
sam in  den  Felsen  hauen,  um  es  sofort  wieder  mit  Erde  auszufüllen,  son- 
dern um  dauernd  den  Zutritt  zu  dem  Innern  zu  haben.  Alles  was  in- 
mitten jeuer  Erdmassen  lag,  kann  daher  erst  hineingekommen  sein,  als 
die  Massen  hineingeschüttet  wurden.  Drei  Zeitstufen  sind  also  au  dem 
Grabe  zu  unterscheiden  :  1.  die  erste  Erbauimg.  2.  die  Zuschüttung,  3.  die 
völlige  Zerstörung  im  4.  Jhd.  n.  Chr.,  als  Gebäude  darüber  angelegt  wur- 
den. Wer  die  Zeit  des  Grabes  nach  den  sog.  etrusko-kampanischen  Geräten 
bestimmt,  begeht  den  Fehler,  dass  er  die  erste  Entstehung  und  die  Zu- 
schüttung gleichsetzt. 

Noch  ein  anderer  Einwand  muss  erhoben  werden.  Pinza  setzt  vor- 
aus, dass  jene  Gräber  auf  Piazza  Magnanapoli  und  vor  S.  Caterina  da  Siena 
innerhalb  des  Mauerringes  liegen.  Das  ist  für  die  ältere  Bauperiode  der 
Mauer  keineswegs  sieher.  Wie  der  Collis  Latiaris  ursprünglich  mit  dem 
1)  Bull  mim.  187.^.  47.  —  2)  Not.  scar.  1884,  346.  —  3)  Btdl  miiii.  1876.  123. 

36 


Das  Altir  der  scrrinnisclmi  Mauer  in   Itoiii.  11 '.t 

Kiipitol  zus;uiiiiieiiliin<i;.  wissen  wir  nicht  ifenau.  Alicr  nia<^  mm  die  tra- 
janisclie  Ausschachhinj^  kloin  oder  gross  gewesen  sein,  eine  starke  Umge- 
staltung hat  dort  stattgefunden.  Dass  ferner  Umbauten  mit  der  servia- 
nischen  Mauer  dort  vorgegangen  sind,  ist  schon  oben  geschlossen  worden. 
Es  wäre  wohl  möglich,  dass  das  älteste  Tor  hier  anders  aussah,  dass  da- 
mals die  Mauer  sich  etwas  mehr  an  der  Höiie  des  Hügels  hinzog,  woran 
auch  l'inza,  wenn  auch  ablehnend,  gedacht  hat.  Dann  aber  lagen  die 
betreffenden  Gräber  ausserhalb,  wie  auch  Lanciani ')  annahm. 

Ausser  den  CTräbern,  die  Pinza  als  jünger  angesehen  wissen  will.  Iiat 
man  dieser  Gruppe  auch  wohl  noch  Grab  No.  XCIV-)  zugerechnet.  Wenn 
Mariani'')  es  als  eine  arca  intramuranea  bezeichnet,  so  ist  das  iiTeführend. 
Es  war  eine  tomba  a  fossa ').  oder  wie  Lanciani  sagt,  un  sepolcro  aixaico 
(intramuraneo)  i'ormato  da  lastroni  di  capellaccio.  Ausser  einem  etrus- 
kischen  Schild  und  Helm^)  enthielt  es  zahlreiches  vasellanie  .  .  .  di  rozza 
maniera'^).  darunter  zwei  Tassen  ad  ansa  bifora,  die  doch  meist  ein  Zeichen 
hohen  Altertums  sind.  Darum  wird  Pinza  recht  haben,  wenn  er  das  Grab 
nicht  unter  die  jüngeren  zählt. 

Eher  wäre  es  möglich,  dass  noch  einige  sepolcri  arcaici  in  forma  di 
arche"),  die  in  der  via  Merulana  etwa  120  m  von  der  Mauer  entfernt  inner- 
halb lagen,  aus  der  Zeit  der  römischen  Republik  stammen').  Denn  das 
vasellame  di  lavoro  eti'usco,  arule  in  terracotta  con  rilievi  rappresentanti 
Tetide  che  reca  le  armi  ad  Achille  müssen  allerdings  etwa  ins  4.  Jhd.  v. 
Chr.  gewiesen  werden.  Leider  ist  es  Pinza  nicht  möglich  gewesen,  diese 
Gräber  mit  den  Berichten  von  Marsuzi  zu  identifizieren.  Denken  kann 
man  nur  an  die  Gräber  No.  CXLIX  (Pinza  S.  207;  18.  Sept.  1879).  No. 
CLI  (22.  Sept.  18791,  No.  GLII  (28.  Okt.  1879),  No.  CLIII  (3.  Nov.  1879), 
die  in  der  Via  Merulana  liegen.  Aber  es  sind  ihrer  Form  nach  .solite 
tombe  d.  h.  tombe  a  fossa,  und  von  den  arule,  die  gerade  entscheidend 
sind,  weiss  Marsuzi  nichts,  so  dass  Pinza  es  vorzog,  sie  nicht  zu  den  jüngeren 
zu  rechnen.     Jedenfalls  bleiben  auch  hier  gewichtige   Zweifel  bestehen. 

Dagegen  kann  es  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  ein  neuerdings  auf 
dem  Palatin  neben  den  Scalae  Caci  entdecktes  Grab ')  dem  4.  oder  ö.  Jhd. 
V.  Chr.  angehört.  Es  hebt  sich  von  der  dortigen  in  die  Vülanovazeit  zu- 
rückreichenden Nekropole  sehr  scharf  ab  sowohl  durch  seine  Form  als  auch 
besonders  dadurch,  dass  es  viel  höher  liegt.  Es  ist  erst  erbaut  worden, 
nachdem  jener  ganze  Platz  eine  geringe  Tieferlegung  der  Oberfläche  er- 
fahren hatte  und  jene  uralten  Gräber  ihren  oberen  Teil  verloren  hatten^"). 
Dieselbe  Zeitbestimmung  ergibt  auch  der  einzige  Skyphos.  der  in  dem 
schon  im  Altertum  geplünderten  Grabe  sich  noch  vorfand. 


1)  Bull.  mun.  1876,  123.  —  2)  Pinza  S.  144.     Hülsen   Tupog.  I.  3,  268. 
3)  Bull.  com.  1896,  21.  —  4)  Pinza  S.  144.  —  .5)  Pinza  S.  .536  und  .578.  Taf.  XI.  11. 
6)  Not.  scavi  1884,  346.  —  7)  Not.  scav.  Oktober  1879,  265.  —  8)  Hülsen  1,  3.  268. 
9)  Not.  scav.  1907,  189  Fig.  2,  6.  —  10)  D.  Vaglieri  a.  a.  0.  S.  191  Anm. 

37 


120  jP.  Graffmuler, 

Uebersieht  man  die  j  ü  n  ii  e  r  e  n  G  r  ä  b  e  r  r  e  p  u  I3  1  i  k  a  u  i  s  c  h  e  r 
Zeit,  die  i  n  n  e  i-  h  a  1  b  des  servianiscben  Ringes  liegen,  so  stellt  sicli 
heraus,  dass  ihre  Zahl  eine  ganz  verschwindend  kleine  ist.  Ausser  dem 
Palatingrabe  kommen  in  Betracht  Grab  No.  LXI  am  Mithraeum  in  der  Via 
Giovanni  Lanza.  vielleicht  zwei  oder  drei  Gräber  an  der  Ecke  der  Via  Meni- 
lana  und  Via  Giovanni  Lanza.  So  ergibt  sich  eine  Zahl  von  fünf  Gräbern. 
Ist  man  nun  wirklich  berechtigt,  aus  dem  Vorhandensein  derselben  zn 
schliessen,  dass  das  Pomeriura  der  servianiscben  Stadt  nicht  existiert  hat. 
und  ebensowenig  das  der  Septimontialstadt V  Denn  sicherlich  zwei  jener 
Gräber,  wenn  nicht  alle  fünf  liegen  innerhalb  der  letzteren.  Soll  das 
Pomerium.  das  aus  dem  Salierumlauf  erschlossen  ist.  eine  Erfindung  sein, 
weil  wir  jetzt  ein  Grab  republikanischer  Zeit  oben  auf  dem  Palatin  fin- 
den? Es  ist  ein  Zeichen  von  grossem  Scharfsinn,  wenn  Pinza  (S.  778) 
sagt,  es  sei  nicht  recht  begi-eiflich.  wie  man  auf  Piazza  Magnauapoli  noch 
habe  bestatten  können  zu  einer  Zeit,  wo  rings  umher  alles  bebaut  war : 
es  müsse  das  denn  geschehen  sein  infolge  langgewohnter  Tradition,  weil 
die  Besitzer  das  Recht  dazu  erworben  hätten.  Das  führt  uns  auf  deu 
richtigen  Weg.  Die  Voraussetzung,  dass  das  Bestattungsverbot 
ganz  ausnahmslos  für  das  Stadtinnere  in  der  Zeit  der  römischen  Republik 
gegolten  habe,  ist  nicht  zutreft'end.  Vielmehr  hat  dasselbe  mancherlei 
Ausnahmen  erfahren.  Die  Vestaliunen  wurden  zu  aller  Zeit  innerhalb 
der  Stadt  begraben.  Das  Geschlecht  der  Valerier.  der  Ciucier.  der  Postu- 
mier  hatte  dasselbe  Vorrecht  durch  Volksbeschluss, bewilligt  erhalten,  und 
später  ebenso  die  FabricierM.  Das  Grab  der  sieben  gegen  die  Volsker 
"267  v.  Chr.  gefallenen  Kriegstribunen,  das  nahe  am  Zirkus  lag.  kann  auch 
genannt  werden.  Mehr  aber  als  diese  einzelnen  Fälle  besagt  die  Tatsaclie. 
dass  Cicero,  wo  er  von  dem  Bestattungsverbot  spricht,  die  erstaimte  Frage 
einwirft:  Quid?  qui  j^ost  XII  i»  iirbc  scpidti  sitnf  r/ri  dari?  [Lcy;/.  II.  23. 
58).  Das  war  also  damals  eine  allbekannte  Tatsache.  AV^enn  unter  dem 
Konsulat  des  C.  Duilius-)  das  Verbot  der  Decemvirn  durch  Senatsbeschluss 
erneuert  worden  ist.  so  kann  das  doch  nur  den  Grund  gehabt  haben,  dass 
in  der  vorhergehenden  Zeit  mehrfach  dagegen  Verstössen  worden  war.  Be- 
denkt man  nun,  dass  die  betrachteten  jüngeren  Gräber  nur  einige  Prozent 
ausmachen  von  den  äusserst  zahlreichen  sehr  alten  Gräbern,  die  innerhalb 
des  servianiscben  Ringes  liegen,  so  bietet  sich  ganz  von  selbst  der  Ge- 
danke, dass  jene  ersteren  unter  die  Ausnahmen  des  Bestattungs- 
verbotes fallen.  Die  Möglichkeit  dazu  liegt  jedenfalls  vor.  Daher  ist 
ein  topographischer  Sehluss  auf  das  Vorhandensein  oder  Nichtvorhanden- 
sein des  servianiscben  Werkes  aus  einer  so  geringen  Zahl  jüngerer  Gräber 
überhaupt  ganz  unstatthaft. 

Direkt  widerlegt  wird  Pinzas  Auuahme  durch  die  Funde,  die  teils 

1)  Marquardt,  Pritatleben  I.  360.     Jordan   1.  1.  19i)  Anm.  IH. 

2)  Serv.  Aen.  XI,  206. 

38 


!)((■•<  Alter  (kr  AcrrKniisdien  Mutier  in  Rom.  121 

11  n  t;  e  r  M  a  ii  e  r  ii  ii  il  W  all.  teils  in  iJen  Ertlmassen  des  Walles  gemacht 
worden  sind.  Bei  den  Ausgra})uno;en  am  Bahnhofe  war  allerdings  nichts* 
dergleichen  zu  Tage  gefördert  worden  :  man  hatte  nur  festgestellt,  dass 
die  Erdmassen  des  Walles  dort  aus  dem  GraVjen  genommen  waren  ') ;  sie 
hatten  schräge  Schichtung  und  zwar  so.  dass  die  ans  dem  tiefsten  Teile 
des  Grabens  ausgehobenen  Massen  am  weitesten  von  der  Mauer  entfernt 
lagerten.  Ehimals  konnte  Lanciani ')  den  Satz  aussprechen,  dass  die  eigent- 
lichen Schichtendes  ursprünglichen  Walles  nichts  von  Menschenhand  Gefer- 
tigtes enthielten.  Später  ist  aber  doch  mancherlei  aus  dem  Walle  oder 
darunter  hervorgeholt  worden. 

Nach  De  Rossi^)  ist  eine  ganze  Vase  unter  dem  Wall  auf  dem 
Esquilin  gefunden  worden:  ihm  schliesst  sicli  Pinza'*)  an.  Das  beruht  auf 
einem  Missverständnis.  Der  erste  Fundbei'iclit  von  Ceselli^)  gibt  an.  dass 
un  vaso  di  forma,  impasto  e  cottura  simile  ai  quei  vasi  laziali  gefunden  sei 
a  pochi  metri  di  distanza  dall'  agger  ed  ad  un  metro  aldisotto 
del  piano  del  niedesimo  sopra  terreno  vergine.  Auf  ein  jüngeres  Alter  des 
servianischen  Walles  zu  schliessen  nötigt  dieser  Fund  also  in  keinem  Falle. 

In  derselben  Gegend  der  villa  Caserta  ging  der  Wall  hinweg  über 
eine  Schicht,  die  Buccheroscherben  enthielt.  Man  war  sogar  vermittels 
eines  Durchstichs  bis  unter  die  Mauern  selbst  vorgedrungen.  Da  kamen 
zutage  Feuerstein  Waffen  selci  lavorate "),  besonders  zahlreich  Scherben  ana- 
loghe  alle  albane;  dann  von  eingeführter  Ware  ausser  buccaro  auch  noch 
terracotte  bianche  senza  vernice  con  pittura  a  fascie,  die  De  Rossi")  va.si 
calcidici  nennt.  Davon  können  die  lazialen  Scherben  wie  die  Feuersteinwafi'en 
ein  selir  hohes  Alter  haben.  Auch  die  Buccheroscherben  geben  keine  sichere 
Zeitbestimmung.  Denn  die  Herstellung  dieser  Ware  ist  in  Etrurien  sehr  alt 
lind  hat  eine  lange  Entwicklung **).  Den  bucchero  sottile  weist  G.  Karo") 
in  die  2.  Hälfte  des  7.  .Jhds.  v.  Chr.  Am  besten  helfen  uns  hier  die  vasi 
calcidici.  Damit  meint  De  Rossi.  wie  aus  seinen  Worten '")  ersichtlich  ist, 
geometrische  oder  protokorinthische  Vasen.  Man  wird  diese  Scherben  also 
kaum  tiefer  als  bis  in  das  Ende  des  7.  Jhds.  v.  Chr.  hinabrücken  können. 

Eine  stärkere  Umgestaltung  scheinen  die  Erdmassen  des  Walles  auf 
einzelnen  Stellen  am  Quirinal  erfahren  zu  haben.  Sehr  eindringlich  hebt 
Pinza  (S.  248)  hervor,  dass  jene  drei  Gräber  in  der  villa  Spithoever  von 
einer  späteren  Erweiterung  des  Walles  bedeckt  gewesen  seien.  In  der  Via 
delle  Finanze  waren  drei  Schichten  der  terreni  artificiali  klar  gesondert,  von 
denen  Borsari")  eine  Zeichnung  gibt.  Die  unterste  Schicht,  völlig  horizon- 
tal gelagert,   bis  zu  einer  Höhe  von  1,2  m  reichend,  enthielt  nur  pezzi  di  terra- 


1)  Canevari  Atli  d.  K.  A.  ,1.  Limei  187.5.  430.  —  2)  BtiU.  mitn.  I87t).  131. 

.3)  Blüh  iiK^t.  187.5,  231.  —  4)  BitH.  com.  1897.  2.54  Anm.  —  .5)  Bidl.  inst.  1875,  132. 

6)  De  Rossi  Bidl  inst.  1875,  232.  —  7)  Bidl.  miin.  1878.  fu. 

S)  Heibig  Bull.  imt.  187.5,  98.  —  9)  Bidl.  Paletiiol.  ital.  1898,  IGO. 

10)  Bull.  mini.  1885,  46.  ~  11)  Bull.  mm.  1888  Taf.  I.  II  Nr.  8. 

39 


122  P.  GraffiüHler. 

cotta  rozzissimi  ^),  ähnlicli  denen  der  cilindri  funebri  -),  die  aus  den  Gräbern  der 
villa  Spithoever  stammen.  Ueber  dieser  ältesten  Grundlage  dehnte  sich  bis 
zu  einer  Höhe  von  8,33  m  eine  zweite  Lage  mit  schräger  Scliichtuug  aus,  die 
keine  Terrakottareste  enthielt,  sondern  nur  Splitter  des  gelben  Tuffs,  aus  dem 
die  Mauern  bestehen.  Erst  in  der  Höhe  von  8.33  m  folgen  die  scarichi  im- 
perali.  Da  nun  schon  oben  aus  der  Besehaffenlieit  der  dortigen  Mauer 
geschlossen  werden  musste.  dass  daselbst  Umgestaltungen  vorgegangen 
sind,  so  liegt  es  nahe,  zu  vermuten,  dass  die  unterste  bis  zu  1.2  m  reichende 
Schicht  von  dem  ältesten  Walle  übrig  sei,  die  dann  folgende  der  zweiten 
Bauperiode  angehöre.  Aber  das  geht  doch  nicht  an.  Denn  kein  künst- 
lich errichteter  WaU  hat  völlig  horizontale  Lagerung.  Die  unterste  Lage 
war  vielmehr  die  erste  auf  dem  Tuif  aufliegende  Kulturschicht;  dass  die 
Mauern  dieselbe  durchschneiden,  ebenso  wie  in  der  Nähe  der  villa  Caserta 
auf  dem  Esquilin  ^).  war  natürlich,  da  sie  erst  auf  dem  Tuff  eine  feste 
Grundlage  fanden.  Besonders  wichtig  ist.  dass  demnach  gerade  die  Schicht 
des  eigentlichen  Walles  die  Tuffsplitter  enthielt,  eine  Tatsache,  die  Lan- 
ciani,  wie  schon  oben  bemerkt,  auch  für  acht  Stellen  in  der  Nähe  der  Via 
Napoleone  HI  festgestellt  hatte*).  Daraus  ergibt  sich,  dass  Wall  und 
Mauern  zu  gleicher  Zeit  errichtet  worden  sind.  Ob  aber  die  Tufifsplitter 
von  oskisch  oder  römisch  geschnittenen  Quadern  herrühren,  lässt  sich  leider 
nicht  entscheiden,  da  das  Material  beider  das  gleiche  war. 

In  derselben  Gegend  hinter  dem  Museo  agrario  sind  bei  den  neuesten 
Ausgrabmigen  mancherlei  Gegenstände  aus  den  Erdmassen  des  Walles  zu 
Tage  gekommen.  Ganz  vereinzelt  ist  ein  bucchero  des  4.  Jhds.  v.  Chr., 
den  auch  Dante  Vaglieri  als  später  dorthin  verschleppt  betrachtet  °) :  denn 
alles  übrige  ist  viel  älter.  Zwischen  dem  recinto  inferiore  (Fig.  1,  A)  und 
der  älteren"  Aussenmauer  (Fig.  1,  E),  also  unter  dem  ältesten  Teile  des 
Walles  sind  gefunden  woi'den  No.  1 — 11.  darunter  ein  vöUig  dem  Vülano- 
vatypus  gleichendes  Gefäss  (No.  7  Fig.  16  S.  513);  auch  die  Svastikaver- 
zierung  (No.  11  Fig.  20)  gehört  in  diese  Zeit.  Die  ältesten  Funde  reichen 
also  an  die  Yillanovazeit  heran  und  werden  kaum  später  als  in  das  9.  Jhd. 
V.  Chr.  gesetzt  werden  können.  Dagegen  bezeichnen  einen  Fortschritt  die- 
jenigen Gegenstände,  welche  zwischen  der  älteren  und  jüngeren  Aussen- 
mauer (Fig.  1.  E  und  1.  BCD)  gefunden  worden  sind  (No.  12 — 20  und 
No.  22 — ^23).  Sie  sind  z.  T.  schon  mit  einer  primitiven  Töpferscheibe  her- 
gestellt, und  No.  22  und  23  sind  nicht  mebr  an  offenem  Feuer  gebrannt. 
Da  aber  jede  etruskische  und  griechische  Wai'e  fehlt,  so  wird  man  auch 
diese  kaum  miter  das  7.  Jhd.  v.  Chr.  herabrücken  können. 

Starke  Veränderungen  hatten  auch,  wie  oben  dargelegt,  auf  Piazza 
Magnanapoli  die  Mauern  erfahren ;  davon  wird  zum  Teil  auch  der  Wall 
betroffen  worden  sein.     Sehr  vorsichtig  bemerkt  Lanciani,  dass  das  vasel- 

1)  Borsari  a.  a.  0.  S.  17.  —  2)  Not.  scar.  1885,  2-50.  —   3)  BuU.  tinoi.  1874,  200. 
4)  Bull,  »mih  1874.  200.  —  -5)  Kot.  scav.  1907,  517. 

40 


Das  Alf  er  der  senianischeu  Mauer  in  lioni.  123 

lanie  raccolto  nella  zona  .  .  .  fra  Ic  (lue  mura  ausschliesslich  opera  etrusca 
Oll  italogi-eca  i^ewesen  sei').  Allein  im  Garten  Antonelli  hat  man  an  drei- 
hundert solche  Scherben  gesammelt,  danmter  seltene  Formen  wie  die  des 
askion  und  der  ariballi  ))olicromi.  Es  ist  nun  oben  erwiesen,  dass  Lan- 
ciani  damals  unter  italogriechischen  Vasen  diejenigen  verstand,  die  andere 
ehalkidisch  oder  protokorinthisch  nannten.  Dazu  stimmt  auch  die  beson- 
dere Art  der  Formen.  Der  Aryballos  ist  eine  sehr  alte  Gefässform;  in 
der  Nekropole  von  Satricum  ist  ein  protokorinthischer  Aryballos  zusammen 
mit  einer  Oinochoe  geometrischen  Stils  gefunden  -).  Und  die  schlauchar- 
tigen  Salbfläschchen  sind  ja  gerade  unter  den  protokorinthischen  Gefässen 
so  zahlreich,  dass  sie  fast  als  dafür  bezeichnend  gelten  können.  So  ge- 
winnen wir  auch  aus  diesen  Funden  den  Anfang  des  (3.  .llids.  v.  Chr.  als 
tei-miuus  post  quem  für  die  erste  Entstehung  des  servianischen  Walles. 
Beachtenswert  ist  in  dieser  Hin.sicht  eine  Bemerlaing  von  De  Rossi 
über  alle  hierher  gehörenden  Funde.  Die  Kulturschicht,  auf  welcher  der 
WaU  bei  der  villa  Caserta  aufliegt,  war  un  strato  inalterato  e  non  rico- 
perto  da  altro  detrito').  Nun  bedenke  man,  dass  schon  die  Zone  der 
tombe  ad  arca  bedeutend  höher  liegt  imd  noch  etwas  höher  die  Zone  der 
puticuH*).  Es  kann  nicht  Zufall  sein,  dass  jene  späteren  Schichten  unter 
dem  Walle  fehlen,  während  sie  sonst  in  der  Nähe  liegen.  Man  wird  De 
Rossi  beistimmen  können,  dass  die  Errichtung  der  Befestigung  nicht  all- 
zuweit getrennt  sei  von  jener  Kulturschicht,  auf  welcher  der  Wall  steht ; 
auch  dadurch  wird  man  etwa  auf  die  Mitte  des  6.  .Thds.  v.  Chr.  geführt. 

Dieses  letztere  Ergebnis  betrifft  natürlich  allein  den  W  a  1 1.  Aber 
es  ist  doch  eine  notwendige  Voraussetzung  für  das  Vorhergehende  imd 
macht  den  Weg  frei  zu  den  Untersuchungen  über  das  Maß  und  die  Stein- 
metzzeichen der  Mauer  selbst.  Der  Gegensatz  des  Maßes,  der  an  den 
Quadern  erscheint,  nötigte  zu  der  Annahme  von  zwei  verschiedenen  Bau- 
perioden, zumal  auch  die  Steinmetzzeichen  zeitliche  Unterschiede  auf- 
weisen. Und  da  nun  weiter  die  nähere  Betrachtung  der  Steinmetzzeichen 
ergab,  dass  die  Hauptmasse  der  nach  römischem  Fuss  en-ichteten  Mauer- 
ruinen dem  4.  Jhd.  v.  Chr.  angehören,  so  blieb  kaum  etwas  anderes  übrig, 
als  dass  jene  einzelnen  nach  oskischem  Maß  erbauten  Teile  aus  einer  äl- 
teren, vordecemviralen  Periode  herstammen,  also  vermutlich  in  die  Königs- 
zeit hinaufreichen.  Dass  die  Zahl  der  letzteren  nur  eine  kleine  ist.  kann 
ebensowenig  wundernehmen,  als  dass  die  Quadern  manchmal  in  späterer 
Verbauung  liegen.  Demnach  scheint  es,  dass  die  römische  Ueberlieferung 
auch  in  bezug  auf  die  Mauer  dennoch  einen  Kern  von  Wahrheit  enthält. 

Berlin-Schoeneberg. 

1)  BitU.  tnun.  1876,  38. 

2)  Mengarelli,  Bull.  d.  cowjres.  interna;,  di  .•'cieiize  xtoriche  V  Roma  19Ü4.  -271. 
31  Bull,  iiisfif.  187.5.  230.  —  4)  Lanciani  Bull.  vmn.  187.5,  46. 

41 


124 


Mitteilungen  und  Nachrichten. 

Vorjährige  amerikanische  Ausgrabungen  in  Aegypten  '). 
Von  Ludwig  Borchardt. 

Die  Ausgrabungen  der  Harvard-Universität,  welche  Herr  Prof.  R  e  i  s  u  e  r  leitet, 
erstreckten  sich  auf  die  weitere  Beai-beitung  des  bereits  früher  teilweise  freigelegten 
Torbaus  des  Totentempels  des  Men-kew-re  vor  der  dritten  grossen  Pvramide  bei 
G  i  s  e.  Indem  die  in  dem  früheren  Berichte  (Klio  IX  S.  483  ff.)  gegebenen  Tatsachen 
als  bekannt  vorausgesetzt  sind,  werden  im  folgenden  nur  die  neu  ermittelten  und 
neu  gefundenen  Dinge  besprochen. 

Als  besonders  wichtige,  völlig  neue  Tatsache  hat  sich  herausgestellt,  dass  der 
bisher  ausgegrabene  Torbau  hinter  einem  grossen  Hofe  liegt,  durch  dessen  Mitte 
eine  platteugepflasterte  Strasse,  ähnlich  denen  im  Hofe  des  Nefer-ir-ke-re-Tempels 
und  im  Hofe  des  oberen  Teiles  des  Men-kew-re-Tempels,  führt.  Das  Niveau  dieses 
Hofes  liegt  etwas  unter  dem  des  bisher  freigelegten  Torbauteiles.  Ob  diese  Anord- 
nung für  alle  Torbauten  der  vierten  Dynastie  die  normale  ist.  ist  nicht  zu  sagen, 
da  die  Ausgrabungen  an  dem  zeitlich  und  räumlich  zunächst  liegenden  Torbau  des 
Chaf-re  nicht  so  weit  geführt  werden  konnten,  dass  man  sich  über  das  Vorhanden- 
sein dieses  vorderen  Hofes  hätte  Klarheit  verschaffen  können.  Aus  dem  Vorkommen 
dieses  Hofes  beim  Men-kew-re  allein  darf  man  keine  verallgemeinernden  Schlüsse 
ziehen,  denn  wie  Herr  R  e  i  s  n  e  r  deutlich  zeigen  kann,  ist  das,  was  davon  bisher 
ausgegraben  worden  ist,  fast  ganz  aus  der  Zeit  nach  dem  Tode  des  Königs,  Teile  davon 
sogar  erst  aus  der  sechsten  Dynastie.  Der  ur.sprüngliche  Bau  nämlich,  wie  ihn  Men- 
kew-re  geplant  hatte,  liegt  unter  der  Anlage,  die  sich  heute  uns  zeigt.  Die  Grabung  wird 
den  alten  Men-kew-re-Bau  unter  der  späteren  Anlage  leicht  wieder  hervorholen 
können,  da  das  spätere  nur  auf  die  älteren  Mauern  mit  einigen  Planänderungen  auf- 
gesetzt ist.  Zum  grössten  Teil  ist  dieses  Hervorholen  heute  bereite;  durchgeführt. 
Ebenso  sind  auch  bereits  die  späteren  Wohnhäuser,  die  den  Hof  des  Torbaus  füllen, 
ganz   wie   dies   im  Hofe   des  Nefer-ir-ke-re   auch  der  Fall  war,  ausgegraben  worden. 

Bisher  kann  man  von  dem  alten  Bau  bereits  soviel  erkennen,  dass  man  seine 
Längen-  und  Breitenausdehnung  feststellen  kann.  Der  Aufgang,  der,  wie  in  dem  frü- 
heren Berichte  hervorgehoben,  an  seinem  östlichen,  unteren  Ende  nach  Süden  umbog, 
geht  in  südlicher  Richtung  weiter  und  um  die  Südwestecke  des  Torbaus  herum, 
indem  er  sich  dort  wieder  nach  Osten  wendet.  Er  verschwindet  heute  an  dieser 
Umbiegungsstelle  unter  dem  Mauerwerk  der  späteren  Bauperiode  des  Torbaus,  an 
dessen  Ostseite  er  wieder  zum  Vorschein  kommt.  Der  Verlauf  dieses  unteren 
Endes  des  Aufgangs  —  derselbe  konnte  nach  der  Errichtung  des  späteren  Torbaus 
nicht  mehr  benutzt  werden  —  gibt  uns  also  die  Grössenausdehnung  des  alten  Tor- 
baus. Es  dürfte  ein  Hof  geplant  gewesen  sein,  der,  länger  als  breit,  in  seiner  West- 
seite einen  besonderen  Bau  mit  Vorhalle,  breitem  und  tiefem  Saal,  Magazinen  und 
Statuenkammern  hatte. 

Im  allgemeinen  scheint  der  alte  Bau  ungefähr  denselben  Grundriss  gehabt  zu 
haben,  wie  der  später  darauf  errichtete  jüngere  Bau.  nur  war  er  in  der  Ausführung 
etwas  reicher.     So  hatte  die  Vorhalle  Anten,   die  Zungen   zwischen    den  magazinar- 


1)  Den  von  dem  Herrn  Verfasser  schon  vorher  eingesandten  Bericht  über  die 
vorjährigen  deutschen  Ausgrabungen  in  Aegypten  s.  im  nächsten  Hefte  dieser 
Zeitschrift,  wohin  er  aus  Raumrücksichten  hat  verwiesen  werden  müssen.     Sed. 


3IiUciluii(/cii  itiid  Ndc/irir/itrii.  125 

tigen  Räumen  vorn  kurze  Anschläge  für  Türen,  usw.  Die  Front  war  wie  tlie  Hof- 
fassade im  oberen  Tempel    mit    einer  Nischen-    und  Lisenenarchitektur    geschmückt. 

Für  die  Anlage  des  Hofes  vor  dem  eigentlichen  Torbau  ist  übrigens  der  Grund- 
riss  des  Torbaus  des  Suofrn  bei  Dahschur  zu  vergleichen  (.le.  iC.  42.  2).  Die  äußere 
Form  des  Baues  dort  lässt  auch  auf  das  Vorhandensein  eines  vorderen  Hofes  schlies- 
sen.  Nur  läge  dort  der  Eingang  dazu  seitlich,  während  er  beim  Men-kew-re  in  der 
Mitte  liegt,  allerdings  nur  für  die  spätere  Anlage,  bei  der  alten  darunterliegenden 
Anordnung  scheint  der  Zugang  auch  in  der  Südostecke  zu  liegen,  wenigstens  der. 
der  um  den  Torbau  hemm  znm  Aufgange  führt.  Von  diesem  herumführenden  Korridor 
aus  öffnen  sich  zwei  Nebeneingänge,  welche  die  Südwand  des  Torbaus  durchbrechen. 

Von  den  Funden  aus  dem  Torbau  des  Men-kew-re  sind  aus  dem  früheren  He- 
richte  die  Königsstatuen  und  die  Gruppen  der  Gaue  bekannt.  In  diesem  .Tahre  sind 
dazu  gekommen:  ein  Depot  zerbrochener  Steingefässe,  das  nach  Durchsicht  und  Zu- 
sammensetzung sicher  viele  gute  Stücke  ergeben  wird,  und  eine  Familiengiuppe  von 
hervorragender  Schönheit,  die  hier  näher  beschrieben  werden  muss. 

Ihre  Fundstelle  ist  etwas  östlich  von  denen  der  Gaugruppen  in  der  Südhälfte 
des  Toi-baus.  Dort  stand  die  Gruppe  in  ziemlicher  Tiefe,  vielleicht  sogar  in  Fun- 
damenthöhe, in  einem  Loche,  das  Schatzgräber  gewühlt  hatten.  Sie  haben  die  Gruppe 
vermutlich,  als  sie  unter  ihr  graben  wollten,  in  ein  bereits  von  ihnen  daneben  ge- 
ötfnetes  Loch,  das  ihnen  nichts  ergeben  hatte,  hineingeworfen.  Dabei  hat  die  Figur 
des  Königs  eine  kleine,  kaum  zu  bemerkende.  Abschürfung  am  rechten  Unterarm 
bekommen.  Sonst  ist  die  Gruppe  ohne  die  geringste  Verletzung.  Ihr  Material  ist 
metamorphischer  Schiefer  von  schwärzlicher  Farbe.  Die  Figuren  sind  je  1.50  m  hoch. 
Sie  stehen  auf  einer  gemeinsamen  Fussplatte  und  vor  einer  Rückenwand,  die  oben 
gradlinig  abschliesst.  Der  König  steht  vom  Beschauer  links,  eine  Frau  rechts.  Er 
hat  den  einen  Fuss  vorgesetzt,  sie  steht  mit  fast  geschlosseneu  Beinen,  indem  sie 
ihn  mit  dem  einen  Arm  umfasst. 

Die  Tracht  ist  nicht  ganz  so.  wie  man  sie  erwarten  würde.  Der  König  hat  eine 
völlig  glatte  Königshaube  auf,  die  über  der  Stirn  nur  ein  glattes  Band  ohne  Uräus 
zeigt.  Man  wird  annehmen  müssen,  dass  sowohl  die  Streifen  des  Kopftuches,  wie  die 
Königsschlange  aufgemalt  waren.  Ebenso  ist  der  Königsschurz  mit  dem  keilförmig  ge- 
schnittenen Mittel  stück  ganz  glatt,  nur  die  Schliesse  ist  markiert.  Also  auch  die 
Fältelung  des  Schurzes,  wie  das  Muster  des  Gürtels  und  die  Inschrift  der  Schliesse 
werden  aufgemalt  gewesen  sein.  Farbspuren  hat  die  Gruppe  aber  nur  noch  am  Ge- 
sicht des  Königs,  namentlich  an  den  Ohren.  Die  Tracht  der  Frau  ist  die  gewöhn- 
liche Frauentracht  dieser  Zeit,  lange  Perücke,  unter  der  an  der  Stirn  das  eigene 
Haar  hervorsieht,  langes  enges  Gewand,  das  bis  auf  die  Knöchel  reicht.  Die  bei 
Frauen  dieser  Zeit  üblichen  Schmucksachen  waren  wahrscheinlich  aufgemalt.  Von 
irgendwelchen  Abzeichen  einer  Königin  ist  keine  Spur  zu  bemerken .  man  kann 
daher  nicht  sicher  sagen,  dass  es  die  Königin  sein  soll.  Wenn  man  sie  für  eine 
Göttin  ansehen  wollte,  so  würden  aber  auch  dafür  alle  Götterembleme  fehlen. 

Dass  der  dargestellte  König  Men-kew-re  selbst  ist,  darf  wohl  nicht  bezweifelt 
werden,  trotzdem  die  Gruppe  keine  Inschrift  trägt.  Ausser  dem  Fundort  spricht  die 
Portraitähnlichkeit  dafür.  Das  Gesicht  hat  dieselben  nicht  zu  verkennenden  Charak- 
teristika wie  die  übrigen  mit  Namen  bezeichneten  Portraits  des  Men-kew-re :  die  et- 
was hervorquellenden  Augen,  die  dicke  Nase  und  die  vollen  Backen.  Diese  er- 
scheinen ein  wenig  schwächer  als  bei  den  Alabasterköpfen,  aber  das  kann  an  dem 
verschiedenen  Eindruck  der  beiden  Materialien  liegen.  Es  ist  nicht  einmal  nötig, 
anzunehmen,  dass  die  Gruppe  von  einem  andern  Meister  ist.  wie  dies  Herr  Reisner 
tun  möchte.  Stilistisch  steht  die  Gruppe  ganz  auf  der  Höhe  der  früher  beschrie- 
benen Gaugruppen  aus  demselben  Torbau,  vielleicht  ist  sie  sogar  noch  etwas  feiner. 
Es  wäre    dringend   zu  wünschen,    dass  Herrn  R  e  i  s  n  e  r  bald  Gelegenheit  gegeben 


126  Mitteilungen  loid  Xachr/clifcii. 

würde,  die  Gruppe  in  guten  Lichtdrucken  allgemeiner  bekannt  zu  machen.  Sie 
ist  eins  der  feinsten  und  charakteristischsten  Werke  des  alten  Reiches.  Sie  wird 
übrigens  im  Museum  zu  Boston  ihren  Platz  linden,  da  sie  bei  der  Teilung  der  Funde 
dieser  Sammlung  überlassen  wurde.  Eine  der  dorthin  gegebenen  Gaugruppen  ist 
dafür  nach  Kairo  zurückgesandt  worden. 

Zu  dieser  Ausgrabung  des  Torbaus  ist  noch  zu  bemerken,  dass  die  im  früheren 
Verlaufe  der  Crrabung  freigelegten  Stücke,  um  die  leicht  zerstörbaren  Ziegelmauern 
vor  dem  Einflüsse  der  Witterung  zu  schützen,  wieder  mit  Wüstensand  bedeckt 
worden  sind.  Vorher  ist  natürlich  eine  genaue  Aufnahme  durch  den  Architekten  der 
Expedition,  Herrn  Fish  er.  gemacht  worden,  in  der  die  verschiedenen  Bauperioden 
farbig  angegeben  worden  sind. 

Danach  wandten  sich  die  Arbeiten  in  Gise  wieder  dem  oberen  Plateau  neben 
der  Pyramide  des  Men-kew-re  zu.  Hier  wurden  die  beiden  Totentempel  vor  den 
zwei  östlicheren  NebeupTramiden.  die  in  einer  Reihe  südlich  von  der  dritten  Gise- 
pyramide  liegen,  freigelegt.  Der  Tempel  vor  der  östlichsten  davon  hat  einen  Grund- 
riss,  der  natürlich  nicht  mit  deuen  der  Toteutempel  vor  den  Königspyramiden  ver- 
glichen werden  kann.  Es  können  höchstens  die  vor  den  kleinen  Nebeupj-ramiden 
zum  Vergleich  herangezogen  werden,  also  der  der  Jepowet  und  der  der  Chuit  bei 
Saqqara.  Die  übrigen  bisher  gründlicher  untersuchten  Nebenpyramiden  haben,  da 
sie  in  oder  an  derselben  Umfassungsmauer  mit  ihren  Hauptpyramiden  liegen,  keine 
eigenen  Totentempel. 

Mit  den  beiden  genannten  kleineu  Totentempeln  hat  der  neu  gefundene  das  ge- 
meinsam, dass  seine  Anlage  weniger  kompliziert  ist  als  die  eines  Königstempels. 
Die  Zweiteilung  der  Anlage  in  öffentlichen  und  intimen  Teil  fehlt.  Der  neue 
Tempel  ist  regelmässiger  gebaut,  als  die  beiden  anderen.  Der  Eingang  liegt  zwar 
seitlich,  in  der  nördlichen  Aussenwand.  was  durch  die  Lage  zur  grossen  Pyramide  be- 
dingt worden  ist,  dann  aber  entwickelt  sich  die  Anlage  axial.  Vorn  liegt  zuerst  ein 
Hof,  zu  dessen  Seiten  die  Eingangsräume  und  Küchenräume  liegen.  Dass  die  südlich 
von  der  Mitte  gelegenen  beiden  Räume  einmal  Küchenzwecken  gedient  haben,  ist  aus 
dem  Augenschein  sicher:  es  fragt  sich  nur,  ob  sie  schon  während  der  ursprünglichen 
Benutzung  des  Tempels  diese  Bestimmung  gehabt  haben.  Möglich  wäre  es,  dass  hier 
die  Küchen  für  die  im  Hofe  geschlachteten  Opfertiere,  die  doch  weiter  zubereitet  wer- 
den mussten.  lagen.  In  der  Mitte  des  Hofes  befindet  sich  übrigens  ein  Trog,  der  zur 
Aufnahme  von  Regenwasser  und  Ablaufwasser  vom  Schlachten  gedient  haben  wird. 
Die  Westseite  des  Hofes  nimmt  eine  Säulenhalle  ein.  von  der  allerdings  nur  die  Basen 
in  Kalkstein  erhalten  sind  —  alles  übrige  im  Tempel  ist  aus  lufttrockenen  Ziegeln 
— ,  und  in  deren  Mitte  sich  die  Tür  zu  den  inneren  Tempelräumen  öft'net.  Diese  be- 
stehen aus  zwei  breiten  Räumen  und  einem  tiefen.  Zu  beiden  Seiten  liegen  hinten 
noch  kleinere  Zimmer.  Der  zweite  breite  Raum  hat  an  seiner  Westwand  eine  Nischen- 
reihe, die  in  der  bekannten  regelmässigen  Anordnung  sich  auch  im  Hofe  schon 
zeigte. 

Ausser  diesem  Totentempel  wurde  noch  der  vor  der  weiter  westlich  gelegenen 
nächsten  Nebenpyramide  untersucht.  Da  nur  ein  sehr  geringer  Raum  zwischen  der 
ersten  imd  der  zweiten  Nebenpyramide  zu  Gebote  stand,  so  hat  der  Tempel  der 
zweiten  nur  eine  äusserst  geringe  Tiefenentwicklung  bekommen  können.  Er  ist  so 
angelegt  wie  die  vorgebauten  Ziegelkammern  vor  den  Mastabas  der  älteren  Zeit 
etwa  wie  die  vor  der  Mastaba  des  Weserkef-onch  in  Abusir  oder  die  vor  einigen 
Mastabas  der  amerikanischen  Grabung  in  Gise. 

Nach  Abschluss  der  letztjährigen  Arbeit  in  Gise  ging  Herr  R  e  i  s  n  e  r  noch  auf 
einige  Wochen  nach  Girge,  um  den  frühdynastischen  Friedhof  bei  Aulad  Jehia 
auszugraben.     Er  ergab  gute,  aber  nicht  besonders  hervorzuhebende  Resultate. 


MiUeilimiiC))  und  Xarliriclitcii.  127 

Sarapis. 
\'oii  Ernst  Scliiiiidt. 

Die  Besprechung,  der  Herr  Hans  Philipp  Weitz  meine  Arbeit  über  die  Kinfüh- 
rung  des  Sarapis  in  Alexandria ')  in  Bd.  X  S.  120  ff.  dieser  Zeitschrift  unterzogen 
hat.  nötigt  mich  zu  einer  Erwiderung,  da  die  darin  enthaltenen  Angritie  infolge 
mehrfachen  Missverständnisses  zu  einem  grossen  Teile  unberechtigt  sind. 

Zunächst  wird  mir  von  W.  zur  Last  gelegt,  dass  ich  in  der  Untersuchung  über 
die  Herkunft  des  Sarapis  von  den  Berichten  ausgehe,  in  denen  von  Babylon  nicht 
die  Rede  ist.  lieber  die.se  Tatsache  uud  die  ihm  merkwürdig  erscheinende  Dispo- 
sition der  Arbeit  hätte  Herrn  Weitz  ein  Blick  in  das  Vorwort  oder  auf  den  Titel 
der  Dissertation  belehren  können,  aus  denen  hervorgeht,  dass  der  Zweck  der  Arbeit 
zunächst  nicht  die  Behandlung  des  Sarapisproblems  als  solchen  war,  sondern  die 
Betrachtung  und  Wertung  der  aus  dem  Altertum  erhaltenen  Nachrichten  über  die 
Einführung  des  Gottes  in  Alexandria.  Nachdem  wahrscheinlich  gemacht  war, 
dass  keine  der  drei  Erzählungen  über  die  Einführung  aus  Sinope,  Seleukeia,  Mem- 
phis als  historisch  in  Betracht  kommen  könne,  war  eigentlich  die  Aufgabe  des  Sa- 
rapiskapitels beendet,  und  ich  hätte  füglich  da  abbrechen  können.  Nur  weil  ich 
hier  wie  in  den  andern  Kapiteln  die  Verpflichtung  fühlte,  diesem  negativen  Resul- 
tat nach  Möglichkeit  auch  ein  positives  gegenüberzustellen,  bin  ich  weiter  auf  die 
Frage  nach  der  wirklichen  Herkunft  des  Sarapis  eingegangen.  Abgesehen  davon 
ist  das  Vorgehen  doch  zum  mindesten  berechtigt,  bei  der  Frage  nach  der  Einfüh- 
rung des  Sarapiskultes  zunäch.st  einmal  die  ausführlichen  antiken  Berichte  über  diese 
Einführung  zu  prüfen  und  erst,  wenn  mit  ihnen  nichts  anzufangen  ist,  sich  nach 
weiteren  Zeugnissen  imizusehen.  Da  diese  Berichte  von  Babylon  schweigen,  so  schwieg 
auch  ich  davon. 

Das  ist  nun  ein  Grund,  warum  mich  Herr  Weitz  von  vorn  herein  für  einen  ver- 
kappten Gegner  der  ganzen  Babylon-Theorie  hält.  In  völliger  Verkennung  meiner 
Absichten  stellt  er  alles  so  dar,  als  ob  ich,  was  ich  in  dieser  Richtung  mit  Freuden 
gefolgert  habe,  nur  ungern  und  mit  innerem  Widerstreben  zugegeben  hätte.  Ich 
,muss'  zugeben,  dass  es  in  Babylon  einen  Gott  namens  Sarapis  gegeben  haben 
muss,  und  die  I^phemeriden  werden  fast  wider  meinen  Willen  aus  einer  stiefmütter- 
lich behandelten  Quelle  zur  hauptsächlichsten.  Wer  aber  die  Arbeit  ohne  Vorein- 
genommenheit liest,  sieht  leicht,  dass  die  einzige  wirklich  historische  Quelle  auch 
für  mich  die  Ephemeriden  sind,  und  dass  auch  mir  die  Lösung  des  Sarapisrätsels,  zu 
einem  grossen  Teile  wenigstens,  in  Babj'lon  zu  liegen  scheint. 

Mit  einem  bösen  Gegner  Babylons  glaubt  es  W.  auch  ganz  besonders  deshalb 
zu  tun  zu  haben,  weil  ich  wider  besseres  Wissen  —  wie  W.  es  darstellt  —  mich 
Lehmanns  Ableitung  des  Sarapis  von  iar  apit'i  nicht  rückhaltlos  anschliesse.  Frei- 
lich schweigt  derselbe,  der  mir  diesen  Vorwurf  macht,  vollständig  davon,  dass  ich 
mich  in  diesem  Punkte  ausdrücklich  auf  Carl  Bezold  berufe. 

Im  einzelnen  habe  ich  noch  etwa  folgendes  zu  bemerken :  Ich  hatte  S.  57  ge- 
sagt, dass  unter  der  ersten  Gruppe  von  Berichten  (S.  49 — 51)  die  Erzählung  des  Ta- 
eitus  deswegen  das  meiste  Vertrauen  zu  verdienen  scheine,  weil  sie  ausführlicher  ist 
und  von  Tacitus  rein  um  ihrer  selbst  willen  gebracht  wird.  Dagegen  spielt,  W. 
den  Satz  auf  S.  80  aus:  ,Die  Existenz  einer  so  ausführlichen  Erzählung,  wie  sie  bei 
Tacitus  und  Plutareh  vorliegt,  ist  nur  dann  zu  erklären,  wenn  man  sie  zu  einem 
besonderen  Zweck  absichtlich  erdichtet  hat:  der  Zweck  war,  den  Sarapis  aus  grie- 
chischem Glauben  herzuleiten.^     \V.    glaubt,    dass    diese  beiden    Aeusserungen    sich 


1)  Kultübertragungen  :  Eeligionsgeschichtlülie  Versuche  nnd   Vorarbeite»,  herausge- 
geben von  R.  Wünsch  u.  L.  Deubner  VIII  2,  Kap.  HI  (S.  47  ff.). 


128  MittcihoKjeii  niid  Xaclir/cldcn. 

widersprechen,  übersieht  aber  dabei  vollstiiiulig.  dass  an  der  zweiten  Stelle  von  dem 
nrsprüngliehen  Zweck  der  Erzählung,  auf  die  Tacitus  und  Plutarch  und  alle  Be- 
richte der  ersten  Gruppe  gleichermassen  zurückgehen,  die  Rede  ist,  und  dieser  ist 
doch  himmelweit  verschieden  von  dem  Anlass.  um  dessetwillen  ein  Schriftsteiler  die 
Geschichte  wieder  erzählt! 

Den  Gedanken,  dass  Sarapis  im  letzten  Grunde  eine  künstliche  Neuschöpfung 
sein  könnte,  hätte  W.  vielleicht  nicht  so  heftig  zurückgewiesen,  wenn  er  die  von 
mir  zitierten  Ausführungen  von  Richard  M.  Meyer  im  Archiv  für  Beliyionsioissenschaft 
X  S.  101  ff.  beachtet  hätte.  Hier  ^muss'  ich  auch  wieder  , selbst  zugeben",  dass 
von  dem  mythenlosen  Gotte  bis  zu  dem  Allgott  kein  grosser  Schritt  mehr  ist.  Ganz 
gewiss,  und  um  es  noch  einmal  ausdrücklich  zu  sagen :  ich  kann  mir  diese  künst- 
liche Neuschöpfung  eigentlich  nur  als  Allgott  vorstellen,  was  ich  auch  S.  79  deut- 
lich gesagt  habe.  Dass  der  formenfrohe  Hellenismus  einem  solchen  Gotte  damals 
noch  fremd  und  verständnislos  gegenübergestanden  hätte,  ist  nur  eine  Behauptung, 
gegen  die  sich  doch  vielleicht  ein  Gegenbeweis  erbringen  lässt.  Und  wo  ist  nun 
der  reiche  weit  verzweigte  Mythos  des  Sarapis,  von  dem  W.  redet  ?  Ich  kenne 
keinen.  Und  ist  die  Uebernahme  nur  des  Namens  etwas  so  Undenkbares,  wenn  sie 
auf  die  persönliche  Initiative  des  Königs  Ptolemaios  zurückgeht? 

Ich  hatte  S.  63  die  in  der  Inschrift  von  Halikarnass  auftretende  Zusammenstel- 
lung von  Sarapis  und  Isis,  die  nur  in  Aegypten  erfolgt  sein  kann,  dazu  benutzt, 
einen  termiims  ante  quem  für  die  Einführung  des  Sarapis  in  Aegypten  zu  gewinnen. 
Nun  belehrt  mich  W.,  ,dass  wir  in  der  mit  Sarapis  verbundenen  Isis  wiederum  nur 
eine  Weiterbildung,  beziehungsweise  neue  Kombination  der  Istar- Astarte  zu  erblicken 
haben".  In  der  Tat,  äusserst  wahrscheinlich,  dass  Isis  in  einem  von  einem  Gliede 
des  ägyptischen  Königshauses  gegründeten  Tempel  nicht  die  ägyptische  Isis  ist! 

Weitz  stellt  den  Satz  auf,  .dass  uns  die  Produkte  der  bildenden  Kunst  keinen 
Rückschluss  erlauben  auf  den  Ursprung  des  Sarapiskultes  überhaupt  und  auf  die  da- 
mit zusammenhängenden  mythologisch-historischen  Probleme".  Das  ist  aber  denn 
doch  die  Frage  bei  dem  Bild,  das  so  alt  ist,  wie  —  für  die  antike  Kultur  —  Sa- 
rapis überhaupt.  —  Nach  Weitz  ist  ein  Sarapisbild  von  auswärts  nach  Alexandria 
gekommen,  aber  bald  durch  ein  von  Bryaxis  in  Alesandria  selbst  geschaffenes  er- 
setzt worden.  Diese  Hypothese  macht  also  die  Annahme  von  zwei  Bildern  nötig, 
während  in  unserer  Ueberlieferung  immer  nur  von  einem  die  Rede  ist.  Das  sollte 
doch  zu  denken  geben.  Denn  dass  unsere  Quellen  über  den  angeblichen  Austausch 
schweigen,  ist  dann,  so  sehr  auch  W.  das  Gegenteil  behauptet,  nicht  im  geringsten  zu 
begreifen.  Und  dann  die  Tatsache  selbst:  man  holt  mit  vieler  Mühe  ein  Bild  aus  der 
Ferne,  nur  um  es  möglichst  schnell  wieder  verschwinden  zu  lassen  und  durch  ein 
neues  zu  ersetzen.  Auch  ein  Grund  für  den  Austausch  ist  nicht  zu  ersehen ;  W.  meint, 
das  von  auswärts  gekommene  Bild  müsse  minderwertig  gewesen  sein:  aber  wie  heilig 
würde  man  ein  noch  so  unscheinbares  Bild  gehalten  haben,  wäre  es  alt  gewesen  und 
wirklich  aus  der  weiten  Ferne  gekommen !  Pflegen  denn  nicht  gerade  die  unansehnlich- 
sten und   ältesten   Heiligenbilder  die  wunderkräftigsten   und  berühmtesten   zu  sein  ? 

Dies  möge  zur  Richtigstellung  genügen,  wenn  auch  noch  gegen  manche  an- 
dere Aeussei'ungen  etwas  zu  sagen  wäre.  Auf  den  Vorwurf,  ich  hätte  verschiedent- 
lichA'nkenntnis  vorgeschützt,  gehe  ich  nicht  ein,  weil  ich  zugunsten  von  Herrn 
\Vy  annehmen  will,  dass  er  sich  der  Schwere  dieser  Beschuldigung  nicht  ganz  be- 
wusst  gewesen  ist. 

Personalien. 

R.  Reitzensteiu-Strassburg  ist  als  Nachfolger  von  B.  Schmidt  nach  Frei- 
burg i/B  r.  berufen  worden. 


129 


Zur  Begriiiiduiig  des  römischen  Kaiserkultes. 

Chronologische  Uebersicht  von  48  v.  bis  14  n.  Chr. 

Von   IIiiImpI    HciiM'ii. 

Erster  Teil : 

Der  Kult  des  C.  Julius  Caesar. 

I.  J.  48  V.  Chr. 

Cäsar  wählt  als  Feldgeschrei  für  die  Schlaeht  bei   Pharsalus  ,Venns 
Victrix"  ').  der  er  für  den  Fall  des  Sieges  einen  Tempel  in  Rom  gelobt^). 
Das  Bild  der  Venus  erscheint  zum  ersten  Male  auf  seinen  Münzen  ^). 
Ebenso  siegelt  er  fortan  mit  ihrem  Bilde  *). 

Seit  der  Schlacht  bei  PJiarsalns.  und  mehr  noch  seit  der  Be- 
siegnng  des  Pharnaces  bei  Zela  (47)  wird  Cäsar  in  der  östlichen 
Reichshälfte  als  Gott  verehrt  ''). 

Vorbemerkung:  Alles,  was  ausserhalb  Roms  sichereignet  hat,  ist  durch  Ein- 
rücken kenntlich  gemacht. 

1)  Bereits  im  J.  67  v.  Chr.  hatte  sich  Cäsar  öffentlich  —  in  der  Leichenrede 
für  seine  Tante  Julia  —  der  Abstammung  seines  Geschlechtes  von  der  Göttin  Venus 
gerühmt.  Vgl.  darüber  Suet.  Caes.  ß :  Amitac  meae  Juliae  vialenium  genus  ah  regihus 
oiium,  patermim  cum  diin  immoiialilnis  cmtitinctiim  est.  nam  ab  Anco  Marcio  sunt 
Marcii  Seges,  quo  nomine  fuit  mater ;  a  Venere  JuHi,  cuiux  gentis  familia  est  nostra. 
est  ergo  in  geilere  et  sanctitas  regum,  qui  plurimum  inier  homines  pollent,  et  caerimonia 
(leorum,  quorum  ipsi  in  potestate  sunt  reges;  vgl.  49;  Cic.  ep.  VIII,  1.5,2:  Venere  pro- 
gnatus;  Vell.  IT,  41,1:  hie  nohilissima  JuJiorum  genilus  familia  est,  quod  inter  omnes 
antiquissimos  constabat,  ab  Anchise  et  Venere  deducens  genus;  Plut.  Caes.b;  Dio  XLIII, 
4B,  2—3;  CJG  29-57  (s.  u.  A.  .5)  ;  Drumann  III,  11-5;  Beurlier  Essai  6;  Norden  N.  Jrb. 
VII  (1901).  2-58  f.;  Wissowa  Ges.  Abh.  (1904),  27;  Nissen  Or.  3.  Heft  (1910).  334  f. 

2)  App.  II,  68,  281  :  Svößfvöq  re  vvxroq  ,uia>j(;  zov  "4pij  xartxaXft  xal  t//I'  iuvroi' 
T.nüyovnv  'Aif^oÖLTrjV  ({x  yÜQ  Aivelov  xitl  'lovXov  toS  Aivdov  rö  Ttöv  lovh'wv  yevng  nuQf- 
yf/Jth'Tos  tot-  dröunio:  S/yfiTO  eivai)  vfwv  xi  cwrij  vixtjipönoj  yainoTr/pioi'  tv'Pwujj  Ttoii'i- 
aftv  Tjv/ero  xraogStwottc;  vgl.  69,  284;  Dio  a.  0.  „Venus  Victrix"  ist  hier  natürlich 
dasselbe  wie  „Venus  Genetrix",  wie  besonders  aus  App.  hervorgeht;  andei's  Wissowa 
a.  a.  0.  26.  „Venus  Victrix"  war  ebenso  in  der  Schlacht  bei  Munda  das  Feldge- 
schrei seiner  Legionen,  vgl.  App.  II.  104 ;  Drumann  a.  a.  O.  .513 ;  H.  W.  Röscher  in 
Fl.  Jrb.  119  (1879),  347. 

3)  Eckhel  VL  4;  Cohen  I-.  7;  H.  Willers.  Ge.-ich.  d.  röm.  Kupferprügung  (19|9J, 
99.  106  und  Taf.  LX.  ^ 

4)  Dio  XLIII.  43,  3:  xoX  y>.vti,ua  avTyi  evonXov  iipÖQft.  Wann  Cäsar  zum  ersten 
Male  dieses  Siegelbild  angewandt  hat,  ist  nicht  mit  Sicherheit  auszumachen :  doch 
dürfen  wir  wohl  annehmen,  dass  es  gleichzeitig  mit  dem  Erscheinen  der  Venus  auf  seinen 
Münzen  geschehen  ist,  jedenfalls  bald  nachher.    Vgl.  Eckhel  VI,  8;  Wissowa  a.  a.  0. 

.5)  Das  auffallendste  Zeugnis  hierfür  ist  wohl  die  Inschrift  CIG  2957:  ^Eiffoiwv 
ij  ßov'/.tj  xnl  (5  äi^uos  xnl  Tüir  hD.iov  'EU.ijvwv  tu]  nö?.fig  ul  iv  ty  !4ai{c  z«[T]o[//fofö«i]  xul 

Klio,  Beiträge  zur  alten   Geacliiclite  XI  2.  q 

1 


130  Ihthirl  If einen, 

I.  J.  46  V.  Chr. 

(26.  Sept.)  ')  Cäsar  weiht  das  unter  ungeheuren  Kosten  erbaute  und 
nach  ihm  benannte  Forum  und  auf  demselben  den  Prachttempel  der  Venus 
Genetrix  ein  -). 

Im  Anschlüsse  hieran  ^ärd  ein  Kollegium,  zu  dem  auch  der  junge 
Olvtavian  gehört  ').  eingesetzt,  mit  der  Aufgabe,  fortan  jährlich  Spiele  zu 
Ehren  der  Venus  Genetrix  zu  feiern  *). 

Dem  siegi'eichen  Cäsar  werden  (noch  vor  seiner  am  26.  Mai  erfolgten 
Rückkehr)  °)  folgende  üljermenschliche  Ehren  zuerkannt : 


rä  «&>'/;  /V«'ov  'loihov  raio[v  vi]dv  KalottQu,  xbr  nQyiiQtu  xcd  uixnxQÜTOQa  xai  ro 
Sivrepor  vncizov,  zbv  hnb  'A^fwq  xcd  !jy/)0(ff[/]r/,'g,  Sföv  iitKfuiTj  xcd  xoirbv  toC  «>'9pco- 
nlvov  ßi'ov  aojTijQci.  Dass  wir  niclit  mehrere  Beispiele  ähnliqlier  Art  beibringen  können, 
muss  ausscbliesslich  dem  Fehlen  inschriftlicher  Ueberlieferung  aus  jener  Zeit  zuge- 
geschrieben  werden :  denn  dass  nicht  auch  die  hellenistischen  Städte  ausserhalb 
Asiens  dem  alten  Brauche  der  Herrscher  Vergötterung  treu  geblieben  seien,  ist  kaum 
anzunehmen.  Vgl.  JG  XII,  2,  n.  16.5  b  (Mytilene):  ra]l(o  '/ow./eu  |  KahuQi  &fco  |  itvzn- 
xQÜTo  (}i  np/jegcc,  ettpytTu  xal  [z]r[(']<jra:  n.  166  a.  Zahlreicher  sind  schon  die  In- 
schriften, die  ihn  als  Soter  und  Euergetes  feiern:  S.  arcli.  XIII  (1909),  447,  n.  40; 
J.  r.  Perg.  S.  271,  n.  377.  378.  379;  A.  Mitt.  XXXIV,  Heft  4  (1909),  33.5  tf.;  CIG 
2215;  J.  V.  Ol.  n.  365;  IG  XII,  .5,  1;  IG  Xll,  2,  u.  25.  26.  Malalas  Chron.  IX,  278 
berichtet,  Cäsar  habe  in  Antiochia  eine  Basilika  erbauen  und  nach  sich  Caesarium 
nennen  lassen. 

1)  Für  das  Datum:  CIL  l\  p.  215  (F.  Arv.)  und  p.  219  (F.  Pinc);  die  F.  Voll. 
(p.  240)  geben  unrichtig  den  25.  Sept.  an.  Vgl.  Aust  aed.  p.  80;  AVissowa  M.  u.  K.  238; 
Moramsen  M.  Änc-,  84  ff.;  Nissen  Or.  3  (1910),  335  f. 

2)  Dio  XLIII,  22.  2 :  rz/v  yciQ  ciyogär  ti/v  an'  aizov  xtxhjusyijv  xuziaxivüanzo  '  xal 
SOZI  fjciv  neffixctV.iazeQtx  zTjc  'Pcotcalnc,  zb  äh  n^iu/ucc  zb  ixdvijc  £nijvgrjae>',  löaze  xul 
ft(yci?.tjv  ttizijv  uroiiciCfa^ai.  zaiitjv  zi  ovi'  xcd  zbv  veCov  zbv  zyf  ' AcpQoäizijC,  to?  xcd  c'tQ/tj- 
yeztdoc  zov  yevovg  ai'zov  ovotjs,  Tiottjonc  xciädgcoair  ilBvQzözf;  App.  H,  102,  424:  III, 
28,  107.  Der  Tempel  war  damals  noch  unfertig  (Plin.  n.  h.  XXXV,  156)  und  wurde 
erst  durch  Augustus  vollendet  (App.  a.  a.  0.).  Ueber  die  Spiele  gelegentlich  der 
Einweihung :  Dio  XLIII,  22,  3.  Welche  Summen  diese  Bauten  verzehrten  —  die  Kosten 
bestritt  Cäsar  hauptsächlich  aus  der  gallischen  Beute  —  geht  daraus  hervor,  dass 
allein  für  den  Bauplatz  des  Venustempels  (9000  qm  ä  2000  M.)  rund  18  Millionen  M. 
und  für  die  Erweiterung  des  Forums  an  der  Nordseite  sogar  10000  M.  für  das  D  m 
bezahlt  wurden:  Suet.  Caes.  26.  61.  84  Plin.  n.  h.  XXXVI,  103.  XVI,  86.  XXXV,  45. 
XXXVI,  24;  Cic.  ad  Att.  IV,  16,  8:  Nissen  It.  Lkde  H,  516.  536  ff.;  drs.  in  Bo.  Jrh. 
Heft  96  (189.5),  5  und  Or.  Heft  3  (1910),  335.  Zur  Topographie  vgl.  Becker,  363; 
Jordan  P,  439  ff. ;  Hülsen  For.  Bom.'^  14  f.;  Norden  a.  a.  0.  259. 

3)  PUn.  H,  93;  Jul.  Obs.  68. 

4)  Dio  XLV,  6,  4:  (narr]yvgtv)  fjv  vTioäf^f'ifievoi  jtvfc  ^ün-znc  ht  zov  Kaiaagoi;  tmzf- 
)J(ittv  iv  ohycoQi'cf.  Diese  Spiele  werden  von  den  Kalendern  der  augusteischen  Zeit 
unter  dem  20.— 30.  Juli  verzeichnet.  (Vgl.  Mommson  CIL  I-,  p.  322;  Wissowa  J?.  ». 
K.  389).  I.  J.  44  veranstaltete  sie  Oktavian  auf  seine  Kosten  (s  u.  S.  6.  .\nm.  5  f.); 
ferner  berichtet  Dio  XLIX,  42,  1  von  ihrer  Feier  i.  J.  32.  Ueber  die  Ordnung  dieser 
Spiele  und  ihre  Ständigkeitserklärung  vgl.  Wissowa  a.  a.  O. 

5)  Dio  XLIII.  15.  1 :  (Sfäoy^ttvwv  äh  »/()>/  cti-zCor  (d.  h.  der  EhrenbeschlUsse)  ij'/.ltt  zf 
ii;  zt/v  'Püj/Jijt: 


Zitr  BigrinuhuKj  des  nimischcn  Kaiscrkultcs.  131 

1.  sein  Triumph\\;i<fen  wird  vor  dtr  .luppiterstatue  ;iut'  dein  Kiipitol 
aufgestellt  M ; 

2.  iiui'  dem  Kajiitol  wir  1  seine  8tiitu(!  erriiditct.  aiit'  einer  W'eltkngcl 
ruhend  und  mit  einer  Inschrift,  die  ihn  als   Halbgott  bezeicdinet  -'). 

Nach  der  Schlacht  bei  Munda  (17.  März  45)    werden  folgende  Ehren 
fih-  Cäsar  heschlossen  ^j : 
I.  J.  45  V.  Chr. 

1.  (am  20.  April,  an  dem  die  Siegesnachricht  in  Koni  eintrat)  das 
bevorstehende  Fest  der  Stadtgründung,  die  Parilien  (21.  April),  soll  zum 
Andenken  an  seinen  letzten  Sieg  gefeiert  werden '') ; 

2.  (nach  dem  20.  April)  Cäsar  soll  den  Titel  Lil)erat()r  und  seine 
Libertas  einen  Tempel  erhalten  •'') ; 

3.  er  soll  ein  öfi'entlicbcs  Haus  mit  einem  Tcinpelgiebel  bewohnen'); 

4.  alle  seine  Siegestage  sollen  unter  die  öffentlichen  Festtage  aufge- 
nommen werden  '): 

5.  im  Quirinustempel  soll  eine  Statue  Cäsars  aufgestellt  werden  mit 
der  Inschrift:   „Dem  unbesiegten  Gotte"  **); 


1)  Dio  XLIII.  14,  6:  ayfiu  li  xi  nhzov  iv  rw  Krtnirio'/.hij  nvrinijüaofiioy  rw  J»  iöijv- 
»Tivui:   vgl.  V.  Domaszewsld   im  Fhüol.  LXVIl'  (1908),  11  '=  Ges.  Ahh.  (1909),    193  ff. 

2)  Dio  a.  a.  0  :  xal  f-nl  tlxöva  avzbv  Tyq  olxovfdrijQ  /lO.xovv  t.iißißaafHifcii,  yQUiftfr 
i'/^ovra  uti  iiftiftfö:  lati.  Diese  Inschrift  liess  Ciisar  später  entfernen:  Dio  XLUI,  21,2. 
Vgl.  Suet.  Caes.  76. 

3)  Vgl.  für  das  Folgende:  L.  Lange  Müm.  AU.  III-,  461  f.  und  die  Dissertation 
von  E.  Krueger.  De  reb.  iiide  a  hello  Hisp.  iisqiie  ad  Caes.  jiecem  geUis,  Bonn  (189-5),  28  ff. 

4)  Dio  XLIII,  42,  3:  tä  rs  Uiaqu.ik  Innoögoiila  aBciviun),  ovit  ys  xcd  din  t//I'  ttv/.ii; 
ZxL  iv  avzoig  Bxxiaxo,  i'O.'/.ä  6ta  xi/v  xnv  Kci/au^ng  luxr/V,  uxt  >)  äyyf'/.Ui  ahr/^  xy  ii()Otf- 
iicdn  Tioix;  iankjav  acpixtro,  ixiniiüiy.  Wissowa  B.  n.  K.  166;  Drumann  III,  643  be- 
merkt dazu  mit  Recht,  dass  man  ilm  damit  als  den  zweiten  (Gründer  Roms  bezeichnen 
wollte. 

5)  Dio  XLIII,  44,  1 :  uvzov  x(  ' E).ivi>fQojii,v  xcd  txä/.ovv  xcd  t-Q  xh  y^fniiuccxHci  nvt- 
ynrapin;  xul  remv  '  EkfvBe^luc  äijftoaicf  i(f)j<piaKVXO.  Dieser  Tempel  kam  nicht  zustande; 
Vgl.  Wissowa  a   a.  0.  127. 

6)  Dio  XLIIL  44,  6:  xul  olxlur  laaxi  iv  xcü  öi}fior,!v>  olxüv,  Cic.  Phil.  II.  43,  110: 
fa.ftigmm;  Suet.  Ccten.  81,3:  fastigium  dnmu.'s;  Florus  epit.  II,  13.  Vgl.  Lange  III-, 
462;  Drumann  IIL  666  33. 

7)  Dio  a.  a.  0.  LfQO/.trjvic(v  xf  i^al(jeiov  oaäxig  clr  i'ixtj  xi  Tic  ovußf,  xcd  Snalcit  in' 
cii-zy  yi'yrwvxui;  App.  II.  106,442:  T/^r  dt  nohv  c'ivci  hoqixanznv.cdc.  aizvq  }jui(>c!i<;  ev 
naQcizäifaiv  ivlxct  (seil,  tfwn-  ixinjifiactrzo).  Vgl.  Drumaun  a.  a.  0.  660.  Infolge  dieses 
Beschlusses  wurden  folgende  Gedenktage  unter  die  feriae  publicae  aufgenommen: 
Schlacht  bei  Pharsalus  (9.  Aug.),  Siege  in  Spanien  (49)  und  bei  Zela  (47;  2.  Aug.), 
Fall  von  Alexandria  (47;  27.  März),  Sieg  bei  Thapsus  (46;  6.  Apr.),  bei  Munda  (4-5; 
17.  März);  Wissowa  a.  a.  0.  378. 

8)  Cic.  ad  AU.  XII,  4.5,  3  (nach  O.  E.  Schmidt.  BriefieccJiKel  [1893],  284  am  17.  Mai 
geschrieben)  spottet  über  diese  Ehre:  eum  ovvvcinr  Quirino  malo  cpiam  Scdtiti;  vgl. 
IV,  1;  Xn,  47;  XIII,  28:  Quirini  contuhermäis;  Dio  XLIU,  4-5,3:  hxcWu  i:  xöv  xov 
h'vm'roi-  vccöv  9fcö  änxijXio  f.T/ypdi/'nrrf?  —  iiyi!tfac<v;  Val.  Max.  I,  6,13.  Vgl.  Dru- 
mann 111.  644;  v'.  Domasz'ewski  im  P/«W.  LXVII  (1908),  1  =  «es.  Ahh.  (1909),  193  ff. 

9* 

3 


132  lliibcif  Ifcincn, 

().   (Ende  Mai)  seine  Statue  ans  Elfenbein    soll   bei    rlen  Zirkusspielen 
unter  den  Götterbildern  aufgeführt  werden'); 

7.  er  soll  sein  eigenes  Bild  auf  Münzen  setzen  dürfen  ^). 

Die  Stadt  Karthea    auf  Kos    feiert   Cäsar  als  (iott   und  Welt- 
heiland  '). 
I.  J.  44  V.  Chr. 

8.  (nach  dem  26.  Jan.)  *)  sein  Geburtstag    (13.  Juli)    soll    als    öfifent- 
liclies  Fest  mit  Ojifern  begangen  werden  ■'') ; 

9.  in  allen  Tempeln  Roms    und    der   italischen    Städte   sollen  Statuen 
Cäsars  aufgestellt  werden  '*) ; 

10.  ihm  zu  Ehren  soll  der  Concordia  ein  Tempel  erltaut  und  jährlich 
ein  Fest  gefeiert  werden  ") ; 

11.  in  jedem  Jahre  sollen    öifentliche  Gelübde   für   sein  Leben  veran- 
staltet werden  *) ; 

12.  alle  vier  Jahre  sollen  ihm,    wie  einem  Halbgotte.    Spiele  gefeiert 
werden  '') ; 

13.  bei  seinem  Genius  soll  fortan  geschworen  werden  können"^'); 

14.  die  beiden  Priesterkollegien  der  Luperci  Fabiani   und    Quinctiales 
sollen  um  ein  drittes,  die  Luperci  Julian!,  vei-mehrt  werden"); 


1)  Dio  XLIII,  45,  2:  xai  xoxi  ßtv  av&Qimixa  avxov  iXeipavzivov,  vate^ov  di  xai  äyßa 
o'f.ov  iv  xaiQ  \nnoö()OnlaLq  fitxa  zibv  9i!o)V  ayrO.fxazwv  jrtßnea&at  8yvwaav;  vgl.  LVI,  29, 1 ; 
App.  III,  28;  Cic.  ad  Ait.  XIII,  28,  3;  Suet.  Caes.  76.  Diese  Ehre  erregte  beim  Volke 
solchen  Anstoss,  dass  es  bei  den  ludi  Victnriae,  im  Juli  dieses  Jahres,  dem  Prozes- 
sioDSwagen  Cäsars  ostentativ  keinen  Beifall  klatschte :  Cic.  ad  Ait.  XllI,  44,  1 ;  ad 
fam.  XII,  18,2;  Zonar.  X.  12. 

2)  Dio  XLIV,  4,  4:  ctixöv ig  xa  voßiaßUXK  ivfxaQu^av ;  Zonar.  a.  a.  0.  Fischer 

R.  ZdtU  103;  Eckhel  VI,  7  f.;  Cohen  P,  12;  Drumann  III,  663'«. 

3)  IG  XII.  5,  1,  n.  557 :  '0  öijfiog  6  Ka^&adwv  \  xöv  Qfbv  xal  avxoxgdxoQa  |  xal  aw- 
xT/Qti  Ti/S  olxovßevrjq  \  FaCov  ''lovXiov  KalaaQa  Fcdov  |  Kalaagoi;  vibv  Avtf}rjxev.  Diese  In- 
schrift wird  wohl  mit  Recht  von  0.  Hirschfeld  (837  ")  und  nach  ihm  von  Wilamowitz 
(adnot.)  und  Kornemann  (95°)  in  die  Lebenszeit  Cäsars  gesetzt,  entgegen  der  Annahme 
von  Boeckh  {CIG  2957).  Dieser  Zeit  gehören  auch  die  Inschriften  IG  XU,  2,  n.  .35b 
(Mytilene) :  [yQccftßaxa]  KaiauQoe  9(0v  und  n.  531  (Eresus),  Z.  19 :  xm  &tw  Kalaapi  an. 
Vgl.  P.  Wendland  Sujxi'/q  in  Ztschr.  f.  neidest.  Wiss.  1904,  335  ff. 

4)  Zur  Chronologie  vgl.  die  oben  zitierten  Arbeiten  von  Lange  und  Krueger. 

5)  Dio  XLIV,  4,4:  xä  xs  ytveMi«  avxuv  d7jfxoain  9v(tv  iipr)(piouvxo\  Zonar.  X,  12. 
Vgl.  unten  zum  Jahre  42  (S.  8). 

6)  Dio  a.  a.  0.  iv  xaiq  noXtai  xolg  rt  vnoig  xolg  iv  xi'/  'Pii)/.q/  näaiv  ixvö^iilvxa  rtra 
avxov  flvai  ixü.ivaav;  Suet.  Caes.  76:  simulacra  iiixta  deos;  Flor.  II,  13;  Zonar.  a.  a.  O. 

7)  Dio  XLIV,  4,  5:  vewv  xf  'Ofiovotag  xaivr^g,  log  xal  6i  avxov  HQrjVovvxsg,  olxo/io- 
ßTjOtti,  xal  nnvijyv()iv  rivxy  ixt/alav  aytiv  syvtooav;  vgl.  Wissowa  iJ.  u.  K.  272  f. 

8)  Dio  XLIV,  6,  1 :  (vy_fai}aL  vniQ  uixov  ihj/noola  xax'  txog  ixaoxov;  vgl.  50,  1.  Nissen 
Or.  3,  336. 

9)  Dio  a.  a.  0.:  mvxatxijQlöu  ol  iag  i'jywi;  App.  II,  106,  442  verwechselt  diesen 
Beschluss  mit  dem  vorigen. 

10)  Dio  a.  a.  O.:  xrjv  xs  xiyriv  avxov  ößvvvai;  Zonar.  a.  a.  O. 

11)  Dio  XLIV,  6,  2:  'ifQonoiovg  zs  ig  zag  zov  Ilavbg  yvftvonatdi'fig.  Z()izijv  ziva  Ithi- 


Zur  BajründiDKj  des  röiHiarJicn  KaiscrkuUes.  133 

15.  hei  allen  Spielen  in  Kotn  und  Itulien  soll  ein  Tag  ihm  gewithuefc 
sein  '). 

1().  sein  Prozessionswagen  soll,  wie  sein  BiM,  giinz  aus  Elfenhein  be- 
stehen und  letzteres,  wie  die  Götterbilder,  im  Zirkus  ein  pulvinar  erhalten''). 

17.  (Ende  Februar)')  Cäsar  soll  Juppiter  .Julius  hei.ssen*); 

18.  ihm  soll  in  Gemeinsehatt  mit  seiner  dementia  ein  Tempel  er- 
richtet werden  "*); 

19.  er  soll  einen  eigenen  Priester  erhalten"); 

20.  sein  Geburtsmonat,  der  Quintilis,  soll  ihm  zu  Ehren  fortan  .Julius 
heissen  ') ; 

21.  eine  durchs  Los  bestimmte  Tribus  soll  nach  ihm  -Julia  genannt 
werden  *) : 

Cäsar  wird  in  einer  Inschrift  aus  Noia   als  Gott    liezeichnet "). 
(19.  März)    Antonius    preist  in  der  Leichenrede    den  Cäsar,    als    wäre 
dieser  ein  in  den  Himmel  versetzter  Gott  ^''). 

(Mitte    April)    Ein    gewisser    Amatins    (Pseudomainns)    errichtet    dem 


(liuv  [fjv\  'fovh'uv  u}vo//äaavtei;  8uet.  Caes.  76.  Vorsteher  dieses  neuen  Kollegiums 
wurde  M.  Antonius:  Dio  XLIV,  11,  2;  XLVI,  5,  1;  Cic.  Phil  II,  34.  8.5;  43,  110;  XIII, 
1-5.  31 ;  Plut.  Änt.  12.  Die  Genossenschaft  wurde  bereits  vor  April  48  wieder  aufge- 
hoben: Cic.  Phil.  XIII,  15,  31;  Non.  p.  273,  ö.  Vgl.  Wissowa  a.  a.  0.;  t.  Domaszewski 
Ges.  Abh.  171  ff. 

1)  Dio  XLIV.  6,2:  xäv  zatg  onXouayiait;  iiiiav  rivd  ad  ijui-iiuv  xtu  iv  xrj  'Pmutj 
xul  iv  Tjj  nV.ii  'lTC(h'(!  nve&faav.    Den  Antrag  stellte  Antonius:  Cic.  Phil.  II,  43,  IIU. 

2)  Vgl.  oben  S.  4,  Aum.   1;  Festus  p.  364.  —  3)  Vgl.  Erueger  a.  a.  0. 

4)  Dio  XLIV,  6,  4:  xrd  tsIoq  A!a  avrbv  avzix^vg  'lovhov  n^oatjyo^fvaav  ;  Zonar.  u. 
a.  O.     Vgl.  Nissen  Oi:  3.  Heft  (1910)  336  f. 

.5)  Dio  a.  a.  0.:  vaov  avtiö  tjJ(t')  ^E^ieixiia  aizov  z8/xfvia9iji'ai  i'yvujaav;  App.  II, 
106,  443 :  xal  vtij)g  iwijiplaavzo  TioV.ovg  avzto  ysysaStfu  xa^artsQ  dtö»  xal  xmvov  avtnv 
xcu  ^Enifixtkic,  n/.h'i/.ovq  6e^iov/xsvwv;  Plut.  Caes.  hl.  Dieser  Tempel  ist  abgebildet 
auf  Münzen  des  Sepullius  Macer:  Eckhel  VI,  9;  Wissowa  -R.  «.  K.  278. 

6)  Dio  a.  a.  0. :  (foE«  a(fiai  zov  Wvzioviov  "oaniQ  xivk  äiähov  nQoysiQiaufitvoi.  An- 
tonius, der  erste  Flamen  Cäsars,  trat  sein  Amt  allerdings  erst  i.  J.  40  (siehe  unten) 
an:  Cic.  Phil.  \\,  43,  110;  XIII,  19,41,     Vgl.  Marquardt  1°,  465». 

7)  Dio  XLIV,  5,  2:  zöv  Zf  fiijva,  Iv  w  tyeyin'rjzo  'Ioi).io%'  —  infxa'/.foav;  vgl.  XLV, 
7.  2 ;  App.  II.  106,  443 :  ig  xe  ziiaT/v  t;/?  ysveaeiog  ccvxoi)  zov  Kvivzihov  /xT/ya  'loihov 
fort  KvcvzMov /jfzutvö.uftartv  fhat;  Suet.  Caes.  76;  Macrob.  Sat.  I,  12,  34:  legem  ferentc 
M.  ÄHiimio  M.  f.  cnnsule:  ähnlich  Censorin  cl.  d.  n.  XXII.  16. 

8)  Dio  a.  a.  0.    Lange  a.  a.  0.  478. 

9)  CIL  X.  1271 :   M.  Sahio.  Q.  f.  \  Venusto  \  decurioni  |  [be])nfuiio)   dei  Caesaris. 

10)  App.  II.  146,  607 :  uk  »lov  ovqüviov  vi.iv(i ;  Suet.  Caes.  84,  2  u.  Plut.  Caes.  67 
lassen  den  Antonius  von  einer  bereits  in  der  Senatssitzung  vom  17.  März  vollzo- 
genen  Konsekration  Cäsars  reden  (App.  u.  Dio  wissen  davon  nichts  zu  berichten); 
allein,  daran  ist  bei  der  oppositionellen  Haltung  der  Senatoren  gar  nicht  zu  denken. 
Man  vergegenwärtige  sich  nur,  wie  schwer  es  schon  hielt,  die  acta  Caesaris  zur  An- 
erkennung zu  bringen ;  da  wäre  es  mindestens  unvorsichtig  von  Antonius  gewesen, 
wenn  er  durch  die  Forderung  der  Konsekration  die  Dinge  hätte  auf  die  Spitze  treiben 
wollen. 


134  Iliihirf  Ilchicn, 

Cäsar  unter  grossem  Aiulrang  des  Volkes  auf  dem  Forum  einen  AUar  und 
opt'eit  an  demselben  ')• 

Antonius  fügt  zu  diesem  Altar  eine  Säule  mit  der  Inschrift:  ..Dem 
Vater  des  Vaterlandes"  '). 

(Mai)  Antonius  hindert  den  Oktavian,  dem  Cäsar  bei  den  Spielen  des 
Critonius  einen  goldenen  Ehrenstuhl  und  Kranz  aufzustellen;  ein  Verbot, 
das  er  auch  auf  die  Spiele  im  Juli  ausdehnt  *). 

(20. — 30.  .Juli)  *)  Oktavian  feiert  auf  seine  Kosten  die  ludi  Vicforiac 
Caesaris  °).  Einen  bei  dieser  Gelegenheit  erscheinenden  Kometen  erklärt  er 
als  sidus  JuJiioit,  d.  h.  als  Zeichen  der  Vergötterung  seines  Adoptivvaters  ''). 

1)  App.  III,  2.  3:  '.4,««T(oc  i/v  6  ''I'fidoudfitoc  —  ßuiiwv  inwxoSöfifi  xij  TWyr'y,  üio 
XLIV,  .51.  1 :  ßo>abr  dt  tivk  f >•  tiü  Tijg  nrpßc  /<"("'<"  'täpvouiifvot  —  9i'f/j'  t*  in'  rcvTo/  xrd 
yATÜQXSoQfa  T(ü  KfdaccQi  Wf  X(ii  Sfiü  STTf/iitJOvr;  Cic  ad  Att.  XIV,  5;  Phil.  I,  5;  ad  fam. 
XI,  2,2;  Suet.  Caes.  84,5;  Zonar.  X,  12.  Antonius  liess  den  Pseudomarius  heimlich 
umbringen,  womit  er  natürlich  den  Senatoren,  und  vor  allem  Cicero,  gewaltig  im- 
ponierte, die  grosse  Masse  aber  gegen  sich  stimmte :  App.  111,  3,  6 — 7 ;  vgl.  III,  16. 
36.  37;  Cic.  ad  Att.  XIV,  15,  1  (1.  Mai):  de  Mario  prohe  ;  Liv.  epit.  116.  Nach  Val. 
Max.  IX,  15,  1  wurde  Amatius  auf  Befehl  des  Senates  im  GefUngnis  getötet.  Ed. 
Schwartz  Eermes  XXXllI  (1898).  186.    Gardthausen  I.  42.    Drumann  P.  95. 

2)  Suet.  Caes.  85:  postea  soHdam  columnum  prope  uiginii  pedtim  lapidix  Aumidici 
inforn  .'itniuit{in)  scripsitque  Vurenti  Patriae.  Altar  und  Säule  wurden  gegen  Ende  April 
von  Dolabella  zerstört:  Cic.  Phil  II,  42,  107;  Dio  XLIV,  51.  2.   Vgl.  Drumann  I-,  97. 

3)  App.  III.  28,  105  f.:  xrci  6  KaZaaQ  s?  zhq  i^iac  (sc.  Sc  Kqitiüvioc  ayriijarouOiv 
SfieV.f  Tff.^afn')  zw  nttXQi  töv  ts  -/Qvaeov  }^QÖvov  xrd  atiipai'ov  itrcgfaxiitiCfV,  r?7if{)  ahrw 
xaza  näauQ  9ercg  i\prj<pia(ivzo  TiQozl^^oQ^m.  zov  Kinzioviov  rfs  fhorzo:  oix  rii4§eol>f!i  zifiw- 
fttvov  liaiaagog  iv  zaZg  uvzov  Sunm'uii.  o  KcnoaQ  nhxov  ii  zov  ^Avzviviov  ijyfv  tog  x'nHZOv. 

xal  o  Wyziovioc  yuXfTiiivtiq  ixioi.vaiv.    ixiohvat  rfs  xul  ir  ziüg  tgT^g  &enig  r'zi  nuQu/.n- 

yöntQov,  aq  uvzbq  6  KiäauQ  ize/.ft,  livaxsifisvctg  ix  zov  Tiaz^os  ' Aif^QoSiziij  rerizfipri,  uzt 
Tifp  airr/  xrü  zur  rftbr  ö  Ttml/p  zuv  iv  ayOQÜ  fl,uu  ai'Z^  «j'oprj  nrizID^fi ;  Cic.  ad  Alt.  XV, 
3,  2  (22.  Mai):  de  .<:e1la  Caesaris,  bene  tribuni.  Drumann  P,  89  sagt,  diese  Spiele  hätten 
eigentlich  am  12.  bis  19.  Apr.  {CIL  V-,  p.  31.5)  stattfinden  müssen,  möglicherweise 
aber  seien  sie  bei  der  in  Rom  lierrschendeu  Gärung  bis  zum  Mai  verschoben  werden. 
Diese  Annahme  scheint  mir  plausibeler  als  die  andere  (91  f.),  App.  übertrage  auf 
diese  Spiele,  ,was  er  sogleich  von  den  Spielen  zu  Ehren  der  Venus  meldet'.  Vgl. 
Gardthausen  II.  23 -*u.'". 

4)  Vgl.  CIL  l\  p.  322. 

5)  Diese  Spiele  erscheinen  teils  als  hidi  Victuriae  Caesaris,  teils  als  solche  der 
Venus  Genetrix ;  sie  waren  verbunden  mit  hidi  funebres  Caesaris.  Vgl.  Drumann  1  -, 
91;  Wissowa  Ges.  Abh.  28. 

6)  Suet.  Caes.  88:  in  deoriim  )iii'merum  relatus  est,  iion  ore  modo  dccernenliujii, 
sed  et  persuasioiic  iiolgi.  siipiidcm  Itidis,  qiios  primo{s}  cotisecrato[s]  ei  lieres  Aiif/tt.-itiis 
cdebat,  Stella  criiiita  per  Septem  continuos  rfie<  fulsit  exoriens  circa  undecimam  horam, 
creditumque  est  animam  esse  Caesaris  in  caelum  recepii;  et  de  hac  causa  simulacro  cius 
in  uerlice  additttr  Stella.  Plin.  n.  h.  II,  94:  gibt  den  Wortlaut  der  Memoiren  des 
Augustus,  der  dort  begreiflicherweise  seine  Person  in  den  Hintergrund  stellt  und 
sagt :  eo  sidere  significari  volgw  credidit  Caesaris  animam  intcr  deorum  immortalium 
numina  receptam,  quo  numine  id  insigne  simidacro  cajdtis  eius,  quod  mox  in  furo  con- 
secravimus,  adiectum  est.  Das  Eingreifen  Oktavians  bei  der  Deutung  des  Kometen 
betont  Serv.  ad  liuc.  IX,  47:  stellam  —  ipse  (sc.  Octav.)  animam patris  sui  esse  voluit; 


Zur  ]>c(/ri(inhtii(j  des  römischen  Kuiscricultcs.  135 

Für  diesen  bringt  er  den  Namen   „Divus  Julius"  auf). 

(2.  August)  Oktavian  erriclitet  im  Tempel  der  Venus  Genctrix  eine 
Statue  Cilsars  mit  einem  fjoidenen  Stern  über  dem  Haupte  uinl  mii  der 
Inschrift:  Divo  Jiil/o'^). 

(1.  September)  Antonius  beantragt  im  Senate  einen  jiibrliuhen  Sujipli- 
kationstag  für  den  neuen  Gott''). 

(Ende  September  oder  Anfang  Oktober)  Antonius  errichtet  bei  der 
Kednerbühne  auf  dem  Forum  eine  Bildsäule  Ciisars  mit  der  Inschrift: 
Farciüi  Optiino  Merito  *). 

I.  J.  42  V.  Chr. 

1.  Januar"):  Die  Vergötterung  Cäsars  und  ebenso  der  Name  Divus 
Julius  wird  gesetzlich  festgelegt''). 

Im  Anschlüsse  daran  werden  folgende  Beschlüsse  gefasst  bezw.  er- 
neuert : 

1.  Dem  Divus  Julius  an  der  Stelle  seines  Scheiteriiaufens  einen  Tempel 
zu  errichten  '); 

ad  Acit.  VIII.  681:  qnod  sidus  Giesriris  putatum  est  Auyusto  persuadente.  Vgl.  (iiii- 
nuid  Ass.  pror.  20  f. ;  Beurlier  EsmL  9  f . ;  Nissen   Or.  Heft  i  (1910),  3:38  C. 

1)  Gesetzlich  festgelegt  wurde  der  Name  Divus  Julius  erst  i.  .T.  42  (vgl. 
Momnisen  St.H.  IP,  7.5(J ') ;  tatsächlich  bestanden  hat  er  jedoch  bereits  i.  .1.44,  wie 
hervorgeht  aus  Cic.  Phil.  II,  43.  110  (veröffentlicht  noch  im  Laufe  dieses  Jahres): 
ext  ergo  flamen  ut  Jovi.  ut  Marii,  ut  Quirino,  sie  divo  Jidio  M.  Antonius.  Wie  die 
vorhin  erwähnte  Deutung  des  Kometen  vor  allem  das  Werk  Oktavians  war,  so  hat 
auch  er  diesen  Namen  zuerst  aufgebracht.  Vgl.  Nissen  Or.  3,  387  und  oben  zum 
19.  März  44  (mit  Aiim.). 

2)  Dio  XLA',  7,  1  :  yaXxovv  avxöv  ig  xb  \A(pQoSlatov  AaxeQU  vniQ  xT/g  xS(pcc?.riQ  t'yovxu, 
ioxijafv;  Suet.  a.  a.  0.;  Serv.  ad  Buc.  IX,  47:  eiqiic  in  Capitolio  {?)  statuam  super  Ca- 
put auream  stellam  Jmhentem  posuit.    Inscriptum  in  hoc  basi  fuit :  Kaiauiti  l/f/i&iw. 

3)  Dio  XLV,  7,2;  Cic.  Phil.  I,  5,12;  I,  6,13;  U,  43,110;  V,  7,19:'  Kakndin 
Septemhrihus  —  de  siippUcatione  referehat.    Vgl.  Drumann  I-,  104  f.  u.  140. 

4)  Cic.  ad  fam.  XII,  3,  1:  in  statua,  quam  posuit  in  rostris,  inscripsit:  l'arenti 
Optime  Merito;  vgl.  XI,  2,  2. 

ö)  Dieses  Datum  wird  wahrscheinlieli  gemacht  durch  folgende  Erwägung:  unter 
den  i.  J.  42  —  doch  wohl  zu  gleicher  Zeit  —  beschlossenen  Ehren  befindet  sich 
auch  die,  Cäsars  Todestag  soll  unter  die  Staatstrauertage  gerechnet  werden.  Da- 
durch wird  nun  die  Vermutung  nahe  gelegt,  dass  die  Beschlüsse  vor  den  15.  März 
d.  J.  fallen.  In  der  Zeit  vom  Beginne  des  Jahres  bis  zu  den  Iden  des  März  hat  aber 
am  meisten  Wahrscheinlichkeit  für  sich  der  1.  Jan.,  weil  an  ihm  ja  auch  die  acta 
Caesaris  feierlich  beschworen  wurden  (Dio  XLVIl,  18,  3). 

6)  CIL  IX,  2628 :  [genio  deivi  Juli  |  pareniis  patriae  \  iiue]m  scna\tus  \  pop\ulusque 
[Bo]i>wnus  in  I  \d]eorum  nume{rum'\  |  rettulit.     Dass  wir  genau  unterscheiden  müssen 

zwischen  einer  Konsekration  durch  das  Volk  (bezw.  Oktavian)  und  deren  offizielle 
Bestätigung  durch  ein  Gesetz,  sagt  klar  und  deutlich  Sueton  Caes.  88  (s.  o.).  Vgl. 
für  das  Jahr:  App.  11,  148,  617  und  die  in  den  folgenden  Anmerkungen  erwähnten 
Stellen  Dios. 

7)  Dio  XLV  II,  18,  4  (z.  J.  42):  rj^wöv  oc  av  xs  xr]  ayogä  xnl  iv  X(ö  xüjiiu  iv  <;j  ixe- 
xavxo  TiQOxaxfßf'ü.ovxo.  Der  Tempel  erscheint  bereits  auf  Münzen  aus  d.  J.  37 — 34 
(Babelon  II.  49);    er  wurde  jedoch  erst   am  18.  Juli  29  v.  Chr.   eingeweiht:   Dio  LL 


136  Iliihnl  Ifiincn, 

2.  bei  den  Ziikustipiolcn  .suiia-  Statue  zusaninien  mit  dor  dor  Venus 
aufzufahren  ') ; 

3.  bei  allen  Siegesteiern  zu  den  Supjdikationen  einen  Tag  zu  seiner 
Ehre  hinzuzufügen  '^) : 

4.  seinen  Geburtstag  soll  jeder  ifönier  im  Lorbeerkranze  festlich  be- 
gehen ') ; 

5.  sein  Todestag  soll  Staatstrauertag  sein  ^) : 

6.  sein  Bild  soll  fortan  nicht  mehr  bei  Leichenbegängnissen  in  der 
Reihe  der  Ahnenbilder  aufgeführt  werden  *). 

Auf  Grund   einer    lex  Biifrena  errichten    alle   italischen   Muui- 
zipien  Statuen  dem  L^ivus  Julius  "). 

22;  Ovid.  F.  III,  703  f.;  CIL  \\  p.  217  (F.  All.);  p.  244  (F.  Amit.)  u.  p.  248  (F.  Aiit.) 
haben  übereinstimmentl  den  18.  Juli.  Vgl.  Gilbert  Top.  III.  117  f.;  Huelsen  For.  Eom. 
(1904),  123  ft'.  (mit  Abbildungen  der  Münzen  und  einer  Rekonstruktion  des  Tempels) ; 
Aust  acd.  30;  Gardthausen  I,  475;  11,  .53  f.  u.  261 2-.     Nissen  Or.  Heft  3  (1910)  303. 

1)  Dio  XLVIl.  18,4:  ayaXua  avzov  iv  Talg  InjiodQOßlaig  ,«a9'  iTt(iOV  ' Aif(ioäta!ov 
intunov. 

2)  Dio  a.  a.  0.  f"  zt  vlx)/  n,-  t'/yyi/.Htj  notthv  —  ty.flvv)  aal  rtHrtCmi  n^ü^v  h^io/nij- 
vlag  tvf/joi: 

3)  Dio  XLA  II,  18.  b:  tu  r^  ytn'aia  uixov  /iaifnufoooiyrugy.ul  tv!}v/iovi(h'ft;  nuizag 
fOQzäL,fiv  >'/myxaaav — ;  Dio  fahrt  dann  fort  §0:  xal  avvtßuiri-  yroj  tv  zy  aiT>'/  iuxi-ya 
xal  za  \47io).Xü)VCia  yiyv8o9^ai  (13.  Juli!),  txl'tiiplaavzo  zfi  iiQOZiQalii  (12.  Juli)  zaytvioia 
(iydU.fa&ai,  wgxal  loylov  ztvdg  —ißvV.flov  nnayoQfiovzog  fojdeii  &hüv  röxf  7ih)v  zmlinö).- 
Xwvi  ioQzat,fiv.  Um  also  zu  verhüten,  dass  die  Geburtstagsfeier  mit  den  Apollinari- 
schen  Spielen  zusammenfalle,  wurde  beschlossen,  den  Festtag  Cäsars  vom  13.  auf  den 
12.  Juli  zu  verlegen.  Daher  erklärt  es  sich  denn  auch,  dass  in  der  sonstigen  Ueber- 
lieferung,  die  diesen  Beschluss  nicht  kannte,  irrtümlich  der  12.  Juli  als  Geburtsdatum 
angegeben  wird,  so  von  Macrob.  Sat.  I,  12,  34  und  Porphyrio  ad  Hör.  ep.  I,  5,  9  f. 
(fälschlich  auf  Cäsar  bezogen  statt  auf  Augustus;  s.  z.  J.  30  v.  Chr.).  Vgl.  die  In- 
schriften: CIL  1-,  p.  244  {F.  Am.)  z.  12.  Juli:  Fei:  quod  eo  die  C.  Caesar  est  iialiis; 
p.  248  {F.  A»t.)  z.  12.  Juli:  lüdi  ■  diiH- lul  ■  »atalis  ;  p.  229  {Fer.  Cum.)  z.  12.  Juli:  [,iu- 
talis  divi  Juli  supplicatio  Iov]i  •  Maiii  ■  Ultori  ■  Veneri  [Genetrici].  Mommsen  im  CIL  1  -, 
p.  321 ;  Wissowa  E.  w.  K.  241.  879 ;  Schmidt  Geburtstag  im  Altert.  (1908),  60.  Seit  diesem 
Vorgange  ist  die  fortlaufende  Feier  des  Geburtstages  der  Kaiser  auch  nach  ihrem 
Tode  stets  beschlossen  worden,  wenn  sie  als  divi  erklärt  wurden,  sonst  hörte  sie 
mit  dem  Tode  des  Herrschers  auf;  vgl.  Wissowa  a.  a.  0.  286. 

4)  Dio  XLVlI,  19,1:  zi/v  ijfAfQuv,  tv  y  itfovev&>i,  xvqIkv  äel  noze  i'tifjar  ßov/.r/s 
iyovaav,  Anoip^äöa  ivöiuauv ;  Gardthausen  I,  133. 

5)  Dio  XLVII,  19,2:  Atihtiov  ßiv  ßtjSeulav  elxüra  aizov,  xa&än^r)  OtoC  zirog  cos 
n).tj&ü>g  uvzoc,  iv  zaig  zibv  avyyevCov  avzov  ixcpo^aig  ne^nfaS-ai. 

6)  CIL  VI,  872  (=  I,  626)  u.  IX,  .5136:  Diva  (resp.  Deivo)  ■  Julio-iussu  \  pupidi  ■ 
Bomani  |  statuttwi  •  est  ■  lege  |  Rufrena.  Mommsen  bemerkt  zu  IX,  5136:  lam  iiitellegitiir 
lege  Biifrena  cautum  esse,  nt  diro  Julio  statvae  eollocarentur  per  omnia  Italiae  muni- 
cipia,  fortasse  etiam  cicos  celebriores .  Zu  der  im  Vatikan  befindlichen  Inschrift  {CIL 
1,  626)  hatte  er  vorher  vermutet,  Rufrenus  sei  vielleicht  derjenige  gewesen,  der  das 
Gesetz  bezüglich  der  Benennung  Cäsars  als  Divus  Julius  beantragt  habe.  Diese 
Vermutung  hat  jedoch  m.  E.  durch  Auffindung  der  beiden  andern  gleichlautenden 
Exemplare  alle  Wahrscheinlichkeit  verloren  und  es  bleibt  das  zu  IX,  5136  Gesagte 
bestehen.     Beurlier   (Essai,  p.  8)   und    Toutain   (Cultes.  26)    zeigen  sich  daher  nicht 

8 


Zur  Bcgründuiifj  <lvs  liimisc/icn  Kaisolcullcs.  137 

I.  J.  41/40  V.  Chr. 

Während  der  Behitferiiiig  des  L.  Antonius  in  l'erusiii  werden 
von  den  Soldiiten  Oktuvinns  Bleigeschosse  in  die  Stadt,  gesclileu- 
dert  mit  der  Inschrift:   Di  vom  Juli  um  '). 

Nach  der  Einnahme  dieser  Stadt  (nach  dem  1.  Jan..  vielleicht 
gegen  Ende  Februar  d.  J.  40)  ')  lässt  Oktavian  :)00  der  vor- 
nehmsten Perusiner  an  den  Iden  des  März  auf  den  sog.  urac 
Pcrusiuac  dem  Divus  Julius  opfern  '). 

Agrippa  nennt  die  von  ilim  erbaute  Wasserleitung  zu  Ehren  der  .lulier 
aqua  JuJia  *). 

I.  J.  3  7  V.  Chr. 

Der  von  Agrippa  im  (iolf  von  Neapel  angelegte  Hafen  wird 
zu  Ehren  der  Julier  purtus  Julius  genannt  *). 

I.  J.  36  V.  Chr. 

Kolonisten  gehen  nach  llhegiiun.  das  fortan  lUyiuiii  Julicnsc 
heisst ''). 

I.  J.  29  V.  Chr. 

Oktavian  gestattet  den  Römern  der  Provinzen  Asien  und  Bi- 
thynien,  dem  Divus  Julius  im  Verein  mit  der  Göttin  Roma  in 
Ephesus  und  Nikaia  je  einen  Tempel  zu  errichten  '). 

Zweiter  Teil: 

Der  Kult  des  M,  Antonius  und  S.  Pompeius. 

A.         M.  Antonius. 
M.  Antonius  rühmt  sich  seiner  Abstammung  von  Hercules  *"). 


genügend  unterricbtet,  wenn  sie  auf  die  erste  Vermutung  von  Mommsen  liin  ganz 
selbstverständlich  von  einem  Rufrenischen  Gesetze  reden,  dem  Cäsar  seinen  Namen 
Divus  Julius  zu  verdanken  habe.  Vgl.  Babelon  II,  46,  n.  97,  Münze  mit:  Pupul.  iussu. 
1)  CIL  I,  697  =  EpU.  ep.  VI.  p.  6.=  .  n.  77  f.  Vgl.  Beurlier  Essai.  9  ';  Gardthausen 
1,  208.  —  2)  Gardthausen  II,  97  ■». 

3)  Suet.  Aug.  1.5:  scribunt  qiddam  trecentos  ex  dediticiis  electos  utriusque  ordinis 
<td  aram  Dino  Julin  extructam  idihiis  Murtiis  liostiarum  mudo  macttitos;  Seneea  dem. 
I,  11,  1:  posi  I'erusinas  ara.t;  Vell.  II,  74:  Dio  XLVIII,  14,  8-4:  fjil  röv  /iw/jov  ziiv 
TW  KalouQi  Tü>  TiffOieQO)  ioano.uivov  u/ßivtn;  mniiq  xt  ryiaxoaioi  xcd  ßovltviitl  t'O.'/.Oi 
—  itiitnaav;' k^\i.  V,  48,  203.    Vgl.  Gardthausen  II,  94';  98 ^  Drumann  I-,  474  ff. 

4)  Dio  XLVIII.  23,  3;  Frontin  de  aquis,  9.  Nach  Gardthausens  (II,  608«)  ansprechen- 
der Vermutung  hat  Agrippa  den  Bau  als  Prätor  im  .J.  40  begonnen  und  als  Aedil  i.  J.  38 
vollendet. 

5)  Verg.  Geoi-f/.   II.  101  ff.   Fischer  Ä.  Zeiti.  :3.52;  Gardthausen  I,  2")7  ff.:   II.   l;M  ff. 
ö)  CIL  X,  .5:  Begiiiis  lulieHsibu.<. 

7)  Dio  LI,  20,  6  :  xai  Xf/Jtvii  zfj  rt  'Pvifij/  xal  zw  nazQi  ziö  Kaiaa^i,  ijowu  aiziiv 
^lov'uov  övofiaaa:;,  tv  TS  ''Eifäaio  xcd  iv  Nixai'rc  yfvta^ai  kipi/xiv.  Vgl.  Pinder  A.  Brl. 
Ak.  18.5.5,  608  ff. 

8)  Flut.  Atit.,  4:  ijv  öi  xcd  Äoyog  na'/.aiös  ' H()Ctx/.fi'äug  fiiat  zoig  ''Avzuji'iovg  rin' 
AvTajvoq   Tzcxiäög   'H(iax/.iov\;  yfyovözag.   xai    zoizov   oiizo  zöv  ?.öynv  z^  zs  uo(iip!j  zov 


138  Iluhrf  Ihhmu 

Niich  dem  27.  Nov.  48  v.  Chr. 

Antonius  lässt  durch  den  Miinzmeister  Livineius  Uej^ulus  Golihiiünzeii 
prägen,    auf  denen    seine    Abstammung    von    Hercules    synibolisili    durch 
Löwenfell  und  Keule  dargestellt  ist  '). 
I.  J.   42  V.  Chr. 

Er  lässt  sich   in  Ephesus    als  „neuen  Dionysos"  empfangen-). 
Seit  41  V.  Chr.  ä). 

Er  wird  in  Aegypten  als  Osiris  verehrt  *). 
Winter  39/38  v.  Chr.»). 

Er  tritt  in  Athen  als  neuer  Dionysos  auf ''). 
T.  .J.  33  V.  Clir. 

Er  wird  in  einer  ägyptischen  Inschrift  als  Gott  geehrt '). 
Vor  3U  V.  Chr. 

Kleopatra  errichtet  ihm  in  Alexandria  einen  Tempel  **). 

B.         S.  P  o  mp  e  i  u  s  "). 
Vor  36  V.  Chr. 

S.  Pompeius  rühmt  sich,  Sohn  des  Gottes  Neptun  zu  sein  '"). 
ötöußToc,  woTtfp  H(irjrai,  xai  xy  oto).^  ßtßaioi'v.  ''Ail  yng,  'öxi  //i/./.oi  ni.ttoaiv  ö(iäaSut-, 
ytxwva  ft?  nrjQov  t^wazo,  xnl  /näyaiQa  fityaXij  nctQt'jQTrjio,  xal  adyoc  TXfQiixfuo  twv  ari- 
(ifüjr;  vgl.  36:  ovTw  yoöv  vip'  'H^iax/.tovc  jf>;iw!H}i'(ii  ibv  uviov  iiQÖyovov:  Plin.  n.  h. 
VIII,  16  (21);  Cic.  ad  Att.  X,  IZ. 

1)  Borghesi  Oeuvr.  I.  329;  Biibelon  I,  168  f..  n.  32 (Lyon);  Cohen  I-.  p.  .")1.  u.  3  und  4. 

2)  Pkit.  Ant.  24:  ))  yh(>  ''Aoi'a  näau,  xuä^imif)  fj  —oifoxltnvg  txiivtj  nö/.tc.  vuov  uh' 
ÜVßitißaituv  eyißev,  Oßov  6s  naiäviov  re  xcd  aievayfiaxuiv.  Etc  yovv" Eipioov  flaiövxoq 
aixov  yvvuTxfc  fth  flg  Bäxy/xc,  av6(i(Q  6i  xal  naldeg  elg  S'ßTvpnve  xal  Ilävag  tjyovvxo 
önaxivrca liiroi,  xlxxov  öi  xal  &Viia(uv  xal  \pcü.xrjQiu)V  xal  avijlyytav  xal  aii.Cov  tj  Tid?.ig 
7jP  n/Ja,  diovvaov  avxbv  nvca:a).oviJ.ivujv  yuQiSuxtjV  xal  finh'yiov,  vgl.  Babelou  I,  179. 
n.  60.  61;  Cohen  I^  .53  n.  3;  Gardthausen  I.  234.  —  3)  Fischer  S.  Zeät.  336. 

4)  Vell.  II,  82,4:  cum  ante  )iocum  se  Lilieram  Pairem  appellari  iitssisset,  cum  re- 
dimüus  Jiedens  coronaqiic  celatits  aitrea  et  ihi/rsiim  tciieiis  cothi/nkqiie  succinctus  curru 
ccliit  Liber  Pater  recliis  esset  Ahxandreae.    Vgl.  Gardthausen  a.  a.  0. 

5)  Fischer  a.  a.  0.  346. 

6)  Ueber  seine  dion3-sischen  Gelage  im  Dionysostheater  berichtet  Athenaeus  IV, 
148,  b — c.  Vgl.  CIL  II,  482,  Z.  22  f. :  tv  xoig  ''Avxwvir/oic  toj.-  nra'a[&r]rmxol<;'Avxu/- 
i']!ov  Itfoü  vtov  dioviaov;  Gardthausen  I,  234  f.  428;  E.  Curtius,  Stadtgcsch.  r.  Athen 
(1891),  2.53;  Beurlier  £ssni,  11  f.  Damals  begingen  die  ."Vthener  die  kostspielige  Torheit, 
dem  neuen  Gotte  ihre  Schutzgöttin  Athena  zu  verloben,  wofür  Antonius  1  Million 
Drachmen  als  Mitgift  verlangte :  Dio  XLTIII,  39,  2. 

7)  Ti.  aich.  1866,  200  :  ''Avzcavioi'  /xeyav  \  ä/nl/jtjxov  ^ A(pQo6!atOi  \  nnfiuanoi  tüv 
kavtov  &foi'  I  xal  fvf ijytiijv  LlH^  xov  x[ai\  6  Xoiay  x§^\  Gardthausen  II,  173'. 

8)  S.  unten  (S.  14)  z.  J.  -30  v.  Chr. 

9)  Die  Krvrähnung  des  S.  Pompeius  hat  lediglich  den  Zweck,  das  Bild,  welches 
uns  die  Zeit  vom  Tode  Cäsars  bis  zur  Errichtung  des  Prinzipats  bietet,  zu  vervoll- 
ständigen; von  einem  wirklichen  Kult  kann  bei  S.  Pompeius  unter  keinen  Umstünden 
die  Rede  sein,  selbst  nicht,  wie  Gardthausen  (II,  160'°)  gegenüber  Cichorius  (R.  u. 
M.,  39)  mit  Recht  betont,  in  dem  sehr  pompejanisch  gesinnten  Mytilene. 

10)  App.  V,  100,416:  tSvf  //öi'ov  9a/.äaa^  xal  noaetSCnvi  Xal  vlbc  avxüir  t<fiaxaxo 
xaXttal^cti,  7rf(&ö.«£V05  ovx   avev  9eov  ölg  ovxtu  S-fpocc  nrainui  xov;  itn'/.fithv:.  ifaol  rf' 

10 


Zur  Bc(jriiniJtni(j  des  röiiiisrhoi  Kdi.scr/.ultcu.  139 

Dritter  Toil : 

Der  Kult  des  C.  Julius  Caesar  Octavianus  Augustus. 

l.  J.   44.  V.   Chr. 

Oktavian  gibt  öffentlich  seinen  Willen  kund,  nach  denselben  Kliren  zu 
streben,   wie  sie  sein  Adoptivvater  genossen  ' ). 

(20.  üezember)  Cicero  beantragt  im  Senate  in  übersclnvänglielHn-  Weise 
Ehren  für  ihn  -). 

Nach  dem  27.  Nov.  43  v.  Chr. 

Oktavian  läs.st  sein  eigenes  Bild  auf  Münzen  setzen '). 

Durch  den  Miinzmeister  L.  Livineius  Regulus  liisst  er  Münzen  prägen, 
auf  denen  seine  göttliche  Abkunft  durch  Aeneas  und  Anchi.ses  ange- 
deutet ist  *). 

I.  J.  42  V.  Chr. 

In  der  Schlacht  bei  Philippi  gelobt  er  dem  julischen  Stammvater  Mars 
(Ultor)  einen  Tempel  in  Rom  ''). 

nvxov,  i-Tiö  jiuvös  yavvovfitvov,  xcd  ti/I'  avft'/f^tj  zoig  cdzux(jiho(J<n  yj.u/tvda  ty.  (fOirixT/^ 
SQ  xvKvTjV  fttxaV.ä^ai,  tlonoioifiirov  ciga  {savxov)  xw  UoattdOiri;  Dio  XLVIII,  19,  2: 
T//?  Tit'pil  S^a/.äaarji;  ixpäitjoe,  do^av  xs  xtva  xcd  (pQÖvifixu  taq  xr.u  xoi-  TloaeidCDiog  Ticäg 
tj'>v,  oxt  näaijg  not'e  ö  naxijQ  aixov  xijg  &a?.daa>j:  yn^i  7i(joaiSfru.  V^'l.  Pliii.  11.  lt.  IX. 
16,  22;   Eckhel  VI,  27;  Babelon  II,  3.50;  BeurHer  Essai,  10  f. 

1)  Cic.  ad  Att.  XVI,  1-5,  3:  at  qitae  co>icio  —  nam  ut  mixxa  mihi  —  iiirat  „ita 
sihi  parentis  honores  consequi  Hceat",  et  simul  dextram  intendit  ad  statuam:  fiiiöh  aw- 
i}iirjv  vno  ys  xowvxovl  Vgl.  Ed.  Meyer,  Eist.  Zeitschr.  N.  F.  1903,  394  =  Kl.  Sehr. 
(1910),  4.52. 

2)  Cic,  Phil.  IV,  2,  4:  niitts  de  laudibiis  et  liovorihus,  (ßii  ei  pro  divinis  et  iiimor- 
talilnis  meritis  divini  iiimortalesqite  debentur,  mihi  se»atus  adsensiis  paiilo  ante  decrerit, 
itt  primo  quoqite  tempore  referretur;  vgl.  IV,  3,  6:  Caesar  feHur  in  caelum,  qui  contra 
tc  exercitiim  coiiiparacit.  Es  hat  natürlich  dem  Cicero  nichts  ferner  gelegen,  als  den 
jungen  Oktavian  nun  etwa  wie  Cäsar  durch  den  Senat  vergöttern  zu  lassen ;  solche 
Worte  aus  solchem  Munde  sind  nichts  mehr  als  eitel  Schmeichelei,  darauf  berechnet, 
dem  unerwarteten  Helfer  in  der  Not,  den  man  sonst  wohl  am  liebsten  ins  Jenseits 
befördert  hätte  (Cic.  ad  ftim.  XI,  21),  Mut  und  Vertrauen  einzuflössen.  Aber  es  pflegt 
doch  meist  so  zu  geschehen,  und  zwar  gerade  bei  bedeutenden  Männern,  dass  solche 
Lobhudeleien  von  gegnerischer  Seite  später,  wenn  sich  wider  Erwarten  die  Verhält- 
nisse wirklich  ihnen  entsprechend  gestaltet  haben,  von  der  grossen  Masse  gern  fest- 
gehalten und  gleichsam  als  ungewollte  Prophezeiung  angesehen  werden.  Wäre  es 
dem  Cicero  vergönnt  gewesen,  einen  Blick  in  die  Zukunft  zu  tun,  so  würde  er  wohl 
schwerlich  sich  solcher  Worte  bedient  haben. 

3)  Diese  Ehre,  che  dem  Diktator  erst  auf  dem  Höhepunkte  seiner  Macht  zuer- 
kannt worden  und  bis  dahin  den  Göttern  vorbehalten  gewesen  war,  hatte  Antonius 
sich  bereits  i.  J.  44  angemasst  (Plckhel,  VI,  36).  Seinem  Beispiele  folgten  dann  nach 
dem  Abschluss  des  Triumvirates  auch  Oktavian  und  Lepidus.  Vgl.  über  die  Münzen 
Oktavians  aus  dieser  Zeit  Eckhel,  VI,  72;  Gardthausen  I,  132. 

4)  Eckhel,  VI,  73 ;  Babelon,  H,  42,  n.  83 :  C.  Caesar.  III  rir.  r.  p.  c.  (s.  Kopf)  L.  liegidiis 
IUI  vir.  a.  p.  f.  (Aeneas  trägt  Anchises  auf  seinen  Schultern;  vgl.  Gardthausen  a.  a.  0. 

5)  Suet.,  Aug.,  29,  2 :  aedem  3Ittrtis  hello  Philippcnsi  pro  vttione  paterna  siiscepto 
uouerat;   Ovid,   F.,  V,  569:   roverat  hoc  iurenis   twic   cum  pia  sustulit  arma.     Schon 

11 


140  Hubert  Hciiicu, 

I.  .1.  41  V.  Chr. 

Vergil  preist  ihn  für  die  Erhaltung  seines  Gutes;    er  will  ihn 
als  Gott  verehren  und  ihm  einen  Altar  errichten '). 
I.  J.  40  V.  Chr. 

Oktavian  nimmt  im  Frieden  zu  Bruudi.«ium  den  Titel  Dhi  filiKS  an *). 
Er  feiert  im  Hause  der  Mallia  das  Zwölfgöttermahl,  bei  dem  er  selbst  als 
Apollo  auftritt^). 


Cäsar  hatte  den  Plan  gefasst,  dem  Mars  einen  Tempel  zu  errichten,  kam  aber  nicht 
mehr  dazu:  Suet.  Caes.  44,  1. 

1)  Vergil,  Ed.  I,  7 — 8:  nonique  erit  mM  semper  deus,  illitis  arain  saepe  teuer  no- 
stris  ah  orilibus  imbuet  agiius.  Die  1.  Ekloge  wurde  verfasst  i.  J.  41  (Schanz,  Gesch. 
d.  röm.  Lit.,  I,  2,  36).  Hier  haben  wir  das  älteste  Beispiel  eines  privaten  Kultes 
mit  Oktavian  als  Objekt,  von  dem  uns  die  Ueberlieferung  meldet,  und  vermutlich 
ist  es  auch  das  älteste  überhaupt.  Dass  Vergil  den  jungen  Cäsar  schon  so  frühzeitig 
in  dieser  Weise  als  Gott  verehren  konnte,  lässt  sich  einigermassen  begreifen,  wenn 
man  bedenkt,  dass  er  diesem  nicht  weniger  als  seine  ganze  Existenz  verdankte. 
Vgl.  Guiraud,  Äss.  pror..  •22:  Beurlier.  Essai,  49*:  Ed.  Meyer,  Hist.  Ztschr.  1893, 
400,  In  welcher  Form  dieser  Privatkult  vor  sich  ging,  sagt  der  Dichter  in  der 
selben  Ekloge  Vers  42  f, :  Ate  illmn  vidi  iureitem,  MeUhoee,  quotaiiiiis  bis  setios  ctti  nostra 
dies  altaria  fumant.  Wissowa  {Hermes.  XXX\^I  [1902],  1.57  ff.)  erblickt  darin  eine  An- 
lehnung an  den  hellenistischen  Herrscherkult,  also  an  den  Kulturkreis,  .aus  dem 
Vergils  Eklogen  ihre  Nahrung  ziehen";  der  Dichter  verdanke  die  Kenntnis  jenes  hel- 
lenistischen Brauches  wahrscheinlich  einer  dichterischen  Quelle  alexandrinischer  Zeit. 
Vgl.  Schmidt,  Geburtstag,  59  ff. 

2)  CIL  l-  p.  .50  {F.  triumph.)  z.  J.  40 :  Imp.  Divi.  f.  [C.  F.]  ■  III  rir.  r.  p.  c.  \  qiiod  ■ 
pacem  •  cum  •  Aiitoiiiu  ■  fecii.  Auf  Münzen  findet  sich  dieser  Titel  erst  seit  dem  Jahre 
38  V.  Chr.:  vgl.  Eckhel,  VI,  74;  Cohen  I  143  f.;  Babelon.  11,  57,  n.  51:  Imp.  Caesar. 
Diri.  Juli.  f.  R. :  M.  Agrippa.  cos.  desig.  Die  alte  Streitfrage,  wann  Oktavian  sieh  zuerst 
so  genannt  habe,  mrd  m.  E.  dadurch  ihre  Lösung  finden,  dass  wir  annehmen,  durch 
den  Vertrag  von  Brundisium  sei  zwischen  diesem  und  Antonius  bezüglich  ihrer  Stel- 
lung zum  vergötterten  Cäsar  ein  Einverständnis  erzielt  worden,  indem  Antonius  auf 
.\nraten  seines  Schwagers  das  Priestertum  Cäsars  antrat  (Plut.  Ant.  33).  während  er 
diesem  anderseits  den  Titel  Diri  filiiis  einräumte.  Eine  eingehende  Erörterung  dieser 
Fx-age  liegt  ausserhalb  des  Rahmens  dieser  Arbeit ;  ich  gedenke  sie  im  Zusammen- 
hange mit  dem  an  den  Divus  Julius  anknüpfenden  Problem  und  gleichzeitig  mit  au- 
dern  Studien  zur  Begründung  des  römischen  Kaiserkultes  demnächst  nachzuholen. 
Die  heute  fast  allgemein  angenommene  Ansicht,  nach  der  Oktavian  sich  seit  der 
offiziellen  Vergötterung  Cäsars  i.  J.  42  schon  Divi  filius  nennt,  ist  zuerst  aufgestellt 
worden  von  Mommsen  (vgl.  jetzt  StE.  ü'  [1887].  7.56'  ). 

3)  Suet.,  Aug..  70:  Ceiia  quoque  eius  secretior  in  fabulis  fuit,  quae  uulgo  äwdsxä- 
9iog  uocubatur :  in  qua  deorum  dearumque  habitu  discubuisse  conuiuas  et  ipsum  pro 
Apolline  ornatum  non  Antoni  modo  epistulae  siiigulorum  nomina  amarissime  enumerantis 
e.rprobrant,  sed  et  sine  auctore  noiissimi  uersus:  cum  primum  istoritm  condu.rif  mensa 
choragum  |  se.vque  deos  uidit  Mallia  sexque  deas,  |  impia  dum  Phoebi  Caesar  mendacia 
hidit,  1  dum  noua  diuorum  cenat  adulteria :  \  omnia  se  a  terris  tune  niimina  declinarunt, 
fugit  et  auratos  Juppiter  ipse  thronos  \  auxit  cenae  rumonm  summa  iunc  in  ciuitate 
peiiuria  ac  fames,  adclanuiiumque  est  postridie:  omne  frumentum  deos  comedisse  et  Cae- 
sarem  esse  plane  ApoUinem,  sed  Tortorem.  quo  nomine  is  deus  quadam  in  parte  urbis 
colebutur.    Die  hier  erwähnte   summa  penuria  ac  fames  scheint   auf  die  hauptstädti- 

12 


Zur  Ber/fiiii(hiii(i  des  nini/sriir»  Kaiserhiltes.  141 

T.  J.  30  V.  Chr. 

In  Rom  wird  ihm  zu  Ehren  beschlossen,  den  Tag  seines  Sieges  über 
S.  Pompeius  auf  ewige  Zeiten  als  FesUag  zu  begehen  '). 

Oktavian  wii-d  von  den  italischen  Stallten  ncbin   iliren  Scliiitz- 

göttem  verehrt  '). 

Um  diese  Zeit  dichtet  Vergil   das  erste  Buch    seiner  Gron/im, 

in  dem  er  dem  Oktavian  die  Apotheose  voraussagt ''). 
I.  J.  31  v.  Chr. 

Der  Tag  des  aktischen  Sieges  wird  zu  Ehren  des  Oktavian  unter  die 
feriac  piiblicae  aufgenommen  ^). 
I.  J.  30  V.  Chr. 

Der  von  Kleopatra  zu   Ehren   des  Antonius  in   Alexandria  be- 


sehen Verhältnisse  der  Zeit  kurz  vor  dem  Vertrag  von  Miseiium  (39  v.  Chr.)  anzu- 
spielen: Liv.  e^M*.  127:  Vell.  IL  77;  vgl.  Gardthausen  I,  220 f.;  494;  867.  Drumann  IV,  228 
nennt  dies  eine  von  Antonius  und  andern  Gegnern  ausgestreute  Verleumdung.  Wie  dem 
auch  sei,  welche  Schuld  auch  den  Oktavian  selbst  an  der  Möglichkeit  solcher  Ge- 
rüchte trift't,  wesentlich  ist  es  für  uns,  dass  in  der  öffentlichen  Meinung  die  Bezie- 
hungen des  Oktavian  zu  Apollo  so  früh  schon  eine  derartig  konkrete  Gestalt  annahmen. 

1)  Dio  XLIX,  1-5,  1  (z.  J.  36):  xal  tu  zij  iißtQa  iv  y  ii'svixt'/xft,  leQO/urjvifi  alälw 
Ovar/;  App.  V,  130,  541:  ix  äe  Twv  sil>/j(piafiifu>v  xiuüiv  ^öiyfjo  no/tnyv,  tTtjaiöv  TS  ifgo- 
/itjviav  eivai,  xa!f  «?  tifdgag  ivi'xa.  Der  Tag  des  Sieges  und  seiner  jährlichen  Feier 
warder  3.  September:  CIL  I-,  p.  214  {F.  Arv.)  z.  3.  Sept.:  Feriae.  et  supplhationes  \ 
aä.  omnia.  pvlvinaria  |  q.  e.  d.  Caesar.  August,  in  Sicilia  vicit;  CIL  I-,  p.  244  {F.  Am.) 
7..  3.  Sept.  (fälschlich  des  Jahres  39);  vgl.  Gardthausen  1,28.5.  Caligula  verbot  diese, 
wie  auch  die  spätere  aktische  Feier:  Suet.  Cal.  23. 

2)  App.  V,  132,  .")4fi :  xal  //>'  ö  Kcäoaf)  tVcuv  6?  töte  uxtio  xul  tl'xoai,  xal  airnv  ai 
nof.etg  toi?  aifetegoig  9fois  avvlÖQOvv.  Dieselbe  Ehre,  welche  die  italischen  Städte  dem 
Diktator  i.  J.  44  auf  Befehl  Roms  erwiesen  (s.  o.  zum  Jahre  44  unter  9)  Hessen  sie  acht 
Jahre  später  seinem  Adoptivsöhne  freiwillig  zukommen.  Das  eine  wie  das  andere  Mal 
haben  wir  es  mit  einem  regelrechten  Kult  zu  tun,  und  wenn  man  bedenkt,  was  Oktavian 
durch  Besiegung  des  Pompejus  und  Unterdrückung  des  Sklavenaufstandes  für  Italien 
speziell  geleistet  hatte,  so  wird  man  zugeben,  dass  dieser  italische  Oktaviankult  noch 
besser  begründet  war  als  der  Cäsars.  Vgl.  Drumann  IV,  268 :  anders  O.  Hirschfeltl 
837^';  Gardthausen  I,  467. 

3)  Vers  24 f.:  tuq^ie  aäeo,  quem  wiox  qiiae  sint  hahitunt  deorum  |  cnnciliii,  incertum 
est,  urbisne  invisere,  Caesar,  ff.  Der  Dichter  kennt  noch  nicht  den  Machtbereich,  in 
dem  Oktavian  dereinst  als  Gott  seine  Herrschaft  ausüben  wird;  die  offizielle  Apo- 
theose wird  aber  einmal  erfolgen  und  bis  dahin  möge  Oktavian  sich  mit  einem  pri- 
vaten Kult  begnügen: 

Vers  40  ff. :  da  facihm  cursum  atque  audacihus  iidiiue  coi'plis  \  igniirosque  viae  nie- 
citm  miseratus  agrestis  |  ingredere  et  votis  iam  nunc  adsucsce  vncari.  Guirauds  {Ass. 
}>rm\  22  f )  Auslegung  der  Verse  24  und  2.5  widerspricht  seiner  kurz  vorher  geäusserten 
Auffassung  der  Verse  6 — 9  und  42 — 43  der  ersten  Ekloge.  Richtiger  urteilt  m.  E.  schon 
Beurlier,  14* ;  s.  oben  S.  12  Anm.  1).  Die  künftige  Vergötterung  erwähnt  Vergil  ferner 
Bueol.  I,  .503:  iam  pridem  nobis  cneli  te  regia,  Caesar,  \  invidet  atque  hominum  queritur 
curare  triumphos,  und  III,  13:  (10:  modo  vita  supersit)  et  viridi  in  campo  templum  de 
marmoi'e  ponam. 

4)  CIL  l\  p.  294  (F.  Aw.)  z.  2.  Sept.;  CIL  1-,  p.  214  (F.  Arv.)  ■/..  2.  Sept. 

13 


142  Hidni  llcinen, 

gonueue  Teiujiel  wird  als  Tcnijiel  dos  Oktavian  weiter  gebaut'). 
Die  Aegypter  nennen  den  Stern  Cauopus  zu  Ehren  des  Oktavian 
Kaisaros  fJirouos  ^). 


1)  Der  Tempel  des  Antonius  (vgl.  über  diesen  Nissen,  Or.  HeftT  [1906],  99)  wird  er- 
wähnt bei  Dio  LI,  1.5,  .5:  'AvTv>.?.og  fthv  —  ig  tu  xov  nazQog  avtov  rjpihor,  i)  ij  lO.fo- 
jiäzQU  i:i(non'jxfi,  xazatpvywv,  ciHvc  iaif.iiyij.  (Gardthausen  II.  173'°  bezieht  jedoch  diese 
Worte  auf  das  Heiligtum  des  Julius  Cäsar  auf  Grund  einer  Stelle  bei  Suet.,  Aug.  17: 
Aiitonium  itirenem  simulacro  Din  Juli,  ad  quod  —  coufugerat,  ahreptum  mteremit.  Allein, 
selbst  wenn  Sueton  Recht  haben  sollte,  so  bleiben  doch  Dios  Worte  unzweideutig; 
er  hat  sich  dann  höchstens  in  dem  Tempel  geirrt).  Vgl.  Gardth.  I,  344.  Seine  Voll- 
endung für  Augustus  berichtet  Suidas  Lexil:  (Bekker,  47.5)  s.  u.  ^ju/fpyoi':  (Kleopatra) 
''Arzioviu)  ftsyav,  vaJifQ  ovv  fjf/ifQyos  äiifÄelcpä^tj,  rw  —ißaazu)  di  irf'/.iafhj.  Philo  v.  Alex., 
De  kM.  et  legat.  ad  Gaium,  1,  9.  p.  794  nennt  ihn  StßctatfTov  —  'EnißcmiQi'ov  KaiaaQOg  i'ttbr, 
und  sagt,  dass  ihm  kein  Tempel  auf  der  Erde  an  Pracht  gleichkomme.  Strabo  XVII,  1,  9, 
p.  794  dagegen  spricht  von  einem  Kawripiov  und  ähnlich  Plin.,  n.  h.,  XXXVI  von 
einem  templuni  Caesaris.  Allein  diese  Ausdrücke  können  nicht  verfangen,  da  wir  ja 
wissen,  dass  Augustus  bei  den  zeitgenössischen  Schriftstellern  stets  und  auf  ägyp- 
tischen Münzen  meist  liaiaaQ  genannt  wird.  Wurde  doch  selbst  in  Benevent  dem 
Augustus  ein  Caesareum  gebaut  (CIL  IX,  15.56),  um  von  andern  zu  schweigen.  Von  den 
Schift'ern  wurde  Augustus  als  Sebastos  Epihaierios  Kuisar  verehrt.  Vgl.  Gardthausen 
II,  456  ".  Das  Bedenken,  das  hiergegen  von  Mommsen  (Eph.  ep.  IV,  p.  27),  geäussert 
wurde,  wird  beseitigt  durch  Suet.  Aug.  98,  2 :  Forte  Puteolaiium  sinum  praetervehenti 
(sc.  Äugusto)  uectores  »aulaeque  de  naui  Ale.randrina,  quae  iantum  quod  appulerat, 
candidati  coroimtique  et  tura  libentes  faustn  omina  et  eximias  laudes  cangesserant:  per 
iUum  se  uinere,  per  iUum  nauigare,  Uhertaie  atque  fortunis  per  illum  frui.  Vgl.  Ne- 
routsos-Bey,  L'ancienne  Alexaiidrie,  Paris  1888;  Beurlier.  Essni,  12  f.  und  24; 
W.  Otto.  Frie.''ter  und  Tempel  im  heUenistischeii  Aegi/pten,  II  (1908),  278*.  Die  end- 
gültige Einweihung  des  Tempels  erfolgte  wahrscheinlich  erst  i.  .T.  12  v.  Chr.  (wa,s 
sich  wegen  seiner  Pracht  [Philo  v.  Alex.  a.  a.  0.]  ja  wohl  begreifen  Hesse),  und 
zwar  gleichzeitig  mit  der  Aufstellung  zweier  Obelisken  durch  den  Statthalter  P.  Ru- 
brius  Barbarus:  Eph.  ep.  V,  p.  2,  n  S.  Jedenfalls  haben  wir  hier  den 
ersten  Tempel  überhaupt  vor  uns,  der  für  den  Sohn  Cäsars  er- 
richtet worden  ist.  Man  hat  gemeint,  dieser  Tempel  habe  nicht  dem  Oktavian 
allein  gegolten,  sondern  neben  ihm  auch  der  Göttin  Roma.  Ich  möchte  bezweifeln, 
dass  auch  hier  die  Worte  des  Tae.  Ann.  IV,  52  {templa  quamris  seiret  etiam  procuii- 
stdibus  deeerni  solere.  in  mdhi  tarnen  })roi>i)ieia  iiisi  communi  suo  Bomaeqiie  nomine 
recepit)  statthaben;  denn  einmal  nimmt  doch  Aegyi)ten  unter  allen  Provinzen  des 
römischen  Reiches  eine  besondere  Stellung  bezüglich  des  Herrscherkultes  ein:  hier 
war  der  neue  Herrscher  von  Anfang  an  ein  wirklicher  Gott,  ob  er  wollte  oder  nicht, 
und  diese  Tatsache  wird  sich  Oktavian  auch  gegenüber  dem  alexandrinischen  Tempel 
vor  Augen  gehalten  haben;  dann  aber  auch  war  damals  seine  Entscheidung,  wie  er 
sie  hinsichtlich  seiner  Verehrung  in  Asien  offiziell  traf,  noch  nicht  gefallen ;  und 
schliesslich,  weshalb  sollte  er  gezögert  haben,  einen  Tempel  anzunehmen,  der 
bereits  für  einen  Antonius  begonnen  worden  war?  Wir  werden  deshalb  gut  tun, 
vorläufig  an  der  oben  geäusserten  Ansicht  festzuhalten,  und  daran  hindert  uns  auch 
nicht  der  rein  griechische  Charakter  dieses  Tempels.     Vgl.  W.  Otto  a.  a.  0..  280 '. 

2)  Plin.  n.  h.  II,  178 :  nee  canopum  fcernitj  Italia  et  quem  vocont  Bereniiis  crinem, 
item  quem  .sub  diro  Augusto  eognominavere  Caesaris  thronon;  vgl.  dazu  Nissen,  Or. 
Heft  I  (1906).  99  f.  nach  dessen  Ansicht  es  gerade  der  Canopus  ist,  der  früher  bereits 
Ptolemaeon  hiess  und  nun  mit   dem   Tode   der   letzten  Vertreterin    dieser   Dynastie 

U 


Zxr  B('(iviindu\ui  des  röiiüsr/icn   Kdisrrliiil/rs.  143 

Oktavian    besuclit    in  Alexiiiiilria    das  (Jrab   Aloxanders  d.  Gr. 
iiiid  verelirfc  dessen  Leichnam  ^). 
In    Rom   werden  dem   Oktavian  foltjendo   Khron  zu(;rkaimt: 

1.  der  Todestag  seines  Gegners  Antonius  soll  als  Staatsfesttag  gefeiert 
werden '") ; 

2.  dreierlei  Gelübde  sollen  fortan  für  Oktavian  vei'anstaltct  werden, 
und  /war 

a)  regelmässige:  a)  jälirliche,  zu  Beginn  eines  jeden  Jahres,  wie  für 
das  Heil  des  Staates  (rofum  pro  rci  piihJinic.  saJiifc),  so  auch  jiro 
Salute  principis  ^) ;  ^)  vierjährige,  pro  hiipcrutore  Caesnris,  in  deren 

eiligst  nach  dem  Cäsar  umgetauft  wurde.  .Sehnlich  haben  die  Aegypter  ihre  beste 
Papyrussorte  nach  Augustus  benannt  (vgl.  Gardthausen  I.  4.58;  Plin.  n.  h.  XIII,  12,  7)  und 
ebenso  entspricht  es  der  ägyptischen  Gepflogenheit,  wenn  wir  späterhin  einen  alex- 
andrinischen  Fluss  Sebaston  nennen  hören  (£;/)/(.  p;j.  VII  [1892],  448;  TiL  III,  1204G: 
R.  arch.  [4.  .serie]  VI  [1905],  191,  n.  39).  Ueber  den  offiziellen  Titel  des  Augustus  in 
Aegypten  a.  Mommsen  B.  Gesch.  V"",  465';  Gardthausen  11,241".  In  den  ägyptischen 
Städten  pflegten  Priester  mit  dem  Titel  „Propheten  des  Kaisar'  seinen  Kult;  s.  Krall, 
Wien.  Stud.  V  (1883),  315  f.  An  dieser  Stelle  sei  ein  Aufsatz  von  W.  Otto,  Augic.Uus 
Sdler  im  Hermes  45  (1910)  3.  Heft,  448  ff.  erwähnt.  In  Greek  papyri  in  the  Brit.  Mus. 
Vol.  III  (1907),  80,  Z.  115  und  118  werden  Aecker  des  Dorfes  Kvokodilopolis  bei 
Ptolemais  (U.  Wilcken,  Arch.  f.  Pap.-forsch.  4  (1908),  534  ff.)  als  ih-ifijo)(uhm)  nn  ,«f- 
{ylatm)  Otiht  ^cDtTjOi  bezeichnet  (aus  d.  J.  47  n.  Chr.).  Otto  sucht  nun  nachzuweisen, 
dass  unter  dieser  Gottheit  der  Augustus  Soter  zu  verstehen  sei,  dessen  Knlt  mit  der 
Vernichtung  der  Ptolemäerherrschaft  (30  v.  Chr.)  an  Stelle  desjenigen  des  Ptolemaios 
Soter  getreten  sei;  in  Ptolemais  habe  man  die  Ausgangsstelle  des  ägyptischen  Au- 
gustus Soter-Kultes  zu  sehen.  Es  sei  fei'ner  wahrscheinlich,  dass  der  Monatsname 
Soter  für  den  Pagni  (26  Mai  bis  25.  ,Tuni)  i.  J.  26/5  gelegentlich  der  Kalenderrefomi 
zu  Ehren  des  Augustus-Soter  geschaffen  worden  sei.  Unabhängig  von  Otto  kommt 
nun  Gerh.  Plaumann,  Ptolemais  in  Oherägijpten  in  Leips.  Hisl.  .IWi.  Heft  XVIII  (1910). 
51  (88  ff.),  zu  dem  Ergebnis,  dass  es  in  Ptolemais  einen  „Kult  des  0tög  ^laxi/Q  als 
Stadtgründer  neben  den  dynastischen  Kulten  der  Ptolemäer"  gegeben  habe.  Beide 
Ansichten  haben  vieles  für  sich:  eine  Entscheidung  vermag  ich  nicht  zu  treffen. 

1)  Dieses  Ereignis  und  die  dabei  von  Oktavian  gesprochenen  Worte,  er  habe  den 
König  (Alexander)  und  keine  Toten  (die  Ptolemäer)  sehen  wollen  (Suet.  Aug.),  haben 
bisher  die  verschiedensten  Deutungen  erl'aln-en.  Vgl.  Kornemann,  98.  Ihren  wirk- 
lichen Sinn  werden  wir  bei  ihrer  Orakelhaftigkeit  wohl  kaum  je  ergründen.  Sollte 
man  sie  aber  als  Beweis  für  die  Herleitung  des  römischen  Herrscherkultes  aus  dem 
des  hellenistischen  Ostens  benutzen  wollen  so  möchte  ich  meinerseits  betonen,  dass 
ihnen  damit  eine  Bedeutung  beigemessen  wird,  die  ich  wirklich  incht  darin  finden 
kann.     (W.  Otto,  Hermes  45  [1910],  449  3). 

2)  Dio  LI,  19,  2;  iv  tj/  i/y?  ayyf?.lag  {^)  TT/:;  rUr^q  fifitQa  hoofiijviur  tivai.  Antonius 
gab  sich  den  Tod  am  1.  Aug.  (Oros.  IV,  19,  16),  und  dieser  Tag  wurde  denn  auch  in 
Rom  gefeiert  (CIL  I-,  p.  244  [F.  Avi.]  z.  1.  Aug.:  Ferine  ex  s.  c.  q.  e.  d  imp.  Caesar 
Diri  /'.  rem  pulilic.  tristissimo  pericuJo  liherat;  p.  214  [F.  Arv.]  z.  1.  Aug.).  Die  An- 
gabe Dios  ist  mithin  falsch,  denn  sonst  hätte  das  Fest  etwa  um  einen  Monat  später 
fallen  müssen :  möglicherweise  aber  verwechselt  er  nur  die  Feier  des  aktischen  Sieges 
(2.  Sept.)  mit  der  über  den  Tod  des  Antonius.     Vgl.  Wissowa  R.  m.  K.,  378. 

3)  Dio  LI,  19,  7:  toi5?  ts  legeag  xal  zii(;  ifpfi'cQ  iv  rnTi  vnfp  Tf  tov  {h'j/xov  xctl  t^; 
ßov?.7/g  fi'j^aic  xal  vnSQ  ixeivov  dixolwg  sv/^saDai  —  ixh>.svanv.    Dio   spricht   hier  unge- 

15 


144 


Hiihnt  llc'nicn. 


Folge  von    den  Konsviln    \\\v\    den    vier   höchsten   Priesterkollegien 
Imll  quhiquciuxdes  gefeiert  wurden  ') : 


nau  nur  von  den  Priestern,  ebenso  wie  im  folgenden,  wir  wissen  jedoch  von  ihm 
selbst  (LIX,  3,  4),  dass  auch  die  Magistrate  daran  beteiligt  waren ;  vgl.  auch  Plut. 
Cic.  2  (s.  u.);  Suet.  Aug.  57:  otnnen  ordines  in  larinn  Curti  quotamüs  ex  voio  pro  sohlte 
eius  stipem  iaciebatit.  Der  Tag  dieser  nach  dem  Beispiele  Cäsars  (Die  XLTV,  ß)  ein- 
gerichteten vota  war,  wie  man  aus  Bio  entnehmen  kann,  anfänglich  der  1.  Jan.; 
später  —  nachweislich  seit,  38  n.  Chr.  —  wurde  dafür  ein  besonderer  Tag,  und  zwar 
der  3.  Jan.  festgesetzt,  da  der  2.  als  jiofitrirhmnus  nicht  in  Betracht  kam:  CIL  I-, 
p.  2.5G  (3.54  n.  Chr.).  Plut.  a.  a.  0. :  r/ftseci  rghij  xwv  vewv  KcdaväCbv,  tv  ?)  vvv  ol  riQyor- 
reg  fv/nviai  xal  9vovaiv  insQ  rov  fiye/^övog;  Gaius  Dig.  L,  16,223,  §  1.  Vgl.  CIL  T-, 
p.  305;  Marquardt  III %  266 f.;  Preller- Jordan  II-,  439  (P,  182);  Mommsen  St.  B.  U\ 
811;  Wissowa  B.  u.  K.,  381';  A.  Müller  Fhilol.  N.  F.  XXII  (1908).  470  f. 

1)  Mon.  Aue.-.  Kap.  IX,  Z.  8—13  (der  griechische  Text  ist  vollständig  erhalten, 
während  der  lateinische  zahlreiche  Lücken  aufweist):  li/äg  vni^  xT/q  i/^r/c  awTrjpi'aq 
nia'/.rifißuren'  \  öiä  tü>v  inärwi'  xai  ifjjf'wr  xuS'  exaaxtjv  TisvjEztjQlöa  irptjifiaaTO  ij  aiv- 
xlrjzoc-  ix  xoi.xiov  xü>v  evyCov  nluaxaxtq  iysvovzo  i^sttt,  |  xoxh  fthv  ix  xT/g  avvuQyJag  xCov 
xiaaäowv  IcQiwv,  xoxs  ds  vno  xwv  vJiäxwv,  danach  und  mit  Hilfe  des  noch  Erhaltenen 
ergänze  ich  den  lateinischen  Text  abweichend  von  Mommsen  folgendermaßen:  [Vota 
pro  Salute  mea  nt  ficretit  per  cons]iiles  et  sacerdotes  qtt[into]  \  qu[oquf  anno  senatm  decre- 
rit.  E  quibus]  votis  s[ae]pe  fecerunt  vivo  \  me  [hidos  dliquotiens  sacerdotu]m  quattuor 
amplissima  coUe[gia.  aliquotiens  consules].  Dio  LI.  19.2  (z.  J.  30):  xal  nart'tyvQiv  o\ 
nfvxfxtjplött  nyia&ai  (eyvwacti').  Unter  den  im  Mtm.  Anc.  erwähnten  quatluor  amplissima 
collegia  sacerdotiim  sind  zu  verstehen  die  iiontifices,  aiigures,  XV  vin  s.  f.  und  VII 
viri  epidoiies  (Dio  LIII,  1.  5),  die  in  der  angegebenen  Reihenfolge  mit  den  Konsuln 
in  der  Leitung  der  Spiele  abwechselten.  Sie  fanden  iium  erstenmale  statt  i.  J.  28 
V.  Chr.  unter  der  Leitung  der  Konsuln:  Dio  LIII,  1,4:  z^v  navr/yvQiv  xtjv  inl  ztj  vixy 
rii  :i(tög  xv>  'Axzioj  (?  vgl.  Dio  z.  J.  30)  i)'>j<fia9Hoav  i'iyayfv  (d.  h.  Augustus,  der  aber 
wohl  schwerlich  selbst  mitbeteiligt  war)  ftezn  xov  \iy(ii7niov,  xal  iv  aiz/j  xt^v  mno- 
Sqouiuv  üiü  Tf  xCor  nniSiov  xal  6ia  xüiv  AvSqCov  xijjv  fvyivüiv  inoltjof.  Demnach  wurden 
sie  veranstaltet: 

von  den  pontifices  1 


zum  2.  Male  i.  J. 


augures 
XV  viri: 


V     5.      „ 

,    .   12. 

,     VII  riri 

,     6.      , 

r    ,     8, 

,     consules 

7. 

,       :.        4. 

,     pontifices 

r        8.          , 

,    .     1  n.  Chr    . 

,     augures 

,     9.      , 

,     -     5   ,      , 

.     XV  viri 

.  VI     . 

.     -     fl   .      .       . 

.      VII  viri: 

(Plin 
divi 
Q.  S 

.  11.      , 

,    ,   13  .     ..     . 

.     consules. 

(Dio  LIV,  19,  8:  xal  7itiT(x>j(>läci  xT/g 
i'iQ/Tjg  ("?  vgl.  die  vorige  Stelle  und  oben) 
ßi'ToO  SitWQXaaav ,  xov  \AyQtnnov,  iv 
yäg  xoTq  ntvxexalSexa  itvßQÜaiv,  o'ig  ix 
zT/g  niQiXQOTiTjg  tj  öiolxijatg  ctvTJjg  ijii- 
ßal/.fv,  (fpüiTO  öik  xCbv  isQiwv  ävalü)- 
acn-zog:  vgl.  CIL  VI,  877). 


.  n.  h.,  VII,  48,  1.58:  ludi  pro  salutr 
Augusti  votioi  celehrati  C.  Poppaeo 


IG 


Zur  Begründmui  des  römische».  KaiserhiUes.  145 

b)  aussergewöhnliclie,  über  deren  Notwendii^kcit  von  Fiill  zu  Fall  ent- 
schieden werden  konnte  '); 
3.  sein  Geburtstag  soll  als  ötfontliclier  I^'csttag  gefeiert  werden  ^). 


Ueberschätzung  des  Berichtes  von  Dio,  der  die  Leitung  dieser  Spiele,  ebenso  wie  bei  den 
Jahresgelübden,  den  vier  Priesterkollegien  allein  zuweist  (LIII,  1,  5),  obwohl  er  selbst 
kurz  vorher  gesagt  hat,  die  Spiele  des  .).  28  seien  von  den  Konsuln  veranstaltet 
worden.  Ueberhaupt  ist  Dio  iu  dieser  ganzen  Frage  sehr  unzuverlässig  und  wider- 
spruchsvoll. Ausserdem  zwingt  auch  die  von  Mommsen  im  Mon.  Atic.  (s.  o.)  ge- 
gebene Ergänzung:  (diqitotiens  consule.t  zu  der  Annahme,  dass  die  Konsuln  sicher 
mehr  als  einmal  eingetreten  sind. 

Eine  andere  Frage  ist  die,  wofür  und  wem  zu  Ehren  die  Spiele  gefeiert  wurden. 
Dio  bezieht  sie  einmal  auf  den  aktischen  Sieg  (LIII,  1,  4),  dann  aber  auf  den  Prin- 
zipat des  Augustus  (LIV',  19.  8).  Das  ist  ein  offenbarer  Widerspruch,  für  den  ich  trotz 
der  von  Mommsen  (a.  a.  0.)  herangezogenen  Münzen  des  C.  Antistius  Vetus  keine 
andere  Erklärung  zu  finden  vermag,  als  dass  Dio  sich  über  die  ganze  Sache  über- 
haupt nicht  klar  war.  üeber  den  Zweck  der  Spiele  werden  wir  aber  hinreichend 
belehrt  durch  Augustus  selbst;  bei  ihm  heisst  es  nach  meiner  Ergänzung  (s.  o.):  vota 
pro  Salute  mea  (die  Mommsensche  Ergänzung  füllt  die  Lücke  nicht,  ist  sprachlich  in- 
korrekt und  gibt  den  griechisclien  Ausdruck  awTijQi'a  nicht  wieder),  mithin  waren 
auch  die  Spiele  ludi  pro  salute  Caesaris.  Sie  wurden  gefeiert  zu  Ehren  des  Juppiter, 
wie  uns  die  Münzen  des  L.  Mescinius  Rufus  zeigen:  (vom  Jahre  16  v.  Chr.)  J(ovi) 
o(piimü)  iii{a,Tvmo)  s(enatus)  p(opuhis)  q{ue)  R(omanus)  v{ota)  s{uscepit)  pr(o)  s(alute)  im- 
p{eratoris)  Cae{saris).  quod  per  eu(m)  r{es)  p(ubKca)  in  amp{liore)  atq{ue)  tran(quilliore) 
s{tatu)  est  (Cohen  P,  p.  129  n.  462):  vgl.  andere  Münzen  bei  Mommsen  a.  a.  0.,  42, 
Anm.  1. 

1)  Marquardt  Iu-,  268.  Hierhin  gehören  zweifelsohne  die  Gelübde  für  die  Gesund- 
heit {pro  valetudine)  und  für  die  Rückkehr  {irro  reditu)  des  Kaisers.  Die  ersteren  wurden 
z.  B.  veranstaltet  i.  J.  16  v.  Chr.,  wie  uns  die  bereits  erwähnten  Münzen  des  C.  An- 
tistius Vetus  lehren:  (opfernder  Priester  vor  einem  Altar):  pro  valetudine  Caesaris 
s.  p.  q.  B.  (Cohen  P,  110  n.  343);  (opfernder  Apollo):  Apollini  Actio  (Cohen  P^ 
111  n.  349).  Dass  Apollo  hier  —  und  auch  wohl  sonst  bei  den  Gelübden  für  die 
Gesundheit  des  Cäsar  —  der  Empfänger  ist,  kann  nicht  befremden.  Im  J.  16  v.  Chr. 
trat  Augustus  eine  längere  Reise  nach  dem  Westen  an,  um  Rache  zu  nehmen  für  die 
Niederlage  des  Lollius.  In  banger  Erinnerung  an  die  schwere  Krankheit,  die  ihn 
während  seines  letzten  Aufenthaltes  in  diesen  Gegenden  befallen  hatte,  begnügten 
sich  die  Römer  nicht  damit.  Gelübde  für  seine  Rückkehr  zu  veranstalten,  sondern 
auch  für  seine  Gesundheit,  und  zwar  dem  Gotte,  der  ihn  einst  aus  der  grössten  Ge- 
fahr errettete,  dem  aktischen  Apollo.  Diese  Gelübde  {pro  valetudine)  mit  den  vier- 
jährigen identisch  zu  erklären,  steht  m.  E.  auch  noch  folgendes  im  Wege:  es  steht 
zwar  fest  und  war  in  Rom  jedem  Kinde  bekannt,  dass  die  Gesundheit  des  Kaisers 
recht  viel  zu  wünschen  übrig  liess.  trotzdem  aber  —  oder  vielmehr  gerade  deshalb  — 
musste  es  für  beide  Teile  etwas  Peinliches  an  sich  haben,  wenn  sich  der  Senat  bereits 
i.  J.  30  verpflichtet  hätte,  alle  vier  Jahre,  gleichgültig,  ob  ein  direkter  Anlass  dazu 
vorlag  oder  nicht,  für  die  Gesundheit  des  Kaisers  Gelübde  zu  veranstalten.  Das 
hiess  denn  doch,  den  „Sohn  des  göttlichen  Julius"  allzu  deutlich  an  seine  mensch- 
lichen Gebrechen  erinnern.  —  Gelübde,  bezw.  Spiele  pro  reditu  sind  seit  dem  Be- 
schlüsse stets  veranstaltet  worden,  wenn  der  Kaiser  in  die  Provinzen  aufbrach,  bezw. 
aus  ihnen  wieder  heimkehrte.     Der  Anfang  wurde  gemacht  gleich  i.  J.  29  (siehe  dazu). 

2)  Dio  LI.  19,  2  (z.  J.  30):  ev  it  to«;  yevfO^/Joig  ccvTOv  —  'ifQOfxrjvlav  sii-ru.  Für  das 
Datum:  Suet.  Aug.  5;  CIL  P,  p.  215  {F.  Arv.)  z.  23.  Sept.:   F.  ex.  s.  c.  q.  e.  d.  imp 

Klio,  Beiträge  zur  alten  Geschichte  XI  2.  IQ 

17 


146  Hubert  Meinen, 

Im  Osten  des  Reiches  wurde  dieser  Tag,   ausser  bei  seiner  jähr- 
lichen, auch  bei  seiner  monatlichen  Wiederkehr  gefeiert  ') : 
4.  bei  allen  Gastmählern,  den   privaten  sowohl,    wie  den  öffentlichen. 
soll  ihm  eine  Spende  dargebracht  werden  -) ; 

Caesar.  Aug.  pont.  ma[x].  natns  est.  Marti  Neptuno  in  campo  Apollini  ad  theatrum 
Marcelli;  CIL  l\  p.  225  (F.  Mag.)  z.  23.  Sept.;  CIL  P.  p.  229  {Fer.  Cum.)  z.  23.  Sept.; 
CIL  V-,  p.  240  (F.  Vall.)  z.  23.  Sept.;  CIL\\  p.  272  {F.  Phil,  3.54  n.  Chr.),  z.  23.  Sept. 
Vgl.  Mommsen  St.-B.  IP,  812  und  CIL  I-,  p.  329  f. ;  Marquardt  III  ^  468.  Es  ist  dieselbe 
Ehre,  wie  sie  bereits  für  Cäsar  beschlossen  worden  war  (s.  oben  S.  132  u.  136).  Der 
Tag  des  Augustus  wurde  in  Rom  zunächst,  wie  es  scheint,  nur  mit  Opfern  gefeiert. 
Bereits  i.  J.  20  wurden  aber  schon  Zirkusspiele  von  den  Aedilen  veranstaltet  (Dio 
LIV,  8,  b:  iöicc  äs  d?/  ol  nyoQuyö^iot  mnoÖQOulur  rt  iv  toI^  toi"  AvyoioTOV  ytrt&?.loii;  xai 
ärjQi'wv  aifayäi  i7toi?jaav,  Eiessling-Heinze,  Hur.  Ep.^  S.  51  bezieht  auf  diese  Feier  auch 
die  Worte  des  Hör.,  Ep.  1,  5,  9:  cras  natu  Caesare  festus,  u.  zw.  mit  Recht.  Im  J.  13  gab 
solche  auf  seine  Kosten  der  Prätor  Julus  Antonius  (Sohn  des  Triumvirn) ;  auch  wurde 
damals  die  öffentliche  Bewirtung  beschlossen  (Dio  LIV.  26,  2 :  rä  t(  yf  rttf;./«  tov  Av- 
yovazov  o  "lovlog  o  zov  'Avzwvtov  naiq  aTgaztjyüiv  xal  mnodiio^iifi  xai  acfciyatg  Sijqiwv 
iw(izaaf,  xal  iv  zöj  KantzmUio  xal  sxetvov  xal  zf/r  ßov).fjV  xazä  Soyija  avzTfq  ilozlaaiv. 
Im  folgenden  Jahre  (12)  wurde  auch  den  Unverheirateten  die  Teilnahme  an  den 
Spielen  und  der  Bewirtung  gestattet  (Dio  LIV.  30.  5:  aizöv  —  hifitjoiv  xal  zw  roTg 
h')'Vvoi:  xal  zaiq  nidid(iotg  xal  ovväeäo&m  zoTq  a'O.oiQ  xal  avi'ätinvHv  iv  zois  yfvfB/.inig 
aizov  Soivai).  Im  J.  11  fanden  ebenfalls  Zirkusspiele  unter  der  Leitung  eines  Prätors 
statt  (Dio  LIV,  34,  1—2:  t«  yevtD^/.ia  ta  zov  Aiyoiazov  xal  iv  tö>  mnodyo/jLw  xal  iv  zj, 
aV.y  nöXft  TtoV.ayöl^i  Stjplwv  aifayalq  izififjä^Jj.  xal  zoizo  fiiv,  xalzoi  fjij  \ptj(pia9si',  iv 
näaiv  tu;  ilnilv  zolq  ezfaiv  Tigöe  zivog  zibv  AbI  az^nzijyoivzwv  tyiyrfzo).  Aber  erst  i.  J.  8 
V.  Chr.  wurde  die  ständige  Feier  der  Spiele  festgelegt  (Dio  LV,  6,  6 :  ig  de  6!/  zix  yiviüXia 
mnoSgofxiav  cäSiov  i'/.aßf).  Im  J.  4  n.  Chr.  musste  Augustus  die  öffentliche  Bewirtung 
untersagen  wegen  der  herrsehenden  Hungersnot  (Dio  LV.  26,  3).  Die  letzte  Feier, 
die  der  Kaiser  erlebte,  fand  im  Jahre  13  n.  Chr.  statt  (Dio  LVl,  29,  1).  Ausserdem 
wurde  der  Tag  gefeiert :  1)  im  kaiserlichen  Hause  (vgl.  Gellius,  N.  A.,  XV,  7 :  Brief 
des  Augustus  an  seinen  abwesenden  Enkel:  quem,  uticumque  hoc  die  fuisti,  spero 
laetum  et  hene  valentem  celebrasse  quarium  et  ssxagesimum  natalem  meum);  2)  von  den 
Arvalbrüdern  (vgl.  CIL  VI.  p.  477  [50—54  n.  Chr.].  zum  23.  und  24.  Sept.);  3)  jährlich 
zweitägig  von  den  Rittern  (Suet..  Aug.,  57,  1 :  equites  E.  nntalem  eius  .'iponte  atque 
eonsensu  hiduo  aemjjer  celebrarunt) ;  4)  von  Privatleuten  (Vergil,  Ed.,  1,  43;  s.  o.  S.  140, 
Anm.  1);  .5)  im  Heere  (Dio  LVI,  25,  3:  rä  zov  Aiyoiazov  ytriüha  iogzäaavifq  xai  ziva 
irnioSgoulttv  ir  aiznic  äta  züv  ixazovzÜQywv  nott'ioavzfg;  vgl.  v.  Domaszewski  in  Westd. 
Ztschr.  XIV  [189.5],  12);  6)  hier  und  da  in  kleineren  Städtchen  auf  Kosten  eines 
Privatmannes  (CIL  IX,  2226  [Telesia] :  Q.  TiUius.  L.  f.  ßufus.  Q.  Agrius.  Q.  f. 
Celer  \  Fr.  II  vir  •  Canarias  ■  et  ■  quae  ■  in  •  iis  ■  k-tmt  •  sua  |  peq.  fec  ■  ut  •  eo  ■  vectigale  ■  quot . 
annis.  colonis.  mulsum  \  et  ci-ustum.  natak.  Caesaris.  Augusti.  daretur;  vgl.  auch  CIL 
XI,  3303:  victimae  —  quae  p(er)p{etuo)  immolari  adsuetae  sunt  ad  aram  quae  numim 
Augusto  dedic{ata  est),  vgl.  Beurlier,  Essai,  17';  Schmidt,  Geburtstag,  59  ff. 

1)  Wir  hören  von  solchen  Feiern  in  Aegypten  (oeßaazal  rj/ji^at ;  vgl.  Wissowa,  Hermes 
XXXVII  [1902].  155  ff.).  Mytilene  (IG  XH,  2.  58a.  20.  S.  25 ;  Cichorius,  B.  u.  M..  31  ff.),  Per- 
gamum  (jährlich  zweitägig,  monatlich  eintägig:  J.  v.  Perg.,  262:  Kornemann  99  f.).  Eu- 
menia [CIG  3902b),  Apamea  {BCH  XVII  [1893],  316),  Priene  {A.  Mitt.  XXIV  [1899],  288 ff.). 

2)  Dio  LI,  19,  7:  xal  iv  zoig  avaaizioig  oiy_  ozi  zoTg  xoivolt,  al'/.ä.  xal  zoZg  täloig  nav- 
zag  ai'röi  anivöiiv  ixiltvaav;  vgl.  Ovid,  F.  II,  637  f. :  et  „6e«p  vos,  hene  te,  patriae 
pater,  optime  Caesar!"  \  dicite  suffuso  sub  sua  rerba  mero;  Hör.,  Od  IV,  5,  31  alferis  |  te 
mensis  adhibet  deum:  te  multa  prece,  te  prosequitur  mero  \  defuso  pateris. 

18 


Zi<r  Bi'iiriiiHhoui  des  römischen  Kaiserkultes.  147 

5.  bei  seinem  Einzvige  in  die  Stadt  sollen  ihm  Vestalinnen.  Senut  und 
Volk  mit  Weib  und  Kind  entgegenziehen  '). 

Zwischen  30  und  27  v.  Chr. 

Oktavian  wird  von   der  Stadt  Tlicsj)iae   als  Sotcr  und  Euergetes 

gefeiert  '^). 

Auf  Thera  wird  ihm  ein  Altar  errichtet  •'). 

I.  J.  29  V.   Chr. 

[Oktavian  gestattet  den    IJfhnern    der  Provinzen  Asien   und  Bi- 
tliynien,    der  Göttin   Koma  und    dem  Divus  .hiliiis    in  Ephesus, 
bezw.  Nikaia.  je  einen  Tempel  zu  erri(;iiten|  *). 
Den  Griechen  beider  Provinzen   dagegen  gestattet    er    die   Er- 
richtung eines- Tempels  Eomae  et  Augnsto  in  Pergamuin  '^),  bezw. 

1)  Dio  LT,  19,  2  (?..  3.  30)  iq  tf/v  nöhv  ioiovtt  aiiöi  r«?  Tf  leQfi'ag  rn^  nfmapHh'Ovc 
xal  zfjv  ßnvli/v  töv  zc  ör/uov  //fr«  tt  Tio»'  yvvfuxOii'  xul  ftcrri  rüiy  zhxriur  aTiavzijuai 
{tyvioaav).     Diese  Ehre  lehnte  Oktavian  jedoch  ab  (Dio  LI.  20,  4). 

2)  IG  VII  n.  1836:  '0  dr/fio?  68a[7ii]\eujv  ccvTnx()i'iio(>tt  |  Kaiaapa  ftfov  vcuv,  zov  \ 
3ur/7s)«  xcd   EheQyBZrjv.    Vgl.  auch  n.  63. 

3)  IG  XII.  3.  n.  469:  (am  ci/lindrata):  '0  6äf/o^  \  tov  avzoxgäzo  qoc  &eov  viov  |  Kui- 
önjioc.  Vielleicht  gehört  zu  demselben  Steine  auch  noch  die  Inschrift  a.  a.  0.  n.  470: 
'0  dn[uui]  I  [Kccl]aaQa  &tov  v[tiiv]  |  [av]zoxpdzo()tt  zb  n[inTizov]  (sie)  |  [vn\azoi'  zb  zizuQ- 
xo[v ]  1  [«pfjr«;  svfxtt  xru  xa[>.oxfiyaD^lag]  |  zag  ig  avzöv.  Auf  Thera  wurde  wahr- 
scheinlich noch  unter  Augustus  ein  den  Ptolemäern  im  Verein  mit  Dionysos  ge- 
weihter Bezirk  zum  Kaisertempel  umgestaltet:  Hiller  v.  Gaertringen,  l)ie  Insel  TJiera. 
I  (1899),  17.i.  237  ti.:  vgl.  W.  Otto.  Hermes  4.5  (1910),  449'. 

4)  Vgl.  oben  S.  137  Anm.  7. 

•>)  Dio  LI,  20,  7:  zolg  6h  äfj  Sevoig,  " E>.hjvdg  acpag  inixnXsaag ,  havxiy  ziva,  xolg 
fiiv  ' Aaiavolg  iv  Ilipyiißo)  —  —  ztfitviaai  inez(>fipe;  Tac.  Ann.  IV,  .5.5:  Pergamenos 
—  aedc  Auguüto  ihi  posita.  Dass  dieser  Tempel  trotz  Dio  und  Tacitus  neben  dem 
Augustus  auch  der  Göttin  Roma  geweiht  war,  geht  deutlich  hervor  aus  einer  an- 
dern Stelle  bei  Tac.  (Ann.  IV,  37):  cum  divus  Augiisius  sibi  aique  urhi  Romae  iemp- 
lum  apud  Pergamum  sisti  non  prohihuisset  — :  ferner  aus  Suet.,  Aug.,  .52:  templa. 
qunmuis  sciret  etiam  proconsulibus  decerni  solere,  in  nulla  tarnen  prouincia  nisi  communi 
sun  Homaeque  nomine  recepit ;  ferner  aus  einer  Münze  aus  d.  J.  19  v.  Chr.:  Eckhel 
VI.  100  (vgl.  II.  466):  Imp.  IX  tr.  po.  V  (Kopf  des  Augustus)  R:  Com.  Asiae  (sechs- 
säuliger  Tempel  mit  der  Inschrift) :  Hom.  et.  August.  Vgl.  Finder,  A.  Brl.  Ak.  1855, 
613  ff.;  Cohen,  l\  75,  n.  86.  CIL  III,  Suppl.  7086;  Cichorius,  H.  u.  M..  32  ff.  0. 
Hirschfeld.  837.  Ed.  Meyer.  Bist.  Ztsclir..  1893,  401.  W.  Otto,  a.  a.  0.,  460'  (vgl. 
458  ff.)  will  jedoch  Dio  mehr  Glauben  schenken  und  annehmen,  der  Tempel  sei  zu- 
nächst dem  Augustus  allein  geweiht  gewesen  und  die  Göttin  Roma  erst  nachträg- 
lich hinzugekommen.  Wir  müssen  es  uns  hier  versagen,  auf  die  Einzelheiten  seiner 
von  der  bisher  üblichen  Annahme  scharf  abweichenden  Ausführungen  über  die  Stel- 
lung des  Kaisers  zum  Herrscherkulte  näher  einzugehen  —  auf  den  Aufsatz  wurde  ich 
kurz  vor  der  Drucklegung  durch  Herrn  Prof.  Kornemann  aufmerksam  gemacht  — 
wir  beschränken  uns  hier  auf  das.  was  Otto  über  Pergamum  sagt.  Er  meint,  wenn 
der  Tempel  von  Anfang  an  dem  Augustus  und  der  Göttin  Roma  gegolten  hätte,  so 
würde  das  in  dem  .offiziellen'  Khrendekret  von  Mytilene  aus  d.  J.  27  (s.  unten) 
stehen  müssen,  dort  aber  sei  nur  von  Augustus  die  Rede.  Eine  solche  Folgerung  ist 
ist  nun  zweifelsohne  nicht  zwingend,  vielmehr  lassen  sich  für  diese  ungenaue  Aus- 
drucksweise selbst  in  einem  offiziellen  Dekret   die  verschiedensten  Entschuldigungen 

10* 
19 


148  Iluhert  Heinen, 

Nikomedia  ^). 
Der  römische  Senat  beschliesst: 


beibringen.  Einmal  war  der  Tempel  damals  noch  nicht  fertig,  hatte  also  noch  nicht 
die  für  jeden  sichtbare  Aufschrift  '  Piumj  xul  ^fßaaru) ;  dann  war  das  Dekret  eine  ganz 
persönliche  Ehrung  des  Augustus,  und  es  Hesse  sich  denken,  dass  die  dankbaren 
Mytilenäer  auch  bei  der  Erwähnung  des  Kaisertempels  von  Pergamum  in  ihrem  Eifer 
gerade  die  Eigenschaft  des  Augustus  als  Tempeleigentümer  besonders  hervorheben 
wollten;  und  schliesslich  zeigen  ja  doch  die  beiden  zitierten  Stellen  des  Tacitus,  was 
man  von  solchen  Ausdrücken  zu  halten  hat :  bei  einer  gelegentlichen  Erwähnung  des  per- 
gamenischen  Tempels  {IV.  55)  spricht  er  nur  von  Augustus ;  bald  darauf  aber,  wo  es  sich 
mehr  um  eine  prinzipielle  Entscheidung  seitens  des  Kaisers  handelt,  versäumt  er  nicht, 
auch  die  Göttin  Roma  ordnungsgemäss  mitzunennen  (IV,  87).  Aehnlich  müssen  wir 
auch  den  Bericht  Dios  auffassen.  Was  nun  die  Vermutung  angeht.  Roma  sei  erst 
später  hinzugefügt  worden,  so  zeigt  sich,  dass  dies  doch  jedenfalls  bald  geschehen 
wäre,  denn  i.  J.  19  v.  Chr.  —  das  lässt  sich  nach  Ausweis  der  obigen  Münze  nun 
einmal  nicht  leugnen  —  ist  die  Göttin  Mitinhaberin  des  Tempels.  Welches  Ereignis 
soll  denn  in  den  8  Jahren  diese  Neuerung  hervorgerufen  haben?  Kornemann  (106) 
hat  gezeigt,  dass  die  Entwicklung  vielmehr  umgekehrt  verlaufen  ist.  indem  die  Göttin 
Roma  immer  mehr  gegenüber  dem  Kaiser  zurückgetreten  und  schliesslich  ganz  ver- 
schwunden ist.  Damit  ist  eine  aufsteigende  Linie  konstatiert.  Otto  dagegen  will 
eine  absteigende:  seine  Ansicht  bedeutet  daher  eine  nachträgliche  Degradierung  des 
Herrscherkultes.  Kornemann  (98)  nimmt  für  diese  Begründung  des  Kaiserkultes  auf 
asiatischem  Boden  eine  Mitwirkung  des  römischen  Senates  an,  da  diesem  auch  in 
späterer  Zeit  das  Recht  hierzu  zugestanden  habe  (Belege  a.  a.  0.  Anm.  2).  Die  an- 
geführten Worte  Dios  versteht  er  so,  dass  der  Kaiser  ,  offenbar  auf  eine  Eingabe  der 
Bewohner  der  Provinzen  Asien  und  Bithynien.  wahrscheinlich  in  einem  Berichte  an 

den  Senat',  festgesetzt  habe,  dass .     Demgegenüber  muss  jedoch  betont  werden. 

dass  sich  bei  keinem  einzigen  der  in  augusteischer  Zeit  begründeten  Provinzial- 
kulte  eine  Mitwirkung  des  Senates  direkt  nachweisen  lässt.  und  eine  solche  am  we- 
nigsten in  den  östlichen  Teilen  des  Reiches,  in  denen  sich  der  Herrscherkult  längst 
eingebürgert  hatte,  anzunehmen  ist.  Wir  werden  deshalb  vorläufig  an  einem  selb- 
ständigen Vorgehen  des  ersten  Kaisers  festhalten  müssen.  Vgl.  W.  Otto,  Priester  u. 
Tempel  11280";  Beurlier,  Essai,  18.  Die  Vollendung  des  Tempelbaues  erfolgte  nicht 
vor  dem  J.  27,  wie  wir  aus  einer  bald  nach  dem  13.  Januar  dieses  Jahres  ver- 
fassten  Ehreninschrift  von  Mytilene  erfahren:  Cichorius,  R.  u.  31.,  34,  Z.  12:  fv  tw 
vaw  xaTao]xeia'io,utroj  uvtlS  ino  jT^g'Aalai;  iv  Ilf^yäniu;  doch  stand  er  jedenfalls  i.  J. 
19  T.  Chr. ;  vgl.  die  obige  Münze. 

Ueber  den  an  der  Spitze  des  provinzialen  Kaiserkultes  von  Asia  stehenden  «p- 
XifQivi;  l4alaQ  vgl.  W.  H.  Waddington,  Syrie,  245;  Guiraud,  J..5S.  prov.,  97  ff;  Korne- 
mann 99;  V.  Chapot,  La  pror.  rom.  procons.  d'Asie  in  Bihl.  de  Vecole  des  Mutes  et.  150 
(1904),  468  ff',  und  vor  allem  Brandis  in  P.-W.  II,  Sp.  474  ff.  Ueber  den  Musikverein 
der  iftvwdol  üiov  ^ißaarni  xul  &ing  'Püiß>j?  vgl.  J.  r.  Perg.  II,  374 ;  Kornemann.  100 ; 
vgl.  W.  Schmidt,  Gelurtstag,  58.  Beim  Tempel  in  Pergamum  wurden  alle  vier  Jahre 
besondere  Spiele  gefeiert:  Dio  LI,  20,  9  (z.  J.  29):  gi.aßov  xai  o\  TltQyaß^vol  zhv  ayCova 
\tQbv  cDvofiaaufvoi' inl  tj  rov  vaov  avTov  riii^,  TioitTv;  Suet..  Aug.,  59.  Ihr  offizieller  Titel 
lautete:  'Pto/xuia  ^fßaard,  wie  ersieh  häufig  auf  Inschriften  findet:  ('IG  3902  b  (Eu- 
menia):  fV  t<ü  yv,ui'ixw  ayCoyi  t(Ü  er  IJegyri/itcu  züiv  'Piafialtuv  2^fßaaTCor ;  BCHY  (1881), 
p.  230,  n.  20  (=  Paton-Hicks,'  The  inscr.  ' of  Cos  [1891]  137,  n.  104,  Z.  5  f.) :  'P](o- 
fiattt  Sfßaatä  la  TiSiuiva  vtxö  tov  xoivov  tT/q  'Aai'ag  iv  IlfQyäfnp ;  CIL  III,  7086.  Vgl. 
Eckhel  VI,  135  f.;  Gardthausen  U,  253  ff. ;  Kornemann.  101'.  106. 

1)  Dio  LI,  20,  7:  tot:  6e  dij  S^votg/'EV.rjviig  atpaq  imxaf.iaac-  savzw  rira  —  roTg  äi 

20 


Zur  Beffrihulidi;/  des  römischen  Kuisvrkidfcs.  149 

1.  Den  Namen  Oktiivians  in  das  Lieil  der  Salier  autzimchnien ') : 

2.  eine  Tribus  ihm  zu  Ehren  die  julische  zu  nennen  ') ; 

3.  den  Tag  seines  feierlichen  Einzuges  in  l{oin  vom  ganzen  Volke 
mit  Opfern  und  auf  ewige  Zeiten  als  Festtag  feiern  zu  lassen  '). 

(13.  August)  Jeder  Homer  opfert  jirivatim  und  der  Konsul  M.  Valerius 
Potitus  im  Namen  des  Staates  für  die  Heimkehr  Oktavians  *). 

1 18.  August:  Oktavian  weiht  den  Tempel  des  Divus  Julius  ein]''). 

(28.  August)  Oktavian  weiht  die  julische  Kurie  ein.  in  der  ihm  zu 
Ehren  ein  Altar  und  eine  Statue  seiner  Victoria  Aufstellung  finden  *). 

Bi&vvoig,iv  Nixontjöflff  te/tf vlaat  ijisTpfipf,  Tac.  a.  a.  0.  Spanheim.  I)e  praestiuitia  et 
usu  iium.  ret.  I  (1717),  fiSO:  Com.  Bith.  R:  xoivöv  Biüvviuc:  (Tempel  mit  der  Inschrift): 
Rum.  S.  P.  Äug.     Momrasen  im  Moii.  Am-.  -  X. 

Nach  dem  Beispiele  von  Pergamum  und  Nicomedia  erbauten  sich  bald  nicht  nur 
die  übrigen  östlichen  Provinzen  ihre  Tempel  der  Roma  und  des  Augustus,  sondern 
auch  die  einzelnen  Städte,  und  zwar  schon  unter  Augustus.  Hatten  doch  schon  viele 
von  ihnen  seit  langer  Zeit  den  Kult  der  Roma  eingeführt :  da  ist  es  klar,  dass  ge- 
rade diese  sich  nun  auch  beeilten,  den  neuen  Herrscher  hinzuzufügen.  Vgl.  E.  Ca- 
rette.  La  prov.  rom.  proc.  d'Asie,  419  f.  und  das  oben  S.  147  Anm.  5  gegen  Otto  Gesagte. 

1)  il/on.  Anc.-.  44:  [Nomen  vtetim  setiutus  consulto  iti]chisum  est  in  saliäre  Car- 
men; gr. :  Td  uv[oft]d  ftov  otrx).i]Tov  öuyftati  ivHfQi(?.r/,(f&rj  fi[c  zov]g  aiO.liov  vnvovq; 
Dio  LI.  20,  1  (z.  J.  29)  t'c  rf  xovt  vßvovq  avxov  i^  laov  totg  »fof;  iaypmfjfadcci :  vgl.  Hör., 
Od.  III,  3,  11  f.  Mommsen  St.R.  11 «,  757;  C4ardthausen,  I,  468  sagt  mit  Recht:  ,Es 
war  mindestens  eine  übermenschliche  Ehre,  wenn  der  Name  des  Cäsar  im  saliarischen 
Liede  mit  denen  der  Götter  genannt  und  wenn  ihm  beim  Gastmahl  wie  der  Unsterb- 
lichen Einem  gespendet  wurde."  Wissowa.  if.  «.  K..  285.  Wenn  späterhin  noch  diese 
Ehre  verliehen  "wurde,  so  geschah  es  erst  nach  dem  Tode  des  Betreffenden;  vgl.  die 
Stellen  bei  Schanz,  G.  d.  röm.  Lit.,  I,  1,  18*. 

2)  Dio  LI.  20,  2:  xul  <pv>.>/v  'lov'/.iav  £;i'  airov  f.novounCfa &ai. 

3)  Dio  LI,  20,3:  zrjv  ze  tj/jt^av,  iv  fj  av  eq  zi/V  Tiöhv  iail^n  f^valan;  zs  Tiavärjut 
liya/.&r/rca  xal  ffp«»»  oft  nyfa^ai.     Mommsen  a.  a.  0.  T,  379,  Anm. 

4)  Dio  LI,  21,  1  und  2:  xal  avrov  ^i  zi/v  ndliv  iof/.&övzog  o'i  xt  fu'/.oi  f^vaav, 
wanfQ  tXgrjXUt  (s.  vor.  Anm.),  xal  ö  vnazoc  OvaÄfgiog  Iloxtzog'  —  oizog  ovv  ärjftoaia 
Xttl  cti-zog  vnep  zi  zov  öijixov  xal  vnSQ  ri/c  ßovlTiQ  inl  z^  zov  KcdaaQoq  nifisfi  ißov9-v- 
zijoev.    Dann  sagt  er  ausdrücklich:  ö  /u'/tko  n^tiizfyov  inl  uijäfvö:  a'/.'f.ov  iyiyovst. 

5)  Siehe  oben  S.  135.  Anm.  7. 

6)  Dio  LI,  22,  1:  zb  ßov'/.tvzrjotov  xlt  'lov'/.lnov.  xö  inl  x)j  zoi  7i«rpö;  avxov  xifi^ 
ysvöfievov,  xa^dgioaev.  iveaxrj  äh  ig  ahxb  xb  riya/.//tt  xb  xT/g  Ni'xtjg  xb  xal  viv  ui;  äij).ij>v, 
iog  soixfv,  oxi  naQ  avxf/g  xt/v  rift/iiv  ixTi/aazo:  vgl.  Mon.  Anc.',  79.  CIL  I-,  p.  225 
{F.  Maff.)  z.  28.  Aug.  h{oc)  •  d{ie)  ■  ara  Victoriae  in  curia  dedic.  est;  CIL  P,  p.  242 
(F.  Vat.)  z.  28.  Aug.  Eckhel  VI.  85;  Babelon  IL  60  f. ;  Jordan  Top.  1.2,  281»'.  Nis- 
sen. Or.  3.  336.  Wissowa,  R.  h.  K..  277  bemerkt  zu  den  Personifikationen  abstrakter 
Begriffe,  dass  .seit  der  Zeit  des  Cäsar  und  Augustus  ihr  Dienst  einen  ganz  neuen 
Inhalt  dadurch  erhält,  dass  er  in  die  nächste  Berührung  mit  dem  Kaiserkult  kommt 
und  die  einzelnen  Gottheiten  neben  oder  an  Stelle  ihrer  allgemeinen  Bedeu- 
tung eine  besondere  Beziehung  auf  die  Vorgänge  im  Kaiserhause  und  die  Ei- 
genschaften der  Regenten  erhalten".  Es  ist  zwar  noch  keine  direkte  Verehrung 
des  Machthabers  selbst,  wohl  aber  ein  Kult  der  von  ihm  ausgehenden  Macht,  die 
sich  hier  speziell  in  seiner  Siegeskraft  äussert.  (Victoria  ist  ursprünglich  nichts 
anders  als  die  siegverleihende  Kraft  des  Juppiter  Victor  und   hat   sich   von  da  aus 

21 


150  Ihibed  Heinen, 

I.  ,].  28  V.  Chr. 

(9.  Oktober)  Er  weiht  den  Tempel  seines  Schutzgottes  Apollo,  nebst 
den  daran  angeschlossenen  Bibliotheken  und  der  Säulenhalle  auf  dem  Pa- 
latin  ein  ').  In  der  Bibliothek  wird  seine  Statue  mit  den  Attributen  des 
Apollo  aufgestellt  ^). 

Winter  28/27  v.  Chr. 

Horaz  feiert  ihn  als  den  auf  Erden  wandelnden  Merkur  ^). 


zur  selbständigen  Gottheit  entwickelt:  Wissowa  a.  a.  0.  217).  Bezeichnenderweise 
scheint  diese  bei  Cäsar  sowohl  als  bei  seinem  Adoptivvater  die  erste  ihrer  Eigen- 
schaften gewesen  zu  sein,  die  zu  göttlichem  Range  erhoben  wurde.  Vgl.  die  Spiele 
zu  Ehren  der  Victoria  Caesaris.  die  wahrscheinlich  schon  i.  J.  4G  beschlossen  wurden: 
oben  S.  134.  Anm.  5.  Der  Kult  der  Victoria  des  Augustus  war  besonders  im  Westen  ver- 
breitet: CIL  X.  1887  (Puteoli):  [(iug]ustalis  [a]edevv  Victoriae-  Augustae — dechcarit 
Altar  in  Capua:  CIL  X.  3816:  ein  Priester  in  Ancona:  CIL  IX.  5904.  Vgl  ferner 
CIL  II,  2106  (rrgano)  aus  d.  J.  11—12  n.  Chr. 

1)  Dio  Lin,  1.  3;  vgl.  XLIX,  15,  5;  Suet.  Avg.  29.  3;  31;  Vell.  n,  81.  Den  9.  Okt. 
haben  übereinstimmend:  F.  An:  {CIL  P.  p.  214),  F.  Am.  (p.  245)  und  F.  Ant. 
(p.  249).  Vgl.  Mommsen,  Mm.  A>ic.\  80;  Gilbert,  Top.  III.  107  ft'.:  Richter.  Top..  146 if. 
Jordan-Huelsen.   lop.  I.  3  (1907),  66 if.;  Gardthausen  I.  961  fl'. 

2)  Serv.  ad  Bnc.  IV,  10:  qindam  hoc  locn  ,.caifta  fai-e  Lucina.  Iiiiirt  iaiii  ret/nat 
Apollo",  Octaviam  soiwem  Aitgusli  significari  adfirnianf,  ipsmnqtie  AiigiistiiD)  ApoUi- 
nem.  „Tuu»  iam  regnnt  Apollo"  idtimum  .<iaendum  ostendit.  quod  Sibyllii  Soli.'i  esse 
memorarit.  et  iangit  A)igii.'<tinn,  cui  simvlacrum  factum  est  cum  ApolUms  cunctis  in- 
signibus;  vgl.  Acron  ad  Hör.  ep.  I,  3,  17  und  Cruquius  zu  derselben  Stelle.  Suet.. 
Aug..  94,4  berichtet,  in  Rom  sei  ein  Märchen  verbreitet  gewesen,  wonach  Augu- 
stus von  Apollo  in  Schlangengestalt  mit  der  Atia  erzeugt  worden  sei;  und  nach  Dio 
XLV,  1.  2  war  dieses  für  Cäsar  mit  ein  Beweggrund,  den  Oktavian  zu  adoptieren. 
(Vgl.  Klausen,  Aeiims  u.  d.  Pemite»  [1840].  102:  Preller- Jordan  P,  264:  Gardthausen 
n,  15 f.»  Nissen.  Or.  3.  334).  Der  Glaube  an  Oktavian  als  Sohn  Apolls  konnte 
sich  befestigen,  wenn  man  sah,  wie  dieser  Mensch,  der  in  unverhältnismässig  ju- 
gendlichem Alter  und  in  einer  Zeit  der  giössten  Verwirrung  die  politische  Lauf- 
bahn betreten  hatte,  zu  immer  höherer  Macht  emporstieg,  immer  von  staunenswertem 
Glücke  begünstigt.  Er  musste  vollends  festen  Boden  gewinnen,  als  Oktavian  i.  J.  31 
an  einer  dem  Apollo  geweihten  Stelle  und  mithin  unter  dem  offenbaren  Schutze 
dieses  Gottes  den  Antonius  und  die  Kleopatra  besiegt  hatte  (s.  die  Stellen  bei  Gardth. 
II,  202  f.).  Hinzu  kam  noch  die  von  Oktavian  seinem  Schutzgotte  allenthalben, 
und  vor  allem  in  Aktium  (Nicopolis)  und  Rom  erwiesene  Verehrung  (Gardthausen 
II,  203  ff.:  Wissowa.  R.  ii.  K..  240  tf).     In  Koriuth  gab  es  Priester  an  einem  Tempel 

des  Apollo  Augustus,  CIL  III,  534 :  L.  Hermidius-  Celsus  et  L.  linHlins  |  [ sacer- 

dotes  Apollonis]  Augusti  et  L.  Herm^idius  Maximus  et  L.  Hermidius  |  aedem  et  statuam 
Apollinis  Augusti  |  et  tabertias  de  [s].  f.  Vgl.  CTG  Add.  2903  (Alabanda) :  ^AnöV.cuvoi; 
'Ei.fvitfglov  Sflß]aoTo[v];  Babelon,  Inrentaire  de  la  collection  Waddington.  Paris  1898, 
n.  1065  f :  2106  f.;  5481  ff.:  B.  areli.  (4.  serie)  XIII  (1909).  455.  n.  85.  In  Bononia 
wurde  der  Genius  Augusti  zugleich  mit  Apollo  verehrt.  CIL  XI,  804:  Apollini-  Ge- 
nioque  Augu.^ti  Cae.'ians  •  sacrum  \  L.  Apusuleniis.  L.  1.  Eros  magister.  puteum  puteal. 
lau  ms  d.  p.  s. 

3)  Hör..  Od.  I.  2.  24  tf.:  sice  mntata  iavenem  figitra  \  ales   in  terris  imitaris.  almae 

filius  Maiae | |    serus  in  caelum  redeas  — .  Wenn.  Wissowa.  B.  u  K..  83 

sagt:    -Unter  den  verschiedenen  Versuchen,  die  Augustus  gemacht  hatte,  seine  Per- 

22 


Zur  Bcuriiiidioif/  des  rihnisrhcH  Kd/serkultes.  151 

1.  .1.  2  7  V.  Chr. 

Auf  Antrag  des  Munatius  Flancus  erhält  Oktavian  den  Titel  Augustus  '). 

Die  Malloten  errichten  ihm  in  Nicopolis  (Aktium)  einen  Altar ^). 

Amisos  am  schwarzen  Meere  preist  ihn  als  Retter  und  Gründer'). 

Mytilene  auf  Lesbos  erweist  ihm  göttliche  Ehren*). 


son  und  Dynastie  vermittels  der  Religion  zu  stützen,  hatte  sich  auch  einer  befunden, 
der  bald  wieder  aufgegeben  wurde,  das»  sich  nämlich  der  Kaiser  eine  Zeitlang  darin 
gefiel,  sich  als  auf  Erden  wandelnder  Gott  Merkurius  gefeiert  zu  sehen  —  in  Rom 
hat  die  Gleichstellung  des  Kaisers  mit  einem  bestimmten  Gott  nie  Boden  gefunden' 
(vgl.  auch  249  f.) ,  so  steht  der  letzteren  Behauptung  eine  i.  J.  1890  gefundene 
römische  Inschrift  entgegen:  M.  Miff.  VI  (1891),  129:  Mercurio  \  aeterm)  den,  Jo[ri  \ 
J]unimi  Eegin{iie)  3Iinlervae  |  S<)]U  Lttiiae  Äpol[li)ii  |  ])i{i]nne  Foriiin[ae  j).  r.  \  .  .  .]  ae 
Opi  Isi  Pi[etati  i  .  .  •  •]  Fntiis  (sie)  D[ivinis  \  quoä  ho]iiiini  [fdustion  |  />]  lixqtie  [sie(\  \ 
Imp.  Caesari  Aitgus[to  tutelae]  \  eius  senatus  populiq[i(e  Ronwni]  \  et  (leulitms  ndno 
\(iiiHo]  introeunte  felic[iter]  |  C.  Caesare  L.  Pim[llo  cos]  \  (=  1  n.  Chr.)  L.  Lucrethis 
[L.]  Zethiis  I  iussii  Jovis  aram  Augustavi  \  posuit.  (Die  Ergänzung  nono  in  Z.  12  hat 
Mommsen  vorgeschlagen  im  Hinblick  auf  die  i.  J.  8/7  v.  Chr.  erfolgte  Neuordnung 
des  Larenkultes).  Die  auffallende  Voranstellung  des  .ewigen  Gottes'  Merkur  legt 
die  Vermutung  sehr  nahe,  dass  wir  darunter  Augustus  selbst  zu  verstehen  haben 
(Hülsen.  li.  Mitt..  a.  a.  0..  Anm.  2;  Steuding  in  Roschers  Lex.  II.  2.  Sp.  2818;  Mau. 
Pompei^  [1908].  85).  Ausserhalb  Roms  ist  die  Gleichstellung  des  Augustus  mit  Mer- 
kur noch  offenkundiger.  Den  besten  Beweis  liefert  Pompei.  wo  die  Diener  dieses 
Kultes,  die  sich  noch  i.  J.  25  einfach  als  ministri  (CIL  X,  884)  bezeichnen,  i.  J.  14 
als  ministri  Mercurn  Maiae  (X,  885)  und  bald  darauf  als  ministri  Auyitsti  Mercurü 
Maine  (X,  888)  auftreten.  Vgl.  Nissen,  P.  St.,  272.  Ueber  Münzen  des  Augustus 
mit  cmhtceus  vgl.  Cohen  F,  63.  n.  5  f.;  68.  Krall,  Wien.  Stud.,  V  (1883),  ^15 >.  weist 
hin  auf  ein  Kaiserbild  an  der  nördlichen  Wand  des  Denderahterapels,  das  den  Au- 
gustus darstellt  als  [Helmis  (^  Mercurius-Hermes)  Kaisar]  [Liebling  des  Ptah  und  der 
Isis].  Vgl.  im  übrigen  Steuding  a.  a.  0.,  Sp.  2817  ff.  A.  Elter,  Progi:  Bonn.  (1905—7), 
S.  40,  54. 

1)  Mon.  Alle.-.  144:  Quo  pro  iiierito  med  seii(itii[.i  cotisiilto  Aug.  appe]Uatus 
siim;  dass  es  sich  um  einen  Titel  handelt  und  nicht  Namen,  sagt  Augustus  selbst  im 
Man.  Anc.^,  46,  Z.  33-  e.v  [c]o[()nnmiiie  iiosf]ro.  CIL  l-,  p.  229  [Fei:  Cum.),  i,  16. 
Jan.:  ei'r  rf)'[e  Cnesttr  AHguxtu].^  nppellntux  ext-supplientio-Augusto;  (^IL  P,  p.  231 
(F,  Praen.),  z.  16.  Jan. :  Imp.  Caesar  [Augustus  est  a'\ppeU[a'\tus  ■  ipso  ■  VII  •  et  •  Agrip[pa 
iii  ras-.]:  Sueton,  Aug.,  7,2:  Dio  LIH,  16,  6-8;  Censor.,  d.  n„  21,  8;  Liv.,  ep..  134;  Ovid, 
F.  I,  608  ff.;  Vell.  IL  91.     Vgl.  Gardthausen  L  535;  II.  297  f. 

2)  CIG,  1810:  Ahiny.QäroQi  KalanQi  O-eov  vloj  SfßaaTiii  Maf.wTut.  Gardthausen  I,  392. 

3)  Als  Soter  und  Ktistes  von  Amisos  wird  Augustus  gefeiert  in  einer  von  den 
Amisenern  zu  Pergamon  aufgestellten  Weihinschrift:  A.  Mitt.  XXIV  (1899),  173,  n.  16: 
AvToxpärojici  KalauQa  \  äfov  viöv  itfov  —tßaoxbv  \  6  6ij/.iog  6  ' Afvatji'wv  xai  o\  \  avunoXt- 
rfi'o[of)'Oi]  'Poiftcdm  \  rot'  kaCov  oon[T/()a  xcd  XTla]rt}v.  Vgl.  Strabo  XII,  p.  547;  Im- 
hoof-Blumer.  A.  Biiijr.  AI.   1890.  557:  0.  Kaestner,  De  (leris  (1890),  42. 

4)  Aus  diesem  Jahre  stammt  das  Ehrendekret,  das  durch  eine  besondere  Gesandt- 
schaft —  darunter  der  Rhetor  Potamo  und  der  Dichter  Krinagoras  —  dem  Augustus 
überbracht  wurde  und  uns,  allerdings  sehr  verstümmelt,  erhalten  ist  bei  Cicho- 
rius,  jR.  u.  M ,  34  f.  (Vgl.  IG  XII,  2,  25  f.).  Eine  kurze  Zusammenfassung  der 
in  seiner  ersten  Schrift  enthaltenen  Resultate  gibt  Cichorius  in  &  Bii.  Ak.  1889, 
959).  Es  enthielt  1)  vierjährige  Spiele  zu  Ehren  des  Augustus  (wenigstens  lassen 
darauf  Ausdrücke  schliessen,  wie  i),«vor  [Z.  .5].  der  dabei  wohl  gesungen  werden  sollte. 

23 


152  Hubert  Heinen, 

In  der  juliscben  Kurie  winl  ilem  Aut;'iistus  ein  goldener  Elirenscliild 
aufgestellt  wegen  seiner  Tugend,  Milde.  Gerechtigkeit  und  Frömmigkeit '). 
Vor  der  Türe  seines  Hauses  werden  zwei  Lorbeerbäume  und  über  derselben 
ein  Eichenkranz  angebraciit  ^). 

Herodes  nennt  die  von  ihm  erneuerte  Stadt  Samaria  zu  Ehren 
des  Augustus  Sebaste  und  errichtet  ihm  dort  einen   Tempel  ^). 
Bald  nach  27  v.  Chr. 

Epidaurus    in    Argolis    errichtet    ihm    neben    der    Homa    einen 
Tempel  mit  Spielen  ^). 

^v  Tm<;  yivofihvaig  äerug  [Z.  6],  [riüiyni  dt  xarn  ntvxii.i-xrj(t\t6a  aymviK  &v,uf>.i>!oi<:  [Z.  7]. 
[toT?  vix>ia]naiv  a&>M  "lOC.  6  Aiaxöc  föfing  ite  Qi^/fi  [Z.  8]) ;  2)  Z.  14  und  15  scheint  von 
jährl.  Opfern  und  einem  Augustustempel  die  Rede  zu  sein;  3)  der  Name  Augustus 
soll  in  die  Eidesformel  der  Richttr  aufgenommen  werden  [Z.  \o  ff.] ;  4)  seine  Bild- 
säule soll  in  den  Tempeln  des  Zeus  (?)  und  der  Aphrodite  (?)  aufgestellt  werden 
[Z.  17] ;  5)  monatliche  Feier  des  Geburtstages  des  Augustus  mit  Opfern  wie  dem 
Zeus  [20  f.]  und  Spielen  [27]  ;  6)  Ankündigung  weiterer  Ehren  [6.  9— 15] ;  7)  Verlei- 
hung eines  goldenen  Kranzes  [6.  27—30];  7)  Aufstellung  dieses  Dekretes  in  meh- 
reren bedeutenderen  Städten  [12—14].  Aus  dieser-  Zeit  stammt  auch  wohl  die  In- 
schrift Kt  XII.  2.  n.  156:  AvtoxqAtoqi  \  Knlangi  Sfßnozw  'E>.f[^•]{^fillo). 

1)  3Ion.  Attc. '.  144  f. :  [chipeusque  aweu]s  in  \c\uriä  Jdliii  pnsi  ius.  quem  mihi 
senatum  [popuhimqne  Romaiin]m  dare  virtutis  cle\Tn[mtia]e  nif:titi(i[e  pietatis  causa  fe- 
siaium]  est  pelr  e]iHS  chipei  |  [inscripti(me]m.  Diese  Inschrift  ist  uns  indirekt  erhalten 
in  einer  solchen  aus  Potentia :  CIL  IX,  5809 :  Primus  Marc  .  .  .  VI  vir  Aulg]  (2  Vik- 
torien halten  einen  Schild  mit  der  Inschrift) :  S{enatus)  p{opulus)q(tie)  B{(»namis)  Au- 
gustn  (leAit  clupeum  virtutis  [cl7e[)«p»]<i[oe  ius]t[itiae  pietatis  ca^<sa■,  vgl.  CIL  VI,  876. 
woraus  aber  nicht  geschlossen  werden  darf,  dass  Augustus  wiederholt  einen  solchen 
Schild  erhalten  habe:  Mon.  Anc.'',  152  f.  (daselbst  auch  die  Münzen  mit  dem  Schildel. 
Vgl.  Gardthausen  1.  534;  540  (Abbildung);  II.  296  (Literatur);  Wissowa.  H.  u.  K.  75. 

2)  Mon.  Anc.-.  144:  laureis  \  postes  aedium  medrum  r[estiti  publice  corouaq]ve 
civica  super  \  idnvam  meam  fixa  est;  Dio  LIII.  16,  4:  xrd  yäp  xö  te  t«?  öäipvc<g  txqo 
TÜiv  ßaai>.flmv  aviot  TtQori&fn&ni.  xcd  ro  rov  axs(favov  xbv  Aqvh'Ov  imeg  ai'xihv  C'pxä(j&ru 
{i^pti<f.la»j})\  Ovid.  F.  IV,  953;  Trist.  TU.  1.39  ff.;  Seneca,  dem.,  I,  26,5;  CIL  W  p. 
231  (F.  Praen.);  p.  307  z.  13  ,Ian.     Vgl.  3Ion.  Anc-,  149  ff.;  Gardthausen  II,  295. 

3)  Jos  ,  ant.  XV,  8,  5 :  xctliaug  /j'sv  nvxf/v  ^fßaax^i;  — .  ivxd(;  äi  xal  xaxa  ßhrjv  TQtCnv 
ijßiav  axKÖi<ov  xifttvoq  ävTjxe  navxohoQ  xnxoa/LDj/ih'Ov,  xal  vabv  iv  avzöt  ftfyi'äei  xui  xaX- 
).it  xü)v  ^?.Xoyi/Jo>xäxwv  ijyeiQfv,  h.  iud.  I.  21,  2;  fv  ßiacp  xw  xxiofiuXL  vaör  rf  iriä^vaä' 
Hevoc  Tai  KulouQi  ßsyiaxnv  xid  nfQL  avxbv  xiLifroQ  änodei^ac  xgiCov  ilutov  axaöiwv,  ro  noxv 
Seßaaxijv  ixnlsafi-;  Hieronymus,  z.  J.  Abrah.  2000:  Hemdes  Samariam  olim  iam  in 
cineribus  sedentem  a  fundamentis  in  Iionorem  Augusti  Augustam,  i.  e.  Sebastiam,  ap- 
pellavit;  Suet,  Aufi..  59  f.  Vgl.  Hirt.  A.  Brl.  Ah  (histor.-phil.  Klasse)  1816.  3;  H. 
Ewald,  Gesch.  d.  Volkes  Isr.  IV  (1864).  562;  E.  Schürer,  Gesch.  d.  jüd.  Volkes  P 
(1901),  366«;  389;  II  (1907),  197;  Wellhausen,  Isr.  u.  jüd.  Gesch.^  (1904),  334;  Gardt- 
hausen I,  817;  841. 

4)  IG  IV.  1431  ;  'A  TiöXig  xü>v  ''Eiriiavplmv  Fvaiov  |  KoQi'))hox'  —wöaftov  viov  Nixri  rar. 
tfpm  xov  2^fßaaxov  Kmaalpog  dtg,  nyiovoBtxijoavra  TiQÜ>\xor  xn  ^ AnnV.wrifia  xni  .4axh)- 
niHU  xxiaavxn  te  [xü)v\  Kcaace'geiwv  navi'jyvQir  xai  liyCuvKQ  \  xal  ngibxoi'  liyuivolti-Tr/aai'Xfc. 
I  nQtxäg  evfxtv  xal  fhvolag  \  xaq  tlg  avxiiv.  Obwohl  die  Inschrift  nicht  ausdrücklich 
von  einem  Tempel  spricht,  so  wird  man  doch  wegen  des  Vorhandenseins  eines  Prie- 
sters auf  einen  solchen  schliessen  dürfen.     Da  nun  der  Priester  auch  die  Spiele  des 

24 


Zur  Bcgrümhni(i  des  römischen  Kaiser kultes.  153 

I.  J.  26  V.  Chr. 

Die  von  Agrippa  erbiiuten  Saepta  im  Mavsfeldc  (zur  Abhaltung  von 
Tributkoniitien)  erhalten  ihm  zu  Ehren  den  Namen  .Julia  '). 

Tarraco    in  Spanien   errichtet   di-ni  Aujrustus  einen   Altar  ■^). 

I.  J.  25  V.  Chr. 

Agrippa  will  in  dem  von  ihm  erbauten,  später  Pantheum  genannten 
Tempel  als  Kultbild  eine  Statue  des  Augustus  aufstellen.  Auf  dessen  Wei- 
gerung hin  weiht  Agrippa  den  Tempel  den  julischen  Stammgöttern  Mars 
und  Venus  und  dem  Divus  .lulius.  während  des  Augustus  Statue  neben 
seiner  eigenen  in  der  Vorhalle  Platz  findet  •'). 


Apollo  und  Asklepius,  die  nach  u.  932  bereits  zur  Zeit  des  Antonius  bestanden,  ge- 
gründet hat.  so  möchte  ich  annehmen,  dass  der  Tempel  und  die  Augustusspiele  in 
der  ersten  Periode  des  Augustus,  vielleicht  bald  nach  27  eingerichtet  wurden. 

1)  Dio  LIIT,  23,  1  u.  2:  o  \AyQi7nxu<;  tk  —tTita  mroftuauiva  x(c&d(>o)C,fv  —  'Invhic 
«IT«  ß'Ttö  Tov  Aiyovazov  itQoauyoQfiaai;.     Gilbert,  Top.  III,  174  f. 

2)  Quintilian,  Iiisl.  or.,  VI,  3,  77 :  Aufiustus  mitilimitibxs  Tarrdcoiiensibus  pahmrm 
in  arn  eins  enntam,  „apparet",  iiiqvit,  „(ßiam  saepe  aecendatix" .  Dübner,  AnthoL  Palat. 
II,  p.  62 :  <Pi>.!nnov.  <Potßov  caTfVafih')]  diiifvrj  noze,  rvv  dvh(i>.fv  \  KftlauQOg  dx  ßwfiov 
xXöjva  fif>.anhct>.ov  \  ix  de  S^sov  Sfov  fVQev  af/elvova-  AijTnidiiv  ynp  \  i/ßi'/Qaaa,  9i>.H 
Zr/vcc  TÖv  Ah'mStjr.  \  VlZav  d'  oix  rino  yr/g  iitiTQOc  ßtu.er,  ä).).''  anb  nixQiji  |  Kaiaapt  fit/ 
ziXTHV  ovSs  '/.ia^os  äimzat-  Vgl.  Gardthausen  I,  694:  11,  381"—'*.  Die  Form  dieses 
Altars  zeigen  uns  Münzen  aus  der  Zeit  des  Tiberius :  Eckhel  I,  .58;  VI,  124  ff.;  Cohen 
l\  1.58,  n.  728;  H.  Willers,  Num.  Zmtschr.  34  (1902),  104;  er  trägt  die  Inschrift 
Beo  Augusto.  Vgl.  Hübner,  Hermes  1  (1866).  109  f.  196.  Was-  die  Zeit  der  Er- 
richtung dieses  Augustusaltars  der  Stadt  Tarraco,  der  jedenfalls  nur  dem  munizipalen 
Kaiserkult  diente  (Hübner  a.a.O.:  Hirschfeld,  840;  Krascheninnikoff,  Philol. 'i?..  N.F.  7 
[1894],  17.5  "-),  anlangt,  so  haben  wir  einen  Anhaltspunkt  in  dem  oben  (Seite  151  f.)  be- 
sprochenen Ehrendekret  von  Mytilene.  Darin  heisst  es.  eine  Abschrift  dieses,  in  der 
Vergötterung  des  Augustus  sehr  weit  gehenden  Psephismas,  soll,  ausser  in  andern 
grösseren  Städten,  auch  in  Tarraco  aufgestellt  werden.  Die  Bewohner  dieser  Stadt, 
die  den  Kaiser  längere  Zeit  in  seinen  Mauern  beherbergte,  waren  ferner  Zeugen  der 
Gesandtschaft,  die  i.  .J.  26  (Cichorius.  B.  v.  M.,  27:  S.B.  Brl  AI:  1889,  959\  das 
Dekret  dem  Augustus  überreichte;  sie  sahen,  wie  dankbar  dieser  den  Mytilenäern 
für  solche  Ehrungen  war:  da  werden  auch  sie  nicht  gezögert,  sondern  sofort  mit 
der  Errichtungeines  Altars  begonnen  haben.  Vgl.  Preller-.lordan.  H.  Myth..  U^.  43U: 
Guiraud,  Ass.  prnv..  26.  Beurlier.  Essiii.  18  f.  sieht  darin  einen  Provinzialkult,  wo- 
gegen  sieh  Toutain,  Cultes.  30  f.  mit  Recht  wendet;  vgl.  auch  Kornemann,  121. 

3)  lieber  diesen  Bau  berichtet  Dio  LIII,  27,  2—3,  z.  J.  2.5 :  (Agrippa)  zö  z(  Ilriv- 
&etov  ö}vofiaa,uivov  i^ezü.eas'  UQoaayogevlzut  äi  ovxw  zii/a  utv,  uzt  noU.üiv  9eü)V  flxövac 
iv  zot?  hyäluaat,  zw  ze  xov  'AQfo:  x«l  zöt  zr/g  liipQoälxrjz,  f).aßfv.  tbc  öe  iyia  voniL,io.  ozt 
9o).oeiäsc  Sv  z5)  oigavöt  nQoaiotxtv  ißovh)^t]  usv  ovv  b  'AyglTiTiug  xai  zbv  Av^'ovazov  iv- 
zav9a  ISpiaru,  zrjv  zf  zov  CQyov  inixhjotv  avxm  Sovvai '  fti/  äfSnftivov  Sh  aiiov  .«i/rfs'ifpo»' 
ixfi  .«er  zov  Tigoiipov  KtdactQoc,  iv  Se  zw  ngoväo)  zov  zf  AiyoviiTov  xal  srwzov  nv- 
ägiävzag  tazrjae  ■■  CIL  VI.  896  (vom  Architrav  der  Vorhalle) :  M'  Af/iippn  ■  L  ■  f- 
cos  ■  teiiiinn  ■  fecit.  Diese  Inschrift  stammt  aus  der  Zeit  Hadrians.  Vgl.  über  das  Pan- 
theon Nissen,  Bh.  M.  N.F.  XXVIII  (1873),  5.50  f.  und  vor  allem  seine  neueren  Aus- 
führungen in  Or.  3.  339;  0.  Richter,  Top..  233—9  (mit  Abbildungen);  Gardthausen 
1,  757  ff.;  II,  426  ff,  (Literatur).  Der  Name  bedeutet  nicht,  dass  der  Tempel  allen 
Göttern  geweiht  sei,  sondern  etwa  das  „Hochheilige".     (H.  Jordan,  Si/mbohie,  Progr. 

25 


154  Huhctf  Heineti, 

Nach  dem  Tode  des  Amyntas  von  Galatien  werden  die  Haupt- 
städte der  drei  galatischen  Stämme  (Trocmi.  Tectosages,  Toli- 
stoboi),  Tavium,  Änkyra  und  Pessinus,  zu  Ehren  des  Augustus 
Sebastai  genannt '). 
Bald  nach  25  v.  Chr. 

Juba  II.  von  Mauretanien  beginnt  mit  dem  Ausbau  seiner  Resi- 
denz lol.  die  er  zu  Ehren  des  Augustus  Caesarea  nennt  ^).  Er 
weiht  diesem  einen  Hain  mit  Altar  ^)  und  errichtet  ihm  einen 


Königsb.  1883,  4  ff.).  Für  unsern  Zweck  ist  es  äusserst  wichtig,  dass  bereits  i.  J.  25 
Augustus  „Tempelgenosse"  der  Götter  werden  sollte,  dass  dieser  Plan  jedoch  durch 
die  entschiedene  Weigerung  des  Kaisers  selbst  vor  seiner  Ausführung  bewahrt  blieb. 
Beachtenswert  ist  auch  die  Rolle,  die  der  sonst  so  nüchterne  Agrippa  dabei  spielt, 
insofern  gerade  er  als  der  Urheber  dieser  weitgehenden  Ehrung  erscheint.  Vgl.  Gil- 
bert, Top.  lU,  11 6  ä. 

1)  Galatien  wurde  in  diesem  .lahre  zur  römischen  Provinz  gemacht  (Dio  Llll. 
26,  3).  Dass  im  Zusammenhang  hiermit  die  Umnennung  der  drei  Hauptstädte  erfolgt 
ist,  wird  wohl  dadurch  bestätigt,  dass  sie  von  da  ab  eine  neue  Aera  beginnen.  Vgl.  Eckhel 
111.  182;  Marquardt  I-,  3.59:  Gardthausen  II,  4.59";  Kubitschek  in  P.-W.  I,  Sp.  646. 
Die  Umnennung  selbst  wird  bezeugt  durch  Münzen  und  Inschriften.  Mionnet,  Suppl. 
VII  (183-5),  6-53  f.,  wo  die  Tavier  ^eßaaujyni  Tqoxuol;  CIG  4010.  4011.  wo  die  Anky- 
raner  SißaoTiiVoi  TexTÖactyfi;  (Eckhel  III,  179)  und  CIG  4085,  wo  die  Pessinuntier  ^eßn- 
arrjvol  Tohaioßüjytot  heissen.  Boeckh.  df?III,  p.  88;  Kuhn.  Stadt,  u.  biirgerl.  Verfass. 
rfe.s  röm.  Reiclics,  (1864),  255 ;  G.  Perrot,  Be  Galatia  provincia  Romana  (1867),  75. 
Ueber  die  Zeit  der  Einführung  des  Kaiserkultes  in  diese  Provinz  lassen  sieh  nur 
Vermutungen  aufstellen.  Es  scheint  nicht  ausgeschlossen ,  dass  er  bereits  unter 
Amyntas  vorhanden  war,  da.  wie  wir  wissen,  die  Vasallenfürsten  in  der  Verehrung 
des  Kaisers  besondern  Eifer  an  den  Tag  legten  (Suet.  Aug.  60).  Wahrscheinlicher 
aber  dürfen  wir  wohl  das  Jahr  25  dafür  annehmen,  und  in  diesem  Jahre,  oder  bald 
darauf,  werden  auch  die  drei  erwähnten  Völkerschaften  mit  dem  Bau  des  prächtigen 
(Perrot  a.  a.  0.  75  ff.)  Tempels  der  Roma  und  des  Augustus  begonnen  haben,  dessen 
Einweihung,  wie  nuten  gezeigt  wird,  frühestens  i.  J.  10  n.  Chr.  erfolgte. 

2)  Strabo  XVll.  3,  12  (p.  831) ;  Gardthausen  1,  705;  G.  Boissier,  L'Afrique  rom.  (Paris 
1901),  28  f.  Vgl.  1-.  Müller,  Nwnhmatique  de  l'anc.  Afrique,  lU  (1862).  105,  n.  50 
und  107,  n.  72 ;  vgl  p.  122 ;  Eckhel  IV,  155  ff.  Nach  A.  Dieudonne.  Bei:  niimixm. 
1908,  354,  n.  28;  356,  n.  47;  p.  366  sind  die  Münzen  mit  der  Aufschrift  Caesarea 
vielmehr  auf  die  Spiele  zu  beziehen,  wohingegen  Müller  für  die  Spiele  nur  diejenigen 
Münzen  in  Anschlag  bringt,  welche  das  Wort  Caesarea  von  einem  Lorbeerkranz  um- 
rahmt haben.  Juba  II  wurde  i.  J.  25  als  König  von  Mauretanien  eingesetzt.  Vgl. 
Gardthausen  I,  704. 

3)  L.  Müller  a.  a.  0..  106,  n.  56:  Bei-  Jnha  (s.  Kopf  mit  Diadem)  B:  Lucu(s) 
Angusti  (mit  Guirlanden  geschmückter  Altar  zwischen  zwei  Lorbeerbäumen;  unten 
ein  Stern);  vgl.  115.  122.  Eckhel  IV,  156.  Die  angeführte  Münze  wurde  nach 
L.  Müller  (115)  in  der  Zeit  bis  5  v.  Chr.  geprägt  (vgl.  ebenso  A.  Dieudonne  a.  a.  0. 
352,  n.  10 ;  364  f.).  Wenn  wir  trotzdem  Altar  und  Hain  in  den  Beginn  seiner  Re- 
gierung setzen,  so  ist  dafür  die  Erwägung  massgebend,  dass  einmal  sein  langjäh- 
riger Aufenthalt  in  Rom  ihm  jedenfalls  einen  genügenden  Einblick  in  die  Ver- 
ehrung, die  Augustus  allenthalben  genoss,  verstattete,  und  anderseits  seine  Dank- 
barkeit gegen  seinen  hohen  Gönner  ihn  geradezu  zwang,  dem  Beispiele  anderer  Va- 
sallen und  Länder  zu  folgen  (vgl.  Suet.,  Aug.,  60).    Zudem  war  er  auch  durch  seine 

26 


Zur  Jl(</rliii<li(ii(j  des  nhiiisclicii   Kdiser/cuUcs.  l-'i-'J 

Tempel  ')• 

I.  J.  24  V.  riir. 

Horaz  dichtet  ;iuf  die  Kückkehr  dus  Au,i;Mistus  aus  Spanien  Ode  III,  U, 
in  der  er  ihn  mit   Hercules  vergleicht  '). 

1.   J.  22  V.  Chr. 

Herodes  beginnt  den  Bau  einer  neuen.  Augustus  zu  Ehren  Cae- 
sarea genannten  Stadt  und  innerhall)  derselben  den  Bau  eines 
Tempels  der  Roma  und   des   Augustus  '^). 

Zwischen  21  und   19  v.  Chr. 

Auo-nstus  wird  auf  einer  Inschrift  von  Tenos  als  Gott  bezeichnet*). 

1.  J.   20  V.  Chr. 

König  Archelaos  von  Kappadokien  nennt  die  Hauptstadt  dieses 
Landes.  Mazaka.  zu  Ehren  des  Augustus  Caesarea  *). 


Gattin,  die  Kleopatra  Selene,  eine  Tochter  des  Antonius  und  der  berühmten  Kleopatni. 
mit  den  ägyptischen  Verhältnissen  vertraut.  Vgl.  über  s.  Bildung  Gardthausen  I.  70-")  f. 

1)  L.  Müller  a.  a.  0.  10.5  f.,  n.  .55:  Rer  Jubii  (s.  Kopf  mit  Diadem)  K:  Autjuati 
(sechssäul.  Tempel,  in  dessen  Giebel  ein  Adler);  vgl.  Eckhel  IV.  157  f..  436  f. 
Dieudonne  a.  a.  O.  351.  üeber  die  bei  diesem  Tempel  gefeierten  Spiele  s.  S.  154 
Amn.  2;  Kornemann,  127;  Krascheninnikoff  a.  a.  0.  150". 

2)  Hercidü  ritu  mndo  dictus.  o  plebs,  \  morte  venalem  petiiaxe  laiirum  I  daeKitr  Hix- 
pana  repetit  penatis  \  victor  ab  orn.  Der  Vergleich  mit  Herkules  ist  von  dem  Dichter 
nicht  ohne  Grund  gewählt;  denn  er  gehört  zu  denjenigen  Gestalten,  die  poM  iwjeutia 
facta  deorum  in  templa  reeepfi  (Hör.,  Ep.  II,  1.  6).  Aehnliches  findet  sich  ausser  bei 
Horaz  (vgl.  die  angegebenen  Stellen  und  Od.  III,  3,  9  tf.l  auch  bei  Verg.  Aen.  VI. 
801  ft'..  wo  Augustus  mit  Herkules  und  Liber  verglichen  wird.  Vgl.  über  die  Bedeu- 
tunt',  die  ,ein  bestimmter  Kanon  von  Halbgöttern"  (Romulus.  Aeakus.  Herkules. 
Kastor  und  Pol  lux,  Bakchus)  für  die  römische  Kaiserapotheose,  besitzt.  A.  Elter. 
Pro,),:  Bonn.  (1905-7).  Ferner  E.  Norden,  N.  Jhrb.  VII  (1901),  278.  In  Tibur  (('//. 
XIV.  3665;  3681;  3679;  3679  a)  und  Grumentum  (X,  230)  wurde  der  Augustuskult  an 
den  dort  bereits  bestehenden  Herkuleskvdt  angeschlossen:  K.  J.  Neumann  bei  P.-W. 
u.  d.  W.  Auipititata.t. 

3|  Joseph.,  anf.  XV,  8,  5 :  no  äh  eS-vfi  Tiavü  ifniovyiov  tnoxodößrjUf  zö  TirO.ru  fiiv 
xu/.ut;ufvov  i'Tyuttui'o;  7iV()yoi'.  KntaäQiiav  6'  vn'  aviov  nguaayo^Bvlt-iv;  XV,  9,6;  b. 
iiid.  I.  21.4-8:  Hieronymus,  z.  J.  Abr.  2005;  Joseph.,  b.  imh  I.  21.  7:  xai  zm>  axö- 
ftaing  iivxixQvq  laös  KaiauQOq  int  y>i>.d(f,ov,  xd/.f.ii  xai  ßiye^H  ötdifogoq-  iv  de  aizöi 
xoloaadc  KalaaQOC,  ovx  f'modsmv  lov  'O/.viiniaai  Jiög,  <o  xai  nQoadxaazai,  'Pcu.urjc  it 
tao<;"Hpn  zy  xaz'  "Apyo(;;  ant.  XV,  9,  6:  xav  zw  /xeaw  xoi.wvöq  zig,  iip  ov  vHog  Krti- 
aagog  anonxnc  xols  danXtovaiv,  tyuiv  nyäi.uaza.  xo  iiiv  Pmutjc  zö  6h  Kmaa(>i>Q  :  Philo 
Alex..  Le(jat.  ad  Gaiiim.  §  38  Ende;  Malalas,  Chmn.  IX,  289:  6  fi'sv'' Hoüiäiic  ßaniXeic 
xai  zonup/ijc  ixä/.iae  Kair.r'wfiav  llcüaiozivtjg  T»/V  npwtjv  /.fyo/th'r/v  ZTpüia/voc  Tivfiyov. 
Auch  der  Hafen  erhielt  den  Namen  des  Augustus:  Joseph.,«»?.  XVII.  5,  1;  b.  hid.  I, 
31,  3.  Die  feierliche  Einweihung  der  Stadt  und  des  Tempels  fand  erst  i.  J.  9  statt. 
Hirt,  A.  BrI.  Ah  1816/7,  4;  E.  Schürer  a.  a.  0.  P,  389;  II*,  134  tf.  (Literatur);  Gardt- 
hausen II,  489;  J.  Wellhausen  a.  a.  0.,  384.     Krascheninnikotf  a.  a.  0. 

4)  IG  XII.  5.  2  (1909)  n.  1940:  —  6  ör/uog  |  [ldn[/.]ioi'  Koivzuiov  \  ()ih(,oi'  xov 
za/iiav  zov  AvzoxQazoQOc  liaUmgog  |  [üioi-  2:fßa]<jZ0v  xüv  nax  [pwva  xai  fifpytx/jv]. 

5)  Malalas,  Chrmi.  IX,  289:  o  de  'Apx^/.aog  ßaaO.tvg  xai  xonäpx'li  ixäXiaf  Kuiaa- 
Qitttv  Kannaöoxiag  xi/v  nQtüifv  >.fyo,uiv>jv  MäC.axav;  Marquardt  I-,  373*. 

27 


156  Hnhctt  Heincn, 

in   Kilikieu  wird  dem  ,Gotte  Aui^rustus"   zugleich  mit  Poseidon 

und  Venus  Euploia  eine  Inschrift  <;esetzt  '). 

Ai-chelaos  von  Kappadokien  nennt  die  Stadt  Eleusa    in  Cilicia 

aspera  zu  Ehren  des  Augustus  Sebaste  ^). 
1.  J.  20/19  T.  Chr. 

Sebaste  in  Phrygien  wird  gegründet  '*). 

Herodes  baut  dem  Augustus  in  Panias  (Caesarea  Philippi)  einen 

Tempel  % 
I.  J.   19  V.  Chr. 

Anazarbus  in  Kilikien  erhält  von  Augustus  den  Namen  Caesarea  *). 
13.  Oktober:  Nach  der  unerwarteten  Rückkehr  des  Augustus   (in  der 
Nacht  12. /13.  Okt.)  von  seiner  Orientreise  fasst  der  Senat  ihm  zu  Ehren 
folgende  Beschlüsse: 

1.  Der  Fortuna  redux  einen  Altar  an  der  potid  Capena.  beim  Tempel 
-des  Honos  und  der  Virtus,   zu  errichten'^); 


1)  CIG.  444:3:  Öfw  ^fjictorCu  Kuiau(}i  xa'i  lloanöCon  ' Aatpu/.fiio  xal  'A(fpo6iiTij  Ev- 
n'/.oitt.  Wie  Gardthausen  (II.  478^)  überzeugend  dargetan  hat,  bezieht  sich  diese  In- 
schrift trotz  des  vorangestellten  Bibc  auf  dieses  Jahr. 

2)  Strabo  XII,  -534.  5:35.  h'i'i.  Mit  diesem  Jabre  beginnt  die  Aera  der  Stadt: 
Marquardt  P,  384. 

3)  Eckhel  III,  82:  V.  Chapot.  Lu  pmr.  rmn.  d'Asie,  in  Bihl.  de  l'ccole  Bd.  1.50 
(1904),  386  f. 

4)  Joseph.,  (tut.  XV,  10,3:  tjSt]  6'  aviov  (Herodes)  zr/g-  ßaaO.Bi'crg  sntfotaiöfxdzov 
naps?.9övT0i  srovg  (=  20  v.  Chr.)  Kaiang  fi<;  Svgiav  n<plxizo-  —  —  Knianyu  S  im 
ltn?.azzav  jrpo.TfjU«'«;,  ioq  STiavT/xtr.  iv  z^j  Ziji'oSüiQOV  Tifoixa/jjazazof  ciitw  rubr  iydpii, 
TiszQttQ  /.svxr/c,  nhjolov  zov  Tlavlov  xu'/.ovuivov.  Ueber  die  Lage  des  Tempels  (intaij- 
uözazov  ovTK  zbv  zönov)  siehe  daselbst  am  Ende  des  Kapitels.  Vgl.  Joseph.,  //.  ind. 
I,  21.  3.  Da  Herodes  das  Gebiet  des  Zenodoros  i.  J.  20/19  erhielt,  so  wird  er  zum 
Danke  dafür  auch  gleich  mit  dem  Bau  des  Augustustempels  begonnen  haben.  E. 
Schürer  H*  204;  Gardthausen  I.  817  f. 

5)  Marquardt  \-.  389. 

6)  Mon.  Anc.-.  46:  [Arain  ¥oHiu>ae  reduci  iuxta  ae]des  Honoris  et  Vitiiitis  ad 
portam  |  [Capenam  pro  reditit  meo  !<e]miii>s  consacratit.  in   qua  ponti  [üces   H  rirgines 

Vestaks  atini]versdrium  xacrificiiim  feuere  \  [iussiit  die,  quo  coiisulibus  Q.  Luc]retio  et 
[M.  Viiiud]o  i)i  urbem  er  |  [Syria  redi].  Dio  LIV.  10,  3:  t'ui'  (d.  h.  von  den  beschlos- 
senen Ehren)  ovähv  -npoot/xazo,  nXifV  2'ix>j  zf  ' Enarayäyio  (ovz(o  j'cip  neue  aiziiv  ixä- 
Ifaav)  ßtofiöv  (dpi&i/rm.  CIL  I*,  p.  245:  (F.  Am.),  z.  12.  Oktober:  Fer.  ex.  n.  c,  7. 
e.  d.  imp.  Caes.  Aug.  e.r.  trniismarin.  promnc.  urbem  intravit,  araq.  Fortunae  reduri. 
constit.  Die  Einweihung  des  Altars  fand  zwei  Monate  später,  am  15.  Dez.,  statt: 
CIL  I-,  p.  229  [Fer.  Cum.),  z.  15.  Dez. :  Eo  die  a[r]a  Foiiuuae  reduci  dedicatast,  quae 
Cnexarem  A[ugu!<tum  e.r  trniismari]nis  proriiicis  red[u.7'it].  Supplicatio  Foiiuiiae  reduci; 
vgl.  CIL  1%  p.  245  (F.  Am.,  irrtümlich  z.  16.  Dez.);  CIL  V,  p.  332.  Eckhel  VI. 
100:  (Kopf  des  Augustus  mit  Lorbeer-  od.  Eichenkranz)  R:  (Altar  mit  d.  Inschr.) : 
Fort.  red.  Ciie».  Aug.  s.  p.  q.  B.;  vgl.  Cohen  I=,  78  f..  n.  102—108.  Mommsen,  Mou. 
Anc.^  46 f.;  Gardthausen  L  835;  ü.  483'»;  Wissowa,  B.  u.K..  212  f.  Bereits  i.  J.  26 
hatte  Hör.,  Od.  I,  :35  (s.  dazu  Heinze-Kiessling)  die  Fortuna  Augusta  angerufen  : 
Vers  29:  serves  iturum  Caesarem. 

28 


Zur  Be(jriin<hoi<i  des  rlimhclicn  Kaiserkidtes.  157 

2.   den  Tag  seiner  Rückkehr  (12.   Okt.)  als  Staatstesttag  zu  erklären, 
an  welchem  die  Priester  und  Vestalinnen  jährlidi  opfern  sollen'): 

:}.  diesen  Tag  Aiif/iistdliii  zu  nennen  -). 

Aniiternum    weiht   nach    dem  Beispiele   Roms   einen    Altar    der 
Fortuna  redux  ^). 

Tn  Praeneste  setzt  eine   Privatperson  der    Venus   üenetrix    und 
der   Fortuna  redux  eine  AVeihiiisclirift  '). 

Bald  nach  19  v.  Chr. 

In   Pompei  erbaut  der  Augur  M.  Tullius  einen  Tempel  der  For- 
tuna Augusta  *). 

Zwischen  19  und  13  v.   Chr. 

Im  äussersten  Nordwesten  Spaniens  wird  der  Kaiserkult  einge- 
führt, indem   die  drei  nach  Augustus  benannten  Orte  Asturica 


1)  Dio  LIV,  10,  3:   xcii  tI/v  ijfiSi)ttv  ^v  rii/igotzo  IV  xf  trüg  iego,u/jv!atQ  liffi&fifiaSai- 

2)  Moii.  Aue.'',  46:  et.  diem  Au(jHntaIi]n  ex  [c]o[!)nümi>ie  iioM]r(j  appelluvit.  Dio 
a.  a.  0.  [ijuiguti)  xu).  Acyovazähn  oi-ouäl^ead-ai.  Spiele  wurden  an  diesem  Tage  zum 
ersten  Male  i.  J.  11  v.  Chr.  gefeiert  (Dio  LIV,  34,  2);  ihre  jährliche  Feier  jedoch  erst 
i.  J.  14  n.  Chr.  festgelegt  (Dio  LVI,  46,  4).  Die  Arvalbruder  opferten  nach  dem  Tode 
des  Augustus  an  diesem  Tage  einen  Stier  {CIL  VI,  p.  471).  Toutain,  Cidtes.  28 
stellt  diese  Spiele  auf  dieselbe  Stufe  mit  den  liitli  (luiiHiiiennaks,  die  i.  J.  45  für  Cäsar 
beschlossen  wurden.  Damit  haben  aber  die  Aiifiiintdlin  nicht  das  mindeste  zu  tun, 
vielmehr  die  i.  .T.  80  beschlossenen  hidi  ijnnK/KiiiiKiles  {Man.  Atic-  40,  Z.  1.5 — 18:  Dio 
LI  19.  2). 

.3)  CIL  IX,  4182  (am  wtHiida):  T.  Viina  üii/h.  T.  Tif>sien<j  <,rtlo]ri,- \  Q.  Oifio 
Fulcinii).  C.  legio-  aed{ilihu>i]  |  /niiiiri-tiird  AmUeniiii«  ■  pro  ■  reditii  |  im/}.  ('Krsarix  Ak- 
(l>i[sti]  I  Fortunai. 

4)  CIL  XIV,  2903  [tnli.  „Kd-in.i  Vriini  \  Gnivtrici  —  Füiiiiii\,i,\  |  r\<i}iin]  Vihia 
Seci(ii<l<i   I  /.  [m]. 

.'))  CIL  X,  820  (an  der  uedicuhi.  im  Innern  des  Tempels) :  31.  Tiilliiis  ■  ,1/.  /'.  d(uum)- 
r(ir)  i{ure)  d{icund(i)  ter{tin)  qiihi(](emiali!i)  .  auriur.  tiißiiiiuis)  millihcm)  ä  pop(ulo\  uedem 
Fniiunae  August{ae)  solo  et  pe({{unia)  mui.  Plan  und  Rekonstruktion  des  Tempels 
bei  Mau,  Pompeji-  (1908),  129  ft".  Im  übrigen  verweise  ich  auf  die  Ausführungen 
von  Nissen,  P.  St.,  182  ff.  Eine  kurze  Zusammenfassung  seiner  —  zwar  bestrittenen, 
aber  bis  heute  noch  nicht  widerlegten  oder  durch  eine  bessere  ersetzten  —  Ansicht 
findet  sich  in  Or.,  3,  28-5,  die  ich  hier  wörtlich  wiedergebe  :  ,Der  Tempel  hatte  ur- 
sprünglich keinen  öffentlichen  Charakter,  ist  vielmehr  von  einem  Privatmann  auf 
eigene  Kosten,  auf  eigenem  Grund  und  Boden  erbaut,  nachträglich  noch  (auf  höhere 
Weisung  wie  es  scheint)  an  sein  Wohnhaus  angelehnt  worden.  Die  Stiftung  gehört 
mithin  einer  Epoche  an,  als  die  göttliche  Verehrung  des  Augustus  in  Italien  nicht 
amtlich  anerkannt  war,  etwa  dem  zweiten  Jahrzehnt  v.  Chr.  Der  Stifter  war  Au- 
gur, also  Sachverständiger.  Er  hat  die  Axe  des  Heiligtums  nach  dem  Untergang 
an  der  Winterwende  oder  dem  Aufgang  an  der  Sonnenwende  gerichtet:  die  Jahr- 
punkte nehmen  im  theologischen  System  des  Augustus  den  Hauptplatz  ein  (Kap.  VIII). 
Es  wäre  denkbar,  dass  das  19  v.  Chr.  eingesetzte  Kaiserfest  der  Fortuna  redux  den 
Anlass  zur  Stiftung  gegeben  habe  (Wissowa.  Bei.  212),  sowie  dass  die  .\xe  am  Fest- 
tag 15.  Dezember  abgesteckt  worden  sei.  Da  aber  das  Azimut  der  Sonne  an  diesem 
und  am  kürzesten  Tage  nur  18 '  voneinander  abweicht,  wird  die  Frage  schwerlich 
je  entschieden  werden  können." 

29 


158  HitheH  Heinen, 

Augusta,  Bracara  Augusta   und   Lucus  Augusti    als  Konvents- 
mitteljiunkte  für  die  umliegenden  Gebiete  bestimmt    werden  '). 


1)  Dass  wir  es  hier  mit  einer  augusteischen  Kultgründung  zu  tun  haben,  geht  einer- 
seits hervor  aus  den  Namen  der  genannten  Orte,  von  denen  Lucus  Augusti  besonders 
durchsichtig  ist,  anderseits  aus  Inschriften,  teils  aus  dem  1..  teils  aus  dem  2.  Jhrh. 
Zum  Verständnis  und  zur  richtigen  Bewertung  der  letzteren  vergleiche  man  vor 
allem  die  scharfsinnige  Untersuchung  von  Korneraann,  108  ff.,  mit  deren  Ergebnissen 
hinsichtlich  des  Kaiserkultes  in  den  westlichen  Provinzen  ich  mich  durchweg  ein- 
verstanden erkläre.  Der  Gelehrte  kommt  (117),  an  der  Hand  der  Inschriften,  zu 
folgendem  Resultat :  ,Wo  eine  der  Roma  und  dem  Augustus  zugleich 
gewidmete  ara  in  einer  Landschaft,  zumal  einer  provinzial 
nicht  geschlossenen,  erscheint  mit  einem  s  a  e  e  r  d  ö  s  Rom  a  e  et 
^  !f  //  i(  .V  f  /  a  1  s  K  u  1 1 1  e  i  t  e  r .  i  s  t  a  p  r  i  o  r  i.  solange  nicht  d  a  s  G  e  g  e  n- 
teil  bewiesen  ist.  eine  augustische  Kultgründung  anzuneh- 
men." Das  trifft  nun  für  das  oben  bezeichnete  Gebiet,  wie  Kornemann  weiterhin 
(119  ff.)  darlegt,  durchaus  zu,  denn  ein  sacerdos  Bmncie  et  Augusti  ist  uns  mehrfach 
•inschriftlich  bezeugt,  sowohl  für  den  couventus  Lucoisis  {CIL  II.  2638:  B.  arcli. 
XXXI  [1897],  441.  n.  100),  als  auch  für  den  conrenfus  Asturum  {CIL  11,  2637: 
4223:  4248.  5124  (=  p.  XLV) :  Suppl.  6094)  und  für  den  coiirentus  Bmeanuiyuxtuiiutt 
{CIL  II,  2416;  2426:  4215).  [Kornemann,  119  f],  Ist  somit  der  augusteische  Ur- 
sprung dieser  Kulte  als  vorläufig  erwiesen  zu  betrachten,  so  haben  wir  uns  nunmehr 
zu  fragen,  welcher  Epoche  des  ersten  Kaisers  sie  angehören.  Als  terminus  post  quem 
ergibt  sich  das  Jahr  19  v,  Chr..  in  dem  Agrippa  die  Unterwerfung  der  wilden  Völker- 
schaften in  dieser  Gegend  vollendete  (Dio  LIV.  11 :  Gardthausen  I,  689).  Für  die  An- 
setzung  einer  untern  Grenze  ist  vor  allem  folgendes  zu  beachten :  In  den  Jahren 
16 — 13  V.  Chr.  verweilte  Augustus  in  Gallien  und  Spanien,  um  die  dortigen  Verhält- 
nisse zu  ordnen  (Gardthausen  I.  665  ff.).  Als  wesentlichstes  Mittel  zur  Gewöhnung  der 
kriegslustigen  Stämme  an  friedliche  Zustände  und  an  das  straffe  römische  Regiment 
diente  ihm  der  Kaiserkult,  und  zwar  lässt  sich  deutlich  erkennen,  dass  er  bei  der 
Verbreitung  desselben  vor  allem  die  weniger  kultivierten  Völkerschaften  im  Auge 
hatte.  (Krascheninnikoff  a.  a.  0..  169  hat  zuerst  den  Satz  aufgestellt,  dass  das  Alter 
des  Kaiserkultes  der  einzelnen  westlichen  Provinzen  zu  der  dort  von  den  Römern 
eingepflanzten  Kultur  in  umgekehrtem  Verhältnisse  stehe).  Diese  Erscheinung  tritt 
uns  z.  B.  deutlich  in  Gallien  vor  Augen  :  Hier  hatte  der  oben  erwähnte  Aufenthalt 
des  Augustus  für  die  dem  römischen  Reichsregiment  weiter  entrückte  Provinz  der 
drei  Gallien  schliesslich  das  Ergebnis,  dass  sie  bereits  i.  J.  12  v.  Chr.  in  Lyon  einen 
Mittelpunkt  für  den  Kaiserkult  erhielt,  während  dieser  in  der  Provinz  Narbonensis. 
von  der  Plinius  (/;.  h.  III,  4,  31)  sagt,  dass  sie  Italia  veriuf.  quam  pronncia  gewesen 
sei,  erst  unter  Tiberius  eingeführt  wurde.  Ganz  analog  liegen  die  Dinge  für  Spanien, 
wo  die  wilden  Völker  des  Nordwestens  bereits  unter  Augustus  den  Kaiserkult  haben 
(s.  o,),  während  die  Provinz  Tarraconensis  ihn  erst  15  n.  Chr.  erhielt  (Tac.  An». 
I,  78).  Kornemann  (120)  weist  noch  auf  zwei  andere  Aehnlichkeitspunkte  zwischen 
Callaecia  und  den  Tres  Galliae  hin:  einmal  haben  beide  keine  städtische  Organisation, 
sondern  eine  solche  nach  „Volkssehaften''  oder  „Volksgemeinden"  (geiitex,  ciritates) 
[vgl.  P/h7oZ.  XXXII  (1873),  612  f.:  643  ff.],  und  dann  schliessen  sich  in  beiden  Gebieten 
die  Kultbezirke  nicht  streng  an  die  künstlich  geschaffenen  Verwaltungsbezirke  an. 
sondern  berücksichtigen  die  ethnographischen  Verhältnisse. 

Bevor  wir  aus  alledem  einen  Schluss  ziehen  für  die  Zeit  der  Einführung  des 
Kaiserkultes  in  Callaecia,  wollen  wir  noch  folgendes  erwägen:  Im  Gebiete  des  con- 
ventiis  Litcensis  lagen  am  Meere   die  sog.  tres  arcie  Sestianae.    mit  denen  man  nichts 

30 


Zur  Beiiriiuflnng  des  rihH/scIien  KaiscrhtÜes.  159 

I.  J.  17  V.  Clir. 

Säkulart'eier  in  Kum:  Ersclicinuiijjr  des  siibts  .Tulhtm  '). 

Zwischen   17   uml    12  v.   Clir. 

Äugustus   wird   von   diT   Stadf    Hy]i;it:i    Iniinllirli    vom  Oi'tal   als 

Gott  geehrt  2). 
I.  J.  15  V.  Chr. 

In   Benevent    erriclitet     ein    l'rivatniann    dem    Aiigustus    einen 

Tempel  % 

Äugustus  erliuiljt   den  Bewohnern   Ton    Paphos.   ilire   zerstörte 

Stadt  nach  dem    Wiederaufbau  Augusta  zu  nennen  '). 


Rechtes  anzufangen  weiss.  Vgl.  darüber  die  auf  uns  gekommenen  Nachrichten,  die 
nach  Hübner  (in  P.-W.  II.  Sp.  340)  alle  die  Kommentare  zu  Agrippas  Orbis  pictus 
zur  Quelle  haben:  Mela  III,  13:  In  AMip'um  litore  I^oeca  csl  uiqiidum  et  trex  arae, 
qiias  Se»tianas  rocant,  in  paeninsiita  neiJent  et  xn7it  Aitgtisti  nomine  {nirmine:  Hübner) 
siicrae  illustrantqiie  teiras  ante  iffnohiles :  Plin.  IV.  20.  111:  refiio  Asiurum,  Noeya  op- 
pidmn  —  Neri  et  nuper  Tanunci,  qnorum  in  juienivsiiUi  tvex  arae  Seittianae  Aufinxtn 
dicatae:  Ptolem.  II,  6,  3:  rt;<(,oTijpioi:  f<f'  oii  I^farlnv  (andere  Lesart:  IjÄlov)  ßtufiol  Hüb- 
ner a  a.  O..  Sp.  340  f.  Gardthausen  II,  379  °'  (Literatur).  Ist  die  Vermutung  richtig,  dass 
diese  Altäre  nach  L.  Sestius,  dem  Konsul  des  J.  23  v.  Chr.  (Gardthausen  11,  403-"),  be- 
nannt sind,  so  wäre  damit  ihr  augusteischer  Ursprung  bewiesen.  Nun  lehren  die  gal- 
lischen Verhältnisse,  dass  für  die  ganze  Provinz  der  Tres  Galliae  bereits  i.  J.  12  der 
Lyoner  Altar  errichtet  wurde,  während  die  einzelnen  Stämme  erst  später  einen  be- 
sonderen Kaiserkult  erhielten,  so  z.  B.  die  Lingonen  i.  J.  9,  wie  wir  aus  einer  Nach- 
richt bei  Cassiodor.  {Chron.,  745/9)  wissen.  Es  lässt  sich  deshalb  wohl  denken,  dass 
der  Ort  der  treit  arae  Sestiana  zunächst  der  einzige  Kultort  für  Callaecia  war,  den 
wir  dann  sehr  nahe  an  d.  .7.  19  heranrücken  könnten.  Bald  darauf  wird  aber  die 
Einrichtung  der  drei  Konvente  erfolgt  sein,  von  denen  auch  wieder  derjenige,  in 
dem  die  tres  arae  lagen,  nämlich  der  von  Lucus  Augusti.  die  beiden  andern  zunächst 
in  irgend  einer  Weise  an  Bedeutung  überragt  zu  haben  scheint  (Korneraann,  120').  Der- 
selben Zeit  gehört  wahrscheinlich  auch  der  Konvent  von  Clunia  an  (CIL  IL  Suppl. 
6098):  vgl.  Kornemann.  120  f. 

1)  Dieses  Faktum  hat  für  uns  eigentlich  nur  insofern  Interesse,  weil  es  uns  die 
fortwirkende  Bedeutung  des  Glaubens  an  das  sidiis  Jidium  und  die  überragende 
Stellung  des  Apollo,  als  Schutzgottes  des  Äugustus,  klar  vor  Augen  führt.  Im  übrigen 
verweise  ich  auf  Gardthausen  I,  1002  fF.;  II.  616  ff. 

■  2)  Dittenberger,  Si/ltofie.  I-,  5.58,  n.  3-54  :  Aixuxgarnpn  Kulomju  |  üfuv  ütov  vibv 
2s/8«oro>'  I  EliQyixriv.  xai  roi'c  lioi'j  1  FiÜor  'Iov?.ioi'  Kuichqu  \  .toixioy  'lov/.ior  Kai- 
auQa  1  if  7iö?.ig  '  YTtätei 

8)  CIL  IX,  1.5.56:  P.  Veidius  ■  P.  f.  Pollio  \  Caesaretim  ■  Imp.  Caesari  Augustn  \  et 
culoniue  Benerentanae.  Von  einem  Vedius  Pollio  berichtet  Dio  (LIV.  23)  z.  J.  1.5,  er 
sei  zuerst  Freigelassener  gewesen  und  dann  zum  römischen  Ritter  gemacht  worden. 
Dem  Kaiser,  mit  dem  er  eng  befreundet  gewesen  sei.  habe  er  testamentarisch  einen 
beträchtlichen  Teil  seines  gewaltigen  Vermögens  vermacht.  Borghesi  (s.  Mommsen 
adnot.)  hat  zuerst  vermutet,  es  handle  sich  hier  um  ein  und  dieselbe  Persönlich- 
keit. Ist  dies  richtig,  und  wir  haben  keinen  Grund  zu  zweifeln,  so  wird  man  die 
Errichtung  des  Tempels  spätestens  in  das  Jahr  15.  v.  Chr.  rücken  müssen.  Hier 
hätten  wir  also  den  ersten  datierbaren  Tempel  des  Äugustus  in  Italien.  Vgl.  Nissen. 
P.  Stiid..  183:  0.  Hirschfeld.  838 "".  —  4)  Dio  Cass.  LIV,  23.  7:  z.  J.  15:  die  dank- 
baren Paphier  verehrten  den  Äugustus  als  Gott :   CIG,  2629. 

31 


160  Huheri  Heinen, 

l.  J.  14  V.  Chr. 

In  Pompei  nennen  sich  die  niinidri  (so  inschriftlich  seit  25  v.  Chr.) 
minidri  Mercnrii  Maiae'^). 

1.  .1.  14/13  V.  Chr. 

Der  Genius  des  Augustus  wird  offiziell  (durch  eine  lex  oder  ein  ae- 
natiis  consuUuiu)  in  den  römischen  Staatskult  aufgenommen  ^). 

I.  J.  13  V.  Chr. 

(4.  Juli)  Der  Senat  beschliesst,  auf  dem  Marsfelde  einen  Altar  des 
Augustusfriedens  zu  errichten,  an  dem  die  Beamten,  Priester  und  Vesta- 
Itnnen  jährlich  am  4.  Juli  opfeni  sollen  ^). 


1)  CIL  X.  885.  886.  887. 

2)  Auf  einen  solchen  formellen  Beschluss  weisen,  wie  Mommsen,  Herme.^  XV 
(1880),  103  ff.  überzeugend  dargetan  hat,  folgende  Worte  des  Horaz  {£pist.  11, 
1,  1.5 f.)  hin:  (vor  14.  .Tuli  13  v.  Chr.)  praesenti  tibi  matnros  largimur  honores,  iiiran- 
(lanque  tuum  per  mimen  pmiimva  «ras;  ferner  Od.  IV,  5,34  (aus  derselben  Zeit):  et 
hiribus  tuum  miscet  numen.  Vgl.  Kiessling-Heinze  zu  beiden  Stellen.  Diese  öffent- 
liche Verehrung  des  kaiserlichen  Genius  äusserte  sich  auf  doppelte  Weise:  1)  durch 
Aufnahme  des  Genius  Augusti  in  die  bisher  auf  Juppiter  0.  M.  und  die  Penaten  ge- 
stellte amtliche  Eidesformel  (Hör.,  Ep.,  a.  a.  0.;  Mommsen,  St.-R.  IP,  809.  Die- 
selbe Ehre  war  \.  J.  44  für  Cäsar  beschlossen  worden  [oben  S.  132  Anm.  10]).  2)  Durch 
Aufnahme  des  Genius  Augusti  in  den  Kult  der  Kompitallaien.  an  deren  Stelle  die  beiden 
Lares  domus  Augusti  traten  (Ovid,  F.  V,  145 f.:  mille  lares  geniumgite  ducis  qui  tra- 
didit  illos  \  urhs  habet,  et  vici  numina  trina  coluitt).  Diese  Umwälzung  vollzog  sich 
naturgemäss  nicht  mit  einem  Schlage,  sondern  nahm  längere  Zeit  in  Anspruch  und 
wurde  erst  i.  J.  7  v.  Chr.  zu  Ende  geführt.  Nissen.  P.  St..  183:  Mommsen.  Htrme.<  XV 
109;  Gardthausen  I,  884  f.  928. 

3)  Der  Senat  hatte  ursprünglich  beschlossen,  einen  Altar  für  die  Rückkehr  in 
der  Kurie  zu  errichten  (Dio  LIV,  25,  3);  da  Augustus  dies  aber  ablehnte,  so  wurde 
statt  dessen  das  Marsfeld  für  den  Altar  der  Fax  Augusta  bestimmt.  Mo».  Anc.°, 
49:  [Cu]m  e.r  E[ispa]ma  Gal[liaque ,  rebus  in  Äi.<  ^jjronHo'.s-  ]irüsp[e]re  [yest}i[s], 
R[oniam  redii]  Ti  A'e[r]o»e  P.  Qiii\ntilio  considibu].^,  dram  |  [Pacis  A]u[g]ust{ae  senatus 
pro]  redi[tyi  meo  co[nsacrari  censuit]  ad  cam][piim  MaHium,  in  qua  ma\gistratüs  et 
sac[erdote.s  et  virgines  V[est]a[les  \  annireriiarium  .saerißc]ium  facer[e  iussit]  (letztere 
Angabe  wird  bestätigt  durch  die  Arvalakten  vom  Jahre  38  n.  Chr. :  CIL  VI,  p.  466, 
n.  2028b.  Z.  10).  Vgl.  CIL  P,  p.  244  (F.  Jmit.)  z.  4.  Juli  d.  J.  13:  Fer.  ex  s.  c.  q.  e.  d. 
ara  Pacis  Aug.  in  camp.  Mar.  est  Nero>i('  et  Varo  cns ;  vgl.  CIL  P,  p.  248,  z.  4. 
Juli  13;  CIL  l\  p.  320,  z.  4.  JuU. 

Gardthausen  1.  481  bemerkt  dazu:  .Es  war  eine  der  grössten  Ehren,  die  der  Senat 
ersonnen  und  der  Herrscher  angenommen  hat.  dass  i.  J.  741/3  von  Staatswegen  ein 
Altar  des  Friedens  in  Rom  geweiht  werden  sollte."  Vgl.  Wissowa,  B.  u.  K.,  277; 
ferner  P.-W.  u.  d.  W.  Fax.  Der  Altar  wurde  errichtet  an  der  Stelle,  wo  die  via 
Flaminia  in  das  Marsfeld  einläuft  und  wo  sieh  heute  der  Palazzo  Fiano  am  Corso 
erhebt.  Seine  endgültige  Einweihung  fand  erst  3'/^  Jahre  später,  am  30.  Januar  9 
V.  Chr.  statt.     Petersen,  R.  Mitt.  IX  (1894).  171—288:  X  (1895),  138  ft'. 

Gardthausen  I,  852  ff.  Er  ist  abgebildet  auf  Münzen  aus  der  Zeit  Neros  und  Domi- 
tians:  Willers,  Nu7n.  Ztschr.  M  (1902),  103.  Die  Göttin  Fax  erscheint  auf  den  Münzen 
bereits  seit  d.  J.  28  (Babelon  H,  61.  n.  147:  Cohen  P,  73,  n.  69;  92,  n.  217),  wie  sie 
auch  von  den  Dichtern,  vor  allem  Horaz  (Carm.  saec.)  schon  früher  besungen  ward; 

32 


Zur  Bc(/rii))(hn>(i  (}rs  römischen  Kaisterhdtes.  161 

In  Praeneste  wird  ein  Altar  der  Pax  Aiigiista  errichtet  '). 
[.  J.  13/12  V.  Chr. 

Der  ägyptische  l'räfekt  P.  Unbrius  Barbarus  weiht  den  Augustus- 
tempel  in  Alexandria  ein  -)  und  errichtet  weiter  einen  solchen 
auf  der  Insel  Pliilae''). 
1.  .1.    12  V.   Chr. 

Bald  nach  der  Uebernahme  des  Oberpontifikats  ((i.  März)  ')  macht 
Augustus  den  Kult  der  Vesta  und  der  Fenatos  des  kaiserliehen  Hauses  zu 
einem  solchen  des  ganzen  Staates  durch  Errichtung  eines  Vestatempels  auf 
dem  Palatin  *). 

einen  öiFentliclien  Kult  erhielt  sie  jedocli  erst  als  Augusta  seit  d.  .1.  lo.    \V|.  E'reller- 
.lordau  H^  2.50  f. 

1)  CIL  XIV,  2898  [ara  eleycuiter  .iciiJpta):  Paci  Augi(.H{ue)  |  sncriim  \  deciirinnea 
jKipiihisqiie  J'raeiiestin.    Präneste  ist  hier  natürlich  nur  ein  Beispiel  unter  vielen. 

2)  Eph.  ep.  V,  2,  n.  8  (=  IV,  27,  n.  34  =  CIL  III.  6.588):  LTtj  Ka!aati[n]g  Buq- 
ßctpog  Avid-rjxf  \  nQy^iTfitiovvxoQ  \  tlortloi^  Aiiiio  XVIII  Caesaris  (13112)  \  Barbarus 
pmef.  I  Aeijypti  posuit  architectatite.  Poiitio.  Vgl.  Neroutsos-Bey,  L'aiicienne  Ak.cumlrie, 
1888,  16;  siehe  oben  S.  142.  Erwähnt  sei  hier  auch  das  auf  der  Insel  Philae  ge- 
fundene Epigramm  auf  Augustus  (Kaibel,  Epigr.  gr.,  978):  KuianQt  novtoaiäovn  xal 
äniiywv  aficcTffivzi  |  Zavl  tvj  tx  Zavög  nttZ(}i>(:  ' Elfv^tgitu  \  äsonoxa  Evomnag  xt  xal 
'Aaldoc,  aaT(jca  andoug  \  'Ei.Xädoi,  vg  awzljQ  Zivg  arsxfilf  /tc-yrcc.  Wendland,  Suir^g, 
in  Ztschr.  f.  mutest.    Wiss.  1904,  335  tf. 

3)  BIA  1866,  8.  51  (Architrav):  AvxoxQäxo(ji  I{(tiaa(,i  ^Li-ßrinzw  2iojzi,iJi  Eiffjyszij 
Li>i  ihi  Ilon/.lov  'Poßijlov  Bu(jßd(jnv.  Vgl.  Borchardt,  .Trii.  nn-lt.  InM.  XVIH  (1903), 
73  fl'.  84. 

4)  Mon.  Anc.^,  45:  Pontißex  maximus  ne  fierem  in  rivi  [c]oiile\\ßae  locum,  po- 
piilo  id  sace\räotimn  deferente  mihi,  quorl  paier  meu[s  ||  habuerat  recusavi.  Quod] 
xitverdotium  aliquod  post  aiiuns  eo  mor\[tuo  qui  id  tumultiis  iijccdsiane  occupiireriit  [§], 
luiicta  ex  Italia  \  [ad  comitia  meii  coenittc  tanta  mii]ltitinliiii:  quaiita  Rimuie  iiiiii- 
[q\uum  I  [autea  fuisse  narratur  §]  P.  .Suljjicio  C.  Valgiii  (■uiisiilihu[s'\  §.  Üvid.  F.  III. 
415  (6.  März)  Suet,  Aug.,  31,  1;  Dio  LIV,  27,  2;  CIL  l\  p.  233  (F.  Pra,„.);  CIL  V. 
p.  223  (F.  Maf.).     Vgl.  Gardthausen  I,  867 ;  II,  508. '  "■ «. 

5)  Dieses  bedeutungsvolle  Ereignis  der  römischen  Religionsgeschichte  vollzog  sich 
äusserlich  in  folgender  Weise:  Als  gewählter  Pont.  max.  hätte  Augustus  eigentlich 
die  neben  dem  atrium  Vestae  gelegene  domus  publica  (Regia)  beziehen  müssen.  Da- 
gegen schenkte  er  diese  den  Vestaliuuen  und  erklärte  dafür  einen  Teil  seines  pala- 
tinischen  Palastes  als  staatliches  Eigentum  (Dio  a.  a.  0.  §  3).  Am  28.  April  bereits 
weihte  er  dann  der  Vesta  einen  neuen  Tempel,  der  mit  seinem  Palaste  in  Verbin- 
dung stand :  CIL  I ^  p.  236  (F.  Praen.),  z.  28.  Apr.  12  v.  Chr. :  Feriae -ex-  s-f  quod ■ 
eil  di[e  aedicul\a  ■  et  ■  [ara}  Vestae  •  in  domu  •  imp.  Caesaris  ■  Augu[sti  po\ntif.  ma{x]  de- 
dicatast  Quirinio  et  Valgio  cos.  CIL  P,  p.  213  (F.  Caeret.).  z.  28.  Apr.  Fer.  q.  e.  d. 
sig()nim)  •  Vest{ae)  ■  in  domo  piontifici.s)  dedic.  Vgl.  CIL  P,  p.  317.  Gardthausen  I,  868. 
Den  inneren  Vorgang  schildert  Ovid.  a.  a.  0.  if.  und  TV,  949  if. :  cognati  Vesta  re- 
ccpta  I  limine  —  Phoebus  habet  partem.  Vestae  pars  altera  ces.sit.  |  quod  superest  Ulis, 
tertius  ip.se  tenet.  —  aeternos  fres  habet  una  deos.  Wissowa,  B.  u.  K.,  69  f.  sagt  tref- 
fend: ,So  thront  der  Kaiser  auf  dem  Palatin  zwischen  Vesta  und  Apollo,  der  alten 
Herrin  des  Staatsherdes  und  dem  göttlichen  Schirmherrn  des  herrschenden  Hauses, 
zum  deutlichen  Zeichen,  dass  das  Kaiserhaus  der  sakrale  Mittelpunkt  des  Staates 
ist."     Vgl.  Hemies  XXII  (1887),  44. 

Klio,  Beiträge  zur  aUnn  Gescliichte  XI  2.  jj 

33 


162  Ilnhert  Heinen. 

In  diesem  Jalire  erscheinen  zum  erstenmale  nKujistri  Äii(/iisf((lcs, 
und  zwar  in  Nepet  in  Etrurien  '). 

(1.  August)  Drusus  weiht,  in  Gegenwart  von  Vertretern  sämt- 
licher Stämme  der  Tres  Galliae.  den  Altar  der  Roma  und  des 
Augustus  in  Lyon  ein  -). 


1)  CIL  XI,  3200:  Imp.  Caesari  •  Divi'  f.  \  Anyusfo  |  jx»!/.  mu.r.  cofi.  XI  \  trihiidc. 
pcile^lat.  XI  I  mayii^tri  Auffnstnl{e.i)  prim(i)  |  (folgen  die  Namen  von  vier  Freigelassenen). 
Au^ustalen.  bezw.  seriri  A^iyustnlea  finden  wir  zu  Lebzeiten  des  Augustus  in  Falerii 
{CIL  XI.  3083).  Veii  (XI.  3782).  Cosa  (XI,  2631),  Perusia  (aus  dem  J.  1  n.  Chr.).  ßo- 
nonia  (XI,  804),  Sulmo  (IX.  3099),  Polimartium  (XI.  3040).  Verona  (aus  dem  J.  1  v.  Chr. : 
V,  32.57),  Pompei  (X,  890),  Asisium  (XI.  5424).  Vgl.  hierüber  K.  J.  Neuniann  bei  R-W. 
unter  d.  W.  Auyustales ;  daselbst  auch  eine  gute  Uebersicht  über  die  moderne  Literatur. 

2)  Für  das  Jahr:  Liv.,  Epit.,  137:  tvmvltvs,  qui  oh  censtim  exoiius  in  Gallia  erat, 
eumpmutiir;  am  Caesari  ad  confluentem  Araris  et  Bhoclani  dedicata  sacerdote  creato 
C.  Julio  Vercondanduhno  Aeduo :  Dio  LIV,  32,  1  (z.  .1.  742/12):  (Drusus)  tovg  n^wTovc 
ttizov  nQO(f>do(i  ri/c  «(i(JTi;c,  fjv  xnl  tiv  nfpl  rbv  xov  AvyovoTov  ßuifibv  fr  Aovyöoivm 
Tflovat,  f/eiccnffiijm/uei'Of.  Für  den  Tag:  Sueton,  Claud.,  2,1:  Claudhia  natiis  eM  Jidio 
Antonio  Falrio  Africuuo  conss  (=  10  v.  Chr.)  Kul.  Avy.  eo  iiino  die  quo  primiim  aru 
ibi  Anyusto  dedicata  est.  Die  von  Livius  und  Dio  scheinbar  abweichende  Angabe 
.Suetons  sucht  Fischer.  E.  Zeitt.  443  so  zu  erklären,  dass  er  annimmt.  Sueton  wolle 
lediglieh  das  Tagesdatum,  nicht  aber  das  Jahr  der  Einweihung  bezeichnen,  während 
O.  Hirschfeld  (S.  Bii.  Ak.  1888.  840  3":  ihm  folgt  Gardthausen  IL  366";  702'»)  meint, 
die  Vollendung  und  endgültige  Einweihung  sei  erst  i.  J.  10  erfolgt,  und  zwar  in 
Gegenwart  des  Augustus  (Dio  LIV,  36).  CIL  XIIL  p.  227  nimmt  Hirschfeld  dann 
als  wahrscheinlicher  einen  Irrtum  des  Sueton  an.  Die  Auffassung  Fischers  hat  tat- 
sächlich mehr  für  sich.  Strabo  IV,  3,  2,  p.  192  beschreibt  den  Altar  wie  folgt :  rorf 
\fp6v  To  fh'ciäfiy_Siv  imö  ■niivziuv  xoiv^j  xCav  raf.arüjv  Kcdacipi  tüi  Efßaarü)  irpo  rediiig 
"(Jpurai  tT/c  7i6?.fO!)g  im  t;}  avfißoXfi  ziov  noza/jCov "  sazi  de  ßw/Liög  n^iö/.oyoi;  inty(ia(p)jv 
sxujv  züv  i^vüiv  kSt'/xovza  Api^/xov  xal  tlxövfq  zoizwv  kxäazov  ula  xal  ä>.Xoc  /^tyciQ. 
Für  die  verderbten  beiden  letzten  Worte  hat  zuerst  Toup  n?.aog  fieyag  eingesetzt. 
Krascheninnikoff  (a.  a.  0.  1.51 ")  und  nach  ihm  0.  Hirschfeld  [CIL  a.  a.  O.)  lesen 
vfiög  fxiyae-  Neuerdings  ist  nun  Kornemann  (109')  wieder  auf  die  ursprüngliche  Lesart 
zurückgekommen.  Mit  vollem  Recht,  wie  mir  scheint:  denn  dieser  Gelehrte  hat  den 
als  gelungen  zu  betrachtenden  Nachweis  geführt,  dass  es  sich  in  Lyon  zunächst  nur 
um  eine  ara  als  Kultstätte  handele,  während  ein  Tempel  erst  in  der  zweiten  Hälfte 
des  ersten  Jhrh.  hinzugekommen  sei  (vgl.  a.  a.  0.  108). 

Bei  den  Ausgrabungen  des'  Jahres  1859  fand  man  unter  andern  dem  Kaiseraltar 
zugerechneten  Blöcken  auch  einen  Rest  der  Weihinsclirift.  T'/Jv  XHI.  1664:  Ro[m{<ie) 
et  Angiisto].  Das  Bild  des  Altars  ist  uns  erhalten  auf  Münzen  augusteischer,  clau- 
discher  und  neronischer  Zeit:  Cohen  P.  95.  n.  239  f.  (12—2  v.  Chr.)  236—238: 
192.  n.  28-33;  193,  n.  35—38;  193,  n.  39-41;  256,  n.  81;  296,  n.  256  (vgL  Hirsch- 
feld. CIL  XIII.  p.  227).  Diese  Ansicht  ist  jedoch  neuerdings  von  H.  Willers  {Niim. 
Zeitschr.  XXXIV  [1902].  101  ff.)  bestritten  worden,  der  in  den  Münzbildern  vielmehr 
.zwei  Viktorien  und  ein  Ovarium  aus  dem  Zirkus,  der  nach  Ausweis  dieser  Münzen 
im  heiligen  Bezirk  von  Lugudunum  ebenfalls  vorhanden  war',  sieht.  (W.  Otto, 
Hermes  XLV  [1910],  459*  hat  den  erwähnten  Aufsatz  von  Willers  übersehen,  wo 
Münzen  mit  Born.  et.  Auy.  schon  für  12 — 2  v.  Chr.  sich  finden). 

Gleichzeitig  mit  der  Einweihung  des  Altars  fand  auch  die  erste  Versammlung 
des,  wie  es  scheint,  in  Anlehnung  an  eine  bereits  bestehende  gallische  Jahresver- 
sammlung und  -feier  zu  Ehren  des  Gottes  Lug  und  nach  dem  Muster  der  griechischen 

34 


Zur  Beyriindmt(i  des  römischen  Kaiserkultes.  163 

Erste  iiiichweisbare  Einrichtung  eines  stadtrömisclien  Distrikts  mit  dem 
Kulte  der  Lares  und  des  Genius  Augusti'). 

Myiasa  in  Karien  errichtet  einen  Temjiei  des  Augustus  und  der 
Roma  -). 
I.  .1.   1(1  V.  Olir. 

Augustus  stellt  in    iiom   Statuen   und  Altäre  der  Salus.   Ooncordia  und 
Pax  auf^). 


xoivn  begröndeten  amcilinm  Gallianim  {CIL  XIIT,  3162:  III.  Z.  \r>  Q  statt  (Dio  a.  a.  O.). 
Strabo  berichtet  in  der  oben  zitierten  Stelle,  dass  60  Stämme  ihre  Namen  in  den 
Altar  eincremeisselt  und  je  eine  Statue  aufgestellt  hätten ;  ebensoviele  waren  in  der 
ersten  Zeit  auch  an  dem  Provinziallandtag  beteiligt.  (Vgl.  0.  Hirschfeld,  &  Brl.  Ak. 
1896,  441^;  Kornemann.  I>>e  Zahl  der  iiiillische)i  eivitates  in  der  r.  Kniserzeit,  K/io  I 
[1901].  331  ff.).  Alle  Stadtgemeinden,  oder  wo  solche  nicht  voi-handen.  die  Volks- 
i^chaften  (Kornemann  bei  P.-W.  IV.  812)  hatten  hier  Sitz-  und  Stimmrecht,  das  sie 
durch  einen  oder,  wie  es  scheint,  bei  grösseren  Gemeinden  durch  mehrere  Abgeordnete 
ausübten  (vgl.  CIL  XIII,  1667:  sechs  Sitze  für  die  Bituriges-Cubi  im  Amphitheater; 
Hirschfeld,  CIL  XIII,  p.  228).  Dieser  Provinziallandtag  war  in  der  Hauptsache  eine 
Versammlung  für  den  Kaiserkult  der  Roma  und  des  Augustus.  Sein  religiöser  Cha- 
rakter zeigte  sich  vor  allem  darin,  dass  der  Vorsitzende  zugleich  auch  die  Leitung 
des  provinzialen  Kaiserkultes  hatte.  Dessen  Titel  lautete :  sacerdos  Bomae  et  Au- 
fluKti  ad  aram,  qiiae  est  (oder  einfacher  ad  aram  ad)  confliientes  Araris  et  Rhodani 
[CIL  XIII.  1036  [p.  137];  1674;  vgl.  CIL  XIII.  p.  228 ff.).  Der  erste  war  der  Aeduer 
C.  .lulius  Vercondaridubnus  (Livius  a.  a.  0.). 

Was  nun  die  Wahl,  die  dazu  notwendigen  Voraussetzungen  und  die  Ehren  des 
Provinzialpriesters.  ferner  die  Abgeordneten.  Beamten  und  die  politischen  Rechte 
des  Provinziallandtages  usw.  anlangt,  so  mag  hier  ein  Hinweis  auf  die  Literatur 
genügen.  Vor  allem  sind  zu  nennen :  Hirschfeld.  S.  Brl.  AI;.  1888  und  seine  Ausfüh- 
rungen im  Xin.  Bande  des  CIL;  die  treffliche  Zusammenstellung  von  Kornemann 
bei  P.-W.  u.  d.  W.  concilimn  und  E.  Carette.  Les  assemblees  prov.  d.  l.  Gaule  rmn. 
Paris  1895. 

\^  CIL  VI.  4-52:  [Lurihus  A'\ugust[is)  mci  Jovis  Faijitta[lis  et]  |  [genis  Caesarum 
i]mp.  Nerra  •  Diri  Nervae  •  /".    Traiait[o]  |  [Aug.   Germanici)  Dac]ico.  pont.  max.  (=  109 

n.  Chr.)   trih.  put.   XIII.  imp.   VI  [cos  u]  \  [perrnissu ]  Pollionis.  trih.  pleh.  aed. 

reij.  III  retusta[te'\  \  [delapsam  a  solo  ma]gistri  aiiiii  TXXJ  sua  impeiisa  restitu[er].  Da 
die  zerstörte  aedicula  (oder  ara)  i  .T.  109  n.  Chr.  von  den  miigistri  des  121.  Jahres  wieder- 
hergestellt wurde,  so  kommen  wir  auf  das  Jahr  12  v.  Chr.    Vgl.  Gardthausen  I,  928  f. 

2)  CIG  2696:  '0  är/uoc  airoxpaTogt  KaiouQi  9sov  vlib  2!sßaotw  agyisgü  ixtyioTui 
xal  &crj  'Ptü.ttj.  Beurlier  a.  a.  0.,  24;  V.  Chapot,  La  prov.  rom.  d'Asie  procons.  (Bihl. 
de  l'ecole  150),  423  f. 

3)  Dio  LIV,  35,  2:  intidi)  zs  ripyvgiov  av^ig  (c  fixövag  avtov  xal  ixeivt)  xal  6  dij- 
,uos  avvearjveyxav,  eavToU  fiiv  oiöefitav,  'Yyteiag  äh  örjuooiaq  xal  ngoaszt  xal  'Ouofotag 
EtQ^vtjc  t(  sazrjaav.  Bei  Ovid  tritt  zu  diesem  Bunde  noch  Janas  hinzu.  Fast.  lU. 
881  f.:  Janas  adorandus  cumque  hoc  Concordia  mitis  \  et  Romana  Salus  araque  Pacis 
erit,  was  ja  wegen  seiner  Beziehungen  zu  Krieg  und  Frieden  nicht  weiter  auffallig  er- 
scheint. Wissowa.  R.  u.  K..  278  weist  darauf  hin,  dass  die  Aufstellung  jener  drei 
Altäre  vielleicht  zusammenhänge  mit  der  von  Dio  (LIV,  36,  2)  berichteten  Absicht, 
i.  J.  10  V.  Chr.  den  Janustempel  zu  schliesseu.  Von  den  drei  erwähnten  Eigenschafts- 
gottheiten ist  uns  bisher  noch  nicht  entgegengetreten  die  Concordia,  der  erst  später 
ein  besonderes  Heiligtum  gewidmet  worden  ist. 

U* 
35 


164  Hubert  lleinen, 

I.  J.  9  V.  Chr. 

(30.  Jan.)  Einweihuntj  des  am  4.  .luli  Vi  v.  Chr.  errichteten  Altares 
der  Fax  Augustii  ')• 

Herodes  weilit  die  Stadt  Caesarea  und  den  Tempel  der  Koma 
und  des  Augustus  ein.     Einsetzung  vierjähriger  Spiele  ^). 

Im  vicuü  Honoris  <■{  V/rt/dis  wird  der  Kult  der  Lares  und  des  Genius 
Augusfci  eingeführt  ^). 

I.  .T.  9/8  V.  Chr. 

Auf  Vorschlag  des  Prokonsuls  Paullus  Fabius  Maximus  beschliesst 
der  Landtag  der  Provinz  Asia,  den  Kalender  zu  Ehren  des  Au- 
gustus zu  reformieren  ^). 

1)  CIL  I-,  p.  309  {F.  Praen.)  z.  30.  Jan.  9:  Feriae  •  ex  ■  s  ■  c  quo[d  "  eo]  ■  die  am 
Pacis  Augustale  in  campo]  Mntiio  dedivttta  [ej.fi  Druso  et  Crispino  c[os].  CIL  I-.  p. 
212  {F.  Caeret),  z.  30.  Jan.  Fcr.  e.v.  s.  c.  q.  c.  d.  ara  Pac.  Aug.  d.  CIL  I-,  p.  229 
(F.  Cum.)  z.  30.  Jau.  Ovid.  /''..  I,  709  ff. :  ijisiim  iios  Carmen  deduxit  P(i(  ix  ad  arnm 
liaec  erit  a  mensis  fine  secuuda  dies  |  fnindibus  A<ti((ris  complos  rediwiia  lapillos  Po.r 
ades,  et  toto  mitis  in  orhe  mnne;  vgl.  III,  879  tf.:  iiide  quaier  pastor  saturos  uhi  clatt- 
serit  haedos  |  caiiuerint  herhae  rore  recente  quater,  |  lunus  adonindus  cumque  hoc  Coii- 
cordia  mitis  |  et  Bomana  Salus  araque  Pacis  erit.  Der  30.  Januar  als  der  eigentliche 
dies  natalis  des  Altars  ist  noch  lange  nach  Augustus'  Tode  von  den  Arvalbrüdern 
mit  Opfern  begangen  worden:  CIL  VI,  2028b,«-"'  (z.  J.  38):  a.  d.  III.  Fehrua  ■ 
Taurus  Staiilius  Corritms  ■  proniagiste[r  collegi  fratr(uin)  arvaliiiiii]  immine  in  campu 
ad  aram  Pacis  [Augustae  immolavit-,  ferner  VI,  p.  491,  Z.  12  (z.  J.  66  n.  Chr.).  Vgl. 
Wissowa.  M.  u.  K..  406 ;  Nissen,  On,  3,  299  und  die  abweichende  Auffassung  von 
dediaitin  und  consecratio  von  v.  Domaszewski.  Jrli.  öst.arch.  Itist.  VI  (1903).  ."18°. 
Mommsen.  Mon.  Anc.-,  49  und  CIL  \-.  p.  320  z.  4.   Juli. 

Ueber  diesen  .A,ltar,  dessen  vollständige  Rekonstruktion  zuerst  E.  Petersen  (vgl. 
oben  S.  160.  Anm.  3)  gelungen  ist,  vergleiche  man  jetzt  am  besten  die  von  demselben 
veröffentlichte  Monographie  Ara  Pacis  Augustae  (mit  Zeichnungen  von  G.  Nieniann) 
Wien  1902;  194  ff.  findet  man  in  einem  numismatischen  Anhange  die  , besterhal- 
tenen Exemplare  der  Münzen  mit  der  .\ra  Pacis'.  H.  Willers.  Num.  Ztschr.  XXXIV 
(1902),  103. 

2)  Vgl.  oben  S.  15.5,  Anm.  3.  Jos.,  ant.  XV.  9.  6.  XVI.  h.  1 :  h.  iud.  I.  21,  5—8.  Vgl. 
Schürer,  P  (1901),  389.  Das  Fest  der  Einweihung  wurde  in  grossartigster  Weise  ge- 
feiert, und  zwar,  nach  dem  Brauche  der  Zeit,  auch  durch  besondere  Kaiserspiele.  Alle 
vier  Hauptarten  der  Spiele  waren  dabei  vertreten  und  wurden  fortan  alle  vier  Jahre 
erneuert.  Herodes  hatte  zu  diesem  Zwecke  eigens  ein  grosses  steinernes  Theater, 
ein  grosses  Amphitheater  und  wahrscheinlich  auch  ein  Stadium  und  einen  Zirkus 
erbauen  lassen.  Jos.,  ant.  XVI,  5,  1 :  Aywva  fiovaix!jq  xal  yvfivixCov  rl&^.tjuäzcuv  —  nolv 
ni.Tjf^nti  ixnyouäxiuv  xal  StjqIwv,  'innwv  xs  ä(td,uoy.  E.  Schürer,  11*,  50.  Suet.,  Aug.,  59; 
vgl.  60:  reges  amici  atque  socii  et  singuli  in  suo  quisque  regno  Caesareas  urhes  condi- 
derunt. 

3)  CIL  VI,  449;  Laribus  Aug.  et  Genis  Caesai-um  [imp  •  caes  •  domitiano  •  avg  "  cos  ■ 
uiiii]  I  desig  ■  X  (83  n.  Chr.)  p.  p.  permissu  •  A.  Anni  ■  Cdmartis  ■  tr[ib.  pleb.  aedieulam 
reg  ■  I  •  vici  honoris]  \  et  Virtutis  ■  magistri  anni  LXXXXII  ■  a  ■  s[o1o  impense  sua  re- 
stituerunt]  \  etc.  (83—92  =  9  v.  Chr.).    Gardthausen  I.  928  f. 

4)  Ueber  diese  Ehrung  seitens  der  Asianer  ist  uns  folgendes  aus  Städten,  bei 
deren  Kaisertempel  das  Schreiben  des  Prokonsuls  nebst  Landtagsdekret  aufgestellt 
war,  stammendes  inschriftliche  Material  erhalten: 

36 


Zur  fi((/nnulnii(i  des  römi sehen  Kniserkultes.  165 

Drusus    weiht    den    AuLfustustenipel    der    gallischen    Lingonen 

1.  Von  dem  Schreiben  des  Prokonsuls:  a)  ein  mit  Ausnahme  der  drei  ersten 
Zeilen  vollständiges  Exemplar  in  griechischer  üebersetzung  aus  Priene  (A.  Mitt. 
XXIV  [1899],  228  f.,  Z.  3—20;  vgl.  275);  b)  zwei  griechische  Bruchstücke  aus  Apa- 
mea,  von  denen  das  eine,  gut  erhaltene  (CIG  3957b;  BCH  XVII  [1893],  315  f.),  die 
Zeilen  4 — 14,  das  andere,  sehr  verstümmelt  {BCH  a.  a.  0.)  die  Zeilen  15—25  des 
Textes  von  Priene  enthält;  c)  ein  kleiner  Teil  des  lateinischen  Textes  aus  Apamea 
{('IL  in.  12240)  und  ein  grösserer  neunzeiliger  aus  Doryläum  {A.  M//.  XXIV  [1899], 
27(i  f.  =  CIL  lll,  13651),  entsprechend  den  Zeilen  10 — 20  von  Priene;  d)  ein  im 
prienisehen  Texte  fehlendes  griechisch-lateinisches  Bruchstück  aus  Apamea  {A.  MM. 
XXIV,  279),  das  wahrscheinlich  ,die  in  dem  Schreiben  selbst  nicht  enthaltene, 
aber  für  die  Ausführung  des  Vorschlages  unentbehrliche  Festsetzung  über  die  Glie- 
derung der  Monate"^  enthielt. 

2.  Von  dem  entsprechenden  Beschlüsse  des  Proviiiziallaiidtages :  a)  ein  vollstän- 
diges Kxemplar  in  der  Inschrift  von  Priene  Z.  30 — 77 ;  b)  ein  Bruchstück  aus  Apamea 
(CIG  3957a  col.  11),  enthaltend  Zeile  30 — 35  von  Priene:  c)  ein  am  Ende  der  Zeilen 
verstümmeltes  Bruchstück  aus  Apamea  {A.  Mitt.  XVI  [1891].  283  f.),  entsprechend 
den  Zeilen  51  (Sehluss)  — 67  von  Priene ;  d)  ein  Bruchstück  aus  Eumenia  {CIG  3902b), 
entsprechend  den  Zeilen  -55 — 67  von  Priene. 

3.  Die  Inschrift  von  Priene  erwähnt  Z.  41 — 49  zugleich  mit  dem  Beschluss  zu 
Ehren  des  Augustus  noch  einen  früheren,  unter  dem  yQu/^tftaxevg  L.  Volcacias  Tullus 
(über  diesen  s.  A.  Mitt.  XXIV.  280)  gefassten,  demzufolge  derjenige,  welcher  den 
besten  Vorschlag  zur  Ehrung  des  Kaisers  machen  würde,  von  der  Provinz  einen 
Kranz  erhalten  solle.     Dieser  soll  nun  dem  Fabius  Maximus  verliehen  werden. 

4.  Priene  78 — 84 :  Beschluss  über  die  für  die  Wahlzeiten  erforderlichen  Bestimmungen. 
Die   Kalenderreform    lief  darauf   hinaus,    dass   das    asianische    Jahr    fortan   mit 

dem  23.  September  des  römischen  Kalenders,  dem  Geburtstage  des  Sebastos,  des 
Retters  (Priene  Z.  6  ff.)  und  unübertrefflichen  Wohltäters  (Z.  38  f.)  der  Mensch- 
heit, und  des  Gottes  (Z.  34),  begonnen  wurde,  dass  dieser  Tag  von  nun  an  Sebaste 
hiess,  dass  ferner  der  erste  bisher  Dios  genannte  Monat  Kaisar  genannt  und  alle 
Monatsanfänge  den  Tagen  a.  d.  IX  Kai.  des  römischen  Kalenders  gleichgesetzt 
wurden.  (Aus  dem  prienisehen  Texte  liest  man  heraus,  dass  es  sich  mehr  um  einen 
Befehl  des  Prokonsuls  handelt,  denn  um  einen  Vorschlag,  den  die  folgsamen  Unter- 
tanen in  der  richtigen  Weise  verstanden  und  verwerteten.)  Die  Angleichung  an  das 
römische  Jahr  war  indes  insofern  eine  unvollständige,  als  erstens  ein  besonderes 
Neujahr  und  zweitens  die  bisher  in  Asia  gebräuchlichen  makedonischen  Monatsnamen 
beibehalten  wurden,  wie  sie  uns  das  Florentiner  Hemerologium  (vgl.  Ideler.  Chron. 
I.  414)  für  den  ephesianischen  Kalender  erhalten  hat.  Die  Namen  der  Monate  hat 
die  prienische  Inschrift  Z.  68—71  :  1.  Kaisar  (31  Tage),  2.  Apellaios  (30).  3.  Aud- 
naios  (31).  4.  Peritios  (31),  5.  Dystros  (28),  6.  Xanthikos  (31  ;  in  Schaltjahren  32  [Priene 
Z.  71]),  7.  Artemisios  (30),  8.  Daisios  (31),  9.  Panemos  (30),  10.  Löos  (31),  11.  Gor- 
piaios  (31),  12.  Hyperberetaios  (30). 

Für  die  Zeit  der  Reform  scheint  massgebend  zu  sein  Z.  77  der  prienisehen  In- 
schrift, aus  der  hervorgeht,  dass  noch  nach  der  falschen,  in  Rom  zuletzt  i.  J.  9  an- 
gewandten und  i.  J.  8  V.  Chr.  beseitigten  Schaltung  mit  einer  Zwischenzeit  von  nur 
2  statt  3  Jahren  verfahren  wurde.  Sodann  scheint  mir  noch  ein  anderer  Gesichts- 
punkt hier  stattziihaben :  i.  J.  8  erhielt  der  Sextilis  den  Namen  Augustus:  man  sollte 
meinen,  dass  die  Asianer,  wenn  zur  Zeit  ihrer  Kalenderreform  diese  römische  Ehrung 
schon  vollzogen  worden  wäre,  ihren  ersten  Monat  nach  diesem  Beispiele  Sebastos 
und  nicht  Kaisar  genannt  hätten.  Die  Reform  wird  demnach  vorher  fallen.  Vgl. 
Usener  BIA.  1874,  73  ff.     Mommsen  A.  Mitt.  XXIV  [1899].  275  ff.    Wie  die  Provinz 

37 


166  Hubcd  Hehle», 

ein '). 
I.  J.  8  V.  Chr. 

Auf  Antrag  des  Volkstribunen  S.  Pacuvins  erhält  der  Monat  Sextilis 
den  Namen  Auaiistus '). 
I.  J.  7  V.  Chr. 
Augustus  vollendet  die  Reorganisation  des  Larenkultes  ■''). 


Asia,  so  haben  auch  andere  Länder  des  Ostens  Monate  und  Tage  nach  Augustus  be- 
nannt (vgl.  darüber  die  Stellen  bei  Gardtbausen  II.  .564  ^^  u.  *').  und  zwar  zum  Teil  schon 
vor  der  asianischen  Reform.  Usener  und  BoU  haben  seinerzeit  einen  Kalender  ent- 
deckt (vgl.  Boll.  Catal.  cod.  astr.  graec.  II,  139  ff.),  den  Usener  zunächst  für  den 
Kalender  der  syrischen  Provinz  ansah,  der  kürzlich  aber  wohl  mit  Recht  von  v.  Do- 
maszewski  (vgl.  Jrc7(.  f.  K.-W.  XII  [1909].  33-5  tf.)  der  Provinz  Cypern  zugeschrieben 
wurde.  Die  Namen  der  Monate  lauten :  Aphrodisios  (Mai).  Anchisaios  (Juni),  Romaios 
(Juli).  Aineadeios  (August),  Kapitolios  (Sept.),  Sebastos  (Oktob.).  Agrippaios  (Nov.), 
Libaios  (Dez.),  Octabios  (Jan.),  Julaios  (Febr.),  Neronaios  (März),  Drusaios  (April).  Der 
Name  Agrippaios  zeigt,  worauf  v,  Domaszewski  (a,  a.  0.  336)  hingewiesen  hat,  dass 
dieser  Kalender  bereits  vor  dem  Jahre  12  v.  Chr.  entstanden  sein  muss.  lieber  die 
weitere  Umnennung  dieser  Monate  i.  J.  2  v.  Chr.  s.  u.  S.  170. 

1)  Cassiodor.,  Chron..  z.  J.  74-5/9:  Drusus  Nero  et  L.  Qtniitit(s.  Eis  coiiss.  apud 
Lingotmt»  gentem  templum  Caesari  Drusus  sacravit.    Gardthausen  I,  1086. 

2)  Liv.,  Ejyit.,  134:  mensis  Sextilis  in  honorem  eins  appellatus  est;  Suet.,  Aug.  31: 
anmnn  a  Diuo  Julio  ordinatinn,  sed  postea  neglegentia  conturbaium  atqiie  confusum 
rursits  ad  pristinam  rationetn  redegit ;  in  cuius  ordinatione  Sextilem  niensetn  e  suo  cogno- 
mine  nuncupavit  magis  quam  Septembrem  quo  erat  nutus,  quod  hoc  .sibi  et  primus  con- 
sulatus  et  iusignes  uictoriae  optigissent :  Censorin,  d.  n.  22,  6-:  in  Augusti  honorem  dictus 

est  Augustus  anno  Augusti  vicesiino;  Macrob.,  Saf.  I,  12,  35: placere  senatui,  nt 

hie  mensis  Augustus  appelletur,  item  plebiscituni  factum  ob  eandetn  rem  Se.tto  Pacuvio 
tribuno  plebem  rogante;  Serv.,  ad  Buc.  IV,  12:  Julius  et  Augustus  men^es  in  honorem 
Caesaris  et  Augusti  acceperunt  nomina:  nam  antea  Quintilis  et  Sextilis  dicti  sunt;  Dio 
LV,  6,  6—7:  rov  [.u'si]  .«//i'n:  tov  St^zii.tov  ijitxaloviisvov  Avyovazov  ttvtwvönaae '  tCov 
yäp  a/.'/.wv  röv  SeTizfußffioi'  ovTtug,  insiSi'jTifo  ir  avnü  iyeysvvtjxo,  TiQOattyoQivaai  iltt- 
).7jaävz(ov  ixHvov  ahzoi  Tigofzlfitjasv,  ozt  xal  Snazo:  iv  avziü  z6  uqCozov  aneSfSfixzo 
aal  ftäxctg  noi./.ng  xut  ftfyd?.ag  irtvixijxii.     Vgl.  Gardthausen  I,  951;  II.  563  f.  °ä. 

3)  Das  Jahr  wird  erschlossen  aus  Dio  LV,  8,  6 — 7  (z.  J.  747/7):  szvyov  &  ixHvoi 
/^hv  oiSfvös,  Ol  ö'n  6>/  azevionol  iTtitifhizCov  zivmv  ix  zov  6fjuov,  ovg  xal  azerwTiäpyovg 
xu/.ovfxev  Xfi!  a(piat  xcd  z^  iafUjzt  zfj  n^yjxij  xal  Qußäoiyoic  öio,  ei>  avzotc  zotg  xwgi'oig 
ojv  av  aifywmv,  Ij/nfgruc  ztai  ypTfi&ai  sdo^)),  ij  zt  Sovlda  ij  zoiq  nyoQUVöfWig  zihv  Sft:tifi- 
nguuivwv  tvfxa  avrovaa  tTifzgnnij,  xaizot  xal  ixflviar  xrd  röir  dijuägywr  zCov  ZB  aigazijyibv 
näaav  zi/V  nö/.iv,  6exazeaaK(>a  .usgtj  i'ffitjfteiaai;  x'/.tjqw  nuoazayßivzwv  ■  6  xal  vvv  ylyvszai ; 
vgl.  Suet.,  Aug.  30.  1 :  spatium  tirbis  in  regioues  uicosque  diuisit.  insiiiuitque,  ut  illas 
annui  magistratus  sorfito  tuerentiir,  hos  magisiri  e  plehe  cuiusque  uicinae  lecti.  H.  Nissen. 
P.  St.,  183.  Obgleich  nicht  alle  römischen  vici  zu  gleicher  Zeit  den  neuen  Laren- 
kult einrichteten,  so  haben  wir  doch  für  dieses  Jahr  gerade  die  meisten  inschrift- 
lichen Zeugnisse:  R.  arch.  (4.  serie)  IX  [1907].  349,  n.  16:  [lu]ribus  ■  Aug{ustis)  \  ricei- 
Statae  •  \  Matris  •  \  ministri  ■  anni  •  VI  |  (Namen  von  vier  Freigelassenen)  X.  Caninio  ■ 
Gallo  ■  C-  Fufio  ■  cos.    Die  beiden  sind  Konsuln  am  Schlüsse  des  Jahres  2  v.  Chr.  CIL 

VI,  761 :  Germanica  Caesare  |  C.  Fonteio  [Cap]itone  cos  \k an  Statae  •  Fortume 

Aug  1  sacr.  (Namen  zweier  Freigelass.)  mag.  riei  \  Sandaliarii  •  reg  \  IUI -anni  XVIII 
(Konsuln  des  Jahres  12  n.  Chr.);  343  vgl.  CIL  VI,  448  (2  v.  Chr.):  vier  Freigelassene 

38 


Zur  Br</rihi<hnH/  des  röiiiisrlic»  KaiserkuUes.  167 

1.  Mai:  Orii'ntation  des  von  der  Vonuspriesten'ii  Mamia  in 
Ponipcn  aus  eigenen  Mitteln  iiml  auf  ]irivateni  i}<i(len  erbauten 
Tom|iel.s  des  Genius  Augusti  M- 

Im  pagus  Aiif/tistus  fclix  sithKrhamta  von  Pompei  wird  d.'r  Kult 
des  Genius  Augusti  eingeführt  '^).    . 

I.  J.  5  V.  Chr. 

Inschriftliche  Erwähnung  des  ephesischen  Augusteums  ■'). 

I.  .T.   3  V.  Chr. 

Augiistus  lässt  sich  in  der  papblagonisclien  Stadt  Gangra  von 
den  Einwohnern  und  selbst  von  rötnisclien  Bürgern  einen  Eid 
leisten,  der  auf  Zeus  und  ihn  selbst  gestellt  ist*). 


desselben  vicus  als  magistri:  Laribus  Angiistis.  (Suet.,  Aug.  .57);  CIL  VI,  2222  (aus 
d.  J.  100  n.  Chr.):  magistri  anni  CVII.  Wahrscheinlich  weisen  auf  dieses  Jahr  auch 
die  Inschriften  CIL  VI.  n.  450  {ncus  poiiae  CrilUiiae)  und  4.51  [ricus  censoritis).  Vgl. 
H.  Nissen.  P.  St.  183:  272;  Mommsen.  Hermes  XV  (1880),  107  ff.  Für  jedes  einzelne  com- 
;«/»)»  wurden  jährlich  vier  mrt^'i.s'fn  vici  (meist  Freigelassene:  CIL  VI,  44.5  —  454;  sel- 
tener iiige»ui  975)  aus  den  Bewohnern  des  betr.  riciis  gewählt,  die  ausser  der  Sorge 
für  die  Instandhaltung  des  compitum  auch  noch  die  Leitung  der  liidi  mmpitalidi 
hatten  (über  sonstige  Pflichten  und  Rechte  derselben  s.  Gardthausen  I.  927  f.) ;  ihre 
Gehilfen  waren  vier  minist ri  (meist  Sklaven).  Marquardt  IIP,  204  f. :  Mommsen,  Sf^. 
n^  1034  ff. :  Wissowa,  R.  u.  K.,  1.52.  Als  Festtage  bestimmte  Augustus  zwei  Tage  im 
Jahre  (Suet..  Aug..  31:  compitnleg  Lares  oriiari  Ins  anno  instituit  uernis  florihus  et  ae- 
stiiiis),  einmal  den  1.  Mai,  der  bis  dahin  der  Festtag  der  Laren  gewesen  war  (Ovid, 
F.  V,  129:  Praesiitibus  Maiae  Laribus  videre  Kahnäae  \  aram  cmistitui  parvaque  sigtm 
deiim).  und  dann  den  1.  August,  an  dem  die  magistri  und  tninistri  antraten  (vgl.  CIL 
VI.  445:  [m]itgi.'<tri  qui  ■  K.  Augustis  ■  primi  ■  mag[isterium]  [ini]erunt;  446;  447;  128; 
283 :  Ovid.  F.  V.  147).  An  diesen  Tagen  wurden  häufig  auf  Kosten  des  Kaisers  Schau- 
spiele (Suet.,  Aug.,  43)  und  Ringkämpfe  (Suet..  Aug.,  4.5)  veranstaltet:  vgl.  Mommsen 
im  CIL  I-.  p.  305, 

1)  CIL  X,  816  M[a]mia  P-  f.  .»tcerdos  public.  Geyii[o  aug.  s'\olo  ei  pec[uma  sua]. 
Vgl.  dazu  Nissen,  P.  St..  676.  272 f.:  Or.  3  (1910),  286.  Der  Altar  ist  abgebildet  bei  Over- 
beck-Mau*.  118  f. 

2)  Diese  Tatsache  wird  erschlossen  aus  einer  Inschrift,  in  der  die  vier  ersten 
ministri  für  dieses  Jahr  erwähnt  werden.  CILX.  924:  Dama-  Pup.  Agrippae  |  Maii- 
lius.  Liicreti  |  Anteros  •  Stai  ■  Ruft  I  Priiiceps  ■  Mesani  |  ministri  •  pagi  \  Aug.  fei.  sub  [ur- 
b]an.  \  pirimi  ■  posie[run]t  |  Ti.  Claudio-  Nerone  ■  Her  \  C)i.  Calpurnio  Pisoiie  ■  cos.  Vgl. 
Nissen,  P.  St..  183  u.  273. 

3)  Gr.  inscr.  of  the  Brit.  Mus.  [II.  n.  DXXII  (=  BCH  X  [1886].  96  f.  =  CIL 
111,  6070  =  C/^  in,  2236):  Ivip.  Caesar.  Bivi.  f.  Aug.  cos.  XII.  tr.  pot.  XVIII  pon- 
tifex  maximus  ex  reditu  Dianae  furtum  et  Augusteum  muro  muniendum  curavit  C.  Asiuio 
[Gallo  procos]  euratore  Sex  Lartidio  leg.  Die  Inschrift  ist  in  lateinischer  und  grie- 
chischer Sprache  verfasst.  V^l.  V.  Chapot,  La  prnvince  rom.  proeons.  d'Asie,  424  f. 
CIL  III,  425:  Suppl.  7117. 

4)  Her.  et.  gr.  XW  (1901),  37  ff.  Der  hier  geleistete  Eid  ist  so  bedeutungsvoll 
für  den  Kult  des  Augustus,  dass  es  sich  wohl  verlohnt,  ihn  auszugsweise  in  deut-scher 
Uebersetzung  hier  wiederzugeben:  .Im  Namen  des  Autokrator  Cäsar  Augustus,  des 
Sohnes  des  Gottes,  des  Konsuls  zum  12.  Male  (=  i.  J.  2  v.  Chr.),  im  3.  Jahre  (der 
Provinz),  am  Tage  vor  den  Nonen  des  März  (=  G.  März)  wurde  folgender  Eid  von 
den  Bewohnern  Paphlagoniens  und   den  mit  ihnen  Geschäfte   betreibenden  Römern 

39 


168  Hidjcrt  Heintn, 

Vor  2  V.  Chr.  (?• 

In  den  Donauprovinzen  ist  um   diese  Zeit    der  Kaiserknlt   ein- 
geführt *). 


geleistet:  Ich  schwöre  bei  Zeus,  der  Erde,  der  Sonne,  allen  (TÖttern  und  Göttinnen 
und  bei  Augustus  selbst,  wohlgesinnt  zu  sein  dem  Cäsar  Augustus,  seinen  Kindern 
und  Nachkommen  während  meines  ganzen  Lebens,  in  Werken  und  Gedanken,  ihre 
Freunde  und  Feinde  als  die  meinigen  anzusehen  u.  s.  w.  Z.  36:  Mit  diesen  selben 
Worten  schwuren  alle  Einwohner  des  Landes  in  den  in  ihren  Distrikten  enüchteten 
.^ugusteen  bei  den  Altären  des  Augustus.  Z.  39:  In  gleicher  Weise  schwuren  alle 
Phazimoniten.  welche  in  der  jetzt  Neapolis  genannten  Stadt  wohnen,  in  ihrem  .-^n- 
gusteum  bei  dem  Altare  des  Augustus".  Ygl.  dazu  die  Ausführungen  des  Heraus- 
gebers Cumont  a.  a.  0,  Paphlagonien  war  i,  J.  6,  nach  dem  Tode  des  Königs  Deiotarus 
von  den  Römern  annektiert  und  zur  Provinz  Galatien  gesehlagen  worden,  hatte  dabei 
jedoch  eine  gewisse  Unabhängigkeit  in  der  Verwaltung  behalten  dürfen.  Aus  dem 
Eid  ersehen  wir.  dass  in  der  grossen  galatischen  Provinz  der  Kaiserkult  nicht  in  einem 
einzigen  Zentrum,  etwa  Ankyra.  der  Residenz  des  Statthalters,  konzentriert  war.  son- 
dern dass  derselbe,  entsprechend  den  ursprünglich  selbständigen  Bestandteilen  der 
Provinz,  nach  Diözesen  geordnet  war.  So  hatte  z.  B.  der  Kaiserkult  des  eigentlichen 
Galatien  seinen  Hauptsitz  in  Ankvra  mit  dem  durch  die  Grabschrift  des  Augustus 
und  dm-ch  seine  Pracht  berühmten  Augustustempel.  An  diesem  Kult  hatten  die  übrigen 
LandesteUe  keinen  Anschluss,  sondern  sie  errichteten  sich  ilirerseits  in  ihren  Haupt- 
städten eigene  Kaisertempel,  z.  B.  die  Pisidier  in  Apollonia  und.  wie  wir  jetzt  wissen, 
die  Paphlagonier  in  ihrer  Hauptstadt.  Aus  der  Inschrift  ersehen  wir  ferner,  dass 
jede  Stadt  ihr  besonderes  Augusteum  hat,  eine  erwünschte  Bestätigung  der  Ansicht, 
dass  nach  dem  Vorgange  von  Pergamum  und  Nikomedia  i.  J.  29  v.  Chr.  bald  alle 
grösseren  Städte  des  Ostens  ihre  Kaisertempel  bekamen.  -  Das  wichtigste  Ergebnis 
aber,  das  uns  der  Eid  liefert,  ist  dies,  dass  Augustus  i.  J.  3  v.  Chr.  bereits  die  vor 
26  Jahren  getroffene  prinzipielle  Unterscheidung  zwischen  Nichtrömern  und  Römern 
hinsichtlich  seiner  Verehrung  aufgegeben  hat.  dass  er  sich  von  beiden  in  gleicher 
Weise  als  Gott  betrachtet  wissen  will.  Vgl.  darüber  die  Bemerkungen  von  Gardt- 
hausen  I.  1103  und  besonders  1345.  Das  einzige,  was  diese  schwerwiegende  Tatsache 
in  etwa  mildern  könnte,  ist.  dass  der  Kaiser  eine  solche  Forderung  für  einen  Teil  seines 
Reiches  stellte,  der  den  Gesichtskreis  der  Reiehshauptstadt  nicht  eben  sehr  traf. 

Bei  dieser  Gelegenheit  sei  noch  kurz  ein  Priester  des  Augustus  aus  Sinope  er- 
wähnt: CIL  HL  6980:  C.  Numis'w  S[p.  f.'\  I  qui-  prinw  iia\uarelio-  sacerd.  \  imp  Cae- 
Saris  ■  Auq. 

1)  Bei  diesen  Kultgründungen  wird  man  vorläufig  noch  die  grösste  Vorsicht  walten 
lassen  müssen,  denn  hier  liegt  das  inschriftliehe  Material  so  dürftig  vor  und  ist  zu- 
dem noch  so  wenig  eindeutig,  dass  es  fast  gewagt  erscheint,  eine  Ansicht  zu  äussern. 
Das  ist  auch  der  Grund,  weshalb  wir  hier  dieses  ganze  Gebiet  an  der  Nordgrenze 
des  Reiches  zusammen  anführen,  obwohl  ja  wohl  als  sicher  angenommen  werden 
kann,  dass,  wenn  wir  es  hier  wirklich  mit  augusteischen  Kultgründungen  zu  tun  haben, 
diese  in  den  verschiedenen  Provinzen  zu  verschiedenen  Zeiten  eingetreten  sind.  An- 
derseits ist  nicht  recht  einzusehen,  weshalb  der  Kaiser  hier  anders  verfahren  sein 
sollte  als  im  Westen,  wo  doch  z,  B.  in  Lyon  i.  J.  12,  in  Anwesenheit  des  Drusus.  der 
Kaiserkult  für  die  drei  Gallien  eingerichtet  wurde.  Zudem  werden  wir  weiter  unten 
sehen,  dass  der  Statthalter  von  ülyrien,  L.  Domitius  Ahenobarbus,  bereits  i,  J,  2  v, 
Chr,  an  der  Elbe  einen  Kaiseraltar  errichtete.  Im  übrigen  verweise  ich  auf  die  Aus- 
führungen von  Kornemann,  Klio  I  (1901)  121  f..  gegen  die  ein  prinzipieller  Widerspruch 
kaum  erfolgen  kann. 

40 


Zur  Beyrnndiiiui  des  römisclieii  Kdi.tcdnllrs.  1()9 

I.  .1.  2  V.  Chr. 

Angustus  weiht  aiit'   dem   nach  ihm  benannten   Komm   Auiiustum  lien 
Tempel  des  julischen  Stammvaters  Mars  ein  '). 

(5.   Februar)  Er  erhält  den  Titel  /lufir  pufr/uf  -). 

1)  Gelobt  wurde  dieser  Tempel  bereits  vor  der  Schlacht  bei  Philippi  (s.  o.  Seite 
189).  Seine  VoUeudung  zog  sich  aber  wider  Erwarten  in  die  Länge  (Macrob.  II,  49), 
und  deshalb  erbaute  Augustus  dem  Mars  Ultor  nach  Wiedererlangung  und  zur  Auf- 
nahme der  parthischen  Feldzeichen  (Dio  LIV.  8, -5)  einen  kleinen  Rundtempel  auf 
dem  Kapitol,  den  er  am  12.  Mai  d.  ,1.  19  v.  Chr.  einweihte  (Dio  a.  0..  §  'i:  Pinder. 
Ä.  Sri.  AI:.  185.-).  611  tf.:  Cohen  I-,  9U.  n.  2U2:  Imp.  IX.  ti:  po.  V.  (s.  Kopf),  R: 
Mart.  Ulto  (seohssäuliger  Tempel).  Wahrscheinlich  wurden  gleichzeitig  circensische 
Spiele  für  diesen  Tag  eingerichtet:  Ovid,  F.  V.  .595  ff.,  zum  12.  Mai;  vgl.  CIJ^  1-. 
p.  224  (z.  12.  Mai):  Lud.  MuH.  in  dir.;  CIL.  l\  p.  229  {Fei:  Cum.)  :-..  12.  Mai:  [eo 
die  aedes  viaiiis  dedicatast  .lupplicuyio  ■  molihu.t  ■  Mdiiis :  CIL  I-,  p.  264  (F.  PhiJoc.) 
■/,.  12.  Mai.  Mommsen.  CIL  I  -,  318.  Die  Einweihung  des  grossen  Tempels  erfolgte 
dann,  wie  es  scheint,  am  1.  August  d.  J.  2  v.  Chr.  (Dio  LX.  5,3;  Suet..  Claud..  2,1; 
Plin..  «  h.  XXXVI.  102 ;  Moii.  Anc.  -.  88 :  In  piirato  solo  Martix  Ultoris  templim 
[florumque  Auguatum  {ex  m(iii)]\hiis  feci.  §.  Das  Fest  der  Einweihung  wurde  mit 
Spielen  zu  Wasser  und  zu  Lande  gefeiert  und  diese  seitdem  jährlieh  wiederholt: 
Mon.    Anc.^,    93:    [Cjonslul    XIII]   ludos    Htar\iiaVes    pr\iiims  feci],    qu\oii]   p[ost    i]d 

tempus  deincep[s]  \  ins[equeii]ii[bus  onn]is [fecerimt  co]ii[si(]les ;  dazu  Mommsen 

p.  93,  95;  Vell.  II,  100,2;  Dio  LVL  27.4—5;  LX.  .5.3.  Im  Innern  des  Tempels  stand 
als  Kultbild  eine  Doppelstattie  des  Mars  und  der  Venus  (Ovid,  Trist.  II,  295 :  -itat 
Venus  UHori  iiincta;  Jordan,  Top.  t,  2,  445;  Wissowa,  B.  u.  K.,  133  verweist  auf 
zwei  ähnliche  Vereinigungen  dieser  beiden  Staramgottheiten  des  julischen  Geschlechtes 
hin.  einmal  im  Pantheon  (Dio  LIII.  27).  und  dann  im  Tempel  bei  der  alten  (im  Maiiis 
(Plin..  H.  h.  XXXVI.  26) ;  vgl.  anders  Gardthausen  IL  -589  ".  Zu  beiden  Seiten  dieser 
Statue  war  neben  solchen  anderer  Götter  (Gardthausen  I.  974)  auch  die  des  Divus 
Julius  angebracht,  mit  dem  sidus  Julium  über  dem  Haupte  und  einer  Victoria  in  der 
rechten  Hand,  wie  wir  ihn  auf  einer  Münze  bei  Babelon  I.  431,  n.  81  sehen.  An 
den  Tempel  schlössen  sich  zu  beiden  Seiten  Hallen  an,  in  denen  die  Statuen  der 
Könige  und  Triumphatoren  Aufnahme  fanden.  Ueber  die  Stellung,  die  dieses  Heilig- 
tum im  römischen  Staatsrechte  einnahm,  vgl.  Dio.  LV.  10;  Suet..  .liifi .  29;  Gilbert. 
Top.  HL  229  ff.;  Chambalu.  Piniol.  LI  (1892).  731  ff. :  Gardthausen  1.  975  f.:  IL  .589  ff.: 
Nissen.  Or.  3  (1910),  308. 

2)  Mon.  Anc.',  153:  Tertium  dec{i]mum  consuldtu[m  cum  geirbam,  senatus  el 
equ\ester  ordo  \  popuhisq[ue]  Romdnus  üniversus  [appellnvit  nie  patrem  p]atriae  idque  | 
(Ji  vestihu[lo  a]edium  medrum  inscriben[dum  esse  et  in  curia  e]t  in  ford  Aug.  \  sub  qua- 
drig[i]s,  qitae  mihi  [ex]  s.  e.  po.s[H(ie  sunt,  decrerit :  Ovid.  F  II,  127 f.:  Sande  pafer  pa- 
triae, tibi  plebs,  tilii  curia  nomen  \  hoc  dedit,  hoc  dedimu.i  nos  tibi  nomen,  eques  etc. 
Vgl.  die  sonstigen  Zeugnisse  bei  Gardthausen  II,  735^-,  ferner  Mommsen,  Mon. 
Anc.^,  154.  Für  den  Griechen  der  damaligen  Zeit  besteht  nicht  die  bei  Ovid  (a.  O.fl'.) 
getroffene  Unterscheidung  zwischen  Augustus.  als  dem  Vater  der  Erde,  und  Zeus,  als 
dem  des  Himmels,  für  ihn  ist  Augustus  der  Zti'c  nazjjitioQ  selbst,  wie  das  so  schön 
in  einer  Inschrift  (Inscr.  in  fhe  British  Mus.,  n.  994)  aus  Halikarnass  sich  findet : 
nuTiQU  uhv  r^;  iavrov  nargiöoi;  &fäc  'Püiftrjc,  dia  rfi  Ti(a(jinnv  xa'i  oturr/pn  xov  xoivov 
zütv  hvitpwnwv  yerovQ  etc.;  vgl.  dazu  A.  Mift.  XXIV  (1899).  292 f.  Aus  demselben 
.lahre  stammt  auch  eine  mytilen.  Priesterinschrift  {IG  XII,  2,  u.  656).  in  der  es 
heisst  :   riy  ^fßaorw  Jiog  KaiauQoc  \  'Of.vftm'w,  jcttTQog  xäg  näxQiSoQ. 

41 


170  Hidicrf  Hehu'ii. 

Die  Bewohner  von  Cypern  verändern  ihren  Kalender  noihnnils 
zu  Ehren   des  Augustus  '). 

Pola  errichtet   einen    Tempel    der   Roma    und    des  Augustus  ^). 
In  Mytilene  wird  dem  Augustus  ein  Altar  errichtet  ^). 
L.  Domitius  Ahenobarbus  errichtet   an  der  Elbe  einen  Kaiser- 
altar *). 
Neapel  beginnt  vierjährige  Spiele  zu  Ehren  des  Augustus  '"). 


1)  Wir  haben  bereits  oben  (S.  IGG)  eines  kyprisehen  Kalenders  Erwähnung  getan. 
der  wegen  des  Monatsnamens  Agrippaios  vor  12  v.  Chr.  verfasst  sein  nmss.  W.  Kubi- 
tschek  Kahtiäerstudkn,  in  Jrlt.  öst.  nrch.  Inst.  VIII  (1905)  bespricht  nun  einen  sowohl 
in  dem  Menologium  des  Madrider  Codex  Gr.  XCV  (Iriarte),  als  in  dem  einer  Floren- 
tiner Handschrift  überlieferten  kyprisehen  Kalender  mit  den  Monatsnamen :  Aphro- 
disios,  Apogonikos.  Ainikos.  Junios.  Kaisarios,  Sebastos.  Autokratorikos,  Demarchexa- 
sios,  Plethypatos.  Archiereus,  Estios,  Romaios,  aus  denen  man  den  Satz  gemacht 
hat :  Veneris  soboles  Aeneas  (et)  Julius  Caesar  Augustus  imperaior  trih.  pot.  cos.  saepis- 
siine  pont.  ma.T.  (ex)  familia  Eomanorum.  Mit  dem  ersteren  verglichen,  fällt  auf,  dass 
hier  die  Namen  der  Verwandten  des  Kaisers  ausgefallen  sind,  was,  wie  v.  Domas- 
zewski  im  Arch.  f.  R.-  W.  Xll  (1909).  335  ff.  wahrscheinlich  gemacht  hat,  auf  das  .lahr 
2  V.  Chr.  schliessen  lässt,  wo  Augustus  ,in  völliger  Vereinsamung  allein  an  der 
Spitze  des  Staates  steht'. 

2)  CIL  V.  18  (in  epistyUu  templi):  Komae  •  et  ■  Auguxto  ■  Cnesari  ■  Di  vi  •  f.putri  ■ 
patriae.    Vgl.  Nissen,  Oi:  3,  288. 

3)  IG  XII.   2.  n.  1.52  (ara)  Av]TO>f(>aTo<ji   KuiattQi  [Sfw]  li'm  Ä/?«][or(y,   nc'i\tQi  räq 

4)  Dio  LV.  10  a,  3 :  ö  j'«p  AoßitiO(;  —  zbv  'A/.ßiav  /iitjikröq  ol  evavtwi\uh-ov  öictßhq 
(fO.lttv  TE  roTs  iüfiv^  ßanßdtjoit  avvsf^STO  xcd  ßtofxbv  btt'  aitov  täi  Aiyovatoj  iöfiincnn. 
Gardthausen  I.  1158.  0.  Hirschfeld  (841)  meint,  dieser  Altar  habe  nur  als  äusseres 
Zeichen  der  Besitzergreifung  gedient,  während  Toutaiu  (Cultcs.  28)  ihm  eine  derartige 
Bedeutung  beimisst,  dass  er  schreibt:  Cette  fois,  le  dernier  pas  etait  franchi  par  hs 
Romains:  ee  n' etait  pas  au  Genie  d' Auguste,  c'etait  ä  Auguste  lui-meme  gue  s'adressait 
cet  hommage  rituel.  Wie  das  letztere  sicher  übertrieben  ist  (Dio  spricht  ja  doch  auch 
von  einem  Tempel  des  Augustus  in  Pergamon.  der  sicher  auch  der  Roma  galt). 
scheint  mir  Hirschfeld  diesem  Altar  eine  zu  geringe  Bedeutung  beizumessen.  Er  war 
doch  wohl  bestimmt  für  die  noch  einzurichtende  rechtsrheinische  Provinz  und  ge- 
weiht der  Roma  und  dem  Augustus.     Anders  W.  Otto  Hermes  45  (1910),  459. 

5)  LV.  10.  9:  avT(ö  öh  äl)  zw  Avyoiatu  nyü>i>  ri  lepöc  sv  Neq  nö/.ei  ry  Kaßnavldi 
—  imj(fla!^i],  xai  ij  inwvv/ida  //  zov  7iaz(>d(;  nxQißüx;  (ööltrj;  vgl.  LVI,  29,  2;  Strabo,  V, 
4,  7:  vvii  ÖS  nivztzrj^ixdg  «pöc  «}'(uv  avvTff.elTm  tzuq'  avzoTg  fiovoixöc  xe  xai  yvfivixöq 
ini  n/.ftovi;  fj/jSQug,  irä,ui).?.nq  zoTg  sTiKpcivforäzotq  zUbv  xuzk  zijv  'Ek>.ci6a;  Suet. , 
Aug.,  98,5;  Claud.,  11,2.  Der  vollständige  Name  dieser  Spiele  ist  erhalten  in  der 
Inschrift  IG  XIV,  748  (==  CIG,  5805)  und  lautet :  'Izcchxk  'Ptu/^icäa  ^fßaazä  ' Iao).i,unta. 
Die  einzelnen  Perioden  heissen  'Itah'deg  (vgl.  adnot.  zu  CIG.  5805).  Sonst  werden 
die  Spiele  einfacher  bezeichnet  als  ^^ßucza  iv  Nfunolfi  (CIA  III,  129,  16 :  IG  I,  49.  24: 
IG  XIV,  1102,23)  oder  es  steht  dafür  der  blosse  Stadtname:  iVf«»'  nö/.tv  (CIA  III, 
128:  IG  XIV,  737,  6;  746,  7;  747,  19).  sV  yfand>.{i)i  (J.  i:  Ol.  232).  Vgl.  über  diese 
Spiele  J.  i\  Ol.,  126  f.  und  Wissowa,  Woclienachr.  f.  kl.  Phil.  1897,  Sp.  763  ff.  Aus 
dem  Vorhandensein  dieser  Spiele  können  wir  wohl  schliessen,  dass  es  in  Neapel  um 
diese  Zeit  auch  schon  einen  Tempel  des  Angustus  gab.  zumal  ./.  v.  Ol..  122.  Z.  48 
das  Kataag[Hoi']  erwähnt  wird. 

42 


Zur  Begrihiilinui  iles  römisrlwii   Kaiserkultes.  171 

In  Pompt'i  wird  M.  Holeonius  zum  /humii  Aidjitsli  bestellt '). 
Die  miiiisfri  (so  seit  25,  m.  Meriiirii  3/(iine  seit  14,  m.  Ain/usti 
Mercurii  Maine  bald  darauf)  nennen  sich  nur  noch  nach  Au- 

gustus  '•'). 
I.  J.   1  n.  Chr. 

In   Hom  wird   Aiiü-ustus  als  Mercnrius  aetcniHs  dens  neben  andern  Göt- 
tern ein  Altar  errichtet  •'). 
I.  .1.  3  n.  C  h  r. 

In  Pompei  treten  die  ersten  »linistri  Forfiitiac  AHi/ii.sfac  an*). 
I.  J.  4  n.  C  li  r. 

Inschriftliche    Erwähnung-    des    Augusteums    und    eines   fhiitioi 

Aiifiiist/  von    l'isae'l. 
Z  w  i  s  c  h  e  n  26.  .)  u  n  i  4  und   1 9.   Ä  u  g.   1 4  n.   C  h  r. 

Cumae  errichtet  dem  Augustus  einen  Tempel    mit  l)esonderem 

Festjahr  *). 

1)  CIL  X,  837:  M.  Holcoiiio.  Riifo.  d.  r.  i.  d.  IUI.  qiiiiiq.  \  trib.  mil.  «.  pupulo. 
Augusti  sacerdoti  |  ex.  d.  d.  Die  erwäbnte  Quiiiqueniialität  fällt  iiiich  Ausweis  der  In- 
schriften X.  837  und  890  in  das  Jalir  2  v.  Chr. :  möglicherweise  aber  war  der  Ge- 
nannte oder  auch  ein  anderer  schon  früher  sacerdos  Augusti.  Jedenfalls  ist  der 
Augustuskult  in  Pompei  im  Jahre  '2  n.  Chr.  spätestens  öffentlich  anerkannt.  Vgl. 
Nissen,  P.  St.,  182 ff.;  243. 

2)  CIL  X,  890 :  A.  Veius.  Phylax  \  N.  Popidiua  ■  Moschus  |  T.  Mescmius  •  Am- 
phio  I  Primus-  Arrunti-  M.  L.  |  min.  Aug.  ex.  d.  d.  iussu  \  JW.  Holcimi  Ruß.  IV  \  A. 
Clodi  ■  Flacci  ■  III  \  d.  v.  i.  d.  \  P.  Caesti  ■  Postmiii  |  N.  Ti>,tin  ■  Enf,  |  [(/]  /■.  r.  .s-.  p.  p.  1 
[imp.  cae]sare  ■  XIII  \  [m.  plautio  si]lano  "  cos. 

3)  Siehe  die  Inschrift  oben  Seite  150  Anm.  3. 

4)  CIL  X,  824:  Agnthemerus  ■  Yetti  |  Suaris-  Caesiae'  Primae  \  Potlm.'<-  Numi- 
Uiri  \  Antcros '  Liwutulani  \  minist,  prim.  Forlun.  Aug.  iuss.  \  M.  Stai.  Rufi  Cn.  Melissaci 
d.  r.  i.  d.  1  P.  Silio.  L.    Vohisio-  Saturn-  cos;  vgl.  n.  82-5—828. 

5)  Vgl.  die  sog.  Pisanischen  Dekrete:  CIL  XI,  1420  und  1421.  Nissen.  P.  St.. 
183:  Mommsen.  St.-P.  Tl.  757';  0.  Hirschfeld,  838"«;  Beurlier.  JK.wii,  17«. 

6')  Erhalten  ist  un.s  das  Festverzeichnis  {fer.  Cum.)  im  CIL  I  -.  p.  229.  Mommsen 
hat  dazu  im  Hermes  XVII  (1882).  631  ff.  (=  Ges.  Sehr.  IV.  1  [1906].  259  ff.)  einen  aus- 
führlichen Kommentar  geschrieben.  Das  Jahr  beginnt  mit  dem  19.  Aug..  an  welchem 
Augustus  zum  ersten  Male  das  Konsulat  bekleidete.  Dann  folgen  als  weitere  Fest- 
tage zu  Ehren  des  Kaisers:  sein  Geburtstag  (23.  Sept.).  der  einzige  Tag,  an  dem  eine 
immolatio.  und  zwar  dem  Augustus  selbst  dargebracht  wird:  dann  der  Tag  seiner 
Mündigkeitserklärung  (18.  Okt.),  der  Tag  der  Einweihung  des  Altars  der  Fortuna 
Redux  (15.  Dez.).  der  Tag  der  ersten  Uebernahme  der  fasces  (7.  Jan.),  der  Annahme 
des  Namens  Augustus  (16.  Jan.).  der  Einweihung  der  ora  Paris  (30.  Jan.;  an  diesem 
Tage  wurde  das  imperium  des  Kaisers  als  Gottheit  verehrt,  was  wir  sonst  nirgendwo 
wieder  finden),  der  Wahl  zum  Pont.  Max.  (6.  März),  des  ersten  Sieges  (14.  April : 
dazu  Mommsen,  a.  0.,  635  ff.),  der  Annahme  des  Imperatortitels  (16.  April),  der  Ein- 
weihung des  Marstempels.  Ausserdem  wurden  gefeiert:  der  Geburtstag  des  Drusus 
Caesar  (5.  Okt.).  des  Tiberius  Caesar  (16.  Nov.),  des  Germanicus  Caesar  (24.  Mai)  und 
des  Divus  Julius  (12.  .Juli).  Dass  Augustus  schon  zu  Lebzeiten  in  Italien  als  Gott 
verehrt  wurde,  erfahren  wir  einmal  durch  die  zahlreichen  Tempel,  die  ihm  die 
Städte  errichteten,  wird  dann  aber  durch  das  feriale  Cumunum  ausser  Zweifel  gesetzt- 

43 


172  HiiljLii  llcincii. 

1.  J.  9  n.  Chr. 

Errichtung;  des  Kaiseraltares  in  Köln  '). 

I.  J.   10  n.  Chr. 

In  Ankyra  wird  der  Tempel  der  Koma  und  des  Au^ustus  ein- 
geweiht ;  erste  Feier  von  vierjährigen  Spielen  ^). 

I.  .1.  11  n.  Chr. 

In  Narbo  wird  der  munizipale  Kaiserkult  eingeführt  durch  Er- 
richtung eines  Augustusaltars  ^). 

Weiter  hätte  man  kaum  gelieu  können,  als  dass  man  den  lebenden  Kaiser  derartig 
in  den  Mittelpunkt  der  Jahresfeste  setzte  und  einzig  und  allein,  wie  nochmals  betont 
sei,  an  seinem  Geburtstage  ihm  selbst  eine  immohitio  darbrachte.  Mommsen  sagt  des- 
halb mit  Recht:  , allem  Anschein  nach  ist  die  in  ganz  Italien  gleichmässig  auftretende 
Gotfesverehrung  des  lebenden  Herrschers  von  diesem  selbst,  wo  nicht  geradezu  her- 
vorgerufen, doch  wenigstens  ausdrücklich  autorisiert  worden.'    Vgl.  Tac.  A)in.  1,  10. 

1)  Tac,  Ami.  I,  .57  :  addiderat  Setjestes  legntis  filiiim,  nomine  Segimundum.  sed  iu- 
venis  conscientia  mnctahatiir.  quippe  anno,  quo  Germaniae  descivere,  sacerdos  apvd  Aram 
Ulnorum  creatus,  ruperat  rittaa.  profugus  ad  rebeUes;  vgl.  39  und  59.  Das  ist  alles, 
was  wir  über  den  Kölner  Kaiseraltar  hören.  Galt  er  neben  dem  Augustus  auch  der 
Göttin  Roma  ?  VöUige  Sicherheit  werden  wir  wohl  überhaupt  nicht  darüber  bekom- 
men. Aber  wir  haben  nun  einmal  die  Nachricht  von  Tacitus  (a.  0.  IV,  37).  dass 
Roma  und  Augustus  in  allen  Provinzen  vereint  verehrt  wurden,  und  solange  dies 
nicht  irgendwie  mit  Sicherheit  widerlegt  wird,  werden  wii-  annehmen  müssen,  dass 
es  auch  iu  Köln  so  war.  Was  die  Zeit  der  Errichtung  des  Altars,  der  zweifellos  für 
die  germanischen  Provinzen  errichtet  war.  angeht,  so  hat  Nissen  (Zur  Gesch.  d.  röm. 
Köln,  Festschr.  der  43.  Ver$.  deutscher  Philologen  v.  Schulm.  in  Köln,  gewidm.  rom 
Verein  r.  Altertumsfreunden  im  Bheinl.,  Bonn  1895,  154  f.)  die  ansprechende  Vermu- 
tung ausgesprochen,  dass  hier  wie  in  Gallien  ein  Zensus  voraufgegangen  sei.  Da 
ein  solcher  aber  vor  dem  Herbst  8  n.  Chr.  nicht  denkbar  sei.  so  müsse  der  Altar 
in  das  Frühjahr  9  n.  Chr.  fallen.  Sicheres  lässt  sich  allerdings  nicht  darüber  sagen: 
vgl.  auch  Kornemann.  101  und  338  f. 

2)  CIG.  4039  und  Dittenberger.  OGI,  II  533.  Das  Verzeichnis  der  vierjährigen 
Spiele  spricht  bei  der  2.  Feier  von  der  Julia  Augusta,  welchen  Namen  Livia  erst  seit 
14.  n.  Chr.  trägt.  Die  erste  Feier  ftlllt  des);alb  frühestens  in  das  Jahr  10  v.  Chr.. 
und  es  ist  möglich,  wenn  auch  nicht  sicher,  dass  mit  dem  Beginne  der  Spiele  auch 
der  Tempel  eingeweiht  wurde.  Er  wird  erwähnt  Z.  21  als  xb  —ißaazi/ov,  doch  geht 
aus  dem  Anfang  der  Inschrift  hervor,  dass  er  neben  dem  Augustus  auch  der  Göttin 
Roma  geweiht  war:  ra'/.aiSn'  o [it](taaaßfvov  &fiö  —eßaorijj  xnl  (^ln'Pl!oßy.  Auf- 
fallend ist  hier,  dass  Augustus  vor  der  Roma  genannt  wird.  Vgl.  dieselbe  Erscheinung 
im  pergamenischen  Kult :  Kornemann,  101  '. 

3)  CIL  XII,  4333  [ara):  L.  Statilio  Tau[ro]  \  L.  Loiiginu  \  cos.  X.  K.  Octohr. 
(=  22.  Sept.  11  n.  Chr.)  numini  Augusti  —  plebs  .  Narbonen  \  sium  .  ciram  .  Narbone .  in 
foro .  poxitit.  Dann  folgen  Bestimmungen  über  die  Opfer :  am  23.  und  24.  September 
(Geburtstag  des  Augustus),  am  7.  Januar  (weil  Augustus  an  diesem  Tage  [i.  J.  43] 
die  fasces  erhielt)  und  am  31.  Mai  (an  welchem  der  Kaiser  den  Dekurionen  die  ple- 
beische  Gerichtsbarkeit  übertrug).  An  allen  diesen  Tagen  sollen  drei  römische  Ritter 
aus  der  Plebs  und  drei  Freigelassenen  den  Bürgern  und  Einwohnern  der  Kolonie,  zur 
Verehrung  des  numen  Augusti,  Weihrauch  und  Wein  stellen.  Dann  folgt  auf  der 
rechten  Seite:  [pleb]x  Narbonensis  a[ram]  \  numini.s  Augusti  deldilcavit  —  legibus 
iis  .  q{uae)  i(nfra)  s(criptae)  .  s(unl)  (folgen  diese ;  zum  Schluss) :   Hisce  .  legibus  .  his- 

44 


'/.iif   ll('(irii))<hiii(i  des  römischen   Kaiserkiilfcs.  173 

I.  .T.   13  n.  Ohr. 

Tiliorius  weilit  am  16.  .lan.,  im  Anschlüsse  an  seinen  pannonisclien 
'rriuniiih   ilen  Tempel  der  Concordia  Augusta  ein  '). 

Am  17.  .Tan.  weiht  or  dem  Au<iustus  in  Kom  einen  Altar  mit  jähr- 
lichen Opfern  -). 

T.  .T.  1 4  n.  C  h  r. 

In  Aquileja  wird  dem  Auiftistiis  ein  Altar  errichtet  ^). 

(17.  Sept.)  Aiigustus  wird  durch  Senatsbeschluss  als  Diviis  Aiiifustus  in 
die  Reihe  der  römisclien  Staatsgötter  versetzt  *). 

que  .  regionihus,  sie  .  uti  .  dixi,  hanc  .  tibi  .  aram  .  pro  ■  imp.  Caesare  .  Aug.  p[atre)  . 
p{atriae)  .  pontifice  .  maximo  .  tribiim'cia  .  2>otestute.  XXXV  (12/13  n.  Chr.)  conittge  .  li- 
beris  .  genieque  .  eins  .  in  per  ]  petntim  .  colendn  .  ohligareruiü  .  \  do  .  dedicoqiie  .  Uli  xies  . 
Polens  I  propHimn.     Demnach  erfolgte  die  Einweihung  des  .Altars  i.  J.  12  v.  Chr.  Vgl. 

0.  Hirschfeld,  840;  Beurlier,  Essai.  24;  Toutain,  CuHes,  105.  Die  vielumstrittene 
lex  Narbnnensi^  {CIL.  XII,  6038)  gehört  nicht  der  augusteischen  Zeit  an,  wie  Kra- 
scheninnikoft',  a.  0..  147  ff.,  und  Kornemann,  124  ff.,  endgültig  bewiesen  haben. 

1)  Dio  LVI,  2.5,  1  :  TU  'Oi.iovofinv  imb  lov  TißfQi'ov  KaHifpüSt/,  xul  aiiw  xö  Tf. 
ixf Irov  ui'Ofin  xccl  tö  Tov  ^Qoiaov  tov  nSf'/.ipov  tthxov  xal  Tfltvtjxözog  ^nfyQä(f>j;  Suet. 
Till.  20 :  II  Germania  in  urhein  post  biennium  regresstis  triuniphiitn,  quem  disttderat, 
egit.  —  dedicarit  et  Coiicordiae  acdem ;  Ovid,  F.  I,  639  tf. :  mmc  liene  prospicies  La- 
tiam,  Concordia,  turbam,  |  nunc  te  sacraiae  constituere  vianus.  |  Furius  antiquam  po- 
puli  superator  Etrusci  \  vocerut.  et  voti  soherat  ille  fidem.  \  —  |  —  |  causa  recens  me- 
lior:  passos  Germania  crines  |  porrigit  auspiciis,  dux  venerande  tiiis  |  inde  triumphatae 
libasti  munera  gentis  \  templaque  feci.Hi,  quam  colis  ipse.  deue.  \  hanc  tua  constituit  geiie- 
trix  et  rebus  et  ara,  sola  toro  magvi  digna  reperia  Joris.  Der  pannonische  Triumph 
des  Tiberius  fällt  in  das  .Jahr  14  (vgl.  Mommsen.  HG.  V,  45 ' ;  Gardthausen  II,  834  ff.), 
u.  zw.  auf  den  16.  Jan.  (CIL.  I-,  p.  231  z.  16.  Jan.).  Gardthausen,  a.  0.,  hat  nun 
mit  guten  Gründen  dargetan,  dass  die  Zeit  der  Tempeleinweihung,  entgegen  der  ge- 
wöhnliehen Annahme  |16.  Jan  10  n.  Chr.).  mit  dem  Triumph  zusammenfalle.  Da- 
für spricht  einmal  das  für  beide  überlieferte  gleiche  Datum  (CIL.  I-.  p.  308:  16.  .Tan  1 
dann  Suet.  (a.  0.).  der  die  Einweihung  gleich  nach  dem  Triumphe  erwähnt,  ferner 
die  Anführung  der  Germanen  bei  Ovid  (a.  0.),  was  sich  unmöglich,  wie  man  gemeint 
hat,  auf  das  Jahr  8  v.  Chr.  beziehen  kann,  vielmehr  auf  die  Feldzüge  der  Jahre  11 
u.  12  n.  Chr.  Von  den  für  d  J.  10  vorgebrachten  Zeugnissen  kann  Dio  nichts  be- 
weisen, denn  er  hat  vor  der  zitierten  Stelle  eine  Lücke,  und  die  Pränestiner  Fasten 
sind  sehr  verstümmelt  und  möglicherweise  ist  die  Konsulatsbezeichnung  an  eine 
falsche  Stelle  geraten.  Vgl.  über  diesen  Tempel  Nissen,   Templum,  204  f. ;  Jordan,  Toji. 

1.  2,  333.  Die  Concordia  Augusta  wurde  auch  im  Reiche  verehrt,  vgl.  z.  B.  CIL  II, 
3349:  Augusta  \  Paci .  perpetuae  .  et .  Concordiae  |  Augustae  \  Q.  Viltiu.t .  Felicio  .  serir  . 
et  I  Yibia  .  Fe'icala  .  ministra  .  Tutelae  |  Augustae  — .  4270.  Vgl.  K.  Peter  in  Roschers 
Le.vih.  u.  d.  W. 

2)  CIL  I-,  p.  231  [f.  I'raen.)  /..  17.  Jan.  Pontifices  n{ugures  XV  riri  s.  f.  uii] 
vir  .  epulouuiu  rictumas  ium[ol]ant  ti[ui>uiii  augusti  ad  aram  q]am  dedicarit  Ti.  Cae- 
sar fe[licitati]  q[uod  ti.  Caesar  arani]  Aug.  patri  dedicavit.  Da  der  Altar  dem  numen 
Aug.  geweiht  ist  und  dieser  noch  nicht  Divus  heisst,  so  fallt  die  Weihung  vor  14  n. 
Chr.,  wahrscheinlich  im  Anschlüsse  an  den  Triumph.     Gardthausen  I,   1230. 

3)  CIL  V,  852:  Imp.  Caesari  \  Dici.  f.  .lugusto  \  pontif.  ma.rim  |  trih.  potest. 
XXXVII  I  COS.  XIII.  p.  p.  sacrum. 

4)  Vell.  II,  \2i:  post  reddilum  caelo  patrem,  et  corpus  eins  liumanis  honoribus. 
nomen  divinis  honoratum.     Dio  LVI,  41,  9:  xö  xtXtvxtüov  xul  V/Quiu  nniSsl^uxs  xtü  nun- 

45 


174  Huhert  Heine», 

Livia  (Julia  Augusta)  wird  zur  ersten  Priesterin  des  neuen  Gottes  er- 
nannt '). 

Der  Senat  beschliesst  den  Bau  eines  Tempels,  dessen  Erriclitung  Ti- 
lierins  mit  seiner  Mutter  übernimmt  -). 

Bis  zur  Vollendung  desselben  soll  zur  Verehrung  des  Divus  Augustus 
dessen  Kultbild  im  Tempel  des  Mars  Ultor  aufgestellt  werden  *). 

Sein  Sterbehaus  in  Xola  soll  eine  Kapelle  für  den  neuen  Gott  erhalten^). 

Sein  Bild  nicht  mehr  unter  den  Almenbildern  hei  Leichenbegängnissen 
getragen  werden^). 

Seinen  Geburtstag  sollen  die  Konsuln  wie  die  Martialia  feiern  ^). 

Das  Kollegium  der  Sodales  Augustales  wird  gestiftet  '). 

vazov  nnf<ptjr«Tf  .  ovxovv  oiäi  nfvSftv  avTOV  ^i/nir  npSTifi,  n>.).a  xb  ii'sv  aü>ftft  airov 
T5  ipiast  fjötj  nnoöovvai,  i»/i'  äi  ^pv/.^/v  «'S  ''««  9sov  ß«  AyiDJ.fti'  (Rede  des  Tiberius) : 
CIL  IK  p.  244  (F.  Am.  z.  17.  Sept.):  Lud{i}  iti  eirc.  fer.  ex  s.  c.  q.  e.  d.  Divo  Au- 
giisio  honores  caelesles  a  senafu  decreti.  Sex.  AppuL  Sex.  Pomp,  cos:  CIL  l\  p.  248 
(F.  Attt.  z.  17.  Sept.).     Vgl.  Gardthausen  II,  868";  Beurlier,  a.  0.,  27  ff. 

1)  Dio  LVI,  46,  1  :  i&pfiäv  zf  Awviav  xt/v  ^Iov).tav  xf  xal  Avyovaxav  //rf»/  xiü.oi- 
uit'ijf  nnsSeiSciV. 

2)  Dio  LVI.  46,  3:  xni  ahxö)  tv  xf  xt}  'Piofiij  ^ipwov  n'>j<pio&sv  /xiv  vno  xij;  yfQoi- 
ola:  olxoäo/jij^iv  is  htö  xs  TiJ;  .Itovla;;  y.ui  inö  xoi-  Ttßigiov  inoit/th]-,  Tac.  Ann.  1. 
11:  Ceterum  !;epuUiira  more  perfecta,  templum  ei  cachsies  religiones  deceniuntur:  vgl. 
VI,  4.1 :  Vell.  II,  126:  Plin.  XII.  42;  Prudent..  C.  Lysm.,  L,  1.  Gardthausen  U. 
870*'.  Der  Tempel  lag  am  Nordwestabhange  des  Palatin,  wo  die  via  nova  mit  dem 
vicus  Tuschs  zusammenstösst.  Erbaut  von  Tiberius  und  Livia  {CIL  VI,  2083.  4 : 
Fun.  n.  h.  XII.  94).  erfolgte  seine  Einweihung  erst  i.  .1..  37  durch  Caligula  {Dio  LIX. 
7,1;  Suet.,  Tih.ATi:  CaUg.  21).  Vgl.  Marquardt.  St-V.  HF,  468:  Preller- Jordan, 
B-M.  U^  431:  Beurlier.  Essai  333  f. ;  E.  Aust.  Die  stadtröni.  Tempelgriindungen 
der  KaiserzeiL  Progr.  Frankf.  1898,  IV  ff.:  Hülsen.  N.  Jrb.  XIII  (1904).  23  ö'.  Als 
i.  J.  42  Augusts  Gemahlin.  Livia.  starb,  wurde  sie  in  demselben  aufgenommen  (Suet., 
Claud.  11,  2;  Dio.  LX,  5,  2:  CIL  VI.  4222.  üeber  die  Opfer  der  Arvalbrüder  bei 
diesem  Tempel  s.  Aust,  a.  O.  V ;  Marquardt.  a.  0.  CIL  VI.  2035  ff. :  Kornemann. 
116  f.). 

3)  Dio  LVI.  46.  4:  tr  (ü  <$'  oiv  xb  iv  t>i  'Pixili^  I^qiöov  iylyi'fxo,  tlxövu  ctixov  /ov- 
aijv  inl  xh'viji  ie  xbv  xnv  "A^fojc  vabv  il^eaai;  xn'i  exf/itj  näyxn  uaa  xoj  nyä'/.fiuxi  ni- 
xol'  ufxä  xnfxo  /p/Jöföd«!  eue/./.ov  ivöiittaav.  Diese  Bestimmung  legt  einen  Vergleich 
mit  Cäsar  nahe,  dessen  Statue  von  Augustus  im  Aug.  44  im  Tempel  der  julischen 
Stammmutter  aufgestellt  wurde,  wie  die  des  Augustus  in  dem  des  Stammvaters. 

4)  Dio  LVI,  46.  8  :  xcu  oi  )j  iv  xf  iVtu/g  otxla,  iv  ij  fifx>/>.i.a^er,  iiffiivi'a&ij.  Gardt- 
hausen I,  1277. 

5)  Dio  LVI,  46.  4 :  ((Wtjipi'aftij)  xal  unw:  /X),x^  ilxwv  avxov  iv  ix(fogä  xiioi  no/x- 
nfvtj.    Vgl.  oben  Seite  136.  Nr.  6. 

6)  Dio  LVI.  46.  4:  xal  xh  yivsaia  oi  vnaxoi  i|  laov  xoii  'Agtioi:  liyvjfoftexCuat, 
xä  xe  Aiyovaxfi/.ia  oi  Sfjpiupyoi  ü)c  xal  'ifQonQfnui;  ovxfs  öiaxi&Coai. 

7)  Dio  LA'L  46,  1:  xal  9iaaiJaxas  ol  —  fneäfiSar;  Tac,  Ann.  I,  54:  addito  soda- 
liuni  Aiigustalittm  sacerdotio :  ut  quondam  T.  Tatiiis.  retinendis  Sabinorum  sacris,  so- 
dales  Tatios  instituerat .  sorle  ducti  e  pi-imoribus  civitatis  tinus  et  riginti  .  Tiberius 
Drususqtie  et  Claudius  et  Germanicus  adiiciiintur;  Hist.  II,  95 :  Augiistales  — ,  quod 
sacerdotium,  ut  Romulus  Tatio  regi,  ita  Caesar  Tiheritis  Jüliae  genti  sacravit.  Diese 
Priesterschaft  war  also  nicht  allein  für  den  göttlichen  Augustus    bestimmt,    sondern 

46 


Zur   Iir(jrihi(htii(i  (ks  römisclipti   Kdisorhdtes.  17'» 

liiviii    stifti't   /u    Ehren    des   Verstorliincii    ilr('itii<;ige    Spiele   auf  dem 
l';ilatiii  1). 

Anhang-  zum  dritten  Teil. 

Priester,   Altäre  und  Tempel  des  lebenden  Augustus  in  Italien. 

Oumae  (s.  o.  ■/,.  .1.  4  n.  Chr.  mit  Aimi.),  Puteoli  (CIL  X,  161.3:  Nissen,  P.  St.,  182: 
Hirschfeld,  .V.  Brl.  Ak.  1888,  838").  Pompei  (CIL  X,  81«.  820.  837),  Neapel  (s.  o.  z. 
.1.  2  V.  Chr)..  Tarracina  {CIL  X,  6305:  Ronuie  ■  et  ■  Augnxto  "  Caesciri-  Bii-i  •  [f.]  A.  Aemi- 
lim-  A.  f.  ex.  pecunia  siia  -f.  c;  Gardth.  II,  .517«»),  Ostia  {CIL  XIV,  73.  HbS),  Praeneste 
{CIL  XIV.  2964;  Hirschf.  a.  a.  0.,  838  •'•),  Casinum  (CIL  X.  .5169),  Benevent  (CIL  IX. 
1.5.56:  s.  o.  /..  .T.  15  v.  Chr.),  Fanum  Fortunae  (Vitruv  V.  17).  Asisium  (Hirschfeld  a. 
a.  O..  838 ^'■•').  Perusiii(C7LXI,  1922:  August,,  \  liicus  |  sacer:  1923),  Pisae  (f 7L  XI.  1420. 
1421,  s.  o.  z.  J.  4  n.  Chr.),  Forum  Clodii  (CIL  XI,  3303:  Beurlier.  Exsni.  17',  .Momrasen. 
Hermes  XVII,  640).  Luna  (CIL  XI.  1331 :  da  hier  der  Priester  ßnni.  Romae  et  Aug. 
heisst.  am  Schlüsse  jedoch  Dii-o  .iugusto  steht,  so  wäre  es  möglich,  dass  das  Prie- 
stertum  bereits  vor  14  n.  Chr.  bestand),  ('rcnioiia  (CIL  V.  4442).  Verona  (CIL  V. 
8341).  Pohl  (CIL  V.  18). 

Vierter  Teil : 

Der  Kult  der  Mitglieder  des  Kaiserhauses  s). 

A .       L  i  V  i  a. 

Die  Insel  Lesbos  verehrt  sie  als  Göttin  Livia  '*).  Ebenso  ionische 
Städte  *).  Thasos  als  Thea  Euergetis  ').  In  Mysien  wird  sie 
der  Demeter  gleichgesetzt "),  in  Pergamum  der  Hera  ^).  In 
Athen  ist  sie  und  .lulia  dem  Vestakult  angeschlossen  *).  Phi- 
lippus.  Nachfolger  des  Herodes,  nennt  die  Stadt  Bethramphtha 
im  Ostjordanlande  ihr  zu  Ehren  Livias  '•"). 


allgemein  für  die  sacni  geiitis  Juliae.  zu  denen  jetzt  der  Divus  .hdiu.s  und  der  Divus 
Augustus  hinzukamen.     Beurlier,  Kssai,  81  ff. ;  Wissowa,  B.  u.  K.,  488  f. 

1)  Dio  LVI,  46,  5:  ij  Ainvla  iSiav  ö>)  Tiva  aizw  ncevi/yv^iv  inl  tqh:  »///fp«?  iv  rtf 
TinXaxlu)  ^noi'ijOfi-,  tj  xal  rfffpo  äfi  vn'  aiiöii'  tCov  af'i  attoxQcttÖQtav  tflflzai;  Jos  ant. 
XIX,  1,11:  Suet..  6V//..  56,  2;  Tac.  Ann.l.  73:  iudis,  quos  mater  sua  in  memoriam  Au- 
gusti  .■^(icrasset :  CIL  P,  p.  308:  C.ardthausen  IT.  873»*;  Wissowa  a.  0.,  390'. 

2)  Das  Material  für  diesen  Teil  findet  man  in  der  Hauptsache  auch  schon  in 
den  oft  zitierten  einschlägigen  Arbeiten  über  den  Kaiserkult :  am  vollständigsten 
bei  Gardthausen  II  (s.  den  Index  am  Schlüsse  des  1.  Bande.s) ;  ferner  bei  O.  Hirschfeld. 
843  ff.  und  Toutain.  Cullen,  64  ff. 

3)  Eckhel  VI,  148.   —  4)  Eckhel  a.  O. 

5)  IG  XII,  8  (1909),  n.  381  A;  B:  'OäTßioc  \  Aiißiav  d(iov[<}i)./.\Kv  r[.>]v  tov  Stßa- 
OTOV  Kmort(in<;  |  yvicdxa  i^iav  Evt(>yixiv  \  'Iiiv?.ircv  Mkqxov  '  Ay{(>\imiov  9vynTSQa  \  o 
äij.uog  (vom  Herausgeber  zwischen  19  und  12  v.  Chr.  gesetzt). 

6)  Catal.  of  the  gr.  coins:  Mysia  (1892).  140.  n.  2.50:  rdiov  Afixiov  (ihre  Köpfe) 
R:   yinoyirijz  .  ^eßaoTi'jV  .  nfQyeifirjvOyy  (Livia  als  Demeter). 

7)  Eckhel  VI,  168:  'lovliuv  ^A<pQo6izt)v  (Kopf  der  .lulia).  R:  Aißinv  "Hqkv  Xu- 
ijtvog  (Kopf  der  Livia). 

8)  .4.  Mitf.  XIV  (1889).  321  =  CIA  III.  31(i:  Vft»;«c  'Enriag  )?.-i'  ünoonöXn  y.u, 
Außiac  xal  'Iov>.ia(c).     Gardthausen  II,  715". 

9)  Schürer  II*.  213  ff 

47 


17f)  Hnhert  Hchien, 

Seit  3  n.  Chr.  ist  der  Kult  ihrer  Juno  in  Afrika  verbreitet  '  |. 
In  Falerii  wird  ihre  Juno  neben  dem  Genius  des  Augustus  und 
Tiberius  verehrt  ^).  In  Himera  wird  ihr  und  dem  Tiberius  ein 
Altar  errichtet  '^l.   Hahmtiiim  auf  Sizilien  verehrt  sie  als  Göttin''). 

B.  M.  A  g  r  i  p  p  a. 

Nach  ihm  sind  benannt  die  Städte:  Anthedon  ■'^),  Phanagoria ") 
und  Amorium  ').  Athen  feiert  ihn  als  Euergetes ").  Kyzikus 
als  Gründer  der  Stadt '),  Mytilene  als  Gott  Soter '"),  Ilium  als 
seinen  Verwandten  und  Patron  ").  Auf  Kos  werden  ihm  Spiele 
gefeiert  '-). 

C.  Julia. 

Thasos  feiert  sie  als  Euergetis  ''').  Lesbos  verehrt  sie  als  Euer- 
getis  ").  Göttin'")  und  neue  Aphrodite"'),  Pergamuni  als  Aphro- 
dite''). Auf  einer  um  17  v.  Chr.  geschlagenen  Münze  erscheint 
sie  als  Diana  '**).  Priene  verehrt  sie  als  Göttin  '^).  Paphos  als 
Julia  Sebaste^ö). 

D.  C.  und  L.  C  a  e  s  a  r. 


1)  CIL  VIII,  16456  (=  E;jh.  ep.  V,  372,  n.  640) :  Jiuwiii  .  Liviae  .  AiHjusti  .  sa- 
crum  I  L.  Passieno  .  Biifo  .  imperatore  |  Africum  ohlinente  \  Cii.  Cornelius  .  Cn.  f.  Cor. 
Rufus  I  et  Maria.  C.  f.  Oalla  .  Cn.  [uxor).  Moii.  Anc.'',  18-;  Gardthausen  II,  386". 

2)  CIL  XI,  S076 :    Genio  Augusti  \  et  Ti  Caesaris  |  Junoni  .  Liviae  \  Mystes  1. 

3)  CIL  X,  7340  :  Ära  |  iinp.  Cae[sari]  et  [L]iv[iae]  matri  [ti  .  caes  .]  |  imp.  Cae[s. 
fili  (nach  4  n.  Chr.). 

4)  CIL  X,  7464:  Liriae  .  ^iiigiisti  |  deae  |  municipivm. 

.5)  V.  Sallet,  Ztxrh:  f.  iY»m.  XIII  (1885),  139  f. :  \A.y(jimia  \iyQnni[fU}vU  vgl. 
Schürer  a.  0.  US  f.;  anders  Gardthausen  II,  412  ^^ 

6)  Vgl.  die  Stellen  bei  Gardthausen  II,  413  3». 

7)  Gardthausen  I.  740;  II,  412 -». 

8)  CIA  III,  575.  576;  vgl.  CIG  1878;  Gardthausen  I,  740;  II,  414'«. 

9)  Rev.  it.  gr.  VI  (1893),  8;  Gardthausen  II,  486  ^ 

10)  IG  XII,  2,  n.  166;  203:  '0  ääfioq  \  f^iov  oüirjQa  x&q  nöf-ioq  MaQxov  \  \AyQin- 
nttv  TÖv  tifgyizav  xul  xxiaxttv  (==  CIG  2176);  vgl.  A.  Mitt.  XIII,  61. 

11)  Dittenberger,  Syll.  I^  352. 

12)  Paton-Hicks  Inner,  of  Cos  (1891),  p.  137.  n.  104,  Z.   13:  \A.ygi7inriuna&ntxov(; 

TlfVZuß^.OV. 

13)  IG  XII,  8,  n.  381. 

14)  Ret:  et  gr.  V  (1892).  412. 

15)  RCR  1880,  jj.  517:  '0  di/.uo?  |  'lovf.iav  &(äv  {dioxQaToyoq  &foü  viov  Ssßaa- 
[tov;  R.  arch.  (3.  serie)  XV  (1890),  142,  n.  29. 

16)  IG  XII,  2,  n.  482:  ['I]o[v/.ltt  via  '.4y]yO(J/r«,  r«  Tifüöi  tCo  ^ejiaaru)  reu  &io) 
Äß[/]iT«()o;,  zä  fvtgy£[z^iöi ;  vgl.  n.  537. 

17)  Eckhel  VI,  168  (s.  Seite  175,  Anm.  7). 

18)  Cohen  P,  180,  n.  1  =  Babelon  II,  82.  n.  2.54. 

19)  /.  V.  Fr.,  n.  225 :  '0  örjuog  |  [^I]ov}.iav  Öfni'  1  [x]ci>.>.ltfx>ov  |  [rjjyv  KidauQOq  \ 
[Öf]oC  —fßaazov  \  [lt]vyarigci  xa[ftt]eg(uafv. 

20)  Journ.  of  hell.  stud.  IX  (1888),  243.  n.  69  :  7[o!;]A/«)'  »f«i'  yißttaz}j[y]  \  »vya- 
r*p«  avTOXQÜzofjolg]  |  KuiouQoq  9foö  vioi  »fo[f]  |  —fßaazoi',  yivuixa  6e  ' .iy{QLnna\. 

48 


Zxr  Bf'(iiiii/(h(ii(/  des  röiii/srlir».  Kdisrrhiilfcs.  177 

Atlicn  vereint  den  Gaius  als  Sohn  des  Ares  ').  Daselbst  ^)  und 
in  Mylasa  ^)  wird  er  als  neuer  Ares  verehrt.  Kos  hat  Spiele^) 
/u  seiner  Ehre,  ferner  Priester  ^|. 

Lucius  wird  bald  nach  seinem  Tode  in  Mytilene  als  Gott  ver- 
ehrt ''),  beide  in  Pergamum  als  Tempelgenossen  des  Dionysos  '). 
AceiTae  errichtet  ihnen  als  Heroen  einen  Tempel^).  Ebenso 
hat  Nemausus  einen  Tempel  für  beide  "). 

E.  T  i  b  e  r  i  u  s  Cl  a  u  d  i  u  s  N  e  r  o  '"). 

Perg'amum  verehrt  ihn  als  Euergetes  ") ;  ebenso  Saraos  '^).  In 
Nysahat  er  sogar  einen  lebenslänglichen  Priester,  i.  J.  1  v.  Chr.  "). 
In  Falerii  wird  sein  Genius  neben  dem  des  Augustus  und  der 
•Juno  Liviae  verehrt  '■•). 

Bonn. 


1)  CIA  in.  444a  (p.  49fi):  \Sj  flov'/.lj  x(d  ö]  dr/uog  rawr  [Kaloana  avTOX()UT]o(ja. 
".4(>?;[os]  vtöv. 

2)  CIG,  311:  '0  dr/,uoi;  Pixiov  Kalaaga  ^^ißuarov  vlbi'  vi-ov  "A^ij. 

3)  BCU  XII  (1888),  1.5,  Z.  4  ff. :  Priester  der  Roma,  des  Augustus  und  des  Gaius 
rhn[v  "Aqioc]- 

4)  Paton-Hicks  a.  0..  137,  Z.  9  ff.  :  A'«;  auQtju  za  ril^t/neva  raivi  Kul  okqi. 

5)  J.  r.  Ol.  110,  n.  53,  Z.  2;  hlgimg  Fdiov  'lovXtov  KalaaQOQ. 

6)  A.  Mitt.  XIII  (1888),  61.  —  7)  ,T.  v.  Perg.,  27.5,  n.  884  (Kommentar). 

8)  Dessau,  Iiiscr.  lat.  sei.  I  (1892),  n.  137. 

9)  CIL  XII,  31.56;  O.  Hirschfeld,  84-5. 

10)  Für  Tiberius  lassen  sieh  vei-hältnismässig  am  wenigsten  Zeugnisse  beibringen, 
eine  Erscheinung,  die  ihren  Grund  in  seiner  Stellung  zum  kaiserlichen  Hause  und 
in  seiner  nücbternen  Denkungsart  hat. 

11)  Alf.  V.  Per;/.  VIII,  386.  —  12)  B.  nrch.  XXIV.  36.  —  13)  CT(.\  2943. 
14)  Siehe  Seite  176,  Anm.  2. 


49 


178 


Vopisciis  und  die  Biographie  des  Kaisers  Tacitus. 

Von  Ernst  Holil. 

Das  Problem  der  Scriptores  historiac  Augustae.  wie  man  die  Samui- 
lung  der  Kaiserbiographien  von  Hadrian  bis  Caiiniis ')  zu  nennen  pflegt, 
scheint,  naeli  der  beständig  wachsenden  Zahl  von  Arbeiten  zu  schliessen, 
die  sich  um  seine  allmähliche  Lösung  bemühen,  noch  immer  im  Vorder- 
grund des  Interesses  zu  stehen.  Wenn  man  bedenkt,  dass  noch  ein  Ranke 
einen  so  kläglichen  Skribenten,  wie  den  letzten  in  der  Reihe  der  angeb- 
lichen sechs  Autoren,  den  Vopiscus,  als  einen  , Forscher"  feierte,  ein 
•Tacob  Burckhardt  Dokumenten,  die  für  uns  heute  den  Stempel  der  Fäl- 
schung an  der  Stirne  tragen,  volle  Zuversicht  entgegenbrachte,  so  ermisst 
man  er.st  richtig  das  ausserordentliche  Verdienst  von  Hermann  Des- 
sau, der  in  einer  glänzenden  Untersuchung  (Hcnncs  24  [1889]  S.  337  ff.) 
mit  einem  Schlag  das  allzu  gläubige  Vertrauen  aufs  schwerste  er- 
schütterte. Aber  so  aufklärend  und  befreiend  seine  kühne  Hypothese  von 
einer  Fälschung  der  Sammlung  und  der  Autorennamen  durch  einen  Mysti- 
tikator  theodosianischer  Zeit  gewirkt  hat.  so  ist  doch  im  einzelnen  noch 
viel  Arbeit  zu  leisten,  bis  ein  abschliessendes  Urteil  möglich  ist.  Viel- 
leicht darf  man  aber  schon  heute  die  Hoffnung  wagen,  dass  dieses  Urteil 
sich  nicht  allzuweit  von  Dessaus  Untersuchung  entfei-nen  wird,  wenn  auch 
freilich  manche  Modifikation  sich  wird  vornehmen  lassen.  Was  zunächst 
notwendig  ist,  um  die  Forschung  auf  eine  sichere  Grundlage  zu  stellen, 
das  hat  alsbald  Theodor  Momrasen  mit  klarem  Blick  ei-kannt  {Hei- 
mes 25  [1890]  S.  281  =  Gesammelte  Schriften  Bd.  VII  [1909]  S.  351  f.). 
Von  den  beiden  Forderungen,  die  er  gestellt  hat.  ist  inzwischen  die  eine 
eines  Wörterbuchs  von  C.  Lessing.  Srri2)fori(m  historiae   Au<iustac   lericmi 

1)  A  diro  Hadriano  nxque  ad  Nitmerianum  steht,  nicht  ganz  richtig,  in  den 
Handscliriften,  da  an  letzter  Stelle  Carinus  behandelt  wird.  Freilieh  lautet  auch  der 
zusammenfassende  Titel  der  Schlusslnographie :  f'ai».s  et  Carhniii  ei  Niinieriatius:. 
S.  auch  ß.  Niese.  Grundri.fs  der  römischen  GegchicIUe  in  ,T.  v.  jrtillers  Haiidhuch  der 
l-lassisclien  Alierluvisicissetischaft  III.  .5  1910*  S.  280  Anm.  8  und  Paul  von  Winter- 
ield,  Satzschluasstudien  zur  Historia  Aiuiusta.  Bliein.  Mus.  57  (1902)  S.  oh~  A.  2.  — 
Nach  Mommsen.  Mcrmes  13  (1878)  S.  300  f.  =  Ges.  Sehr.  VII.  S.  300  f.  .möchte  die 
Ueberschrift  intae  Cuenarum  Anspruch  darauf  haben  die  ursprünsrliche  zu  sein-.  Dies 
würde  vortrefflich  zu  Suetons  De  rita  Caesarum  passen. 

1 


Krvst  Hohl.    Vo/iisins  und  dir  liiof/rdph/f  drs  Kaisers  Tacitiis.     17!t 

Lips.  1901 — 06  erfüllt  worden').  Die  andere  Forderiin<f.  wonach  „für 
jede  einzelne  Notiz  die  ParalleLstellen  vor  Augen  /u  fiiliren  oder  aucli 
deren  Mangel  zu  konstatieren"  wäre,  geht  wenigstens  ihrer  P^rfiillung  ent- 
gegen-). Als  neue  Erscheinungen,  die  mit  der  Lösung  des  Problems  in 
dieser  Kichtung  sich  beschäftigen,  mögen  hier  die  Arbeiten  von  W.  Thiele, 
De  Seren)  Akxnndro  imperatore,  Berl.  Diss.  1908  (caput  1)  und,  vollstän- 
dig, bei  Mayer  und  Müller,  Berlin  1909,  von  Erich  Dannhäuser.  Uider- 
snchungen  zur  Geschichte  des  Kaisers  Prohits  (27G — 282),  Diss.  Jena  1909  ^) 
und  von  Karl  Hönn,  QueUnuintersuchungen  zu  den  Viten  des  Heliogahalus 
und  des  Severus  Alexander  im  Corpus  der  Scriptores  historiae  Augustae, 
Heidelberger  Diss.,  Leipzig  1910*)  genannt  sein.  Im  übrigen  kann  ich 
mich  damit  begnügen,  für  die  Literatur  zur  Historia  Augusta  auf  die  letzte 
Uebersicht  von  Hermann  Peter,  dem  Herausgeber  des  Corpus,  in  Bursians 
Jahresbericht  130.  Bd.  (1906)  S.  1—40,  für  die  aligemeine  Orientierung 
über  das  Problem  aber  namentlich  auf  die  Einleitung  von  Ernst  Korne- 
mann,  Kaiser  Hadrian  und  der  letzte  grosse  Historiker  Borns  Leipzig  1905, 
S.  4  ff.,  hinzuweisen. 

Nachdem  bisher  für  den  ersten  Teil  der  Biographien  verhältnismässig 
viel  geleistet  war,  wurde  der  zweite  Teil  (von  den  Maximini  duo  ab)  etwas 
vernachlässigt.  Freilich  hatte  Ch.  Lecrivain,  £tudcs  sur  l'hisfoire  Au- 
guste, Paris  1904,  ausser  einer  Zusammenfassung  der  Resultate  vor  allem 
der  deutschen  Foi-schung  den  Versuch  gewagt,  sämtliche  Viten  des  Cor- 
pus unter  dem  Gesichtswinkel  der  Quellenforschung  einer  Analyse  zu 
unterziehen.  Aber  das  Urteil,  das  Komemann  a.  a.  0.  S.  6  f.,  über  das 
Buch  gefällt  hat.  das  eine  Masse  von  Problemen  anschneidet,  ohne  zu 
einer  Lösung  zu  kommen,  gilt  nicht  nur  für  die  erste  Hälfte.     Trotz  mancher 


1)  Im  Interesse  der  Einheitlichkeit  und  leichteren  Verständigung  wäre  zu  wün- 
schen, dass  die  von  Lessing  a.  a.  0.  S.  II  gewählten  Siglen  zu  allgemeiner  Anwen- 
dung kommen  würden.  (Freilich  konnte  sich  auf  diesem  Weg  z.  B.  ein  Druckfehler 
in  den  Thesaurus  Jinyuae  Latinae  einschleichen,  indem  ein  T  ö,ö{^  tri(ii)tta  ti/niiiiii). 
da.s  Lessing  unter  adsertor  autführt,  dort  als  Tac.h,']  erscheint.  Tlies.  1.  Lat.  II  s.  v. 
(isseHor  I  B  Sp.  871). 

2)  Vgl.  Eduard  Norden  bei  Mommsen.  Ges.  Sehr.  VII  (1909)  .S.  352*. 

3)  Cfr.  W.  Thiele,  reo.  Wochenachrift  für  Massisclie  Philologie  1909,  Sp.  913  ff.  und 
Hermann  Peter,  rec.  Berliner  philolmjische  Wochenschritt  1910,  Sp.  1013  f. 

4)  Die  Dissertation  gibt  nur  den  ersten  Teil  {Quellenstudien  zu  den  ShA  [Macrin 
his  Severus  Alexander]).  Diese  Arbeit  kam  mir  erst  nach  Absehluss  der  vorliegen- 
den Untersuchung  zu  Gesicht.  Um  so  mehr  freue  ich  mich,  dass  wir  beide  ganz  un- 
abhängig von  einander  für  die  Beziehungen  zwischen  v.  Tue.  und  AS,  sowie  für 
Zeit  und  Ort  der  Entstehung  zu  verwandten  Resultaten  gekommen  sind.  —  Die  ganze 
Abhandlung  wird,  wie  mir  der  Herr  Verf.  mitteilt,  bis  Ende  1910  im  Verlag  von  B.  G. 
Teubner,  Leipzig,  erscheinen.  —  Ich  möchte  übrigens  dem  Herrn  Verf.  auch  an  die- 
ser Stelle  meinen  wärmsten  Dank  für  sein  gütiges  Entgegenkommen  aussprechen. 
Er  war  so  freundlich ,  mir  sogar  Einsicht  in  einige  Korrekturbogen  zu  gewähren, 
üeber  Orma  Fiteh  Butler.  Studies  in  the  life  of  Heliociahahis,  New- York  1908  vgl. 
K.  Hönn.  rec.  Deutsche  Literatur:eitung  1910  Sp.  1194/6. 

12* 
2 


180  JSnisf  Hohl. 

treffenden  Einzelbemerkunt;'  hiit  ihn  docli  die  übermässige  Ausdelmuug  der 
Arbeit  stets  gehindert,  in  die  Tiefe  zu  dringen.  Während  die  Arbeiten 
von  J.  M.  Heer,  Otto  Th.  Schulz.  Kornemann.  Thiele  und  Hönn  für  den 
Anfang  des  Corpus  sieh  gerade  der  eindringenden  Analyse  einzelner  Bio- 
graphien mit  denkbar  bestem  Erfolg  gewidmet  haben,  ist  in  den  neueren 
Abhandlungen,  die  die  späteren  Kaiser  betreffen,  so  z.  B.  in  dem  Artikel 
von  Groag  über  Aurelian  bei  P<ui1i/-W/ssohii  V.  Sp.  1347  ff.  oder  in  dem 
Essai  SKI-  Je  regne  de  Vempcreiir  Aiirrl/eii.  Paris  1904.  von  L.  Homo')  die 
Prüfung  der  Vita  hinter  dem  Aufbau  der  Geschichte  bei  der  verhältnis- 
mässigen Fülle  historischen  Stoffes  begreiflicherweise  zurückgetreten.  Na- 
türlich ist  dahei  trotzdem  manches  Licht  auf  die  einzelne  Biographie  ge- 
fallen. Auch  bei  Dannhäuser  scheint  mir.  obwohl  er  sich  auf  Mommsens 
Forderung  beruft  (a.  a.  0.  S.  8  f.)  und  immerhin  in  zwei  Exkursen  aus- 
schliesslich die  Vita  Pi-obi  des  Vopiscus  betreffende  Fragen  bespricht, 
imter  der  Darstellung  der  Geschichte  des  Kaisers  die  analytische  Behand- 
lung seiner  Biographie  etwas  gelitten  zu  haben. 

Wenn  ich  im  Folgenden  aus  den  noch  nicht  behandelten  Viten  des 
Vopiscus  die  Vita  Taciti  (et  Floriani)  zur  Untersuchung  heraus- 
gegiüffen  habe,  so  ist  hier  die  Gefahr  sehr  gering,  dass  die  historische 
Darstellung  sich  zu  sehr  in  den  Vordergrund  drängt.  Denn  der  positive 
geschichtliche  Ertrag  ist  für  die  hitcrrcf/es-)  Tacitus  und  Florianus  so 
unbedeutend,  dass  unwillkürlich  das  volle  Interesse  sich  der  Vita  selbst 
und  dem  Quellenproblem  als  solchem  bezüglich- des  Vopiscus  zuwendet. 
So  darf  man  vielleicht  hoffen,  dass  aus  der  Not  des  Historikers  eine 
Tugend  gemacht  werden  kann  und  dass  der  Charakter  der  Schriftstellerei 
des  Vopiscus  gerade  da  sich  offenbart,  wo  er  von  seinen  Quellen  ziemlich 
im  Stich  gelassen  wird. 

Stellen  wir  nunmehr  die  Vorfrage .  in  welcher  Zeit  der  Verfasser 
der  letzten  Biogi-aphien  des  Corpus  von  Aurelian  bis  Carinus .  F 1  a- 
vius  Vopiscus  Syracusius,  wie  ihn  die  Handschriften  nennen. 
geschrieben  habe,  so  treten  für  ihre  Beantwortung  die  Forscher  in  drei 
Gruppen  auseinander:  zunächst  die  Konservativen,  vertreten  durch  Momm- 
sen,  Peter.  Lecrivain  u.  s.  w. :  diese  Forscher  gehen  aus  von  der  Ein- 
leitung der  rifa  A.  und  nehmen  das  Jahr  303  als  terminus  post  quem 
für  die  Abfassung  der  Biographien  an  (s.  u.).  Die  zweite  Gruppe  bilden  Rühl. 
Tropea.  Giri  (s.  u.)  —  diese  Gelehrten  versuchen  auf  Grund  anderer  (schein- 
barer) Anspielungen  auf  die  Zeitereignisse  sichere  Daten  zu  gewinnen. 
Im  Gegensatz  zu  diesen  beiden  Parteien  stehen  Dessau  und  Seeck.  die  Fäl- 
schung des  Corpus  um  die  Wende  des  4.  .Jahrhunderts  behaupten.  Die 
eine  —  konservative  —  Partei  also,  die  Dessaus  Ergebnisse  ablehnt,  kann 
glauben,  gerade  für    die  Datierung    des    Vopiscus    auf   ganz    gesichertem 

1)  Vgl.  auch  desselben  Verfassers  De  Claudio  Gothicn  Eonimionim  impfinline. 
Diss..  Paris  1903.  —  2)  Tac.  14.  .5. 


Vopiscua  null  ilir   li/tii/rn/ili/e  drs    Ktt/.scrs    Tmihis.  IBl 

Builen  zu  stehen.  [)enn  zu  Bcffinu  der  fila  A..  mit  der  die  IJeilie 
der  unter  V'opiscus'  Namen  gehenden  Biograpliien  einsetzt,  erziililt  dieser 
von  einem  Gespräch,  das  er  bei  der  Feier  der  Hilarien  mit  dem  Stadt- 
präfekten  Tnnius  Tiberianus  in  dessen  Anitswagen  (iiKliriali  cKi-pentu) 
gehabt  haben  will.  llieduri-!i  habe  er  die  Anregung  zunächst  zur  bio- 
graphisclien  Behandlung  des  Kaisers  Anrelian  empfangen.  In  der  Liste 
der  Stadtpiäfekten  im  Clironogntphrn  roxi  Jiilire  :>:')4  kommt  in  der  Tat 
ein  lunius  Tiberianus  vor.  der  dieses  Amt  zuerst  im  .1.  291/2  und  ein 
zweites  Mal  im  J.  303/4  (12.  Sept.  303—4.  Jan.  304)  bekleidet  hat.  Den 
ersten  Termin  hat  schon  .Julius  Brunner ').  Vopisriis'  Lchcnshcschre/ftiiiii/cii. 
in  BiUlhujcrs  Untci.snr/miini'ii  iiir  römisclini  Kaiscrfjc.sch/clitc  II.  (Leipzig 
1868)  S.  5  ans  chronologischen  Gründen  abgelehnt.  Beim  zweiten  Datum 
ergibt  sich  eine  kleine  Scliwierigkeit ').  Denn  die  eigentlichen  Hilarien. 
an  die  man  zunächst  wird  denken  müssen,  wurden  am  15.  März  gefeiert, 
fallen  also  garnicht  in  die  Amtszeit  des  Präfekten.  Freilich  gab  es  da- 
neben noch  ein  zweites  Fest  gleichen  Namens  am  3.  November.  Man  kann 
danach  entweder  die  Unterhaltung  auf  den  3.  November  des  J.  303  an- 
setzen, wie  das  z.  B.  Brunner  a.  a.  0.  tut,  oder  aber,  und  das  hat  Momm- 
sen  vorgeschlagen  (Hrrmrs  2?,.  S.  257  Anm.  1  =  Ges.  Sehr.  VIL  S.  329 
Anm.  2),  statt  ^»"«Z.  ihhi.  lau.  schreiben  jiriiL  luni.  Iiin.^).  Mit  dieser 
Konjektur  gewinnt  man  als  Datum  des  Gesprächs  den  25.  März  304.  Nun 
hält  es  zwar  H.  Peter,  Die  Scr/pfores  historine  AiKjtist.ac.  secli.'i  litterargc- 
.silikhtUchc  Unfersnclnniffoi.  Leipzig  1892,  S.  39  für  das  .Glaublichste", 
dass  „die  Hilarien  und  die  Staatskutsche  ausschmückende  Zutaten"  seien, 
„wie  sie  die  Rhetoren  lieben"*),  gibt  aber  trotzdem  den  Glauben  an  die 
Anregung  des  Yopiscus  durclu  Tiberianus  nicht  auf,  die  in  das  .1.  303 
oder  die  ersten  Monate  des  folgenden  zu  setzen  sei.  Wölfflin.  3Iiiiulicncr 
S'dntnqsherklde    1891.    S.   528,    beruft    sich  auf  Brunners    Aufstellungen. 


1)  Diese  Arbeit  ist  Ijezeii/hnend  für  die  blinde  Zuversichtlicbkeit.  mit  der  nuui 
vor  Dessaus  Abhaiidhiiig  die  Angaben  iles  Vopiscus  behandehi  konnte.  So  werden 
hier  noch  .alle  Briefe  und  Aktenstücke  mit  Haut  und  Haar  als  echt  verspeist":  K. 
Klebs.  Historischr  Zeitschrift  Bd.  61  (N.  F.  2.5),  (1889)  S.  231  Anm.  (i. 

2)  Vgl.  hiezu  Dessau,  ffermes  24  (1889)  S.  344  f. 

3)  S.  auch  Dessau,  Hermes  27  (1892)  S.  -567  Anm.  1.  —  So  leicht  die  Monunsen- 
sclie  Konjektur  ist.  so  halte  ich  es  doch  prinzipiell  für  bedeuklicli.  dem  Vopiscus  zu- 
lieb den  Chronographen  zu  korrigieren.    Vgl.  Giri  a.  u.  a.  0.  S.  b'i  f. 

4)  Auch  Rühl,  Mein.  Mus.  Bd.  43  (1888),  S.  603  erwähnt  die  .Möglichkeit  einer 
poetischen  Fiktion".  Dass  das  Gespräch  .nach  iigend  einem  Muster'  gearbeitet  sei. 
vermutet  Groag  bei  P.-  W.  V,  Sp.  1349.  —  Eine  neue  Auflassung  des  Gesprächs  suclit 
L.  C.  Purser,  Notes  on  Vojnscus,  Hermathenu  No.  XXXIV,  Dublin-London  1908,  S.  39 
A.  2  zu  geben.  Während  nämlich  nach  Mommsen  a.  a.  0.  Vopiscus  in  dieser  Ein- 
leitung sich  von  Tiberianus  den  Freibrief  geben  lässt.  es  mit  der  Wahrheit  nicht  ge- 
nauer zu  nehmen,  als  seine  Vorgänger  {habebiü  iiienduciitrum  comite!<),  nimmt  Purser 
einen  blossen  Scherz  des  Tib.  an,  der  in  Wirklichkeit  den  Vop.  zur  Genauigkeit  cr- 
mahnen wolle.  —  Mich  hat  diese  Erklärung  nicht  befriedigt. 


182  Eniist  Hold. 

Lecrivain .  :i.  a.  0.  8.2:!,  folgt  Mommsen ,  ebenso  G.  de  Sauctis,  trli 
scHptores  li/storiac  AiKjudac,  Rivista  dl  storia  antica  I.  (1896)  S.  100. 
Auch  Dannhäuser  lässt  den  Vopiscus  zu  Anfang  des  4.  Jahrhunderts  und 
zwar  unter  der  Regierung  des  Kaisers  Constantius  schreiben  (S.  15:  vgl. 
S.  50  Anm.  1.  S.  81),  hält  sich  also  au  Momrasens  Aufstellung,  der  (u. 
a.  0.  S.  259  =  S.  331  vgl.  S.  245  =  S.  318)  die  schriftstellerische  Tätig- 
keit unseres  Biographen  auf  Grund  von  Andeutungen  der  Viten  zveischen 
den  1.  Mai  305  („Antritt"  der  Kaiserwürde  durch  Constantius)  und  den  24. 
Juli  306  (Tod  dieses  Kaisers)  eingrenzen  zu  könuen  glaubte '). 

Der  Ansatz  von  Fr.  Rühl  {Bhein.  Mus.,  a.  a.  0.  S.  604),  der  für  die 
Vita  des  Probus  bis  322/23  herabgehen  wollte,  wurde  schon  von  Momm- 
sen abgewiesen  (Hermes  25,  S.  258  f.  =  Ges.  Seh:  VII.  S.  330  f.).  Ohne 
das  Gespräch  mit  Tiberianus  zu  beachten,  hat  G.  Tropea  [Bivista  di  sto- 
ria antica  IV.  [1899]  S.  255)  Car.  8,  1  die  Anspielung  auf  die  Besiegung 
der  Perser  nicht  wie  üblich  auf  das  Jahr  297.  sondern  auf  die  Jahre 
336/37  setzen  wollen  und  lässt  danach  den  Vopiscus  zwischen  323  und 
337  seine  sämtlichen  Biographien  verfassen'^).  Ein  anderer  italienischer 
Gelehrter,  Ugo  Giri,  In  quäl  tenipo  ahbia  scritto  Vopisco  Je  hiorp'afic  degli 
imperatori.  Prohahilc  dati  di  eomposizione  di  ogni  hiografin.  L'attendihiVdä 
di  Vopisco  (Torino  19G.J).  geht  aus  von  der  Stelle  A  15.  4:  vidiinus 
pro.time  consuhituni  Furii  Placidi,  die  er  auf  den  Konsul  des  J.  343 
M.  Marcius  Memmius  Furius  Baburius  Caecilianus  Placidus  beziehen  will '') 
(cfr.  rec.  Carolina  Lanzani  Biristn  di  fdoloyia  e  d'istruzione  classica  XXXV. 
[1907]  S.  155  f.  und  A.  M(erlin),  Becue  de  phdologie  XXXI.  [1907] 
S.  222/23).  Vopiscus  rügt  dort  die  neuliche  Verschwendung  des  Konsuls 
Furius  Placidus.  (Vgl.  Giri  a.  a.  0.  S.  24  ff. !,  M.  E.  genügt  auch  heute  noch 

1)  Auch  L.  C.  Purser  a,  a.  0.  S.  40  Aiim.  1  folgt  Mommsen  (Peter  u.  Lecrivain). 
Wenn  übrigens  fast  allgemein  die  Stelle  A  43, 2 :  Diocletianum  principem  tarn  pri- 
vatum dixisse  auf  die  Zeit  nach  dessen  Abdankung  bezogen  wird  (s.  z.  B.  Peter, 
a.  a.  0.  S.  40),  so  darf  man  vielleicht  daran  erinnern,  dass  das  nur  eine  von  zwei 
Möglichkeiten  ist.  lam  privatum  kann  gerade  so  gut  von  der  Zeit  vor  der  Thron- 
besteigung, als  von  der  nach  der  Abdankung  gesagt  werden.  Wenn  Diokletian,  ohne 
eine  Ahnung  zu  haben,  dass  er  es  später  am  eigenen  Leibe  werde  erfahren  müssen, 
schon  vor  der  Thronbesteigung  jenen  Ausspruch  tut,  dass  nichts  schwerer  sei,  als 
ein  guter  Kaiser  sein,  so  gibt  auch  das  eine  Pointe.  Damit  will  ich  nicht  behaupten, 
dass  sie  besser  sei.  als  wenn  Vopiscus  den  abgedankten  Kaiser  ein  resigniertes  Re- 
sume  aus  seinen  Eegierungserfahrungen  ziehen  lässt.  Nur  müsste  man  sich  bewusst 
bleiben,  dass  die  genannte  Stelle  eine  doppelte  Auffassung  zulässt.  Soweit  ich  sehe, 
hat  allein  Tropea,  a.  a.  0.  S.  254  f..  den  Ausdruck  auf  den  Zustand  vor  der  Thron- 
besteigung bezogen,  dafür  aber  dann  die  andere  Möglichkeit  nicht  beachtet.  Dass 
Vop.  als  Quelle  seinen  Vater  angibt  (n  patrc  meo  audivi)  passt  gut  zu  Tropeas  An- 
sicht.   (Dagegen  Giri  a.  a.  0.  S.  29,  A.  2). 

2)  Vgl.  hierzu  Giri  a.  a.  0.  S.  22. 

3)  Nach  Peter,  a.  a.  0.  S.  40.  wäre  von  Vopiscus  vielleicht  der  Vater  dieses  Kon- 
suls gemeint:  vgl.  aber  auch  S.  19,  Anm.  1.  wo  Peter  die  Frage  aufwirft,  ob  nicht 
F.  P.  ebenso  wie  Junius  Messala  (Car.  20, 4  ff.)  nur  ein  Strohmann  sei. 


V()j)/scits  11)1(1  die   l{/i)(/ni/i/i/c  des  Jüüsers   TikUks.  1  H:^> 

vollkomuun  die  Bemerkung  Mommsens  gegen  dieses  Diilum  {Hermes  25. 
8.  270.  A.  1  =  Geg.  Seilt:  YU  S.  o46.  A.  1):  „Der  consul  Furius  Placi- 
dus  .  .  .  kann  nicht  wohl  der  eoiisiil  oidhiariiis  des  J.  343  .  .  .  sein,  da 
die  Behandhing  des  Probusorakels  [Pr.  24]  zeigt,  dass  der  Diaskeuasfc  der 
Schrift  den  Charakter  als  diocletianisch-constantinischer  zu  wahren  be- 
müht war  und  eine  derartige  offen  liegende  Interpolation  sich  damit  nicht 
vertragen  würde'',  nur  dass  wir  statt  Diaskeuast  ruhig  „Vopiscus"  sagen 
werden.  Trotz  Moninisen  erklärt  Giri,  diese  Stelle  sei  für  seine  Ansicht 
von  grösstem  AVert  und  benutzt  das  J.  343  als  terminus  post  quem  für 
die  zeithche  Fixierung  der  schriftstellerischen  Tätigkeit  des  Vop.  Na- 
türlich gerät  er  dabei  in  grosse  Schwierigkeiten  wegen  der  Einleitung 
der  f.  Ä.,  wo  doch  der  Stadtpräfekt  Tiberianus  genannt  ist.  der  sein  Amt 
volle  40  Jahre  vor  dem  Konsulat  des  Furius  Placidus  bekleidete.  Giri 
erklärt  in  diesem  Dilemma  sehr  einfach,  gegenüber  der  ihm  passenden 
Stelle  (Konsulat  des  F.  P.),  die  so  vielfach  bestätigt  sei.  verliere  jene  Notiz 
r.  A.  1  f.  jeden  Wert  (a.  a.  0.  S.  52  f.).  Vop.  habe  die  Geschichte 
erfunden  und  den  Namen  des  Tiberianus  gewählt,  weil  dieser,  längst  tot. 
ihn  nicht  mehr  habe  desavouieren  können  (S.  56).  Die  r.  A.  sei  zwischen 
343  u.  350  entstanden  (S.  72).  —  Diese  Aufstellung  ist  unhaltbar.  Hätte 
Vop.  wirklich  kurz  nach  dem  Konsulat  des  F.  P.  geschrieben,  wie  konnte 
er  dann  das  Gespräch  mit  Tiberianus,  auf  dessen  unmittelbare  Anregung 
hin  er  die  r.  A.  verfasst  haben  will,  erzählen,  obwohl  jeder  Zeitgenosse 
leicht  feststellen  konnte,  dass  seit  40  J.  kein  Tiberianus  mehr  Präfekt  ge- 
wesen w-ar? 

Allen  diesen  Schwierigkeiten  kann  man  entgehen,  wenn  man  auf  das 
Ergebnis  von  Dessau  zurückgreift.  Er  erklärt  ja  die  sechs  Autoren- 
namen sämtlich  für  eine  Fälschung  und  behauptet.  ;üle  Biographien  seien 
von  einem  —  oder  mehreren  —  Fälschern  in  theodosianischer  Zeit  ver- 
fasst (s.  o.  S.  178).  Denn  er  konnte  nicht  nur  Benutzung  der  Caesares  des 
Aurelius  Victor  (geschrieben  360)  imd  des  Brcv/ri)/ii»i>t  von  Eutrop  (369) 
im  Corpus  der  Historia  Augusta  nachweisen,  womit  er  bereits  für  die  Da- 
tierung ins  letzte  Drittel  des  4.  .Jahrhunderts  herabgeführt  wurde,  sondern 
er  entdeckte  ausserdem  Anspielimgen  auf  römische  Grosse  der  valentinia- 
nisch-theodosischen  Zeit.  In  einem  zweiten  Aufsatz  {Hermes  27  [1892] 
S.  561  ff.)  wies  er  noch  besonders  darauf  hin.  wie  wenig  der  Gesamtin- 
halt der  Schriften  vor  allem  auch  des  Vopiscus  in  die  diokletianisch-kon- 
stantinische  Zeit  passen  wolle.  Wenn  z.  B.  Vopiscus  wirklich  kaum 
30  Jahre  nach  der  Ermordung  des  Aureliau.  in  Rom.  geschrieben  haben 
sollte,  so  seien  die  Albernheiten  und  Ungenauigkeiten  seiner  Erzählung 
der  Ereignisse,  die  der  Wahl  des  Tacitus  vorausgingen,  ganz  unerklär- 
lich. Freudige  Zustimmung  hatte  schon  der  erste  Aufsatz  Dessaus  bei 
Otto  Seeck  {Ne>ie  Jalnhihher  für  Fliilolof/ie  >iml  PddafßogiJ:  141.  Bd. 
[1890]  S.  609  ff.)  gefunden.     Seeck  glaubte  seinerseits  die  Abfassungszeit 

6 


184  /w//.v/   //.-/,/. 

der  Viten  noch  weiter  herabrückeii  zu  kiiniicn.  imlom  er  Bezlelaiingeu  auf 
den  gallischen  Usurpator,  Constantinus  III.  (407 — 411)  aufzudecken  und 
danach  engere  Zeitgrenzen  —  übrigens  unter  ausdi-ücklicheui  Vorliehalt. 
dass  diese  nur  hypothetisch  seien  —  abzustecken  suchte  (S.  634  fi'.)''). 
Diese  genauere  Datierung  hat  denn  auch  Dessau  [Hermes  27,  S.  585)  ab- 
gelehnt, da  die  von  ihm  enthüllten  Anspielungen  auf  die  Jahre  380 — 395 
und  nicht  auf  407 — 411  führen.  Seeck  ist  selbst  abermals  in  einem  Auf- 
satz, der  noch  eine  Reihe  von  Anachronismen  '")  nachweist,  auf  jene  Da- 
tierung zurückgekommen,  die  er  selbst  für  diskutabel  hält  (Zitr  Erhflieits- 
fnq/e  der  S.  h.  A.  Rhein.  Mhs.  49  [1894]  S.  208  ff.,  bes.  S.  224  s).  Jeden- 
falls kann  nach  ihm  die  Historia  Augusta  nicht  vor  dem  Ende  des  4.  Jahr- 
hunderts zum  Abschluss  gelaugt  sein  (bei  F.-W.  VI.  Sp.  2383  s.  v.  Flr- 
mus  setzt  er  den  ^Ps.-Vopiscus"  in  den  Anfang  des  5.  Jahrhunderts). 

Danach  besteht  also  nur  ein  unbedeutender  Unterschied  zwischen 
Dessau  und  Seeck  in  Betreff  der  zeitlichen  Fixierung,  in  dem  eigentlichen 
Kernpunkt  des  Problems  aber  stehen  sie  völlig  zusammen.  —  Zu  ibrer 
Auffassung  im  allgemeinen  muss  auch  ich  mich  bekennen  *).  Denn  Seeck 
hat  vollkommen  recht,  wenn  er  sagt,  dass  „wer  die  Echtheit  der  Scripto- 
res  aufrecht  erhalten  will,  ohne  die  Voraussetzungen  Mommsens  unmög- 
lich auskommen  kann",  wenngleich  Peter  und  Lecrivain  durch  die  Tätig- 
keit des  Schlussredakteurs,  welche  RoUe  sie  einem  der  Biographen,  Capi- 
tolinus,  zuweisen,  alles  erklären  zu  können  glauben.  Aber  eben  dieser 
Versuch  Mommsens"),  „eine  spätere  Interpolation  von  einem  diokletia- 
nisch-konstantinischen Grundstocke  aus  zu  erweisen,  ist  nicht  nur  an  dem 
allgemeinen  Widerspruclie,  sondern  an  der  inneren  Unwahrscheinlichkeit 
der  Annahme  gescheitert".  (Otto  Th.  Schulz,  JDas  Kaiserhaus  der  An- 
tonine  und  der  letzte  Historiirr  Boiiis.  Leipzig  1907.  S.  3).     Auch  Eduard 


1)  Zugleich  zeigte  er  S.  619  f.  treffend,  wie  es  geschehen  konnte,  dass  Vop.,  wenn 
er  um  das  Jahr  400  lebte,  zwar  den  Tiberiamis  seinem  Kalender  richtig  entnahm, 
aber  für  die  frühere  Zeit  die  Stadtprilfekten  Ceionius  Albinus  {A  9, 2)  uud  Aelins 
Cesettianus  (Tue.  7,2)  erfinden  musste.  Denn  der  Kalender  habe  wahrscheinlich, 
wie  das  auch  heim  Chronographen  vom  J.  354  der  Fall  ist,  die  Beamtenliste  nur  für 
das  letztverflossene  Jahrhundert  gegeben. 

2)  Vgl.  K.  Regung,  Zu  Ausoniiis,  Herme»  44  (1909)  S.  316/7  Anm.  3,  wo  Ana 
chronismen  in  Münzbenennungen  besprochen  sind.  —  Ueber  Anachronismen  in  der 
V.  Tac.  s.  Abschnitt  II. 

3)  Merkwürdigerweise  führt  Lecrivain  S.  12  a.  a.  0.  in  seiner  Bibliographie  diese 
Arbeit  nicht  auf. 

4)  Zu  meiner  Freude  sehe  ich.  dass  ganz  neuerdings  K.  Hönn ,  (Jiielleniintersii- 
chiingen  etc.  für  den  Biographen  des  Severus  Alexander  ebenfalls  in  den  Anfang  des 
5.  Jahrhunderts  kommt  (a.  a.  0.  S.  20,  Anm.  60). 

.5)  Vgl.  auch  die  Bemerkung  von  Ed.  Norden  bei  Mommsen,  Ges.  Sehr.  VII  S.  302*: 
„Uebereinstimmung  in  der  Lösung  des  Problems  ist  noch  nicht  erreicht  worden,  es 
sei  aber  bemerkt,  dass  vieles  zu  Gunsten  der  hier  von  Mommsen  bekämpften  Ansieht 
[von  Dessau]  zu  sprechen  scheint". 


Vop/scKS   1(11(1  (lii:    Tl/iii/iK/ili/r  (/es    Kk/scis    TkcHk^.  18."> 

Norden  hat  sich  trotz  Momnisfii  für  Dessau  erkliirt.  Ihm  „sclieint  die 
Entstehung  des  Corpus  in  theodosischer  Zeit  gesichert.'  {luiilcitxii;/  in 
die  Alte)iumsicissc,isc/,((ff  I.  (1910)  S.  029  (vgl.  S.  572)). 

Nun  bilden  die  Viten  des  Vopiscus  den  Abschluss  der  ganzen  Samm- 
lung. Auch  sucht  ihr  Verfasser  in  auffälliger  Weise  die  sukzessive  Ent- 
stehung seiner  Biographien  glaubhaft  zu  machen,  indem  er  beim  Al)- 
schluss  der  einen  Vita  auf  die  kommende  verweist  (so  zäidt  er  auch  l'r.  1, 
5  auf,  welche  Biographien  er  bis  jetzt  verfasst  habe)  vgl.  Q  1,  4.  Deut- 
lich wird  der  Anschein  erweckt,  als  habe  die  biographische  Gesamtarbeit 
des  Vopiscus  Aufnahme  in  das  Corpus  gefunden.  So  darf  man  erwarten, 
hier  der  eigenen  Arbeit  des  Fälschers  am  nächsten  zu  sein.  Schon  Des- 
sau hat  für  die  Sprache  sämtliche  Viten  in  drei  Bestandteile  geteilt 
{Hermes  27  [1892]  S.  602),  ..je  nachdem  lateinische  Quellen  abgeschrieben 
oder  griechische  übersetzt  sind  oder  endlich  eigene  Arbeit  des  Autors  vor- 
liegt". Die  dritte  Gattung  überwiege  in  den  Gruppen,  die  Trebellius  Pol- 
lios  und  Vopiscus'  (also  des  letzten  Paares  der  angeblichen  Biographen) 
Namen  tragen.  Ihnen  stehen  —  nach  ihm  —  die  der  ersten  Hälfte  ein- 
verleibten Biographien  von  Empörern  und  Gegenkaisern  nahe. 

Wo  also  in  den  Viten  der  ersten  Hälfte  die  Spuren  des  theodosia- 
nischen  Fälschers  aufgedeckt  wurden,  da  handelt  es  sich  m.  E.  nicht  um 
eine  spätere  Ueberarbeitung  oder  Interpolation  zu  einer  Zeit,  da  das  ge- 
samte Corpus  schon  zusammengefasst  vorlag,  sondern  eben  um  die  Arbeit 
des  Herausgebers  und  Fälschers  der  theodosianischen  Zeit.  Wir  wissen 
ja.  dass  z.  B.  Marius  Maximus  im  Anschluss  an  Sueton  Kaiserbiogra- 
phien von  Nerva  bis  Heliogabal  verfasste ').  Wer  in  theodosianischer 
Zeit  Biographien  längst  verstorbener  Kaiser  herausgeben  wollte,  dem 
konnte  es  an  Vorlagen  nicht  fehlen,  und  er  durfte  sich  darauf  beschränken, 
ältere  Ai-beiten  etwas  aufzufrischen.  Dagegen  weisen  die  letzten  Viten. 
vor  allem  die  des  Vopiscus,  keinerlei  Anzeichen  ii-gend  einer  Ueberarbei- 
tung auf.  wie  wir  das  bei  unserer  Annahme  von  vornherein  erwarten 
müssen.  Ofl'enbar  hat  hier  der  Fälscher  eigene  Arbeit  gegeben.  Dafür 
scheint  auch  die  verdächtige  Bes(;heidenheit  zu  sprechen,  mit  der  der  A'er- 
fasser  bekennt,  nur  eine  Materialsammlung  dargeboten  zu  haben  (Car. 
21,  2)  -).  Wenn  Linsenbarth  ein  Exzerpt  aus  Vopiscus,  das  uns  allein  statt 
der  ursprünglichen  Viten  erhalten  sei,  nachweisen  wollte  {Gi/niiiasicd/irii- 
(jmitim  Kreuznach  1876),  so  kann  dieser  Versuch  als  erledigt  gelten,  ebenso 


1)  S.  Peter.  Bk  ije^ch.  IAH.  iiln-r  d.  mm.  Kidserzeil  \\.  S.  10(1  ff.  und  H.  Niese. 
Grundrisa  der  röm.   (iem-h.  1910*  S.  280. 

2)  Wie  befremdlich  das  im  Altertum  ist.  zeigt  Ed.  Korden.  Aidil^c  Kii)istpros(( 
Bd.  I  1909-  S.  94.  Freilich  huldigt  ja  Vopiscus  selbst,  trotz  seiner  gegenteiligen 
Versicherung,  ausgiebig  der  Rhetorik  und  versieht  so  die  , Materialsammlung''  reich- 
lich mit  äusserem  Schmuck. 


18(5  Enisl  ll„lil. 

wie  die  Ansiebt  von  liülil  (n.  m.  ()..  S.  ")98),  der  „geneigt  ist.  ;in  eine  teil- 
weise Epitomierung  zu  glauben"  M- 

Xun  hatte  bereits  Wölfflin  a.  a.  C).  S.  öll  ff.  in  Vopiscus  den  Heraus- 
geber und  Redaktor  der  Sammlung  erblickt,  und  zwar  hätte  er  diese  Tä- 
tigkeit nach  Vollendung  der  eigenen  Biographienreihe  in  den  Jahren  308 
bis  315  ausgeübt  (a.  a.  0.  S.  528).  Später  (im  Literarischen  Zentralhlatt 
1893  Sp.  120  f.)  wollte  er  die  Rolle,  die  er  zuvor  dem  Vopiscus  zuge- 
wiesen hatte,  allerdings  für  Capitolinus  -)  in  Anspruch  nehmen  (vgl.  Wachs- 
muth,  Einlcitmic)  in  das  Studium  der  alten  GeschicJdr,  1895,  S.  692  Anm.  3). 
Zur  Erklärung  dieser  auffallenden  Schwenkun<j  muss  man  freilieh  berück- 
sichtigen, dass  Wölfflin  schon  an  der  ersten  Stelle  (S.  529)  erklärt  hatte. 
(Japitolinus  und  Lampridius  hätten  zwischen  308  imd  315  noch  keine 
Biographien  geschrieben.  Vielleicht  ergibt  sich  uns  schliesslich  ans  Vo- 
piscus' Biographien  ein  Hinweis  darauf,  dass  Wölfflin  mit  seiner  ersten 
Annahme  so  Unrecht  nicht  hatte,  nur  dass  eben  sein  Ansatz  für  Vopis- 
cus in  den  Anfang  des   4.  Jahrhunderts  ihm  hindernd  im  Wege  stand. 

Die  einzige  Möglichkeit,  der  Lösung  des  Problems  Vopiscus  etwas 
näher  zu  kommen,  liegt  in  der  Analyse  seiner  Viten.  Für  die  Tacitus- 
vita"im  besonderen  glaube  ich  im  nachfolgenden  drei  Quellen  des  Vo- 
piscus erschliessen  zu  können.  Einmal  eine  lateinische,  die  „verlorene 
Kaisergeschichte",  von  der  gleich  nachher  gesprochen  werden  muss.  so- 
dann —  wahrscheinlich  —  die  Caesnres  des  Aurelius  Victor  (verfasst  360) 
und  endlich,  ganz  nebenbei,  eine  griechische  Quelle  ^).  Beschränken  wir 
uns  zunächst  auf  die  lateinische  Tradition,  so  würden  uns  danach  von  den 
Quellen  des  Vopiscus  im  besten  Fall  nur  die  Caesures  des  Aurelius  Vic- 
tor im  Original  vorliegen.  Wir  müssen  uns  also  nach  Parallelquellen  um- 
sehen. Da  bieten  sich  noch  weiter  das  Breviarium  des  Eutrop  (geschrieben 
369)  und  Ps.-Aur.  Vict.  Epifonie  de  Cuesarihus  (geschrieben  nach  395). 
AVir  haben  es  also  auf  lateinischer  Seite  durchaus  mit  ziemlich  dürftigen 
Abrissen  zu  tun,  über  deren  Wesen  H.  Peter,  Die  (/eschicJdl.  IJtt.  IL  1897 
S.  341  ff.  im  4.  Kapitel:  Die  Arbeitsweise  in  den  Breriarien  des  i.  Jahr- 
hundeiis  gehandelt  hat.  Das  yevoc,  der  Epitome  im  besonderen  wurde 
von  Wölfflin   scharf  herausgearbeitet  {Epitome.  Archir  für  tideinischc  Le- 

1)  S.  H.  Peter.  JJir  S.  h.  A.  S.  141. 

2)  Obwohl  Fr.  2, 7  Vop.  als  seine  Vorbilder  aiit-h  den  lulius  Capitolinus  und 
Aelius  Lampridius  nennt.  —  Peter  in  seiner  Aii.-^ff.  hat  zwar  Iiilinm  Capitolitium, 
Aelium  Lampridium  als  Interpolation  eingeklammert.  Dem  gegenüber  hat  aber 
Mommsen  a.  a.  0.  S.  245  =  S.  318  recht:  .Hier  die  an  sich  nicht  verdächtigen  Namen 
wegen  der  zerrütteten  Subskriptionen  zu  streichen,  kann  ich  nicht  richtig  finden-. 
(Vgl.  Giri  a.  a.  0.  S.  37  ff.). 

3)  Vopiscus  selbst  sagt  Tac.  S,  1  :  «c  iie  (piis  nie  temerc  (jraeci>ritm  iilicni  Latino- 
rumve  ae^timet  credidisne  .  .  . ..  spielt  also  auf  griechische  und  lateinische  Quellen  an. 
Auf  griechische  Quellen  deutet  Vopiscus  auch  .4  1.4:  9:  10;  —  4,2  —  Pr.  3,3  — 
y  3.  1  hin. 


Voii/siHs  hihI  die  ]iiii</riiji/i/c  des  Ko/scr.s   Tariltts.  187 

.nho(jraphie  XII.  [1902]  S.  333  ff. ;  vgl.  ebenda  PUnius  und  Clnviits  Eh- 
f'iis  S.  352  f.) ').  Danach  haben  sich  die  i-ömischen  Epitomatoren  die  Frei- 
heit zu  Abänderungen  oder  eigenen  Zusätzen  genommen,  auch  wo  sie 
nur  kürzen  wollten  und  sollten'-).  Auch  wer  sich  nur  auf  den  Auszug 
eines  einzigen  Werkes  beschränken  wollte,  hatte  freien  Spielraum  für 
seine  subjektiven  Neigungen^).  Ausserdem  bat  Wölfflin  aiif  Grund  der 
grösseren  geistigen  Bewegungsfreiheit,  die  er  den  Verfassern  von  Epi- 
tomen  zurückgegeben  hat ,  ausdrücklieh  davor  gewarnt,  aus  kleinen 
Abweichungen,  die  sich  in  sonst  im  grossen  und  ganzen  übereinstimmen- 
den Partien  zweier  Werke  ergeben,  ohne  weiteres  auf  Benutzung  einer  ge- 
meinsamen Quelle  zu  schliessen.  wenn  nicht  tatsächlich  die  Unmöglich- 
keit einer  direkten  Abhängigkeit  des  späteren  Werkes  vom  fiüheren  sich 
ergeben  hat*).  Es  war  im  allgemeinen  nicht  üblich,  sich  ganz  sklavisch 
an  die  Voi-lage  zu  halten.  Was  im  besonderen  die  Epiiomc  de  Caesari- 
hiis  betriift,  so  hat  von  ihr  ebenfalls  Wölfflin  gesagt  (Arch.  XII.  S.  445), 
dass  „der  Epitomator  in  den  julisch-flavischen  Kaisern  nichts  besseres  zu 
tun  gewusst  habe,  als  die  den  Caesares  des  Aur.  Vict.  entnommenen 
Stellen  mit  Exzerpten  aus  Sueton  ^)  zu  versetzen". 

Dass  nun  die  lateinische  Tradition  auf  einer  gemeinsamen  Grundlage 
ruht,  hat  Alexander  Enmann  nachgewiesen.  Aus  der  Uebereinstimmung 
zwischen  Aur.  Vict.,  Eutrop  und  der  H.  A.  konnte  er  als  deren  gemein- 
same Quelle  eine  uns  verlorene  lateinische  Kaisergeschichte  erschliessen 
{Phihhc/us  IV.  Suppl.-Bd.  (1884),  S.  337  ff.).  In  dieser  grundlegenden 
Untersuchung  hat  Enmann  gezeigt,  dass  diese  Kaisergeschichte  in  ihrer 
ursprünglichen  Fassung  von  Augustus  bis  zur  Thronbesteigung  des  Dio- 
kletian reichte  und  für  ihren  ersten  Teil  bis  Domitian  einschliesslich  den 
Sueton  benutzt  hatte.  Später  scheint  sie  eine  Fortsetzung  von  284 — 357 
erfahi-en  zu  haben.  Da  aber  dieser  Teil  nicht  mehr  für  uns  in  Betracht 
kommt,  können  wir  davon  absehen.  Nun  war  es  ein  schönes  Zusammen- 
treffen, dass  im  gleichen  .Jahr,  das  die  Enmann'sche  Arbeit  brachte,  die 
Leipziger  Dissertation  von  Arthur  Cohn.  Quihits  ex  fontihus  S.  Aitrelii 
Vktoris  et  Jibri  de  Caemrihits  et  cpifomes  iindeciin  capita  priora  fhixerhd, 
Berlin  1884,  erschien,  die  ihrerseits  ganz  unabhängig  von  Enmann  dessen 
Ergebnisse  gerade  für  den  ersten  Teil  der  „Kaisergeschichte"  bestätigte. 
Cohn  hatte  nämlich  als  gemeinsame  Quelle  für  Aur.  Vict.  und  die  Epi- 
tome  den  —  wie  er  ihn  nannte  —  ,Suetonius  auctus"  erwiesen,  da  Sue- 
ton allein   zur   Erklärung    nicht    ausreichte.     Ebenso    hatte  Enmann    den 


1)  S.  Kornemanu.  Bit'  iifiw  Liriiisepitumc  ii((s  Oxyrliynclnix,  Klio  2.  Beibeft  1904 
S.  86  Anm.  6. 

2)  S.  auch  Wölfflin,  Anli.  XIII.  1904,  S.  7-^. 

3)  Vgl.  die  Bemerkungen  Peters  über  Justin,  a.  a.  0.  S.  o-l"2  Anni.  7. 

4)  S.  auch  Wölfflin,  i)iis  Brnwiiiim  des  Fes/((s  Arch.  XIII.  1904.  S.  74  tf. 
.5)  S.  aber  unten  S.  188  und  206. 

10 


188  luiisl  Ifohl. 

engen  Anscliluss  seiner  „  Kai.sergescliiclite"  an  Sueton.  solang  dieser  vor- 
lag, also  für  die  ersten  elf  Kaiser,  nachdrücklich  betont.  Es  liegt  alsu 
sehr  nahe,  in  dem  von  Cohn  statuierten  „Suetonius  auctus"  gar  nichts  an- 
deres in  erblicken,  als  einfach  die  Anfangsbiograpliien  von  Augustus  bis 
Domitian  der  von  Enmaun  entdeckten  „verlorenen  Geschichte  der  römi- 
schen Kaiser"  (s.  F.  Gräbner,  Byzanfinische  Zeitschrift  XIV,  1905,  S.  89 
Anm.  3).  Allerdings  könnte  man  sich  fragen,  ob  die  „Kaisergeschichte" 
vielleicht  nicht  schon  mit  Caesar  begonnen  habe,  mit  dem  ja  Sueton  ein- 
gesetzt hatte ,  während  allerdings  Aiir.  Vict.  und  die  Epitome  erst  mit 
Augustus  beginnen  (s.  u.  S.  226). 

Was  die  Literaturgattung  der  verlorenen  Quelle  betrifft,  so  hat  En- 
niann  ihren  biographischen  Charakter  mit  aller  Bestimmtheit  hervorge- 
hoben. Für  ihren  Verfasser  war  Sueton,  den  er.  soweit  er  reichte,  be- 
nutzte, schlechterdings  vorbildlich.  Seit  nun  aber  das  yh-og  der  griechisch- 
römischen  Biographie  durch  die  Forschungen  von  Friedrich  Leo  {Die  yrie- 
chiach-röinisrhe  B/oyrapJiic  »acli  ilnvr  lifferari sehen  Form,  Leipzig  1901)  in 
seinem  Werden  und  Wesen  klargelegt  wurde,  geht  es  vollends  nicht  mehr 
an,  wenn  die  biographische  „Kaisergeschichte"  Enmanns  heute  vielfach 
als  „  Kaiserchronik '  bezeichnet  wird.  So  wenig  man  sagen  würde.  Sue- 
ton habe  eine  Chronik  der  Caesares  von  Caesar  bis  Domitian  gegeben, 
so  unpassend  ist  dieser  Ausdruck  für  das  Werk,  das  sich  den  Sueton  zum 
Muster  genommen  hat.  Klebs,  Seeck,  Peter.  Lecrivain.  sie  alle  haben 
diesen  abusiven  Gebrauch  des  Wortes  „Kaiserchronik".  Ja,  Groag  bei 
F.-  W.  V.  Sp.  1349  ^)  führt  für  seinen  Artikel  ausdrücklich  diese  Bezeich- 
nung ein.  um  fast  in  demselben  Atem  zu  versichern,  dass  die  „Kaiser- 
chronik'" nicht  chronologisch  erzählte  (cfr.  Sp.  1372/73).  Wie  notwen- 
dig es  ist.  dass  der  Begriff'  der  Biographie  energisch  festgehalten  wird, 
das  zeigt  am  besten  die  erwähnte  L'ntersuchung  von  Dannhäuser.  Er  zi- 
tiert zwar  die  Enmannsche  Abhandlung,  spricht  aber  trotzdem  im  folgen- 
den (offenbar  im  Anschluss  an  Lecrivain)  ruhig  von  der  ..Kaiserchronik". 
sowie  von  der  „sachlich-historischen",  ja  sogar  von  der  „chronologischen, 
sachlich-historischen  Quelle"  (a.  a.  0.  S.  16  u.  28).  Dass  damit  immer 
die  Enmannsche  .biographische  Kaisergeschichte"  gemeint  ist.  ergibt  sich 
aus  Dannhäusers  Bemerkung,  dass  Vopiscus  für  Pr.  „den  grössten  Teil 
der  Xachrichten,  soweit  es  auf  den  rein  sachlich-historischen  Teil  an- 
kommt, aus  der  vei'lorenen  Kaisergeschichte  entnommen"  habe  (a.  a.  (). 
S.  11). 

Noch  unbeantwortet  ist  die  Frage,  ob  nicht  diese  „  biographische  Kaiser- 
geschichte" schon  im  ersten  Teil  des  Corpus  der  H.  A.  benutzt  ist  und 
zwar  im  „biographischen  Bestand",  in  dem  neben  vielem  Wertlosen  auch 
manches  Gute  steckt  '^). 


1)  s.  v.  L.  Domitius  Atiieliiini(s. 

•2)  Vgl.  z.  B.  Kornemann,  Klio  VI  (1906)  S.  184. 


11 


Vopiscils   iiixl  il/i'    llidi/rd/i/i/r  r/c.s'    Jüi/sits    'I'iii/fiis.  189 

Fragou  wir  iiuiimclir  nach  ilcr  liriccliisclicn  <^ii('lli'.  ilic  Vopisciis  in 
iler  '•.  '/'(".  nebenbei  noeii  ben\it/.t  hat.  so  ist  die  Antwort  niolit  selir 
einfach,  ila  eine  Originalqnelle,  rlie  Vopiscus  bei<fezoi>'cn  liabcn  könnte, 
uns  nicht  mehr  erhalten  ist.  Die  Chroniht  des  Dexippos.  von  denen  wir 
nur  Fragmente  besitzen,  schlössen  mit  dem  Tod  des  (Jlandius  und  seine.s 
ephemeren  Nachfolgers  Quintillus  im  Jahr  270  ').  kommen  also  für  Kaiser 
Tacitus  (275/76)  längst  nicht  mehr  in  Betracht.  Nun  wurde  die  Chronik 
des  Dexippos  offenbar  im  Corpus  der  H.A.  benutzt;  wenigstens  wird  De- 
xippos des  öfteren  zitiert'-).  Das  Werk  des  Dexippos  wurde  von  Eunap 
aus  Sardes  unter  Abwerfung  der  annalistischen  Form  fortgesetzt')  und 
zwar  bildete  die  Regierung  des  Theodoslus  den  Schlnss  der  ersten  Ab- 
teilung (s.  Schmid.  P.-M'.  VI  Sp.  1122  u.  1124).  Die  Herausgabe  der  ersten 
Fassung  erfolgte  bald  nach  395,  da  sich  Eunap  nach  396  schon  mit  seinen 
Sophistenbiographien  beschäftigte.  Später  setzte  er  die  Geschichte  bis 
404  fort.  Hat  also  Vopiscus,  wie  wir  annehmen,  nicht  vor  dem  Ende 
des  4.  Jahrhunderts  geschrieben,  so  ist  es  chronologisch  möglich,  dass  er 
die  'iGTOQiai  des  Eunap  in  der  ersten  Ausgabe  benutzte.  Eunap  war  zu- 
dem ein  überzeugter  Anhänger  des  Heidentums'')  und  passte  darin  zu  Vo- 
piscus. 

Bei  den  dürftigen  Resten  des  Eunap  für  die  Zeit,  die  Vopiscus  be- 
handelt hat,  ist  freilich  ein  Beweis  dieser  Annahme  kaum  möglich.  Da- 
zu kommt,  dass  die  Quellen  des  Eunap  für  die  Zeit  von  270 — 363  „nicht 
in  allen  Stücken  klarliegen"  (Schmid.  a.  a.  0.  Sp.  1124-'^).  Vielleicht  lässt 
sich  aber  doch  eine  —  wenn  auch  nicht  ganz  sichere  —  Verbindung  zwi- 
schen Eunap  und  Vopiscus  herstellen "). 

Vop.  Ä  23,  1 — 4  bringt  nämlich  eine  Anekdote  von  der  Einnaiune 
der  Stadt  Tyana  durch  Aurelian,  die  nur  noch  bei  dem  Aiionyitiiis  p()f;f 
Dionem  fr.  10,  4  (Müller,  FHG  IV,  S.  197),  also  nach  De  Boors  Aus- 
führungen {Byz.  Zeitschr.  I,  1892  S.  13  if.)  bei  Petros  Patrikios  wieder- 
kehrt ')■     Dieser  aber  hat  den  Eunap  benutzt   (s.  Krumbacher.  Grsrliicldc 

1)  S.  Ed.  Schwartz  bei  P.-W.  V,  Sp.  289. 

2)  S.  Ed.  Scliwartz  bei  P.-W.  V,  Sp.  291  ff.  Vgl.  auch  (Jnlbncr.  a.  a.  ü.  S.  12.'-), 
wonach  z.  B.  Pollio  den  Dexippos  benutzt  hätte. 

3)  S.  W.  Schmid,  bei  P.-W.  VI,  Sp.  1121  ft'. 

4)  Vgl  Wachsmuth,  a.  a.  0.  S.  695  f. 

h)  Hier  mag  erwähnt  werden,  dass  Gräbner  a.  a.  0.  S.  lis  (l,.|i  Eunap  auf  Aur. 
Vict.  und  Eutrop  zurückgehen  lässt.  Vielleicht  könnte  man  auch  an  die  .Kaiserge- 
schichte'' denken. 

6)  Umgekehrt  hatte  Groag  l)ei  P.-W.  V,  Sp.  18-')0  Benutzung  der  r.  A.  durch 
Eunap  vermutet. 

7)  Gräbner,  a.  a.  0.  S.  l.')2  (vgl.  auch  S.  142)  möchte  glauben,  dass  die  Ueber- 
einstimmung  auf  die  E  p  h  e  m  e  r  i  d  e  n  zurückgehe,  die  Vop.  X  1,  6  f.  als  eine  seiner 
Quellen  anführe !  Als  ob  es  sich  nicht  hierbei  deutlich  um  eines  der  schwindelhaften 
Zitate  handelte,  mit  denen  Vopiscus  so  freigebig  ist.  Lässt  er  doch  den  Tiberianus 
nur  zweifelnd  .sagen:  H  tavicii,  .<»'  b  r  ii  f    ii  o  r  i .    nihemeridas  illiii.'i  .tcriptas  hnheinns. 

12 


190  Enisl  Hohl. 

der  hijzantiniM-lien  Litterafur  Miinclien  1897-,  S.  238).  Nun  ist  ja  Euna]i 
auch  der  Verfasser  der  ritac  sophistarum.  in  denen  er  nach  dem  Vorbild 
des  zweiten  Philostratos  Biographien  hervorragender  Sophisten  des  4.  Jahr- 
liunderts  gibt  (s.  Schmid,  a.  a.  0.  Sp.  1125).  Bedenkt  man  aber,  dass  eben 
sein  Vorbild  Philostratos  auch  das  Leben  des  Apollonios  von  Tyana  ge- 
schrieben hatte  (s.  W.  Christ.  Geschichte  der  cp-iechischen  LHferatitr  1898^ 
S.  725).  so  lässt  sich  annehmen,  dass  Ennap,  der  diese  Schrift  kennen 
mnsste.  nicht  ohne  Absicht  gerade  bei  der  Belagerung  der  Heimatstadt  jenes 
sonderbaren  Heiligen  die  hübsche  kleine  Geschichte  angebracht  hätte. 
Wenn  Vop.  A  24.  2 — 9  noch  besonders  eingehend  über  den  Apollonios 
von  Tyana  spricht  und  sogar  berichtet,  dass  er  dem  Aurelian  erschienen 
sei,  so  könnte  auch  diese  Stelle  vielleicht  einer  Anregung  durch  Eunap 
ihre  Entstehung  verdanken,  verweist  doch  Vopiscus  [A  24.  8)  ausdrücklich 
auf  griechische  Bücher,  die  über  dessen  Leben  geschrieben  seien.  Aber 
freilich  muss  das  alles  mehr  oder  weniger  problematisch  bleiben. 

Olj  sie  aber  nun  aus  Eunap  oder  sonst  woher  stammen,  jedenfalls 
haben  sich  Spm-en  einer  griechischen  Quelle  bei  Vop.  entdecken  lassen. 
Solche  hat  schon  Groag  in  der  r.  A.  (P.-IT.  V,  Sp.  1349)  und  Dannhäuser, 
a.  a.  0.  S.  11  für  die  v.  Pr.  erkannt').  Zur  Feststellung  dessen,  was,  im 
Gegensatz  zur  lateinischen,  als  die  griechische  Tradition  erseheint,  kann 
uns  die  Jüstoria  noim  des  Zosimos  (um  500)  und  die  Weltchronik  des  Zo- 
naras  (aus  dem  12.  Jahrhundert)  für  die  so  kurze  und  unbedeutende  Re- 
gierung des  Tacitus  genügen.  Denn  einmal  hat  Vopiscus,  wie  wir  sehen 
werden,  für  die  p.  Tnc.  die  griechische  Tradition  nur  ganz  gelegentlich 
berücksichtigt  und  dann  konnte  Tacitus  überhaupt  einem  griechischen 
Schriftsteller  nur  geringes  Interesse  einflössen,  ganz  im  Gegensatz  zur  la- 
teinischen Tradition,  die  in  der  Wahl  dieses  Kaisers  den  Triumpli  der 
Senatsidee  erblickte  ^). 

L'nd  nach  ^  1,  6  hätte  es  Vopiscus  nur  der  besonderen  Gunst  des  Präfekten  zu 
danken,  wenn  ihm  Einblick  in  diese  Akten  gewährt  wurde.  Daher  urteilt  Groag, 
a.  a.  0.  Sp.  1347  f..  gewiss  mit  Recht,  dass  es  jedenfalls  von  der  kaiserlichen  Kanzlei 
redigierte  Tagebücher  {commentarii  principiti,  vgl.  v.  Premerstein  bei  P.-W.  IV,  Sp. 
735  f.)  gegeben  habe,  aber  der  Verfasser  der  Vita  habe  diese  Ubri  lintei  gewiss  nicht 
eingesehen.  —  Dass  übrigens  für  die  antike  Historiographie  an  sieh  Tagebücher  (auch 
von  untergeordneten  Personen)  als  Quellen  sehr  wohl  in  Betracht  konunen  konnten, 
zeigt  Lucian,  de  liist.  coiisci:  16.  (Vgl.  Ranke,  Weltfie^chichfem.  2'"-2(1883)  S.  .347  f. 
—  und  ausserdem  Seeck,  Zur  Chronologie  und  Qnellcnhritilc  des  Ammianus  Marcel- 
limis,  Hermes  41  (1906)  S.  483  A.  2,  auch  S.  516.  532). 

1)  Freilich  spricht  Groag  von  einem  „Exzerpt  aus  einer  griechischen  (^tiiclk'  dio- 
kletianischer Zeit",  da  er  aber  über  die  Zeit  des  Vop.  nur  die  Angaben  der  c.  A.  refe- 
riert, ohne  selbst  ausdrücklich  Stellung  zu  nehmen  (Sp.  1348  {.).  so  setzt  er  ihn  wohl 
in  den  Anfang  des  4.  Jahrhunderts  und  kommt  dadurch  auf  die  diokletianische  Zeit. 
Nach  Dannhäuser  zieht  Vop.  eine  zeitgenössische  griechische  Quelle,  vielleicht  die 
gleiche,  die  auch  Zosimos  mittelbar  oder  unmittelbar  benutzt  habe,  heran. 

2)  Vgl.  H.  Peter,  Die  gesell.  Litt.  11,  S.  168.  der  im  besonderen  von  Zosimos  spricht; 
aber  das  gilt  wohl  auch  im  allgemeinen. 

13 


Vopisnis  1111(1  (l/r  B/of/rap/i/e  des  Kii/scrs   'J'ftc/fiis.  191 

Wie  seinerzeit  Enniaiin  die  liiteinisclic  Tradition  über  die  Geschichte 
iler  römischen  Kaiser  bis  284  (bezw.  3")7)  auf  eine  Hauptquelle  zuriick- 
t'üliren  konnte,  so  wurde  neuerdings  ein  ganz  älinlicher  Vorsuch  von 
F.  Gräbner,  Eine  Zosimosqiielle.  Bii.~.  ZcHsclr.  XIV.  (1905)  S.  87  ft".,  ge- 
wagt, der  seinerseits  eine  wichtige  griecliische  Quelle  aufdecken  zu  können 
iioffte.  Unter  der  ,,  Zosimosquelle"  versteht  nämlich  Gräbner  einen  grie- 
chisch schreibenden  Anonymus,  dessen  Werk  mit  der  Erhebung  Diokle- 
tians schloss  (a.  a.  0.  S.  111)').  Zunächst  sucht  er  diese  Quelle,  bezw. 
„einen  ihrer  Ausflüsse"  bei  Zosimos.  Zonaras.  Kedrenos.  Synkellos.  Eu- 
trop,  der  Epitouie,  Pollio  und  —  was  uns  besonders  angelit  —  bei  Vo- 
piscus  nachzuweisen.  Die  Epitonic  des  Ps.-Aur.  Vict.  hatte  ihm  für  dieses 
Ergebnis  als  „Wegweiser"  gedient  (S.  89).  weil  er  glaubte,  dass  dje  Ej)i- 
fome  des  öfteren  gegen  die  „Kaisergeschichte'S  also  gegen  die  gemein- 
same Quelle  von  Aur.  Vict.  und  Eutrop,  sich  zu  Zosimos  stelle.  Aber 
auch  Eutrop  weiche  manchmal  von  Aurelius  Victor,  also  von  der  „Kaiser- 
geschichte", ab.  und  stimme  dafür  zu  den  Angaben  der  Epilome.  Auf 
diese  Behauptung  ist  nachher  besonders  einzugehen.  Selbst  die  „Kaiser- 
geschichte" soll  ihrerseits  liereits  auf  der  „  Zosimosc[uelle "  fussen  (S.  112). 
In  ein  indirektes  Verhältnis  zur  „Zosimosquelle"  wird  Eunap  gebracht, 
den  seinerseits  Zosimos  im  ersten  Buch  nur  an  zwei  Stellen  für  Exkurse, 
im  zweiten  aber  als  Hauptquelle  benutzt  habe  (S.  118).  Eunap  soll  näm- 
lich nach  Gräbner  auf  Aur.  Vict.  und  Eutrop  zurückgehen.  Diese  beiden 
aber  hätten  teils  indirekt,  teils  direkt  aus  der  „  Zosimoscjuelle "  geschöpft, 
indirekt  offenbar  durch  das  Medium  der  .  Kaisergeschichte".  Die  weiteren 
Ausführungen  Gräbners  über  Dexippos.  dessen  Chnmika  und  Skijfhika  der 
Anonymus  exzerpiert  habe,  und  über  .Zusimos  und  InJius  Cfqntol/mts' 
kommen  für  unsere  Zwecke  nicht  in  Betracht.  Dagegen  interessiert  uns 
die  Behauptung,  dass  die  „Kaisergeschichte"  nach  dem  Ende  der  Chro- 
iiihti  des  Dexipp  den  Anonymus  als  Hauptquelle  benutzte  (S.  1-53). 

Zusammenfassend  stellt  Gräbner  u.  a.  folgende  Quellenverhältnisse 
auf  (vS.  14-0  ff.):  die  Uebereinstimmungen  von  Aur.  Vict.  und  Eutrop  seien 
—  gewiss  richtig  -  auf  Enmanns  _  Kaisergeschichte "  zurückzuführen ; 
ebenso  erklären  sich  die  Beziehungen  zwischen  Eutrop -Victor  und  Vopis- 
cus  aus  deren  Benutzung,  wie  das  ebenfalls  schon  von  Enmann  erkannt 
wurde.  Wenn  aber  Gräbner  (S.  146)  aus  dem  Vergleich  zwischen  Aur. 
Vict.  Caes.  34  und  Epitomc  34  „nur  auf  unmittelbare  Benutzung  der 
Schrift  De  Caesaribiis  durch  den  Verfasser  der  Epitome"  schliessen  zu 
können  glaubte,  so  habe  ich  darauf  unten  einzugehen.  Was  das  Verhält- 
nis zwischen  Eutroj^  und  der  Epifomc  betrifft,  so  soll  „ihre  nähere  Ver- 
wandtschaft auf  die  ..Zosimosquelle"  zurückgehen".  Diese  sei  aber  nicht 
selbst  benutzt,  wohl  aber    „eine  lateinische  Epitome    der  Zosimosquelle". 

1)  Also  ähnlich  wie  die  Eiimaimsche  .Kaisei-CTesehichte''  in  ihrer  nrspriiiiglichen 
Fassnng. 

14 


192  Jü-nsf  Hohl. 

So  dankenswert  an  sich  der  Versuch  Grähners  erscheint,  einmal  eine 
griechische  Quelle  statt  an  die  Peripherie  in  das  Zentrum  der  Betrachtiino- 
zu  stellen,  so  wird  doch  die  Foi-schung  speziell  für  Vopiscus  kaum  blei- 
benden Gewinn  daraus  ziehen  können.  Ueberhaupt  steht  Gräbner  der  H.  A. 
mit  viel  zu  viel  Optimismus  gegenüber.  So  liält  er  den  Vopiscus  gar  für 
den  „zuverlässigsten"  der  S.  h.  A.  (S.  142).  Er  stellt  sicli  offenbar  für 
die  H.  A.  ganz  auf  den  Standpunkt  Peters,  ist  doch  auch  für  ihn  Capito- 
linus  der  Schlussredakleur  (S.  124;  129).  Vopiscus  schreibt  nach  seiner 
Ansicht  unter  Diokletian  (S.  112)  und  wenn  dieser  seinem  Grossvater  die 
Erzählung  von  der  Ermordung  des  Aper  verdanken  will,  so  scheint  er 
auch  hiefür  bei  Gräbner  Glauben  zu  finden  (S.  112,  Anm.  1),  obgleich 
schon  Peter  (Die  S.  h.  A.  S.  238)  für  diesen  und  ähnliche  Züge  im  An- 
schluss  an  Klebs  und  Wölfflin  die  ^imitatio"  des  Sueton  hervorgehoben 
hat.  Auch  hält  Gräbner  es  für  „sehr  möglich",  dass  dieser  Bericht  des 
Vopiscus  Quelle  für  den  zweiten  Teil  der  „  Kaisergeschichte "  geworden  wäre. 
Ueber  die  Ephenieriden  des  Aurelian  als  Quelle  des  Vopiscus  s.  o.  S.  189, 
Anm.  7.  -  Was  das  Verhältnis  der  „Zosimosquelle"  zur  ,, Kaisergeschichte  " 
betrifft,  so  wird  man  sich  fragen  müssen,  ob  nicht  das  der  Auffassung 
Gräbners  entgegengesetzte  Verhältnis  eingetreten  sein  kann,  dass  nämlich 
Gut  aus  der  ., Kaisergeschichte"  Aufnahme  in  die  Zosimosquelle  fand.  Chro- 
nologisch möglich  wäre  diese  Umkehrung:  ist  es  doch  auffallend  genug, 
dass  Gräbner  die  „ZosimosqueUe"  eben  da  enden  lässt.  wo  auch  die  En- 
mannsche  „Kaisergeschichte"  aufhört.  Dass  der  Verfasser  der  letzteren 
vielleicht  auch  griechische  Historiker  eingesehen  habe,  deutete  übrigens 
Enmann  selbst  an  (a.  a.  0.  S.  443). 

Aber  auch  Gräbners  Stellung  zur  JEpitome  scheint  mir  nicht  gerecht- 
fertigt zu  sein.  Ich  behandle  also  zunächst  in  engem  Anschluss  an  das 
erste  Kapitel  Gräbners  das  von  ihm  behauptete  Verhältnis  der  Epitome 
zur  „Zosimosquelle".  Sollte  es  gelingen,  die  Epitome  aus  dieser  Verbin- 
dung zu  lösen,  dafür  aber  ihre  Verwandtschaft  mit  der  .  Kaisergeschichte " 
zu  erweisen,  so  Hesse  sich  damit  über  Enmann,  der  die  Epitome  noch  iso- 
lieren musste,  hinauskommen  und  man  dürfte  von  ihr  weitere  Aufschlüsse 
über  das  Wesen  der  „  Kaisergeschichte ",  ab  und  zu  auch  Material  zu  deren 
liestituierung  erwarten. 

I.  Beiträge  zur  Restituiernng  der  Enmaiurscheii  „Kaisergeschiclite'". 

1 .  Zur  Quellenkritik. 

Nach  Gräbner  hätte  Vopiscus  direkt  aus  der  griechischen  Quelle,  die 
er  die  „Zosimosquelle"  nennt  und  die  mit  Diokletians  Erhebung  geendet 
hätte,  geschöpft,  dagegen  sollen  Eutrop  und  Ps.-Aur.  Vict.  auf  eine  la- 
teinische Epitome  eben  dieser  griechischen  Quelle  zurückgehen.  Diese 
Konstruktion    Gräbners    kann    nicht    unwidersprochen    bleiben.     Wenn  er 

15 


VoiMSCHS  i(»(l  die  liidfiraphic  des  Kaisers  Tdc/fus.  193 

S.  147  sagt:  „Beitle  (Eutrop  und  Epitome)  stimmen  aber  häufig  aucli  in 
ganz  kurzen  Notizen  so  wörtlich  überein,  ^vie  es  weder  bei  selbständiger 
Uebersetzung  aus  dem  Griechischen,  noch  bei  selbständigen  Exzerpten  aus 
einer  weit  umfangreicheren  Quelle  denkbar  erscheint",  so  wird  man  ihm  darin 
völlig  zustimmen  können.  Aber  wir  verlieren  uns  ins  Uferlose,  wenn  wir  uns 
auf  Grund  dieses  Verhältnisses  zur  Annahme  einer  „lateinischen  Epitome 
der  Zosimosquelle"  drängen  lassen,  solange  nicht  alle  anderen  Erklärungen 
sich  als  unmöglich  erwiesen  haben.  Man  muss  doch  die  Eigentümlichkeit 
der  Epitome  bedenken,  die  darin  besteht,  dass  sie  sich  in  den  ersten  elf 
Kapiteln  eng  an  Aur.  Viet.  anschliesst,  ihn  aber  manchmal  aus  dessen 
eigener  Quelle,  dem  sog.  ,Suetonius  auctus"  oder  vielmehr  der  ,  Kaiserge- 
schichte" erweitert,  dann  jedoch  einen  neuen  Anlauf  zur  Benutzung  eines 
ausführlicheren  Werkes  nimmt,  um  sich  des  weitei-en  von  cap.  15  bezw. 
24 — 38  an  der  Führung  Eutrops  anzuvertrauen  (vgl.  Enmann,  a.  a.  0. 
S.  404,  H.  Peter.  Die  f/csrl,.  Lift.  IL  S.  152  ff..  S.  360  ff.).  Nun  geht  aber 
die  Epitome  über  Eutrop  ebenso  hinaus,  wie  sie  zu  Anfang  über  Aur. 
Viet.  hinausging,  und  zwar  gerade  in  Details,  die  wir  an  sich  gewiss 
nicht  in  der  „lateinischen  Epitome  der  Zosimosquelle"  suchen  wür- 
den. Man  sieht,  auf  diese  Weise  gewinnen  wir  garnichts.  Denn  weit 
entfernt,  die  Zusätze,  die  bei  Eutrop  fehlen,  auf  die  lateinische  Epitome 
der  Zosimoscjuelle  zurückführen  zu  können,  würden  wir  uns  für  diese  nach 
einer  weiteren  Quelle  umsehen  müssen  und  dem  sog.  Epitomator  des  Aur. 
Viet.  eine  ziemlich  umfangreiche  Mosaikarbeit  zumuten,  die  zu  seiner  in 
den  Anfangsbiographien  beobachteten  Eigenart  durchaus  nicht  stimmen 
will  (s.  o.  S.  187).  Zudem  müssten  bei  der  Gi-äbner'schen  Vermutung  Eu- 
trop sowohl,  als  der  Epitomator  ihre  Quelle  in  sklavischer  Weise  vielfach 
ganz  wörtlich  abgeschrieben  haben,  weil  sonst  die  üebereinstimmung  un- 
erklärlich bliebe. 

Nachdem  man  aber  aus  dem  Verhältnis  der  Epitome  zu  Aur.  Viet. 
und  Sueton  in  ihren  ersten  elf  Kapiteln  die  Art  des  Epitomators,  der 
seinerseits  vor  wörtlichen  Herübernahmen  sich  durchaus  nicht  scheut,  kennen 
gelernt  hatte,  war  es  doch  gewiss  das  Natürlichste,  die  Uebereinstimmungen 
zwischen  Eutrop  und  Epitome  daraus  zu  erklären,  dass  die  Epitome  diesen 
ausschrieb  ^).  Das  ist  auch  längst  (z.  B.  von  Mommsen)  geschehen.  Und 
während  wir  den  Eutrop.  wo  wir  ihn  kontrollieren  können,  nie  in  skla- 
vischer Abhängigkeit  von  seiner  Quelle  sehen,  wenn  er  auch  die  Selb- 
ständigkeit des  Aur,  Viet.  nicht  erreicht,  können  wir  ihm  diese  Unab- 
hängigkeit auch  fernerhin  wahren  und  müssen  nur  bei  der  Epitome  auf 
eine  Annahme  verzichten,  zu  der  wir  nach  den  Erfahrungen  der  ersten 
Kapitel  auch  garnicht  berechtigt  waren. 

1)  Gemeinsame  Quelle  für  Eutrop  und  die  Epitome  hatte  Klebs,  Rhein.  Mus. 
4ö,  S.  460  behauptet,  ohne  den  Beweis  dafür  anzutreten.  Tgl.  Dessau,  Hermes  27, 
S.  -563,  Anm.  1. 

Kli  o,  Beiträge  zur  alten  Geschichte  XI  2.  13 

16 


194  £niä  Hohl, 

Wenn  ich  der  besseren  Uebersicht  liulber  das  Ergebnis  vorwegnehmen 
darf,  so  denke  ich  mir  das  Verhältnis  folgendermassen :  der  Epitoniator 
hält  sich  —  und  zwar  beschränke  ich  mich  für  diese  Aufstellung  ent- 
sprechend Gräbner  auf  cap.  24 — 38  der  Epitome  —  in  der  Absicht,  selbst 
einen  Geschichtsabriss  zu  bieten,  an  Eutrops  Breviarium.  Da  er  aber  doch 
etwas  mehr  tun  will,  als  bloss  abschreiben,  so  greift  er  zur  Ergänzung 
noch  nach  der  ,  Kaisergeschichte ",  die  ja  ihrerseits  Quelle  auch  für  Eu- 
trop  gewesen  war.  Der  Epitomator  versieht  also  gewissermassen  sein 
Exemplar  des  Eutrop  mit  Zusätzen  aus  dessen  Quelle,  der  .,Kaiserge- 
schichte".  und  gibt  danach  sein  Buch  heraus. 

Vielleicht  mutet  diese  Auffassung  etwas  befremdlicli  an.  Sie  ist  aber 
zum  mindesten  einfacher  als  die  Annahme  der  „lateinischen  Epitome  der 
Zosimosquelle  "^  von  Gräbner.  und  es  ist  ein  ökonomischer  Grundsatz  der 
Wissenschaft,  dass  man  sich  mit  der  einfachsten  Erklärung  begnügt,  so 
lange  es  irgend  geht. 

Ich  werde  nun  im  folgenden  die  Stellen  prüfen  müssen,  die  Gräbner 
zu  seiner  Annahme  verleitet  haben,  wobei  ich  mich  an  den  Gang  seiner 
Arbeit  anschliesse.  Auf  S.  89  geht  Gräbner  von  der  Epitome  aus,  die 
sich  .als  Wegweiser  biete,  um  die  Untersuchung  auf  eine  breitere  Basis 
zu  stellen".  Er  hebt  zunächst  die  Angaben  heraus,  durch  die  sich  die 
Epitome  von  der  gemeinsamen  Vorlage  Eutrops  und  Victors,  also  der 
„Kaisergeschichte",  unterscheidet.  Eutrop  und  die  Caesares  kennen  nur 
zwei  Gordiane,  die  Epitome  drei,  ebenso  wie  Zosimos  und  die  verwandten 
Quellen.  Schon  vorher  gebe  der  Epitomator  allein  von  den  dreien  die 
Zosimos  und  Zonaras  gemeinsame  (von  Herodian  stammende)  Begründung 
des  Hasses  gegen  Maximin:  Is  dum  persequitio-  pecimiosos,  insontes  pariter 
noxiosqite.  Zosimos  I  13,3:  f/c  (fövovc,  äy.QiTOvg  ix(ÖQet  XQ^iudrcoi'  im- 
^vfüa  zeige  die  wörtliche  Uebereinstimmung.  Zum  letzteren  Punkt  möchte 
ich  die  ganz  äbnliche  Stelle  Epitome  2,  9  notieren:  cum  insontes  noxios 
suos  pariter  exteruosque  pimiret  usw.,  eine  Ausdrucksweise,  welche  die 
Epiiome  dem  Aur.  Vict.  2,  1  entnommen  hat.  Man  sieht  daraus,  dass 
der  sprachliche  Ausdruck  sehr  wohl  auf  dem  Boden  der  „Kaisergeschichte" 
denkbar  ist.  Bei  der  viel  beanstandeten  Tatsache  aber,  dass  Victor  und 
Eutrop  der  Irrtum  unterlief,  einen  der  drei  Gordiane  einfach  unterschlagen 
zu  haben,  darf  man  doch  nicht  übersehen,  dass  die  beiden  Verfasser  von 
Breviarien  sind.  Ich  halte  es  für  ganz  ausgeschlossen,  dass  schon  die 
lateinische  ..Kaisergeschichte ",  die  gemeinsame  Quelle  von  Victor  und 
Eutrop,  diesen  Fehler  begangen  haben  soll').  Die  Polemik,  die  wegen 
dieses  Fehlgriffs  in  der  v.  Gd.  gegen  die  (piidum  inperiii  scriptores  ge- 
führt wird,    scheint    sich    mir   trotz  Mommsens  Einspruch    gerade    gegen 


1)  Auf  die  ,Kaisergescliichte~  hat  nach  Emiiaun  auch  H.  Peter,  Die  geseh.  Litt. 
I,  S.  106  den  Fehler  zurückgeführt ;  vgl.  übrigens  ]^Iommsen,  Hermes  2-5,  S.  269  = 
Ges.  Sehr.  VII  S.  :340  f 

17 


Vopiscils  iiiiil  dir  li'niiifoiiliic  des  Kaisers  Tacitiis.  195 

Victor  und  Enliui)  zu  licliteii.  wie  das  Dessau  {Hermes  24,  S.  372  f.)  be- 
liauptet  hat').  Denn  es  ist  ducli  zu  bedenken,  dass  Aer  (J/ironograph  vom 
J.  3Ö4,  der  also  abgeschlossen  vorlag,  ehe  Victor  und  Eutrop  ihre  Bre- 
viarien  schrieben,  drei  Gordiane  kennt  (s.  Mommsen,  Clirumca  minora  I. 
Berol.  1892  in  den  Monumenta  Germaniae,  seript.  antiquiss.  t.  IX.  S.  147, 
Z.  28:  Duo  Gordiaiii  iniprr.  dies  XX.  excesscrunt  Africne.  Z.  30/1  Gor- 
dianus  imper.  anii.  V.  m.  ]'.  d.  V.  cong.  dedit  X  CCCL.  hoc.  imp.  mtüa 
liomincm  comedit.  ayonem.  M/iierriae  mstituit.  excessit  finibus  Paiiiae-) 
(auch  der  laterculus  des  Polemius  Silvius,  ebenda  S.  521,  bringt  Nr.  34 
Stib  quo  dno  Gordiani  in  Afrim  fgranni  fueruut.  Nr.  36  Goydianus  occi- 
siis).  Dass  die  Epitome  einer  lateinischen  Quelle  folgt,  geht  zur  Genüge 
daraus  hervor,  dass  sie  cap.  26  den  Namen  Pupienus  und  nicht  mit  den 
Griechen  den  Namen  Maximus  wählt.  Der  Bericht  des  Victor  ist  ziem- 
lich ausführlich,  wir  erfahren  den  volleren  Namen  Antonius  Gordianus  und 
lernen  den  Ort  der  Erhebung  {apxul  Thiisdri'^)  oppidum)\iL'r\nen  {('(ics.'K). 
1).  Freilich  ist  der  zum  Mitregenten  erhobene  Sohn  ausgefallen  imd  an 
seiner  Stelle  der  dritte  Gordian  (27,  1)  zum  Sohn  statt  zum  Enkel  ge- 
macht worden. 

Wenn  man  bedenkt,  dass  der  ChroiKignip/i  zuerst  d/to  Gordiani  zu- 
sammen nennt  und  dann  nachher  ohne  weitere  Erlclilrung  wieder  einen 
Gordianus,  also  den  dritten,  anführt,  so  lässt  sich  vielleicht  begreifen,  wie 
ein  flüchtig  arbeitender  Schriftsteller,  durch  die  Tatsache  der  duo  Gordiani 
verleitet,  die  Existenz  des  dritten  überhaupt  ignorieren  konnte.  Bei  Eu- 
trop IX  2,  1  ist  der  Satz  sehr  zusammengedrängt;  Postea  tres  simul 
Auyusti  ftierunt,  Pupienus,  Balbinus,  Gordianus,  duo  superiores  obscuris- 
simo  genere,  Gordianus  nobilis,  quippe  cuius  pater,  senior  Gordianus,  eon- 
sensu  militum,  cum  proconsulatum  Africae  gereret,  Maxiniino  imperante 
princeps  fuisset  electus.  Bis  hieher  ist  scheinbar  alles  in  Ordnung:  der 
älteste  Gordian,  Prokonsul  von  Afrika,  und  sein  Sohn  werden  Kaiser.  §  2 
fährt  fort:  Itaque  cum  Romam  venissent,  Balbinus  et  Pupienus  in  Pa- 
latio  interfecti  sunt,  soJi  Gordiuno  imperium  reservatum.  Hier  hat  sich 
schon  der  jüngste  Gordian  unversehens  eingedrängt,  während  Eutrop  erst 
vom  zweiten  zu  reden  scheint.     Bei  der  grossen    Kürze,    die  Eutrop    liier 


1)  Herr  Prof.  Kornemann  weist  mich  darauf  hin,  dass  an  der  betr.  Stelle  [Gd. 
2.1)  Arriano  statt  Hvrodinno  steht!  Ausserdem  spreche  für  späten  Ursprung  der 
Stelle  die  Herleitung  des  Geschlechts  der  Gordiane  väterlicherseits  von  den  Gracchen  {!). 
mütterlicherseits  von  Traian;  vgl.  zu  solchen  Ahstammungs-  und  Verwandtschafts- 
konstruktionen Hirschfeld,  Htst.  Zeitschr.  N.  F.  43  S.  4-54  ff.  und  Kornemann,  Klio 
VI,  1906,  S.  176  ff.,  bes.  S.  184.  —  Zu  Romae  (Gd.  2,  3)  vgl.  die  Auseinandersetzung 
von  Kornemann,  Kaiser  Hadrian  S.  10,  s.  auch  Epit.  27, 1  (unten  S.  196). 

2)  Hier  mag  erwähnt  sein,  dass  Seeck,  JVcjie  Jahrhh.  141.  Bd.  S.  619,  Anm,  1.5 
für  c.   Gd.  34,  1  an  Benutzung  des  Chronoyraphen  denkt. 

.3)  Thydri  in  der  Ausgabe  von  Pichlniayr,  München  1892,  s.  S.  27  zu  Z.  26:  Nomen 
verum  est  Thysdrus. 

13  * 
18 


196  Emsf  Hohl. 

anstrebt,  lässt  sich  sein  grobes  Versehen  schliesslich  verstehen.  Es  ist 
ja  schon  schief,  wenn  Gordianus  deshalb  nohilis  heisst,  weü  sein  Vater, 
der  Prokonsul  von  Afrika,  Kaiser  geworden  war.  Der  Gegensatz  zum 
obscurisximum  gemis  des  Pupienus  und  Balbinus  besteht  doch  darin, 
dass  Gordianus  Sohn  (bezw.  Enkel)  eines  Vaters  mit  senatorischem  Range 
war,  wie  das  die  Epitome  27,  1  vom  jüngsten  Gordianus  hervorhebt:  ortns 
Eomae  darinsmo  patre'^).  Dass  freilich  Capitolinus  in  seiner  Biographie 
nach  den  griechischen  Quellen  orientiert  ist,  bestreitet  niemand.  Nur  da- 
gegen verwahre  ich  mich,  dass  der  .  Kaisergeschichte "  trotz  des  Zeug- 
nisses des  Chronograplten,  den  übrigens  Mommsen  {Ahhandhmgen  d.  sächs. 
Ges.  ä.  Wiss.  Bd.  II.  (1850)  S.  600  f.:  s.  auch  Chronica  minora  l.  S.  142) 
für  die  Aufzählung  von  Bauten  durch  Eutrop  benutzt  sein  lässt  ^).  der 
Fehler,  nur  zwei  Gordiane  genannt  zu  haben,  aufgebürdet  wird.  Wenn 
die  Epitome  richtig  die  drei  Gordiane  nennt,  so  glaube  ich  das  aus  der 
Benutzung  der  ,  Kaisergeschichte "  herleiten  zu  können,  verzichte  also  für 
die  Epitome  auf  die  Hilfe  einer  griechischen  Quelle'). 

Wenn  die  Epitome  in  cap.  30  (s.  Gräbner,  a.  a.  0.  S.  91)  den  Hosti- 
lianiis  Perpenna*)  a  senafii  irnj^erafor  crcatus  ausführlicherbringt  als  Eu- 
trop-Victor,  so  ist  es  doch  gewiss  verständlich,  wenn  die  Breviarien  über 
diesen  rasch  hinweggingen,  während  die  ,  Senatskreatur "  vortrefflich  in 
die  senatsfreundliche  „Kaisergeschichte "^  passt.  und  ich  garnicht  zweifle, 
dass  daher  die  genauere  Notiz  der  Epitome  stammt. 

Auf  S.  91 — 92  betont  Gräbner.  dass  Zonai-as  die  Berichte  mehrerer 
Autoren  nebeneinander  anführe.  So  bei  Valerians  Ende;  nach  der  einen 
Nachricht  sei  der  Kaiser  von  Sapor,  dem  Pei'serkönig.  gefangen  imd  bis 
an  sein  Lebensende  in  Knechtschaft  gehalten  worden,  nach  der  andern  sei 
er  selbst  geflohen,  da  seine  in  Edessa  hungernden  Soldaten  sich  zu  em- 
pören drohten.  Eine  dritte  Version  biete  Victor,  diesmal  mit  Kedren: 
auch  bei  ihnen  werde  Valerian  gefangen,  aber  von  Sapor  grausam  getötet. 
Die  Epitome    gehe    wieder  mit  Zonaras  zusammen.     Es  folgt  die  Neben- 

1)  Auf  das  geims  darum  hatte  schon  Sueton  Wert  gelegt.  Vgl.  W.  Weber. 
GöU.  Gel  Am.  170.  Jahrg.  1908,  S.  972,  Anm.  1  in  der  Rezension  von  Otto  Th.  Schulz. 
Das  Kaiserhaus  der  Antonine  (1907). 

2)  Auch  nach  Seeck  bei  F.-  W.  III.  Sp.  2480  ist  der  Chronograph  von  Eutrop  benutzt. 
•3)  Nun    will  ich   gewiss   nicht   behaupten,  Eutrop  habe    den  Aur.  Vict.  benutzt. 

Dafür  gibt  es  ja  nicht  die  geringste  Spur.  Aber  es  ist  doch  immerhin  anzunehmen, 
dass  Eutrop  das  Werk  des  Aur.  Vict.,  der  nur  9  Jahre  vor  ihm  schrieb,  zum  min- 
desten gekannt  hat.  Da  ist  es  wenigstens  eine  Möglichkeit,  dass  Eutrop  gewisse 
Rücksichten  übte  und  nicht  geradezu  gegen  die  Caesares  des  Aur.  Vict.  polemisieren 
wollte. 

4)  S.  Prosopographia  imperii  Bomani  Bd.  111  S.  348  f.  F  Nr.  8 :  C.  A'alens  Hosti- 
lianus  Messius  Quintus.  —  üebrigens  betrifft  das  Plus  nur  den  Namen  Perpenna  — 
aber  gerade  ihn  wird  niemand  aus  einer  griechischen  Quelle  herleiten  wollen.  Die 
Wahl  durch  den  Senat  berichtet  auch  Aur.  Vict..  allerdings  für  Gallus  und  Hosti- 
lianus  (Caes.  30,  1  Gallo  Hostilianoque  Augusta  imperia  (sc.  patres)  decernunt). 

19 


E  II  t  r.  Valcrianiis  in  Mesopofa- 
mia  bellum  (jcrens  a  Supore ,  Per- 
sariim  rege,  siiperatns  est,  mox  etiam 
capfus  apud  Paiihos  ignohili  Servi- 
tute consenuif. 


Vopiscus  HuiJ  <1ir  liiiKjrupliic  des  Kaisers  Tucitus.  197 

einanderstelhing  von  Zonaras  XII  23,  1.  629  D— 6:50  A  (ed.  Dindorf, 
Bd.  III.  (1870)  Ö.  140  f.)  und  Epitomr  3:3.  Icli  setzo  liier  Eutroii  IX  7 
und  Epitome  32,  5  —  6  bei. 

Epit.  Vnlerianus  rero  in  Meso- 
potnmia  hellum  yerens  a  Sapore, 
Pcrsarum  rege,  siiperatus  mox 
etiam  captus,  apud  Parthos  igno- 
hili Servitute  cotisenuit.  Nam  qiiam- 
[  diu  vixit,  rex  eiusdem  provinciae 
inciirvato  eo  pcdem  cervicibus  eins 
I  imponens  equum  conscendere  solitus 
erat. 

S.  94  sagt  Gräbner.  die  Worte  über  die  Gefangenschaft  Valerians 
seien  ,bis  auf  den  Buchstaben  gleich".  Und  in  seiner  Zusammenfassung 
auf  S.  147  führt  er  aus,  dass  die  nähere  Verwandtschaft  zwischen  Eutrop 
und  der  Epitome  auf  die  „  Zosimosquelle"  zurückgehe.  „  Da  aber  die -E^i- 
tome  in  manchen  Fällen  —  ich  erinnere  an  das  Ende  des  Decius  und  an 
Hostilian  —  die  Vorlage  genauer  wiedei-gibt  als  Eutrop,  an  anderen  Stellen, 
wie  bei  Tacitus  und  Florian^),  Fehler  macht,  die  ihr  Verfasser  nicht  von 
Eutrop  abschreiben  konnte,  so  ist  in  ihr  nicht  Eutrop,  sondern  eine  mit 
ihm  gemeinsame  Vorlage  benutzt.  Beide  stimmen  aber  häufig  auch  in  ganz 
kurzen  Notizen  so  wörtlich  überein,  wie  es  weder  bei  selbständiger  Ueber- 
setzung  aus  dem  Griechischen,  nocli  bei  selbständigen  Exzerpten  aus  einer 
weit  umfangreicheren  Quelle  denkbar  erscheint.  Daraus  ergibt  sich  als 
Postulat,  dass  beide  nicht  die  .,  Zosimosquelle"  selbst,  sondern  eine  latei- 
nische Epitome  daraus  benutzten.  ..." 

Nun  ist  es  aber  mit  dem  „Postulat  einer  lateinischen  Epitome  der 
Zosimosquelle"  eine  eigentümliche  Sache  (s.  o.  S.  192  f.).  Weit  entfernt, 
die  Schwierigkeiten  zu  lösen,  verschiebt  diese  Annahme  sie  nur  um  eine 
Instanz  zurück.  Einmal  sind  wir  gezwungen,  wie  bereits  angedeutet,  auch 
dem  Eutrop  sklavische  Abhängigkeit  von  dieser  Quelle  zuzumuten,  und 
dann  ist  es  sehr  schwer,  eine  Vorstellung  von  dieser  „lateinischen  Ej)itome 
der  Zosimosquelle"  zu  gewinnen.  Denn  diese  müsste  dann  doch  die  grie- 
chischen Spuren  sehr  stark  verwischt  haben ;  oder  glaubt  jemand,  Hosti- 
lianus  Perpenna  habe  in  dieser  Form  in  einer  ursprünglich  griechischen 
Quelle  gestanden?  Der  Verfasser  der  „lateinischen  Epitome  der  Zosimos- 
quelle" müsste  also  selbst  wieder  quelleumässig  gearbeitet  haben,  um  seiner 
Epitome  wirklich  ein  lateinisches  Aussehen  zu  verleihen.  Ganz  rätselhaft 
und  wie  ein  unheimliches  Spiel  des  Zufalls  erscheinen  jene  plötzlichen 
starken  Uebereinstimmungen    zwischen    Eutrop    und   der  Epitome,    da  ja 

1)  Tatsächlich  befindet  sich  ja  hiefür  die  Epitome  garnicht  in  Widerspruch  zu 
Eutrop,  da  dieser  die  Todesarten  und  den  Ort  verschweigt!  (s.  u.  S.  201  u.  im  Abschn. 
U  zu  Tue.  13,5). 

20 


198 


En/.sf  Hohl. 


Gräbner  selbst  auf  S.  14()  dem  Eutrop  die  „Kaisergeschichte"  zugrunde 
liegen  lässt,  es  also  wirklich  sehr  wunderbar  ist,  wenn  er  auf  einmal  durch 
die  Benutzung  der  „lateinischen  Epitome  der  Zosimosquelle"  in  engste  Be- 
rührung mit  dem  Ps.-Aur.  Vict.  tritt. 

Prüfen  wir  demgegenüber  vorurteilsfrei  die  oben  zusanuuengestellten 
Sätze  des  Eutrop  und  der  Epitonie,  so  ist  es  klar,  dass  die  Epitome  ein- 
fach wörtlich  den  Eutrop  abgeschrieben  hat.  Selbst  der  Wechsel  Persa- 
rmn-Parfhos  kehrt  beidemal  genau  gleich  wieder').  Aber  die  Epitome 
hat  sich  dabei  nicht  beruhigt.  Sie  interessierte  sich  für  das  weitere  Schick- 
sal des  Valerian.  suchte  gewissermassen  nach  dem  Grund,  warum  denn  die 
servitiis  „ignohUis''  genannt  werden  konnte  und  fand  ihn  in  der  Quelle  Eu- 
trops,  eben  der  „  Kaisergeschichte "-).  Nun  hat  schon  Th.  Opitz  {Qnnc- 
stiones  de  Sex.  Äiirelio  Victore,  acta  societatis  pJiilologae  Lips.  (1874)  II  2. 
S.  247)  zur  jE)«Yo)«e-SteIle  Lactant.  (!<■  moiit.  persecidorum  5  und  Orosius 
aäc.  pcuf.  VII  22  beigezogen. 

L  a  c  t.  5,  2  (im  Corpus  Script,  eccl.  0  r  o  s.  YII  22,  4:  Valeriamis  ilico 
Lat.  XXVII  2  edd.  S.  Brandt  et  G.  ncfarii  atictor  eclicti,  a  Sapore  Per- 
Laubmann,  Wien  1897.  S.  178  Z.  santni  rege  captus,  imperator  poptdi 
1 7  ff.)  ...  cixitque  in  serrittde  tur-  i  Romnni  ignominiosissima  apud  Persas 
inssime.  3  Nam  rex  Persariim  Sa-  \  serväute  consenuit,  hoc  infamis  offi- 
por,  is  qui  eitm  ceperat,  si  quando  li-  cii  continna.  donec  vixii,  damnatione 
biierat  aut  reJdculum  ascendere  ant  soiitiis,  ut  ipse  adclinis  Jmmi  regem 
equum.  inclinare  sihi  Momanuni  iiibe-  semper asceiisurum  inequHm,nonmanu 
hat  ac  terga  praehere  et  iittposito  pede  sua,  sed  dorso  attoUeret.  —  (s.  dazu 
super  dorsum  eins  illud  esse  verum  Zangemeister  in  seiner  Ausg.  (1882) 
dicebat  exprohrans  ei  cum  risu,  non  S.  481 :  auctores:§4  „Vcdcrianus 
quod  in  tahuJis  aut parietihus Pomcini  — cmtsenuit' 'Kiex.  22  74  (Eutr.  9. 
jnngerent.  i  ita  iUe  dignissime  trium-  7).  //  donec  vixit  sqq.]  ignotus  (cf. 
phatus  (diquamdiu  vixit,  ut  diu  bar-  De  m ortt.  p  e r  s e c.  5  et  A u  r. 
haris  Bomanum  nomen  ludibrio  ac!  Vi  ct.  Ep  it. '?,%&)*. 
derisui  esset.     5  etiam   hoc  ei  acces-  Au r.  Vict.  32,  5:  .  .  .  Persarum  re- 


sit  ad  poenam,  (juod  cmn  filium  ha- 
beret  imperatorem,  captivitatis  suae 
tarnen  ac  servitutis  extremae  non  in- 
venit  ttüorem  nee  omnino  repetitus  est. 
6  postea  vero  quam  pudendam  vitam 
in  illo  dedecore  finivit,  derepta  est  ei 
cutis  et  exuta  visceribus  pellis  infeda 


gis,  cid  nomen  Sapor  erat,   dolo   cir- 
etimventus  foede  la)iiatus  interiit. 


*  In  der  Ausg.  {Corpus  scri2it.  ecch  Lnt. 
V)  steht  fälschlich  30,  6. 


1)  Dannhäuser  a.  a.  O.  S.  69  zieht  aus  dem  Wechsel  des  Ausdrucks  Persae  — 
Parthi  in  der  r.  Pr.  Schlüsse  auf  verschiedene  Herkunft.  Dass  hiebei  Vorsicht  ge- 
boten ist,  zeigt  unsere  einheitliche  Fassung  bei  Eutrop  und  der  Epitome. 

2)  Der  Ausdruck  consenescere  kann  ihr  gehört  haben.  Er  steht  ebenfalls  in 
Beziehung  auf  Valerian  auch   VaJ.  4,  2  und  T  12,  1. 


21 


Vop/.srii.i  und  die  Ji/oi/niii/uc  des   Kaisers  Tricitus.  199 

nihm  cilinr,  iit  in  trntplo  harhurorum  1 
drornni  nd  nninoriiun  rhtrissimi  frium- 
phi  pinnafnr  etc.  ')• 

Tli.  von  Mörner.  üe  Orosii  rita  r/nsqnr  hidoriarnm  libris  Septem  ad- 
rersns  ixu/dinis,  Berl.  1844,  den  schon  Opitz,  a.  a.  0.  Anm.  69,  zitierte, 
sagt  S.  64  Anm.  42:  „De  Valeriani  .sorte  a  Nostro  ampliatus  Eusebius 
per  Laetant.  de  inorff.  pers.  5  probatur,  quem  Orosio  notum  fuisse  cvedi- 
liile  quidem,  sed  vix  demonstrabile. "  Gewiss  wird  man  die  Möglichkeit 
zugeben  müssen,  dass  Orosius  für  seine  übrigens  weniger  eingehende  Schikle- 
rung  den  Lactanz  benutzte  oder  sich  wenigstens  an  dessen  Darstellung  er- 
innerte. Xach  Erwin  Preuschen  in  der  Becdennjklopädic  für  prot.  Theol. 
nnd  KinJic  1902  Bd.  XI  =*  S.  208  ist  die  Schrift  Dr  niorfihns  persecnfontni 
mit  Bestimmtheit  vor  Ausbruch  der  licinianisclien  Verfolgung,  also  vor 
321  geschrieben,  ob  nun  Lactanz  der  Verfasser  ist  oder  nicht '^).  Sie  kann 
frühestens  317  geschrieben  sein.  Man  wird  sich  daher  mit  dem  Spielraum 
317 — 320  begnügen  müssen  (8.  209).  Nun  hat  neuerdings  H.  Peter,  Znr 
Tcxfficsrhichtc  der  S.  h.  A..  Anh.  f.  hd.  Lex.  XV.  (1908)  S.  23  ff.,  zu  E. 
Patzig  Stellung  genommmen.  der  in  der  Bijz.  Zeitschi:  XIII.  S.  44 — 50 
unter  anderem  ein  von  Peter  in  seiner  Ausgabe  verworfenes  Stück  der 
r.  Val.  als  echt  zu  erweisen  suchte.  In  der  Behandlung  der  Frage  S.  27  f. 
scheidet  Peter  zwischen  heidnischer  und  christlicher  Ueberlieferung^).  Ich 
weiss  nicht,  ob  diese  Scheidung  notwendig  ist.  Für  uns  ist  jedenfalls  die 
Erzählung  des  Lactanz  die  älteste.  Dass  es  zu  seiner  Tendenz  gut  passen 
nuisste,  wenn  er  die  ., Verhöhnung  des  lebenden  imd  die  Schändung  des 
toten  Christenverfolgers  ausmalen"  konnte,  versteht  sich  von  selbst.  Aber 
es  ist  sehr  zweifelhaft,  ob  er  selbständig  neue  Züge  hinzu  erfunden  hat. 
Es  handelt  sieh  ja  jetzt  für  uns  nicht  darum,  festzustellen,  welches  Schick- 
sal tatsächlich  der  unglückliche  Valerian  erduldet  hat  —  das  wird  sich 
auch  kaum  ermitteln  lassen.  Wir  fragen  vielmehr  nur  danach,  wie  sich 
sein  Schicksal  in  den  Quellen  spiegelte.  Wir  sehen  beim  Tod  Aurelians 
den  Lactanz  gar  keine  Aenderung  an  der  Ueberlieferung  vornehmen,  erst 
bei  Orosius  {(idr.  pag.  VIT  23,  6;  27,  12)  vävA  der  Blitz  eingeführt,  der 
wie  eine  göttliche  Warnung  neben  ihm  in  die  Erde  fuhr,  als  er  eine  Chri- 
stenverfolgung plante.  Nun  sind  aber  die  Elemente  der  Erzählung  des 
Lactanz  sämtlich  auch  in  unserer  sonstigen  Ueberlieferung  vorhanden.    Es 


1)  Aus  Lactanz  hat  der  Verfasser  der  Oratio  CoHStanlini  ad  sanctum  coetitm  24.2 
geschöpft  (s.  die  Anm.  in  der  oben  genannten  Aiisij.  des  Lact,  und  Ivar  A.  Heikel 
bei  Eusebius  Bd.  I  ihsg.  roii  der  Kirchenräterkommissioti  der  preiiss.  Akademie  Leipz. 
1902)  Einl.  S.  XCIV.  Nach  Heikel  a.  a.  0.  S.  Cü  wäre  die  Rede  übrigens  erst  nach 
der  ersten  Hälfte  des  b.  Jahrhunderts  entstanden. 

2)  Preuschen  ist  wohl  mit  Recht  geneigt,  gegen  Brandt  Lactanz  als  Verfasser 
anzunehmen.  Wir  haben  also  auf  alle  Fälle  ein  Zeugnis,  mag  man  es  werten  wie 
man  will,  das  nur  durch  knapp  60  .Jahre  von  dem  Ereignis  getrennt  war. 

3)  Die  Stelle  bei  Orosius  beachtet  Peter  nicht. 

22 


200  Jwist  Hohl, 

bedurfte  auch  garnicht  des  cli ristlichen  Hasses,  um  Valeriau  unglücklich 
und  in  tiefster  Erniedrigung  zu  zeigen.  Die  Abneigung  gegen  Gallienu.s. 
seinen  Sohn,  genügte  vollständig.  Je  tiefer  der  Vater  gedeniütigt  wurde, 
umso  vernichtender  fiel  das  Urteil  über  den  Sohn  aus,  der  nichts  zu  seiner 
Befreiung  unternahm.  Ich  bin  nun  der  Ansicht,  dass  die  „Kaisergeschichte", 
auf  die  ich  die  Notiz  der  Epitome,  wonach  Valerian  als  Steigbügel  für 
den  Perserkönig  hätte  dienen  müssen,  zurückführe,  in  der  Tat  das  Los 
des  Valerian  trostlos  genug  geschildert  hat.  Nach  der  Darstellung  des 
Lactanz  wird  Valerian  erstens  gefangen,  zweitens  dient  er  dem  Perser- 
könig während  seiner  schmählichen  Gefangenschaft  als  Steigbügel  bezw. 
Trittbrett  und  zwar  lange  (§  4  diu)  und  drittens  wird  er  schliesslich  nach 
seinem  Tod  geschunden  und  in  wenig  ehrenvoller  Weise  mumifiziert.  Zum 
letzten  Punkt  stellt  sich  passend  das  ..foeilc  lan/atKs"  des  Aur.  Vict.,  dem 
das  iy.öaQeig  ET£?>.Eint](jei'  bei  Leo  Grammaticus,  S.  78  Z.  5  S.  (cd.  Bonn. 
1842,  Bekker),  undKedren.  P  258  D.  S.  454  Z.  3  fi".  (cd.  Bonn.  1838,  Bekk.) 
entspricht  (vgl.  hiezu  C.  de  Boor,  Römische  KaiscrgcschuMe  in  hyzmdini- 
.scher  Fassumf  I.  Der  Aninii/nuis  posi  Dionetii.  Bi/z.  Zeifschr.  I  [1892] 
S.  28)').  Die  „dritte  Version",  die  nach  Gräbner  Victor  und  Kedren  dar- 
stellen, löst  sich  also  in  die  ganze  Erzählung  auf,  wenn  auch  der  Aus- 
druck des  Victor  und  Kedren  die  Annahme  der  Tötung  durch  Schinden 
näher  legt,  als  das  Schinden  des  Leichnams.  —  Es  handelt  sich  bei  der 
ganzen  Frage  in  diesem  Zusammenhang  nur  darum,  dass  die  Darstellung 
der  Ej)itom<:  sehr  wohl  aus  der  „Kaisergeschichte"  gestammt  haben  kann, 
olme  dass  wir  nähei-e  Beziehungen  zur  „lateinisciien  Epitome  der  Zosi- 
mosquelle"  zu  behaupten  brauchten.  Allerdings  wird  durch  diese  Annahme 
der  Wert  der  „Kaisergeschichte"  nicht  gesteigert.  Aber  ich  denke  sie 
mir  ja,  wie  Enmann,  ihr  Entdecker,  ganz  biographisch  gehalten  (s.  o. 
S.  188)  und  sehe  keinen  Grund,  warum  sie  sich  von  den  Geschmacklosig- 
keiten dieser  Literaturgattung  hätte  freihalten  sollen.  Also  dürfen  wir 
auch  nicht  hoffen,  in  ihrem  Verfasser  einen  .höchst  achtbaren  Historiker", 
wie  sich  sogar  Enmann  ausdrückt  (a.  a.  0.  S.  442)  oder  gar  eine  Art  Mittel- 
glied zwischen  Tacitus  und  Ammian  zu  gewinnen. 

Gehen  wir  zum  Tod  des  Quintillus  über  (s.  Gräbner  S.  93).  Schon 
Brunner,  dem  sich  auch  Opitz  anschloss,  vermutete  im  Vorbeigehen  (a.  a. 
0.  S.  y2  Anm.  1),  dass  bei  Zonaras  in  der  Notiz  über  des  Tacitus'  Re- 
gierungszeit najä  81  Ttvag  fiij  SÄovc.  ovo  iviavrovQ  eine  Verwechslung 
mit  Claudius  Gothicus  vorliege-),  eine  ähnliche  wie  sie  sich  finde  zwischen 
Quintillus  und  Florianiis  in  der  Epitome  36.  2:  Floriunns  diernm  sexa- 
(jinta  quasi  per  ludiim  imperio  usus,  incisisa  semetipso  venis,  cffnso  san- 
(juine  consimptus  est.  Ich  habe  weiter  unten  nachzuweisen,  dass  wir  für 
diese  Strecke  der  Kaisergeschichte    mit    noch    weitergehenden    Verwechs- 

1)  Vgl.  Gräbner,  S.  92,  Anm.  1. 

2)  Ihm  widerspricht  Stein  bei  P.-W.  111,  Sp.  2879. 

23 


Vopiscits  und  die  Biographie  des  Kaisers  Tacilus.  201 

hingen  zu  rechnen  haben.  Am  uUerraerkwürdigsten  jedoch  ist  ein  Zu- 
sammentreffen zwischen  Zosimos  1  47.  Zon.  XII  26.  1,  636  A  B  {ed.  Dind. 
Bd.  III.  S.  15L  Z.  1.5  ff.),  Kedren  P  259  B,  S.  454,  Z.  19  ff.  {ed.  Bonn.)  und 
der  Epitome  36.2').  (Vgl.  auch  E.  Patzig,  Uchcr  einiye  Quellen  des  Zo- 
naras,  Byz.  Zeitsclir.  V.  (1896)  S.  47).  Denn  dasselbe,  was  die  griechi- 
schen Quellen  von  Quintillu.s  berichten,  erzählt  die  EpMome  von  Florian. 
Ich  begnüge  mich  damit,  die  Zonarasstelle  und  die  der  Epitome  neben- 
einander zu  stellen. 

Zon.  XII  2  6,  1  —  Krrii/.icerör  Während  Zon.  (älnil.  auch  Zos.,  der 
löp  clöeÄ(föv  ty.eii'ov  —  d^iüoui  niu-  noch  ausserdem  einen  Arzt  die 
lilQ  ßaai/.eiag.  —  —  fia&cjv  riji'  Adern  öffnen  lässt)  so  von  Q  u  i  n- 
ürdQ^tjaip  ToD  AvQrjZiavov  iavxbv  tillus  berichtet,  schreibt  die  Epi- 
ch'Et/.e,  TEßcJV  xijV  g:Äeßa  t//c  oixeiag  foine  36,  2  ganz  entsprechend  von 
X^iQog  y.ai  ti]  iy.ei9si'  tov  aifiarog  Florian:  Sed  cum  magna  pars 
iranoi/jv^ag  ^ofj  tTiTccy.aiÖEy.a  fiöva:  exercitus  Equitium  Probum  miUtiae 
IjUEQag  öveiQch^ag  iöauEQ  tiji'  ßaat-  peritum  legissct,  Florianus  etc.  s.  o. 
/.eiav.  S.  200. 

Man  sieht,  die  Berichte  ähneln  sich  in  auffallender  Weise.  Dem 
övEiqCo^ag  cöotieq  irp'  ßuai?Mav  des  Zon.  entspricht  (piasi  per  ludum 
iinperio  usus  imd  beidemal  kommt  es  zum  Selbstmord  durch  Oeffnen  der 
Adern.  Bei  Zon.  veranlasst  den  Quintillus  die  Xachricht  von  der  Erhe- 
bung des  Aurelianus,  bei  der  Epitome  den  Florianus  die  Usurpation  des 
Probus  zum  freiwilligen  Tod.  Nun  sagt  Eutrop  IX  12  von  Quintillus : 
septimo  decimo  die  imperii  occisus  est.  In  der  Epitome  34,  2  steht :  knie 
(Claudio)  successit  f rater  eius  Quintillus.  is  paucis  diehus  impcrium  fenens 
interemptus  est.  Ueber  die  Todesart  des  Florianus  schweigt  Eutrop  IX  16 
sich  aus ;  er  sagt  nur  ganz  allgemein :  duohus  mensihus  et  diehus  XX 
in  imperio  fuit;  die  Epitome  lässt  den  Florian  60  Tage  (also  wohl 
die  zwei  Monate  der  mit  Eutrop  gemeinsamen  Quelle)  regieren,  be- 
rücksichtigt demnach  die  zwanzig  Tage  nicht.  Das  „venas  ineidere"  der 
Epitome  ist  gut  suetonischer  Ausdruck  ').  könnte  also,  wenn  andere 
Gründe  dazu  kommen,  einen  Fingerzeig  auf  die  ,  Kaisergeschichte "  geben 
(Suet.  Xero  ß7.  2  bietet  „renas  mortis  gratiu  ineidere"  vom  Aderlass.  der 
den  Tod  herbeiführen  sollte,  Vitellius  2,  3  kommen  die  Worte  scalpro  li- 
hrario  cenas  sibi  incidit  bei  der  Schildening  eines  Selbstmordversuches 
vor  [vgl.  auch  Tac.  Äim.  XVI  19,  4]).  Vopiscus  schildert  den  Tod  des 
Quintillus  {A  37,  6)  .  .  .  imisis  sihimet  renis  die  vicesimo  imperii  sui  pe- 
risse^).     Bei  Zos.  I  47  (vgl.  Kedr.)  heisst  es  ausdrücklich  tojp  laiQüi' ri- 


1)  Gräbner,  .S.  93,  stellt  mit  den  griechischen  Quellen  über  den  Tod  des  Quin- 
tillus auch  die  kurze  Notiz  der  Epitome  34, 2  über  Quintillus  zusammen,  hat  also 
die  Verwechslung  von  Quintillus  und  Florian  nicht  berücksichtigt. 

2)  Ueber  suetonische  Ausdrücke  s.  u.  S.  205 ;  213 ;  216,  Anm.  1 ;  227. 

3)  L.  C.  Purser  a.  a.  0.  (s.  o.  S.  181,  Apm.  4)  S.  10  f.  schlägt  vor :  . .  die  ( duode}vicesimo. 

24 


202  />V»sy  IJolil. 

voc,  (pXeßa  rsfiovrog  avTot  usw.  Nun  gibt  es  für  die  Erklärung  des  „Ader- 
lasses" an  sich  drei  Möglichkeiten :  entweder  handelt  es  sich  um  den  Em- 
griff  eines  Arztes  bei  einem  Krankheitsfall  (vgl.  den  Tod  Hostilians  bei 
Zon.  und  Kedr.  und  hiezu  Gräbner  S.  91),  oder  der  Betreffende  lässt  vom 
Arzt  die  Adern  sich  öflFnen,  aber  in  selbstmörderischer  Absicht,  oder  end- 
lich, er  öffnet  sie  sich  .selbst.  Die  Wahl  ist  schliesslich  subjektiv.  Es 
soll  auch  bloss  gezeigt  werden,  wie  in  der  Tradition  sogar  ein  imgltick- 
licher  Aderlass,  der  zu  Heilzwecken  vorgenommen  wurde,  zum  Selbstmord 
umgedeutet  werden  kann. 

Wir  sehen,  die  Quellenberichte  stehen  recht  seltsam  nebeneinander  : 
nach  Zos.,  Zon.,  Kedr.  stirbt  Quintillus  durch  Selbstmord,  ob  mit  oder 
ohne  ärztliche  Beihilfe  ist  unwesentlich.  Die  Epitome  34.  5  bietet  hdcr- 
emptus  est,  bringt  aber  dafür  36,  2  für  Florianus  genau  dieselbe  Todesart. 
die  die  gi-iechischen  Quellen  dem  Quintillus  zuschreiben.  Eutrop  IX  12 
sagt  von  Quintillus  ^occisiis  est"  (während  er  die  Todesart  des  Florian  im 
Dunkeln  lässt).  Aurelius  Victor  erwähnt  den  Quintillus  überhaupt  nicht, 
lässt  aber  den  Florian  Cacs.  37.  1  von  den  Seinen  getötet  werden  :  „"/' 
suis  inferficifiir''.  Nach  Pollio  Gl.  12,  5  wird  Quintillus  ebenso  getötet 
wie  Galba  und  Pertinax  d.  h.  also  ,,ah  suis"  wie  Aur.  Vict.  über  Florian 
sagtM:  r.  Cl.  12.  6  et  Dc.vippus  qiiidem  Vlauäium  non  dicit  occisuiti.  svd 
tmitum  iiK/rtitniii.  ucr  faineri  aädit  Morho,  id  duhiiim  sentire  videatiir  hat 
Dessau,  Hermes  24,  S.  377  Anm.  2  statt  der  von  Peter  in  den  Text  auf- 
genommenen Konjeictur  von  Salinasius  ^QinniilbnH"  der  handschriftlichen 
Lesart  „Claiidinm"  wieder  zu  ihrem  Recht  verholfen-).  Nach  Vop.  ,4  37. 
6  endet  Quintillus  durch  Selbstmord  (s.  o.  S.  201).  Es  gab  also  zwei  Ueber- 
lieferungen  für  den  Tod  des  Quintillus :  Selbstmord  oder  Ermordung  durch 
sein  eigenes  Heer  (wobei  ich  von  der  oben  angedeuteten  Möglichkeit,  dass 
der  Selbstmord  sogar  aus  der  Tradition  über  eine  Krankheit  entstehen 
konnte,  absehe).  Während  Vop.  sich  zu  den  griechischen  Quellen  stellt, 
tritt  PoUio  zu  Eutrop  und  der  Epitome.  Von  Aur.  Vict.  glaube  ich.  dass 
er  bereits  Quintillus.  den  er  übergeht,  mit  Florianus  zusammengeworfen 
hat,  da  er  den  Florianus  ausserdem  zum  Bruder  seines  Vorgängers  macht 

1)  Zu  Galbas  Tod  s.  Suet.  Galba  19.2;  20;  —  zu  Pertinax'  Tod  s.  F  11. 

2)  Nach  Ed.  Schwartz  bei  P.-W.  V,  Sp.  292  wäre  Cl.  12,6  der  Name  Claudius, 
der  für  Quintillus  erscheine,  nicht  falsch,  sondern  nur  undeutlich;  das  zugefügte 
Zitat  sei  mit  dem  Text  nicht  ausgeglichen  —  danach  scheint  Schwartz  auch  unter 
Claudius  den  Quintillus  zu  verstehen.  Es  ist  allerdings  richtig,  dass  beide  Brüder 
die  Namen  Aurelius  Claudius  gemeinsam  führten.  Aber  dass  nun  wirklich  —  etwa 
von  Dexipjjos  —  jemals  einfach  Claudius  gesagt  worden  wäre,  wenn  Quintillus  ge- 
meint war,  halte  ich  für  ganz  ausgeschlossen.  Nach  PIR  I.  (1897)  S.  201  ,1  Nr.  1229 
wäre  an  unserer  Stelle  ,  QiiintiUum'^  zu  lesen,  weil  darauf  der  Zusammenhang  führe. 
• —  Trotzdem  bezweifle  ich  nicht,  dass  Dessau  das  Richtige  erkannt  hat,  denn,  wenn 
auch  unmittelbar  vorher  von  Quintillus'  Tod  die  Rede  ist,  so  ist  es  in  der  H.  A. 
doch  keineswegs  ausgeschlossen,  dass  noch  eine  Notiz,  die  sich  auf  den  schon  er- 
ledigten Tod  des  Claudius  bezieht,  nachhinkt. 

25 


Vopiscus  und  die  Biographie  des  Kaisers  Tacitits.  203 

(über  diesen  letzteren  Punkt  s.  Abschn.  II  zu  Trtr.  13,  fi).  Das  Los  des  Flo- 
rianus  bei  den  Griechen  dagegen  Hesse  sich  in  ein  „cdi  suis  interßcitur"  zu- 
sammendrängen. Auf  alle  Fälle,  wie  man  nun  dieses  Dilemma  lösen  mag,  steht 
die  EpitoDic  also  gerade  im  Gegensatz  zu  den  griechischen  Quellen,  denen 
Gräbner  sie  anzugleichen  sucht.  Wenn  Gräbner  sagt  (S.  93) :  ,  Bestehen  bleibt 
sicher,  dass  die  Epitome  abweichend  von  Victor  deu  (juintillus  überhaupt 
erwähnt",  so  beweist  das  durchaus  kein  Zurückgreifen  auf  die  ,  lateinische 
Epitome  der  Zosimosquelle"  seitens  des  Epitomatoi-s,  da  ja  Euti-op.  der 
Gewährsmann  der  Ejiitoiiic.  den  Quintillus  anführte.  Wir  sehen  al.so  die 
Rollen  des  Quintillus  und  Florianus  vollständig  vertauscht.  Die  Griechen 
schreiben  dem  Quintillus  Selbstmord  zu :  die  Epitonu-  lässt  ihn  getötet 
werden  und  dafür  den  Florianus  durch  eigene  Hand  enden  M- 

Was  Aurelius  Victor  betrifi't.  so  hat  er  das  Paar  Tacitus-Florianus 
mit  dem  Brüderpaar  Claudius-Quintillus  verwechselt.  Das  konnte  ihm 
umso  leichter  zustossen.  als  er  den  Quintillus  garnicht  erwähnte  —  er 
müsste  denn,  was  mir  kaum  glaublich  erscheint,  in  der  Lücke  nach  Caes.  34. 
7  gestanden  haben.  Also  hatte  er  gewissermassen  einen  Kaiserbruder 
übrig  und  übertrug  nun  dessen  Funktionen  mitsamt  der  Todesart  auf  Flo- 
rianus. Der  Epitomator  dagegen  schrieb  nach  der  Art,  wie  ich  mir  seine 
Arbeitsweise  denke,  für  cap.  36  den  Anfang  aus  Eutrop  ab.  Dessen  un- 
klare Ausckucksweise  ,  morte  praeventus  '^  veranlasste  ihn.  sich  in  der  ,  Kaiser- 
geschichte"  Rats  zu  erholen.  Ihr  entnahm  er  die  Worte  qui  diicenfesinio 
imperil  die  ajnid  Tarsuni  fehri  morihir,  wobei  allerdings  das  „apud  Tnr- 
sum"  zum  Tod  des  Florianus,  nicht  des  Tacitus  gehört.  Es  ist  aber  sehr 
wohl  möglich,  dass  diese  Bemerkung  der  Epitome  erst  in  unseren  Texten 
an  die  falsche  Stelle  gerückt  ist.  Denn  es  ist  zu  beachten,  dass  ohne 
diese  Annahme  für  Florian  kein  Todesort  angegeben  wäre,  was  umsomehr 
auffallen  müsste,  als  die  Umstände  seines  Todes  in  der  Epitome  so  genau 
berichtet  sind.  Die  ähnliche  Wendung  «  ducentesima  regni  hicc  des 
Aur.  Vict.  Caes.  36,  2  hatte  schon  Enmann  bemerkt  (a.  a.  0.  S.  403).  Nach 
ihm  hätte  der  Epitomator  , offenbar  verführt  von  dem  schönen  Ausdrucke". 
Victor  die  Zeitangabe  .diice)ifcsimo  imperii  die^  entlehnt.  Das  scheint 
mir  wenig  glaubhaft,  da  Enmann  selbst  diese  Uebereinstimmung  als  die 
einzige  seit  dem  Leben  des  Domitian  notiert  -).  Zudem  hätte  der  Epito- 
mator den  „schönen  Ausdruck'  doch  ziemlich  verwässert.  Es  ist  mir 
nach  allem  sehr  wahrscheinlich,  dass  die  ,  Kaisergeschichte",  also  die  Quelle 
von  Victor  und  der  Epitome  bereits  die  Ordinalzahl  dueeiitesimiis  geboten 
hat  und  sich  also  aus  ihr  die  Aehnlichkeit  ableitet.     Denn  auch  bei  Aur. 


1)  Es  ist  zum  mindesten  ungenau,  wenn  Gräbner  auf  S.  105<  einfach  feststellt, 
dass  die  Epitome  unglücklicherweise  dem  Florian  die  Todesart  zuschreibe,  die  eigent- 
lich dem  Quintillus  zukomme,  da  .ja  auch  nach  CI.  12.  -5  Quintillus  getötet  wird. 

2)  Vgl.  über  ein  ähnliches  Beispiel,  das  ebensowenig  für  Entlehnung  der  E])i- 
tiime  aus  Aur.  Vict.  spricht,  u.  S.  217. 

26 


204  J^nisf  Hohl 

Vict.  Caes.  37,  2  könnte  der  Vergleich  des  Probus  mit  Hannibal  vielleicht 
aus  der  „  Kaisergeschichte "  stammen,  die,  wie  wir  später  sehen  werden, 
solche  exempla  nicht  verschmähte. 

Wenn  Gräbner  S.  93  sagt,  dass  autfallen  muss,  dass  nur  die  Epitonu; 
85,  3  und  Zos.  I  49  einen  Septimius  (Septiminus  nach  der  Epifome)^)  als 
Gegenkaiser  des  Aurelian  kennen,  so  ist  zu  bedenken,  dass  Eutrop  und 
Aur.  Vict.  wirklich  nicht  jeden  Gegenkaiser  aufführen  konnten,  die  Ejyi- 
tome  dagegen  sehr  gut  aus  der  „Kaisergeschichte"  dessen  Bekanntschaft 
machen  konnte.  Auf  S.  94  folgt  die  Behauptung,  Eutrop  benutze  nicht 
immer  die  mit  Victor  gemeinsame  Quelle,  sondern  gehe  bisweilen  ihm 
gegenüber  mit  der  Epitome  zusammen;  so  sei  nach  beiden  Decius  „e  Pcni- 
iionia  inferiore  Bnlxüiae  nafiis",  beide  erwähnen  den  Gegenkaiser  des  Pro- 
bus Proculus  und  lassen  Probus  ,iii  turri  fcrrafa"  getötet  werden.  Eu- 
trop sage  von  den  beiden  Decii  „iiferque  in  harharico  intcrfedi  sunt'-  : 
trotzdem  er  die  Einzelheiten  übergehe,  zeige  die  wörtliche  Uebereinstim- 
mung  die  Verwandtschaft  mit  der  Epitome.  Und  ebenso  seien  die  Worte 
über  die  Gefangennahme  Valerians  bis  auf  den  Buchstaben  gleich.  —  Den 
letzteren  Fall  haben  wii-  bereits  behandelt  und  die  „Uebei-einstimmung" 
dadurch  erklärt,  dass  die  Epitome  den  Eutrop  abschi-eibt,  ihn  aber  dann 
aus  der  „Kaisergeschichte"  erweitert.  Ebenso  sind  die  andern  Ueberein- 
stimmungen  entstanden.  Für  den  Geburtsort  des  Decius  liegt  der  Tat- 
bestand sehr  einfach:  Aur.  Vict.  Caes.  29,  1  sagt  „Sirmiensiiim  vico  oiiiis". 
Eutrop  IX  4  .e  Paunonia  inferiore  Budaliae  natiis"  (daraus  schreibt  die 
Epitome  29,  1  ab:  -c  Pannonia  inferiore  Bubaliae  natits").  Nun  ist  Bu- 
dalia  (das  ist  die  richtige  Lesart,  die  auch  in  der  Epitome  herzustellen  ist) 
ein  vicus  von  Sirmium  in  Pannonia  inferior  (vgl.  Patsch  bei  P.-W.  III. 
Sp.  988).  Wir  können  also  trotz  Gräbner  die  beiden  Notizen  von  Eutrop 
und  Victor  sehr  wohl  vereinigen  zu :  „e  Pannonia  inferiore  Budaliae  in 
Sirmiensinm  vico  jiatiis",  werden  also  gerade  durch  diese  Stelle  auf  die 
gemeinsame  Quelle,  die  Gräbner  hier  in  Abrede  stellt,  hingedrängt  (näm- 
lich auf  die  „Kaisergeschichte").  Aus  Eutrop  aber  stammt  die  Erwäh- 
nung des  Proculus  - )  durch  Epitome  37,  2,  die  sich  eng  an  ihn  anschliesst 
und  nur  den  ganzen  Satz  etwas  gekürzt  hat.  Ebenso  zeigt  das  ^in  turri 
fer)-ata"  {Epitome  37,4;  Vopiscus  Pr.  21.3;  vgl.  Enmann  S.  393)  deut- 
lich nach  dem  ganzen  Zusammenhang  der  Epitome  die  Herkunft  aus  Eu- 
trop. Und  über  den  Tod  der  Decii  hat  sich  die  Epitome  29,  3  über  Eu- 
trop hinaus  aus  der  Quelle  Eutrops  unterrichtet.  Also  gerade  an  diesen 
Stellen  befinden  wir    uns    auch  nach    den    Enmannschen    Untersuchungen 


1)  S.  Opitz,  a.  a.  0.  S.  251  und  Mendelssohn,  ed.  Zos.  S.  35  zu  Z.  1:  tnizifiioc 
Ts]  V  ?;  ^eTtri/iuöc  Tf  scripsit  Mendelssohn. 

2)  Vgl.  Enmann,  a.  a.  0.  S.  392,  der  Vop.  Pr.  18  mit  Eutrop  zusammen  auf  die 
„Kaisergeschichte'  zurückführt.  Gräbner,  S.  125  weist  selbst  auf  das  besondere  In- 
teresse, das  die  .Kaisergeschichte'  den  gallischen  Gegenkaisern  zuwandte,  hin. 

27 


VojjiscHs  Kiid  die  Biot/raphir  des  Kaisers  Tucifus.  205 

meist  ganz  sicher  im  Bcreicli  der  ,  Kaisergeschichte",  und  nichts  berecli- 
tigt  uns  mit  Gräbner  zu  der  Annahme,  dass  „auch  diese  Stellen  des  Eu- 
trop  auf  unsei'e  Gesamtquelle  (d.  h.  also  nach  ihm  auf  die  „Zosimosquelle" 
bezw.  deren  , lateinische  Epitome')  zurückgehen."  Besonders  merkwür- 
dig aber  ist,  dass  Gräbner  selbst  S.  108  äussert:  „Eiitrop,  die  Epitome 
und  Vopisciis  nennen  als  Gegenkaiser  noch  Proculus  und  Bonosus,  die 
vielleicht  trotz  Victors  Schweigen  nur  auf  die  „Kaisergeschichte'  zurück- 
gehen." Vorher  (s.  o.)  hatte  er  aus  der  Erwähnung  des  Proculus  bei 
Eutrop  und  der  Epitome  gegen  Victor  auf  seine  „Gosamtquelle"  geschlos- 
sen, jetzt  begnügt  er  sich  mit  der  ,.  Kaisergeschichte".  begibt  sich  also 
ganz  auf  den  Boden  der  Enmannschen  Arbeit.  Uebrigens  wird  nur  Pro- 
culus von  Victor  übergangen,  nicht  auch  Bonosus.  der  Caes.  37.  3  vor- 
kommt. 

Das  nahe  Verhältnis  von  Eutrop  und  Epitome  zu  einander  mag  noch 
folgendes  Beispiel  illustrieren:  Vergleicht  man  Eutrop  IX  19,  1  qui  cum 
in  auditorio  r  ei  l  ev  i  fatif/atioite  taxaverant .  .  .  mit  Epitome  38,  7  .  .  . 
(pii  eum  in  auditorio  rcrlii  fafif/afione  taxaverunt,  so  bedauert  man,  noch 
keine  kritische  Ausgabe  der  Epitome  zu  Rate  ziehen  zu  können  '). 
Denn  da  schon  vorher  Eutrop  durch  die  Epitome  abgeschrieben  wurde,  so 
stellt  sich  das  „verhi  fatigatione^^  gar  nicht  anders  dar,  denn  nur  als  Va- 
riante des  Eutroptextes.  Nun  trifft  es  sich  sehr  gut,  dass  Droysen  in  der 
editio  maior  des  Eutrop  (il/.  G..  Script,  antiqu.  IL  (1879)  S.  126,  Z.  3)  an- 
gibt: nel  ?e?«]  uerbi  P  D,  zu  Z.  4:  taxauerat  G\  taxatiere  D,  taxanerunt 
B,  so  dass  wirklich  die  beiden  Abweichungen  der  Epitome  „verhi  fa- 
tiiiatione"  und  Jaxarerunt"  sogar  in  den  E  u  t  r  o  p  handschriften  selbst 
vorkommen.  Bei  diesem  Tatbestand  verzichten  wir  auf  die  raria  lecfio 
der  Epitome  und  können  ruhig  auch  in  ihr  herstellen  „taxaverant^  und 
„re?  Jevi  fatigatione",  zumal  da  der  letztere  Ausdruck  dem  seltsamen  „rerhi' 
gegenüber  den  Vorzug  verdient,  das  sicher  nur  durch  ]ialäographisches 
Versehen  entstanden  ist'-). 

Beachtung  verdient  das  Wort  „taxare"  in  der  hier  anzunehmenden  sel- 
tenen Bedeutung  ^  .sticheln".  Steht  es  doch  so  bei  Sueton.  Aug.  4.  Wir 
werden  bald  (S.  213;  216)  weiteren  Fällen  begegnen,  wo  sich  Berührungen 
im  sprachlichen  Ausdruck  mit  Sueton  finden,  die  doch  wohl  nicht  nur 
dem  Eutrop.  sondern  schon  dessen  Quelle,  der  .Kaisergeschichte",  ent- 
stammen, die  ihrerseits  den  Anschluss  an  Sueton  gesucht,  ihn  höchst  wahr- 

1)  Opitz  a.  a.  0.  S.  25:3  f..  27.5  bemerkt  nichts  zu  dieser  Stelle ;  vgl.  Enmann 
a.  a.  0.  S.  406  über  die  Unsicherheit  der  Zahlen  in  dem  diplomatisch  noch 
nicht  beglaubigten  Text  der  Ep  ito  m  e. 

2)  Denn  aus  dieser  Stelle  etwa  schliessen  zu  wollen,  dass  der  Epitomator  einen 
Eutroptext  benutzt  habe,  der  diese  Korruptelen  schon  aufgewiesen  hätte,  wie  sie  auch 
in  Eutrophandschriften  stehen,  wäre  doch  des  Guten  zuviel.  Vielmehr  sind  die  Kor- 
ruptelen sowohl  im  Eutrop  als  in  der  Epitome  je  selbständig  aus  der  richtigen  Les- 
art entstanden. 

28 


206  Ernst  Hohl 

scheinlich  in  erweiterter  und  etwas  umgearbeiteter  Form  für  die  Darstel- 
lung der  ersten  elf  Kaiser  aufgenommen  hat.  Nur  müssen  wir  uns  davor 
hüten,  aus  der  Beobachtung  solcher  Koinzidenzen  auf  ein  ängstliches  Fest- 
halten Eutrops  am  Wortlaut  der  „Kaisergeschiclite"  schhessen  zu  wollen, 
das  wir  ganz  im  Gegeuteü  gewiss  nicht  annehmen  dürfen.  Wenn  ein- 
zelne Wörter  wiederkehren,  so  ist  das  nocli  lange  kein  Zeichen  für  eine 
sklavische  Abhängigkeit  Eutrops  von  seiner  Quelle ;  gegen  diese  Annahme 
hatten  wir  ims  ja  schon  im  Eingang  im  Sinne  Wölfl'lins  gewendet.  Dass 
natürlich  auch  der  blosse  Zufall  seine  Hand  da  im  Spiele  haben  kann, 
wo  wir  geneigt  sind,  an  einen  inneren  Zusammenhang  zu  glauben,  müssen 
wir  uns  resigniert  eingestehen. 

2.  Die  Eji  itome  und  die  ,  K  a  i  s  e  r  g  e  s  c  h  i  c  h  t  e ". 

Vielleicht  kann  die  Behauptung  als  erwiesen  gelten,  soweit  eben  in 
solchen  Fragen  Beweise  möglich  sind,  dass  die  Epitome  in  ihrem  dritten 
Teil  aufs  engste  mit  Eutrop  zusammengeht,  dass  sie  ihn  also  geradezu 
abschreibt').  Denn  dass  die  Gräbnersche  Erklärung  der  Uebereinstim- 
mungen  zwischen  Eutrop  imd  der  Epitome  durch  gemeinsame  Benutzung 
der  .lateinischen  Epitome  der  Zosimoscjuelle"  sich  mit  den  Tatsachen  nicht 
vereinigen  lässt.  haben  wir  schon  oben  gesehen.  Es  geht  nicht  an.  den 
Eutrop  in  derselben  pedantischen  Weise  abschreiben  zu  lassen,  %vie  es 
später  die  Epitome  getan  hat.  Dann  aber  hat  sich  ja  aus  der  Prüfung 
der  von  Gräbner  für  seine  Theorie  in  Anspruch  genommenen  Stellen  er- 
geben, dass  sie  gerade  nicht  auf  die  „Zosimosquelle''  zurückgehen,  sondern 
sehr  wohl  der  „Kaisergeschichte "  entstammen  können.  Da  sich  nun  aber 
die  Epitome  ihrerseits  nicht  damit  begnügt,  den  Eutrop  abzuschreiben, 
sondern  immer  wieder  über  Eutrop  hinaus  auf  dessen  Quelle  zurückgreift, 
so  sind  wii-  zu  der  Annahme  berechtigt,  in  den  Zusätzen  der  Epitome  zum 
Text  Eutrops  Gut  aus  der  , Kaisergeschichte"  solange  zu  vermuten,  als 
nicht  andere  Gründe  diese  Annahme  ausdrücklich  verbieten.  Denn  dass 
bei  dem  Wesen  der  Epitome  eine  umfangreiche  Quelleubenutzung  und  ein 
mosaikartiges  Zusammenarbeiten  von  Notizen  aus  verschiedenen  Werken 
nicht  erwartet  werden  kann,  wird  man  zugeben  müssen.  Wie  nun  der 
Epitomator  für  die  ersten  elf  Kapitel  die  den  Caesares  des  Aur.  Vict.  ent- 
nommenen Stelleu  mit  Exzerpten  aus  der  „Kaisergeschichte'  versetzte 
(vgl.  Wöliflin,  o.  S.  187,  wo  ■ndr  schon'')  statt  Sueton,  wie  Wölfflin  meinte, 
die  . Kaisergesfhichte "  angenommen  haben),  so  wäre  dann  späterhin  ganz 
entsprechend  Eutrop  ebenfalls  mit  Zusätzen  aus  der  „Kaisergeschichte" 
versetzt  worden.  Die  Ejiifomr  hätte  also  durchweg  (bis  cap.  38)  die  .  Kaiserge- 
schichte" zur  Bereicheiiing  und  zur  Kontrolle  dessen,  was  sie  den  Breviarieu 
zuerst  des  Aur.  Yict..  dann  des  Eutrop,  entnahm,  herbeigezogen.  Gräbner  hat 
in  begi-eiflichem  Entdeckereifer  schliesslich   überall    Spm-en,   direkte    oder 

1)  Vgl.  Opitz,  a.  a.  0.  S.  267  ff.  und  Enmann  a.  a.  0.  S.  399  f.  —  2)  S.  187  f. 

29 


VopiscKs  und  die  Jiionnipliic  des  Kaisers  Tacitus.  207 

indirekte,  seiner  .Zosimosquelle"  gesehen.  Darüber  hat  er  die  Eintome, 
obwohl  er  gerade  Ton  ihr  ausging,  vernachlässigt  und  ihre  Eigenart  ver- 
kannt, ja  eigentlich  vergewaltigt.  Nicht  sie  bietet  sich  uns  zur  Aufhel- 
lung der  „Zosimosquelle"  an;  wohl  aber  kann  sie  uns,  wenn  wir  uns  ihrer 
Führung  mit  der  nötigen  Vorsicht  anvertrauen,  das  Wesen  der  „Kaiser- 
geschichte" erhellen.  Noch  neuerdings  hat  WölfHin.  Zar  Lutinitüt  der 
Epitome.  Arrli.  XII.  (1902)  S.  445  ff.,  wichtige  Untersuchungen  über  die 
Sprache  des  Epitomators  veröffentlicht;  er  nimmt  dabei  eine  Bemerkung 
wieder  auf  (S.  448),  die  er  schon  im  lilmn.  Mus.  29,  S.  295  gemacht 
hatte,  und  wonach  in  den  ersten  elf  Kapiteln  die  Exzerpte  aus  Victor  mit 
,isfe'^,  die  Zusätze  aus  Sueton  mit  „/»("  eingeführt  werden.  Hennann 
Peter  habe  das  in  der  Gesch.  Litt.  Uli.  die  römiscJie  Kaiserzeit  II.  S.  361 
Anm..  eine  „feine"  Beobachtung  genannt.  Wölfflin  fährt  fort:  „  Der  Wechsel 
beider  Pronomina  zieht  sich  nun  aber  durch  die  ganze  Epitoma  hindurch, 
ohne  dass  wir  hier  freilich  die  verschiedenen  Quollen  zu  benennen  im- 
stande wären.  Als  Beispiel  genüge  cap.  35  (Aurelian) :  iste  haitd  dissi- 
niilis  fidt  AlexcDidro  Magno  ■ —  isfe  vicfor  fuit  —  hitius  tempore  —  iste  — 
liic  —  hie  Tetricum  provexit.  Jedenfalls  dürfen  wir  diese  Pionominalver- 
wirruug  nicht  den  Quellen  des  Epitomators.  sondern  nur  diesem  selbst 
zuschreiben"  (s.  übrigens  auch  Fr.  Leo,  Die  (/riecJi.-röm.  Biorjr.  S.  308  f.). 
Vergleichen  wir  für  cap.  35  der  Epitome  Eutrop  IX  13 — 15,  so  ergibt 
sich,  dass  in  der  Tat  drei  Nachrichten  mit  ..iste"  eingeführt  werden,  die 
bei  Eutrop  fehlen,  die  also  nach  unseren  bisherigen  Aufstellungen  für  die 
„Kaisergeschichte"  in  erster  Linie  in  Anspruch  genommen  werden  müssten, 
nämlich  der  Vergleich  des  Aurelian  mit  Alexander  und  Caesar  (man  er- 
innere sich  an  den  Vergleich  des  Probus  mit  Hannibal  bei  Aur.  Vict. 
Caes.  37,  2.  die  drei  Siege ')  in  Italien,  die  ebenfalls  bei  Eutrop  nicht 
stehen,  und  endlich  die  Nachricht  vom  Diadem,  die  abermals  über  Eutrop 
hinausgeht  (vgl.  Opitz  a.  a.  0.  S.  251  u.  Anm.  20).  Mit  „Hiiiiis  tempore'--) 
führt  sich  allerdings  die  Erwähnung  des  Gegenkaisers  Septiminus  ein,  der 
sonst  nur  bei  Zos.  I  49,  2  vorkommt  (freilich  auf  Grund  einer  Konjektur 
s.  0.  S.  204  Anm.  1). '  Hier  würde  man,  da  die  Nachricht  nicht  aus  Eutrop 
stammt,  ^istins  tempore"  erwarten,  doch  ging  schon  zweimal  „iste"  vor- 
aus; es  konnte  also  .Jiic",  mit  dem  umständlichen  Jempns"  verbunden, 
genügen.  Gleich  darauf  kommt  mit  Jwc  tempore"  der  Bericht  über  den 
Münzer- Aufstand,  der  aus  Eutrops  Text  zusammengezogen  ist,  wo  er  in 
der  Tat  mit  .Hoc  imperante"  einsetzt.  Weiter  folgt  mit  „liic"  die  auch 
bei  Eutrop  berücksichtigte  Angabe   über   den  Mauerbau.     Mit  Jiic"  wird 


1)  Der  Sieg  bei  Placentia  war  t.atsächlith  eine  Niederlage  (Vop.  A  21.  1  ff.).  Vgl. 
L.  Homo,  Essai  siir  le  regne  de  Vempereur  Anreiten,  S.  "-t  Anm.  I  und  Lecrivain, 
a.  a.  0.  S.  3-56,  Anm.  .5. 

2)  Lecrivain,  a.  a.  0.  S.  443  denkt  bei  der  Formel  huius  lciiipon\  hniii^  irnipm-l- 
htts  an  den  , Kaiserkatalog'  (!). 

30 


208  Enisf  Hohl, 

auch  die  Nennung  des  Totricus  eingeleitet  den  Eutrop  kennt.  Mit  „Hoc 
tempore"  wird  vom  Interregnum  berichtet,  das  ja  Eutrop  nicht  erzählt, 
und  das  sicher  auf  die   „Kaisergeschichte"  zurückgeht. 

Danach  scheint  sich  folgendes  Ergebnis  darzubieten'):  mit  „Ji/c"  wer- 
den die  Xotizen  eingeführt,  die  der  Epitomator  dem  Eutrop  entnehmen 
konnte,  auch  wenn  er  sie  dann  aus  der  ,  Kaisergeschichte "  selbständig 
noch  erweiterte.  Mit  „/.s/e"  bezw.  „//»/«.s"  oder  „lioc  fenqiorc"  treten  die 
Nachrichten  auf.  die  sich  bei  Eutrop  nicht  finden,  die  also  wohl  der  ,  Kai- 
sergeschichte" entstammen.  Unregelmässig  ist  nur.  dass  der  Bericht  über 
das  ^ieJhon  monetariorum'  mit  „hoc  tempore^^  anhebt.  Das  erklärt  sich 
aber  in  diesem  Fall  sehr  einfach  daraus,  dass  Eutrop  selbst  schon  .hoc 
hiqyeravfe"  gesagt  hatte.  Natürlich  sind  diese  Beobachtungen  zu  sehr 
dem  Spiel  des  Zufalls  {ii'^isgegeben.  als  dass  man  weitgehende  Schlüsse 
daraus  ziehen  dürfte.  Immerhin  braucht  man  sie  nicht  von  vornherein 
abzulehnen,  wo  sie  sich  darbieten.  Auf  einen  dem  Epitomator  eigentüm- 
lichen Gebrauch,  den  Wölfflin  nicht  notierte,  möchte  ich  bei  dieser  Ge- 
legenheit hinweisen.  Es  ist  das  ^noiüssime"  beim  Abschluss  einer  Re- 
gierung, das  z.  B.  Epifome  33,  2  „Novissime  adversus  Aiireolnm  profecttia 
est"  auftritt,  worauf  die  Erzählung  von  Gallienus'  Tod  folgt,  und  ganz 
entsprechend  Epitome  35,  8  den  Bericht  über  die  Ermordung  Aiu-elians 
einleitet  (vgl.  auch  Epitome  23.  6  beim  Tod  des  Elagabal). 

Will  man  nun  den  Versuch  wagen,  aus  den  betreffenden  Kapiteln  der 
Epitome  Rückschlüsse  auf  die  „Kaisergeschichte"  zu  ziehen,  so  muss  man 
sich  allerdings  der  Gefahren  wohl  bewusst  bleiben,  denen  uns  die  Lücken- 
haftigkeit unseres  Materials  und  die  Laime  der  Ueberlieferung  überhaupt 
aussetzt.  Wie  Gräbner  durch  die  Gordiane  sich  in  die  Irre  führen  Hess 
und  so  von  Anfang  an  den  verhängnisvollen  Anschluss  an  die  „Griechen" 
gewann,  so  könnte  es  diesem  Versuch  begegnen,  seinerseits  in  das  andere 
Extrem  zu  verfallen  und  auf  der  Suche  nach  der  „Kaisergeschichte'"  ebenso 
m  falscher  Richtung  zu  gehen,  wie  Gräbner  hie  und  da  seiner  „Zosimos- 
ciuelle"  zulieb  vom  geraden  Weg  abgewichen  ist.  Doch  mag  man  immer- 
hin das  eine  bedenken,  dass  man  dem  Wesen  einer  Epitome.  für  die  in 
den  ersten  Partien  zwei  Quellen  zur  Erklärung  ausreichten,  leichter  ge- 
recht werden  kann,  als  den  Rätseln  einer  historischen  Erzählung,  die  mit 
grösseren  Ansprüchen  als  diese  auftritt.  Wollten  wir  mit  Gräbner  gehen, 
so  mtissteu  wir  Eutrop  und  die  Epitome  die  „lateinische  Epitome  der  Zo- 
simosquelle''  in  voller  Gebundenheit  abschreiben  lassen,  höchstens  dass  sie 
das  eine  Mal  etwas  mehr,  das  andere  Mal  etwas  weniger  entlehnt  hätten. 
Demgegenüber  wahren  wir  bei  unserer  Annahme  dem  Eutrop  volle  Frei- 
heit. Er  kann  dabei  nach  Belieben  mit  seinem  Material  schalten  und  ist 
namentlich  in  stilistischer  Hinsicht  unbehindert.    Die  Epitome  aber  schreibt 

1)  Durch  Wölfflins  Beobachtung  angeregt,   habe   ich   diese  Stichprobe  gemacht. 
Ein  durchaus  sicherer  Schluss  ist  auf  so  schmaler  Grundlage  nicht  möglich. 

31 


Vo2>i.<!(iis  iiutl  dir  li/dfinipliic  (/r.v   Kaisers   Tniiliis.  209 

ihn  zwar  ab.  vorsieht  ihn  aher  ih»  li  mit  selbständigen  Aendenin<;i  ii  und 
Znsätzen,  für  die  sie  sich  der  „Kaisergoschichte",  also  eben  der  (Quelle 
Eutrops,  bedient.  Schon  Otto  Th.  Schulz  liat  jn  in  seinem  Buch  Das 
Kaiserhaus  der  Antonine  and  der  letzte  Historiker  Roms.  Leipzig  1907.  S.  99 
die  Epitomc  das  eine  Mal  den  Eutrop  fast  wortgetreu  absehreiben  lassen, 
an  einer  andern  Steile  (S.  108)  lässt  er  gar  die  Epitonie  einen  Passus  der 
H.  A.,  den  erst  der  Schlussredaktor  in  das  Corpus  eingefügt  haben  soll, 
nachschreiben.  Ohne  hierauf  weiter  eingehen  zu  können,  da  es  sich  um 
Teile  handelt,  die  für  unseren  Zusammenhang  nicht  in  Betracht  kommen, 
muss  es  doch  jedenfalls  wohltuend  berühren,  dass  ein  Forscher  ohne  Vor- 
urteil die  Konsequenzen  allein  aus  dem  Ergebnis  eines  sorgfältigen  Zeugen- 
verhörs zieht  und  nicht  einem  bec[uemen  Schema  oder  einem  alten  Aber- 
glauben zulieb  den  Tatsachen  (iewalt  antut.  So  hat  ja  Wölfflin  uner- 
müdlich für  eine  freiere  Auffassung  der  Quellenprobleme  gestritten  und 
vor  verderblichem  Verallgemeinern  gewarnt  (vgl.  z.  B.  Arch.  XII.  S.  446) 
und  doch  war  auch  er  wieder  der  erste,  wo  es  galt,  die  Eigenart  eines 
Schriftwerks  zu  verteidigen. 

Wenn  wir  später  an  einzelnen  Beispielen  die  Arbeitsweise  von  Voj).. 
Eutrop  und  Aur.  Vict.  beobachten  und  dabei  entdecken  werden,  dass  für 
gewöhnlich,  wie  zu  erwarten,  Vop.  am  meisten  gibt,  Aur.  Vict.  und  nament- 
lich Eutrop  wesentlich  weniger  bieten,  Aur.  Vict.  aber  als  der  freiere  Kopf 
und  künstlerischere  Geist  sich  am  weitesten  vom  Original  entfernt '),  so 
geht  daraus  hervor,  dass  jene  Stellen,  die  seinerzeit  Dessau  im  Corpus 
der  S.  h.  A.  auf  Eutrop  zurückgeführt  hat,  in  der  Tat  mit  aller  Wahr- 
scheinlichkeit ihm  zugehören.  Dafür  hat  Dessau  denn  auch  die  volle  Zu- 
stimmung Mommsens  {Hermes  25.  S.  273  f.  =  Ges.  Sehr.  VlI.  S.  344  f.)  -)  ge- 
funden. Dem  gegenüber  hat  Klebs.  Rhein.  Mus.  45  (1890)  S.  446,  S.  459  f.  eine 
gemeinsame  Vorlage  angenommen,  wie  er  das  z.  B.  auch  zur  Ei'klärung  des 
Verhältnisses  zwischen  Festus  und  Eutrop  getan  hat.  Nun  hat  aber  gerade 
am  Breriarium  des  Festus  Wölfflin  [Areh.  XIII.  (1904)  S.  69  ff.  und 
S.  178  tf.)  gezeigt,  dass  Festus  in  der  Tat  den  Eutrop  benutzt  habe,  und 
hat  damit  die  Annahme  einer  gemeinsamen  Quelle  entbehrlich  gemacht. 
Wenn  wir  aber  des  weiteren  an  einigen  Fällen  bei  Vopiscus  sein  Ver- 
halten der  restituierten  Quellenstelle  gegenüber  beobachten  werden,  wo- 
bei zum  mindesten  eine  wörtliche  Herübernahme  nicht  als  ausgeschlossen 
erscheint,  so  werden  wir  aus  der  ,  längeren  wörtlichen  Uebereinstimmung 
zwischen  Eutrop  IX  15  und  Vop.  .4  39,  6—7'  mit  Dessau  a.  a.  0.  S.  371  f. 
ohne  weiteres  auf  Benutzung  Eutrops  schliessen  düi-fen.  Denn  bei  un- 
serem Ansatz  des  Vopiscus  um  die  Wende  des  4.  .lahrhunderts  geht  es 
natürlich  nicht  an.  für  solche  Entlehnuno'en  den  Schlussredaktor  aus  theo- 


1)  Vgl.  Eninann,  a.  a.  0.  S.  387. 

2)  Anders  urteilt  Fr.  Leo,   Die   ijriech.-röm.  Biogr.  S.  290  Aiim.  1  (bezüglich  der 
M  Ä),  vgl.  auch  Otto  Th.  Schulz,  a.  a.  0.  .S.  93  ff. 

K  1  i  o  .  Beiträge  zur  alten  Geschiclite  XI  2.  14 

32 


210  Ernst  Hohl. 

dosianischer  Zeit  verantwortlich  zu  uiacheii.  ila  wir  uns  ja    mit   Vopiscus 
bereits  in  theodosiauiseber  Zeit  oder  etwas  später  l)efinden. 

'A.  A  u  r  e  1  i  u  s  Victor  und  der  dritte  Teil  der  £  j;  i  f  o  in  c. 

In  der  Erzählung  vom  Tod  des  Carinus  berührt  sich  die  Epitomc  38, 
8  mit  Aur.  Vict.  Caes.  39,  11  u.  12,  während  I]utrop  die  Nachricht')  über- 
geht, vielleicht  in  Erinnerung  an  Victorinus'  Ende.  Nun  hat  Gräbner, 
a.  a.  0.  S.  146  nähere  Beziehungen  zwischen  Aur.  Vict.  und  der  Epitomc 
behauptet.  Er  sagt:  .Eine  besonders  überzeugende  Parallele,  weil  ihr  In- 
halt in  keiner  weiteren  Quelle  auch  nicht  bei  Eutrop  zu  finden  ist.  bietet 
sich  in  dem   Bericht  über  den  Tod  des  Kaisers  Claudius  IL  : 

Aur.  Vict.  Cnes.  34,  3.  Nam  EpitomeM,S.  Claudius  oero, 
cum  pellere  Gofhos  cuperet,  quos  diu- '  cum  ex  fatalibus  libris,  quos  inspiei 
furuifas  nimis  validos  ac  prope  inco-\praeccperat,  cognovisset,  senteniiae  in 


las  cff'ecerat,  proditum  ex  libris  Si- 
hyllinis  est  primum  ordinis  amplissimi 
victoriae     vovendum.      4  Cumquc    is, 


senatu  dicendae  prinii  niorte  rcmedium 
desiderari,  Pomponio  Basso,  qui  ttinc 
erat,    se   afferente,    ipse    vitam   suam 


qui  esse  vidcbatur,  semet  obtulisset,  ....  dono  rei  publicae  dedit,  praefa- 
sibi  potius  id  muneris  competere  ästen-  tus  newincm  fanfi  ordinis  primas  ha- 
dit,  qui  revera  senatus  atque  oninium  bcrc.  (jKani  ipsiiin  imperatorein  ^). 
princeps  erat.  5  Ita  nullo  exercitus 
ddrimento  fusi  barbari  summotique, 
postquam  iinperator  ritam  rei  publi- 
cae dono  dedit. 

Da  die  Uebereinstimmungen  mit  Eutrop  gegen  Victor,  soweit  ich 
(Gräbner)  sehe,  alle  für  nähere  Beziehungen  zur  ,Zosiraosc]uelle"  sprechen, 
so  lassen  Beispiele  wie  das  vorstehende  nur  den  Schluss  auf  unmittelbare  Be- 
nutzung der  Schrift  De  Cacsaribus  durch  den  Verfasser  der  Epitome  zu." 

Dem  kann  ich  nicht  zustimmen.  Wer  die  Stellen  vergleicht,  wird 
die  Unmöglichkeit  erkennen,  dass  hier  die  Schi-ift  De  Caes.  unmittelbar 
diu-ch  den  Verfasser  der  Epitome  benutzt  wurde.  So  hat  schon  Opitz  a.  a.  ü. 
S.  249  von  der  Stelle  des  Aur.  Vict.  gesagt:  „Quae  narratio  quamvis  in 
singulis  paulo  copiosior,  redit  Ejiit.  cap.  34,  3 :  ita  ut  appareat  utrique 
eundem  fontem  praesto  fuisse. '  H.  Peter,  Die  gesch.  Litt.  II.  S.  155. 
will  einzehie  Beziehungen  der  Epitome  zu  den  Caesares.  namentlich  im 
Leben  des  Claudius  aus  der  zufälligen  Benutzung  der  gleichen  Hilfs- 
quelle herleiten.  Auch  in  Bd.  I.  S.  304.  wo  er  die  Claudiuslegende  im 
Zusammenhang  mit  anderen  Fiktionen  behandelt,  spricht  er  von  der  dem 
Aur.  Vict.  und    der  Epitome   gemeins;imen  Quelle,    deren    Erfindung    auch 


1)  Dass  sie  aus  der  -Kaisergeschichte-  stammt,  wird  ;^icli  unten  ergeben. 

2)  Die   Worte  praefatus  bis   imperatorem   hat    Gräbner   weggelassen :    ich   setze 
sie  bei.  weil  sie  für  die  Autfassung  bezeichnend  sind. 

33 


Vopisats  11)1(1  <l/ij  B/iifirapliie  des  Ka/sirs   Tarif ns.  211 

Ammian  kenne')  (Ammian.  81,  5.  17.  vgl.  mit  16.  10.  3).  Treffend  ist  das 
Urteil,  das  A.  Colin  a.  a.  0.  S.  22  f.  fällt:  „Nostros  (Aur.  Vict.  und  Epi- 
tome)  hie  conspirare  neminem  i'ugit,  sed  ut  aliis  locis  ita  ne  hie  quidem 
fieri  potest,  ut  No.ster  sua  ex  libro  de  Cacsarihus  ipso  deprompserit:  nam 
unde  credamus  eum  Pomponii  Bassi  nomen  sumpsisse,  quod  neque  in 
Caesarihits  invenerit  neque  finxisse  putandus  est?  Itaque  utrumque  scrip- 
torem  ex  eodem  fönte  sua  hausisse  perspicuum  est-)."  Alle  diese  Urteile 
sprechen  sich  also  für  eine  gemeinsame  Quelle  aus;  ich  gestehe,  dass  ich 
über  Gräbners  Behauptung,  die  wirklich  unhaltbar  ist,  umsomehr  erstaunt 
war,  als  er  doch  sonst  mit  Scharfsinn  vorgeht.  Nun  ist  es  von  o-rosser 
Wichtigkeit,  dass  Dessau  {Hermes  24,  S.  377).  entgegen  der  alten  Mei- 
nung, es  wahrscheinlich  gemacht  hat,  dass  auch  Trebellius  Pollio  (67.  12, 
6)^)  die  Legende  vom  üpfertod  des  Claudius  kannte,  aber  auf  deren  Ver- 
wendung in  seiner  Biographie  dieses  Kaisers  verzichtete^).  Es  di-ängt 
sich  uns  die  Frage  auf:  sind  wir  nicht  berechtigt,  die  Version  vom  Opfer- 
tod des  Claudius  schon  für  die  , Kaisergeschichte '  zu  vermuten? 

Ich  glaube,  wir  können  sie  bejahen.  Dass  Desippos  sie  niclit  hatte, 
haben  wir  oben  (S.  202.  Anm.  2)  gehört,  und  überhaupt  ist  die  Legende  im 
Werk  eines  Griechen  undenkbar.  Denn  diese  straffe  Auffassung  der  Se- 
natsheiTÜchkeit,  nach  der  der  Kaiser  selbst  nicht  mehr  zu  sein  wünscht, 
als  der  pnnceps  senatus  und  dieser  Ehre  freiwillig  sein  Leben  aufopfert, 
trägt  zu  deutliche  Spuren  ihrer  Herkunft  an  sich.  So  kann  nur  jemand 
berichtet  haben,  der  den  Traum  des  alten  Senats  noch  nicht  ausgeträumt 
hatte.  Das  passt  aber  vortrefflich  zum  Verfasser  der  , Kaisergeschichte'. 
Freilich  Eutrop  will  nichts  von  der  Legende  wissen:  er  schreibt  IX  11. 
2  von  Claudius  IL  ausdrücklich  „morho  interiit"  ^).  Aber  das  schliesst 
nicht  aus,  dass  er  nicht  selbst  auch  die  andere  Version  aus  der  „Kaiser- 
geschichte" kannte,  nur  ebenso  auf  ihre  Verwertung  verzichtete,  wie  das 
auch  Trebellius  Pollio  tat.  Ja,  ich  möchte  sogar  vermuten,  dass  entweder 
Eutrop  hier  stillschweigend")  die  Darstellung  der  , Kaisergeschichte  — 
und  des  Aur.  Vict.  —  ablehnt,  oder  aber,  was  ich  vorziehen  möchte,  dass 
die  „Kaisergeschichte"  selbst  die  Nachricht  vom  Opfertod  in  Gestalt  eines 
on-dit  gab,  an  erste  Stelle  jedoch  den  Tod  durch  Krankheit  setzte  ^.  Dass 

1)  Das  hat  Gräbner  übersehen. 

2)  S.  besonders  auch  E.  Klebs,  Eist.  Zeiif:chr.  Bd.  61  iN.  F.  2.5)  S.  238  und  Anm.. 
der  ebenfalls  eine  gemeinsame  Quelle  annimmt. 

3)  Zu  der  textkritischen  Frage  s.  o.  S.  202. 

4)  Nach  Klebs,  a.  a.  0.  S.  239  hätte  die  „Kaisergeschichte".  Pollio  und  Vopiscus 
die  Legende  noch  nicht  gekannt;  dem  widerspricht  Dessau  auch  Hermes  27  (1892) 
S.  .581  Anm.  1.     Ueber  die  Ansicht  von  Ed.  Schwartz  s.  o.  S.  202,  Anm.  2. 

5)  Sonst  ist  Eutrop  gar  nicht  sehr  genau  in  solchen  Angaben:  so  bleibt  z.  B. 
IX  16  die  Todesart  von  Tacitus  und  Florianus  ganz  im  Ungewissen. 

6)  Vgl.  zu   der   ^stillen  Art"  des  Eutrop:   Enmann  a.  a.  0.  S.  47;^  mit  Anm.  S9. 

7)  Für  die  Zusammenstellung  zwiespältiger  Todesnachrichten  durch  den  Eaiser- 
biographen  (den  Verfasser  der  , Kaisergeschichte")  s.  Enmann  a.  a.  0.  S.  466,  Anm.  34. 

14* 
34 


212 


Ernst  Hohl. 


z^Tei  solche  Versionen  nebeneinander  in  demselben  Werke  stehen,  wird 
niemand  befremdlich  finden,  und  ebensowenig  wird  es  uns  verwundern, 
wenn  wir  gerade  Aur.  Vict.  und  die  Epitome  dankbar  nach  der  wirkungs- 
vollen Legende  greifen  sehen.  Bezeichnend  ist  wieder  die  Umgestaltung 
durch  Aur.  Vict.  —  Denn  dass  die  Epitome  dem  Original  viel  näher  kommt, 
ist  nach  allem  unbedingt  zu  erwarten.  Der  Ausdruck  ^v/trnii  rci  piihlirac 
(lono  fledW  stammt  natürlich  aus  der  Quelle,  da  er  dem  Aur.  Vict.  und 
der  Epitome  gemeinsam  ist.  Den  Namen  des  PomiDonius  Bassus  hat  Aur. 
Vict,  ausgelassen  :  dafür  hat  er  die  Pointe  („qni  re  vera  senatiis  atqur 
ominiiiii  jirii/ccps  erat")  besonders  deutlich  herausgearbeitet'). 


4.    Versuch     einer     stellenweisen      Kestituierung     der 
, Kaisergeschichte". 

Wenn  bisher  der  Nachweis  gelungen  sein  solHe.  dass  die  Epitome 
gerade  nicht  zu  der  -Zosimosquelle",  wohl  aber  zur  .Kaisergeschichte" 
in  engeren  Beziehungen  steht,  so  darf  ich  vielleicht  im  folgenden  für  die 
eine  oder  andere  Stelle  den  Versuch  einer  Restituierung  der  „Kaiserge- 
schichte" wagen.  Es  versteht  sich  dabei  von  selbst,  dass  ein  solcher  Ver- 
such seinem  ganzen  Wesen  nach  problematisch  bleiben  muss  und  dass  es 
unmöglicli  ist,  mehr  als  einen  gewissen  Grad  von  Wahi'scheinlichkeit  zu 
erreichen").  Uebrigens  sagt  schon  Enmann  a.  a.  0.  S.  385.  wo  er  die  Berichte 
über  den  Münzeraufstand  behandelt  und  Eutrop.  Aur.  Vict.  und  Vop.  da- 
für zusammenstellt,  dass  man  an  diesem  Beispiele  sehe,  „wie  sich  die 
drei  Exzerpte  wechselweise  zu  einem  Grundberichte  ergänzen". 

E  u  t  r.  IX  14  Hoc  im-  i  A  u  r.  V  i  c  t.  Caes.  35, 
perante  ctictm  in  urhe  6  Neeptc  secits  intra 
monetarü      rehcllaverunt  \  urhem    monetae    opifices 


ritiatis  pecuniis  et  Feli- 
cissimo  rationali  inter- 
ferto.  Qkos  Aurelianus 
vidos  ultima  crudelitate 
conpescuit. 


deleti,  qui,    cum    auctore 

Felicissimo         rationaU 

mimmuriam   notam   cor- 

rosissent,    poenae     metu 

bellnm  fecerant  usque  eo 

grave,    uti   per    Coeliiim 

■montem  congressi  septem 

fere  heltatonoii  niiJin  eon- 

fecerint. 

Ep i tarne  35,  4  berichtet  bloss :  Hoc  tempore  in  urbe  Borna  monetarii 
rcbeUarunt.  cpcos  Aurelianus  victos  nUima  crudelitate  conpescuit.  Wie  man 
auf  den   ersten  Blick  sieht,  hat  sich  die  Epitome  damit  begnügt,  den  Test 


Vop.  ^  38,  2  Fuit 
sub  Aureliano  etiam  mo- 
netär ior  um  bellum  Feli- 
cissimo rationali  auctore. 
quod  acerrimc  severissi- 
meque  conpescuit,  septem 
tamen  milibus  suorum  mi- 
litum  interemptis,  ut  epi- 
stiila  docet  .  .  .  folgt  ein 
gefälschter  Brief. 


1)  lieber  die   üngenauigkeit   der  Fassung  bei  Aur.  Vict.  s.  besonders  Elebs,    a. 
a.  0.  Anm.  zu  S.  238. 

2)  Immerhin  dürfen  wir  jetzt  den  Ei^itoiuator  immer  da  als  weiteren  Zeugen  für 
die  .Kaisergeschichte"  beiziehen,  wo  er  über  Eutrop  hinausgreift. 


Voiiisciis  1111(1  die  Biographie  des  Knisers   'ffteHiis.  213 

bei  Eiitroi)  zusaiuiiienzuziclHn.  Da  sie  also  ifcwiss  ganz  von  Kutrop  ab- 
hängt, so  scheidet  sie  aus  und  darf  nicht  etwa  als  weiteres  Zeugnis  für 
den  Wortlaut  der  „  Kaisergeschichte "  in  Anspruch  genommen  werden.  Da- 
gegen lässt  sich  der  Briefe)  Vop.  A  38.  3—4  noch  beiziehen  (.  .  .  mone- 
tarii  audore  Felicissimo  .  .  .  rebelies  sjnrifiis  exfidcrunt.  Iii  ronipressi  sutd 
Septem  milihus  .  .  .  intereinptis). 

Ich  denke  mir  den  zu  Grunde  liegenden  Passus  der  ,  Kaisergeschichte" 
etwa  so: 

Monetarü  enim,  qid  audore  Felicissimo  ndioiali  numniornm  iiotam  ri- 
liaveraiit,  rchcUaveruiit.  Quos  Aurelianus  in  Coelio  morde  severissime  mili- 
fihus  cotipesciät  septem  fere  milibus  caesis  et  interempto  ipso  Felicissimo. 

Für  die  moderne  Darstellung  des  Aufstands  vergleiche  man  etwa 
Stein,  bei  P.-W.  VI.  Sp.  2162  f.  s.v.  Fclicissii)iiis.  „rebellaieriint".  bezw. 
„rebelles  spiritiis  extiderunt-  (vgl.  auch  AVölfflin,  a.  a.  0.  S.  476,  wonach 
H  b,  2  „rebelles  anitnos  efferebant"  als  Muster  von  Cl.  11,  8  „rebelles 
animos  cxtiderani'  (Vop.  A  38,  3  ^rebelles  spiritits  extiderunt")  zu  be- 
trachten sei)  steht  sowohl  bei  Eutrop  als  bei  Vop.-  ^)  {„bellum": 
Vop.  und  Aur.  Vict.).  —  „Felicissimo  rationali"  bieten  Eutrop.  Aur. 
Vict.  und   Vop.  {„audore"  noch  ausserdem:    Aur.  Vict.,  Vop.  und  Vop.'-. 

—  Das  „conpescuit"  sichern  Eutrop  und  Vop.  —  dem  ^,uU/iiki  crudeli- 
tate'  bei  Eutrop  entspricht  „acerrime  severissimeque''  bei  Vop.  —  Den 
Kampfplatz  „per  Coeliiim  m'odcm"  gibt  uns  allein  Victor,  aber  es 
liegt  kein  Grund  vor.  dieser  präzisen  Angabe  zu  misstrauen  oder  sie 
etwa  als  eigene,  wenn  auch  richtige  Zutat  des  Aur.  Vict.  auszuschliessen. 

—  „vitiatis  pecuniis"  des  Eutrop  kombiniert  mit  „nummariam  iiotam  ror- 
rosissent^'  bei  Aur.  Vict.  kann  etwa  auf  „nummorum  iiotam  ritiare"  iühren. 
Dazu  ist  zu  bemerken,  dass  der  Ausdruck  „nota"  im  Sinn  von  Gepräge 
bei  Sueton'')  vorkommt  (Suet. -l«//.  7.5.  1  nummos  omnis  notae;  cfr.  ebda. 
94.  12;  Vf/o  25,  2).  —  Schliesslich  steht  noch  die  Zahl  der  Toten  in 
Frage.  Aur.  Vict.  lässt  „Septem  fere  milia  bellatorum'^  umkommen.  Vop. 
spricht  von  .Septem  suorum  (des  Aurelian)  miUtum  interemptis"".  (Die  „Ur- 
kunde" bietet  dieselbe  Zahl,  spezifiziert  aber  die  Truppen  in  höchst  selt- 
samer und  vei-dächtiger  Weise,  gewiss  aus  freier  Erfindung*):  .1  38.  4 
f  lembariorum  ")  et  iUpariensium  et  ('astriaiiorum  et  Darisrorum  :  bezeichnen- 
der Weise  stehen  diese  Namen  im  ganzen  Corpus  sonst  nirgends :  nur 
Daciscimü,    die    an    die  Daeisci    erinnern,    kommen  noch  Pollio  Cl.  17.  3 

1)  Er  ist  natürlich  gefälscht.  Seine  tatsächlichen  Angaben  aber  rnhen  auf  der 
gleichen  Grundlage,  wie  der  Textbericht  des  Vop. 

2)  Mit  Vop.-  bezeichne  ich  den  Brief.  —  :3)  Vgl.  S.  216,  Anm.  1. 

4)  Nach  der  , Terminologie  des  4.  Jahrhunderts'  also  nicht  in  Aurelians  Zeit 
passend,  s.  Peter,  Die  S.  h.  A.  S.  185. 

5)  So  schreibt  Peter  noch  in  seiner  AusijaW  (1884).  ,Umhminnim-  hatte  schon 
Sabuasius  vermutet;  so  auch  Mommsen,  Hermes  24  (1889)  S.  208  Anm.  2.  dem  sich 
dann  auch  Peter,  Die  S.  h.  A.  S.  18.5  angeschlossen  hat. 

36 


2U  En>!<t  Hold. 

vor).  Die  Zahl  7000  scheint  nach  dem  übereinstimmenden  Zeugnis  von 
Yop.  und  Aur.  Yict.  für  die  ,  Kaisergeschichte"  festzustehen;  allerdings 
ist  sie  ausserordentlich  hoch,  vollends  wenn  sie  sich  nur  auf  die  Verluste 
der  kaiserlichen  Truppen  beziehen  soll.  Eigentlich  ist  es  ja  von  vorn- 
herein unwahrscheinlich,  dass  nicht  auch  von  den  monefarii  viele  getötet 
wurden.  Deshalb  möchte  man  vermuten,  dass  7000  die  Gesamtzahl  an 
Toten  (und  vielleicht  auch  an  Verwimdeten)  auf  beiden  Seiten  darstellt. 
Wenn  im  Original  so  gestanden  hat.  wie  ich  oben  andeutete,  dann  konnte 
beides  herausgelesen  werden:  entweder,  dass  Aurelian  den  Aufstand  durch 
seine  Soldaten  niederschlug,  nachdem  (im  ganzen  i  7000  gefallen  waren, 
oder  aber,  dass  Aurelian  den  Aufstand  niederschlug,  nachdem  er  7000 
Soldaten  eingebüsst  hatte.  Vielleicht  haben  wir  in  dem  auffallenden  hel- 
latontui  des  Aur.  Vict.  nicht  eine  schriftstellerische  Koketterie,  die  das 
seltenere,  gezierte  Wort  dem  alltäglichen  milcs  vorzieht,  zu  sehen,  son- 
dern einen  neutralen  Ausdruck  (etwa  gleich  Kombattanten,  vgl.  „bellum" 
oben),  der  also  Münzer  und  Soldaten  in  sich  begriff.  Die  genaue  Ueber- 
setzung  scheint  allerdings  dieser  Auffassung  nicht  günstig  zu  sein.  Dass 
man  an  sich,  wenn  die  grosse  Grausamkeit  Aurelians  hervorgehoben  wird, 
vor  allem  die  Angabe  der  Verluste  bezw.  des  weiteren  Schicksals  der 
Münzer  —  Aur.  Vict.  sagt  sehr  dunkel  „deleti"  —  erwarten  sollte,  hat 
selbst  Vop.  gefühlt,  wenn  er  A  38,  2  „Septem  tamru  miUhiis"  etc.  sagt. 
Der  Tod  des  Felicissimus  (vgl.  Eutrop)  war  gewiss  auch  in  der  ,  Kaiser- 
geschichte"  erwähnt.  Ueber  das  „Missverständnis  der  bis  zur  Zweideu- 
tigkeit knappen  Eutropstelle"  bei  Suidas  s.  v.  MoriTÜQioi  s.  Stein  bei 
P.-Tr.  VI.  Sp.  2163.  Auch  nach  ihm  gehen  alle  diese  Xachi-ichten  auf 
eine  einzige  Quelle,  wahrscheinlich  die  verlorene  .Kaiserchronik'"  (wie 
er  unrichtig  statt  „ Kaisergeschichte "  sagt)  zurück  und  ebenso  urteilte 
Groag  bei  P.-W.  V,  Sp.  1372/73. 

Noch  eine  zweite  sehr  einfache  Stelle  möchte  ich  kurz  liehandeln  (s. 
Enmann,  a.  a.   0.  S.  386). 

Vop.  Ä  39,2  mvros  urhis  Romae  sie  ampJknit,  ut  quiunnaginta  prope 
inilia  nntrotiim  eins  amhitiis  teneant  (vgl.  ^4  21,  9  His  actis  cum  viderct  piosse 
fieii,  ut  aliquid  tule  iteriim,  quäle  siib  Gallieno  evcnerat.  provciüret,  adhi- 
hito  consilio  semttus  mnros  urhis  Bomae  dilatavit  .  .  .)  —  (zu  His  actis 
vgl.  Aur.  Vict.  Caes.  35,  7 :  His  tot  tantisque  prospere  gestis  .  .  .). 

Aur.  Vict.  Caes.  35,  7  ac  ne  umquam,  cptae  per  Gallienum  ereiieranf. 
acciderent,  muris  nrbem  cpiam  t^alidissimis  laxiore  ambitu  circumsaepsit. 

E  u  t  r.  IX  15    Urbem  Romam   muris  firmioribus  cinxit. 

Epit.  35,  6  Hie  tmn-is  validioribus  et   laxioribus  urbem  saepsit. 

Die  Begriffe  ^urbs"  und  „muri"  (wofür  freilich  auch  , )Hoc«?n "  stehen 
könnte)  sind  allerdings  in  diesem  Zusammenhang  selbstverständlich.  — 
Nun  steht  ^ambitus"  sowohl  bei  Vop.  als  bei  Aur.  Vict.:  —  ^laxior"  bei 
Aur.  Vict.   nnA  der  Epitomc :  —  „circiimsaepsit"  bezw.  das  Simplex   .sacp- 

37 


VdjiiscKs  inid  (l/c  B/(i(/r((pliir  des  Kdisds   TdcUiis.  215 

sit"  bei  Atir.  Vict.  und  der  Epitome:  —  „validiis''  bei  Aur.  Vict.  und  der 
Epifonie  (dem  entspricht  ,fir)iu(s''  bei  Eutrop).  —  Die  genaue  Zahlungabe 
für  den  Gesamtumfang  der  Mauern  bietet  \'()p..  wobei  jedoch  nach  Groag 
bei  P.-W.  V.  Sp.  lo77  die  ")()  Milien  wolil  von  „pcdcs'',  nicht  von  „jxis- 
siis"  zu  verstehen  wären.  Auffallend  ist,  dass  sowohl  Aur.  Vict.  als  auch 
Vop.  an  der  vorderen  Stelle  (^'1  21.  9)  gewissermassen  die  pragmatische  Ver- 
knüpfung bieten,  die  sehr  gut  aus  der  „Kaisergeschichte '  stammen  könnte, 
besonders  da  es  sich  um  einen  Ausfall  gegen  den  dieser  so  verhassten  Gal- 
lienus  handelt:  vgl.  auch   II.  Peter.  Die  S.  h.  A.  S.  88  f..  S.  89  Anm.  1  ')• 

1)  Es  luuss  übrigens  auffallen,  dass  der  Hinweis  auf  die  Ereignisse  unter  Gal- 
lienus  zweimal  in  der  v.  A  auftritt  (18,  4),  beim  Markomanneneinfall  {In  illo  autnn 
timore,  quo  Marcomanni  cuncta  vastabant,  ingentes  Romne  seditiones  motae  swit  paven- 
tibws  cunctis,  ne  eadem.  ijuae  siih  Gull  i  eno  fueranf,  proveni  r  c  n  t)  und 
(21,  9)  beim  Mauerbau.  Da  nun  ein  ganz  entsprechender  Ausdruck  auch  bei  Am-. 
Vict.  Caes.  So.  7  bei  der  Erwähnung  des  Mauerbaus  sieh  findet,  so  hat  Lecrivain. 
a.  a.  0.  S.  3-56  Anm.  4,  ohne  übrigens  auf  die  Dublette  .4  21.  9  aufmerksam  geworden 
zu  sein,  bemerkt,  dass  A  18,4  von  Vop.  aus  der  , Kaisergeschichte '  ungeschickter- 
weise (,maladroitement")  ein  Ausdruck  gesetzt  worden  sei,  der  sich,  wie  Aur.  Vict. 
zeige,  auf  ein  anderes  Ereignis  (den  Mauerbau)  beziehe.  Betrachten  wir  den  Zu- 
sammenhang bei  Aur.  Vict.  Caes.  3-5.  2  berichtet  er  den  Einfall  der  Alamanneu  in 
Italien  (vgl.  Bruno  Rappaport,  Die  EinfäUe  der  Goten  in  das  römische  Reich,  Leipzig 
1899,  S.  96).  Dann  wird  Tetricus'  Schicksal  erzählt  und  daran  schliesst  sich  die 
Nachricht  vom  Münzeraufstand.  3.5.7  fährt  er  fort:  Eis  tot  tuntisque  pro- 
s  pere  (j  est  i  .s  famtiii  Romne  Soli  macinificum  constituit  donariis  ornans  opulenti»,  ac 
II  e  u  m  quam,  quae  per  G  allie  n  «  m  evcnerant,  accide  re.nt ,  muris  ui- 
liem  .  .  circumsaepsit.  Der  Passus  über  Gallien  kann  sieh  nur  darauf  beziehen,  dass 
unter  ihm  „die  Alamannen  in  Italien  einfielen  und  hier  plündernd  bis  Rom  vorrückten" 
(s.  Rappaport  a.  a.  0.  S.  61 :  L.  Homo,  Essai  sur  le  regne  de  l'empereur  Aurclien. 
S.  .52.  Anm.  .5;  Zos.  I  37.1).  Wir  wissen,  dass  die  „Kaisergeschichte"  dem  Gallien 
äusserst  ungünstig  gesinnt  war  (s.  Enmann.  S.  434  f.  vgl.  o.  S.  200.).  Also  passt 
dieser  Hieb  gegen  den  Kaiser  ganz  zu  ihren  Tendenzen.  Lecrivain  hat  nun  gewiss 
recht,  wenn  er  die  Phrase  aus  der  .Kaisergeschichte"  herleitet  (beachte  A  21. 9 
His  actis  (ohne  Beziehung!);  folgt  der  Mauerbau  und  Aur.  Vict.  Caes.  35,7: 
His  tot  ta  ntisque  prospere  gestis  folgt  Sonnentempel  und  Mauerbau).  Nur 
braucht  bei  Vop.  an  der  ersten  Stelle  (.1  18,4)  der  Ausdruck  nicht  „maladroitement" 
gesetzt  zu  sein,  weil  er  sich  in  der  .Kaisergeschichte"  auf  ein  anderes  Ereignis  be- 
zogen habe.  Denn  tatsächlich  handelt  es  sich  ja  A  18, 4  um  Barbareneinf^llle  in 
Italien  (Markomannen  sagt  Vop.:  nach  Rappaport  a.  a.  0.  S.  96  waren  es  Juthungen 
und  Alamannen).  Es  ist  also  ganz  verständlich,  wenn  in  Rom  grosse  Aufregung  ent- 
steht, -weil  alle  befürchten,  es  könnte  wieder  gehen,  wie  unter  Gallienus".  Wenn 
es  dann  ^21,9  heisst:  Bis  actis  cum  mderet  2'osse  fieri,  id  aliquid  tale  iterum,  quäle 
sub  Gallieno  evenerat,  proveiiiret.  adhibito  consilio  senatus  muros  urUs  Romae  dilatavit. 
so  ist  auch  hier  alles  in  Ordnung,  wie  zudem  die  angeführte  Stelle  des  Aur.  Vict. 
zeict.  Aurelian  ist  durch  die  Niederlage  bei  Placentia,  die  ihm  die  Barbaren  beige- 
bracht hatten,  gewitzigt.  Die  Form  .per  Galliemim'  bei  Aur.  Vict.  (durch  die  Fahr- 
lässigkeit des  Call.)  ist  noch  schärfer  als  das  chronologische  ..sub  Gallieno'  des  Vop. 
Warum  sollen  nun  nicht  beide  Stellen  A  18.4  und  21.  9  ihr  Vorbild  in  der  .Kaiser- 
geschichte" gehabt  haben?  Ich  glaube,  es  besteht  kein  hinreichender  Grund  mit 
Lecrivain  bei  A  18,  4  an  eine  Verwechslung  zu  denken. 

38 


216 


Ernst  Hohl. 


Das  Wort  „amjjliare''  scheint  mir  Berücksichtigung  zu  verdienen,  da  es 
ähnlich  auch  von  Sueton  gebraucht  wird,  so  Cacs.  18,2  Jemplum^  •, 
vgl.  auch  Eutrop  I  4 :  iirhcm  (tiiqilidr/t  ddiecfo  C'oelio  morde  und  Chronoijr. 
rom  J.  354  [Chronica  iii/iioni  I,  S.  147.  Z.  13  f.):  lamme  rirci  umpUatae 
fiunt  *).  Ich  denke  mir  also  die  Stelle,  abgesehen  von  der  pragmatischen 
Verknüpfung,  etwa  so: 

Urbeni  Bomaiii  ampliavit  murisque  ralklioribus  et  laxiorihus  cirrmii- 
saepsit,  nt  qiiinqiiayinta  prope  milia  (pedum)  murorum  anihitus  feiiereiifhe/.w. 
tcneaiit.  da  der  Zustand  zur  Zeit  des  Autors  noch  andauert). 

Diesmal  scheint  der  Versuch  etwas  besser  gesichert,  da  die  meisten 
Elemente  des  Satzes  doppelt  bezeugt  sind  und  auch  die  Epitome  beige- 
zogen werden  konnte. 

Für  einen  weiteren  Passus  hat  ebenfalls  Enmann  S.  :3!)5  dieBericlite 
von  Vop..  Aur.  Vict.  und  Eutrop  zusammengestellt.  Ich  füge  nocli  die 
Epitome  meiner  Auifassung  entsprechend  bei: 


Vop.  Car.  12, 
1  cum  oculos  do- 
lere  coepisset  .  .  . 
ac  ledic.a  portare- 
fur,  fadione  Apri 
soceri  sui  ...  oc- 
cisus  est.  2  sed 
cum  per  plurimos 
dies  de  imperato- 
ris  sahite  quacre- 
titr  a  miJitv,  con- 
tionareturque 
Aper  idcircu  il- 
lum  videri  non 
posse,  quod  ocu- 
los invcdidos  a 
cento  ac  soJe  .sub- 
traheret ,  foetorc 
tarnen  cadaveris 
res  esset  prodita, 
omnes  inraserunt 
Apruni.  .  .  . 


A  u  r.  Vict. 
Cacs.  38,  6  At 
Nurneriarms  .  .  . 
Apri  praef.  praet. 
soceri  insidiis  ex- 
stinguitur.  7  quis 
casum  dctulit  ado- 
lescentis  ocidorum 
dolor.  8  ßenique 
diu  facinus  occul- 
taturn,  dum  clau- 
surn  lectica  cada- 
rer  specie  aegri, 
ne  rento  obtunde- 
retur  acies,  gcsta- 
butur.  39,  1  Sed 
postquarn  odore  ta- 
hescentium  mem- 
brorurn  sceluspro- 
ditnm  est.  .  .  . 


Eutrop.  IX, 
18,  2  Xurneria- 
nus  quoque  .  .  ., 
cum  ocidorum  do- 
lore correptus  in 
lecticida  veheretur, 
inpulsore  Apro, 
qiii  socer  eius  erat, 
per  insidias  occi- 
sus  est.  Et  cum 
dolo  ocritltaretnr 
ipsiusinors,  quous- 
que  Aper  invadere 
posset  imperium, 
foetorc  cadaveris 
prodita  est.  Mi- 
Utes  eriim ,  qui 
eitrn  sequebantur, 
putore  comrnoti  de- 
ditctis  lecticulae 
palUispost  alicßiot 
dies  mortem  eius 
notant  habere  po- 
tuerurit. 


Epitome  38,4 
und  5  :   Xumeri- 

(IIHIS   quoque.    .  .  . 

.  .  .  . ,  cinn  oculo- 
riim  dolore  correp- 
tus in  lecticida 
veheretur,  irripul- 
sore  Apro ,  qui 
socer  eins  erat,  per 
insidias  occisus 
est.  Cum  dolo 
occultareturipsius 
mors ,  quousqne 
Aper  iiimdere  pos- 
set irnperium,  foe- 
torc cadaveris  sce- 
lus  est  proditmn. 


1)  Vielleicht  erscheint  es  als  petitio  principU,  wenn  wir  für  den  Verfasser  der 
,  Kaisergeschichte '  suetonische  Ausdrücke  beanspruchen.  Aber  ich  halte  mich  nicht 
für  berechtigt,  da.  wo  sie  sich  bieten,  sie  von  der  Hand  zu  weisen. 


39 


VopincHH  lind  die  Biognipliie  des  Kaisers  Tacitus.  217 

Die  Epitomc  hat  also  wörtlich  den  Text  Eutrops  abgeschrieben.  Doch 
hat  sie  sogar  seinen  allzu  knappen  Ausdruck  verbessert  durch  die  Ein- 
fügung von  „sccliis^  als  Subjekt  des  Nachsatzes.  Ich  vermute,  dass  auch 
in  der  „Kaisergeschichte"  „scchis"  in  diesem  Zusammenhang  gesagt  war. 
weil  dieselbe  Phrase  auch  bei  Aur.  Vict.  {sceliis  proditiim  est)  auftritt. 
Dass  aber  die  Epitome  in  dieser  Gegend  über  Eutrop  liinaus  die  „  Kaiser- 
geschichte" selbst  eingesehen  hat,  geht  aus  der  Erwähnung  des  Sabinus 
lulianus  hervor,  den  Eutrop  nicht  beachtet.  Aur.  Vict.  jedoch  bloss  lu- 
lianus  nennt  (Caes.  39,  10).  Enmann  könnte  also  hier  in  dem  gemein- 
samen „scelus"  mit  demselben  Recht  einen  Anklang  der  Epitome  an  Aur. 
Vict.  entdecken,  wie  er  das  für  „dticciitcsiiiuis"  getan  hat  (s.  o.  S.  203). 
Inpulsore  Apro.  das  allein  von  Eutrop  geboten  wird,  da  ja  bei 
wörtlichen  Uebereinstimmungen  die  Epitome  nur  den  Text  Eutrops  sichert 
und  nicht  etwa  eine  weitere  Gewähr  für  den  Wortlaut  der  ., Kaiserge- 
schichte"  bietet,  erinnert  sehr  an  Sueton,  Claudius  2.5,  4:  impulsore  Chresto. 
—  Auch  foetor  kann  in  der  gemeinsamen  Quelle  gestanden  haben  (Vop.: 
foetore  cadaveris  res  esset  prodita;  Eutrop:  foctore  cadaceris  prodifa)^]. 
Dass  Aur.  Vict.  das  imschöne  Wort  vermeidet  und  vornehm  odore  sagt, 
ist  recht  bezeichnend  für  seine  stilistischen  Tendenzen ;  dafür  sieht  er  sich 
aber  genötigt  tahescentium  memhrorum  beizusetzen.  Wenn  nach  Vop. 
die  Sänfte  den  Augenleidenden  gegen  Wind  und  Sonne  (a  vento  ac  sole). 
nach  Aur.  Vict.  bloss  gegen  den  Wind  {ue  vento  obtmideretur  acies)  schützen 
soll,  so  stand  gewiss  beides  in  der  Vorlage.  Die  Stelle  der  ..  Kaiserge- 
schichte"  lässt  sich  also  etwa  folgendermassen  restituieren: 

Jfumerianus,  cum  oeulos  dolere  coepisset  ideoque  in  lecticuhi  vclicretur. 
(ptae  palliis  claiidebatur,  ne  vento  neu  sole  imperator  obtunderetur,  inpid- 
sore  Apro,  qui  socer  eins  erat,  pier  insidias  occisus  est  ntque  occultaiatur  diu 
mors  cadarere  quoque  in  lecticula  clauso.  Sed  foetore  cadaveris  seelus  est 
proditum  —  dann  folgte  wohl  die  anschauliche  Schildening,  die  uns  allein 
Eutrop  bewahrt  hat.  wie  die  Soldaten,  die  die  kaiserliche  Sänfte  beglei- 
teten, „putore  commoti"  aufmerksam  werden,  die  Vorhänge  der  Sänfte 
herabziehen  und  so  das  Verbrechen  entdecken.  Man  geht  schwerlich  fehl, 
wenn  man  die  Elemente  dieser  Erzählung  der  „Kaisergeschichte"  zuweist. 

Wenn  ich  nun  diese  Fälle  noch  einmal  zusammengestellt  habe,  ob- 
wohl ja  das  Material  auch  schon  Enmann  geboten  hatte,  so  geschah  es 
in  der  Hoffnung,  einmal  die  Epitome  aus  ihrer  Isolierung  —  dass  sie  bei 
Enmann  isoliert  erscheint,  brachte  der  Gang  seiner  Untersuchung  und  der 
damalige  Stand  der  Forschung  notwendig  mit  sich  —  herausreissen  zu 
können,  sodann  aber  ihre  scheinbare  Beziehungen  zur  „Zosimosquelle"  da- 
durch auszuschalten,  dass  ich  ihr  Zurückgehen  auf  die  .Kaisergeschichte" 
wahrscheinlich  zu  machen  suchte. 


1 1  Eiitrop  bietet  noch  zudem  jjutor. 

40 


218  Ernst  Hohl. 

5.  U  e  b  e  r  e  i  n  i  g  e  D  u  li  1  e  1 1  e  n  in  der  G  e  s  c  h  i  c  li  t  e  der  r  ö  - 
mischen  Kaiser. 
Vielleicht  darf  ich  liier  noch  kurz  auf  ein  paar  Dubletten  in  der  Ge- 
schichte der  römischen  Kaiser  hinweisen.  Es  gibt  bestimmte  Motive,  die 
sehr  gern  an  den  geeigneten  Stellen  wiederkehren  und  der  Forschung  hin- 
dernd im  Wege  stehen,  da  sie  mit  ihrem  ausgebildeten  Schema  Feinde 
der  historischen  Tatsachen  sind.  Schon  Ranke  hat  in  der  WelfgescJiirJife 
III,  1  (1886*)  S.  462  Anm.  1  anlässlich  der  Erzählung  vom  Tod  Aurelians 
gezeigt,  dass  dasselbe  , Histörchen"  auch  bei  Domitian,  Commodus  und 
Gallienus  vorkommt  und  sogar  schon  von  Siieton  bei  Caligula  in  Umlauf 
gebracht  worden  ist ').  Natürlich  genügt  die  blosse  Wiederholung  dessen, 
was  uns  als  Schablone  erscheinen  mag,  noch  nicht,  um  eine  Erzählung 
allein  aus  diesem  Grund  zu  verwerfen-).  Es  gibt  nun  einmal  im  histori- 
schen Leben  Fälle,  die  sich  immer  wieder  unter  dem  Druck  ähnlicher 
Verhältnisse.  Zustände  und  Bedingungen  ähnlich  abspielen  müssen.  Man 
braucht  nur  eben  an  das  Ende  der  römischen  Kaiser  zu  denken,  das  so 
oft  verwandte  Züge  aufweist.  Mancher  Selbstmord  ist  hier  in  ähnlicher 
Weise  vollzogen  worden  und  manches  Attentat  der  Soldaten  hat  Analo- 
gien gefunden.  Andererseits  liebt  die  römische  Literatur  und  vor  allem 
da,  wo  sie  von  der  Khetorenschule  ^)  beeinflusst  ist.  wirkungsvolle  Effekte. 
Allmählich  bildet  sich  etwas  wie  ein  Formelschatz  heraus,  der  in  den  Be- 
darfsfällen verwertet  wird.  Die  histoi-ische  Wahrheit  aber  kann  sich 
dieses  Unkrauts  nur  schwer  ei^wehren.  Eine  beliebte  Version  ergibt  sich 
z.  B.  aus  einem  Vergleich  zwischen  der  Erzählung  vom  Ende  des  Victo- 
rinus  und  der  vom  Tod  des  Carinus.  Eutrop  IX  9,  3  berichtet:  Vido- 
riniis  posfea  Galliariim  accepit  imperhini,  vir  sfreiiiiissiwns,  secl  cum  tiimiae 
Ubidhüs  esset  et  mafr/Dioma  aJ/ciia  corninipcret,  Agrippinae  occisus  est  ac- 
tiiar'w  (pioflam  dohim  mach / »auf r.  imperii  siii  anno  secundo.  Genaueres 
erfahren  wir  von  Aur.  Vict.  Cacs.  33,  12:  Hoc  (Mario)  iugiüato  post  bi- 
duum  VictoriiiHS  dcJigititr,  belli  scieiitia  Posfumo  par.  verum  libidinc  prae- 
cipiti;  cpiu  coliihita  in  e.rordio  post  biemiii  imperium  constupratis  ri  pleris- 
([ue,  nbi  Attifiani  coniiigem  conciipirit,  facitiiisque  ab  ca  viro  patefadum 
est,  accensis  ftniiw  nüUtihiis  i)er  scditionem  Agrippiune  occiditur.  13 
Tantum  aduariorum.  cptorum  loco  Attitianiis  hahebafur,  in  exercitn  fac- 
tiones  vigent,  .  .  .  (folgt  ein  gi-immiger  Ausfall  gegen  die  ^aduarii" 
(cf.  Seeck  bei  P.-W.  I,  Sp.  301  s.  v.  actarius  2)).  VgL  auch  Treb. 
Pollio  T  6.  3:    tunc  interfecto  etiani  LoHiano   solus    Victorinus  in    imperio 


1)  Vgl.  E.  Klebs.  Bas  (hjnaslische  Element  in  der  Geschichtsschreibung  der  rumi- 
schen Kaiserseit.  Hist.  Zeitsehr.  Bd.  61  (N.  F.  25)  1889,  S.  237  (für  den  Tod  des  Gal- 
lienus) und  Die  Vita  des  Aridius  Cassius,  Bhein.  Mus.  43  (1888)  S.  341  Anm.  3.  Ferner 
J.  M.  Heer.  Ver  histoi-ische  Werf  der  vita  Commodi.  Philol.  IX.  Suppl.-Bd.  1904.  S.  113  f. 

2)  Vgl.  Heer  a.  a.  0. 

3)  Vgl.  H.  Peter,  Die  (,esch.  Litt.  l\.  S.  290  f.  (I.  S.  36  f..  S.  22  f.). 

41 


Vop/scKs  ittitl  flie  liiiKjiiijihie  des  Kaisers   Tueihis.  219 

remansit,  qiii  cf  ipse,  (jiwd  umtriiiioniis  milHum  et  militanuni  corrum- 
pcndis  opcratn  daret.  a  quodam  nrtKario,  ciüiis  itxorem  stuprarcnit,  com- 
posifa  factione  A(jrippinac  percnssus  .  .  . '  |.  Vom  Tod  des  Carinus  er- 
zählt Aur.  Vict.  Caes.  39,  11  u.  12  abermals:  At  Carinus  ubi  Moesiam 
co)ifir/if,  illico  Margum  iuxta  Dioclctiano  cotitjrcssns,  dum  rictos  avide  pre- 
meret,  siiorum  idu  interiit,  qiiod  Ubidine  impatiens  miütarimn  nuptas  af- 
fectahat.  qiiarum  infestiores  viri  iram  tarnen  dolorcuiqtie  in  erentum  belli 
distulerant.  12  Quo  prosperiiis  cedente  metu,  ne  Jmiusccmodi  ingeniuni  ma- 
(fis  magisque  victoria  insolcsceret,  sese  ulti  sunt.  Die  Epitome  38,  7  und 
8  sagt  mit  mehr  Detail  von  Carinus:  Mafriiuonia  nobiliion  corrupit.  .  .  . 
8  Ad  extremum  tri«id((fHr  das  praeripue  trihuui  dexfera,  niius  dieebattcr 
eoniiigem  polluisse.  (Vgl.  Th.  Opitz,  a.  a.  0.  S.  253).  Opitz  behauptet 
für  Aur.  Viet.  und  Epitome  geraeinsame  Quelle.  Gewiss  haben  beide  aus 
der  .,  Kaisergeschiclite"  geschöpft.  Eutrop  hat  für  Carinus  die  Nachricht 
einfach  übergangen,  möglicherweise,  weil  ihm  die  verwandte  Erzählung 
von  Victorinus  noch  in  Erinnerung  war:  Aur.  Vict.  üht  zwar  diese  Be- 
schränkung nicht,  drückt  sich  aber  ganz  allgemein  aus.  Die  Epitome,  die 
über  Victorinus  schweigt,  hatte  keinen  Anlass,  die  Anekdote  zu  unter- 
drücken, die  sie  über  Eutrop  hinausgehend  der  .Kaisergeschichte"  selbst 
entnommen  haben  muss.  Es  liegt  übrigens  kein  Grund  vor,  das  Vorkommen 
beider  Berichte  in  der  „Kaisergeschichte"  zu  bezweifeln.  Der  Ausdruck 
matrimonia  corrumperc  kann  ihr  zugehören.  Er  steht  bei  Eutrop  und 
Pollio  für  Victorinus,  in  der  Epitome  für  Carinus.  Man  sieht  auch  hier- 
aus, dass  Aur.  Vict.  sich  am  meisten  stilistische  Freiheit  gewahrt  hat. 

Eine  weitere  „  Wanderanekdote "  -)  sei  noch  erwähnt :  sie  steht  Aur. 
Vict.  Caes.  13,  10  von  Traian:  Epitome  40.  19.  Anonymus  Valesianus  4, 
11  mid  Euseb.  hist.  eccl.  VIII.  14.  11  erzählen  sie  von  Maximinus  Daja 
(vgl.  Seeck.  Gesch.  d.  Untergangs  der  untilcen  Welt  I  (1910^)  S.  43  Z.  29  ff. 
und  dazu  Anm.  auf  S.  465).  Es  handelt  sich  um  das  Verbot  der  Herrscher. 
Befehle,  die  sie  abends  in  der  Weinlaune  gegeben  hatten,  am  andern 
Morgen  ohne  weiteres  auszuführen^).  —  So  berichtet  die  Epitome  Vi.  10 
dasselbe  omen*)  vor  dem  Aufkommen  Traians,  das  nach  Sueton,  Damit. 
23.  2  das  Hinscheiden  des  Doraitian  verkündet  haben  soll  (s.  Ihm,  in  s. 
Ausg.  des  Suet.  I,  1907,  S.  353  zu  Z.  18  f.).  —  In  der  r.  A.  C.  2,  5  u.  ß 
heisst  es  in  einem  gefälschten  Brief  des  Kaisers  Marcus:    seis  cnim  ipse. 

V)  Vgl.  Th.  Opitz,  a.  a.  0.  S.  248;  Enmanu,  a.  a.  0.  S.  :?79. 

2)  Vgl.  ÄS  48,  6  scio  viilfium  hanc  rem,  quam  contexui,  Traiani  putare  (statt  von 
Severus  Alexander).  —  Wenn  übrigens  nach  AS  b2,  S  (vgl.  53.10;  .54,3)  Severus 
Alexander  meuternde  Truppen  als  Quiritest  anredet,  so  ist  das  nach  dem  Vorbild  Cae- 
sars erfunden  (vgl.  Suet.  Caes.  70;  Tac.  Ann.  I  42). 

3)  Vgl.  auch  Arthur  Cohn,  a.  a.  0.  S.  17.  S.  04  über  die  gleiche  Klage  beim  Tod 
des  Augustus  und  des  Severus. 

4)  Vgl.  Frid.  Wagner,  De  ominihus  qitae  ab  Augusti  iempvribus  usqiie  ad  Dioch- 
tinni  aetatem  Caesarilnis  facta  trarluntur,  Diss.  Jena  1888,  S.  39. 

42 


220  J-^rnst  llolil. 

quid  avus  tiius  Hadrianus  dixerit:  „Miscra  condicio  imperatorum,  quibiis 
de  adfecta  t;/ranni(lc  nisi  occisis  non  potest  credi."  Eins  autem  exempJum 
ponere  malid  quam  Domitiani  ^),  qid  hoc.  prünus  dixisse  fertiir.  tyrannoruni 
enim  etinm  hona  dicta  non  hahetd  tantum  audoritatis,  quantmn  dehent. 
Nun  lesen  wir  bei  Sueton  Dumif.  21  (s.  Ihm,  a.  a.  0.  S.  352  Z.  8  ff.) : 
condicionem  principum  miserrhnum  uicbat,  quilms  de  conitiratione  compcrfü 
non  crederetiir  nisi  occisis.  Die  Stellen  sind  in  doppelter  Hinsicht  von 
Wert:  einmal  wegen  der  charakteristischen  Veränderung  (aus  de  coniu- 
nä/onr  coinperta  wird  de  adfcrta  fi/ninnidr)  -),  sodann  wegen  der  klar  aus- 
gesprochenen Tendenz  in  der  r.  A.  C.  Der  Briefschreiber  Marc  Aurel. 
also  natürlich  Vulcacius  GaUicanus  oder  wer  der  Verfasser  der  Vita  sein 
mag,  selbst  will  nicht  das  Wort  eines  ,,  schlechten '"  Kaisers  zitieren.  Also 
legt  er  es  ohne  Umstände  einem  ..guten"  —  oder  wenigstens  als  bedeu- 
tend anerkannten  —  Hen-scher  bei  imd  ist  nur  so  naiv,  uns  glauben  zu 
machen,  dass  aucli  Hadrian  dasselbe  AVort  geprägt  haben  soll. 

Man  mag  aus  diesen  Beispielen  entnehmen,  dass  es  an  absichtlichen  oder 
unabsichtlichen  Uebertragungen  und  Verwechslungen  in  der  römischen 
Kaisergeschichte  nicht  fehlt  und  es  auch  bestimmte  Schablonen  gibt,  nach 
denen  immer  wieder  dankbar  gegriffen  Avird.  Dass  übrigens  Anekdoten 
„wandern",  ist  eine  Erscheinung,  zu  deren  Studium  wir  uns  nicht  in  die 
römische  Kaisergeschichte  zu  flüchten  brauchen. 

6.  Die  ,.  K  a  i  s  e  r  g  e  s  c  h  i  c  li  t  e "  und  die  ^i  o  r  i". 
Es  liat  sich  aus  den  Geschichten  über  den  Tod  des  Victorinus  und 
des  Cariuus  mit  Wahrscheinlichkeit  ergeben,  dass  sie  beide  aus  der  ,.  Kai- 
sergeschiehte"  stammen.  Aber  ausser  einer  deutlichen  Schablonenarbeit, 
wie  in  diesem  Fall,  glaube  ich  auch  eine  gewisse  Vorliebe  für  ^ioci" 
feststellen  zu  können.  Wenn  von  „ioci'^  oder  gar  ^ioca^  die  Redeist,  .so 
pflegt  man  ja  unwillkürlich  an  Marius  Maximus  zu  denken,  der  als  Spe- 
zialist in  derartigen  Dingen  gilt^).  Nun  scheidet  diese  Bezugsquelle  aus 
chronologischen  Gründen  für  die  späteren  Teile  (seit  Severiis  Alexander) 
aus.  Aber  die  ~iocf^  sind  nicht  bloss  eine  Spezialität  des  Marius  Maxi- 
mus, sondern  ein  integrierender  Bestandteil  jeder  Biographie  übei'haupt 
und  vollends  der  der  römischen  Kaiser.  Ich  möchte  auch  den  Verfasser 
der  „  Kaisergesehichte "  hieven  nicht  ausgenommen  wissen.  Wieder  ist  es 
die  Epitome,  die  uns  auf  ihn  verweist.  Wenn  Aur.  Vict.  und  Eutrop  in 
dieser  Hinsicht  nicht  viel  ergeben,  so  ist  dies  bei  ihrer  literarischen  Stel- 
lung und  ihrem  Charakter  als  Breviarien  gewiss  nicht  verwunderlich.  Am 
wenigsten  lässt  sich  hieraus  ein  Schluss  gegen  das  Vorkommen  von  .ioci" 


1)  Vgl.  Pollio  Ch  3.  6  ^nolo  autem  dicere  Domitiani' . 

2)  Ueber  ii/rantiis,  lyrannus  in  der  H.  A.  vgl.  Kornemann  a.  a.  0.  S.  14  Anm.  3 
(S.  136:  tyrannus  auf  Inschr.  theodosianischer  Zeit). 

8)  Vgl.  Kornemann,  a.  a.  0.  S.  44  f.;  60;  62;  65;  82. 

43 


Vopiscus  iiml  die  Bin<jruphic  des  Kaisers  Turitiis.  221 

in  ihrer  gemeinsamen  Quelle,  der  „Kaisergeschichte",  ziehen').  Der  Epi- 
tomator  ist  durch  keine  Rücksichten  gebunden.  Unbedingt  den  Eindruck 
einer  relativen  Echtheit  erweckt  das  Bonmot  Am-elians  über  Tetricus. 
Epitome  35,  7:  Hif  (Aurelianiis)  Tefricum,  qiii  imperator  ab  exeicitii  in 
(ralliis  efectiis  fiteraf,  corredorem  Liicaniac  provexit,  adspergens  homincm 
elegant i  ioco:  „Sublimius  hahendtim  regere  aliquatii  Italiac  partetn,  quam 
frans  Alpes  regnare'.  Die  Pointe  ist  scharf,  es  ist  in  der  Tat  ein  „e?c- 
gans  iociis".  Vortrefflich  ist  die  Betonung  ,ali(jiia  Italiae  pars".  Tetricus 
ist  also  auch  danach  nicht  ^correcfor''  von  ganz  Italien,  wie  PolHo  T  24. 
ö  behauptet,  sondern  nur  von  einem  Teil,  eben  von  Lucanien  (vgl.  Vop. 
-1  39.  1  ;  Eutrop  IX  13.  2).  A.  von  Premerstein  bei  P-Tl'.  IV.  s.  v.  cor- 
rcrtof.  Sp.  16.52  entscheidet  sich  im  Anschluss  an  E.  Klebs.  Rhein.  Mus. 
47,  S.  11  ff.,  besonders  S.  14  Anm.  1.  .zuungunsten  des  notorisch  schwin- 
delnden, gerade  in  der  Tetricusbiograpliie  höchst  unzuverlässigen  Trebel- 
lius  Pollio'"  imd  obwohl  Hermann  Peter,  Die  S.Ji.A..  Anm.  4  zu  S.  2.52. 
sich  auf  den  entgegengesetzten  Standpunkt  stellte,  lässt  doch  auch  er  den 
nach  ihm  falschen  .correetor  Lucaniae"  schon  aus  der  . Kaisergeschichte " 
stammen-).  (Der  Ausdruck  ,ioco  aspergere'  [cfr.  Thesaurus  linguae  La- 
tiiuie  s.  V.  II.  trsl.  2  a]  begegnet  uns  auch  Pollio  T  8,  2:  „a  J\I.  TuUio 
tali  asper sus  est  ioco".)  Epitome  28,  6  führt  ein  „militare  caviUum"  an 
(.alludens  cavillo'  gebraucht  Epitome  9,  14  für  eine  Anekdote,  die  wir 
noch  aus  Suet.  Ves])as.  14  belegen  können  [s.  Ihm,  a.  a.  0.  S.  317  zu  Z.  20] ; 
danach  kann  sie  dem  ,Suetonius  auctus'  oder  vielmehr  dem  ersten  Teil 
der  .Kaisergeschichte"  entstammen,  .cavilhoii-  könnte  also  auch  dort  ge- 
standen hrtbenX     Ein   ..milifaris  ionis-  tritt  Epitome  25,  2  auf. 

7.  .  E  X  r  III  p  I  ((-  in  der  „  Iv  a  i  s  e  r  g  e  s  c  h  i  c  h  t  e ". 
Schliesslich  noch  ein  Wort  über  die  „exem2)la".  Man  kennt  den  Lu- 
xus, den  in  dieser  Hinsicht  die  Rhetorenschulen  getrieben  haben').  Auch 
in  die  Geschichtsschreibung  ist  dieser  Gebrauch  eingedrungen  und  hat 
hier  keineswegs  segensreich  gewirkt.  Soviel  man  unter  Umständen  aus 
geschickten  Vergleichen  lernen  kann,  hier  haben  sie  meist  nur  zur  Ver- 
flachung oder  zur  Verzeichnung  der  eigentlich  charakteristischen  Züge  bei- 
getragen.    Ist  es  doch  an  sich  schon  schwer  genug,  in  die  Seelen  antiker 


1)  Vgl.  übrigens  Aur.  Vict.  Caes.  33. 11  Aoculariter  dictum'.  Der  Ausdruck  Jo- 
cidanier'^  stammt  aus  S  u  e  t  o  n  (cfr.  Aug.  7-5.  1).  S.  auch  Enmann.  a.  a.  0.  S.  441 
für  die  Rubrik  der  .charakteristischen  dieta"  in  der  , Kaisergeschichte '. 

2)  Der  Scherz  wird  auf  die  Quelle  des  Vopiscus  (,ad  Vopisci  fontem")  zurückge- 
führt von  Opitz  a.  a.  0.  S.  2.51. 

3)  Vgl.  Schulz,  Das  Kaiserhaus  iler  Antonine.  S.  134  Aum.  299.  S.  137;  .J.  M. 
Heer.  a.  a.  0.  S.  90,  Anm.  204,  der  aber  in  diesem  Fall  (Sulla-Caracalla)  mit  der 
Annahme  einer  rhetorischen  Floskel  irrt,  wozu  zu  vergleichen  Kornemann,  a.  a.  O. 
.S.  Ih  Anm.  1.  —  Uebrigens  legte  schon  Augustus  grosses  Gewicht  auf  die  e.remphi 
mdlorum.  vgl.  Heinze,   Virgils  epische  Technik  1908^  S.  472  Anm.  1:  S.  473  f. 

44 


222  J-^nist  Hold, 

Menschen  einzudringen,  wie  das  Adolf  Deissmann.  Licht  i-<»ii  Osten  1909. 
2.13.  Aufl.  S.  218  f.  so  schön  hervorhebt:  -Was  uns  in  der  Literatur  an 
Seelen  vorgeführt  wird,  ist  Produkt  der  Kunst,  einer  hohen  Kunst  oft. 
aber  selbst  dann  meist  nur  eine  Zeichnung  nach  Modellen."  Wieviel 
schlimmer,  weun  auch  noch  die  „cxempla'  in  ihrer  Typisierung  und  Seha- 
blonisierung  die  Tudividualität  zu  ersticken  suchen.  Und  dass  mancher 
Herrscher  diesen  literarischen  Spielereien  noch  auf  halbem  Weg  entgegen- 
kam, indem  er  in  der  Rolle  irgend  eines  grossen  Vorgängers  posierte, 
macht  die  Sache  nicht  besser^).  Bei  diesem  Zug  der  Zeit  aber  werden 
wir  uns  nicht  wundern,  wenn  ihm  auch  in  der  .Kaisergeschichte"  Rech- 
nung getragen  wird.  So  wird  z.  B.  zu  Anfang  der  Epitome  3.5,  2  Aure- 
lian  mit  Alesander  dem  Grossen  und  Caesar  verglichen.  Dass  das  nicht 
eigene  Erfindung  der  Epitome  ist.  geht  aus  der  Stelle  deutlich  hervor. 
Im  Original  muss  der  Vergleich  irgendwie  durchgeführt  gewesen  sein, 
was  der  Epitomator  seinerseits  unterlässt.  Ist  unsere  Auffassung  von  der 
Eigenart  der  Epitome  richtig,  so  kann  der  Passus  nur  aus  der  .  Kaiserge- 
schichte'" stammen-).  Dort  hat  er  dem  Epitomator  so  gut  gefallen,  dass 
er  ihn  blindlings  herübernahm,  ohne  sich  um  die  weitere  Verknüpfung  zu 
kümmern.  Ein  Stück  davon,  wie  ein  einzelnes  Glied  aus  einer  Kette  ge- 
rissen, stellt  wohl  die  Angabe  von  drei  siegreichen  Schlachten  in  Italien 
dar,  von  denen  Euti-op  nichts  berichtet^).  Das  angebliche  Interregnum 
nach  Aurelians  Tod  gibt  der  .  Kaisergeschichte "  Anlass  zum  Vergleich 
mit  Romulus.  wie  wir  aus  Aur.  Vict.  35.12  und  Vopiscus  Tnc.  1.1 
schliessen  dürfen  (s.  im  zweiten  Abschnitt  zur  Stelle). 

8.   Historisches  Detail  in  der  Epitome    aus  der  .  K  a  i  s  e  r- 
ge  s  c  h  i  c  h  t  e"". 

Wie  schon  erwähnt,  gewinnen  wir  für  den  Fall,  dass  sich  unsere  An- 
nahme über  das  Verhältnis  der  Epitome  zur  .Kaisergeschichte"  wirklich 
bewähren  sollte,  aus  der  Epitome  manche  wichtige  Notiz.  Dass  viel  Gutes 
in  ihr  steckt,  hat  man  längst  erkannt:  nur  schien  der  problematische  Cha- 
rakter dieser  Quelle  immer  wieder  zu  grosser  Vorsicht  zu  mahnen.  Ich 
habe  mich  ja  auch  von  Anfang  an  ausdrücklich  auf  ihren  dritten  Teil  be- 
schränkt, weil  ich  hiefür  aus  der  Prüfung  des  Verhältnisses  zu  Eutrop 
einen  Schlüssel  zu    gewinnen  hoffte.     Es  ist  schon  Opitz,  a.  a.  0.  S.  246. 


1)  Vgl.  für  die  ,exempla-  in  Hadrians  Autobiographie  Kornemanii  a.  a.  O. 
S.  41  f. ;  s.  auch  A.  von  Premerstein.  Das  Attentat  der  Konsulare  auf  Eadrian  im 
J.  HS,  Klio.  8.  Beilieft.  S.  6  Anm.  1.  wonach  Hadrian  selbst  als  zweiter  Numa  gelten 
wollte. 

2)  Ueber  die  Einführung  mit  Jste^  s.  o.  S.  207. 

.3)  Darüber  dass  der  eine  dieser  Siege  tatsächlich  eine  Niederlage  war.  s.  o.  S.  207. 
Anm.  1.  Oifenbar  ist  dem  Epitomator.  der  die  .Kaisergeschichte"  stark  verkürzte, 
die  Verwechslung  unterlaufen. 

45 


Vo/i/scHS  hikI  die  B/oyaiplüe  iIcs  Kaisers  TkcHhs. 


223 


aufgefallen,  dass  die  Epitome  31,2  über  den  Tod  des  Aeniilianus')  allein 
einen  ausführlicheron  Bericht  bietet,  dass  aber  der  Chroim/mpli  r.  J.  854 
dasselbe  in  iiedränirtester  Kürze  notiert. 


ühronoyr.  anni  CCCLIV.  S.  148 
Z.  3  {Chron.  min.  I»  =  Mommsen, 
Ges.  Sehr.  VII  S.  577):  Acmilianus 
imper.  dies  LXXXVIW^)  oecisns 
ponte  Sanfininario  ■'). 


ruptis  militihiis  arripiiit. 
2  Ad  quem  expugnandum 
profecti  Interamnae  ah 
suis  caeduntur,  .  .  3  Uis 
saue  Omnibus  biennium 
processit.  Nam  Aemilia- 
nus  quoque  trcs  menses 
usus  modesto  imperio 
niorho  nbsuniptusesf 


andw  2»'ofecti  essent,  In- 
teramnae interfecti  sunt 
conpleto  biennio  ....  6 
Aeniilianus  ....  ferthi 
niense  extindus  est. 


Epit.  31,2:  Aemilianus  rero  mense 
(liiiirfo  dominatus,  apud  Spoletium  sive 
poiifcm,  quem  ab  eius  vaede  Sangui- 
nnrinm'^)  accepisse  nomen  ferunt,  inter 
Ocriculum  Narniamque,  Spoletium  et  i 
urbem  Romam  regione  media  positum.  \ 

Man  beachte  die  sorgfältigen  geographischen  Angaben.  Öclion  En- 
mann  hat  a.  a.  0.  S.  343  die  Berichte  von  Aur.  Vict.  und  Eutrop  zu- 
sammengestellt und  als  gemeinsame  Quelle  die  „Kaisergeschiciite"  ange- 
nommen. Danach  können  wir  es  uns  nicht  versagen,  noch  die  Epitome 
heranzuziehen. 

Aur.  Vict.  (Va'.s.  31.1  Eutrop.  IX  5  Suh\  Ejiitome  'il,l  Sub  liis 
lyitur  Ins  Romae  morunti-  j  his  Aemilianus  in  Moesia  i  eiiam  Aemilianus  in  Moe- 
bus Aemiiius  Acmilianus  \  res  novas  molitus  est;  ad  sia  Imperator  effectus 
summam  potestatem  cor-  \  quem  opprimendum  cum  est ,    contra   quem    ambo 

profecti ,  apud  Intcram- 
nam  ab  exercitu  suo  cae- 
duntur, ....  folgt  das 
Alter  des  Vaters  (Vibius 
Gallus)  und  der  Geburts- 
ort, dann  —  2  —  die  ge- 
naue Notiz  über  den  Tod 
des  Aem.  und  —  3  — 
eine  kurze  Charakteristik 
und  Altersangabe. 
Auch  dieser  Vergleich  mag  gleichzeitig  als  Bestätigung  meiner  Auf- 
fassung von  der  Arbeitsweise  der  Epitome  dienen.  Zu  Anfang  des  Ka- 
pitels schliesst  sich  der  Epitomator  an  Eutrop  an;  das  „imperator  effectus 
est"  stammt  aus  dem  eigenen  Sprachgebrauch  der  Epitome  (s.  VVölfflin. 
Arch.  XII,  S.  453).  Für  das  folgende  erweitert  der  Epitomator  den  Eu- 
troptext  aus  der  „Kaisergeschichte".  Das  beweist  der  Ausdruck  „caedun- 
tur", der  auch  bei  Aur.  Vict.  steht  und  also  der  gemeinsamen  Quelle  ent- 
stammen muss.  Auffallen  muss  das  „ambo",  das  bei  Aur.  Vict.  fehlt. 
Bei  Eutrop  geht  voraus  IX  5 :  Mox  imperatores  creati  sunt  Gallus  Ho- 
stilianus  et  Galli  ßius  Volusianiis.  (Vgl.  Aur.  Vict.  Caes.  30, 1  ...  . 
Gcdlo  Uostilianoque  Augnstn  impcria,    Volusianum  (ratio   editum  Caesarem 


1)  Cf.  P.  T.  H.  I.  S.  24  .1  Xr.  20.5. 

2)  Soviel  Tage  soll  auch  Klorian  nach  dem  Chronographen  regiert  haben. 

B)  Vgl.  auch  den  Brückennamen  £p/to)HP  33,2:  Quem  {Aureohim)  nim  apud  pon- 
tem,  qiii  ex  eius  nomine  Aureolus  appellatur.  olitentum  detrunumque  Mediolanum  ohnedit  .  .  . 


46 


224  Ernst  Hohl. 

(lecermiiit  (sc.  ^Ja/rr.s)).  Eutrop  fährt  fort:  ..Siih  Jiis"  mid  tlann  „loiil'n"  : 
danacla  geraten  wir  in  Verlegenheit,  wornuf  wir  das  „aiiiho"  zu  beziehen 
haben.  Bei  Aur.  Vict.  ist  alles  in  Ordnung :  er  hat  den  Tod  des  Hosti- 
lianus  vor  dem  Auftreten  des  Aemilianns  berichtet:  er  sagt  Caes.  31,2 
zwar  nur:  Ad  quem  e.rptignnmJitm  profedi,  also  nicht  „amho" •.  doch  ist 
jedes  Missverständnis  ausgeschlossen.  Denn  es  können  nur  Gallus  und 
Volusianus  gemeint  sein,  deren  gemeinsame  Bemühungen  um  die  Bestat- 
tung auch  der  ärmsten  Leute  während  der  Pest  eben  erwähnt  waren,  und 
auf  die  sich  auch  Caes.  31,  1 :  Igititr  h/s  Bomae  niorant/btis  unzwei- 
deutig bezieht.  Bei  Eutrop  kann  ich  einen  Verdacht  nicht  unterdrücken : 
wenn  er  IX  5  sagt:  J/b.r  imperafores  ercaii  statt  GaUus  Hostilianus  et 
GalJi  filius  Volusianus.  so  sieht  es  fast  aus.  als  habe  er  Gallus  und  Ho- 
stilianus für  eine  Person  mit  Namen  Gallus  Hostilianus  gehalten.  -Jeden- 
falls ist  es  äussei'st  ungenau,  wenn  er  —  im  Gegensatz  zu  Aur.  Vict.  — 
den  Tod  des  Hostilianus  verschweigt  und  trotzdem  sagt :  ad  quem  (Aemi- 
Jianum)  opprhnendum  cum  amho  profedi  essent.  Wenn  Eutrop  wirklich 
richtig  geschieden  haben  sollte  zwischen  Gallus.  Hostilianus  und  dem  Sohn 
des  Gallus.  Volusianus,  so  war  es  höchst  nachlässig  ,,amho"  zu  sagen, 
wenn  doch  drei  Personen  in  Betracht  kommen  konnten.  Es  ist  ja  selbst- 
verständlich, dass  ..amho"  sich  am  leichtesten  auf  zwei  eng  zusammen- 
gehörige Personen,  also  gerade  etwa  auf  Vater  und  Sohn,  beziehen  lässt. 
Da  sich  aber  uns  dem  Vergleich  der  Epitome  und  des  Aur.  Vict.  klar  er- 
gibt, dass  die  „Kaisergeschichte"  den  Tod  des  Hostilianus  durch  die  Pest 
erwähnte,  so  lässt  sich  die  Eutropstelle  auch  aus  einer  ungeschickten  und 
unsorgfältigen  Zusammenziehung  eben  der  „Kaisergeschichte'"  erklären. 
Recht  allgemein  ist  auch  der  Ausdruck  „imperatores''  bei  Eutrop.  da  doch 
Volusianus  nach  Aur.  Vict.  nur  Caesar  war.  Wie  wir  uns  auch  entschei- 
den mögen,  ganz  einwandfrei  ist  Eutrop  an  dieser  Stelle  auf  keinen  Fall. 
Umso  lehrreicher  wird  dadurch  der  Vergleich  mit  der  Epitome.  Obwohl 
nämlich  diese  in  eap.  30  ohne  Zweifel  nach  der  „  Kaisergeschichte "  selbst 
erzählt  —  sie  gibt  allein  die  volleren  Xamen  Vibius  Gallus  und  Hosti- 
lianus Perpenna ').  stimmt  aber  mit  Aur.  Vict..  der  natürlich  derselben 
Quelle  folgt,  im  Bericht  vom  Tod  des  Hostilianus  und  von  der  Verlei- 
hung des  Augustustitels  überein  — .  geht  sie  doch  im  Anfang  von  cap.  31 
im  Wortlaut  zusammen  mit  Euti-op,  um  dann  freilich  wieder  auf  die 
, Kaisergeschichte"  selbst  zurückzugreifen,  weil  ihr  Eutrop  nicht  genügte. 
Ob  sie  das  „amho"  Eutrop  entnimmt,  oder  ob  Eutrop  und  die  Epitome 
es  gemeinsam  aus  der  . Kaisergeschichte "  bezogen  haben,  lässt  sich  wohl 
nicht  entscheiden.  Interessant  aber  ist  die  Reihenfolge  in  der  Epitome  30 : 
Vibius  Gallus  cum  Volusiano  filio  imperaverunt  annos  duos.  Horum  tcm- 
poribus  Hostilianus  Perpenna  a   Senat»  imperator  ereatus.   nee   multo  jmsi 


1)  S.  F.  I.  R.  m.  S.  US  f.    V  Nr.  8. 

47 


l'iip/.sciis  1111(1  (l/c  I!i(i(ifii/ili/i'  des  Kit/.srr.s  Tdc/tiis.  225 

jKsfiloitia  ronsitiiiptiis  est.  (ian/.  unl)ekümmert  setzt  Epitome  31.  1  mit  dem 
aus  Eutrop  stammenden  Suh  liis  wieder  ein.  Ich  glaube  auch  diese 
Stelle  lässt  sich  am  besten  verstehen,  wenn  wir  Erweiterung  des  eutropi- 
schen  Textes  durcli  den  Epitomator  aus  der  „Kaisergeschichte"  annehmen, 
die  danach  sowohl  dem  Eutro]),  als  dem  Aur.  Vict..  als  dem  Epitomator 
vorgelegen  hätte  (beachte  auch  das  vollere  Acnülius  Aenülianiis  bei  Aur. 
Vict.  C'aes.  31.1.  das  gewiss  aus  dieser  Quelle  geflossen  ist)^).  Dass  die 
Epitome  stellenweise  mit  Eutrop  im  AVortlaut  zusanmientrifft,  mit  Aur. 
Vict.  sachlich  über  Eutrop  hinaus  zusammengeht,  schliesslich  aber  noch 
über  beide  hinausgreift,  ohne  dass  Widersprüche  entstehen,  das  alles  er- 
klärt sich  vollkommen  aus  der  Stellung,  die  wir  der  Epitome  zuweisen 
zu  können  glauben. 

9.    Das    Wesen     der    „  K  a  i  s  e  r  g  e  s  c  h  i  c  h  t  e " .    Verhältnis     zu 

S  u  e  t  0  n. 

Im  .5.  Kapitel  seiner  Untersuchung  (S.  432  ff.)  hat  Enmann  über  das 
Wesen  der  verlorenen  Quelle  gehandelt.  Er  weist  ausdrücklich  darauf 
hin,  dass  ihre  Anlage  biographisch  war. 

Ihren  Verfasser,  den  Anonymus,  nennt  er  (S.  442)  einen  „höchst  acht- 
baren Historiker"  ^).  Sind  nun  unsere  Aufstellungen  über  die  Beziehungen 
der  Epitome  zu  der  „Kaisergeschichte"  richtig,  so  können  wir  vielleicht 
in  einzelnen  Punkten  etwas  weiter  kommen,  als  das  für  Enmann  möglich 
war.  So  glaube  ich  unserem  Anonymus  ganz  ähnliche  Senatstendenzen 
zuschreiben  zu  können,  wie  sie  bekanntennassen  Aur.  Vict.  so  unverhohlen 
an  den  Tag  legt.  Damit  soll  aber  keineswegs  gesagt  sein,  dass  Aur.  Vict. 
nun  einfach  im  Ton  seiner  Quelle  geredet  hat.  Dazu  ist  der  Eindruck, 
den  wir  von  Victor  bekommen,  viel  zu  echt  und  zu  persönlich.  Wohl 
aber  darf  es  uns  nicht  wundem,  wenn  ein  Mann  mit  einer  so  festen  Ueber- 
zeugung  und  so  ausgeprägten  Anschauungen  wie  Victor,  sich  an  eine 
Quelle  gewandt  hat.  die  auf  einem  ähnlichen  Standpunkt  stand.  —  Dass 
die  „  Kaisergeschichte "  entsprechend  ihrem  biographischen  Charakter  auch 
den  Anekdoten  (ioci)  und  den  e.reiiipla  nicht  aus  dem  Wege  ging,  haben 
wir  schon  gesehen. 

Nach  allem,  was  sich  bis  jetzt  ergab,  scheint  die  Untersuchung  En- 
manns  auch  heute  noch  ihren  vollen  Wert  zu  besitzen,  wie  das  übrigens 
auch  Gräbner  a.  a.  0.  S.   145  f.   anerkannt  hat^). 

Gräbner  hat  a.  a.  0.  S.  89  Anni.  3  gewiss  im  Sinne  Enmanns*]    den 


1)  Vgl.  die  luschr.;  .«.  P.  I.  li.  I,  S.  2-5  f.  A  Nr.  213. 

2)  Dabei  ist   natürlich    der  Begriff  , Historiker'  in    dem  .Sinne  gemeint,   in    dem 
man  ihn  auch  auf  einen  Sueton  anwenden  kann. 

3)  Vgl.  K.  Hönn  a.  a.  0.  S.  4  Anm.  8,  der  von  der  .treffliolicn    und  zu  Unreolit 
fast  vergessenen  Arbeit'  von  Enmann  spricht. 

4)  Vgl.  Enmann.  a.  a.  0.  S.  432. 

Kl  i  o  ,  Beiträge  zur  alten  Geschichte  XI  2.  1.'') 

48 


226  Eniaf  Hohl, 

.Suetoniiis  auctus"  Cohns  mit  den  Antaugsbiosp-aphien  der  -Kaiserge- 
schichte" identifiziert  (s.  o.  S.  188).  In  den  Stellen,  die  A.  Cohn  a.  a.  0. 
als  Belege  für  den  ,Suetonius  auctus"  (vgl.  sein  6.  Kapitel)  angeführt 
hat,  weil  sie  in  unserem  Sueton  nicht  stehen,  wird  allerdings,  wo  über- 
haupt ein  Name  zitiert  wird,  der  des  Sueton  genannt.  Nun  hat  schon 
Enmann  das  Suetonzitat  bei  Sei-vius.  dem  zwar  eine  Stelle  in  der  Epilomc. 
aber  keine  in  unserem  Sueton  entspricht,  auf  S.  405  f.  im  Gegensatz  zu 
Wölfflin  [Bhehi.  31t(S.  29  [1874]  S.  302)  zu  erklären  gesucht.  Wölfflin 
hat  cremeint,  aus  der  Ueberlieferung,  die  Sueton  zum  Autor  des  BcUum 
GaUicum^)  und  anderer  Schriften  Caesars  mache,  ersehe  man.  dass  Sue- 
tonius  allgemeine  Bezeichnung  für  einen  Kaiserschriftsteller  war.  Servius 
hat  die  Epito)uc  gekannt  und  sie  durch  jenes  Zitat  bezeichnen  wollen. 
—  Dagegen  wendet  Enmann.  S.  406,  ein.  dass  Caesar  weder  Kaiserbio- 
graph noch  Kaiserschriftsteller  sei.  Wie  man  aus  jenem  Fehler  auf  Sue- 
toiiius  als  Gattungsbegriifschliessen  solle,  sei  vollkommen  unverständlich.  .  . 
In  der  Tat  hat  Wölfflin  ja  nur  behaupten  wollen,  dass  eine  Tradition,  die 
den  Suetonius  zu  einem  Verfasser  von  Schriften  Caesars,  die  sich  eben 
auf  Caesar  selbst  beziehen,  gestempelt  hat.  in  ihm  den  typischen  Kaiser- 
schriftsteller sah.  Hat  doch  Sueton  selbst  seine  Kaiserbiographien  mit 
Caesar  eingeleitet,  wie  überhaupt  Caesar  zu  den  Kaisern  gerechnet  wer- 
den kann  (vgl.  z.  B.  Julian  in  den  Cacs..  Ausonius  Caes.  I  oder  den 
Chronogr.  rom  J.  354  [Chron.  min.  1.  S.  145  ^  Mommsen,  Ges.  Sehr.  VII 
S.  570]:  Item  imperia  Caesarum;  Z.  13:  C.  IuUks  Caesar  imperavit  amws 
III  meuses  VII  dies  VI).  Wölfflin  hat  also  ganz  recht:  Suetonius  ist 
so  sehr  allgemeine  Bezeichnung  für  einen  Kaiserschriftsteller,  dass  selbst 
Caesars  Schriften,  insofern  sie  auch  Caesars  Erlebnisse  behandelten,  auf 
seinen  Namen  gingen.  Nun  i.st  aber  die  starke  Benutzung  des  Sueton  im 
ersten  Teil  der  .Kaisergeschichte"  nicht  von  der  Hand  zu  weisen  und 
wir  haben  auch  der  Identifizierimg  des  .Suetonius  auctus"  mit  dem  An- 
fang der  „Kaisergeschichte"  zustimmen  können.  Danach  ist  es  nicht  un- 
wahrscheinlich, dass  man  die  , Kaisergeschichte'  auch  in  ihrem  ganzen 
Umfang  nach  ihrem  eingangs  so  stark  benutzten  Vorbild  taufen  konnte. 
Wir  hätten  also  wirklich  eine  Art  Gattungsbegriff,  wie  das  Wölfflin  ver- 
mutete („allgemeine  Bezeichnung  für  einen  Kaiserschriftsteller ")-).  Man 
bedenke  doch  nur.  wie  ausserordentlich  die  epochemachende  Leistung  des 
Sueton  gewii-kt  hat,  und  wie  unlöslich  die  Kaiserbiographie  mit  dem  Namen 
ihres  tvQerijg  oder  XTiaT7]g  verbunden  war.  So  urteilt  auch  H.  Peter.  Die 
gesch.  Litt.  II  S.  139,  dass  Sueton  für  das  erste  Jahrhunderfc  der  Kaiser- 


1)  Cf.  Sidonius  Apollinaris  ejüst.  IX  U.  7  [=  M.  G.,  atict.  aiitiqu.  Vllt  ed.  Luet- 
johann,  ßerl.  1887,  S.  167,  Z.  30].  —  Für  -gauz  sekundär"  erklärt  A.  Klotz.  Crisar- 
Ktiidien,  Lpz.-Berl.  1910,  S.  2  Anm.  ä  die  Bezeichnung  des  BeUiim  Galliciim  mit  Sue- 
tons  Namen. 

2)  Ygl.  unten  im  zweiten  Abschnitt  zu   Tac.  11.7  (Suetoniii"  Opi'itiamtf>). 

49 


Vop/scns  1(11(1  (l/r  ])io(/i((pliie  des  Kaisers  Taeitus.  227 

«reschiflite  sin  iiliiiliilies  kanonisches  Ansehen  ihimals  besass,  wie  Livius 
für  die  republikanische.  Von  Livius  sagt  z.  B.  Th.  Opitz,  a.  a.  0.  S.  208 
Anm.  25:  „Livii  enim  noraen  illa  aetate  (saec.  V)  nihil  aliud  sigiiificat, 
nisi  historiam  liberae  rei  publicae :  cf.  Momnisenuni  1.  s.  s."  {Die  Chronik 
des  Vassiodorns^  in  Ahhandl.  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1861,  S.  551  = 
Ges.  Sehr.  VII.  S.  G70  f.).  Nun  konnten  wir  bereits  ab  und  zu  (S.  205: 
213;  216  Anm.  1;  vgl.  im  zweiten  Abschn.  die  Bern,  über  samjnina- 
riits)  auf  suetonische  Ausdrücke  und  Wendungen  hinweisen,  die  schon 
in  der  ,  Kaisergeschichte "  gestanden  zu  haben  scheinen.  Es  stimmt  recht 
gut,  wenn  ihr  Verfasser  den  Sueton,  soweit  dieser  reichte,  nach  Kräften 
verwertete,  aber  auch  in  den  späteren  Partien  seines  Werks  Anklänge  an 
ihn  zeigt.  War  es  doch  nur  natürlich,  wenn  das  grosse  Vorbild  der  Gat- 
tung auch  stilistisch  noch  nachwirkte.  Also  auch  von  dieser  Betrachtung 
aus  kommen  wir  für  die  , Kaisergeschichte"  zur  Annahme  des  biographi- 
schen Chai-akters,  wie  ihn  schon  ihr  Entdecker  Enmann  feststellen  konnte. 

Exkurs. 

Die  K  p  it  (I  m  c  u  n  d   A  ni  ni  i  a  n  u  s  M  a  r  c  e  1 1  i  n  u  s. 

Nun  habe  ich  noch  kurz  auf  Berührungen  zwischen  Ammianus  Mar- 
cellinus und  der  Epitome  einzugehen.  Hieraus  hatte  nämlich  Th.  Opitz, 
der  im  Lauf  seiner  Besprechung  der  einzelnen  Kapitel  die  Koinzidenzen 
notiert,  geschlossen,  dass  Ammianus  Marcelhnus  indirekt  die  Quelle  der 
Epitome  sei  (S.  260).  Da  auch  Zosimos  sich  mit  der  Epitome  berühre,  so 
habe  Eunap  (als  Quelle  des  Zosimos)  einerseits  und  die  Quelle  der  £p/- 
foDie  andererseits  etwa  von  Diokletian  an  vorzugsweise  aus  Ammian  ge- 
schöpft (s.  besonders  S.  264  f.)  und  zwar  hätte  die  Epitome  ein  Exzerpt 
aus  Ammian.  das  mit  einigen  Zusätzen  versehen  und  bis  395  geführt  wor- 
den wäre,  ausgeschrieben.  Schliesslich  vermutet  Opitz:  ,fortasse  epito- 
matoris  fons,  i.  e.  Ammiani  continuator,  statim  inde  a  Nervae  vita  Am- 
mianura  pro  primario  fönte  habuit. "  Enmann  S.  404  nennt  es  merkwür- 
digerweise „  eine  ausgezeichnete  Vermutung  von  Opitz,  dass  er,  ausgehend 
von  der  Uebereinstimmung  mit  den  erhaltenen  Büchern  des  Ammian,  an- 
nahm, auch  die  verlorenen  Bücher  desselben  seien  in  der  Epitome  exzer- 
piert". Aber  man  hat  längst  erkannt,  auf  wie  schwachen  Füssen  die 
»ausgezeichnete  Vermutung"  steht.  Besonders  entzog  Mendelssohn  (in 
der  praefatio  seiner  Zosi)iiosai(S(/nhc  1887,  S.  XXXVI  f.,  XL)  der  Hypo- 
these von  Opitz  den  Boden  durch  den  Nachweis,  dass  Ammian  dem  Eu- 
nap überhaupt  nicht  bekannt  gewesen  sei ').  Eunap  und  die  Epitome 
hätten  zwar  eine  gemeinsame  Quelle  gehabt,  aber  das  sei  nicht  Ammian. 
Da  ohnehin  über  die  Quellen  Ammians  —  vollends  was  die  verlorenen 
Partien  betrifft  —  noch  nicht  viel  Klarheit  geschaffen  ist  (vgl.  Seeck  bei 


1)  Auch  Wilhelm  Schmid  {P.-W.  VI.  Sp.  1124,  s.  v.  E>(n((p)  .-stimmt  Mendelssohn  zu. 

15* 
50 


228  Erunf  IIolil. 

F.-  W.  I.  Sp.  1850).  und  auch  bei  der  Arbeitsweise  Amraians  (vgl.  dar- 
über Seeck.  Hermes  41  S.  .j27  (s.  o.  Anm.  7  zu  S.  189)  die  Quellenfor-schung 
im  einzekien  nicht  leicht  ist.  so  diente  seine  Hereinziehung  nur  zur  Ver- 
schleierung des  Problems. 

Für  den  vierten  Teil  der  Epitome  enthalte  ich  mich  selbstverständlich 
jeden  Urteils.  Dass  dagegen  für  den  dritten  Teil  die  Annahme  eines 
Amniianexzerptes  ohne  weiteres  scheitert,  hoffe  ich  durch  meine  Auffas- 
sung der  Epiiome  gezeigt  zu  haben.  Denn  wir  haben  doch  für  diese  Par- 
tie Eutrop  und  dessen  Quelle  als  massgebend  nachzuweisen  gesucht.  Da 
aber  Eutrop  im  .Jahr  369  schreibt,  so  muss  seine  Quelle,  die  „Kaiserge- 
schichte', die  ja  ausserdem  auch  von  dem  um  neim  .Jahre  früher  arbeiten- 
den Victor  benutzt  wurde,  natürlich  entsprechend  früher  abgefasst  sein. 
Von  dieser  Betrachtung  aus  ist  es  demnach  unmöglich,  die  Epifome  ein 
Exzerpt  aus  Ämmian  in  ihrem  dritten  Teil  verwenden  zu  lassen,  wenn 
man  ihr  nicht  höchst  unnötigerweise  eben  dieses  Exzerpt  noch  als  dritte 
Quelle  neben  der  ,  Kaisergeschichte"  und  Eutrop  zuschreiben  wollte.  Da- 
gegen liegt  immerhin  die  Möglichkeit  vor.  dass  Ammian  seinerseits  in  den 
verlorenen  Büchern  zum  Teil  auch  aus  der  ., Kaisergeschichte "  geschöpft 
hat.  Doch  das  ist  eine  Vermutung,  die  sich  mit  unserem  Material  niciit 
beweisen  lässt.  bei  der  wir  uns  auch  nicht  aufzuhalten  brauchen.  Ebenso 
kann  die  Frage,  oh  die  Epitonit.  nachdem  sie  die  Führung  Eutrops  auf- 
o-eben  musste.  also  in  ihrem  vierten  Teil,  direkt  oder  indirekt  sieh  Am- 
mians  bediente,  für  uns  ausser  Betracht  bleiben.  Wir  müssen  uns  damit 
begnügen,  für  den  dritten  Teil  der  Epifonie  die  Benutzung  Ammians  ab- 
zulehnen, zumal  wir  mit  ihrer  Kontrolle  lUireh  den  eutropischen  Text  auf 
ziemlich  festem  Boden  stehen. 

Nun  wurde  bereits  darauf  hingewiesen  (s.  o.  S.  210  f.),  dass  auch  Am- 
mian die  Claudiuslegende  kannte.  Da  diese  für  uns  sonst  nur  noch  in 
der  Epitome  und  bei  Aur.  Vict.  nachweisbar  ist.  Aur.  Vict.  also  die  früheste 
Erwähnung  darstellt,  so  haben  wir  als  gemeinsame  Quelle  der  romantischen 
Erzählung  vom  Opfei-tod  des  Claudius  im  Stile  des  Kodros  die  , Kaiserge- 
schichte"  annehmen  dürfen.  Dass  die  Legende  aus  der  ,  Kaisergeschichte " 
auch  dem  Ammian  bekannt  wurde,  kann  man  bloss  vermuten.  Hier  soll 
nur  betont  werden,  dass  das  Zeugnis  des  Aur.  Vict.  es  uns  glücklicher- 
weise verbietet,  von  diesem  Punkt  aus  eine  Verbindungslinie  zwischen 
Ammian  und  der  Eintome  zu  ziehen. 

Ebensowenig  für  engere  Beziehungen  zwischen  Ammian  und  der  Epi- 
tome lässt  sich  folgendes  verwerten:  Epitome  41,  VA  steht  von  Konstantin 
das  Bonmot:  Hie  Tranuuun  herham  parictariam  oh  tituJos  miiJtis  aedilns 
insci-iptos   appcllare   sotitus  erat^).     Nun  flicht  Ammian  27.  3.  7  dasselbe 

1)  Vgl.  auch  AS  26,  11  pontes,  qiws  Traianus  fecerat,  inataurorit  pciene  in  omnihua 
locis.  aUquos  etiam  noros  fecit,  sed  instauraiis  nomen  Traiaiii  reservavif.  Dass  hier 
gerade  Bauwerke  Traians  genannt  werden,   ist  nur  für   den   verständlich,   der  jene 

51 


Vi>)iisi:iis  iniil  die   ll/(ii/i((ji/i/c  des  Kaiscr.s  Tdrifns.  229 

\\'it/.u(irt  <j;iiii/.  ii-projios  ein:  l)Ki  ihm  ist  die  Rede  von  dcni  /inir/'urtH.s 
iirhi  Lainpiidiiis:  (jud  rifia  (iiilmlich  überall  an  Bauwerken  seinen  Namen 
anzubringen  iit»i  id  irfcnini  hi.sfaumtor,  sed  conddor)  labomsse  Traiaiiiis 
priiur/is  dicdnr,  undr  pum  hcrham  pariethiam  iacando  ro())ioiniii(ircid.  Man 
sieht,  es  ist  recht  aussichtslos,  hiebei  an  Benutzung  Ammians  durch  die 
Eiidoinc  zu  denken  und  wiii-e  es  auch  nur  indirekte  (wie  das  im  Sinn  von 
Opitz,  der  gerade  diese  beiden  Stellen  nicht  bespricht,  sein  müsste).  Die 
EpdotHc  bietet  ja  für  das  Bonmot  die  ganz  genaue  Version  und  per- 
sönliche Färbung,  durch  die  Konstantin  durch  ein  Wort  aus  seinem 
eigenen  Munde  in  Gegensatz  zu  Traian  gebracht  wird.  Ausserdem  ist 
auch  die  sprachliche  Form  {jiark'tdria  und  parieiinu)  verschieden.  Ammian 
kannte  den  ioCHs  irgendwoher,  ohne  den  eigentlichen  Zusammenhang, 
und  bringt  ihn  bei  passender  Gelegenheit  an.  Wollten  wir  mit  Enmann 
eine  Ausdehnung  der  „Kaisergeschichte"  bis  Julian  annehmen,  so  könnten 
wir  auch  für  diese  Anekdote  an  Abstammung  aus  der  „  Kaisergeschichte " 
denken,  dei'en  Verfasser,  als  echter  Biograph,  der  Anekdote  gewiss  nicht 
ausgewichen  wäre.  Wir  müssen  uns  begnügen  an  diese  Möglichkeit  zu 
erinnern,  da  sich  unsere  Untersuchung  über  diesen  Teil  der  Epdonir:  nicht 
mehr  ersti'eckt^). 


Marotte  des  Kai.ser.s  kennt.     Da  Severus  Alexander   sie  nicht  teilte,    so  blieb  Traian 
von  dem  Schicksal  verschont:,  das  er  einst  seinen  Vorgängern  bereitet  hatte. 

1)  Jedenfalls  brauchen  wir  der  Vermutung  von  Opitz  die  von  uns  angenommenen 
Beziehungen  der  Kpitome  in  ihrem  dritten  Teil  zur  „Kaisergeschichte"  nicht  zu  opfern. 


230 


Die  Schlacht  am  Granikos. 

Von  Konrad  Lehmauii. 

.Tudeichs  Arbeit  über  die  ScIiJachf  ani  Graiül-Ds''^)  scheint  mir  zwar 
den  strategischen  Zusammenhang  und  die  Oertlichkeit  einwandfrei  festge- 
stellt zu  haben,  doch  glaube  ich  zweifeln  zu  müssen,  dass  seine  Darstel- 
lung des  Verlaufs  der  Schlacht  wie  auch  die  gesamten  bisher  hervorge- 
tretenen Rekonstruktionsversuche  der  Wirklichkeit  entsprechen. 

Den  Vei'such,  die  Quellenfrage  zu  lösen,  halte  ich  für  aussichtslos. 
Ebenso  wie  Wachsmuth  -)  meine  ich:  „In  neuerer  und  neuester  Zeit  ist 
sie  (die  Aufgabe,  imsere  vorhandenen  Quellen  auf  die  verloren  gegangenen 
Urberichte  zurückzuführen),  mit  einer  weit  über  das  Erreichbare  hinaus- 
strebenden Beflissenheit  immer  und  immer  wieder  angefasst  worden. "  Wir 
müssen  uns  vielmehr  abfinden  mit  der  Tatsache,  dass  die  uns  erhaltenen 
Quellen  durchweg  mehrere  .Jahrhunderte,  die  als  wertvollste  geltende  Dar- 
stellung Ai-rians  sogar  fast  ein  halbes  .Jahrtausend,  nach  den  Ereignissen 
geschrieben  worden  sind  und  dass  in  ihnen  eine  nicht  mehr  zu  entwirrende 
Vermischung  der  aus  den  verschiedenen  Primär-  und  Sekundärquellen  stam- 
menden Bestandteile  vorliegt.  Hier  kann  nicht  mehr  die  Autorität  dieses 
oder  jenes  Gewährsmannes  als  massgebend  geltend  gemacht  werden,  son- 
dern allein  der  innere  Wert  der  Nachrichten.  Die  Granikosschlacht  ist 
eine  Frage,  die  nicht  nur  mit  quellenkritischem,  sondern  vor  allem  mit 
sachkundigem  Blick  geprüft  werden  muss. 

Nach  Arrian.  auf  den  sich  .Judeich  wie  auch  alle  anderen  Bearbeiter 
der  Schlacht  teils  ausschliesslich  teils  doch  hauptsächlich  stützen,  hatte 
der  Kampf  folgenden  Verlauf: 

Auf  dem  rechten  Granikosufer  stand  das  persische  Heer  kampfbereit 
in  zwei  Treffen,  vorn  20  000  persische  Reiter  und  in  einigem  Abstand  da- 
hinter 20  000  griechische  Söldner  zu  Fuss.  Die  Absicht  der  persischen 
Heeresleitung  war  es,  den  Feind  beim  Flussübergang  anzugreifen  und  ihn 
vom  steilen  Uferrand  in  den  Fluss  zurückzuwerfen.  Alexander  rückte  durch 
die  Ebene  am  linken  Ufer  heran,  zum  Gefecht  entw-iekelt  oder  wenigstens 
bereit,  sofort  in  die  Gefechtsordnung  überzugehen :  in  der  Mitte  stand  das 
schwere  Fussvolk  und  auf  beiden  Flanken  als  Seitendeckung  die  Reiterei 
nebst  Leichtbewaffneten :  dahinter  kam  der  Tross.  Es  war  schon  spät  am 
Tage,  als  Alexander  das  linke  Granikosufer  erreichte.  Alle  Bedenken  seiner 
Umgebung  abweisend,  ging  er  sofort  vom  Marsch  weg  zum  Augriff  über. 
Seinem  stürmischen  Anprall  gelang  es.  die  feindliehe  Reiterei  am  Gegen- 

1)  Klio  VIII.  1908.  S.  372  ff. 

2)  Einleitung  in  das  Studium  der  alten  Geschichte.     1895.  S.  567. 

1 


Kdiinid   /.i/niiidiii.    J>k  Sihlnihl  iiik   (inui/Lii.s.  2:il 

ut'er  /.u  ilnrclilircclicii  und  in  die  Flucht'  zu  schlagen  un<l  dann  aucli  ihis 
durcli  diesen  Eindruck  erschüttevte   Fussvolk  zusummenzuliauen. 

Dies  sind  die  Grundzüge  des  arrianischen  Berichtes.  In  den  Einzel- 
heiten jedoch,  um  dies  vorwegzunehmen,  scheint  mir  die  Darstelhmg  des 
Gewährsmannes  von  seinen  eigenen  Anhängern  nicht  durchweg  nchtig 
verstanden  worden  zu  sein. 

Alexander  führte  nicht,  wie  fast  allgemein  augenonunen  wird,  nur  die 
Keiter  des  l'liilotas,  die  makedonischen  Hetären,  die  auf  dem  äussersten 
Flügel  standen,  vor.  sondern  die  ge.samte  rechte  Heereshälfte:  ausser  den 
Hetären  auch  die  3  rechten  Taxen  der  Pezetären-Phalanx,  die  Hypaspisten, 
die  Bogner  und  die  Speer.schützen.  Zwar  ist  bei  Arrian  1,  15,  4,  wo  die 
Ereignisse  um  Alexanders  Person  geschildert  werden,  zvveifellos  von  einem 
Beiterkampf  die  Bede  (y.ai  /}j'  /hev  ünb  lüv  'innoiv  fj  fiüx>j).  und  noch 
bestimmter  sagen  Plutarch  und  Diodor,  dass  Alexander  den  Angriff  der 
Reiterei  des  rechten  Flügels  persönlich  geleitet  habe.  Aber  es  müssen 
gleichzeitig  auch  die  Fusstruppen  des  rechten  Flügels  vom  Könige  selbst 
vorgeführt  worden  sein,  wenn  er  auch  vielleicht  für  seine  Person  seinen  Platz 
bei  den  Hetären  gewählt  haben  wird.  Denn  c.  14,  7  heisst  es,  dass  der 
König  selbst  bemüht  war.  seine  Phalanx  möglichst  intakt  au  den  Feind 
heranzubringen  {i'va  .  .  xai  avrög  wg  dwaröv  rtj  (päXayyi  ngoofii^rj  ad- 
tolg).  Auch  scheint  mir  der  Anfang  des  14.  Kapitels  diese  Auffassung 
zu  bestätigen.  Denn  es  heisst  dort:  IlaQfievicova  /lev  im  tö  svMVVfiov 
xe^ag  uefinsi  iiyt]a6^evoi'.  airög  öe  ini  tö  ös^iöv  naQilys),  und  zwar 
können  hier  mit  den  yJ^ara  nur  die  Flügel  der  Pezetären-Phalanx  gemeint 
sein.  Denn  unmittelbar  darauf  wird  aufgezählt,  was  ausserhalb  des 
rechten  Flügels  an  Reiterei  und  leichtem  Fussvolk  aufgestellt  war  [jtQO- 
£Tdx&>]acci'  ök  amio  t  o  ö  fi  i  v  ö  £  ^  i  o  v  0lXonag  ö  IlaQfieviioi'og  tyMV 
usw.).  Die  Unklarheit  kommt  nur  daher,  dass  Arrian  bei  der  Aufzählung 
der  Truppenteile  nicht  die  Zusammensetzung  der  Phalanx  als  der  Haupt- 
waffe vorwegnimmt,  sondern,  nachdem  er  die  Teile  der  gesamten  Schlacht - 
linie  vom  äussersten  rechten  Flügel  her  zu  nennen  begonnen,  in  derselben 
Beihenfolge  fortfahrend  auch  die  Aljteilungen  der  Phalanx  bis  zu  deren 
Mitte  aufzählt  und  dann  in  entsprechender  Weise  mit  der  linken  Hälfte 
des  Heeres  verfährt. 

Veranlasst  durch  die  irrtümliche  Vorstellung,  dass  mit  der  vom  Kö- 
nige persönlich  vorgeführten  Taxis  nur  die  Hetärenreiterei  gemeint  sei, 
glaubt  man  vielfach  seit  Büstow  und  Köchly  *)  unter  der  ^o|//  id^ig  eine 
nach  Ben  gestaffelte  Angriffsform  dieses  Korps  verstehen  zu  müssen,  z.  B. 
Janke  ^).     Nur  Grote  ^)  vertritt  eine  hiervon    abweichende  Ansicht :    „Wie 

1)  Geschichte  des  (/riechischen  Kriegsuesens.    Aarau  1852,  S.  "271.  Aiim.  9. 

2)  Auf  Ale.ianders  des  Grossen  Pfaden.    Berlin  1904.  S.  143. 

3)  Geschichte  Griechenlands.    Aus  dem  Knf/lif:chen.     Bd.  IV.    2.  Aufl.     Bciliii  1880. 
S.  438  f.,  Anm.  80. 


232  Kdi/rail  Lclni/niiii. 

es  scheint,  ist  der  Öatz  Äocijv  del  nagaceivoM'  liiV  TÜiiv.  l  TicxQFi/.y.s  rö 
(5f{5//a  zu  erklären  cliirch  ilie  folgenden  Worte,  welche  die  zu  erreichende 
Absicht  bezeichnen.  Kh  kiinn  mir  nicht  denken,  dass  die  Worte  eine  stafl'el- 
weise  Bewegung  in  sich  schliessen."  Meines  Erachtens  besagen  diese 
Worte  weiter  nichts,  als  dass  Alexander  beim  Durchschi'eiten  des  Flusses 
seine  Linie  beständig  in  schiefer  Stellung  vorbewegt  habe,  also  mit  einem 
vorgeschobenen  Flügel,  und  zwar  kann  er  hier  nur  den  äusseren,  d.  h. 
rechten  Flügel  vorgezogen  haben.  Da  jedoch  mit  rdgfc  die  gesamte  rechte 
Heereshälfte  gemeint  ist.  müssen  wir  uns  die  Hypaspisten  und  die  Hetären 
vorgeschoben  denken.  Denn  durch  diese  Massregel  wollte  Alexander  beim 
Betreten  des  feindlichen  Ufers  einem  Angriff  auf  die  Flanke  seiner  Pha- 
lanx vorbeugen  und  seine  Pezetären  möglichst  geschlossen  an  den  Feind 
brin2;en  (tva  öij  in)  ixßairovri  ai'Tcp  ol  IJeQoai  y.arä  yjQag  itgoanimoiEV. 
ä/./M  y.ai  ccvtöq  ibg  ävvaTÖv  tj]  (päÄayyi  irgoauicji  ainolg).  Und  so  ver- 
lief denn  auch  der  Kampf.  Alexander  traf  mit  der  Reiterei,  also  dem  He- 
tärenkorps, zuerst  auf  den  Gegner:  aber  er  führte  mit  sieh  den  ganzen 
rechten  Flügel  des  Heeres,  und  während  er  sich  mit  seinen  Reitern  be- 
reits im  heftigen  Gefecht  befand,  gewannen  die  Abteilungen  der  Piialanx 
eine  neben  der  anderen  mühelos  das  Ufer  {'AZe^arÖQog  .  .  .  äua  0/  äycof 
TÖ  XEQag  TÖ  ÖECiöv  .  .  .  tußä/ÜEi  ig  lobg  ÜEQaag  UQÜTOg  .  .  .  y.cu  tieqI 
avTÖv  ^vvsiGTt'jy.ei  ftciyj]  y.gaiEQd  "  y.al  iv  tovto)  älXai  in  ü/JMig  xiov 
xd^EMv  ToTg  May.eööai  diißaivov  ov  jja^Ejrwg  '»J'?'/). 

Auf  makedonischer  Seite  nimmt  .Tudeich  S.  )^92  hinter  der  Pezetären- 
Phalanx  noch  ein  zweites  Treffen  an.  bestehend  aus  griechischen  Söldnern 
und  Bündnern.  Aehnlich  denkt  auch  Hertzberg  ' ).  Doch  daraus,  dass  von 
einer  anderweitigen  Verwendung  dieser  Truppe  auf  dem  asiatischen  Kriegs- 
schauplatz nichts  im  Berichte  steht,  einen  solchen  Schluss  zu  ziehen,  scheint 
mir  nicht  zulässig,  zumal  der  Ausdruck  Arrians  dinJ-f^v  tvjV  fdZayya 
rd;ac  nicht  auf  eine  Aufstellung  in  zwei  Treffen,  sondern  lediglich  auf 
die  Verdoppelung  der  Phalanxtiefe  beim  Anmarsch  zum  Gefecht  hindeutet'^). 

1)  Die  asiatischen  Fehhüfie  Alexanders  des  Crrossen.  Halle  1863,  Bd.  I,  S.  100.  Aum. 

2)  Nachher,  als  die  Kundschafter  die  Nähe  des  Feindes  meldeten,  Hess  der  Kö- 
nig die  einfache  Aufstellung,  die  Normaltiefe  für  das  Gefecht  nehmen.  Das  be- 
deuten die  Worte  tv9a  6!/  'AXä^avdpoi  /iiv  t>/v  azguTtnv  näaav  avvstaxtiv  tbc  /ttayov- 
/xsvovg.  Unter  6cn?.aaiaa,u6g  verstehen  die  Taktiker  die  Aufstellung  eines  und  des- 
selben Heeresteils  mit  doppelter  Rotten-  oder  Gliederzahl.  Vgl.  Arrians  (bezw.  Ae- 
lians)  Taliil;  (bei  Köchly  und  Rüstow.  Griechische  Kriegssrhrißsteller.  II.  1.  Leipzig 
185.5),  wo  es  VIII,  2  heisst:  —  —  Trpöc  zoig  utzaaytjuaziO!tov(;  zwv  zcr/fxäzmt:  zovz' 
saztv,  iäv  zö  ßijxog  zr/g  (pä'/.ayyog  Smi.aaiaaai  ßovhj9wftii:  zb  dt  ßädoc  avyii.iTv.  ;/  710- 

}.vn).Kaiäaai  zb  ßüDoc,  zb  S'f  itijxos  avvf'/.Hv.  Ferner  VIII.  3  : öin).aaiäZ,siv  ig  zb  ßri&og 

r.  Vgl.  auch  XXIX.  1 — 8.  Ebendort  Asklepiodotos  17:  ämlaaiäadi  6s  Xiyizat  är/wg  ' 

tj  yoQ  zoTiov,  iv  o)  ij  (päi.aye,  fiivovzog  zov  nh'ji^ovg  zCov  ävSgüiv,  ?}  zbv  äp/9^.«öv  auzüv  yhtzai 
6e  hxätiQov  iii/ß>g  xuza  l.byov  ?j  xazä  L,vyöy,  zcclzbr  di  imeiv  xaza  ßtiQ^og  i]  xaxä  fiijxog 
usw.  bis  cap.  20.  Hier  beim  Anmarsch  zur  Schlacht  vor  dem  endgültigen  Aufmarsch  zum 
Gefecht  handelt  es  sich  naturgemäss  um  einen  Sfnlaataafibg  xazä  ßä&og.  Nun  beruft  sich 


Dl,'  Srhimhi  ,1,1,  (:,;n,il;,,s.  2:3;_< 

Ebenso  li;ilte  icli  ilic  taktische  1  )ciitiiii^-.  <lie  .lihlcich  dein  Hericbte 
Arrians  gibt,  für  unhaltbar.  Kr  meint,  die  Aut'stelltiiig  der  ])ersisehen 
Kelterei  als  ersten  Treffens  nahe  am  Fluss  und  die  Zurückstellung  des 
Fussvolks  (der  griechischen  Söldner)  in  das  zweite  Treffen  iiabe  ihren 
(irund  darin,  dass  die  persische  Heei'esleitung  gehofft  habe,  mit  ihrer 
Reiterei  allein  die  ganze  Schlacht  entscheiden  zu  können,  so  dass  für  das 
Fussvolk  kaum  noch  etwas  zu  tun  übrig  bliebe.  Solches  Sparen  der  Kräfte 
ist  jedoch  nur  dann  zulässig,  wenn  der  für  den  Kampf  bestimmte  Teil 
des  Heeres  auch  unbedingt  seines  Sieges  gewiss  sein  kann  ;  und  selbst  dann 
würde  die  Vernunft  der  Heerführimg  die  Verwendung  aller  Kräfte  nicht 
nur  zu  einer  möglichst  sicheren,  sondern  auch  zu  einer  möglichst  leichten 
Vernichtung  oder  Gefangennahme  der  feindlichen  Streitmacht  fordern.  Hier 
jedoch  konnte  der  Sieg  nicht  so  zweifellos  sein:  denn  wenn  die  persische 
Reiterei  ,im  Augenblick  des  makedonischen  Angriffes"  gegen  „den  durch 
den  Fluss  behinderten  Feind  mit  wuchtigem  Gegenstosse"  aus  „einigen 
hundert  Meter"  Entfernung  ansprengen  sollte,  um  so  den  Feind  „in  das 
Flussbett  zurückzuwerfen,  ihn  zu  zersplittern,  zu  verfolgen",  so  konnte  es 
doch  nicht  ausbleiben,  dass  sie  dabei  den  fast  4  m  hohen  Steilrand  des 
Granikosbettes  hinabstürzte  ')  und  mindestens  in  diesem  Augenblick  den 
Judeich  S.  390,  Anm.  1  auf  Arrians  Bericht  über  die  Schlacht  bei  Gaugaraela,  wo  eben- 
falls von  einer  SiniJi  (fä>.ay§  die  Rede  ist  und  ausdrücklich  zwischen  txqwxij  <fd/.ny§ 
und  6evTf(ia  iccSii;  unterschieden  wird.  Die  Frage,  ob  es  sich  hier  um  zwei  Treften 
handeln  kann,  ist  von  höchster  Bedeutung  für  die  Geschichte  der  Kriegskunst.  Auch 
H.  Droysen  [Reencesen  und  Kriegführung  der  Griechen.  Freiburg  i.  B.  1889)  schwankt, 
ob  diese  SiniJj  ipä'/.ayS  nicht  am  Ende  doch  als  eine  Gliederung  des  Fussvolks  in  zwei 
Treffen  aufzufassen  sei.  so  wenig  diese  Vor.stellung  zu  seiner  Gesamtanschauung  von 
der  makedonischen  Taktik  passen  will.  S.  118,  Anm.  1,  und  120,  Anm.  1:  ...Diese 
Ausdrücke  scheinen  allerdings  mehr  für  die  Aufstellung  eines  zweiten  Treffens  zu 
sprechen,  dessen  Bildung  freilich  schwer  zu  denken  ist".  Jedoch  auch  hier  ist  m. 
E.  unter  der  öinlTi  <fd>.ayf  nur  eine  Verdoppelung  der  Tiefe,  nicht  aber  eine  Gliede- 
rung in  zwei  Treffen  zu  verstehen.  Cui'tius'  Worte  freilich  (FV,  13,  31 — 31)  sind  nicht 
geeignet,  die  Frage  zu  klären,  sie  lassen  beide  Auffassungen  zu.  Aber  Arrian 
denkt  zweifellos  nur  an  die  Anfügung  eines  zweiten  Truppenkörpers  unmittelbar 
und  ohne  Abstand  hinter  der  eigentlichen  Phalanx,  um  dieser  so  eine  Rückendeckung 
zu  geben.  Denn  er  sagt  111.  12,  1:  intta^f  dg  xal  üevxtQuv  tä^iv  tu  5  elvai  z  1/ v 
<pä?.ayya  ä  ß  if.  l  n  t  o  u  o  y.  Schon  der  Singular  (r;)r  (pä/.ayya)  ohne  weiteren  Zu- 
satz scheint  mir  in  diesem  Zusammenhang  nur  auf  einen  einheitlichen  Heereskörper 
hinzuweisen.  Ausserdem  erklärt  die  arrianische  Taktik  ausdrücklich,  dass  eine  <pd?MyS 
rift<flaTOfiOi  ei"  Gefechtskörper  ist,  dessen  hintere  Glieder  im  Bedarfsfalle  Kehrt 
machen  können  (XXXVII,  1 :  ' A/i<plazo/iog  fiiv  <pä?.ny^  xa>.HTcii  >j  rov?  %uiafas  TtJüv  «V 
Tolg  ).6y_oig  üröpCoy  antor^uunivovq  änb  a<pü>v  i/ovaa.  u>g  nvzivwTovc  fivat).  Delbrück 
hat  also  bereits  das  Richtige  getroffen,  wenn  er  sagt  {Geschichte  der  Kriegskunst, 
Bd.  1,  2.  Aufl.  Berlin  1908.  S.  20ö) :  -Die  grosse  Masse  seiner  Infanterie  benutzte  er 
(Alexander  bei  Gaugamela)  nicht,  die  Schlachtlinie  zu  verlängern.  .  .  .  sondern  ver- 
doppelte die  Tiefe  und  gab  den  hinten  stehenden  Abteilungen  den  Befehl.  Lm  Falle 
eines  Rückenangriffs  Kelu-t  zu  machen.'  Vgl.  dazu  seine  Ausführungen  über  das 
Wesen  des  Treffens  S.  211   f. 

1)  Vgl.  Janke  S.  139 :  ,   .  .  .  das  meist  überragende  rechte  Ufer  erhebt  sich    zu 


234  Kniiriiil  LcIniKii/ii. 

makedonischen  Sarissen  zienilic-li  '.vehrlos  preiso'egeben  war.  \Veiter  aber 
meint  Judeich :  ,  Sammelte  sich  dagegen  der  Feind  und  kam  das  Gefecht 
zimi  Stehen,  so  konnte  es  (das  persische  Fussvolk)  mit  frischen  Kräften 
eingi-eifen."  Doch  auch  das  hat  seine  Bedenken.  Sollte  es  sich  denn 
durch  die  Linie  der  Reiterei  zum  Angriff  auf  den  Feind  hindurchdrängen  V 
Hätte  es  überhaupt  rechtzeitig  eingreifen  können,  da  es  ja  (nach  Judeich) 
mehrere  hundert  Meter  weit  vom  Flusse  entfernt  stehend  gedacht  werden 
muss?  Oder  sollte  es  dann  erst  gar  noch  um  die  Flanken  der  eigenen 
Reiterei  herumschwenken?  Ein  Schlachtplau,  der  auf  einen  Hauptteii  der 
Streitmacht  von  vornherein  verzichtet  und  ohne  Rücksicht  auf  die  Gefahr 
des  Misslingeus  die  verfügbaren  Kräfte  nur  tropfenweis  zur  Verwendung 
bringt,  kann  meines  Bracht  ans  unmöglich  als  .nicht  schlecht"  (S.  389), 
als  „an  sich  gut"  (S.  391)  bezeichnet  werden,  um  so  weniger,  wenn  .Ju- 
deich mit  seiner  Vermutung  recht  hätte  (S.  395),  dass  ,man  auf  persi- 
scher Seite  offenbar  eine  Niederlage  nicht  für  möglich  gehalten"  habe  '). 
Auch  Judeichs,  durch  Rüstow  und  Janke  veranlasste  Vorstellung  von 
der  Art,  wie  Alexander  den  Sieg  gewann,  erscheint  mir  nicht  annehmbar. 
S.  391  sagt  er:  „Alexanders  geniale  Feldherrnbegabung  zeigte  sich  schon 
in  der  ersten  Schlacht  .  .  .  durch  den  aus  der  Lage  des  Augenblicks  heraus 
gefassten  raschen  und  richtigen  Entschluss.  Diesen  Faktor  haben  die  per- 
sischen Satrapen  nicht  in  ihre  Rechnung  eingestellt  und  nicht  einstellen 
können."  Für  Alexander  „blieb,  um  das  Gelingen  des  Angriffs  zu  fördern, 
nur  die  Zerreissuug  der  feindlichen  Linie,  das  Schaffen  einer  passenden 
Durchbruchsstelle"  übrig.  Judeich  geht  (S.  3J4)  von  der  Angabe  Arrians 
aus,  dass  der  König  die  Reiterei  seines  rechten  Flügels  in  zwei  Abtei- 
lungen vorgehen  liess.  und  nimmt  an,  dass  dies  kreuzweis  geschehen  sei : 
zuerst  die  innere  Abteilung  unter  Amyntas  (Sarissophoren.  Paionen  und 
eine  Hetären-Ilel  nebst  einer  Fussvolktaxis  unter  Ptolemäus  gegen  den 
äussersten  linken  persischen  Flügel,  dann  die  Hauptmasse  der  Hetären 
unter  seinem  persönlichen  Befehl  flussabwärts  gegen  den  inneren  linken 
persischen  Flügel.  „Entscheidend  war  dabei  der  eigenartige  Wechsel  im 
Angriffspunkte."  So  „konnte  Alexander  selbst  an  einer  Stelle  das  Fluss- 
hindernis nehmen,  wo  man  seine  Person  nicht  erwartet  hatte".  „Als  man 
Alexanders  geschicktes  Manöver  durchschaut  hatte  und  wußte,  wo  er 
selbst  kämpfte,  ist  auch  hier  (bei  Amyntas  und  Ptolemaios)  die  unmittel- 
bare Gefahr  für  die  Makedonen  wohl  geringer  geworden."  Nach  Judeich 
beruhte  also  Alexanders  Sieg  auf  der  Täuschung  der  persischen  Satrapen 
über  seinen  und  seiner  Hetären   Angriffspunkt.     Sie  hätten  ihn  auf  ihrem 


3 — 4  m  und  besteht  aus  fast  senkrecbten  Leliuimaueru."     Freilich  fügt  er  hiuzu.  dass 
,sie  auch  mit  flachen  Kiesbetten  und   leicht  ersteigbaren  Stellen  abwechseln". 

1)  Holm.  Griechische  Geschichte.  Bd.  lU.  ,S.  367  nimmt  sogar  an,  „die  Söldner 
hätten  deswegen  abseits  gestanden,  weil  man  vergessen  hätte,  sie  gegen  den 
Feind  zu  gebrauchen" ! 


Die  Sihhirhl  ,11,1  <in(,iil;„s.  235 

iiusser.steii  linken  FlüL;el  erwiirtet,  ini'olgodcsst'u  diesen  besonders  verstärkt 
und  zumeist  selbst  ilire  Aufstellung  dort  genommen:  in  Wirklichkeit  aber 
habe  sich  Alexanders  überraschender  Angriff'  gegen  eine  andere,  vom 
Feinde  nur  schwach  mit  Truppen  besetzte  Stelle  gerichtet.  Dieser  ganze 
Aulbau  wird  jedoch  zerstört  durch  die  Arrian-Stelle  (15.  :5),  wo  es  aus- 
drücklich heisst:  ^Aki^avÖQog  .  .  ifißdMei  ig  tovg  INgaag  ngcÖTog,  iva 
t !)  71  üv  a  ilqi  0  g  r  >]  g  T  Ji  tt  o  v  x  al  avToloi  t)  y  e  fi  6  v  a  g  r  ü  v 
n E  Q  a  ü  V  t  E  t  a  y  ߣ  V  0 1  7j  a a  v. 

Nachdem  wir  so  die  falschen  Deutungen  des  arrianisclien  Berichtes 
beseitigt  liaben.  müssen  wir  ihn  auf  seinen  inneren  Wert  prüfen  und 
gegen  die  übrigen  Berichte  abwägen. 

Ranke  ^)  spricht  sich  allerdings  mit  grösster  Entschiedenheit  zu- 
gunsten des  Arrian  aus.  „In  Beziehung  auf  die  Schlacht  selbst  kann  es 
niemand  beikommen,  in  die  Erzählungen  Diodors  mehr  Vertrauen  zu 
setzen  als  in  den  zugleich  auf  guten  Quellen  beruhenden  und  militärisch 
durchdachten  Bericht  Arrians. "  Und  ein  nicht  minder  günstiges  Allge- 
mein-Urteil  fällt  Schwartz'-):  Es  „steht  unwiderleglich  fest,  dass  Arrian, 
der  Militär  und  Beamte,  mit  richtigem  Blick  die  offizielle  Darstellung  des 
Ptolemaios  für  die  beste  nnd  reinste  Quelle  der  Geschichte  Alexanders 
gehalten  und  ihn  durchaus  zugrunde  gelegt  hat. "  Andererseits  sind  aber 
auch  bereits  Zweifel  an  der  Güte  des  arrianisclien  Berichtes  laut  gewor- 
den. Kaerst  z.  B.  sagt  in  seinen  Forsclmngen  zur  Geschichte  Alexanders 
des  Grossen^]:  „Uebrigens  ist  die  Darstellung  der  Schlacht  am  Granikos 
bei  Arrian  niciit  so  lichtvoll  und  allseitig  klar,  wie  die  übrigen  Schlacht- 
beschreibungen dieses  Autors".  Diesem  Urteil  schliesse  ich  mich  an.  Ja, 
ich  habe  sogar  die  Ueberzeugung.  dass  Arrians  Schlachtbericbt 
nicht  nur  nicht  so  einwandfrei  ist.  wie  man  ihn  von  einem  militärischen 
Fachmann,  wenn  auch  aus  einer  Zeit  völlig  anders  gearteter  Kriegführung 
erwarten  müsste,  sondern  dass  er  sogar  ein  völlig  f  a  1  s  c  h  e  s  B  i  1  d 
vom  Verlaufe  der  Schlacht  gibt. 

Denn  erstens  ist  es  doch  befremdend,  worauf  schon  von  Delbrück 
S.  179  hingewiesen  worden  ist,  dass  hier  zwar  20000  persische  Reiter 
gewesen  sein  sollen,  nationalpersisches  bezw.  asiatisches  Fussvolk  aber 
überhaupt  nicht.  Zweitens  werden  Philotas'  Hetären.  Bogner  und  Speer- 
schützen auf  dem  äussersten  rechten  Flügel  zwar  beim  Aufmarsch  erwähnt, 
von  ihrer  Tätigkeit  aber    in    der    Schlacht    hören  wir  nichts,    falls    nicht 

c.  16,  1  auf  sie  zu  beziehen  ist.  Jedenfalls  aber  schweigt  Arrian  voll- 
ständig von   der  Tätigkeit  des  gesamten  linken  Flügels  unter  Parmenion, 

d.  h.  der  ganzen  linken  Heereshälfte.  Auch  ist  die  Aufstellung  der  per- 
sischen Reiterei    nicht    ganz    klar.     Nach  Arrians    Angaben    ist    sie    un- 


1)  Weltgeschichte  III,  2.  S.  .50. 

2)  Artikel  Arrianos  in  Pauly-Wissowa.  KE,  Sp.  123<* 

3)  Stuttgart   1897,  S.  90  Anui.  2. 


23()  Koinnd    IaIuii,ui,i. 

mittelbar  liintor  dem  hoben  Uterraiid  aufgestellt  zu  denken  (fi^v  i'.TTTor 
jiaQarEtvavxEQ  tw  noiauco  y.axä  rrjv  öy^d-iiv  und  e^rira^ai'  r//  oyd^i^  rag 
i'Äag  T(hv  Ititieo}}').  Auch  15,  1 — 2,  wo  ihi-e  Kampfesvveise  geschildert 
wird,  sehen  wir  sie  bei  Annäherung  der  Scharen  des  Amyntas  durch  den 
Fluss  ihre  Speere  vom  Uferraud  herab  gegen  die  Angreifer  schleudern, 
ohne  dass  von  einem  Anreiten  aus  einiger  Entfernung  zur  Attacke  die 
Rede  wäre  [ävco&ev  eßa/üov  ol  fikv  avvwv  ÜTib  if^g  ö';^^?/g  i^  tnegÖE- 
giov  ig  xbv  TTorafWi'  Eaay.oi'TiToi'zeg.  oi  öe  xaiü  t«  yßafta/MTSQa  aVT)]g 
eare  im  tö  vdo)Q  y.aTaßairot'Teg).  Andei-erseits  lässt  er  doch  den  Mi- 
thridates  mit  seinen  Scharen  gegen  Alexander  aus  grösserer  Entfernung 
anreiten ;  freilich  lässt  er  auch  sogleich  den  Alexander  im  Ansturm  gegen 
Mithridates  seinen  Scharen  vorauseilen  (idojv  Mid-Qiödrijv  noXv  tiqo  tüv 
ä/üojv  nQOinnEvovTCi  i^sAaiiVEi  y.al  ambg  tiqo  tcSv  älh&v).  Er  schildert 
ein  wildes,  hin-  und  herwogendes  Kampfgetümmel  im  weiten  Blachfeld. 
-während  man  nach  dem  Zusammenhang  nur  einen  Kampf  unmittelbar  am 
steüen  Flussufer  erwarten  dürfte.  Judeichs  Annahme,  dass  die  ganze 
persische  Reiterei  einige  hundert  Meter  vom  Ufer  aufgestellt  zu  denken 
sei.  um  Spielraum  für  eine  wuchtige  Attacke  zu  haben,  scheint  mir  durch 
den  Hinweis  auf  das  Wort  Enni^Ead'ai  nicht  genügend  gestützt  zu  sein. 

Arrian  erzählt  uns  von  einem  wüden  Ringen.  30  000  Mann  z.  F.  und 
5000  Reiter  greifen  ein  feindliches  Heer  von  20  000  M.  z.  F.  und  20  000 
Reitern,  die  in  vorbereiteter  Defensivstellung  stehen,  über  ein  gewaltiges 
Frouthindernis  hinweg  an:  es  kommt  zu  einem  blutigen  Xahgefecht.  in 
welchem  selbst  der  Makedonenkönig  wiederholt  in  höchster  Lebensgefahr 
schwebt  und  eine  Reihe  der  feindlichen  Führer  fallen.  Zu  den  auf  per- 
sischer Seite  gefallenen  1000  Reitern  und  18  000  Söldnern  z.  F.  steht  der 
makedonische  Verlust  von  115  Toten  (25  Hetären,  60  anderen  Reitern 
und  80  Fußsoldaten)  in  einem  schreienden  Missverhältnis.  Vgl.  Del- 
brück S.  181:  .Will  jemand  an  der  Niedermetzelung  der  griechischen 
Söldner  und  dazu  gar  an  der  überlieferten  Zahl,  dass  ihrer  20  000  gewesen 
seien,  festhalten,  so  kann  er  sich  dafür  auf  dieselben  Quellen  berufen,  die  den 
Verlust  der  Makedonier  an  Infanterie  auf  30  Mann  beziffern.  Ein  positiver 
Beweis,  dass  die  erstere  Nachricht  zu  verwerfen,  die  zweite  anzunehmen 
ist,  lässt  sich  nicht  fühi-en.  Nur  das  darf  man  mit  voller  Bestimmtheit 
aussprechen,  dass  die  beiden  Nachrichten  unter  sich  in  einem  inneren  Wider- 
spruch stehen  und  eine  von   beiden   notwendig  aufgegeben  werden  muss. " 

Ueberhaupt  muss  die  ganze  Schlachtanlage  als  unverständlich  be- 
zeichnet werden.  Wie  schon  von  anderer  Seite,  besonders  von  militäri- 
schen Bearbeitern  wiederholt  betont  worden  ist.  gehörten  bei  den  Persern 
nicht  die  Reiter,  sondern  das  Fussvolk  ins  Vordertreffen  imd  an  das  Fluss- 
ufer, wofem  man  überhaupt  auch  schon  ein  Erklimmen  der  Uferwand 
seitens  der  Makedonen  verhindern  woUte  ^). 

1)  Vgl.    Droyseu.    Gesuch,  d.  Hell  L   2.  Aufl.  1877,  S.  189.    -    Dodge,    Alexander. 


T)k  Srii/iirlil  1111/  (h-imihos.  237 

Ferner  iiiuss  man  -/.iin'clxii.  ilass  l'iuiiienions  Rat,  einen  sofortigen 
Frontalangritt'  ihircli  den  (nach  Arrian)  tiefen  und  steiirandigen  Fhiss  zu 
vermeiden,  der  militärisch  einzig  vernünftige  und  zweckmässige  war  und 
dass  Alexanders  angebliche  Antwort  darauf  geradezu  läppisch  genannt 
werden  muss :  cdoyvvo^tai.  ei  röv  ftsv  'Ekliianovjov  öießtjp  evTteiwg, 
rovTO  öf,  oiti'AQÖv  ^Evfia,  si'Q^ei  »//<«c  tö  fii]  ov  diaßf^vai  <jk  i'xofiep. 
Doch  nicht  darauf  kam  es  an,  den  Uebergang  über  einen  FIuss  wie  den 
Granikos  technisch  zu  bewerkstelligen,  sondern  ihn  angesichts  der  drüben 
aufgestellten  feindlichen  Streitmacht  in  Gefechtsentwickelung  zu  erzwingen. 
Kai  rovio  ovxe  uqoq  MaxeöövMV  r/)g  dd^z/g  oihe  UQÖg  T/)g  ^/t'/g  ig  rovg  xcv- 
övvovg  d^vTtjTog  noiovfiai.  Als  wenn  es  sich  mit  der  makedonischen 
Waifenehre  nicht  vertragen  hätte,  eine  so  befestigte  Stellung  des  Feindes 
zu  umgehen,  statt  sie  ohne  Besinnen  und  ohne  Kenntnis  von  der  Durch- 
schreitbarkeit  des  anscheinend  tiefen  Flusses  zu  erstürmen,  und  als  w^enn 
nach  einer  Umgehung  des  Fronthindernisses  des  Königs  wilde  Verachtung 
aller  Gefahren  nicht  mehr  hätte  hoffen  können,  ein  genügendes  Feld  zu 
ausgiebiger  Betätigung  zu  finden!  'Ara&aQQr'jaeiv  je  doxu)  toiig  Tlegaag 
ä^iofiäxovg  May.EÖöaiv  övrag,  öti  ovÖev  ä^iov  xov  a(pwv  öeovg  iv  reo 
nagamiyM  etiu^ov.  Als  wenn  die  Verschiebung  des  Sieges  über  die 
Perser  auf  den  nächsten  Tag,  wo  die  Makedonen  (nach  Parmenions  üeber- 
zeugung)  voraussichtlich  unter  wesentlich  günstigeren  Bedingungen  den 
Kampf  hätten  aufnehmen  können,  deshalb  nicht  hätte  angängig  sein  sollen, 
weil  die  Feinde  dann  noch  eine  Nacht  hätten  an  die  Ueberwindbarkeit 
der  Makedonen  glauben  können !  Und  wie  kommt  Alexander  überhaupt 
dazu,  von  vornherein  anzunehmen,  dass  sein  Erscheinen  bei  den  Persern 
bleiche  Furcht  und  zages  Schwächegefühl  hervorgerafen  habe?  Man 
sollte  wenigstens  nach  Arrians  Schlachtbericht  meinen,  dass  sie  sich  her- 
nach am  Flussufer  recht  tapfer  und  zähe  gewehrt  haben  müssen. 

Bei  Issus  griff  Alexander  allerdings  auch  die  durch  einen  Fluss  ge- 
schützte Stellung  der  Perser  an,  und  mit  Erfolg.  Aber  das  war  ihm  nur 
dadurch  möglich,  dass  der  Fluss  im  Spätherbst  jedenfalls  nur  sehr  seicht 
und  der  Uferraud  nicht  überall  steil  war  und  dass  die  Reiterei  des  rechten 
Flügels  nebst  Leichtbewaffneten.  B^-paspisten  und  zwei  Taxen  der  Peze- 
tären-Phalanx  eine  300  m  breite  flache  Stelle  am  Gegenufer  in  der  linken 
Flanke  des  Feindes  fanden  und  so  die  Stellung  des  Gegners  umgehen 
oder  umfassen  konnten '). 

Und  schliesslich  stellt  der  arrianische  Bericht,  genau  besehen,  nicht 
eigentlich  einen  Schlachtbericht  dar.  sondern,  wie  bereits  von  anderen  er- 


Boston  1890,  S.  24U.  —  Kaerst.    üest:h.    d.    helkni.st.    Zeitalters.     Leipzig  lüol.    Bd.  I. 
S.  257.  —  Janke.  S.  141  f.  —  Delbrück,  S.  180. 

1)  Vgl.  Dittberner,  hsos  (Berlin  1908)  und  Delbrück,  S.  191  Vi.  —  Die  von  .hinke 
verteidigte  Ansicht  {Die  Schlacht  hei  /.«.«ms.  Klio  \.  1910.  .S.  137  ff.)  wiinlc  für  unseren 
Nachweis  sogar  noch  vorteilhafter  sein. 

8 


238  Koiirad  Lcliiiiain). 

kannt  worden  ist^).  im  wesentlichen  nur  eine  Verherrlichung  der  persön- 
lichen Taten  des  Königs  in  der  Schlacht.  Was  von  dem  Kampfe  der 
Truppen  berichtet  wird,  dient  diesem  Gemälde  nur  als  Hintergrund.  Es 
ist  eine  poetisch -rhetorisch  gefärbte,  aber  keine  militärisch-nüchterne 
Darstellung  der  Schlacht.  Alexander  wird  uns  vorgeführt  als  ein  Held 
nach  dem  Schlage  des  Achilleus.  Mit  stürmendem  Mute  beut  er  jeder 
Gefahr  trotzig  und  verachtend  die  Stirn  tmd  wirft  alles,  was  sich 
ihm  in  den  Weg  stellt,  zu  Boden.  Parraenion,  der  mit  ernsten  Worten 
und  sachkundigem  Rat  zur  Vorsicht  mahnt,  wird  mit  überlegenem  Lächeln 
abgewiesen.  Ein  Fronthindernis,  wie  der  Granikos.  dessen  rechtes  Ufer 
3 — 4  m  fast  senkrecht  und  mauerartig  sich  erhebt  ^)  und  vom  Feinde  be- 
setzt ist.  wird  von  ihm  verachtet:  solch  ein  Kinnsal  solle  ihn  auch  nicht 
eine  Stunde  davon  abhalten,  sogleich  darüber  hinwegzusetzen  und  dem 
Gegner  auf  den  Leib  zu  rücken.  Weithin  ist  seine  Heldengestalt  vor 
allem  Kriegsvolk  sichtbar  {öfjÄog  i}v  tüv  te  ÖJiZcov  tj)  Za^tJtQÖTtjTi),  und 
ihm  gegenüber  sammeln  sich  die  Feinde  in  hellen  Haufen  {ravTr]  jivxräg 
ineja^av  irj  öx^J]  rdg  iZag  tüv  tTtTriiOi').  Alsbald  schwingt  sich  der 
königliche  Heldenjüngling  in  den  Sattel  (eigentlich  müsste  man  freilich 
annehmen,  dass  er  bereits  den  Anmarsch  des  Heeres  zu  Pferde  geleitet 
habe),  und  ruft  seinen  Getreuen  zu,  ihm  mutig  zu  folgen  {ui'a7t't]ö^aag 
im  TÖv  mnov  xai  rolg  ä}iq>^  afnöv  iyxeZevadfiei'og  enea^ai  .  .  .).  Wo 
die  Feinde  am  dichtesten  stehen,  dahin  stürmt  er  {sfißdMei  .  .,  i'va  %b 
näv  GTJcpog  t/}s  ijitiov  y.a.1  adroi  oi  fjysfiöreg  tüv  IIsQaüi'  reray/iepoi 
fjaav).  Um  ihn  tobt  der  Kampf  am  ungestümsten.  Sein  Speer  wird  ihm 
in  der  Hand  zerschmettert  {^vvTQißETca  rö  Söqi').  Ganz  homerisch  vollends 
ist  der  Einzelkampf  des  Königs  mit  Mithridates,  Rhoisakes  und  Spithri- 
dates.  Wo  der  König  kämpft,  weicht  der  Feind  zuerst  zurück  [iyyJJvovat 
Tavztj  nQfbxov,  fi  'AßJ^avÖQog  nQOEy.ivövvF.vev),  und  damit  beginnt  die 
allgemeine  Flucht  der  persischen  Reiterei  (wg  de  rö  fiiaov  iredeÖMXSi 
avToTg,  iraQeQQt'iyrvTO  öij  y.ai  rä  eq)'  exärega  r;]c  ijtnov  y.al  ijv  Si]  q:vyij 
y.aQTEgd).  Das  Söldnerkorps,  stai-r  vor  Entsetzen  ob  dem  überraschenden 
Anblick  der  über  den  Haufen  geworfenen  Reiterei,  war  wie  festgenagelt 
stehen  geblieben  (ojv  tö  aTT<pog,  fj  rö  nqüTov  hdx^ij,  lyjrZijiet  .  .  rov 
naqalöyov  .  .  tfiEvev)^).  Im  Nu  ist  auch  dieses  ganze  Korps  aufge- 
rieben. 


1)  Grote,  S.  439,  Anm.  81.  —  Kaerst,  Forschg.  S.  90.  Anui.  2  und  aes<h.  d.  hell. 
Zeitalter!^.  S.  257,  Anm.  3.  —  Janke,  Anm.  303  u.  308. 

2)  Mordtmann.  Skizseii  aus  Kleinasien  (Das  Aushnid  1857,  S.  873)  bemerkt  mit 
Bezug  auf  die  Ersteigbarkeit  des  Uferrandes:  ,Das  rechte  Ufer  ist  hier  sehr  steil 
und  etwa  10  Fuss  hoch;  um  zu  Pferde  hinaufzukommen,  muss  man  entweder  einen 
Bucephalus  zwischen  den  Schenkehi  haben  oder  mit  den  Spiessen  stützend  dem 
Gaule  zu  Hilfe  kommen". 

3)  Hierzu  bemerkt  bereits  Kaerst,  Gesch.  d.  hell.  Ztalt.  I,  S.  257.  Anm.  1  :  ,.leden- 
falls  klingt  die  Angabe  nicht  gerade  sehr  wahrscheinlich.- 


Dir  Sr/iliirlif  um  (iriinihoi.  239 

Diese  unrl  iUmliclie.  in  Einzelheiten  auch  wieder  abweichende  Züge 
bietet  aucii  die  Darstellung  Plutarchs  {Alcxamler.  e.  16).  Auch  der  Be- 
richt Diodors.  soweit  er  in  c.  20  und  21  des  XVII.  Buches  die  Einzel- 
kämpfe des  Königs  mit  den  persischen  Fürsten  beiiandelt.  stammt  trotz 
mannigfacher  Verschiedenheiten  letzthin  ans  derselben  Quelle. 

Alle  diese  Bedenken  wecken  in  uns  die  Ueberzeugung.  dass  die  durch 
Arrian  und  Plutarch  nebst  Diodor  (in  c.  20  und  dem  ersten  Drittel  von 
c.  21)  vertretene  Ueberlieferung  wenig  innere  Wahrscheinlichkeit   besitzt. 

Daneben  liegt  uns  noch  ein  anderer  Bericht  vorbei 
Diodor  in  c.   19  und  im  zweiten  und  letzten  Drittel  des  c.  21. 

Danach  lagerten  die  Perser  längs  des  Granikos,  den  Fluss  vor 
der  Front  (y.aTeorQaroneÖEvauf  ttuqü  töv  rQavixdi'  noraftov  ngoßa/JM- 
fitvoi  TÖ  ^Eid'Qor  .  .  .).  Nach  einem  kurzen  Marsche  lagerte  sich 
das  makedonische  Heer  am  linken  Ufer  dem  Feinde  gerade  gegenüber 
(avrrofiov  rijt'  noQeiav  TtoirjattfiEvog  ävTeoTQUionsöevaE  rolg  noXifiiotg. 
&arE  ävä  fieaov  ^eiv  tojv  naQSfißoZüiv  töv  rQUviy.ör).  Die  Ei-wai-tung 
der  Perser,  die  den  Fluss  wirksam  auszunutzen  gedachten,  ging  nicht  in 
Erfüllung,  da  Alexander  den  Angriff  durch  den  Fluss  verständiger  Weise 
vermied.  Vielmehr  kam  er  am  nächsten  Tage  den  Feinden 
zuvor,  indem  es  ihm  gelang.  seinHeerimMorgengrauen 
ungestört  über  d  e  n  F 1  u  s  s  zuführen  und  e  s  a  u  f  d  e  m  r  e  c  h  t  e  n 
Ufer  in  voller  Ordnung  zur  Schlacht  aufmarschieren  zu 
lassen  (oi  fifv  ovi'  ßÜQßuqoi  tIjv  vnöjQetar  y.aj£iÄ.rj/iuet'oi  Tijv  i)av- 
Xiar  eixov  y.ey.Qixöreg  ToTg  noÄEfiloig  ini^ea^ai  xcnü  rljr  öiäßaaiv  rov 
norafiov'  yMi  öisanaQfih'fjg  rj/g  tmv  May.eöövcoi'  (fd/.ayyog  ^aöUog  tcqo- 
TEQrjOEiv  ine/Miißai'ov  iv  rfj  f^äxfl '  ö  6e  'A/.i^ai'ÖQog  .  .  .  «//'  f}uEQcc 
7tEQai(baag  t  ij  r  övi'aiiiv  E(pd-aaE  jovg  7io/.£fiiovg  EXTÜcag 
rijv  övvafiiv  fjQfioa  /4  i  reo:  ngög  rbv  äyöiva).  Der  Angriff  von  dieser 
Seite  her  kam  also  den  Persern  völlig  überraschend.  Schnell  suchten  sie 
durch  Vorwerfen  der  gesamten  Kelterei  das  makedonische  Heer  aufzu- 
halten {oi  öf  ßÜQßaQoi  TiQÖg  o///f  rijv  jd^iv  tmv  MaxEÖövcov  Earrjoav 
TÖ  nk^i&og  Tiov  ijiJiEtov  xal  öiä  jovtcov  ngoxivEiv  tIjv  /Adxtjv  SiEyvcoy.Ei- 
aai').  Das  Fussvolk  der  Perser  marschierte  dahinter  auf.  ohne  jedoch  in 
den  Kampf  aktiv  einzugreifen,  angeblich,  weil  es  die  Reiterei  für  stark 
genug  hielt  [ol  jie^oI  tojv  ÜEQodjr  .  .  .  öniad'E  EniiEiayfiEvoi  t7jv  fjavyjav 
fjyov  WC  Tüv  inicEOii'  Ixavcöv  öVtwi'  xaTanovilncu  Tovg  MaxEÖövag).  Die 
Reiterei  der  Makedonen  auf  beiden  Flügeln  eröffnete  den  Kampf:  die  thes- 
salische  Reiterei  unter  Parmenions  Führung  auf  dem  linken  Flügel,  indem 
sie  sich  mit  Erfolg  defensiv  verhielt,  die  Reiterei  des  rechten  Flügels 
unter  Alexanders  persönlichem  Befehl,  indem  sie  in  scharfem  Anreiten  den 
anstürmenden  Feinden  entgegenging  {ol  twv  ©ETTuküv  injiElg  IlaQ/iEi'icoi'og 
i)yovfiEvov  TEd^aQQijxÖTiog  idixovTO  TijV  EJTKpoQäv  TÜv  xad''  tavTOvg  TEiay- 
fiEvoiv   'AÄEiat'ÖQog  öe  Torg  ägiaTovg  twi'  Imiiiov  Eywv  xaiä  tö  dEc.iör 

10 


240  Koiirad  L<lm«nni. 

y.iqac  .  .  nq&tog  i^innevae  toiq  nigaaig).  Zuerst  warf  Alexander  den 
linken  Flügel  der  gegnerischen  Reiterei  in  die  Flucht,  dann  machte  auch 
die  übrige  Menge  der  persischen  Reiterei  Kehrt  {tiqüiov  fttr  oi  y.cnä  tdv 
'A/.e^ai'ÖQOv  TerayfiEvoi  (pvyEtv  fjfayy.dad-tjaai' '  fierü  6e  Tavia  y.ai  rcov 
Ü/./.C01'  TQajrivTiov  .  .  .).  Nunmehr  stiess  das  beiderseitige  Fussvolk  auf- 
einander. Doch  die  Perser,  die  durch  die  Flucht  ihrer  Reiter  bereits  stark 
erschüttert  waren,  hielten  nicht  lange  stand,  sondern  machten  alsbald 
ebenfalls  kelirt  (^lerä  Sk  xijv  rwr  Inuecov  TQomjV  ot  neCol  .  .  ökiyov  xqö- 
vov  t]yioriaavTo  •  oi  yÜQ  ßÜQßuQoi  diu  riiv  xibv  iTinecjv  tqojt>ji'  y.ararr/.a- 
ysvTsg  xal  ralg  tjivyalg  iröörreg  Jigög  (pvyfjv  &Qfii]aav). 

Dieser  Bericht  Diodors  über  den  Verlauf  der  Schlacht 
steht  völlig  u  n  T  e  r  e  i  n  b  a  r  neben  dem  a  r  r  i  a  n  i  s  c  li  -  p  1  u  - 
t  a  r  c  h  i  s  c  h  e  n. 

Judeich ')  erwähnt  nur  beiläufig  die  Nachricht  Diodors.  dass  Ale- 
xander erst  am  folgenden  Tage  in  der  Frühe  über  den  Fluss  gegangen 
sei.  und  bezeichnet  sie  als  „ganz  sonderbar".  Auch  die  übrigen  Bear- 
beiter der  Schlacht  haben  dieser  Darstellung  des  „elendesten  aller  Sln-i- 
lienten"  keine  Beachtung  geschenkt,  sondern  ohne  weiteres  dem  Berichte 
des  Militärs  Arrian  den  Vorzug  gegeben,  abgesehen  von  Delbrück,  der 
dessen  Mangelhaftigkeit  bereits  empfand.  Indessen  für  die  Mängel,  die 
wir  bei  Arrian  feststellen  mussten,  gewähi't  uns  Diodor  Ersatz.  Er  gibt 
uns  nicht  eine  lediglich  um  Alesanders  Person  kristallisierte  Kampfes- 
schilderung, sondern  einen  wirklichen  Schlachtbericht,  der  auch  die  Tätig- 
keit des  linken  Flügels  unter  Parmenion  berücksichtigt.  Vor  allem  aber 
hält  er  sich  frei  von  der  unglaubwürdigen  Bebauptung  eines  sofort  ohne 
jede  Vorbereitung  unternommenen  Frontalangriffes  in  parademässiger 
Schlachtlinie  durch  einen  von  3 — 4  m  hohen,  fast  lotrechten  Uferwänden 
eingeschlossenen  Fluss,  der  noch  dazu  als  tief  und  reissend  dargestellt  wird, 
gegen  einen  in  vorbereiteter  Stellung  am  Gegenufer  aufmarschierten  Feind. 

.Judeich  ist  offenbar  geneigt,  die  .,ganz  sonderbare  Xachi-icht'"  Dio- 
dors als  unhistorisch  zu  verwerfen  und  anzunehmen,  dass  sie  ,  wohl  irgend- 
wie mit  dem  bei  Arrian  entwickelten  Plan  Pai-menions  in  Beziehung 
stehe".  Dagegen  möchte  ich  eine  andere  Autfassung  vertreten.  Wenn 
Alexander  wirklich  in  unwiderstehlichem  Ansturm  ohne  Zögern  das  ge- 
waltige Fronthindernis  angesichts  der  zur  Schlacht  gerüsteten  Feinde 
überwunden  und  das  Erklimmen  des  anderen  Ufers  in  blutigem  Handge- 
menge ertrotzt  hätte,  so  wäre  es  geradezu  undenkbar,  dass  eine  so  sinn- 
fällige, eindrucksvolle  und  gemeinhin  unmöglich  scheinende  Heldentat  des 
Königs  einer  so  farblosen  Verwässerung.  wie  sie  nach  Diodor  angenommen 
werden  müsste.  in  der  Ueberlieferung  der  Grosstaten  Alexanders  hätte 
anheimfallen  können.  Wer  kann  sich  vorstellen,  dass  der  AngTÜf  der 
Bayi-euth-Dragoner  bei  Hohenfriedberg    oder    die  Erstürmung    der    Adda- 

1)  S.  394.  Anm.  1. 

11 


Die  Sihhicht  nw  (iranihis.  241 

BriUke  von  liUili  mlcr  dci-  Sturm  ;iut'  die  I)üpj)elt'r  Schanzen  jemals  scU)st 
von  einer  feindseligen  (ileschiclitscbi-eil)ung  ilires  Ruhmes  als  einer  beson- 
ders eindrucksvollen  Kriegsleistuiig  entkleidet  und  mit  AngrifFstaten  eines 
"■ewöliniichen  Durchschnitts,  mit  normalen  Angriffsbeweguntfen  auf  nn1)e- 
hindertem  Gelände  auf  eine  Stufe  gestellt  werden  könnten ! 

Ich  behaupte  nun  nicht  etwa,  dass  in  Diodors  Bericht  alles  einwand- 
frei und  bei  Arrian  alles  falsch  sei.  Vielmebr  halte  ich  einerseits  Dio- 
dors Angabe,  dass  die  Perser  100  000  Mann  z.  F.  gehabt  hätten,  für 
recht  anfechtbar,  wenn  auch  nicht  weiter  für  verwunderlich  bei  der  fast 
zur  allgemeinen  Kegel  gewordenen  Annahme  von  der  riesigen  Grösse  der 
asiatischen  Heeresmassen').  Ferner  verwerfe  ich  durchaus  die  Angabe, 
dass  man  das  persische  Fussvolk  deswegen  vom  Vorgehen  zurückgehalten 
habe,  weil  man  die  Reiterei  für  stark  genug  zur  Besiegung  der  Make- 
donen  gehalten  habe.  Andererseits  sehe  ich  die  Ausführungen  Arrians 
über  den  Gefechtsaufmarsch  des  makedonischen  Heeres  als  völlig  glaub- 
würdig an,  zumal  sie  mit  Diodors  Schlachtbericht  in  vollem  Einklang 
stehen.  Ebenso  ist  es  nicht  undenkbar,  dass  Alexander  gegen  die  persi- 
schen Reiter,  und  zwar  wohl  gegen  ihre  linke  Flanke,  zuerst  den  Amyntas 
und  Ptolemaios  hat  vorgehen  lassen,  ehe  er  selbst  zum  Frontalstoss  an- 
setzte. Auch  die  Verlustangaben  Arrians  auf  makedonischer  Seite  halte 
ich  für  glaubhaft.  Und  diese  offenbar  auf  urkundliche,  amtliche  Quellen 
zurückgellenden  Mitteilungen  Arrians  mögen  wohl  Ranke  zu  seinem  gün- 
stigen Urteile  über  den  Sehlach tbericht  dieses  Gewährsmannes  veranlasst 
haben.  Nur  Arrians  ganze  Schlachtschilderung  mit  dem  Angriff  über  den 
Granikos  hinweg  lehne  ich  ab  und  schliesse  mich  durchaus  der  diodori- 
schen  an.  Was  an  den  Einzelkämpfen  Alexanders  historisch  ist.  lässt 
sich  naturgemäss  nicht  mehr  feststellen.  Einen  Kern  von  Wahrheit  können 
sie  recht  wohl  haben. 

Nun  erklärt  sich  auch  ohne  Schwierigkeit  die  bei  Arrian  ganz  unver- 
ständliche Aufstellung  der  Perser.  Denn  nicht  um  das  Granikos-Ufer 
zu  verteidigen,  war  die  persische  Reiterei  vor  die  Front  des  Fussvolks  ge- 
zogen. Sondern  da  Alexander,  die  Perser  überraschend,  im  Morgengrauen 
sein  Heer  glücklich  auf  das  rechte  Flussufer  zu  bringen  vermocht  hatte 
und  nun  nach  ungestörtem  Aufmarsch  gegen  die  persische  Stellung  her- 
anrückte, sahen  sieb  die  Perser  genötigt,  bis  ilir  eigenes  Fussvolk  sich 
zur  Abwehr  des  Angriffes  ordnen  konnte,  schleunigst  ihre  gesamte  Reiterei 
dem  Feinde  entgegenzuwerfen,  und  zwar  nicht  nur  der  feindlichen  Reiterei 
auf  den  Flügeln,  sondern  nqbg  öXrjv  T//r  ■tüt,iv  töjv  MaxEÖöi'MV.  Als 
dann  nach  der  Flucht  der  persischen  Reiterei  das  makedonische  Fussvolk 
mit  dem  persischen  zusammenstiess,    bedurfte    es   für  die  Makedonen    er- 

1)  Beloch  allerdings  kommt  zu  dem  durch  keinen  Vorljehalt  eingescliWinkten 
Ergebnis  (Die  Berölkeniny  der  griechisch-rümiaclieii  Welt.  S.  21-")  Vi.),  .dass  Diodors 
Stärkeangaben  durchaus  nicht  schlecht  sind". 

Klio,  Heitr&ge  zur  alten  Gescliichto  XI  l'.  Ifi 

12 


242  Kotirtul  hilniKum. 

kliirlifliPrweise  keines  langen  Kamiifes,  um  die  Itereits  diirrli  Alexanders 
Angiirt'  überraschten  und  durch  den  Anblick  des  aufgelösten  Zuriickjagens 
ihrer  Reiterei  vollends  erschütterten  Feinde  über  den  Haufen  zu  werfen.  Dass 
unter  solchen  Umständen  makedoniseherseits  der  Sieg  mit  sehr  geringen 
Opfern  gewonnen  werden  konnte  und  persischerseits  die  Verluste  an  Toten  un- 
verhältnismässig bedeutender  sein  mussten  (wenn  auch  gewiss  nicht  10i*0(t  M. 
7..  F.  und  1000  Reiter,  wie  Diodor  angibt),  ist  durchaus  glaublich. 

Auf  welche  Phase  der  Schlacht  die  Notiz  Pojyäns  (IV,  3,  8).  wo- 
nach der  makedonische  Angriff  zuerst  nicht  gelingen  wollte,  zu  beziehen 
sein  mag,  ist  schwer  zu  sagen,  wofern  sie  überhaupt  wirklich  die  Grani- 
kos-Scblacht  betrifft.  Es  heisst  dort:  'A/JiavÖQOc.  Iv  tij  tjqmt]]  Tiaga- 
id^ei  JiQÖg  Tovc  Higaac  öqwi'  svöidörrag  ijötj  rovc  JSIay.EÖövag  :iaQt7T- 
n£va>v  dveßöa'  „'Eri  cma^  Ejxayäyco^ev,  ävÖQeg  31ay.eööreg,  i'nysri'alcüQ 
unac."  Kai  ötj  rP^g  ifißoZrig  eiigwarov  yero}iEi't]g  £g  (pvyijv  eTQÜJiotno 
ol  ßÜQßaQOi.  Indessen  könnte  diese  Nachricht  vielleicht  auf  den  zwar 
nicht  von  Diodor,  wohl  aber  von  Arrian  erwähnten  Angriff  des  Amyntas, 
den  Alexander  zuerst  vorschickte,  Bezug  haben.  Auch  die  zweite  Notiz 
Polyäns  über  die  Schlacht  lässt  sieh  nur  mit  einigen  Reibungen  in  die 
anderwärts  überlieferte  Form  einfügen:  'APJiarSgog  rQcirr/.bv  dixßaiviov 
Ilegaag  £§  v.TSQÖecicov  ijtiövrag  aviög  Lri  öögr  rorg  May.eöörag  ävaya- 
yiov  bTiEQey.eQuaEV  "  i]  6e  (fd?Myi  TigoanEGOvaa  roig  jtoAefiioi'g  ETQiiJ'UTO. 
Hiusichtlich  der  Gliederung  des  persischen  Heeres  lässt  diese  Quellen- 
nachricht uns  völlig  im  unklaren.  Die  Bemerkung,  über  die  entscheidende 
Wirkung  des  Vorgehens  steht  im  Einklang  mit  der  übrigen  Ueberliefe- 
rung.  Das  Präsens  im  Partizip  öiaßaircor  erinnert  an  die  arrianisch- 
plutarchische  Auffassung  von  Alexanders  Angriff,  während  der  Ausdruck 
Tlioaag  e  n  i  6  v  t  a  g  i:^  inegÖE^iov  für  die  diodorisehe  Anschauung  zu 
sjirechen  seheinen  könnte.  Neu  in  Polyäns  Bemerkung  ist  die  Mitteilung 
von  einem  die  linke  pei'sische  Flanke  umfassenden  Angriff'  eines 
makedonischen  Heeresteils  {inl  Söqv  .  .  (•irEQeyEQaaEr).  Immerhin  lässt 
sich  darunter  das  Vorgehen  des  Amyntas  ohne  erhebliches  Bedenken  be- 
greifen. .Jedenfalls  aber  sehen  wir,  dass.  wenn  Polyän  beim  Exzerpieren 
nicht  flüchtig  gewesen  ist.  die  Ueberlieferung  auf  ihrem  Wege  von  den 
Urquellen  bis  zur  vierten  oder  sechsten  Ueberarbeitung  bereits  sehr  starke 
Trübungen  erlitten  hat.  deren  Niederschlag  uns  in  den  ims  erhaltenen  Be- 
richten in  verschiedener  Stärke  vorliegt. 

Recht  wohl  ist  allerdings  denkbar,  dass  der  König  wirklich  durch 
persönliches  Eingi-eifen  in  das  Nahgefecht  der  Reiterei  sich  um  den  Sieg 
ein  wesentliches  besonderes  Verdienst  erworben  hat  und  dabei  in  eme 
Lebensgefahr  gekommen  ist,  aus  der  ihn  der  treue  Kleitos  gerettet  hat. 
Doch  auch  ohne  die  lange  Reihe  von  achilleischen  Heldentaten  des  Kö- 
nigs rechtfertigt  der  nüchterne  diodorisehe  Bericht  (in  c.  19  u.  21)  das 
Gesamturtoil.  dass  das  Hauptverdien.st  am    Siege    dem  Könige    sell)st    zu- 

13 


Die  Sr//l,tr/if  dm  Grrmilios.  243 

koiiiint,  wiihreiul  Arrian  dicsiii  iüiliiii  mit  phantastischen  Mittehi  noch  zu 
steigern  beflissen  ist,  indem  er  den  Sieg  als  das  ausschliessliche  und  rein 
persönliche  Werk  des  Königs  darstellt,  dem  die  makedonischen  Trujjpen 
und  ihr  alter,  in  Ehren  ergrauter  General  Parmenion  nur  sozusagen  als 
Staffage  gedient  hätten.  Der  Plan,  auf  Grund  dessen  Alexander  seinen 
Sieg  errang,  deckt  sich  vollkommen  mit  dem  Hat,  den  Parmenion  vor  der 
Schlacht  dem  arrianischen  Berichte  zufolge  dem  Könige  gegeben  hat.  Ob 
diese  Meldung  richtig  ist,  d.  h.  ob  Parmenion  vor  der  Schlacht  seinem 
jungen  Könige  den  Rat  erteilt  und  der  König  ihn  befolgt  hat,  können  wir 
nicht  ausmachen.  Innere  Wahrscheinlichkeit  hat  sie  in  hohem  Grade. 
Doch  auch  in  diesem  Falle  leidet  der  militärische  Ruhm  des  jungen  Make- 
donenkönigs  als  des  ausführenden  und  die  Verantwortung  .selbst  über- 
nehmenden Leiters  der  Kriegshandlung  keine  Einbusse.  Durchaus  verstän- 
dig ist  auch  die  Wertung  der  Leistungen  auf  der  Walstatt  selbst,  wie  sie 
Diodor  gibt:  '0  fiev  ßaaiAevg  öfioZoyov^ievov  rr^g  dvÖQayad-iag  rö  tcqm- 
Tiaxov  äjii^väyy.aio  xat  T/]g  oZt]g  vixt]g  eöoie  fidhara  ahiog  yeyovh'ai  •  ^lerä 
<>e  rovTOv  ol  rwr  €)snak(jiv  litJtelg  .  .  .  fieydhjv  in''  üpögeia  Sö^av  ea)(pv. 

Also  alles  in  allem  genommen:  in  demselben  Maße,  wie 
Arrians  Schilderung  vom  Gang  der  Schlacht  als  unwahr- 
scheinlich bezeichnet  werden  muss,  ist  Diodors  Bericht 
(c.  19  u.  2  1)  innerlich  glaubwürdig  und  in  sich  harmonisch 
und  verdient  darum  in  allen  Punkten,  in  denen  Arrian  von 
ihm  abweicht,  unbedingt  den  Vorzug. 

Die  romanhafte  arrianische  Darstellung  des  Schlachtverlaufes  ver- 
dankt ihre  Entstehung,  so  paradox  dieses  Urteil  auch  erscheinen  mag. 
einer  mehr  poetisch-volkstümlichen  als  um  militärisches  Verständnis  sich 
kümmernden  Verherrlichung  des  kriegsgewaltigen  Makedonenkönigs.  Auf 
welche  Urcjuelle  sie  zurückzuführen  ist  und  seit  wann  sie  die  Ueberliefe- 
rung  beherrschte,  ist  natürlich  nicht  zu  entscheiden.  Arrian  fand  sie  be- 
reits vor.  wie  auch  schon  Plutarch.  Aber  durch  die  Begeistenmg  für 
seinen  Helden  Hess  er  sich  wohl  verleiten,  diese  zu  seiner  Zeit  bereits 
ganz  allgemein  geglaubte  und  festgewurzelte  Auffassung  des  sieghaften 
Heldenjünglings  nachzuerzählen,  vielleicht  auch  beeinflusst  durch  die  Tat- 
sache, dass  Alexander  in  seiner  zweiten  Schlacht  gegen  die  Perser,  bei 
Issos,  wirklich  durch  einen  Fluss  hindurch  ohne  Besinnen  zum  Angritt' 
vorgegangen  ist  und  den  Feind  geschlagen  hat,  wenn  auch  unter  einiger- 
massen  anderen  Bedingungen.  Beloch  ')  hat  ganz  recht  zu  vermuten.  „  Ar- 
rian habe  auch  eine  oder  mehrere  rhetorisierende  Quellen  benutzt".  Und 
ebenso  trifft  das,  was  Schwartz  ')  ausführt,  vollkommen  auch  für  Arrians 
Bericht  über  die  Granikos-Schlacht  zu:  „Viel  verbreiteter  war  die  Manier, 
die  romanhafte  Tradition  nicht  zu  beseitigen,  sondern  mit  Hilfe  der  Pri- 
märberichte mehr  oder  weniger  zu  retouchieren :  von  Aristobul  bis  auf 
1)  G}iech.  Gesch.  U,  S.  fi.JT.  —  2)  Curlius  Rufus  in  Pauly-Wissowa  RE  .Sp.  1877. 

16* 
U 


244  lünirad  LvInnaDn.    Die  ^rldarlif  (int   (Tirinil-os. 

Plutarch  mul  Arriaii  ist  flas  immer  wieder  versneht  worden,  bald  mehr, 
bald  weniger  geschickt." 

Diodor  hingegen  —  fast  zwei  .Tahrhunderte  vor  Arrian  —  hat  uns. 
freilich  nicht  durch  eigenes  militärisches  Verständnis,  sondern  wohl  mehr 
nur  von  einem  gewissen  nüchternen  Empfinden  geleitet,  eine  von  jioeti- 
scher  Ausschmückung  und  Entstellung  freie  Schilderung  aufbewalui.  die 
es  uns  —  der  Resignation  Delbrücks  zum  Trotz  —  ermöglicht.  ,die 
w^esentlichen  Momente  für  das  Verständnis   der  Schlacht"    wiederzutinden. 

Melbers  Urteil  über  Diodor  im  Gegensatz  zu  Arrian  kann  ich  für  die 
Granikos-Schlacht  allerdings  nicht  gutheissen,  wenn  er  erklärt^):  „Polyän 
steht  zusammen  mit  Diodor  gegen  Arrian.  ihre  Quelle  ist  ein  Autor,  der 
von  militärischen  Dingen  absolut  nichts  versteht,  und  seine  Nachrichten 
sind  daher  für  das  Verständnis  der  militärischen  Operationen  ohne  Wert." 
Desto  zutreffender  aber  scheint  mir  Belochs  Anschauung  zu  sein  -).  „  Uebrigens 
enthält  auch  Diodor  mitunter  sehr  beachtensw^erte  Angaben  über  mili- 
tärische Ereignisse."  Und  noch  mehr  die  von  Rflstow  und  Köchly  ver- 
tretene Auffassung^):  ..Diodoros  von  Sizilien....  der  nüchterne,  flache 
Rhetor,  .  .  .  hat  wenigstens  das  Verdienstliche,  dass  er  zuweilen  ohne  eigene 
Zutat  .  .  .  gute  Quellen  ziemlich  genau  ausgeschrieben  zu  haben   scheint." 

Mittels  sachkritischer  Prüfung  ist  es  uns  möglich  geworden,  die  Spreu 
von  dem  Weizen  zu  sondern  und  das  bisher  unbeachtete  Korn  zu  finden.  Aber 
wenn  auch  des  poetischen  Schimmers  oder,  besser  gesagt,  Flitters  be- 
rauht, kann  uns  die  Gestalt  Alexanders  in  seinem  ersten  Kampfe  mit  den 
Persern  militärisch  nur  desto  leuchtender  und  bewundernswerter  erscheinen. 

Wir  sehen  an  diesem  Beispiel,  dass  Arrian  nicht  immer  von  vorn- 
herein und  unbedingt  den  Vorzug  vor  den  anderen  Quellen  verdient,  son- 
dern dass  dieser  militärische  Fachmann  recht  wohl  der  quellen-  und  auch 
sachkritischen  Nachpi'üfung  bedarf.  Ich  schliesse  micli  in  dieser  Hinsicht 
dem  Urteil  Grotes*)  an:  „Ich  weise  auf  diesen  Vorzug  des  Diodoros"  (es 
handelt  sich  dort  um  die  Würdigimg  von  Memnons  Kriegsplan)  ,um  so 
mehr  hin,  als  neuere  Kritiker  eine  Neigung  an  den  Tag  gelegt  haben, 
ein  allzu  ausschliessliches  Vertrauen  in  Arrian  zu  setzen  und  fast  allen 
Angaben  über  Alexandres  zu  misstrauen  ausser  denjenigen,  die  Arrianos 
entweder  bestätigt  oder  denen  er  das  Wort  redet.  Arrianos  ist  ein  sehr 
schätzenswerter  Historiker:  er  hat  den  Vorzug,  dass  er  uns"  (wenigstens 
im  allgemeinen)  „eine  einfache  Erzählung  ohne  rhetorischen  Schmuck  gibt, 
die  sowohl  gegen  Diodoros  als  gegen  Curtius  günstig  absticht:  aber  er 
darf  nur  nicht  als  der  einzige  vertrauenswürdige  Zeuge  hingestellt  werden. " 
Steglitz  b.  Berlin. 


1)  lieber  die  Quellen  und  die  Strategetnensammhiiig  Pali/iins.   Flecleifois  Jahrhiiclicr 
f.  lia^s.  PhiM.  188-3.     14.  Supplementband,  S.  612. 

2)  Griech.  Gesch.  II,  S.  58.  —  3)  Geschichte  dex  griechii^chen  Krieg.tweaois.     Aaraii 
1852.  S.  XV.  —  4)  Bd.  VI,  S.  4.S5,  Anm.  70. 

15 


245 


Die  älteste  Form  der  Pontifikalannalen. 

Von  Ernst  Koriieiuaiiii. 

In  seinem  tiefeindriniienden  Buche  Die  römische  Ja/nräihlmu/ ')  bat 
Oskar  Leuze  sich  neuerdings  mit  dem  Ausdruck  ö  jtaQc'c  lol^  üq- 
XiiQ£t!Oi  xeifiEvog  nlva^-)  bei  Dionys  von  Hai.  I  74,3  mehrfach  bescbilf- 
tigt.  Er  bat  zunächst^)  die  von  Ideler,  0.  Hirsehfeld  und  Holzapfel 
vertretene  Ansicht,  dass  der  niva^  an  der  genannten  Stelle  nicht  aus  Po- 
lybios.  sondern  neben  Polybios  zitiert  wird,  gegen  die  communis  opinio 
mit  Recht  wieder  zu  Ehren  gebracht  ^).  An  einer  zweiten  Stelle  *)  hat  er 
die  verschiedenen  Deutungen,  die  man  den  Worten  gegeben  hat,  kritisch 
beleuchtet.  Er  weist  die  zuerst  von  Seeck ")  geäusserte  und  von  Mommsen 
gelegentlich  gebilligte  Vermutung ')  zurück,  als  werde  unter  dem  niva^ 
die  für  für  das  laufende  Jahr  an  der  Regia  aufgestellte  Kalendertafel  ver- 
standen :  ebenso  lehnt  er  die  Ansicht  Hirschfelds,  die  auch  von  Holzapfel 
vertreten  wird,  ab,  als  seien  die  an  der  Wand  der  Regia  eingegrabenen 
sogen,  kapitolinischen  Fasten  gemeint:  auch  teilt  er  nicht  die  ältere  Auf- 

1)  Tübiugen.  J.  C.  B.  Mohr,  1909. 

2)  Die  Hss.  haben  ^ Ayyiaevai.  Die  Korrektur  stammt  von  Niebuhr  und  ist  schon 
längst  und  allgemein  angenommen,  vgl.  O.  Hirschfeld.  Hermes  IX.  187-5,  S.  106  Anm.  1 
u.  H.  Peter.  Bell  I  p.  XXII.  Nur  L.  Cantarelli.  Birista  di  filol.  XXVI,  1898.  S.  220 
Anm.  2  macht  dagegen  Bedenken  geltend,  die  aber  /..  T.  von  der  falschen  Voraus- 
setzung ausgehen,  dass  Dionys  hier  von  Polybios  abhänge,  s.  darüber  oben  im  Text. 
Der  aus  der  Tatsache,  dass  nur  hier  von  Dionys  ngyiegeig  für  pontifex  manimits 
gebraucht  wird,  entnommene  Einwand  ist  schon  von  Hirschfeld  zurückgewiesen  wor- 
den: vgl.  dazu  auch  die  Ausführungen  u.  S.  246  Anm.  4.  Seltsamerweise  wird  die  An- 
wendung des  Wortes  nur  an  dieser  Stelle  in  dem  soeben  erschienenen  Buch  von  G. 
Costa,  I  fast)  consolari  Bomani,  Mailand  1910,  HS.  37,  2,  wie  einst  von  0.  Seeck 
{Kalendertafel  S.  6.5).  dazu  benutzt,  um  wieder  Polybios  als  Quelle  nachzuweisen. 

3)  S.  168  f.  Die  Belege  für  die  Zitate  im  Text  aus  Ideler.  Hirschfeld  u.  Holz- 
apfel siehe  S.  168  Anm.  208. 

4)  Wie  nötig  das  ist.  beweisen  die  Arbeiten  mancher  Italiener,  bei  denen  die 
falsche  Interpretation  bis  in  die  neueste  Zeit  wiederkehrt,  vgl.  Cantarelli  a.  a.  0. 
S.  220  A.  2,  6.  Costa,  a.  a.  O.  II  S.  ;ü7  Anm.  2.  Leider  macht  auch  A.  Enmann  in 
seinem  Aufsatz,  der  uns  unten  beschäftigen  wird  (Bhein.  Mus.  N.  F.  ■'i7.  1902.  S.  •'>16) 
denselben  Fehler;  ebenso  Sanders  in  Claus.  Philology  1908  S.  329.  —  .5)  S.  197  f. 

6)  Die  Belege  für  diesen  und  die  folgenden  Verweise  bei  Lenze  a.  a.  0. 

7)  Auch  Cichorius  B.E.  I  2248  f  teilt  diese  Ansicht. 

1 


246  Ernst  KiiviiciiHnni. 

fassung  der  Stelle,  woiiacb  der  Tiiva^  mit  den  (uniulcs  nnix'aiii  identitiziert 
wird.  Er  kommt  selber  zu  der  Ansicht'),  dass  es  sich  wohl  um  eine  Auf- 
zeichnung der  Pontifices  handelt.  Nur  ist  nicht  an  das  zu  einer  Chronik 
erweiterte  Verzeichnis  zu  denken,  sondern  an  eine  reine  „  Beamtenliste " 
oder,  wie  er  gleich  darauf  sich  ausdrückt,  .die  reine  Eponymenliste,  die 
offizielle  Aufzeichnung  aller  sich  ablösenden  Beamten",  die  noch  nicht  zu 
chronographischen  Zwecken  dui-ch  Ausgleichung  von  Beamten-  und  Ka- 
lenderjahr redigiert  war''). 

Damit  hat  er  meines  Erachtens  den  Ausdruck  zu  eng  gefasst.  Der 
hier  genannte  iclvai,  kehrt  mit  demselben  Zusatz  noch  einmal  in  unseren 
Quellen  wieder,  in  dem  bekannten  Catofragment  aus  dem  vierten  Buch  der 
Origincs  bei  Gellius  N.  A.  II  28,  6 :  non  luhet  scrihere,  qiwd  l  n  t  ah  u  Ja 
apiidpontificcm  maximum  est  {=  fragm.  77  bei  Peter.  BelJ.  I 
S.  73).  Dass  beide  Zitate,  die  aufs  Wort  fast  übereinstimmen,  dieselbe 
Vorlage  im  Auge  haben ,  kann  wohl  nicht  bezweifelt  werden '),  zumal 
wenn  mau  den  von  Leuze  versuchten  Nachweis  für  erbracht  hält,  dass  die 
Stelle  bei  Dionvs.   von  der  wir  ausgegangen  sind,  aus  Piso  stammt^).  Da- 


1)  Ebenso  schon  S.  157  Anm.  193. 

2)  Er  kommt  also  zu  einer  Gleichsetzung  des  ;i/r«|  mit  den  \fQoi  xt  xa'i  anöHt- 
TOi  ßlß/.oi  in  XI  62,3  und  den  (mit  die.sen  letzteren  wiederum  identischen)  lintei  Jibri 
(1(1  Monetae  bei  Livius  IV  7.  12  (darüber  u.  S.  255),  was  S.  190  f.  deutlich  ausgespro- 
chen wird. 

3)  So  richtig  H.  Peter,  Bell.  1  p.  XVIIII :  vgl.  auch  schoii  E.  Hübner.  Fleckeis.  Jhh. 
für  cl.  Phil.  79,  1859,  S.  414:  ,'0  nagn  x.  ä.  x.  n.  ist  eine  ganz  passende  Uebersetzung 
für  tabula,  quae  est  apud  pontificem  oder  quae  sservatur  penes  pontificem'' ;  dazu  S.  419. 

4)  Vgl.  S.  200  ff.  Für  mich  ist  entscheidend,  dass  die  Liste  der  zitierten  Anna- 
listen und  sonstigen  Historiker  bei  Dionys  I  74  mit  Cato  und  Polybios  abbricht.  Da- 
zu kommt  der  Hinweis  Leuzes  auf  Dionys  IV  7,  woran  S.  202  die  richtige  Beobach- 
tung geschlossen  wird:  ,Es  ist  beachtenswert,  dass  hier  wie  in  174,  S  von  imloyia- 
ftoi  die  Rede  ist:  ebenso  erinnert  avyxaTu^tftifog  au  ois  iyxo  Tipoöföf,«)/!'  in  I  74  und 
an  ai;  7jfiCL<:  ovx  avev  loyiaßov  avyxaxaxi&sfiiS^a  in  XI  62.'  F.  Münzer  (flcnnes  31. 
1896,  S.  308)  macht  weiter  mit  Recht  darauf  aufmerksam,  dass  die  imi.oyiaftol  au 
unserer  Stelle,  soweit  sie  sich  auf  das  Censorenprotokoll  vom  Jahre  362  Varr.  stützen, 
aus  Piso  Censorius  (vgl.  Dionys  II  38,  3 :  log  äh  Iliawv  Afvy.ioc  6  x  i  fitj  x  txo  g 
laxopit.  auch  U  39,  1)  herübergenommen  sind  (anders  Leuze  S.  157  if ,  der  hier  — 
vgl.  S.  159  —  falschlich  den  , Autor  der  Polybischen  Chronologie"  hereinbringt). 
Die  Kapitel  74  und  75  enthalten  eine  iu  sich  geschlossene  Beweisführung,  die  ihr 
Ende  erreicht  in  75,  4  bei  den  Worten :  t«  fihv  61/  nt^i  zov  -/QÖfov  xaä'  ur  ij  vvv  dv- 
vaaxfiovaa  itö'uc  (ßxla&rj  xoTg  xe  ngb  ifjov  yirofihoig  dcnjukru  xäftol  äoxovvxa 
Toifiö'  iaxiv.  Hl".  Leuze,  dem  ich  diese  Ansicht  vorlegte,  bemerkt  mir  hierzu:  „Für 
Piso  trifft  das  zu :  er  hat  die  Ansichten  seiner  Vorgänger  (Timaios  bis  Cato  und 
Polybios)  aufgezählt.  Für  Dionys  trifft  es  nicht  zu ;  denn  Dionys  hätte  auch  Varro 
nennen  müssen,  wenn  er  die  Ansichten  aller  tiqo  eavxov  über  die  Gründungszeit  auf- 
zählen wollte,  zumal  Dionys  mit  Varros  Schriften  sonst  gut  bekannt  war".  Auch 
im  übrigen  zeigen  die  beiden  Kapitel  Besonderheiten,  die  nur  durch  die  Herleitung 
aus  einer  Quelle  erklärlich  sind.  Ihr  ist  es  aufs  Konto  zu  schreiben ,  dass  bei 
Dionys  n  u  r  hie  r  Cinciu.s  v  o  r  Fabius  genannt  wird  (anders  I  6.  2  und  I  79.  3)  und 


/)/(•  ältrstv  lüiini  der  l'otttifil.nliuninliti.  247 

mit  koiuiiitn  wir  zu  dem  sehr  interessanten  Hesultat.  ilass  zwei  Autoren 
des  zweiten  Jahrhunderts  den  niva^  (tiihiiUi)  zitieren. 

Schon  dadurch  wird  Hirschfehls  Interpretation  der  DionyssteUe  aus- 
gestdilossen,  ganz  abgesehen  davon,  dass  man  von  den  kapitolinischen 
Fasten,  die  aussen  an  der  Regia  angebracht  waren,  nicht  y.eifiei'og,  sondern 
nur  Jt^oxEifierog  hätte  sagen  können.  Mit  diesem  letzteren  Argument 
wird  auch  Seecks  Ansicht,  dass  die  jährlich  ausgestellte  Pontifikaltafel 
gemeint  sei,  aus  der  Welt  geschatFt.  Endlich  ist  der  Umstand,  dass  nicht 
nur  Piso,  sondern  auch  Cato  die  tabula  zitiert,  ein  Beweis  dafür,  dass  die 
aiinales  maximi,  die  nach  Cato  und,  wie  wir  aus  unserer  Stelle  sehen,  auch 
nach  Pisos  Annalen    erschienen   sind '),    nicht   die  Vorlage  bilden  können. 

AVas  ist  aber  dann  unter  dem  nivai  zu  verstehen  V     Um  diese  Frage 


dass  Cincius,  obwohl  er  von  Dioiiys  schon  in  I  6  genannt  war.  erst  hier  als  «W/p 
xöiv  (X  Tov  ßovj.evzixov  ovvböqIov  bezeichnet  wird,  während  man  doch  diesen  Zusatz, 
eher  bei  der  ersten  Nennung  des  Mannes  erwartet.  Weiter  ist  es  aus  dem  Quellen- 
wechsel zu  erklären,  dass  nur  hier  j)0)itifices  «ia.rimj  mit  «p;((fpf(£:  wiedergegeben  wird 
(darüber  E.  Hübner  a.  a.  O.  S.  414  und  oben  P.  245  Anm.  2).  Endlich  versteht  man 
so  die  Angabe  der  Regierungsjahre  der  einzelnen  Könige  und  der  Gesamtdauer  der 
Königszeit  schon  hier  (c.  75).  obwohl  dieselben  Zahlen  alle  später  noch  einmal  (Ro- 
mulus  11  56.7  und  11  .57.1.  Numa  II  76,5.  Tullus  111  3.5.1.  Ancus  111  4-5.  .3,  Priscus 
[V  1.1.  Servius  TulHus  IV  40.1,  Superbus  IV  8-5,4,  die  Dauer  der  Königszeit  V  1.1) 
gegeben  werden.  Weshalb  die  beiden  Kapitel  so  aus  dem  Rahmen  des  Ganzen  heraus- 
treten, ergibt  sich  leicht,  wenn  man  sieh  vor  Augen  hält,  dass  hier  von  Dionys  drei- 
mal (I  74,  2  u.  4 ;  75,  3)  auf  eine  eigene  Monographie  chronologischen  Inhalts  ver- 
wiesen wird:  nüji;  av  rig  mfv&vvoi  tovc  'Pwftaiiov  -/QÜvovq  itQoq  rovg  ' Ef.Xijvixovc,  die 
von  den  Neueren  mit  der  bei  späteren  Autoren  des  Altertums  zitierten  Schrift  des 
Dionys  Ttfpt  ygvfwv  identifiziert  wird  (vgl.  C.  Wachsmuth,  Eiiileitunn  S.  146  Anm.  1 
und  Ed.  Schwartz.  U.  E.  V  S.  936).  Wir  müssen  darnach  annehmen,  dass  Dionys 
zunächst  in  dieser  Schrift,  wie  er  für  die  griechischen  Daten  nach  seiner  eigenen 
Angabe  Eratosthenes  benutzte  (I  74,  2).  so  für  die  lateinische  Chronologie  den  Piso 
zu  Grunde  gelegt,  hat,  dessen  Annalen  wahrscheinlich  einen  chronologischen  Exkurs, 
der  alles  Nötige  bequem  darbot,  enthielten.  Diesen  hatte  der  Rhetor,  der  sieb  mit 
der  Materialbeschaffung  nicht  viel  Mühe  gemacht  hat  (vgl.  das  vernichtende  Urteil 
von  Ed.  Schwartz.  R.  E.  V  S.  934  tf.  und  neuerdings  Franz  Halbfas,  Theorie  u.  Praxis 
in  der  Geschiehtsschreibung  hei  Dionii»  von  Hdlikariidss,  Diss.  Münster  1910,  S.  15  ff.), 
in  der  erwähnten  Monographie  in  extenso  ausgeschrieben,  während  er  an  unserer 
Stelle  nur  ein  Exzerpt  aus  seiner  Abschrift  wiedergibt,  vgl.  I  74,4:  tj  fthv  oi-v  rtxgi- 
ßfitt  iv  ixtlvo)  6Tj).ovzat  zw  /.üyiu,  ).i-/^9^i]asTni  öi  Sia  zr/odt  T»/;  nQayixaziluQ  avzä  xävay- 
xaiözaza.  —  Zu  ganz  anderem  Resultat  kommt  neuerdings  G.  Costa  a.  a.  0.  I  300  ff., 
der  .sich  I  2  S.  143  noch  einmal  scharf  gegen  Leuzes  Gleichsetzung  des  pisonischen 
und  dionysischen  Systems  ausspricht.  Davon  wird  unsere  Ansicht,  dass  Piso,  der  in 
IV  7,  5  zitiert  wird,  auch  in  I  74  und  75  die  Quelle  des  Dionys  ist.  nicht  berührt.  Vgl. 
auch  II  40.  3 :  Uym  61  a  Ilsiawv  yQÜifft. 

1)  Denn  dadurch,  dass  Piso  noch  den  niva^  wie  Cato  und  nicht  die  uniiales  ma- 
ximi zitiert,  wird  nebenbei  bemerkt  wahrscheinlich  gemacht,  dass  seine  Annalen 
(Tjei  Dionys  v.  Hai.  IV  15.  5  als  ctl  iriavaiOL  iivayQtt(f(u  bezeichnet,  derselbe  Ausdruck 
IV  30)  vor  den  annale»  maximi  des  Mucius  Scaevola,  der  sein  Kollege  im  Konsulat 
von   133   war,   herausgekommen   sind.      Zeitlich   ist  das   auch  möglich,   selbst   wenn 

3 


248  Enisf  Koniemauii, 

zu  beantworten,  müssen  wir  davon  ausgehen,  dass  von  Piso-Dionys  der 
jiira^  gelegentlich  einer  Erörterung  über  das  Gründungsdatum  der  Stadt 
zitiert  wird.  Also  muss  damit  ein  Werk  gemeint  sein,  welches  bereits 
die  älteste  Geschichte  Roms,  einschliesslich  der  Königsgesehichte,  ent- 
hielt. Damit  empfängt  aber  die  Bemerkung  Ciceros  über  die  annuUmn 
confedio  an  der  bekannten  Stelle  de  oraf.  II  52,  dass  dieselbe  nämlicli 
a  h  i  n  i  t  i  o  r  e  r  u  m  R  o  m  a  n  a  r  u  m  nsqiie  ad  P.  Mucium,  pontificcm 
maximum  stattgefunden  habe,  neues  Licht.  Diese  Worte  darf  man  nicht, 
wie  viele  der  Neueren  getan  haben,  durch  mehr  oder  weniger  glückliche 
Interpretationskim ststücke')  aus  der  Welt  zu  schaffen  suchen,  sondern  man 
muss  sie  mit  unserer  Dionys-Stelle  zusammen  ins  Auge  fassen.  Dann 
folgt  aber  daraus,  dass  die  Annalen  der  Pontifices  schon  vor  der 
Buchredaktion  des  Mucius  Scaevola  bis  zur  Stadtgründung 
hinauf  verlängert  worden  sind. 

So  kommen  wir  auf  anderem  Wege  zu  derselben  Ansicht,  die  A.  En- 
ni  a  n  n  in  einem  viel  zu  wenig  beachteten  Aufsatz  -)  vor  einigen  Jahren 
niedergelegt  hat.  dass  es  eine  den  annules  maximi  des  Mucius  Scaevola 
zeitlich  vorangehende,  dem  3.  Jahrhundert  v.  Chr.  angehörige  Redaktion 
der  Pontifikalchronik  gegeben  habe.  Er  sieht  in  dieser  ältesten  Redaktion, 
die  nach  seiner  Ansicht  schon  die  Königsgesehichte  im  Gerüst  gab  ^).  .eine 
ältere  Ausgabe  der  Pontitikalannalen,  die  Vorgängerin  der  Annales  ma- 
ximi. Ihr  äusseres  Verhältnis  zu  letzteren  kennzeichnet  sich  durch  das 
Prädikat  maximi'^).  Zweierlei  war  mir  an  den  Aufstellungen  Enmanns 
immer  auffällig,  einmal  die  Behauptung,  dass  die  ältere  Redaktion  schon 


die  pisonischen  Annalen  —  was  sicher  sein  dürfte ;  vgl.  über  die  Benützung  der 
Censorenprotokolle  die  vorhergehende  Anm.  —  erst  nach  der  Censur  des  Mannes 
(von  C.  de  Boor.  Fasti  Censnrii  S.  22  und  F.  Münzer.  Rhein.  Mus.  61.  1906,  S.  23 
im  Jahr  120.  von  C.  Ciohorius.  Unters,  zu  Lucilius  S.  82  ins  Jahr  12.S  gesetzt,  zu- 
stimmend F.  Münzer,  Neue  Jahrhb.  für  das  Tclnss.  Altert.  XXIII.  1909,  S.  192)  geschrie- 
ben sind.  Denn  Mucius  Scaevola  hat  bis  zum  Jahre  114  gelebt  (E.  Hübner  a.  a.  O. 
S.  421).  —  Nachträglieh  sehe  ich,  dass  auch  W.  Soltau  (Philol  -5.5,  1896,  S.  263 
Anm.  13  und  Linus'  Geschichtsw.  S.  30)  Pisos  Werk  vor  den  annales  maximi  verfasst 
sein  lässt. 

1)  Am  leichtesten  macht  sich  die  Sache  H.  Peter,  Seil.  I  p.  XTI.  wenn  er  kurz- 
weg erklärt :  ot  huiic  (sc.  Ciceronem)  cum  ah  initio  verum  Somauanim  res  omnes  Ulis 
tabulis  mandatas  esse  diceref,  oratorie  locutum  esse  non  ex  veritate  vix  quisquam  ne- 
gabit;  vgl.  auch  Cichorius  U.E.  I  22-52. 

2)  Khein.  Mus.  N.  F.  .57,  1902.  S.  517  ff.  (i.  de  Sanctis,  Storia  dei  Rommii  I  S.  16  ff', 
und  G.  Costa,  I  fasti  consolari  Somani  I.  1  S.  28  ff.  gehen  auf  die  Arbeit  Enmanns 
nicht  ein.  F.  Münzer,  R.  E.  VI  S.  1875  und  Ed.  Meyer,  Apophoreton  S.  158,  1  lehnen 
sie  ab,  L.  Wülker,  Die  gesell.  Enfimckl.  d.  Piodifiienwesens  b.  d.  Römern,  Lpz.  Diss. 
1908,  S.  63  schiebt  sie  schnell  bei  Seite. 

3)  Darin  liegt  der  grosse  Fortschritt  Enmanns  gegenüber  Soltau,  der  schon  früher 
neben  der  .Tafel  beim  Oberpontifex"  ein  pontifikales  Jahrbuch  als  Ausgangspunkt 
für  die  römische  Annalistik  angenommen  hat,  vgl.  Rom.  Chronologie  S.  445  ff.,  Philol. 
55,  1896,  S.  269  ff.  und  Lirius'  Geschichtstc.  S.  28.  —  4)  A.  a.  O.  S.  526  f. 


Die  älteste  Fuini  ilcr  J'<nitijilc(tl(iiinnlni.  249 

in  li  11  (■  h  t  o  r  III  litrausgegeben  vvorilen  sfi')  iiml  diuiii,  ilass  sie  trotztleiu 
durch  die  früheste  Privataniialistiii,  vertreten  durch  Fabius  Pictor.  Cinciiis 
Alinientus  und  ilire  Nachfolfier.  absorbiert  worden,  die  alten  Annalen  der 
Pontifices  also  .einer  noch  <>'rttndlicheren  Vergessenheit  verfallen  seien 
als  die  des  Scaevola"-).  Hier  bedürfen  die  geistvollen  Ausführungen  des 
genannten  Forschers  einer  kleinen  Korrektur.  Ich  lichauiitc:  die  bei 
C  a  t  o  und  P  i  s  o  zitierte  /  «  h  ii  1  (t  (b  71  i  r  a  ^)  ist  die  älteste 
K  e  d  a  k  t  i  0  n  der  P  o  n  t  i  f  i  k  u  1  a  n  n  a  I  e  11  und.  wenn  das  riclitig  ist, 
dann  ist  d  er  in  d  er  H  e  g  i  a  1  a  g  c  r  n  d  c  .t  l  v  u  i  ein  Codex  im 
w^  a  h  r  s  t  e  n  S  i  II  n  e  d  e  s  W  o  r  t  e  s .  d.h.  ein  H  o  1  z  c  o  d  e  x,  bestehend 
aus  einzelnen  tuhuhie,  gewesen,  der  der  Aussenwelt,  vor  allem  den  Histo- 
rilcern.  zugänglich  gewesen  ist.  Das  sagt  Dionj's  in  dem  der  oben  zitierten 
Stelle  vorausgehenden  Kajiitel  (1  73, 1)  ganz  deutlich  :  naP.aiog  ftiv  ovv  ovis 
avyyQafei'g  ovts  Äoyoy()ü(fog  foti  'Po)ficdo)r  ovöe  efg  '  ix  naXaiüv  fisv- 
loi  Zöycov  iv  l  e  q  a  1  g  6  i Ar  01  g  aoito^ieviov  ty.aoTÖg  ti  nuQCtXaßwv  dvi- 
yQmjiEV^).  Nach  Hirschfeld  ist  es  .nicht  sehr  wahrscheinlich,  dass  Dionys 
ein  Kapitel  später  dafür  einen  ganz  anderen  Ausdruck  gebraucht  hätte"  ■*). 
Bei  der  starken  Abhängigkeit  des  Diün3's  von  seinen  Quellen  bis  aufs  Wort*) 
ist  das  aber  meines  Erachtens  gar  nicht  verwunderlich.  Die  Summe  der 
einzelnen  öeÄtoi  (fahulae)  machen  den  Codex  (ö  nivag.  tahiäa  für  das 
Ganze) ")  aus.  Auch  Cato  bei  Fronto  cp.  nd.  Ant.  imp.  I  2  p.  99 N.  sagt: 
iitssi  caiidicem  proferri  nbi  mea  oratio  seripta  est,  und  gleich  darnacli : 
t  ah  11 1  (IC  prolatae;  oder  man  vgl.  Cie.  pro  Boscio  Com.  7:  coäicem  pro- 
tidif.  fall  11  Jas  recitavit.  Hier  lesen  wir  also  ebenfalls  ra«(rfer  (l^offe./^  und 
tahidue  kurz  nacheinander  für  dieselbe  Sache  ^). 

Doch  sehen  wir  uns  das  Material  für  die  Holzcodices  etwas  genauer 
an.  A.  Wilhelm  hat  kürzlich  für  das  griechische  Kulturgebiet 
alles  hierhergebörige  mit  der  bei  ihm  gewohnten  umfassenden  Gelehi-sam- 
keit  zusammengestellt  *)  und  uns  eine  höchst  erwünschte  Vorarbeit  zu  einer 
Geschichte  des  griechischen  Archivwesens  geliefert,  besonders  für  die  uns 
hier  interessierende    Verwendung    des  Afvxiofia  (=   lat.    alhiim).    der    ge- 

1)  So  auch  W.  Soltau.  der  stets  (s.  S.  248  Anm.  3)  von  einem  pontifikalen 
.]  a  h  r  b  u  c  h  neben  der  Pontitikaltafel  spricht.  —  2)  S.  527. 

3)  Wie  wenig  Klarheit  über  diese  Stelle  herrscht,  bewei.sen  die  Aiisfülu-iuigen 
in  der  Dissertation  von  Fr.  Halbfas  (s.  o.  S.  24(i  Anm.  4)  S.  2],  der  bei  dieser  .Ur- 
quelle der  römischen  Geschichtsschreibung"  an  die  aniiales  maxiini  des  Mucius  Scae- 
vola denkt  (vgl.  ebda.  Anm.  4). 

4)  Hermes  IX  S.  107.  —  5)  S.  dazu  oben  S.  246  Anm.  4. 

6)  Ueber  diese  Verwendung  der  Worte  s.  u.  S.  251  und  254  Anm.  2. 

7)  Den  Wechsel  des  Ausdrucks  versteht  man  leicht,  wenn  man  Seneca  de  Imt. 
i-it.  13, 4  (nach  Varro)  liest :  puhlicae  tabulae  Codices  dicmUur  und  zwar  quia  pluri- 
nm  tabula  mm  contextus  cnudex  apnd  antiqiios  vocatur;  ähnlich  Gaius  DjV/.  II 
13,  10:  toiiim  .  ..  v  od  icein  iota»tjue  membranas: 

8)  Beiträqc  ;ur  (jHech.  Tiiachrifteukundv,  Soiiderarltriftcn  des  ost.  archäoL  Jnxtiluts 
VII,  Wien  1909,  S.  239  K. 


250  lernst  Korni  iitittiii. 

weißten  Holztafel,  auf  die  mit  Schwarz  geschiieben  wurde').  Neben 
/.ei'xcofta  begecrnen  im  Griecliischen  für  diese  Sache  als  Teiinini  ci'/or, 
aav'iQ.  aaridiov.  nirevQov,  nv^iov.  Txmdy.iov .  n  i  i>at,  nivä'/.iov.  nivay.'iQ. 
ö  s  Z  r  0  g.  ygaiiuaTSioi'.  ygcifiii^Teiöiov.  Im  allgemeinen  erscheint  an  den 
vielen  Stellen,  die  Wilhelm  zusammengetragen  hat.  die  Einzeltafel.  Doch 
kommen  auch  Fälle  vor.  in  denen  mehrere  Tafeln  in  irgend  welcher  AVeise 
zu  einer  Einheit  verbunden  werden :  so  sind  die  hölzernen  ä^ovez  im  Pi'y- 
taneion  zu  Athen  (beiderseitig  beschriebene  aaviÖEg  /.eZ^Evy.co/nEvai)  zu  je 
vieren  in  einem  drehbaren  Balken  eingefalzt,  „so  dass  man  in  dieser  sehr 
unbeholfenen  öi/aoc  blätternd  lesen  konnte"  -).  Dagegen  bei  dem  nivaS 
bezw.  der  aavig  der  athenischen  Ritter  (Aristot.  'Ad-Jio/..  49,2)  ,  wird  an 
eine  zwei-  oder  mehrteilige  zusammenlegbare,  mit  Siegeln  verschlossene 
Tafel  zu  denken  sein,  eher  al.s  au  eine  öeAiog  mit  zwei  oder  mehreren 
d-rgai  oder  tttvxcc!'^^)-  Zu  dem  Terminus  y(ia(/.Harf/d(o»'  wird  Polydeukes 
X  57  zitiert*),  wo  es  heisst :  ygafiKarelötov  Si&VQOr  ?)  TQ'iTxrvyov  T]  y.cc'i 
nXeiöviov  mv%(bv. 

Willielnis  Materialzusammenstellung,  die  vom  Urkundenwesen  aus- 
geht, wird  ergänzt  durch  die  Ausführungen  von  K.  D  z  i  a  t  z  k  o  °).  der  die 
Verwendung  der  /.evy.Mfiara  für  Zwecke  der  Literatur  in  der  älteren  grie- 
chischen Zeit,  im  Anschluss  an  den  (Tcbrauch  bei  den  semitischen  Völkern. 
z.  B.  den  Phöniziern,  verfolgt.  Er  geht  aus  von  der  bekannten  Homer- 
stelle (7/.  VI  169).  wo  der  Tiiva^  jrivy.TÖg  erwähnt  wird.  Auffällig  ist  ibm 
der  Singular  und  er  bemerkt  dazu:  ..Die  einzelne  Holztafel  —  und  das 
bleibt  jTfj'rtc  doch  immer  ^)  —  kann  nicht  zusammengelegt  werden,  sie 
müsste  denn  vorerst  zerschnitten  oder  gebrochen  worden  sein  ')....  Wir 
müssen  daher  annehmen,  dass  der  Singular  synekdochisch  für  den  Plural 
steht,  wie  ct»}//«  v.  176  und  178  {aij^icna  v.  168).  zumal  auch  die  Doppel- 
tafel eine  Einheit  bildet."  Dann  verweist  er  auf  den  Homerhymnos  auf  den 
delischen  Apollo,  von  dem  der  äyoiv  'Ha.  xai  'Oft.  Z.  308  ed.  A.  Rzach 
berichtet*):  Ai)?uoi  öe  yQäil'avTec  t«  stti]  eig  Äevy.ojtia  ärl^rfy.av  ir 
TW    Tijg    'AQTEftiöog  hgco.     In    diesem  Falle  handelt    es   sich    ganz    off'eu- 


1)  Die  Alten  schrieben  schwarz  auf  weiss,  vgl.  lex  AciUa  Z.  14.  Bruns-Graden- 
witz.  FonU>:  T '  S.  61 :  in  tabula,  in  alba  atramento  scriptos,  wir  heute,  wenigstens  bei 
Benutzung  von  Tafeln  aus  Holz,  weiss  auf  schwarz :  d,  h,  wir  machen  unsere  Anschläge 
am  „schwarzen  Brett%  vgl.  Joh.  Schmidt.  U.E.  I  S.  1332  und  A.  Wilhelm  a.  a.  0.  S.  2.52. 

2)  Wilhelm  S.  242  nach  v.  Wilamowitz.  Aristoteles  und  Athen  1  S.  45  Anm.  7. 

3)  Wilhelm  S.  243.  —  4)  Ebda.  S.  249. 

5)  Untersuchungen  iilier  ausyewöhlte  Kapitel  des  antiken  Buchwesens,  Leipzig  1900. 

5.  11  ff.;  vgl.    auch    Pauly-Wiss.    E.E.  TU  942  f. :  947  f.  und  Th.  Birt.  Die  BuchruJk 
in  der  Kunst,  Lpz.  1907,  S.  211. 

6)  Wir  werden  unten  (S.  254  Anm.  2)  sehen,  dass  diese  Behauptung  zu  weit  geht. 

7)  D.  macht  dann  auf  Herodian  aufmerksam,  der  „iubezug  auf  eine  Begebenheit 
der  römischen  Geschichte,  aber  anscheinend   in  Erinnerung  an  die  Homerstelle"  VIT 

6,  5  sagt :  iy  TtTvxrotc  TiimSi- 

8)  Vgl.  auch  Th.  Birt.  Die  Buchrulle  in  der  Kunst  S.  211  und  Wilhelm  a.  a.  0.  S.  24G. 

6 


f)i,    (Vics/r  F„nu  (In-  Vniilifil.iihniiiiiln,.  ITA 

bar  um  t'iiic  ciiizcliic  Tafel,  alicr  intorcssant  ist  daran,  ilass  sie  im  liiiici-cn 
des  Arteraistempels  aufbewahrt  wird  '),  wodurch  wir  an  die  Worte  nagä 
roig  UQXie(j£V(Ti  xflfievoc  erinnert  werden.  Darnach  stellt  Dziatzko  alle 
die  Stellen  aus  der  Literatur  zusammen  ^).  in  denen  niraxeg.  dfXtoi  oder 
(javiäeg  als  Schreibmaterial  für  die  ältere  griechische  Zeit  bezeugt  wer- 
den, und  kommt  zu  dem  Ergebnis  (S.  23),  dass  ,der  Gebrauch  von  'codices' 
nicht,  wie  die  allgemeine  Annahme  ist,  auf  die  liömer  der  alten  Zeit  be- 
schränkt war.  sondern  ebenso  und  früher  bei  den  Griechen  durch  einige 
Jahrhunderte  bestand  (etwa  vom  9./8.  —  7./6.  Jahrhundert)",  ja  er  glaubt, 
dass  die  Bewohner  Italiens  „von  dem  Schwesterstamme  zugleich  mit  dem 
Alphabete  auch  das  gewöhnliche  Schreibmaterial  kennen  lernten  und  über- 
nahmen". 

Doch  sei  dem.  wie  ihm  wolle :  sicher  ist,  dass.  sobald  wir  den  Bo- 
den Italiens  betreten,  wir  dem  Codes,  bestehend  aus  einzelnen  Holztafeln, 
in  weitem  Umfang  begegnen.  Die  Stelle  aus  Seneca.  wonach  imhlicae  ta- 
Imlae  Codices  dicimfiir,  qida  pluriuui  tahuJarum  confexttis  cnndex  apial  nnti- 
qitos  voccdur,  ist  oben'')  schon  herangezogen  worden.  Das  Buch  aus  Holz- 
tafeln ist  in  Rom  ursprünglich  die  herrschende  Form  gewesen  und  im 
Urkundenwesen  bis  in  die  Kaiserzeit  hinein  zu  verfolgen.  Darauf  hat  vor 
allem  Momnisen  an  mehreren  Stellen  hingewiesen  *).  Er  macht  darauf  auf- 
merksam, „dass  fahiihte  tcsfavienti.  codicilU.  codex  accepti  et  expensi,  über- 
haupt alle  dem  Urkundenwesen  angehörigen  technischen  Bezeichnungen 
die  Tafel,  insbesondere  die  Holztafel  voraussetzen"  '").  In  dem  SC  über 
Oropos  vom  J.  73  v.  Chr. ")  werden  die  commcidurü  consulnm.  aus  denen  die 
Urkunde  entnommen  ist,  bezeichnet  als  /}  twv  vnof(Vi}f4cho)r  öi^roQ.  was 
Mommsen  in  seiner  Uebersetzung  wiedergibt  mit  coinmenturiorum  fcdiida 
(Z.  31).  Dass  hier  öeZrog  bezw.  tabula  „nur  das  Buch  im  Ganzen  be- 
zeichnen kann",  wird  von  Mommsen  richtig  hervorgehoben ').  Um  so  auf- 
fälliger ist  es.  dass  er  und  ihm  folgend  dann  Dittenberger**)  an  einer 
zweiten  Stelle  desselben  Dokumentes,  Z.  58,  wo  es  heisst:  iv  iwi  avfi- 
ßovAkoi  naQtjaav  ot  ainol  oi  iß  ngayudnoi'  avßßeßovZev/iievoiv  öePaai 
irQÖni]!  xr]Qcofiati  %eaaa()eaxaidexäjioi,  öiArog  auf  die  einzelne  Seite,  das 
Blatt,  bezogen  wissen  will.     Hier  ist  natürlich  öiXiog  bezw.  tcdmla  genau 


1)  Weiteres  Material  für  diesen  Fall  gibt  Wilhelm  ;i.  a.  O.  S.  250  tf. 

2)  S.  18  ff. 

3)  S.  249  Anm.  7,  vgl.  dazu  noch  Wünsch,  s.  v.  codex,  E.E.  IV  159  f. 

4)  Hermes  II.  1867,  S.  115  ff.  =  Ges.  Sehr.  V  339  ff',  und  i/emes  XX,  1885,  280  f. 
=  ebda.  V  506  f.;  vgl.  auch  Rom.  Strafr.  S.  514;  /.nsamnienfasscnd  A.  von  Premer- 
stein.  RE.  IV  S.  731  ff.  und  749  f. 

5)  Ges.  Sehr.  V  340. 

6)  Bruns-Gradenwitz,  Fontes  p  Nr.  42  (S.  18U  ff.),  Dittenberger.  Syll.  1-334.  dazu 
Momm.sen,  Ges.  Sehr.  V  495  ff". 

7)  Ges.  Sehr.  V  506 :  ebenso  von  Wilhelm  a.  a.  O.  245. 

8)  Mommsen  a.  a.  O.  S.  506  f.,  Dittenberger  a.  a.  0.  Anm.  48  zu  334. 


25"J  Ernst  Kunicinaiui, 

so  wie  an  der  ersten  Stelle  das  Buch,  wie  durch  den  Hinweis  auf  die  14. 
Seite  {xfjQuifia,  cera)^)  schlagend  erwiesen  -vwd.  und  wir  lernen  aus  der 
Stelle  nur.  dass  die  hier  erwähnte  fahida  rernm  consulfarum  mehrere 
Bände  umtasste,  von  denen  Band  I  benutzt  wird  -).  Statt  tcthiiJa  haben  ■nnr 
die  Bezeichnung  code.r  für  einen  solchen  Urkundenband  im  Dekret  des 
Prokonsuls  L.  Helvius  Agrijipa  vom  .T.  69  n.  Chr.  ^).  wo  es  Z.  2  ff.  heisst: 
(lescriptiim  et  recocpütum  e  x  c  o  d  i  c  e  a  n  s  ato,  ...  in  quo  scriptum  fu'd 
id  quod  infra  scriptum  est  t  ab  u  la  V  cfapitibiis)  VIII  et  Villi  et  X. 
Hier  ist  tabula  wirklich  die  Seite*),  die  im  vorigen  Fall  x/jQcofia  (cera)  ge- 
nannt wird,  oder  um  noch  einmal  Mommsen  zu  zitieren :  „Die  ins  Archiv 
abgelieferten  Akten  bilden  einen  rodex.  der  aus  tabulae  besteht,  also  ganz 
der  eigentlichen  Bedeutung  entsprechend  nichts  ist  als  ein  zu  Brettchen 
zerschnittenes  Holzslück"  °).  Die  Bezeichnung  ansatus  kommt  wohl  da- 
her, wie  ebenfalls  schon  Mommsen  gesehen  hat"),  dass  , grössere  Bündeln 
solcher  Tafeln  mit  einem  Griff  [aiisa]  zum  Aufheben  oder  Anhängen  ver- 
sehen wurden"').  Auch  an  das  Gesetz  der  „zwölf  Tafeln"  sei  erinnert. 
Diese  waren  allerdings  nach  unserer  Tradition  (vgl.  Liv.  111  57,  10)  in 
Erz  eingegraben.  Aber  Reproduktionen  waren  sicher  in  Holzcodices  ge- 
fertigt und  Bezeichnungen  wie  lihelJus  XII  tabularum^)  sind  Reminis- 
zenzen daran.  Zitate  daraus  wie  in  secunda  tabula  secunda  ler/c  erinnern 
durchaus  an  die  eben  angeführte  Art  aus  dem  codex  ansatus  zu  zitieren, 
indem  die  einzelnen  lefjes  den  capita  entsprechen  '^).  Wilhelm  '")  verdanke 
ich  den  Hinweis  auf  Josephus,  ^«/.  Jud.  XIV  219.  wo  nach  der  Verbesserung 
von  P.  Viereck")  zu  lesen  ist:  ööyfia  avyy./Jjiov  ix  tov  ra^iieiov  ümtye- 
ygafifiEvor  ex  twv  deZrcöv  tmv  dijfioaixov  rwv  tafiiEVTtxtüv  KotvTOi  'Pov- 
Tillo)  KotvTio  KoQvtjPJio  Tttfiiaig  xarä  nöPuv,  ö  e  Zi  co  ö  evt  e  q  a  xi]Q(b- 

1)  Für  diese  Bedeutimg  von  cera  vgl.  z.  B.  Cic.  Verr.  II  1,  92 :  in  codicis  ex- 
treina  cera  )i07nen  ixfimiim ,  auch  Hyginus  in  Eöm.  FeJdmesser  I  S.  200  und  dazu 
Mommsen  a.  a.  0.  34U  Anm.  2. 

2)  Auf  die  Kontroverse,  ob  hier  mederum  die  ciwimentarü  cousnlum  gemeint 
seien  oder  die  commentarii  Siilhie  (Bases  und  Dittenberger),  gehe  ich  nicht  ein.  Wenn 
die  erstere  Auffassung  richtig  ist,  wozu  ich  neige,  dann  ist  die  Notwendigkeit  dt'/to; 
jedesmal  mit  Buch  oder  Band  zu  übersetzen  noch  eklatanter. 

3)  CIL  X  78-52,   Dessau  11  1  .5947,    Bruns-Gradenwitz,  Fontes  V  71a  (S.  24U  ff.). 

4)  Anders  von  Premerstein  a.  a.  0.  S.  749  f. 

5)  A.  a.  0.  .S.  840.  —  6)  S.  340  f. 

7)  Wie  Mommsen  an  derselben  Stelle  (S.  341)  bemerkt,  hat  ihn  Hühner  auf  die 
Darstellungen  solcher  Codices  ansati  in  der  Notitia  dignitattim  unter  den  Emblemen 
der  beiden  tiuigisiri  scriiiiorum  {Or.  c.  19.  Occ.  c.  17  Seeck)  hingewiesen.  Dziatzko 
macht  {E.E.  III  947)  mit  Recht  auch  auf  die  Verbrennung  der  Schuldbücher,  die  auf 
den  bekannten  Marmorschranken  des  Forums  dai-gestellt  sind,  aufmerksam.  Hier 
werden  zusammengeschnürte  Holztafeln  (allerdings  ohne  aiisac)  in  den  Händen  und 
auf  den  Schultern  herangetragen. 

8)  Cicero,  de  orat.  I  195. 

9)  Mommsen  a.  a.  0.  341  Anm.  2.  —  10)  A.  a.  0.  S.  245. 
11)  Sermo  graeciis  S.  101. 


Dir  lilfcsfc   Form  <li r   l'initifihiildininli )i.  253 

iiau  jtqi'oio).  \\  ir  dürfen  sonach  iinnelinien,  dass  alle  liehördcn  iln-e 
Akten  in  derartigen  Codices  aus  Holztafeln  (tiihidue  ptihlicac)  in  ihren  Ar- 
chiven aufbewahrten*)  und  die  Bezeichnunu;  des  von  Q.  Lutatius  Catulus 
erbauten  Staatsarchivs  als  talnilariuiii  wird  von  liier  aus  erst  ganz  ver- 
stilndlicii. 

Nach  alledem  dtlrfen  wir  es  wohl  ruhig  aussprechen,  dass  wir,  auch 
wenn  es  uns  an  direkten  Zeugnissen  fehlte,  die  Existenz  eines  solchen 
Codex  für  die  Regia  aus  dem  Parallelmaterial  erschliessen  müssten.  Denn 
Wilhelm  hat  Belege  für  den  Satz  beigebracht,  dass  das  Aufschreiben  auf 
ein  ^evxio/ia  nicht  nur  der  Veröffentlichung,  die  oft  nur  auf  eine  bestimmte 
Zeit  erfolgte,  sondern  gleichzeitig  auch  der  dauernden  Aufstellung  und 
Aufbewahrung  in  einem  Archiv,  gewöhnlich  einem  Heiligtum,  diente-). 
Durch  diese  Beobachtung  werden  wir  noch  einmal  auf  die  Cicerostelle 
(de  onif.  n  52)  geführt  und  die  ParaUelstelle  bei  Servius  zu  Aen.  I  373, 
die  beide  auch  Wilhelm  (S.  289),  allerdings  nur  kurz  wie  alles  Lateinische, 
herangezogen  hat.  Es  ist  bereits  von  anderer  Seite  beobachtet  wordeü  ^). 
dass  die  Angaben  der  beiden  Autoren  nicht  in  allem  übereinstimmen.  Ci- 
ceros  Ausführungen  erwecken  den  Anschein,  als  ob  der  Oberpontifex  die 
Ereignisse  zunächst  für  sich  aufzeichnete  und  dann  nach  Ablauf  des  .Tahres 
die  Tafel  als  Ganzes  zur  Kenntnis  brachte,  während  Servius  den  Akt  der 
pontitikalen  Aufzeichnung  an  der  öffentlich  ausgestellten  Einzeltafel  und 
zwar,  wie  er  sich  ausdrückt,  ^jer  s'mgulos  dies  beschreibt.  Wenn  man  dazu 
noch  nimmt,  was  bereits  oben  (S.  248)  vennerkt  wurde,  dass  Cicero  auch 

1)  Man  vgl.  die  Zusammenstellung  aller  uns  bekannten  Amtstagebücher  (oder 
Registerbücher.  so  H.  Bresslau,  Urkuiidenkhie  I  S.  911  bei  A.  von  Premerstein  a.  a.  0. 
S.  731  ff.,  der  gelegentlich  der  rommentarii  ceusorii  (S.  733)  auf  die  parallele  Bezeich- 
nung tahulae  censoriue  bei  Varro  de  l.  l.  VI  8f)  f.  hinweist.  —  Interessant  ist  auch 
Asconius  p.  29  E.-Sch..  wo  berichtet  wird,  dass  das  Volk  den  Leichnam  des  Clodius 
in  die  Curie  brachte  cremavitqiie  subKelliix  et  tribunalibun  et  mensis  et  codicihiis 
l  i  h  r  a  rio  r  u  m.  Hier  kann  es  sich  auch  nur  um  Holzcodices,  die  Senatsakten  enthal- 
tend, handeln. 

•2)  A.  a.  0.  2-19  ti'. 

3)  H.  Peter.  Hell.  1  p.  X :  vgl.  auch  W.  Soltau,  der  an  der  Erfassung  der  wahren 
Sachlage  nahe  vorübergegangen  ist.  wenn  er  schreibt  {Fhilol.  hh  S.  269) :  .Da  spricht 
nun  aber  manches  dafür,  dass  der  Oberpontifex  schon  früh  neben  der  Tafel,  welche 
in  kleineren  Zwischenräumen  dem  Volke  allerlei  Bemerkenswertes  bekannt  machte, 
a  u  c  h  eine  zusammenfassende  J  a  h  r  e  s  ü  b  e  r  s  i  c  h  t  verfasst  habe.  Ich 
will  hierfür  weniger  auf  Cicero  de  urat.  II  -52  hinweisen,  der  offenbar  bei  der  Er- 
wähnung der  res  onines  singuloriim  annorum  ab  initio  rerum  Bomananim  an  ein  seit 
alters  geführtes  .Jahrbuch  denkt,  welches  er  noch  dazu  innerhalb  der  Regia  ((■( 
proponehat  tabulam  domi)  ausgestellt  sein  lässt'.  Die  Beobachtungen,  die  an  dem 
Cicerotext  gemacht  werden,  sind  durchaus  richtig,  aber  die  Konsequenz  daraus  wird 
nicht  gezogen:  vielmehr  wird  die  Stelle  aus  dem  Mittelpunkt  der  Beweisführung 
hinausgeschoben.  Gegen  Soltau  wendet  sich  L.  Wülker,  Die  gesch.  Entwkkl.  des 
Prodiyienwesens  b.  d.  Eötnerii,  Leipz.  Diss.  1903,  S.  -54  fl".  Er  bewegt  sich  hier  in  aus- 
getretenen Bahnen;  vgl.  aber  seine  Bemerkung  über  die  Cicerostelle  auf  S.  -"iS. 


254  Ernst  Korncniatin. 

noch  als  Ausgangspunkt  der  Aufzeichnungen  ilie  Angabe  (di  niitin  rcnun  Ilo- 
))ia)iartun  hat,  so  ergibt  sich  als  die  einfachste  Lösung  die  Feststellung, 
dass  die  beiden  Autoren  etwas  Verschiedenes  beschreiben:  Servius  die 
Herstellung  der  tnhida  aiuialis,  um  dann  am  Schluss  seiner  Ausführungen 
gleich  von  den  80  Büchern  der  annalcs  maximi  zu  sprechen,  während 
Cicero,  wie  er  im  Anfang  seiner  Notiz  selber  sagt,  die  annaliitm  confecfio 
im  Auge  hat,  also  die  vor  der  Buchausgabe  des  Mucius 
Scaevola  liegende  Annalenredaktion  in  Holztafel- 
form a  u  s  f  ü  h  r  1  i  c  h  e  r  d  a  r  1  e  g  t.  und  nun  verstehen  wir  erst  voll- 
kommen die  Worte:  efferehafquc^)  zu  (ilhum  ei  proiHDirJud  lahiilatti  donii. 
potestas  nt  esset  popido  cognnscendi.  Das  aVmm  (=  Äevxcofia)  ist  die  Ein- 
zeltafel, also  die  taltula  dealbata  des  Servius,  dagegen  tcdnda,  wie  bei  Cato 
und  Piso-Dionys  (ö  jiivaz),  der  Codex'-),  und  von  ihm  heisst  es  auch 
\nev  proponehat  domi.  worin  der  Jiaqa.  rolg  ägxiiQfi'oi  y.eifievog  ni- 
vaK  aufs  allerdeutlichste  wieder  zu  Tage  ti-itt.  Die  Annalen  der  Ponti- 
fices  auf  Holztafeln,  die  zu  einem  Codex  vereinigt  waren,  befanden  sich 
im  Inneren  der  Regia  {domi),  aber  an  einer  Stelle,  dass  sie  dem  Volke  oder, 
wie  ich  oben  sagte,  der  Aussenwelt  zugänglich  waren  (daher  proponelmt) '). 
Und  nun  zurück  zu  Leuze  und  Enmann.  Leuzes  Untersuchungen 
kommen  zu  dem  Resultat''),  dass  die  römische  Eponymenliste  in  ihrer  To- 
talität von  den  Pontitices  stammt,  also  vorfabisch  ist"),  dass  aber  die  Ver- 
wendung zur  Jahrzähluug  von  den  Annalisten,  allen  voran  von  Fabius. 
ausgeht.  Enmau  verlegt  schon  die  älteste  Redaktion  nicht  nur  der  Fasten, 
sondern  auch  der  Annalen  mit  gleichzeitiger  Verlängerung  nach  oben  bis 
zur  Gründung  der  Stadt  in  die  Zeit  des  3.  Jahrhunderts,  also  auch  vor 
Fabius  Pictor.     Wenn  Enmann  recht  hat,  muss    ein  Teil    der   Leuzeschen 


1)  So  die  handschriftl.  Ueberlieferung,  Lambinus  schrieb  dafür  refeiehat. 

2)  Tahiilfi  apiid  potitifices  maximos  oder  ajiud  poniificem  maxhnum  ist  darnach  die 
offizielle  Bezeichnung  für  das  Holztafelwerk  in  der  Regia  gewesen ;  tabula  {o  nifuS) 
ist  also  =  Codex.  Buch  gebraucht,  vgl.  zu  diesem  (iebrauch  des  griechischen  Wortes 
Wilhelm  a.  a.  0.  2öZ  oben.  Umgekehrt  wie  an  unserer  Cicerostelle  dagegen  ist  der 
Sprachgebrauch  in  der  späteren  Zeit,  vgl.  das  von  Wilcken  [Archiv  für  Pap.-Forsch.  IV 
2-52  f.  und  267)  besprochene  albiim  professionum  liberorum  tiatoriim  des  alexandriui- 
schen  Archivs,  das  aus  einzelnen  tabiilae  besteht.  Nach  Wileken  (a.  a.  0.  253)  ist 
das  Präskript  einer  erhaltenen  Abschrift  folgendermaßen  zu  ergänzen :  descriptum 
et  recotjnitum  factum  e.r  tabula  albi  professionum  liberorum  natoruni  etc.:  ebenso  Wil- 
helm a.  a.  0.  249. 

3)  Beispiele  aus  dem  griechischen  Kulturgebiet  für  solche  Aufstellung  von  Ur- 
kunden oder  Aufzeichnungen  im  Innern  von  Archiven,  öffentlichen  Gebäuden  oder 
Heiligtümern,  die  als  Archive  dienten,  mit  gleichzeitiger  zeitweiliger  oder  dauernder 
fxSfat:  oder  n^öSeatg  zum  Zwecke  axontXv  xii>  ßovloutvm  gibt  Wilhelm  a.  a.  0.  S.  249  tf. : 
durch  Einsichtnahme  in  das  dortige  Material  wird  meine  Darlegung  oben  im  Text 
wohl  über  allen  Zweifel  erhoben. 

4)  A.  a.  O.  27.5  ff. 

5)  Vgl.  S.  1-57  Anra.  19:^:  .Der  nlvaS  ist  das  reine  Beamtenverzeiehnis.  wie  es 
Fabius  benutzte". 

10 


Dir  nllrstc   Fnni>   ,lrr    l'i.iiliftkiiliiinHiln,.  255 

Kesultute,  (l;iss  iiiiiiilicli  ilir  I'untiticcs  die  Magistratslistc  iiucli  nicht  zur 
.laliiTs/ählmig  verwendet  liiitten.  fallen.  Denn  zu  welch'  anderem  Zwecke 
sollten  die  Priester  die  vorhandene  (historische)  Eponynienliste  nach  ohen 
verlännert  haben,  als  um  das  hiifium  rcrnin  Bomannnnn,  von  dem  Cicero 
spricht,  zu  tinden.  Allerdings  war  diese  Verwendung  der  Liste  zum  Zwecke 
der  Jahrzählung  bei  den  Pontifices  eine  sehr  rohe,  wie  die  Stolle,  von  der 
wir  ausgingen  (Dionys  I  74),  beweist. 

Hiclitiger  erscheint  mir  ein  anderes  l{esultat  Lenzes.  Er  behandelt 
gelegentlich  ')  die  Stelle  bei  Dionys  XI  ß2,  3.  wo  sich  der  Antiquar  auf  die 
leQoi  T£  y.al  dnöd-eroi  ßißÄoi  beruft  und  identifiziert  dieselben  mit  der  an 
der  Parallelstelle,  Livius  IV  7, 12,  genannten  Uhr/  lintei  ad  Monetae  oder, 
wie  sie  bei  Liv.  IV  20,  8  genauer  heissen :  lihri  lintei  in  aede  Monetae 
rcpositi-).  In  ihnen  sieht  er  eine  Abschrift  der  offiziellen,  von  den  Ponti- 
fices geführten  Eponymenverzeichnisse.  die  leicht  aus  der  tahn/n  pontificmn 
durch  Weglassung  der  chronikalischen  Aufzeichnungen  gewonnen  werden 
konnte.  Sie  waren  auf  Leinwandrollen  geschrieben  und  wurden  im  Tempel 
der  Inno  Moneta  ■')  auf  der  Ars  aufbewahrt,  wo  sie  nach  der  Liviusstelle 
noch  Licinius  Macer  eingesehen  hat.  Auch  hier  kommen  wir  zum  vollen 
Verständnis  erst,  wenn  wir  wieder  Wilhelms  Zusammenstellung  heran- 
ziehen, der  Beispiele  solcher  Abschriften  für  andere  Heiligtümer  einer 
Stadt  aus  Griechenland  gesammelt  hat^).  Dadurch  gewinnt  diese  Ansicht 
an  Wahrscheinlichkeit,  und  wir  dürfen  sagen:  wie  die  Chronik  der  Ponti- 
fices den  avmdes  prisci.  so  gehen  die  l/hri  liittri  den  lihri  nuKiistriduiini 
oder  Fasten  voran. 

F'Ur  die  Annalen  der  Priester  haben  wir,  was  man  nicht  genügend 
beachtet  hat.  einen  direkten  Beweis  dafür  in  Händen,  dass  sie  in  der  ersten 
Fassung  vor  die  Privatannalistik  gehören.  An  dem  locus  dassicus  über  die 
römischen  Annalisten  (Cic,  dclei/.  I  6)  heisst  es:  nam  post  annalix  pordi- 
ficmn  maximoritm.  qnihns  nihil  pxitest  esse  iciunins  (Hss.  incmidius),  si  nut 
ad  Fahium  ant  ad  cnm,  ipii  tibi  scniper  in  orc  est,  Catonem  aut  ad  Pi- 
simcm  .  .  .  rviiias  etc.  Wie  post  deutlich  zeigt,  handelt  es  sich  auch  hier 
nicht  um  die  anindes  nia.riini  des  Mucius  Scaevola,  sondern  um  die  tabula 
apud  pontifices  maximos,  die  nicht  nur  zeitlich  sondern  auch  inbezug  auf 
ihre    exilitas    dem    Fabius    und    Genossen    vorangeht ").      Wie    wenig    die 


1)  S.  190;  vgl.  auch  S.  269  f.  u.  276  f. 

2)  Sie  werden  ausserdem  bei  Livius  IV  13,  7  und  '2'i,  2  erwähnt. 

3)  Ueber  luno  Moneta  vgl.  E.  Assmann  KKa  VI  S.  477  tt'.  und  V.  Costanzi.  clKla. 
Vir  33.5  tt'. 

4)  A.  a.  0.  2.")I. 

•j)  Man  lese  auch  noch  einmal  Cicero  de  iiriit.  11  52  und  .")3,  wo  es  nach  den 
oben  (S.  254)  ausgeschriebenen  Worten  heisst :  hanc  simititudinem  seribeiidi  m  ul  t  i 
secuti  sunt,  gut  sine  ullis  ornamentis  monitmeiita  solum  temporum,  hominum,  lo- 
(■(iruni  gestarumqiie  rerum  reliqueriint.  Gemeint  sind  mit  den  nnüti:  Cato,  Fabius 
1'  i  c  t  o  r  und  P  i  s  o .  die  sowohl  vorher  (.51)  wie  nachher  (.53)  genannt  werden.    .\h- 

II 


256  Ertid  KiiniciiKiini. 

ersten  Annalisten  über  die  dürftigen  Priesteraufzeichnungen  sich  erlioben 
haben,  das  sagt  uns  ausser  Cicero  auch  schon  Polybios  (V  33):  ötöri  tüv 
xad^  flliÜQ  Tiveg  ygafävTiov  loTOQiav  i  v  t  q  i  ai  v  Tj  r  et  r  aq  a  t  v  i^  ij- 
yijndfiepoi  as  Ä  i  a  iv  fjfilv  röv  'Pcofialov  xal  KaQx^]öovl(ov  nö/^eftov 
(paal  TU  y.ad'öXov  yQdq)Etv '),  und  Catos  Worte  in  fr.  77 :  non  luhet  scri- 
here,  qitod  in  fnbuJa  npud  pontificcin  maximum  est,  sind  nur  als  Hieb  gegen 
diejenigen,  die  sich,  wie  seine  Vorgänger,  mit  dem  Abschreiben  der  Ponti- 
fikalchronik  begnügt  hatten,  erst  wirklich  Terständlich,  ebenso  die  bekannten 
Sätze  aus  dem  Prooemium  der  Historien  des  Sempronius  Asellio  über  die 
Annalenschreiberei  (fr.  1  und  2  P.),  die  wohl  unter  dem  Einfluss  des  Po- 
lybios konzipiert  sind.  Alles  was  im  römischen  Lager  vor  Cato  und  Po- 
lybios auf  historiographischem  imd  chronographischem  Gebiete  produziert 
worden  ist,  hängt  von  den  annales  pont/ficuni  ali.  die  auf  dem  Holztafel- 
codex im  Innern  der  Regia  standen. 

Dass  die  erste  Redaktion  desselben,  bei  der  die  grosse  Konstruktion 
einer  Geschichte  Roms  von  der  Gründung  der  Stadt  ab  in  ihrem  Gerüste 
bereits  geschaffen  wurde,  etwa  in  die  Zeit  des  ersten  punischen  Krieges 
gehört,  hat  meines  Erachtens  Enmann  schon  sehr  wahrscheinlich  gemacht 
und  wird  in  der  allgemeineren  Form  eines  Ansatzes  vor  Fabius  durch 


gesehen  davon,  d:iss  Cicero  dazwischen  hinein  (■")2  am  Ende)  die  nnnales  maximi 
nennt,  weshalb  man  seine  Ausführungen  fälschlich  auf  die  Redaktion  de.s  Mucius 
Scaevola  bezogen  hat,  stimmen  die  beiden  Stellen  in  de  orat.  und  ih  letj.  vorzüglich 
miteinander  überein. 

1)  Wilhelm  a.  a.  0.  287  bezieht  diese  Stelle  und  die  gleich  folgende:  n'/.).'  svioi 
zü)v  nQayfiaxfvofiiviov  ovS"  iip'  vaov  ol  x  h  xax  a  x  a  t  q  ov  g  ir  T«ie/po»'oj'p«- 
<p  l  ai  c  V  n  o  /j.  r  }j  fi  a  z  i^  o  }i  e  V  0  i  7to>.  Ltixioq  i  i  q  x  ov  g  x  o  i  /  o  v  g,  ovä'  sni  xo- 
aoi'xo  ßinja^fvifg  naaag  tfctol  zeig  xaru  ziiV  ' E/.kaSa  xai  ßäpßapoi'  7if(>tsi/.>jtptvui  ngä^ftg, 
auf  Chroniken,  ,anuales'  einer  Behörde,  und  da  könnten  für  Rom  nur  die  Pontifiees 
in  Betracht  kommen.  Er  hat  übersehen,  dass  die  beiden  Bemerkungen  gar  nicht  auf 
dieselben  Aufzeichnungen  bezogen  werden  dürfen.  An  der  ersten  Stelle,  wo  es  sich 
um  die  Darstellung  des  hannibalischen  Krieges  handelt,  geisselt  Polybios  die  römi- 
schen Annalisten,  vielleicht  einschliesslich  der  Pontifikalannalen,  die  auf  drei  bis 
vier  Seiten  den  Krieg  beschreiben:  an  der  zweiten  wendet  er  sich  gegen  diejenigen 
Geschichtsschreiber,  die  den  Mund  noch  voller  nehmen  und  die  Geschichte  Griechen- 
landes und  der  Barbaren  darzustellen  behaupten,  dabei  aber  noch  nicht  einmal  so- 
viel geben,  wie  die  Verfasser  von  Chroniken  (Jahrbüchern),  die  in  gi-össter  Kürze  (tto- 
/.izixüK.  darüber  vgl.  die  Ausführungen  von  Wilhelm:  .mit  der  schlichten  Sachlich- 
keit und  Knappheit  amtlichen  Stils")  die  jeweiligen  Ereignisse  auf  den  hierzu  be- 
stimmten .Wänden'  der  Amtsgebäude  eintragen.  Hier  spielt  der  Grieche  auf  den 
griechischen  Brauch  an,  und  sein  Interpret  (Wilhelm  a.  a.  0.)  gibt  mit  Recht  Bei- 
spiele aus  dem  griechischen  Kulturgebiet  für  solche  amtliche  Chronographien,  wie 
z.  B.  die  Chronik  des  Asklepiosheiligtums  zu  Athen,  IG  II  1649.  ,die  nach  der  Nen- 
nung des  eponynien  Archons  die  jeweiligen  Ereignisse  in  einem  durch  fn]  tovinv 
eingeleiteten  Satze  verzeichnet",  oder  die  von  R.  Herzog  entdeckte  Liste  der  Priester 
des  Apollon  von  Halasarna  (SiU.-Ber.  Berl.  xik.  1901  S.  484),  die  ebenso  angelegt 
ist.  und  anderes  mehr.  Sachlich  gehört  auch  die  tabula  aimnlix  der  Pontifiees 
hierher,  aber  ich  glaube  nicht,  dass  der  Historiker  sie  hier  im  Auge  hat. 

12 


Dil'  äHrsI,'   Form  der   l'nulifL(tl„„unh„.  257 

rlie  vorstehenden  Austiiliruiigi-n.  luiHc  icli,  ;ils  Ix«  lesen  hetraclitet  werden 
dürfen.  „Das  dritte  J.ihrluindert  v.  Chr.  ist  die  geschiclitshildende  Epoche 
i'ür  Rom  gewesen"  ').  Im  St-liosse  des  l'ontifikalkolle.ifiunis  ist  damals  sclion 
lionis  Früho-eschichte  nnter  uriechisehem  Einfluss  entstanden-).  Dass  die 
so  gescliaftene  Psendogeschichte  dann  so  schnell  zum  Dogma  für  die  Alten 
geworden  ist.  erklärt  sich  wohl  mit  daraus,  dass  die  .,li  eiligen  Tafeln" 
(leQCci  SfÄ-ioi)  der  Pontifices  es  gewesen  waren,  die  zum  ersten  Male  im 
Znsammenhang  die  Erzählung  (ili  iii/t/n  nrinu  ItonKinnrum,  d.  h.  Korns  ..hi- 
hlisehe  Geschichte"  gegeben  hatten.  Die  moderne  Wissenschaft,  die  Wahr- 
heit und  Dichtung  in  der  Frühgeschichte  zu  scheiden  sich  bemüht,  steht 
daher  bei  Israel  und  IJom  nicht  umsonst  vor  so  ähnlichen  Problemen. 
Tübingen. 


1)  So  richtig  W.  Soltau,  Klio  X  S.  131. 

2)  Es  muss  hervorgehoben  werden  und  ist  auch  schon  von  Ennumn  (ii.  a.  0.  S.  .522  f.) 
geschehen,  dass  wir  damit  zur  Grundauft'assung  von  Mommsen  zurückkehren,  die  der 
Meister  schon  in  der  Hiim.  Grxch.  (l"  4G.5  f.)  bezüglich  der  Entstehung  der  Königsge- 
sehichte  geäussert  hatte:  .Eine  gewisse  Zusammenknüpfung  dieser  verschiedenen 
Märchen,  die  Feststellung  der  Reihe  der  sieben  Könige,  die  ohne  Zweifel  auf  der 
Geschlechterreohnung  ruhende  Ansetzung  ihrer  Regierungszeit  insgesamt  auf  240 
Jahre  und  selbst  der  Anfang  offizieller  Aufzeichnung  dieser 
.An  Setzungen  hat  wahrscheinlich  schon  in  dieser  Epoche  statt- 
gefunden: die  Grundzüge  der  Erzählung  und  namentlich  deren  Quasichronologie 
treten  in  der  späteren  Tradition  mit  so  unwandelbarer  Festigkeit  auf,  dass  schon 
darum  ihre  Fixierung  nicht  in,  sondern  vor  die  literarische  EpocheRoms 
gesetzt  werden  muss."  Denn,  so  heisst  es  ein  paar  Zeilen  weiter,  „es  liegt  in  der 
Natur  der  Chronik,  dass  sie  zu  der  Geschichte  die  Vorgeschichte  fügt  und  wenn 
nicht  bis  auf  die  Entstehung  von  Himmel  und  Erde,  doch  wenigstens  bis  auf  die 
Kntstehung  der  Gemeinde  zurückgeführt  zu  werden  verlangt :  und  es  ist  auch  aus- 
drücklich bezeugt,  dass  die  Tafel  d  e  r  P  o  n  t  i  f  i  c  e  s  d  a  s  G  r  ü  n  d  n  n  g  s- 
jahrRoms  angab.  Danach  darf  angenommen  werden,  dass  das  1' o  n  t  i- 
f  i  k  a  1  k  0  1 1  e  g  i  u  m.  als  es  in  der  ersten  Hälfte  des  fünften  .T  a  h  r  b  u  n- 
d  e  r  t  s  anstatt  der  bisherigen  spärlichen  und  in  der  Regel  wohl  auf  die  Beamteu- 
namen  sich  beschränkenden  Aufzeichnungen  zu  der  Anlegung  einer  förmlichen 
.lahrehronik  f ortschritt,  auch  die  zu  Anfang  geplante  Geschichte  der 
Könige  R  o  m  s  u  n  d  i  h  r  e  s  Sturzes  hinzufügte  und,  indem  es  auf  den 
Einweihungstag  des  kapitolinischen  Tempels,  den  13.  Sept.  24.5  zugleich  die  Stif- 
tung der  Republik  setzte,  einen  freilich  nur  scheinhaften  Zusammenhang  zwischen 
der  zeitlosen  und  der  annalistischen  Erzählung  herstellte'.  Vgl.  auch  Ed.  Meyer, 
Apoplwretmi  S.  1-58:  , Damals  (zur  Zeit  des  grossen  Samnitenkriegs)  hat  man  dann 
auch  offenbar  die  Stadtchronik  nach  oben  ergänzt  und  die  wichtigsten  Begebenheiten 
aus  der  Tradition  in  die  Liste  der  Jahrbeamten  eingetragen''.  An  dieser  Darstellung 
i,st  nur  der  zeitliche  Ansatz  falsch.  Nicht  am  Ende  des  4.,  sondern  erst  im  3.  Jahr- 
hundert, wahrscheinlich  in  der  ersten  Hälfte  desselben,  ist  ,die  Tafel  der  PontiKees". 
d.  h.  der  Codex  in  der  Regia  mit  der  Geschichte  und  .Vorgeschichte'  Roms  cnf- 
standen.     Den  Beweis  für  diese  Behauptung  hoft'e  icli  später  zu  erbringen. 


13 


258 


Mitteilungen  und  Nachrichten. 


Die  vorjährigen  deutschen  Ausgrabungen  in  Aegypten. 

Von  Ludwig  Borcliardt. 

Wühreiid  der  letzten  Grabniigsperiode  wiirdi'  von  deutscher  Seite  an  vier  Stellen 
in  Aesypten   gegraben,  nämlich: 

In     Dime  von  dem  preussischen  rapynisunternehnien. 

,     Medinet  Madi    .        ,  , 

l)ei  Gise  von  der  Sieglin-Expedition  nnd 

-    Abusir  ,       .  , 

Das  p  r  e  u  s  s  i  s  c  h  e  P  a  p  y  r  u  s  11  n  t  e  r  n  e  h  ni  e  ii  hatte  die  letzte  Arbeitsperiode 
mit  einer  kurzen  Versuolisgrabung  in  Dime  geschlossen,  um  in  diesem  Jahre  dort 
die  Arbeiten  gründlicher  zu  beginnen.  Der  Teil  der  Ruinenstiitte.  auf  den  in  erster 
Linie  Hoffnung  gesetzt  war.  brachte  aber  eine  gründliche  Enttäuschung,  da  die  lang- 
gestreckten Hügel,  welche  im  Osten  und  Westen  das  von  früheren  Raubgrabungen 
freigelegte  Häusergebiet  seiner  ganzen  Ausdehnung  nach  begleiten,  und  unter  denen 
gleichfalls  Häuser  vermutet  wurden,  sich  als  einfache  Sandanhäufungen  erwiesen. 
Nur  oben  befanden  sieh  in  ihnen  wenig  starke  Schichten  von  Abfall  aus  den  Häu- 
sern und  auch  diese  führten  nur  in  geringem  Maße  Papyrus.  Einige  Stellen  dieser 
oberen  Schichten  brachten  aber  immerhin  noch  eine  nennenswerte  Ausbeute  an  Pa- 
})yrns.  vor  allen  das  Südende  des  östlichen  Hügelzuges,  wo  schon  bei  der  Versuch.s- 
grabung  das  Vorhandensein  eines  grösseren  Müllluiufens  mit  Pajjyrus  festgestellt 
worden  war.  Unter  den  gefundenen  PapjTus  wareu  nur  wenige  vollständige  Stücke, 
meist  waren  es  nur  Fragmente  und  diese,  hier  wie  an  den  später  noch  zu  erwähnen- 
den Fundstellen,  immer  vereinzelt :  zusammengehörige  Fragmente  wurden  so  gut  wie 
nie  hier  gefunden.  Auffallen  musste  ausserdem  die  Tatsache,  dass  die  aus  älterer 
Zeit  stammenden  Fragmente  in  den  meisten  Fällen  in  den  oberen  Schichten  gefunden 
wurden,  während  die  jüngeren  tiefer  lagen.  Das  gibt  zu  der  Vei-mutung  Veranlas- 
sung, dass  jene  langgezogenen  Schuttanhänfungen  ausserhalb  der  durch  Raubgra- 
binigen  geräumten  Häuser  in  ihren  oberen  Teilen  aus  dem  von  den  Raubgräbern 
ausgeworfenen  Schutt  bestanden.  Sicher  wird  die  Vermutung  allerdings  erst  werden, 
wenn  von  den  neu  gefundenen  Fragmenten  sich  einige  als  an  alte  Museumsbestände 
anpassend  erweisen  .sollten.  An  der  Oberfläche  wurde  nichts  davon  bemerkt,  dass 
die  fraglichen  Schutthügel  neueren  Datums  seien.  Es  ist  dies  erklärlich,  wenn  man 
bedenkt,  dass  jene  Raubgrabungen  zum  grossen  Teil  schon  2.5  Jahre  zurückliegen. 
Auch  die  Voraussetzung,  dass  unter  diesen  SchutthOgeln  Hausruinen  liegen  sollten, 
ist  entschuldbar,  da  zwei  der  bei  der  Versuchsgrabung  ausgegrabenen  Häuser  nnd 
verschiedene  früher  geplünderte  in  dem  Abhänge  des  östlichen  der  beiden  HOgel- 
züge  lagen. 

Merkwürdig  ist  das  verhältnismässig  häufige  Auftreten  literarischer  Stücke  unter 
den  Funden.     Dabei  sind  zu  nennen :   Ein  Fragment   eines   vorläufig  nicht  näher  zu 


M/f/r,hni;liii    iiiiil    Xiirlnirhlni.  259 

bostimniüii  guwcsuiR'ii  Uedichts,  liu  weiteres  einer  philusophiticheii  Aliliiindlung  uinl 
eines  von  bislier  unbekannten  „heidnischen  Miirtyrenikten-.  Unter  den  niehtliteiiiri- 
sehen  Stücken  sind  niehieie  voUstiindif;  erhaltene  Gebete  an  Soknopaios  beachtens- 
wert. Von  all  diesen  Funden  war  keiner  aus  nachhadrianischer  Zeit,  eine  Anzahl 
<latierter  Urkunden  f^ehörte  dem  ersten  Jahrhundert  n.  Chr.  an.  Diese  lagen  in  einer 
.Msoh-Schieht,  die  dicht  unter  der  seherbenbedeckten  Oberfläche  begann  und  etwa 
2  ni  stark  war;  darunter  begann  fast  reiner  Sand.  An  einer  Stelle  wurden  unter 
der  Al'sch-Schicht  im  Sande  spätptolemäische  Ostraka  gefunden. 

.\nalog  waren  die  Fundumstände  in  dem  westlichen  Hügelzuge  neben  der  'l'enipel- 
innfassung,  nur  dass  dort  das  meiste  aus  noch  früherer  Zeit  stammte,  aus  dem  An- 
fange des  ersten  Jahrhunderts  n.  Chr.,  aus  ptolemäiseher  Zeit,  und  der  Hauptfund, 
eine  Anzahl  demotischer  Ostraka,  zu  denen  sich  auch  einige  griechische  gesellten, 
aus  dem  2.  Jahrhundert  v.  Chr.  Was  bisher  aus  Dirne  an  Papyrus  bekannt  gewor- 
den ist.  gehört  der  Kaiserzeit  an.  und  zwar  meist  dem  '1.  und  ■?.  Jahrhundert. 

Wie  bei  den  beiden  genannten  Zügen  von  Schuttdüuen  so  hatte  man  noch  melir 
bei  dem  ansteigenden  Terrain  zwischen  ihnen  und  den  bereits  durch  die  Kaubgra- 
bungen  freigelegten  Häusern  venuuten  müssen,  dass  sich  darin  weitere  Hausruineu 
befänden,  wenn  auch  nicht  in  ununterbrochenem  Nebeneinandei-,  so  doch  wenigstens 
stellenweise.  Einzelne  waren  auch  schon  hier  und  da  auf  diesem  Streifen  ausge- 
graben. Längs  des  östlichen  Zuges  kamen  indessen  nur  sehr  wenige  zum  Vorschein, 
bei  dem  westlichen  Zuge  aber,  wo  zwischen  der  Tempelumfassung  und  der  Schutt- 
düne nur  wenig  Kaum  ist,  lagen  sie  gedrängter.  Es  waren  aber  durchgängig  nur 
sehr  ännlicbe  Häuser,  die  sichtlich  lange  vor  ihrem  Einstürze  verlassen,  also  von 
allem  Hausrate  etc.  entblösst  waren. 

Der  weite  Raum  innerhalb  der  Tenipelumfassung  war  zuui  grössten  Teile  mit 
dichtgedrängten  Häusern  besetzt,  vermutlich  Wohnungen  von  Priestern  oder  andern 
Tempelbediensteten.  In  diesen  Häusern  wurden  vor  langen  Jahren  die  dann  später 
nach  Europa  gekommenen  Funde  aus  Dirne  gemacht,  namentlich  in  einem  Häuser- 
komplex  an  der  Westseite  der  Umfassungsmauer,  in  der  Südwestecke.  Nun  war  in 
der  Nordostecke  ein  Stück  der  Umfassungsmauer  eingestürzt  und  lag  noch  auf  den 
dort  stehenden  Hausruinen.  Man  hätte  also  mit  einer  gewissen  Wahrscheinlichkeit 
auch  in  diesen  Häusern  noch  Funde  vermuten  dürfen.  Eine  Nachgrabung  ei'gab  nur 
ganz  ärmliche  Hausruinen  ohne  Inhalt. 

Als  Baumaterial  für  diese  Häuser  hat  nicht  Nilschhunni.  der  in  dieser  CTCgeud 
schwer  zu  haben  ist.  sondern  die  weisslich  graue  tonige  Erde,  die  ganz  in  der  Nähe 
in  der  Wüste  vorkommt,  gedient.  Sie  wurde  zur  Ziegelfabrikation  mit  Häcksel  reich- 
lich untermischt.  Die  Anlage  der  Hänser  ist  der  der  Häuser  aus  Darb  Gerze  sehr 
ähnlich:  enge  Räume  und  Korridore,  steile,  unbecpieme  Treppen,  die  sich  um  mas- 
sive Mauerklötze  herumlegen,  in  den  Wänden  häufig  Nischen  mit  Holzstücken  oder 
Zweigen  abgedeckt,  usw.  Nur  waren  in  Dime  die  Räume  der  oberen  Stockwerke 
häufig  besser  erhalten,  als  in  Darb  Gerze.  Die  unteren  Stockwerke  sind  fast  immer 
ohne  direkte  Lichtzufuhr  von  aussen,  nur  in  einem  Falle  wurde  ein  hoch  oben  an- 
geljrachtes.  xuit  vertikalen  Holzstäben  in  einem  Rahmen  vergittertes  Fenster  vorge- 
funden. Zugänglich  waren  diese  Keller  durch  ganz  enge  Einsteigötfnungen  von  oben 
her.  Tonnengewölbe  waren  in  Dime  seltener  als  sonst  in  derartigen  Aulagen.  Die 
Decken  bestanden,  wie  bei  solchen  Häusern  auch  heute  noch,  aus  unbearbeiteten 
Baumstämmen,  auf  denen  Rohr  oder  Stroh  lag.  Darüber  kam  ilann  Ziegelfussboden 
oder  gestampfter  Estrich  aus  Tonerde. 

Nach  einmonatiger  Arbeit  wurde  die  (irabung  in  Dime,  die  durcli  die  schwierige 
Wasserversorgung  und  durch  das  renitente  Betragen  der  am  See  wohnenden  Fischer- 
bevölkerung, von  der  man  für  viele  Dinge  abhängig  war,  selir  unangenehm  und  kost- 
spielig wurde,  abgebrochen.     Das  Lager  wui-de  nach  der  anderen  Ecke   des  Faijuni. 

17* 
2 


260  MittcihiiKnn  und  yadirirhlcu. 

nach  M  c  (1  i  II  e  t  M  a  il  i  im  Karakbassin.  verlegt,  liier  liatton  ilio  Hrrifu  Joupuet 
und  Lft'ebvre  schon  eine  Versuchsgrabuiig  vor  mehreren  Jahren  vorgenommen,  die 
aber  keine  besonderen  Resultate  gebraclit  hatte.  Das  umfangreiche  Kuinenfeld  machte 
aber  den  Eindruck  als  ob  es  bei  griindUchei-er  Uutersuchung  doch  noch  Ergebnisse 
bringen  würde.  Das  zu  bearbeitende  Gebiet  steigt  ziemlich  steil  vom  Fruchtlande 
gegen  die  Wüste  zu  an  und  hat  eine  beträchtliche  Ausdehnung  in  südnördlichcr 
Kicbtung.  Es  endet  in  mehreren  hohen  Schutthügelu.  Auch  innerhalb  des  Gebiets 
fallen  einige  hohe  Hügel  auf.  deren  Kerne  aber  vielleicht  natürliche  Erhebungen 
sind.  Wegen  der  verhältnismässig  grossen  Entfernung  vom  nächsten  Dorfe  sind  bis 
jetzt  Sebbaehgrabungen  nur  in  geringem  Umfange  hier  vorgekommen,  und  auch  da. 
wo  sie  nachweisbar  sind,  nicht  sehr  in  die  Tiefe  gegangen.  In  dem  niedrigen  Teil, 
den  die  französischen  Gelehrten  bereits  bei  ihrer  Versuchsgrabuug  in  Angriff  ge- 
nommen hatten,  wurden  nur  sehr  ärmliche  Häuser  aus  spätester  Zeit  freigelegt ;  die 
dort  gefundenen  wenigen  Ostraka  wiesen  auf  das  sechste  und  siebente  nachchrist- 
liche Jahrhundert.  In  ältere  Perioden  kam  die  Grabung  bei  den  innerhalb  des  Ge- 
bietes liegenden  höheren  Schutthügeln,  von  denen  oben  die  Rede  war;  die  dort  leider 
nur  in  Fragmenten  gefundenen  Papvri  gehörten  alle  dem  zweiten  bis  vierten  Jahr- 
hundert an. 

In  einer  langgestreckten  Einsenkung  zwischen  den  Hügeln  wurde  eine  grössere 
Tempelanlage  aufgedeckt.  Zuerst  ein  Pylon  mit  Turmbauten  aus  lufttrockenen  Zie- 
geln und  einem  Tore  ans  weissem  Kalkstein.  Die  westliche  Wand  des  Tordurch- 
gangs nimmt  ein  Kolossalrelief  der  den  Horus  säugenden  Isis  ein.  vor  der  der  König 
opfert.  Die  Göttin  ist  etwa  bis  zur  Körpermitte  vorhanden,  vom  Horus  und  vom 
Könige  sind  nur  noch  die  Füsse  zu  sehen.  Das  Relief  ist  nicht  ganz  vollendet  ge- 
wesen. Die  gegenüberliegende  Wand,  gegen  die  das  Tor  schlug,  ist  glatt.  Die  Ar- 
beit des  Reliefs  scheint  noch  ptolemäisch  zu  sein.  Das  Kleid  der  Isis  zeigt  den 
allerdings  auch  früher  und  später  nachweisbaren  Schmuck,  der  einen  die  Figur 
schützend  umgebenden  Geier  darstellen  soll.  Eine  Aufschrift  in  griechischen  Buch- 
staben auf  den  Knien  der  Isis  dürfte  nach  den  Zeichenformeu  aber  aus  dem  ersten 
Jahrhundert  n.  Chr.  stammen,  gibt  also  ein  Datum,  vor  dem  der  Tempel,  oder  we- 
nigstens das  Relief  gemacht  worden  sein  wird.  In  dem  östlichen  Turm  —  nur  dieser 
wurde  untersucht  —  sind  noch  die  unteren  Teile  der  Treppe  und  einiges  vou  den 
Räumen  des  ersten  Stocks  erhalten.  Im  Turm  lagen  Afsch-Schichten.  auch  daneben 
wurden  solche  gefunden,  die  Papyrusfragmente  des  zweiten  Jahrhunderts  enthielten. 

Etwa  Ih  m  südwärts,  in  der  Achse  des  Pylons  lag  ein  weitei'er  Tempelteil,  eine 
Halle  mit  Säulen  und  Schranken  dazwischen.  Die  Säulen  sind  Papyrussäulen  und 
ebenso  wie  die  Schranken  heute  noch  etwa  i.h  m  hoch.  Der  Grundriss  der  Anlage 
entspricht  dem  der  sogenannten  Kioske  auf  Philae.  Die  Säulen  treten  nach  innen 
mit  der  Hälfte  ihrer  Dicke  —  sie  haben  1  m  im  Durchmesser  —  über  die  Linie 
der  Schranken  hervor,  nach  aussen  liegen  sie  in  der  Flucht  der  Schranken,  also 
im  ganzen  die  tyjjisehe  Anlage  solcher  später  Hallen.  Reliefs  tragen  weder  Säulen 
noch  Schranken,  das  Ganze  scheint  unfertig  zu  sein,  wie  auch  verschiedene  Teile 
am  Tor,  die  noch  in  Bossen  stehen,  anzeigen. 

Leider  konnte  die  anscheinend  sehr  stattliche  Tempelanlage  nicht  bis  zu  Ende 
untersucht  werden,  da  die  Arbeit  abgebrochen  werden  musste.  Bei  den  Arbeitern 
hatte  sich  bereits  in  Dirne  infolge  der  schwierigen  Wasserversorgung  Krankheit  ein- 
gestellt, die  in  Siedinet  Jladi  zunahm.  Es  kam  sogar  bedauerlicherweise  ein  Todes- 
fall eines  Jungen  vor.  der  allerdings  nicht  dadurch  veranlasst  war,  aber  doch  dazu 
beitrug,  die  Arbeiter  ängstlich  und  unlustig  zur  Fortsetzung  der  Grabung  zu  machen. 
Es  musste  daher  früher  als  beabsichtigt  geschlossen  werden. 

Die  Grabung  in  Dime  liatte  am  13.  Dezember  1909  begonnen  und  bis  zum  12. 
Januar  1910  gedauert.     In  Medinet  Madi  wurde  vom  l(i.  Januar  bis  zum  5.  Februar 


Mittrihiuiim   inid   Xnrliriihlr».  261 

lllln  -(Mil.cKct.  Dir  (inilinii,L;slci(uiii;-  lial  Ir  llfir  Hr.  Ziirkcr,  dm  Ilcir  Dr.  S  <■  li  u- 
I)  u  1- 1 .  voll  si'iiK'i-  l-'rau  bu^leitt-t.  uutor.stiUztf. 

Dies  war  die  letzte  (irabuns  des  preussisclien  Papyiu-suiiteiiieliiuens.  das  seit 
lUUl/2  in  .jedem  .lalire  Gnibiingen  uiitenioiimien  bat.  Von  jetzt  ab  werden  nur  noch 
in  besonders  angezeigten  Fällen  von  die.sem  L'nternehmen  (irabungen  vei-anstaltef 
werden.  Ks  wird  sieh  jetzt  hauptsiichlieh  auf  die  käufliche  Krwerbung  von  grieolii- 
seheii  l'apvris  im  Kahmen  des  deutsehen  Papyrus-Kartells  beschränken. 

Die  S  i  e  g  1  i  n- E  X  p  e  d  i  t  i  0  u  hatte  im  Vorjahre  den  Totentempel  des  Chat'-re 
vor  seiner  Pyramide  bei  G  i  s  e  zum  grössten  Teile  freigelegt,  (n  diesem  Jahre  sollte 
diese  Arbeit  beendet,  und  auch  noch  einige  daran  anschliessende  Fragen  niitgelöst 
werden.  Des  weiteren  sollte  eine  kleinere  Orabung,  die  auch  Museuuiästücke  in  Aus- 
sieht stellen  konnte,  durchgeführt  werden.  Danach  war  die  .\bsieht,  den  Toteu- 
tempel  Amenemhets  III,  das  sogenannte  Labyrinth  am  Kingange  des  Faijum,  zu  un- 
tersuchen, natürlich  nur  in  einem  beschränktem  Teile,  die  völlige  Durchführung  der 
Untersuchung  sollte  späteren  Kampagnen  derselben  Expedition  vorbehalten  bleiben. 
Die  Fülle  des  Materials  liess  es  aber  nicht  bis  zu  der  zuletzt  genannten  Aufgabe 
kommen,  die  beiden  zuerst  erwähnten  waren  bereits  übergenug  für  eine  Arbeits- 
periodo.  Allein  schon  die  Arbeit  am  Torbau  des  Chaf-re  war  ungeheuer  gross.  Es 
wurde  dort  nicht  nur  das  ganze  Innere  wieder  gereinigt,  das  unter  meterhohem  Sande 
lag,  von  dem  es  vielleicht  nie  befreit  worden  ist,  —  wenigstens  findet  sich  in  den 
Aufnahmen  nichts  von  den  interessanten  Tatsachen,  die  dabei  zutage  traten  —  son- 
dern es  wurde  auch  die  ganze  Ostfassade  freigelegt  d.  h.  ein  etwa  14  m  hoher  Berg 
von  Sand,  Schutt  und  Gebäuderesten  wurde  auf  eine  Breite  von  rd.  2")  m  und  auf 
eine  Länge  von  rd.  .")0  m  fortgeschattt  (rd.  17-")00  cbm). 

Im  Innern  des  Torbaus  zeigte  sich  als  wichtigstes  Ergebnis  die  Anordnung  der 
dort  einst  aufgestellt  gewesenen  Statuen.  An  der  Hinterwand  des  T-förmigen  Saales 
(für  den  Grundriss  vgl.  die  in  A.-Z.  46  gegebene  Skizze  oder  die  Aufnahmen  bei 
Petrie  und  Perrot- Chipiez)  zeigten  sich  im  Alabasterfussbodeu  in  symmetrischer  An- 
ordnung 3  vertiefte  Standspuren  für  Statuen,  an  den  Seitenwänden  desselben  Raumes 
in  einer  ^'erteilung.  die  auf  die  fünf  dort  stehenden  Pfeiler  keine  Rücksicht  nimmt, 
wieder  je  sieben  und  an  den  beiden  Teilen  der  Westwand  des  breiten  Raumes  des- 
selben T-förmigen  Saale.s  je  drei  Standspuren.  Es  hatten  also  23  grössere  Statuen 
allein  in  diesem  Räume  Aufstellung  gefunden.  Mariette  hat  davon  9 — 10  in  mehr 
oder  weniger  grosser  Vollständigkeit  aus  dem  Brunnen  im  Granittempel,  wie  man 
den  Torbau  des  Chaf-re  bisher  nannte,  gezogen.  Die  Zahl  der  kleineren  Statuen, 
die  diesen  Tempel  schmückte,  muss.  nach  den  ungeheuer  vielen  davon  gefundenen 
Fragmenten  zu  urteilen,  mehr  als  100  betragen  haben.  Es  wurden  übrigens  in  den 
oben  erwähnten  Standspuren  noch  Reste  gefunden,  die  klar  auf  das  Material  der 
l'haf-re-Statuen  weisen :  in  der  einen  Standspur  lag  sogar  noch  ein  sehr  schön  ge- 
arbeiteter Uräus  aus  Alabaster,  der  von  der  Stirn  einer  annähernd  lebensgrossen 
Königstatue  abgebrochen  sein  muss. 

Der  Torbau  hatte,  entgegen  der  bisherigen  Annahme,  zwei  Eingänge  auf  seiner 
Ostseite,  je  einen  in  der  Nord-  und  Südecke.  Sie  waren  in  alter  Zeit,  vermutlich  im 
neuen  Reich,  durch  eine  Ziegelmauer  geschlossen,  die  nach  der  teilweisen  Zerstörung 
der  Granitfassade  davorgesetzt  worden  war.  Die  diesjährige  Ausgrabung  beseitigte 
diese  Ziegelmauer  wieder  vollständig,  natürlich  nur.  nachdem  sie  gründlichst  aufge- 
nommen worden  war.  So  sind  jetzt  die  beiden  alten  Eingänge  des  Torbaus  wieder 
praktikabel,  was  zu  dem  Eindruck  von  Grösse,  den  die  ganze  Anhige  macht,  viel 
beiträgt.  Von  jedem  der  Eingänge  steht  heute  noch  der  unterste,  immerhin  über- 
mannshohe Granitblock  je  einer  Laibung,  die  an  der  Vorderseite  in  riesigen,  in  be- 
stem Stile  ausgeführten  Hieroglyphen  noch  die  letzten  Zeichen  der  die  Türen  um- 
rahmenden Inschriften   tragen.     Auf  der  Südseite   liest   man   noch  ,von   der  Hathor 


262  Jlittc/hii/i/ni    null   Xdi/ir/rlilcn. 

geliebt,  i'wigliilr.  aul'  ilcr  Nonlsciti'  ,vuii  der  Bastit  etc.".  Die 'J'üreiiit'as.suugen  sind 
also  wohl  denen  des  Sahu-ie-Tenipels  analog  zu  rekonstruieren.  Die  Fassade,  über 
die  .so  manche  Vermutuug  aufgestellt  worden  ist,  hat  sich  als  glatte  Granitfassade 
mit  der  zu  erwartenden  Böschung  gezeigt.  In  der  untern  Schicht  ist  sie  fast  völlig 
erhalten.  Man  kann  aus  den  äusserst  stattlichen  Resten  schliessen,  welchen  mäch- 
tigen Eindruck  dieser  Torbau  schon  von  aussen  gemacht  haben  muss. 

Vor  dem  Torbau  dehnte  sich  nun  eine  breite  kaiartige,  aus  dem  Fels  gehauene 
Terrasse  aus,  deren  oberes  Pflaster  fast  ganz  fehlt.  Man  kann  jedoch  aus  den  hier 
bis  in  das  Unterpfiaster  durchgreifenden  Zangenspuven.  die  von  dem  Versetzen  der 
grossen  Blöcke  herrühren,  sowie  aus  anderen  Indizien  heute  noch  feststellen,  dass 
die  Terrasse  einst  fünf  grössere  Älouumente  trug,  die  vor  der  Torbaufassade  sym- 
metrisch angeordnet  waren.  In  der  Mitte  stand  frei  vor  der  Fassade,  durch  die 
Breite  des  Traufpflasters  von  ihr  getrennt,  eine  Kapelle  aus  Stein,  vermutlich  Granit. 
Sie  hatte  auf  der  Ostseite  eine  Tür,  auf  der  Süd-  und  Nordseite  vielleicht  irgendwie 
durchbrochene  Wände  und  hinten,  auf  der  Westseite,  eine  feste  Wand.  Vor  der 
vorderen  Tüi-  sind  noch  Reste  der  Schwelle  erhalten.  Der  Grundriss  der  Kapelle 
ist  völlig  klar  rekonstruierbar.  den  Aufriss  wird  man  etwa  wie  einen  Naos  der  Spät- 
zeit —  etwa  wie  den  von  Elephantine  —  sich  zu  denken  haben,  nur  dass  die  Seiten- 
wände wohl  nicht  ganz  geschlossen  waren.  Rechts  und  links  neben  dieser  Kapelle 
waren  nun  je  2  riesige  Blöcke  der  Länge  nach  vor  der  Front  des  Torbaus  aufge- 
stellt. Sie  hatten  etwa  die  Tiefe  der  Kapelle,  waren  aber  2— 3  mal  so  laug.  Jedes 
Paar  steht  symmetrisch  zur  Achse  eines  der  Eingänge.  Die  Blöcke  hatten  an  den 
den  Eingängen  zugekehrten  Seiten  glatte  Abschlüsse,  an  den  den  Eingängen  abge- 
kehrten Seiten  aber  abgerundete.  Diese  Grundrissform  entspricht  der  der  Basen 
liegender  Sphinxe.  Wir  haben  uns  also  vor  jeden  der  Eingänge  2  riesige  Königs- 
löwen vorgelagert  zu  denken,  mit  den  Köpfen  den  Eingängen  zugewendet. 

Diese  fünf  Stücke  füllten  den  ganzen  Raum  vor  der  Fassade.  Der  Kai  ist  etwa 
doppelt  so  breit  wie  die  Kaiielle  und  die  Sphinxe  und  war  durch  zwei  ganz  schwach 
ansteigende  Rampen,  die  auf  die  beiden  Türen  zugehen,  zu  ei'steigen.  Diese  Rampen 
sind  nur  auf  eine  kurze  Strecke  von  wenigen  Metern  vor  dem  Kai  ausgegraben  worden, 
ihr  weiterer  Verlauf  ist  also  noch  unsicher.  Der  Raum  zwischen  den  beiden  Rampen 
war  mit  festgestampftem  Schutt  ausgefüllt,  der  sich  von  dem  weiter  höher  lie- 
genden, loseren  deutlich  unterschied.  Es  wäre  also  möglich,  dass  hier  einmal  ein 
über  die  Rampen,  den  Kai  und  den  Zwischenraum  zwischen  den  Rampen  hinweg- 
gehendes gemeinsames  Pflaster  bestanden  hat.  zu  dessen  Verlegung  man  eben  diesen 
Schutt  eingebracht  und  festgestampft  hätte.  Diese  Annahme  würde  also  eine  Planän- 
derung voraussetzen.  Genaues  darüber  zu  sagen,  wird  schwer  sein,  wenn  man  nicht 
den  Raum  vor  dem  Torbau  noch  weiter  freilegen  lässt.  Es  ist  nämlich  noch  die 
durch  die  Ausgiabungen  beim  Torban  des  Men-kew-re  aufgeworfene  Frage  zu  lösen, 
ob  der  Torbau  des  Chaf-re  frei  oder  als  Hintergiund  eines  Hofes  zu  denken  ist.  An- 
schlüsse an  den  beiden  Ostecken  des  Torbaus  scheinen  zwar  nicht  bestanden  zu 
haben,  die  vor  der  Fassade  frei  stehende  Kapelle  aber  macht  es  wahrscheinlich,  dass 
vor  ihr  ein  verschliessbarer  Hof  lag. 

Bemerkenswert  sind  noch  an  dieser  Stelle  die  Reste  einer  anderen  Kapelle,  die 
allerdings  auf  einem  um  ein  weniges  höheren  Niveau  liegen  als  das  des  Kais  früher 
war.  Sie  liegen  in  der  Flucht  der  Fassade  neben  der  Südecke :  auch  scheinen  dazu 
einige  Säulenbasen  aus  Kalkstein  zu  gehören,  die  davor  liegen.  Diese  Kapelle  könnte 
entweder  eine  spätere  Hinzufügung  sein,  etwa  der  Zugang  zu  den  im  Südwesten  un- 
seres Torbaus  gelegenen  Gräbern,  oder,  wenn  man  den  Grundriss  des  Torbaus  des 
Men-kew-re  zum  Vergleich  heranzieht,  so  konnte  man  sie  für  den  Eingang  des  im 
Süden  um  den  Torbau  herumlaufenden  Ganges  halten.  Zu  entscheiden  wäre  diese 
Frage  nur.  wenn  mau  entweder  die  ganze  Südseite  des  Torbaus  freilegte,  oder  doch 


MittriliiiKini    imd    Narlnir/ifiii.  263 

wenigstens  die  Ecke  /.wi'^clK'ii  ilfiii  Anlanfif  des  Ant'<;anj.'cs  y.nm  i)l)cr(;n  Trniind  und 
der  Westfassade  des  Torbaus. 

Der  Aufbau  des  Torbaus  wurdi'  nafürlich  auch  in  allen  Details  genau  untersucht. 
Neues  ergab  sich  dabei  nicht,  nur  eine  Bestätigung  der  bereits  früher  vom  Bericht- 
erstatter gegebenen  Rekonstrnktions-V'orschliige.  Für  die  Dachlösung,  die  verschie- 
denen Arten  der  Lichtzuführung  durch  die  Decken  etc.  sind  durch  die  genaue  Auf- 
nahme .jetzt  wohl  alle  Fragen  als  gelöst  anzusehen.  Da  die  Verötl'entlichung  der 
.Uifnahnien  wohl  in  allernächster  Zeit  erscheinen  dürfte,  so  ist  ein  Eingehen  auf 
diese  technischen  Details  hier  wohl  nicht  nötig. 

Die  Untersuchung  des  oberen  Tempels  hatte  sich  nur  noch  auf  einige  Einzel- 
heiten zu  erstrecken,  da  sie  im  Vorjahre  fast  bis  zu  Ende  geführt  worden  war.  Die 
Frage  der  Nebenausgänge,  die  im  ^'orjahre  noch  im  vorderen  Teile  des  Tempels  an- 
genommen wurden,  konnte  dahin  entschieden  werden,  dass  man  diese  bisherigen 
Nebeneingänge  heute  nur  als  Durchbrüche  ansehen  muss.  die  beim  sj-stematischen 
Abbruch  des  Tempels  in  den  Zeiten  des  neuen  Reiches  angelegt  worden  sind,  um 
auf  jeder  Seite  einen  besonders  grossen  Block  herauszuholen,  der  die  schmalen 
Seitenkamraern  neben  dem  gestaffelten  Raum,  vielleicht  die  Serdabs  des  Tempels, 
im  Westen  absehloss.  Diese  Konstatierung  führte  weiter  dazu,  dass  auch  die  Stellen 
der  grossen  Pfeiler  oder  Pilaster  im  Hofe  einer  erneuten  Besichtigung  unterzogen 
wurden,  die  ergab,  dass  auch  sie  mit  grosser  Vorsicht  beim  Abbruch  entfernt  worden 
waren.  Es  ist  also  dadurch  der  bisher  dagegen  geltend  gemachte  Einwand,  dass 
hier  keine  Statuen  gestanden  haben  könnten,  da  keine  Bruchstücke  von  grossen 
(Jranitstatuen  gefunden  worden  sind,  hinfällig  geworden.  Die  Statuen  sind,  wenn 
sie  vorhanden  waren,  mit  aller  Sorgfalt  entfernt  und  in  irgend  einen  Ramessiden- 
tempel  übergeführt  worden.  Es  ist  also  nach  diesem  Befunde  eine  Rekonstruktion 
des  Hofes  mit  Statuenreihen  möglich,  wenn  sie  auch  nicht  als  sicher  zu  gelten  hat. 

Ferner  wurden  die  Reste  der  bisher  gänzlich  unbeachtet  gebliebenen  kleinen 
Pyramide  vor  der  Mitte  der  Südseite  der  Chaf-re-P}'ramide  untersucht.  Man  konnte 
ihre  frühere  Grundfläche  bestimmen  und  die  Kammer  wieder  zugänglich  machen. 
Von  einem  Totentempel  davor  Hess  sich  keine  Spur  nachweisen.  Ihre  Lage  ent- 
spricht der  der  Nebenpyramide  im  Süden  der  Knickpyramide  bei  Dahschur.  Sie 
dürfte  der  Frau  des  Chaf-re  gehört  haben. 

Als  Nebenarbeit  ging  die  Freilegung  und  .\btragung  einer  Mastaba  der  fünften 
Dynastie  neben  den  bisher  besprochenen  Arbeiten  einher.  Sie  lag  westlich  von  der 
Nordwestecke  der  grössten  Pyramide  und  gehörte  einem  Seschem-nefer.  Die  mit  gut 
erhaltenen  Reliefs  geschmückte  eine  Kammer  derselben  wird  in  der  Universitäts- 
Sammlung  zu  Tübingen  wiederaufgestellt  werden.  Ein  Nebenraum  hatte  an  der 
einen  Seite  eine  bisher  noch  nirgends  nachgewiesene  Dekoration :  eine  Reihe  von 
Türen,  die  mit  allen  Konstruktions-Details  in  Stein  ausgefühi-t  waren.  Da  der  obere 
Teil  dieser  Wand  fehlt,  so  sind  uns  die  Ueberschriften,  die  diese  Türen  vermutlich 
führten,  verloren.  Man  könnte  annehmen,  dass  es  Scheineingänge  zu  Speichern 
waren. 

Die  Ausgrabung  des  Tempels  sowohl  wie  der  Mastaba  war  besonders  reich  an 
technischen  Resultaten.  Beobachtungen  über  Gerüstbau .  Versetzen  gi-oßer  Blöcke 
u.  s.  w..  die  aber  hier  nicht  weiter  ausgeführt  werden  sollen,  um  nicht  damit  ein 
(Jebiet  zu  betreten,  dass  die  Leser  dieser  Zeitschrift  weniger  interessieren  dürfte. 

Einzelfunde  wurden  in  grosser  Anzahl  gemacht,  hauptsächlich  waren  es  zahl- 
lose Fragmente  kleiner  Königstatuen,  von  denen  einige  wohl  noch  bei  eingehenderer 
Bearbeitung,  als  sie  an  Ort  und  Stelle  möglieh  war,  sich  zu  grösseren  .Stücken  wer- 
den zusammensetzen  lassen.  Vorläufig  ist  alles  dieses  nach  Leipzig  gebracht  worden, 
wo  es  bearbeitet  wird.  Von  den  übrigen  Fundstfioken  ist  ein  Denkstein,  der  einen 
Vertrag  über  Totenopfer  enthält,  bei  der  Teilung  der  Funde  Kairo  zugefallen,  wäh- 

6 


264  Mitlciliiitiicii    1111(1   Xar/n-irlitct. 

roiid  einigt'  Stt'lon  mit  Diirstellun^'L'n  eines  Opfers  vor  HarniiK-his  Viezw.  dem  Spliinx, 
die  sämtlich  dem  neuen  Reiche  entstammen,  nach  Deutschhmd  kamen. 

Für  die  Frage  des  Alters  der  Chaf-re-Statuen  ist  die  Ausgrabung  des  Torbaus 
dadurch  von  Wichtigkeit  geworden,  dass  sie  erstens  gezeigt  hat,  wo  die  Statuen  einst 
im  alten  Pflaster  gestanden  haben,  und  zweitens  wahrscheinlich  gemacht  hat,  dass 
der  Torbau  vom  neuen  Reiche  ati  unzugänglich  war.  Es  ist  also  aus  diesen  beiden 
Gründen  schon  unmöglich,  au  Wiederherstellungen  der  Renaissance-Zeit  bei  diesen 
Statuen  zu  denken. 

Die  Ausgrabung  bei  A  b  u  s  i  r  wurde  auf  folgende  Indizien  hin  unternommen  : 
Im  Herbst  1909  kamen  einige  Arbeiter  aus  Abusir  mit  Steingefässen,  die  sie  beim 
Dorfe  gefunden  haben  wollten.  Nachforschungen  ergaben,  dass  sie  beim  Bau  eines 
Hauses  an  der  Westgrenze  des  Dorfes  herausgekommen  waren.  Der  Augenschein 
lehrte,  dass  hier  ein  Friedhof  sich  in  ziemlicher  Ausdehnung  erstreckte.  Die  Sieglin- 
Expedition  konnte  also  hier  mit  der  Hoffnung  auf  sicheren  Erfolg  einsetzen.  Die 
Ausgrabungen  haben  dann  das  Ziel,  das  sich  diese  Expedition  hierbei  gesteckt  hatte, 
in  vollem  Maße  erreicht,  sie  haben  in  grossen  Mengen  Stücke  für  die  deutschen 
Museen  ergeben,  namentlich  sehr  grosse  und  schöne  Steingefässe.  Die  Funde  dieses 
Fi-iedhofes  rühren  fast  alle  aus  den  Zeiten  der  ersten  Dynastien  her,  .jedoch  fehlen 
auch  Grabfunde  aus  dem  mittleren  und  neuen  Reich  nicht,  und  selbst  ein  kleiner 
Sarg  aus  griechischer  Zeit,  ganz  den  bereits  früher  bei  Abusir  gefundenen  gleichend, 
konnte  geborgen  werden.  Eine  Aufzählung  der  einzelnen  Funde  würde  hier  zu  weit 
führen. 

Die  Arbeiten  der  Expedition  dauerten  vom  l(i.  .Januar  bis  zum  5.  April  1910. 
Sie  wurden  von  Herrn  Regierungsbaumeister  Dr.  H  ö  1  s  c  h  e  r  geleitet,  dem  Hcri- 
Prof.  Steindorf  f.  Herr  Regierungsbaumeister  S  r  h  u  1 1 /.  c  und  zeitweise  Herr 
Dr.  Abel  assistiei-ten. 

Ausser  diesen  Ausgrabuugsunternehmeu  waren  noch  von  deutscher  Seite  im  Lande 
tätig: 

Die  Expedition  der  Berliner  Akademie  zur  Aufnahme  der  Inschriften  der  durch 
die  Erhöhung  des  Assiuiner  Dammes  gefährdeten  Tempel.  Sie  stand  in  diesem  Jahre 
unter  der  Leitung  von  Prof.  Juncker.  Da  ein  Vorbericht  über  diese  Arbeiten  be- 
reits in  der  Akademie  vorgelegen  hat,   so  genügt  es,   hier   nur  darauf  zu  verweisen. 

Herr  Dr.  Roeder  setzte  seine  Arbeiten  zur  Aufnahme  vou  Tempelinschriften, 
aus  demselben  Gebiet  im  Auftrage  des  ägyptischen  Service  des  Antiquites  fort. 

Herr  Dr.  Wreszinski  und  Frau  nahmen  einen  Teil  der  Wanddekorntioueu 
iiiul  Bilder  iu  den  Thebanischen  Gräbern  photograpliisch  auf. 


Personalien. 

F.  Skutsch-Breslan  hat  einen  Ruf  nach  Strassburg  als  Nachfolger  vou 
R.  R  e  i  t  z  e  n  s  t  e  i  u  abgelehnt ;  nunmehr  hat  O.  Plus  b  c  r  g- 1'  v  a  i;-  (tViilu'r  iu  Ro- 
stock) den  Ruf  nach  S  t  r  a  s  s  b  u  r  g  erhalten. 


265 


The  Laws  of  Demetriiis  of  Phaleruni  and  tlieir  Guardians. 

Liy  William  Scott  Fers^usoii. 

Most  of  tlic  Atlieriian  oQot  or  boundary-stone  inscriptions  fail  to 
specify  the  time  at  which  the  transaction  recorded  was  completed  ').  There 
ai'e  some  exceptional  cases,  liowever.  Thus  the  following  documents  are 
dated  precisely:  (1)  IG  II  2  1133  in  315 '4  B.C.,  (2)  Sifs.  d.  Berl.  Ähacl., 
1897  665  no.  4  in  315/4  =),  (3)  Ihid.,  1898  783  no.  27  in  315/4,  (4)  IG 
XII  8  18  in  314/3,  (5)  Ibid..  19i  in  314/3,  (6)  Ibid.,  19 ii  in  314/3—307/6, 
(7)  IG  II  2  1134  in  313/2,  (8)  Sitz.  d.  Berl  Ahid.,  1897  665  no.  5  in 
312/1,  (9)  IG  II  2  1136  in  305/4,  (10)  Ibid.,  1137  in  305/4-303/2.  (11) 
n>id.,  1138  in  302/1.  and  (12)  Ibid.,  1141  in  276/5. 

Froni  this  list  two  infevences  may  be  made  (1)  that  the  practice  of 
indicating  the  year  in  a  bonndary  record  was  established  by  the  hiw-code 
of  Demetrius  of  Phalerum,  and  (2)  that  this  code  was  promulgated  in  the 
year  316/5  B.  C.  On  these  points  an  argument  is  hardly  required.  The 
catalogue  speaks  for  itself.  We  may  simply  mention  that  the  J'ririnn 
Chronide^)  enters  the  item,  Ai]fn']TQiog  vöfiovg  ed-r/xei'  'A&tivi]Oiv  under 
the  archonship  of  Demogenes  (317/6  B.  C),  and  that  Syncellus  (Hierony- 
mus)  enters  under  the  year  316/5  B.  C.  the  item,  ArjfitjXQiog  ö  Wa?.r}- 
QEvg  eyvcjQi^ETO  rghog  vouod-irrjg  'Ad-rjvtjaiv.  Neither  of  these  i-eports, 
however,  has  any  real  weight.  The  Parian  Chronicie  simply  dates  the 
legislation  of  Demetrius  in  the  year  in  which  he  assumed  office  —  in 
which  doubtless,  he  received  the  commission  to  revise  the  laws.  The 
date  of  Hieronymus.  though  correct.  is  prohably  so  hy  accident.  since  his 
determinations  have  in  general  the  value  only  of  approximations.  We 
may  mention  also  that  IG  II  584  (Ditt..  Si/J1.^,  164)  with  Wilhelm's  res- 
toration*)  i'ö.wot'g]  i'd-t]y.Ei>  Ka/?[o<'c  xai  aviKpegövrag  rii  nöZei.  places 
the  legislation  of  Demetrius  at  the  beginning  of  his  decade  of  govern- 
ment  in  Athens,  where.  too,  the  general  consideration  that  the  reforraer 
would  be  unlikely  to  defer  long  so  essential  a  step  as  the  revision  of 
the  laws  places  it.     The  inscriptions  cited  above,   however.  enable   us    to 

1)  These  inscriptions  are  published  in  IG  112  1103  ff.,  b  1111  ff.,  Hitzig,  Das 
griech.  Pfandrecht.  62  f. ;  Ziebarth,  Sits.  d.  Beil.  Akad.,  1897  664  ff.,  1898  776  ff. ; 
Tillvard,  Anntial  of  the  British  SeJwoI  in  Athens.  XI  1904/5  63  ff. :  Robinson.  Amer. 
Jour.  Phil.,  1907  432;  IG  XII  8  18  ff.  Cf.  also  Dareste.  Reinach.  and  Haussonllier, 
Beciteil  des  inscr.  jurid.  grecq.,  107  ff.  The  whole  subject  of  mortgages  and  their  pub- 
Ucation  and  preservation  is  discussed  by  Beauchet,  Hist.  du  droit  prive  de  la  ripu- 
bltque  athenienne,  vol.  III  176  ff.,  319  ff. ;  IV  60  ff. 

2)  Republished  without  identification  in  Antiual  of  the  British  School,  XI  63  ff.  no.  20. 

3)  IG  XII  .5  1  444  CXn'.  —  4)  GGA  1903  784,  790. 

Klio,  Beiträgo  zur  altnn  üeschichte  XI?.  Jg 

1 


266  WiUinm  Scotf  Ferguson, 

fix  the  flate  of  its  Promulgation  in  316/5  B.  C.  In  tbe  following  year  the 
archon's  name    became    an   integral  part  of  these    records. 

Another  characteristic  of  the  records  inscribed  on  the  boundarj"  stones 
after  316  5  B.C.  is  the  frequency  with  which  a  specification  is  made  of 
the  person  with  whora  the  original  papers  iai^r& i]y.at)  are  deposited.  This 
is  done  in  the  case  of  (2).  (4),  (5).  (6),  (8).  and  also  in  the  case  of  IG 
II  2  1139,  II  5  1139b,  which  Ivirchner')  dates  in  ra.  300  B.C.,  and  in 
the  case  of  IG  II  2  1140,  Sitz.  d.  Berl.  Akad.,  1898  nos.  26  and  28,  of 
which  aU  we  can  say  is  that  they  belong  to  the  fourth  Century  B.  C.  It 
is  omitted,  bowever,  in  (3),  of  which  the  date  is  315/4  B.  C,  (7),  of  which 
the  date  is  313/2  B.  C,  and  (9)  to  (11),  of  wbich  the  dates  ränge  from 
305/4  to  302/1  B.  C.  (1)  and  (12)  are  mutilated  and  bence  yield  no  infor- 
mation  on  this  point.  We  cannot  say  with  any  degree  of  certainty  that 
the  holder  of  the  contracts  was  ever  specified  before  316/5  B.  C.  We 
can  simply  affirm  that  after  316/5  B.  C.  bis  name,  like  that  of  the  ar- 
ehon  ^),  was  frequently,  though  not  always,  communicated. 

The  inscription  on  the  öqoi  was  of  course  not  an  official.  not  the 
legal,  record  of  indebtedness :  it  was  simply  an  advertisement  made  in  the 
interest  of  third  pavties,  or  by  a  creditor  interested  in  baving  the  fact  of 
a  loan  known  to  bis  debtor"s  neighbors  in  Order  to  secure  bimself  for  the 
future  against  a  possible  denial  of  Obligation.  The  Sqoi  raight  be  sub- 
mitted  as  evidence  in  the  courts.  but  a  proof  could  be  completed  without 
tbem,  and.  in  fact.  the  genuineness  of  the  öqoi  -was  often  the  question 
at  issue  in  litigation  '*).  The  sole  purpose  that  the  specification  of  the 
time  of  contracting  a  loan  could  have  was  to  facilitate  a  search  and  above 
aU  establish  publidy  the  sequence  of  several  loans  secuved  by  a  single 
piece  of  realty,  and  thus  safeguard  investors.  How  this  had  been  done 
prior  to  316/5  B.  C.  the  inscription  first  published  by  Robinson  shows*). 
The  pvoperty  in  question  was  sold  with  the  right  to  repurchase  for  1. 
500,  1, 200,  600.  150.  and  100  drachmae  successively.  As  tbe  entire 
loan-value  of  the  estate  was  gradually  reached  the  size  of  the  mortgage 
decreased.  The  order  of  entry  thus  decided  the  riffht  to  priority  of  claim. 
This  sufficed  when  the  wbole  transaction  was  completed  at  once,  or  when 
the  successive  mortgages  were  entered  on  the  same  slab;  but  when  they 
were  entered  on  different  sides  of  the  OQog,  if  that  were  possible,  or  on 
different  Sqoi.  there  was  no  obvious  means  of  settling  the  order  of  claims 
without  having  resort  to  witnesses.  as  was  usual,  or  to  tbe  original  con- 
tracts, of  wbich  the  place  of  deposit  was  nowhere  specified.  of  which  the 

1)  PA  3165,  7503. 

2)  The  iiame  of  the  archon  is  omitted  in  IG  II  2  1139  and  5  1139  b. 

3)  On  these  points  see  Hitzig,  and  Becueil.  Loc.  cit. ;  also  Beauehet,  III  355  ff. 

4)  Amer.  Jour.  Phil.,  Loc.  cit.  Republished  by  von  Premerstein.  Athen.  Mitt.  1910 
103  tf.  Robinson  very  kindly  teils  me  that  be  finds  bis  readings  of  the  numerals 
preferable  to  those  of  von  Premerstein. 


The  Laivs  of  DoiietriKS  of  FhaJerum  und  their  Giiardians.        267 

very  existence  might  be  successfully  denied  tili  it  was  too  late,  and  which 
seem  to  have  been  frequently  lost  or  destroyed ').  After  316/5  B.  C,  we 
may  assume,  the  avi'&t]y.ai  themselves  were  always  dated  precisely,  and 
always  deposited  with  a  banker ")  or  some  other  reliable  person,  it  being, 
of  course,  with  the  original  articles  that  the  Legislator  dealt,  not  with 
their  informal  publication.  What  was  required  in  the  fonnal  docuinent 
became.  however,  as  we   have    seen,    common  in  the  informal    document. 

To  wills  also  {öiad-i'jXai)  this  regulation  seems  to  have  been  applied. 
Hence,  whereas  in  the  testament  of  Aristotle  ^)  tlicre  is  no  specification 
of  the  party  with  whom  it  is  to  be  deposited.  this  information  is  care- 
fuUy  conveyed  in  the  other  öia&rry.ai  preserved  in  Diogenes  Laertius  — 
these  of  Theophrastus,  Straten.  Epicurus,  Arcesilaus.  and  Lycon'')  —  all 
of  which  are  posterior  in  tinie  of  composition  to  the  Legislation  of  De- 
metrius.  Moreover,  whereas  Demosthenes ")  says  flatly  öia&rjxwv  odöstQ  nü)- 
jiOTE  ui'iiyQUffa  fnoiijoaro.  after  the  time  of  Demetrius  it  seems  to  have 
been  customary  for  a  man  to  make  several  copies  of  his  will  and  indi- 
cate  to  the  holder  of  each  to  whom  the  others  were  entrusted.  Thus, 
this  was  done  by  Theophrastus  and  Arcesilaus  ''). 

In  one  case  Demetrius  apparently  went  still  farther  —  in  the  matter 
of  ööatg  or  transfer  of  property  by  gift  during  the  owner's  lifetime.  Thus 
Harpocration  defines  ööaig:  iöicog  fisv  XtyExai  nuQU  rolc,  Qt/TOQOt  avfißö- 
Zaiov  yQa(pöfievov  ötav  xig  zä  ai>rov  öidco  zivt.  öiü  tcov  dQ^övrcov,  äg 
nagä  iieivÜQXV-  The  significant  phrase  is  öia  iwv  äQxömtov.  which  in- 
volves  the  consent  of  the  magistrates  before  the  transaction  was  legal. 
As  Beauchet  points  out '),  there  is  no  evidence  for  the  official  registra- 
tion  of  such  transfers  during  the  period  of  the  Orators;  and  it  is  hardly 
an  accident  that  the  lexicographer  supports  his  affirmation  by  a  reference 
to  Dinarchus  alone.  Rather,  we  must  assume,  Dinarchus  reflects  the  prac- 
tice  established  by  the  Phalerian.  So  too  at  the  time  of  the  death  of 
Epicurus,  an  ancu/raphe  which,  as  Wilhelm  has  shown^),  always  impHes 
the  accessibility  to  the  public  of  the  record.  was  made  of  the  ööoig  of 
the  philosopher's  property  to  his  executors;  and  the  anagraphc  in  question 
was  published  in  the  Metroon "),  the  public  record  office  of  Athens.  This  sort 
of  transfer  of  property  needed  special  control  because.  in  addition  to  the 
desirability  that  there  should  be  no  uncertainty  as  to  owner-ship,  it  was  neces- 
sary  that  a  man  should  not  be  permitted  to  give  away  prior  to  death  pro- 
perty which  he  could  not  alienate  from  his  natural  heirs  by  testament '"). 

1)  For  the  loss  or  destructiou  of  documents  see  Beauchet,  IV  60  ff. 

2)  Sitz.  d.  Berl.  Alad.,  1898    782    no.  26.     Cf.  Koutorga,   Les  trapeMtes,  13,    and 
Beauchet,  IV  69.    Dem.,  c.   Phorm.,  6:  xal  avyyfiatpiiv  ^&6f/rjv  Tirtpä  7i7tt<u   Tgane^iifj. 

3)  Diog.  Laert.,  V  11  ff.  —  4)  J7nU,  V  57.  63;  X  16  ff.;  IV  44;  V  70. 
.5)  C.  Steph.,  II  28.  —  6)  Loc.  cit.  in  n.  4  above. 

7^   Op.  (it.,  III  123;  ef.  III  842  ff.  —  8)  Beitrage  zur  griech.  Inschriftenkunde.  271  ff. 
9)  Diog.  Laert.,  X  16  ff'.  —  10)  Beauchet,  III  125;  cf.  P.W.  V  1598. 

18* 
3 


268  WiUiit))!  ScoU  Ferguson, 

The  piirpose  of  Demetrius  in  making  these  changes')  is  obvious.  It 
was  to  protect  the  Athenian  nien  of  meaus,  whose  welfare  he  made  it  the 
avowed  purpose  of  all  bis  legislation  to  promote.  in  investing  their  money 
in  Athenian  real  estate. 

Demetrius  is  designated  in  cur  tradition")  as  a  pnpil  of  Theophra- 
stus.  The  philosopher  was  from  twenty  to  twenty-five  years  his  senior ; 
hence,  despite  the  fact  that  the  statesman  was  already  prominent  in  pub- 
lic life  for  two  years  or  more  when  Theophrastus  succeeded  Aristotle 
in  the  Peripatos,  we  need  not  doubt  that  the  two  men  were  really  teacher 
and  pupil.  Certainly  the  devotion  of  Demetrius  to  Theophrastus  during 
his  decade  of  rule  is  well  attested,  as  is  the  persecution  of  tlie  school  by 
tbe  Athenian  democrats  both  during  their  brief  restoration  in  318  B.  C. 
and  after  the  expulsion  of  the  Phalerian  in  307  B.  C.  And  it  is  this  in- 
timacy  which  beyond  a  doubt  has  obliterated  in  our  tradition  the  fact 
that  Demetrius  must  also  have  been  a  pupil  of  Aristotle. 

Another  factor  should  not,  however,  be  disregarded  in  this  connec- 
tion,  the  indebtedness  of  Demetrius  tbe  law-giver  to  Theophrastus  the 
Jurist.  Says  M.  Dareste,  than  whoni  no  one  has  a  better  right  to  speak 
on  these  matters,  Tlieophraste  a  i-tv  iin  jurisconsiäte,  et  le  seid  jtiriscon- 
siilte  considerable  que  Ja  Grcce  alt  produit ;  then  he  hastens  to  add :  notts  ne 
parlons  ici  que  du  droit  prhe,  cur  Ics  trnvnux  d'Aristote  sur  le  droit  public 
seilt  restes  des  chefs-d'oeuvre^).  The  loss  of  practically  all  of  Theophra- 
stus's  great  work  IIeqi  vö^icov  and  of  practically  all.of  Demetrius's  epoch- 
making  vötioi  makes  it  impossible  to  measure  the  influence  of  the  theo- 
rist  upon  the  legislator:  but  the  words  of  Cicero*)  —  post  a  Tlieophrasto 
Fhidereus  die  Demetrius  niirahiliter  dodrinam  ex  umhraculis  eruddorum 
otioque  non  modo  in  solem  atque  pulverein,  sed  in  ipsuin  discriinen  aciem- 
que  produxit  —  give  us  sufficient  Warrant  for  assuming  that  it  was  far- 
reaching  and  potent;  and  it  is  instructive  to  find  among  the  relics  of  the 
work  IIeqI   röfuor  the  foUowing  passage-'):  vöfiog  y.al  olnog  MaaaaPuü)- 

1)  Dem.,  c.  Apatur.,  36 :  nävxfQ  av^Qwnot  ozav  npog  nWjlovQ  noiihvxcu  avy/Qacpä^, 
rovTov  i'yfxa  aij/jrjvä/Jivoi  Ti&sviai  TcctQn  ol(  av  ntaxiiawai-  This  shows  that  at  the 
time  oration  XXVIII  of  Demosthenes  was  delivered  there  was  no  vö.ao;  to  this 
effect.  Cf.  Dem.  c.  Spud.,  21.  It  cannot  of  course  be  proved  that  Demetrius  enac- 
ted  such  a  röjttoc :  he  made  some  change  in  the  requirement,  however,  and  none  seems 
so  plausible  as  this.  How  he  dealt  with  fraud  or  carelessness  in  the  case  of  the 
third  parties  —  a  not  infrequent  occurrence  —  we  do  not  know.  See.  however, 
below  p.  270. 

2)  Cic.  de  fi».,  V  .54,  de  leg.,  III  U.  de  off.,  I  3,  Brut..  37.  Strabo.  IX  398.  Diog. 
Laert.,  V  39,  75.     Cf.  Martini,  P.-W.  IV  2818. 

3)  Eerue  de  legislation  frangaise  et  ctrangere  1870/71  262  tf.  In  an  artiele  enti- 
tled  Le  traite  des  luis  de  Theophrasie,  Dareste  has  collected  all  the  extant  fragmeuts 
of  this  work  of  Theophrastus. 

4)  De  leg.,  111  36. 

.5)  Dareste,  Loc.  cit.,  XXVIII.     Aelian,   Vor.  Bist..  II  38.     Äthoi..  X  429  (Theoph. 


T//e  Lines  of  Demeirius  of  P/ialcnini  aml  f/ieir  Giianliaiis.        269 

iixo:}  ywuixag  fil]  b^iü.eiv  oivco,  ulk'  iögonotslv  näaav  yvvar/MV  >)h- 
xiav.  AiyEi  ök  ßeöcpQaaiog  y.ai  icagü  Mihjaioig  xbv  i'öfiov  xoviov  ia- 
XVEiv  xal  nei&sad'at  aviqj  rag  läöag  rag  3IiÄr]aia)v  yvvar/.ag.  The  au- 
thor  of  the  well-known  legislation  on  the  public  and  private  behaviour 
of  women,  tlie  Opponent  in  Athens  of  the  social  innovations  of  Hellenism, 
the  Creator  of  the  Athenian  f/i/nucronomi ')  need  not  have  gone  back  to 
Aristotle's  PoUf/rs-)  to  find  a  justification  for  coercing  the  suifragettes 
of  his  city.  A  policj'  such  as  his  was  impressed  upon  the  ideal  law- 
giver  in  the  treatise  of  Theophrastus.  Thus  the  philosopher  wrote  *) : 
Oö  XQ>1  <5c  t>]>'  yvvaixa  öeivijv  iv  roig  7to?utixoig  d/JJ  ir  lotg  olxorofiixoTg 
drai.  And  again  *) :  Ovie  öqüv  ovxe  ögäad'ai  yvvaixa  xal  [aTna  f |>;- 
oxijuevijv  jTQÖg  xüZZog  '  iniaraiai  yüq  äfiqiÖTEQa  nQÖg  u  fii]  öeT.  And 
again °):  AvayxaiOTÜzti  (V  im.  yvvatxwv  t)  rd>v  ygafifiäriov  öoxEi  nai- 
ÖEVGig  Eivai  xal  aviij  iie/qI  XQt]Gii^iov  nQÖg  olxovouiav  '  tö  d'  t^axQißov- 
(lEi'Ov  inl  n/.EOv  ägyaiegag  te  tioieT  JiQog  tä/.Za  y.ai  ?M?Mi<g  xal  7iEQie.Q- 
yovg.  The  issue  of  such  views  must  have  been  the  eomniendation  of 
(lijnaerotwmi  to  regulate  and  supervise  the  E^oöoi  of  the  women.  And 
the  general  impatience  of  Demetrius  at  the  utter  abamlon  —  the  Cr^v  <bg 
tig  ßoi'/.£iai.  the  lack  of  respect  of  slaves  for  their  masters.  children  for 
their  parents.  young  for  the  okl,  private  Citizens  for  those  in  authority 
—  characteristic  of  democratic  Athens  is  reflected  in  his  epigram  in  atic 
declaration ") :  Tovg  vEOvg,  £(pri,  öeiv  inl  zilg  oixiag  xovg  yovEig  alÖEia- 
d-ai,  if  ök  Taig  ööolg  rovg  dnainäivrag,  iv  öe  ralg  iQi]fiiaig  iavxovg. 
Nor  is  it  likely  that  the  assailant  of  itTtEgßo^Tj  tfjg  zQvq)i']g''),  the  /««- 
dator  of  the  status  töjj'  fiirgia  xexxe^evwv^)  was  without  influence 
upon  the  lawgiver  who  sought  by  checking  extravagance  of  one  kind  or 
another  to  save  the  middle-class  Athenian  Citizens  from  ruining  them- 
selves.  Thus  the  restiiction  of  the  cost  of  burials.  which  stopped  the  erec- 
tiou  of  the  beautiful  but  expensive  family  grave  monuments  in  the  Dipy- 
lon  cemetery,  was  probably  a  prescription  of  Theophrastus ;  for  in  his  will  he 
gave  Instructions  d'ätl'ai  öe  xal  fjudg  önov  dv  öoxf]  fiüÄiara  uqiiöijov  Etrai 
Tov  xij:TOv.  tirjÖEi'  TtEQi'sQyov  nsgl  ri/V  Tafpi/r  /hi'jte  iteqI  tö  fwtj/ieiov  noiovv- 
lag  ").  Something  similar  occurs  in  the  wills  of  the  successors  of  Theophra- 
stus—  Straton  and  Lycon  {fi>)t£  dvE/.EL'd-EQog  yivrßai  fiijTE  TTEQitQyog)^"), 
while  in  that  of  Aristotle '')  it  is  lacking  as  it  is  in  that  of  Epicurus '-). 

frg.  CXVII,  Wimmer).  It  is  possible,  however,  that  this  passage,  which  is  extant 
iu  two  versions,  comes  from  the  work  of  Theophrastus  IJfQi  ,uf'S>/c. 

1)  Martini.  P.-W.  IV  2826.  —  2)  IV  2  9;  VI  5  13. 

3)  Frg.  CLVIII  (Stob.,  Senn.,  83  p.  481).  -  4)  Frg.  CLVH  (Stob.,  Senn.,  72  p.  439). 

.5)  Stob.,  Hör..  II  31  31.  -  6)  Diog.  Laert.,  V  5  82.  —  7)  Frg.  LXXXVI. 

8)  Frg.  LXXVIII. 

9)  Diog.    Laert. .   V  -53.      The   philosophic    basis   of  the    prohibition   is   apparent 
from  Plato.  Laus,  XII  p.  9-58  D. 

10)  Ibid..  V  Gl.  —  111  Diog.  Laert..  V   11  tf.  —  12)  Ihkl.  X  16  ff. 


270  William  Scott  Ferguson, 

It  accordingly  seems  probable  that  It  was  in  this  work  of  Theophva- 
stus  ÜEgi  röfKov  that  Demetrius  found  Ins  mandate  for  improving  the 
methods  of  safeguarding  investments  in  Attic  realty :  for  the  longest  frag- 
ment ')  of  this  book  which  has  conie  down  to  us  discusses  the  expedieiits 
devised  in  various  states  and  various  Codes  for  insuring  publicitj'  of  sales 
and  avoiding  the  evil  consecjuences  of  uncertainty  as  to  ownership  of  pi'o- 
perty.  It  then  continues:  ov  xqtj  ö'  dyvoelv  8t i  al  nQoyQacpa)  (character- 
istic  of  Athens)  y.al  al  nQoy.i]Qv^EiQ  y.ai  dZcog  öaa  ngdg  xäc  dfKpiaßi]- 
TijaeiQ  ioTi  ndvi'  t}  xa  TrÄelara  6i  e'PJ.enfJti'  Ijegov  vöfiov  Ttd^siai  ■  jtaQ' 
olc  yÜQ  dvayQaq:!]  iwr  y.rtjfidTcov  eail  y.al  tü>v  av/.ißoZaio)v,  e;  ey.eivMV 
i'aji  fia9eh'  ei  iZevd'eQa  y.al  dvfnacpa  y.al  ra  ainov  7T(o?.eX  öiy.aicoc.  ev- 
•S'wg  yuQ  y.al  fiexeyyQdcpei  i)  dgyjj  tov  hovtjfievov. 

The  context  shows  that  Theophrastus  had  in  miiul  mortgages  and 
all  similar  servitudes,  as  well  as  sales.  when  recommending  public  regis- 
tration  of  transactions  in  realty ;  but  even  though  tbis  were  not  the  case, 
mortgages  would  still  be  involved.  for  what  eise  in  Attica  was  mortga- 
ging  but  selling  with  the  reservation  of  the  right  to  repurchase?  The 
law,  of  which  the  Jurist  noted  the  lack  in  Athens -i.  Demetrius.  as  we 
have  Seen,  enacted.  but  he  did  not  do  so  in  the  form  suggested  by  his 
teacher.  To  create  a  new  bureau  for  the  public  dvayQaq^ij  tmv  y.njud- 
Tcov  y.al  x(äv  av/ißoZaicov  would  have  doubied  the  work  of  administration 
and  led  to  violent  interferences  with  the  traditional  ways  of  doing  busi- 
ness.  It  would  have  precipitated.  In  fact,  an  administrative  and  economic 
revolution  ^) :  for  the  accounts  hitherto  kept  by  the  coUectors  of  the  ly.a- 
TOCTT^  on  sales.  being  in  the  first  place  not  an  anagrnphe  in  that  they 
were  not  accessible  of  right  to  the  public  and  in  the  second  place  merely 
rough  and  indefinite  memoranda  for  the  guidance  of  the  iy.aToaTÖÄoyoi. 
or  whatever  the  farmers  of  this  particular  toll  niay  have  been  called.  in 
no  way  superceded  the  an-angements  made  privately  by  the  contracting 
pai-ties  or  disclosed  to  the  curiosity  of  the  crowd  the  pai-ticulars  of  each 
transaction  *).  Not  tlie  state  but  the  telouae  were  the  makers  of  these 
records.  With  much  less  machinery  and  much  less  Inquisition  into  pri- 
vate affairs  than  a  public  anagraphe  would  have  involved  Demetrius  seems 
to  have  aimed  to  provide  the  courts  with  a  working  basis  for  settling 
disputes  over  real  estate  by  requiring  the  deposit  of  the  avvd-iixai,  öta- 
d^r^y.ai.  or  other  documents  carefuUy  dated.  with  third  parties.  who  were, 
doubtless,  made  legally  responsible  for  their  safe-keeping. 


1)  Dareste.   Op.  cii.,  XXH.    A  better  text   is  given  in  Stob..  Flor..  IV  44  20  ed. 
Hense.     Cf.  Thalheim,  Griech.  Seehtsaltertümer.  128. 

2)  See  also  tbe  remarks  of  Wilamowitz.  Aristoteles  und  Athen,  I  236. 

3)  It  is  coriceivable  that  Submission  to  such  systematic  control  npould  have  been 
regarded  by  the  Athenians  as  Asiatic  or  Egyptiau  and  uuwortbv  of  freemen. 

4)  Beauchet,  m  336  ff. ;  IG  II  784—788." 


Ttie  Laws  of  Demetmts  of  PhaJerum  and  fhiir  Giiftrdhinf.        271 

In  the  seventb  book  of  liis  Atthis,  whicli  dealt  with  the  time  of  De- 
metrjus  of  Phalerum,  Philocliorus,  as  quoted  in  Lex.  luni.,  reports:  i'oiio- 
^vZaxeg  t'teQoi  eiai  rcör  x^safio^ercHi',  Ws  (I>i?.ir/OQog  iv  ti'i  ißööfit]  .  ol 
fiEV  yÜQ  dQXOvrec  dvißaivoi>  eig  "Agetor  .läyoi'  tOTSCpai'oiftfvoi.  ol  öe 
vofio(pvXay.EQ  aTQÖq>ia  Zevxä  i'xovreg  xal  iv  latg  d'eaig  ivavtiov  iwv  uq- 
Xöv'nov  iy.ad's^ovTO  xal  Tijv  nofin}]v  ^nefiTiov  rr]  UaXMöi '  läg  öe  üq- 
xäg  i'jvüyxa^ov  roig  vöfiotg  xQ>]c^<xi-  >5Cf'  ^f  if]  ixxh]ai^  xal  iv  tf]  ßovXf] 
fietä  t€)V  ngoeÖQcoi'  ixdd'iivTO,  xoi2.vovr£g  rä  äavfKpoga  rfj  nökei  nqdz- 
T£iv .  tmä  de  fjaav,  xal  xazeaT^aav,  (hg  0t2öxoQog,  öte  'Ecpiä^Tijg  fiöi'a 
xarehne  tj]  i^  'Ageiov  näyov  ßovXfi  lä  ineg  xov  acofiarog.  It  is  hard 
to  disassociate  the  creation  of  the  nomophi/lnces^)  from  the  creation  of 
the  new  i'öftoi.  especially  since  Aristotle  (and  doubtless  also  Theophra- 
stus)  commended  such  an  office-)  —  Aristotle.  whose  ideal  form  of  gov- 
ernment,  the  Polity.  Demetrius  chanipioned  in  a  scientific  treatise  and 
put  into  efFeet  in  Athens^).  Yet  evidence,  in  addition  to  the  report  of 
Philochorus,  points  to  the  existence  of  a  College  with  this  nanie  prior  to 
317/6  B.  C.  Thus  they  were  mentioned  by  Dinarchus  in  an  oration 
against  Himeraeus*).  the  democratic  brother  of  Demetrins  of  Phalerum, 
who  was  put  to  death  in  322  B.  C,  a  few  days  after  tlie  entry  of  the 
Macedonian  garrison  into  Athens  at  the  end  of  the  Lamian  War'').  Henee 
not  only  did  they  exist  before  the  regime  of  Demetrius  began,  bnt  also 
before  the  aristocratic  reform  of  322/1  B.C.  occurred,  since  this  did  not 
go  into  efFeet  tili  the  end  of  the  year "). 

They  were  also  mentioned  in  the  Anoni/mi(s  Argenünensis  (Hermes, 
1907  411  §  24:  vofioq)vMxco>'  üqx^!]  ■  ■  ■  ui''\dQ<i)i'  /d),  which  Wileken 
Claims  to  be  the  epitome  of  a  commentary  on  Demosthenes'  speech  con- 
tra Androtiona "').  but  wbich  lacjueur,  while  admitting  the  connection  with 
the  oration,  takes  to  be  the  rapHulatio  or  prologue  of  a  more  general 
work  like  that  of  Didymus  Ilegl  Arifioad-evoi^g  *).  However  that  may  be, 
it  was  admittedly  based  upon  the  aecusation  of  Androtion  which  was 
made  by  Demosthenes  in  355  B.  C.  That  nomophylaces  existed  as  early 
as  this  year  Polenz")  finds  incredible:  all  that  is  proved,  in  liis  judgment, 
is  that  the  abridgement  included  matter  not   referred    to   in    the    oration. 


1)  See  Lex.  cant.,  Photius,  Suidas,  Harpocr..  s.  v.;  PoUux,  VIII  94.  102:  Bekk., 
Anecd.,  p.  283  16,  p.  191  20;  Schol.  Aesch.,  c.  Ctesiph..  13.  Cf.  Starker,  De  nomophy- 
lacibus  Athen.     (Diss.)     Breslau  1880.  —  2)  PoUtics,  IV  11  9;  12  8;  VI  5  18. 

•  3)  Martini.  P.-  W.  W  2827.  2832.  8.  This  vfa.s  also  the  ideal  of  Theophrastus 
See  Frg.  LXVIII.  In  two  quotations  extant  from  his  work  Demetrius  is  found  to 
have  met  the  charge,  that  Aristides  and  Soerates  would  have  been  excluded  from 
citizenship  in  the  Polity.  by  affirmin^  that  the  former  was  a  pentdinsiomedimnus 
(Plut.,  Aristid;  1).  the  latter  at  least  a  zeiigites;  hente  both  qualified  for  the  franehise. 

4)  See  below  p.  273.  —  5)  Kirchner,  PA  7578.   —  6)  Helk)n.<!tie  Athens,  21. 

7)  Hermes,  1907  374  «F.  —  8)  Ibid.,  1908  220  ff. 

9)  Ibid.,  228  n.  2. 


272  WilUam  Scott  Ferguson, 

He  suggests  that  the  officials  in  question  were  first  createil  in  the  Bc- 
stanrationszeit^)  in  the  twenties. 

There  is,  however,  another,  and,  as  it  seems  to  me,  a  better  waj' 
out  of  Polenz's  difficulty.  Tliat  is  to  assume  that  the  epitomator,  like 
manj'  of  the  ancient  lexicographers  and  scholiasts,  has  confused  the  Eleven 
with  the  nomophiilaces.  How  this  was  possible  the  following  passage 
from  PoUux-)  discloses :  ol  et-ÖFxa  eig  dtp'  ky.äaii]c,  (pv^.r^g  iyivETO  y.al 
ygatiitaTerg  ceVToJg  avrijQid-fiEiJO  ■  vonofpv/.axeg  de  xarä  0a/,t]Qea  uetco- 
i'ouüad^ijaav.  A  real  change  of  nomenclature  did  take  place  in  later 
Athens,  as  the  following  schoUitni  on  Aristophanes's  TFo.sjJS  V  1108, 
shows:  iTi'jQOvr  ol'öe  (oi  tröexa)  Tovg  deöeinivovg .  olroi  öe  i'vi>  &Eafto(pv- 
/.uxe:  xaZovvrai.  where  d'£afioq}V?MXtg  is  manifestly  merely  a  textual  cor- 
ruption^l  for  öeatiocpidaxeg.  What  the  Anonymus  sliould  have  written 
is.  therefore,  sometliing  like  this.  to  quote  a  seholiast  an  anotiier  passage 
of  Demosthenes  (XXII  26):  äTrQoadioQlaiLog  ÜQ^orrag  ixccÄovv  nji-  üqx']'' 
jcöi'  öeafiofi'Mxwr  "   aini]  ök  f^p  top  äQid-fAÖr  id  drÖQÜi: 

The  faets  seem  to  be  these:  (1).  Prior  to  321  (or  317)  B.C.  there 
esisted  ol  "Ei'öexa  —  the  Eleven  —  police  magistrates  as  weil  as  police- 
men  and  gaolers.  After  this  time  their  duties  as  police  magistrates  — 
Jurisdiction  over  xaxovQvoi  —  passed  over  to  the  Areopagus'*),  or,  as 
seems  probable  for  the  period  317 — 307  B.  C.  to  tlie  nomophyJaces  and 
Areopagus  combined  *).  To  aristocrats  it  was  obvious  that  men  suited 
to  act  as  executioners  and  gaolers  had  no  necessary  qualifications  for 
handling  petty  crimes  or  crimes  detected  in  the  act,  and  already  at  the 
time  of  the  Thirty  Tyrants  the  Eleven  had  been  displaced  by  a  Council 
and  desnwpJii/hices'^).  Moreover,  procedure  was  simplified  by  gi^ing  the 
Areopagus  Jurisdiction  in  minor  as  well  as  in  major  criminal  cases.  After 
307  B.  C.  Athens  ceased  to  have  the  Eleven  altogether,  but  in  their  place  it 
had  magistrates  designated  simply  desniophi/laces,  who  were  still  eleven  in 
number  and  had  merely  the  duties  implied  in  their  name  ')  (2).  Prior  to 
317  6  B.C.  there  existed  in  Athens  a  board  of  seven  nonwphyhices  crea- 
ted.  as  Philochorus  states,  when  Ephialtes  in  462/1  B.  C.  destroyed  the 
political   power    of    the  Areopagus^).     They  probably  had  cliarge  of  the 

1)  Wilamowitz.  Op.  «Y.,  I  353.  —  2)  VIII  lu2. 

3)  Wachsmuth,  Die  Stadt  Athen.  II  1  386  n.  3. 

4)  Lipsius,  Das  attische  Eecht.  1  19;  IG  II  476.  I  have  erred  (Klio.  1904  9  f.) 
in  dating  this  change  in  103/2  B.  C.  —  ö)  See  below  pp.  275  f. 

6)  Xeu.,  Hell,  11  3  54;  Aristot.,  Const.  of  Atltens,  35  1. 

7)  Sundwall  (Acta  soc-ietatis  scientiarum  fennicae  1907  14  n.  6)  has  discovered  the 
name  in  the  inscription  of  the  year  304/3  B.  C.  published  by  Tod  in  the  Annual  of 
the  British  Schoul.  IX  1902/3  156  f. 

8)  Aristotle  {Const.  of  Athens.  8  4)  remarks:  (Solon)  t»)v  6'e  tcür  '"A^fOTiayiTwv 
{ßovi.ifv]  eraSev  i[7ii  to]  vofio(fv>.axih'.  The  work  of  tbe  reformers  in  321  and  317  B.C. 
was  ostensibly  a  restoration    of  the  laws   of  Solon   (Diod..   XVIII   18  5:   Ostermann, 


The  Latus  of  Demefrinfi  <ij'  l'hulennn  mid  f/ieir  (rHard/aiis.        273 

nomophyJaciHm^]:  in  other  words.  they  were  simply  caretakers.  in  tlie 
literal  sense  of  tliis  term,  of  the  röf/oi,  until  the  Plialerian,  following  the 
teaching  of  his  Peripatetic  masters,  elevated  tliem  into  a  position  of  in- 
fluence  comparable  to  that  of  the  Ephors  in  Sparta.  Tliey  were  set  aside,  of 
course,  witli  tbeir  Creator  in  307  B.  C,  so  that  at  a  later  tirae  the  confusion 
of  the  Eleven,  uomophijlai'es,  and  desDiophi/Inres,  is  not  unintelligible. 

Harpocration  defines  the  nomophißwes  as  follows :  Noiwrpü^MXfg,  clo- 
yi]  T(c  nag'  'Arhjraioig  ovzco  ixa^eho  öuupfQovaa  xwv  d-ea/iod-siöjv.  Afi- 
vaQxog  xad''  'I/iequiov.  y.al  iv  rü  y.avä  Uvd'iov.  WiAoxoqoc  öl  iv  t^  iß- 
ööfK;}  äXXa  IE  %iva  öie^fj^d's  tteqI  aiiccöv,  y.al  öii  ovroi  rüg  äQyäc,  irnj- 
rüyxatov  toiq  vöfioig  XQijo^ai  Srßor.  The  death  of  Himeraeus,  after 
which  the  speech  of  Dinarchus  cannot  liave  been  spoken,  having  oceur- 
red  in  322  B.  C,  and  Aristotle's  Consfitiifion  of  Athens,  at  the  time  of 
the  composition  of  which  the  noniopl/i/Iaccs  lacked  the  powers  attributed 
to  them  by  Philochorus,  having  been  written  after  329/8  B.  C.  ^),  the  con- 
clusion  of  Polenz  that  these  magistrates  were  given  greatly  enlarged  powers 
in  the  twenties,.is  the  one  which  presents  itself  first  to  the  enquirer.  It 
was  in  support  of  an  elaayyeXia  bronght  against  Himeraeus  that  Dinar- 
chus pled ').  It  seems  improbable  that  such  a  charge  could  have  got  a 
hearing  after  the  outbreak  of  the  Lamian  War  in  323  B.  C. ;  for  at  that 
time  Himeraeus  was  an  active  member  of  the  dominant  party.  Hence 
the  trial  must  in  all  likelihood  have  occurred  in  324/3  B.  C.  or  earlier. 
Pytheas  was  a  member  of  the  aristocratic  government  of  322  1  —  319/8 
B.  C  having  been  banished  for  Macedonian  sympathies  during  the  prece- 
ding  war.    Against  him  Dinarchus  prepared  two  orations,  one  Karä  ITv- 

de  Demetrii  Phalerei  vita.  II  SO  fiy.  XXVIII — XXX).  That  the  nomophylaces  were 
connected  with  the  Areopagus  and  shared  its  täte  is  clear  (See  below  p.  27.5).  That 
the  number  of  the  nonwpliylaces  was  seven  indicates  either  that  Demetrius,  to  whom 
the  idea  of  tribal  representation  had  no  value,  determined  it,  or  that  the  office 
dates,  despite  Philochorus,  from  before  the  times  of  Clistbenes. 

1)  The  name  nomophylacium  occurs  in  Pollux,  VIII  102;  Heysch.,  .<.  r.  Cliaro- 
nium ;  Suidas,  s.  v.  Nof.W(pv).axHOV.  It  is  possible  that  the  confusion  of  desmophy- 
laces  and  nomophylaces  has  led  alone  to  the  invention  of  a  name  nomophylacium  in 
Athens  instead  of  the  correct  terra,  äeaßwzr'j()tov.  Still,  we  may  have  a  reminiscence 
of  old  usage  in  the  confusion.  Why  otherwise  was  not  a  6ia/tO(pv/.nxiov  invented 
first?  Manj-  cities  and  other  parallel  organizations  had  a  YQttixucaoifv/.üxiov  in 
Charge  of  a  yiiafi/naiotfvla^  (Wilhelm,  Op.  cit.,  266  ü'.),  and  a  yQfwtfvlaxtov  in  Charge 
of  chreophylaces  (Dareste,  BCH  1882  241  ff.;  Beauchet,  IV  64  S.;  BGH  1888  232  1.  .35). 
Orchomenus  had  a  thesmophylacium  [Mecueil,  280  I.  77).  Why  may  not  Athens  have 
had  a  nomophylacium  in  charge  of  nomophylaces'^  In  Roman  times  nomophylaces 
were  common  in  the  private  associations  (Poland,  Gesch.  d.  griech.  Vereinswesens, 
404).  The  laws  were  of  course  kept  in  the  prytaneimi  (Paus.,  I  18  3:  n).r}alov  öenQV- 
xaviiov  iaxt,  iv  u>  v6j.ioi  xe  o\  ^öltufoq  eiat  ysy^iiiifziroi),  but  their  part  of  the  pryta- 
neum  may  have  been  called  the  nomojjhylacium. 

2)  Consf.  of  Athens.  54  7;  Busolt,   Grieeh.  Gesch.,  11-  17  f. 

3)  Dion.  HaL,  de  JDimircho,  10  p.  652  6:  cf.  Kirchner,  PA  7578. 

9 


274  ]VilIi(t)ii  Scott  Ferguson, 

d-iov  ^eviag  and  another  Uegi  i&v  xaru  tö  f/tnÖQiov  elaayyekia  ^).  Since 
the  trial  ^eviag  established  the  citizensliip  of  Pytheas,  it  doubtless  took 
place  at  the  beginning  of  bis  political  career.  Hence  the  second  of  the 
two  orations  is  probably  the  one  in  which  the  nomophißaces  were  mentioned. 
since  nothing  prevents  us  from  dating  it  in  the  twenties. 

Accordingly,  the  period  328—324/3  B.  C.  and.  since  the  Constitution 
of  Athens  probably  belongs  a  few  years  after  329/8  B.  C,  the  latter  part 
of  it  rather  than  the  former.  is  marked  by  the  first  appearance  of  the 
nomophylaces  in  the  literature  which  the  scholiasts  interpreted  and  the 
lexicographers  ransacked.  The  sole  question  is  this :  does  their  appear- 
ance in  these  orations  of  Dinarchus  imply  their  possession  of  the  powers 
attributed  to  them  by  Philochorus,  or  is  it  rootived  adequately  by  their 
exercise  of  purely  routine  duties  in  the  Athenian  record  office?  Wo  have 
no  assvirance,  I  think,  that  the  former  was  the  case.  In  fact,  it  is  not 
elear  to  me  that  Dinarchus  on  publisliing  his  Speeches  against  Himeraeus 
and  Pytheas  between  317  and  307  B.C..  let  us  assume,  mar  not  have 
given  point  to  an  argument  and  a  defence  of  the  legislation  of  his  friend 
and  feUow  pupil,  the  Phalerian,  and  of  the  ideas  of  their  common 
teacher,  Theophrastus,  by  observing  how  much  trouble  would  have  been 
avoided,  how  frequently  Eiaayye/Aai  would  have  been  unnecessary.  if  the 
magistrates  and  others  in  authority  were  prevented  from  violating  the 
laws  in  the  first  instance  through  the  interference  of  txomophjilaces.  Nor 
is  the  possibility  excluded  that  these  orations  are  cited  simply  through  the 
lexicographieal  confusion  of  desmophyJmes,  nomophylaces,  and  the  Eleven. 

For  these  various  reasons  I  am  unahle  to  agree  with  Polenz  that 
prior  to  the  Oligarchie  reconstruction  of  321  B.  C.  nomophylaces  forced 
the  magistrates  to  use  the  laws.  and  sat  with  the  proedri  at  the  meetings 
of  the  Senate  and  the  ecclesia  "/.oi?^vovT£g  t«  äavftxpOQa  ifi  nöÄet  Tigdt- 
TSir.  If  this  were  the  case,  they  could  hardly  have  escaped  mention  in 
connection  with  the  deification  of  Alexander,  the  restoration  of  the  exiles. 
the  Harpalus  case.  and  the  outbreak  of  the  Lamian  War.  It  is,  raore- 
over,  unthinkable  that  the  democrats  would  have  instituted  such  a  pow- 
erful  check  on  the  demos.  On  the  other  haud,  I  am  unable  to  agree 
with  the  view  finally  reached  by  Starker^)  that  the  nontoplnßaces  were 
established  by  Ephialtes.  but  disestabKshed  under  Pericles,  and  reestab- 
lished  by  Demetrius.  The  only  real  argument  adduced  is  the  argumen- 
tum ex  silentio,  which  would  be  decisive  if  we  were  dealing  with  a  power- 
ful  office  like  that  of  the  no)nop]nßaces  between  317  and  307  B.  C.  but 
which  has  little  or  no  weight  when  we  are  dealing  merely  with  custo- 
dians  of  the  legal  records  in  the  prijtaneum  ^).  From  them,  in  fact.  it 
seems  probable  that  the  real  clerical  duties  were  taken  by  the  ygaiiua- 
tevg  whom  Aristotle  defines  as  im  rovg  vöfiovg,  and  who  is  called  upon 
1)  Kirchner,  PÄ  12342.  —  2)  See  above  271  n.  1.  —  3)  Paus..  I  18  3. 

10 


The  Lairs  of  Demctriiis  of  Phalcrum  ami  flicir  Gitardimifi.        275 

in  the  speeclies  of  tlie  Oratoi's  to  produce  and  read  the  vö^ioi  in  court. 
From  them,  liowever,  was  not  taken  tbe  care  of  the  töavov  of  Athena 
Pallas  with  wliicli  they  as  officials  of  the  prytaneum  had  to  do,  this  being,  as 
the  scholiast  on  Anstid.,  Vol.  III  p.  48  Dind.  says,  a  hieran  of  Pallas  (tö  öe 
nQVTavdov  rönoi'  elvai  ßJyovai  Tfjg  IlaZÄciöog  leQÖv).  Hence,  in  the  time 
of  Demetrius  of  Phalerum.  as  Photius  (Philochorus)  teils  us  '),  the  no)»o)>hi/- 
laccs  y.al  rfj  na/.?MÖi  t)jv  nofinijv  ix6a/iovt\  öre  xo/idt^ono  tö  ^öavov  fni 
%i]v  ^ü?Maaav.  This  was  probably  their  cliief  work  at  the  time  of  Aristotie, 
and  they  are  not  mentioned  by  liim  in  bis  ConstUntion  of  Athens  because 
he  omits  altogether  a  reference  to  the  Phjnteria,  as  the  festival  was 
called  of  which  the  pompe  to  Pallas  was  the  centre.  Of  course,  Demetrius 
did  not  introduce  the  Pli/nter/a  ^).  uor  do  we  see  any  reason  wiiy  he  should 
have  given  the  management  of  the  pompe  to  the  noiHophylaces  had  this 
board  not  possessed  this  function  from  of  old ').  And  in  fact  it  is  impos- 
sible  to  suppose  that  an  Innovation  of  tliis  sort  was  made  by  Ephialtes 
in  462/1  B.  C.  Rather.  the  guai-diansliip  of  the  pri/fmienm  and  its  Con- 
tents —  the  vöuoi  and  the  cultus  In  particular  • —  was  simply  transfer- 
red from  the  Areopagus  to  the  seven  nomophyJaces ,  who  were  then  for 
the  first  time  clearly  distinguished  from  it.  Their  connection  with  the 
Areopagus  was  always  one  of  intimacy;  hence  the  insistence  of  Philo- 
chorus and  the  scholiasts  and  lexicographers  that  they  were  not  identical 
witii  the  thesmofhetae ;  hence  their  revival  simultaneously  with  the  re- 
vival  of  the  Areopagus  in  317 — 307  B.  B. :  but  whether  they  were  Areo- 
pagites  and  in  a  sense  its  executive  committee,  or  simply  the  heirs  of 
some  of  the  old  Areopagite  functions,  or  connected  with  the  Areopagus 
in  some  other  way*),  we  cannot  say. 

From  the  inscriptions  we  learn  that  the  anuyraplteiis.  Iiitherto  an  ob- 
scure  officer  and  hence  not  mentioned  in  the  Constitution  of  Athens,  was 
elevated  in  321  B.  C.  to  the  post  of  registrar  and  custodian  and  publisher 
of  public  documents.  The  reformers  thus  systematized  the  clrayQafi] 
TÜv  öijnoaiwv  yQUi^ifiäiov^).  the  dfayQaq)ij  TÖJr  xrtjfidTcov  xai  avfißo- 
A.aio)v,  for  which  Theophrastus  had  argued,  being  left,  as  we  have  seen, 

1)  S.  V.  NofJO(piXaxfc;  cf.  Starker,  4. 

2)  A.  Mommsen.  Feste  d.  Stadt  Athen,  491  ff. 

.8)  The  maintenance  of  decorum  during  the  procession  beloiiged  to  the  sphere 
of  duties  of  (pjmiecimomi  rather  than  of  nomophi/Jaces. 

4)  Starker  {11  ff.)  iiiterprets  the  passage  of  iea;.  caiit.  quoted  above  on  p.  271  to 
mean  that  the  iimnophylaces.  like  the  thesmotketae.  ixvsficiivov  ftg  xbv  " Aqbiov  nayov. 
That.  however,  could  only  .signify  that  ex-nomophylctees,  like  ex-archons,  became  Areo- 
pagites.  This,  however,  is  improbable  even  for  317 — 307  B,  C.  What  the  lexico- 
grapher  says  is  clearly  that  the  archojis.  after  having  been  comraended  at  the  end 
of  their  term  {iazetpavwßfvoi),  entered  the  Areopagus,  while  the  nomophylaces,  whose 
insignia  of  Office  were  azitnipict  Itvxä,  both  sat  opposite  the  magistrates  at  the  festi- 
vals  and  conducted  the  pompe  to  Pallas. 

•5)  On  this  subject  see  Wilhelm,  Op.  dt.,  271  ff'. 

11 


276     William  Scott  Fi:y(iiismi,    The  Laus  of  Demefrius  of  Plialenim. 

for  subsequent  action.  It  is  barely  possible  that  they  elevated  the  noitio- 
phi/laccs  at  the  same  time^).  But  for  tliis  view  no  evidence  exists, 
whereas  all  the  probabilities  favor  tlie  attribution  of  this  far  reaching 
reform  to  Demetrius  of  Phaleruni. 

The  erroneous  statement  of  PoUux  that  the  Eleven  were  renamed 
noinophiilaces  by  Demetrius  connects  definitely  the  first  appearaiice  of  the 
name  nomoplnjlaces  with  the  person  of  the  Phalerian.  Tlie  inauguration 
of  a  board  of  conti-ol  advocated  first  by  Xenophon  and  Plato  and  lat- 
terly  by  Aristotle  (and  Theophrastus) -).  that  is  to  say,  a  pet  refonn  of 
the  political  seientists.  who,  according  to  Cicero ,  found  for  the  first 
time  an  executor  of  their  ideas  in  Demetrius.  is  hardly  to  be  disassocia- 
ted  from  the  government  of  the  Peripatetic  legislator.  The  cm-bing  of 
the  ecclesia  betveeen  317/6  and  307  B.  C.  which  is  obvious  to  us  still  in 
the  paucity  of  extant  decrees  and  which  is  implied  in  the  tyranny  later 
attributed  to  Demetrius,  as  well  as  the  apparently  almost  complete  ces- 
sation  of  lawlessness  on  the  part  of  the  magistrates  or  —  what  amounts 
to  nearly  the  same  thing  —  of  accusations  of  lawlessness  made  against 
magistrates  before  the  Senate  and  ecclesia  and  tried  by  them  or  by  the 
heliaea  (daayyeÄiai)^).  presupposes  the  activity  of  some  such  magistracy 
as  that  described  by  Philochorus  in  his  seventh  book  —  the  one  in 
which  the  regime  of  Demetrius  *)  was  treated. 

One  further  bit  of  evidence  leading  to  the  same  concliision  must 
finally  be  noticed.  The  Greek  law-code  of  Ptolemy  Soter  was,  we  are 
told  on  credible  authority,  the  work  of  Demetrius  of  Phalerum^).  The 
tradition  is.  moreover.  confirmed  by  the  code  itself.  some  sections  of 
which.  recently  discovered "),  show  unmistakeable  indebtedness  to  the  i'ö- 
fioi  of  Athens ').  Now  Egypt  had  noitwjjJii/laces  also  *).  Hence  we  are 
led  to  infer  their  creation  by  Demetrius  in  both  places.  In  Egypt  they 
have  moreover  Jurisdiction  in  the  case  of  y.uy.ovQyoi  —  powers  which 
prior  to  321 — 317/6  B.  C.  had  belonged  to  the  Eleven  in  Athens,  which 
apparently  were  transferred  to  the  mmiophtjlaccs  and  the  Areopagus  by 
Demetrius,  and  which  remained  with  the  Areopagus  alone  on  the  aboli- 
tion  of  the  coUaborating  magistracy  in  307   B.  C. 

Cambridge  Mass.  U.  S.  A. 


1)  Gaetano  de  Sanctis,  Belocti's  Studi.  11  4.    —    2)  See  espeeially  Starker.  32  tF. 

3)  This,  however,  may  be  sufficiently  explained  by  the  change  made  by  Deme- 
trius in  the  size  of  the  jury  competent  to  try  fioctyyeh'at.  Cf.  Spangenberg,  de 
Athen,  publ.  institutis  aet.  Mac.  comni.  (Diss.)    HaUe  1884  17  f. 

4)  Boeokh,  Kleiiie  Schriften,  V  421  ff. 

5)  Aelian,  Var.  Hist.,  III  17:  xal  iv  Alyvnno  di,  avixov  zw  nzo/.efiaUp,  vo/io^t- 
atag  »;pe£  (Jtjfi/jZQios). 

6)  Paptjri  grecs  de  Lille,  I  2  124  ff. 

7)  Bouche-Leclercq,  C.  R  Acad.  Imcr.,  1908  383;  Perdrizet.  Ibid..  448  ff'.:  Haus- 
soullier,  Eevue  de  Philologie,  1910  133.  —  8)  Papyri  grees,  Loc.  cit. 

12 


277 


11  doniinio  egiziano  nelle  Cicladi  sotto  Tolomeo  Filopatore. 

Di  A'inceiizü  (Jostanzi. 

Neil'  ultimo  decennio  del  regno  di  Tolomeo  Filadelfo.  Li  sna  flotta 
fu  sconfitta  a  Kos  da  Antigono  Gonata,  come  ricaviamo  da  testimonianze 
troppo  scarse  per  una  perfetta  ricostruzione  del  periodo  di  cui  la  battaglia 
menzionata  fu  l'epilogo  o  un  episodio,  ma  sufficienti  per  congetturare  il 
posto  che  essa  dovette  avere  nella  serie  degli  avvenimenti,  e  stabilire  una 
cronologia  approssimativa').  Una  disfatta  navale  subita  dalla  flotta  egi- 
ziana  avi-ebbe  dovuto  avere  gravi  conseguenze  pel  dominio  o  almeno  pel 
prestigio  delP  impero  tolemaico  nel  mare  Egeo ;  tuttavia  nell'  iscrizione 
adulitana  tra  i  possedimenti  che  l'Evergete  avrebbe  ereditati  dal  padre 
vengono  enumerate  anche  le  Cicladi.  che  apparirebbero  come  il  frutto  piü 
desiderabile  dun  successo  navale  pel  re  di  Macedonia  '^).  Senza  dubbio 
il  linguaggio  apologetieo  del  documento  suscita  giustamente  la  nostra 
diffidenza;  ma  se  possiamo  ammettere  in  esso  esagerazioni  e  travisamenti. 
non  e  concepibile  una  menzogna  che  oltre  all'  essere  impudente.  sarebbe 
stata  anche  ridicola.  perche  l'Evergete  con  l'affermazione  della  sovranitk 
sopra  un  paese  strappato  alla  propria  dominazione  non  avrebbe  f'atto  altro 
che  commemorare  un  disastro.  Pertanto  corrisponde  ai  dettami  d'una  cri- 
tica  prudente  l'ipotesi  che  l'impero  tolemaico.  se  pote  essere  in  quell'  oc- 
casione  menomato  nelle  Cicladi,  non  per  questo  venisse   del  tutto  abolito. 

Le  stesse  considerazioni  sulle  conseguenze  della  battaglia  di  Kos  val- 
gono  per  quelle  della  battaglia  d'Andro  o.  qualoi-a  si  nutra  ancora  qualche 


1)  Per  la  battaglia  di  Kos  cfr.  Athen,  p.  209  E:  Plut.  3Ioi:  p.  545  B;  183  D ; 
676  F  (?) ;  Diog.  Laert.  IV  6,  39.  La  connessione  con  la  guerra  cremonidea,  supposta 
dal  Droysen  (in  1,  p.  240  sg.)  e  dal  Niese  (II  p.  131  sg.),  6  inconciliabile  col  passo 
di  Diogene  Laerzio  teste  citato,  dal  quäle  risulta  che  Atene  era  in  potere  d'Anti- 
gono.  La  cronologia  (circa  256  a.  Cr.)  e  le  combinazioni  piü  probabili  sono  quelle 
proposte  dal  Beloch  (III  1  p.  618;  III  2  p.  431 — 6);  e  se  anche  fossero  giuste  le  con- 
siderazioni di  Giulio  Augusto  Levi  {Ätti  della  B.  Avcademia  delle  Scieme  di  Toriiio 
XXXIX  p.  629 — 632).  si  soenderebbe  solo  di  qualche  anno. 

2)  Dittenberger  OGI  54  lin.  5  sg.  nufjct/.aßwr  Tifcpä  zov  natfidg  rijv  ßctaü.tkiv  .... 
xal  X  ü)  V  K  V  y.  ).aS  <■»  >'  v  >](>  v>  r  y.x'i.. 

1 


278  Vincemo  Coslanzi, 

diibbio  circa  Tidentitä  di  questa  con  quella  presupposta  nel  cenno  di  Trogo 
{Prol.  XXVIII),  della  battaglia  che  spianö  ad  Antigono  Dosone  la  via 
alla  conqnista  totale  o  parziale  della  Caria  ').  Certamente  Amorgo  -)  Ni- 
siro  ^)  e  Kos  *)  ad  Oriente.  Siro "),  forse  anche  Andro,  Paro  e  Citno ")  ad 
Occidente  erano  sotto  il  patronato  del  re  di  Macedonia.  Delo,  in  cui  An- 
tigono Dosone  dedicö  un  monumento  conimemorativo  della  battaglia  di 
Sellasia "),  era  certo  sottratta  all' infliienza  tolemaica.  Ma  da  ciö  non  con- 
segne  che  le  Cicladi  fossero  tutte  perdute  per  i  Tolomei  e  fosse  suben- 
trata  all'  egemonia  tolemaica  la  macedonica.  come  si  e  recentemente  sup- 
posto  (Delamarre  ih.  p.  323).  Lo  stes.so  linguaggio  di  Livio  nel  nan-are 
il  ritomo  dei  Rodü  in  Asia  renderebbe  per  se  stesso  molto  discutibile 
questa  illazione,  perche  egli  designa  solo  Andro.  Paro  e  Citno  come  sta- 
zioni  di  presidii  macedonici  (Liv.  XXX  115.  8).  D'altra  parte,  se  anche 
ci  mancasse  ogni  indizio  di  dominio  tolemaico  nelle  isole,  si  ricaverebbe 
indirettamente   dal  fatto    che  nel  Peloponneso **),  a  Greta''),  nella  lonia  ^°). 


1)  Ho  enumerate  le  varie  opinioni   in  Birisia  di  Filohyia  XXXVII  p.  .J18 — .319. 

2)  Delamarre.  Kerue  de  Philologie  XXVI  [1902]  p.  301  sg.  specialmente  p.  317  sg. 
S'  intende  che.  dovendo  dimostrare  la  soprawivenza  dell'  impero  tolemaico  nelle  ac- 
que  dell"  Egeo,  poco  importa  se  alcune  isole  come  Amorgo  e  Nisiro  si  possano  a 
rigore  chiamare  Cicladi.    Cfr.  Hiller  von  Gärtringen  in  IG  XII  5  pars  altera  p.  I — II. 

3)  Dittenberger  I-  263,  da  cui  si  rileva  che  Nisiro  era  sotto  il  dominio  di  Fi- 
lippo.  Che  Nisiro  sia  stata  conquistata  da  Filippo  durante  il  KQtjnxbi  Tio'/.iuoQ,  come 
inclinano  a  credere  il  Dittenberger  e  l'Herzog  {Klio  II  p.  328).  e  moltö  improbabile, 
quando  sr  riconosca  il  Dosone  nell'  Antigono  nominato  ripetutamente  nelle  iscrizioni 
amorgine  riportate  dal  Delamarre  (cfr.  n.  prec).  L'iscrizione  (IG  XII  3,  p.  17)  che 
l'Herzog  (1.  c.)  vorrebbe  riferir  alla  guerra  cretese  del  204—201  e  dall'  Hiller  von 
Gärtringen  {IG  n.  103)  posta  anche  per  ragioni  paleografiche  nel  153  av.  Cr. 

4)  Vedi  Beloch  HI  2  p.  463;  Sammlung  d.  Dial.  Iiii<chr.  3611 ;  Delamarre  ih.  p.  314. 
•5)  Delamarre  ib.  p.  310. 

6)  La  spiegazione  del  De  Sanctis  {Kliu  IX  p.  64. 2)  che  Y  'ASplas  di  Plutarco 
{Ärat.  12)  sia  un'  inesperta  emendazione  di  'Avdola:.  corrotta  da  'Avduov  per  l'in- 
fluenza  del  seguente  no/.ejuici:,  mi  sembra  per  ragioni  geografiche  e  paleografiche  plau- 
sibilissima.  Ma  da  ciö  non  consegue  necessariamente  che  Andro  abbia  senza  inter- 
ruzione  appartenuto  alla  Macedonia  fin  dalla  battaglia  di  Kos  o  almeno  sin  dalla 
liberazione  di  Sicione  (r.  sotto),  e  tanto  Andro  che  Paro  e  Citno  (Liv.  XXXI  15)  pos- 
sono  essere  stati  recuperate  da  Filippo  al  tempo  della  guerra  rodio-cretese.  Per 
Paro  saremmo  certamente  piü  informati  se  I'epigrafe  IG  XII  5  parte  prima  n.  125 
(p.  37)  ei  fosse  conservata  meno  lacera. 

7)  Holleaux  in  BCE  XXXT  p.  94  sg.  Quando  Delo  abbia  cessato  di  appartenere 
al  xonöv  delle  Cicladi  (dato  pure  che  questo  xoivöv  continuasse  ad  esistere  pure  es- 
sendo  il  dominio  di  esse  frazionato),  e  superfluo  ricercare,  per  la  natura  troppo  cir- 
coscritta  della  questione  che  ci  occupa.  Vedi  in  ogni  modo  Holleaux  ih.  p.  114  n.  2: 
Graindor,  Melaiiges  Eurth  p.  4:  von  Schotter  in  Pauly-Wissowa  IV  2  p.  4283. 

8)  IG  XII  3  n.  466—7. 

9)  Ib.  e  Strab.  p.  472. 

10)  Beloch  III  2  p.  277.  Efeso,  Samo,  Lebedo  erano  certo  tolemaiche  alla  fine 
del  terzo  secolo.     Intorno  a  Mileto  si  puö  avanzare  qualche  dubbio. 


//  (h»iiinio  eghi(tm)  nellr  Cickuli  sottn   Dj/oiimi   Filopntnn-.  279 

nollci  Tracia  M  diiraviino  possessi  tok'maici  alla  niortc  di  'I\ilomeo  I''il()- 
patore:  onde  sarebbe  ben  strano  che  propi-io  nell'  arcipelaj^o  i  Tolomei 
non  fossero  riusciti  a  conseivare  neanche  un  avamposto.  Tera  almeno  era 
tolemaica  fino  ai  tempi  del  Filonietore'-),  ed  e  appena  credibile  che  il  suo 
acquisto  datasse  dai  terapi  di  lui  o  dell'  Epifane. 

Contro  questi  dati  positiv!  hanno  un  valore  molto  problematico  le 
induzioni  tratte  dall'  inerzia  della  flotta  tolemaica  contro  le  depredazioni 
di  Denietrio  di  Faro  ^)  e  di  Dicearco  etolo '').  Noi  non  sappiamo  se  le 
scorrerie  fossero  dirette  contro  tutte  le  Cicladi,  ma  il  contegno  di  Tolomeo 
e  dei  suoi  luogotenenti  e  per  lo  meno  tanto  problematico  quanto  quello 
di  Filippo  di  Macedonia.  che.  pur-  avendo  dei  possedimenti  nelle  Cicladi, 
agi  di  concerto  con  questi  predoni.  Certo  l'incuria  di  Tolomeo  e  di  An- 
tigono  per  la  sorte  di  queste  isole,  fatte  segno  alle  scorrerie  dei  predoni 
sopra  ricordati,  renderebbe  a  prima  vista  accettabile  l'ipotesi  dell'  HoUeaux, 
il  quäle  suppone  una  prostasia  dei  Rodi  nel  Mare  Egeo  *).  Se  questa 
prostasia  ebbe  luogo,  non  assunse  perö  il  carattere  d'una  sovranita  rico- 
nosciuta :  almeno  non  risulta  ciö  da  alcuna  attestazione  esplicita  ed  e  in 
manifesta  contraddizione  con  qualche  dato  delle  fonti.  Infatti  i  Rodii  ri- 
tornando  nel  200  dal  Pireo  in  Asia  strinsero  alleanza  con  tutte  le  isole 
Cicladi,  tranne  Andro,  Paro  e  Citno  tenute  dai  presidii  macedonici ").  Ma 
l'alleanza  sarebbe  un  controsenso,  qualora  i  Rodii  esercitassero  allora  un 
protettorato  formale  sulle  Cicladi.  Ne  e  supponibile  che  i  Rodii  pevdes- 
sero  i  loro  domini  in  seguito  alla  battaglia  di  Lade  combattuta  nel  200 
contro  Filippo  (Pol.  b.  XVI  14 — 15)  poiche  lo  stesso  travisamento  della 
veritä  storica  compiuto  da  Zenone  e  Antistene,  scrittori  contemporanei, 
che  gabellarono  la  battaglia  di  Lade  per  una  vittoria  dei  Rodii,  mostra 
che  l'impero  di  Filippo    non   si    ampllö    per    effetto    di    essa   a   danno   dei 


1)  Polyl).  V  37,  7  e(p>jd()evov  (oi  nQÖrf(>ni>  zoO  'PO.oKc'noQOq  ßuailtvaavrSQ)  de  zoZg 
tv  Tjj  0(>axij  xf/l  Totg  iv  zfj  Maxeöovia  TtQuyfiaai,  xCov  xat'  Aivov  xal  MaQuivfiav  xal 
TioQ^wK^iov  tzt  -jxQÖxfQov  xvQtfvovxiq.    Liv.  XXXI  IG. 

2)  Hiller  von  Gärtringen ,  Festschrift  zu  Otto  Hirschfeld's  LX.  Geburtstage  p. 
87—99,  spec.  9.3—99;  Thera  I  167  sg. ;  Beloch  III  2  p.  282.  3;  Graindor,  Milanges 
Kurth  p.  12  D.  1. 

3)  Delamarre  o.  c.  p.  328;  Homolle  BCH  XXXI  p.  112.  —  Polyb.  V.  8.5.  11  xal 
yä()  rcä'q  iv  lotg  xctzci  Sciftov  ijativ  xönotg  ovx  u/.i'ycu  xal  aXQO.xituXiov  n/Sj&oe  tv  xoTg 
xux'  "Eifsaov.  Quest'  accenno  di  Polibio  e  in  connessione  coi  maneggi  di  Cleomene 
alla  Corte  di  Tolomeo  Pilopatore,  e  alla  politica  dei  suoi  consiglieri.  specialmente 
Sosibio,  che  veiigono  rappresentati  {ib.  38.  8)  xaxo.<fQOvovvzfq  xü)v  e§(u  npay/xäxiuv  diä 
zö  ßfZ)fAlayivai  ' Ayziyovov  xal  vofxitftv  ftäxaiov  avzoTg  iaeaSat  zfjv  sie  zavxct  äananjv. 

4)  Holleaux  ib.;  Polyb.  XVllI  ,54;  Diod.  XXVIII  1. 

•5)  Delamarre  ib.  324;   Holleaux  ib.  114;   Hiller  von    Gärtringen  IG  XII  h  p.  2  a 

p.  xvm. 

6)  Liv.  XXXI  15.  8;  Blioilii  praeter  Ciam  ab  Aegina,  inde  per  insulas  Rhodum 
natigarunt  otnnibus  praeter  Andrum  Parumque  et  Ci/Hirium,  quae  praesidiis  Macedomtm 
teiiebantur,  in  societatem  acceptis. 

8 


280  Vincenzo  Costanzi, 

Rodii.  Inoltre  se  Filippo  avesse  iillora  strap]mto  ai  Rodii  le  Cicladi.  Po- 
libio  non  si  sarebbe  limitato,  per  confutare  i  prelodati  storici,  solo  a  ricor- 
dare  romaggio  di  Mileto  (Polyb.  XV  15,  5 — 8)  a  Filippo.  ma  an-ebbe  senz'  al- 
tro  rilevato  lo  strappo  d'una  parte  cosi  cospicua  di  territoi-io  dall'  impero 
Eodio.  Invero  senza  supporre  un'  egemonia  dei  Rodii  nelle  Cicladi.  si 
compiTude  come  essi  per  proteggere  i  loro  commerci  intraprendessero  la 
difesa  delle  isole  minacciate  dalle  incnrsioni.  e  tra  queste  quelle  soggette 
air  Egitto  si  rivolgessero  ai  Rodii,  visto  che  da  Tolomeo  non  potevano 
sperare  soccorso  '). 

Le  i-agioni  di  questa  condotta  passiva  del  re  d'Egitto  vanno  cercate 
nelle  condizioni  interne  del  paese.  Non  occorre  ricordare  che  all'  indo- 
mani  della  battaglia  di  Rafia  (217  a.  Cr.)  incominciö  la  reazione  dell  ele- 
mento  indigeno  contro  il  greco  (Pol.  b.  V  107,  1)  e  che  queste  discordie 
intestine  si  prolungarono  per  nn  buon  tratto  del  regno  di  Tolomeo  Epi- 
fane  ^).  Altri  stati  hanno  trovato  l'energia  di  condurre  imprese  militari  all'  e- 
stero  menti-e  comprimevano  i  niovimenti  rivoluzionari  all'  interno.  nia  non 
era  l'Egitto  sotto  il  Filopatore  capace  di  questa  forza  di  resistenza,  anche 
ammesso,  anzi  forse  appunto  per  questo,  che  non  fosse  tutta  colpa  del 
monarca  la  rinuncia  ad  ogni  velleitä  imperialistica  (Polyb.  V  34,  8 — 9). 
Pertanto.  non  petendo  difendere  i  domini  insulari  che  gli  erano  ancora 
rimasti,  era  costretto  a  tollerare  ehe  gli  abitanti  di  questi  provvedessero 
ai  casi  propri,  invocando  l'intervento  di  uno  stato  interessato  a  difendere 
i  temtori  marittimi  dalle  aggressioni  di  corsari..  Infatti  per  contrastare 
con  le  armi  ai  Rodi  il  diritto  di  stringere  trattati  con  .staterelli  posti  no- 
minalmente  sotto  la  sua  sudditanza  si  sarebbe  richiesta  quella  prepara- 
zione  e  decisione  alla  guerra  necessaria  per  propulsare  le  aggressioni  pi- 
ratesche.  Ma  se  e  naturale  e  spiegabile  la  connivenza  dell'  Egitto  a  quest'  a- 
zione  dei  Rodii,  con  i  quali  non  aveva  motivi  di  rivalitä.  non  sarebbe 
stato  in  niun  modo  da  aspettarsi  che  il  sovrano  d'Eaitto  si  potesse  rasse- 
gnare  senza  reagire  ad  un'  usurpazione  manifesta  dei  suoi  territori  da  parte 

1)  Non  si  puö  vedere  rattestazione  cVuna  sovi-anitä  dei  Rodii  nelle  Cicladi  in 
queste  parole  di  Polibio  IV  47,  1  ndvziQ  6'  tvfxc'ü.ovv  oi  n>.wiX6,u(voi  loig  'Podi'oic  öia 
zb  öoxeTv  Tovroig  Tiooiaravai  tü>v  xata  S^d'/.aaaav.  Per  altra  ria.  cioe  appoggiandosi 
a  un  passo  di  Polibio  (V  1Q5,  6 — 7)  giunge  a  negare  regemouia  rodia  sulle  Cicladi 
il  Graindor  {ibid.  p.  11—12).  Yedi  anche  Koussel  BCH  5XXI  p.  360,  ed  Herzog. 
Klio  II  p.  333. 

2)  Dittenberger  OGI  I  n.  90  lin.  2  p.  142:  .  .  .  avzmäliuv  vntQteQov.  L'opinione 
del  Mahaffy  [The  empire  of  tJie  Ptolemies  p.  273  =:  History  of  Egypte  p.  140).  seguita 
dal  Niese  (II  p.  406),  che  connette  con  queste  ribellioni  la  notizia  diodorea  (III  6) 
suUa  defezione  d'Ergamene  da  Tolomeo  Filadelfo  non  resiste  per  nuUa  alla  critica. 
Poiche,  se  anche  si  ammette  la  possibilitä  d'un  ei-rore  di  Diodoro,  che  abbia  scam- 
biato  il  secondo  col  quarto  Tolomeo,  o  meglio  d'una  corruttela  nel  testo  di  Diodoro 
{Sevzt^oi;  scritto  per  (T),  e  chiaro  ehe  la  defezione  d'Ergamene,  principe  etiope.  non 
ha  nulla  a  vedere  con  la  riscossa  d'un  popolo  assoggettato.  Cfr.  Beloch  (III  2  p.  286) 
che  tacitamente  repudia  quest'  opinioue. 


II  dominio  cr/isiaiio  nellc  Ciclufli  soffo   Tolonwo  Filopntore.         281 

ilel  re  di  Miiocilünia.  col  quäle  esisteva  im  tiailizionale  antagonismo ;  e 
quinfli  l'anessione  ilelle  Cicladi  e  delle  coste  rlcH'  Kgeo  doveano  far  parte 
del  programnia  di  conquista  avniata  per  cui  Filijipo  si  allen  con  Antioco. 
Che  Filippo  dovesse  impadronirsi  delle  isole  e  del  litorale  dell'  Egeo 
sottoposto  a  Tolomeo.  e  attestato  espHcitaniente  da  PoHbio  (III  2.8); 
Oig  i7ti(Tvrdil<0fiei>  rag  negi  tijv  ATyvmov  lUQayJiz  y.cü  ih'a  rqönov 
IlToZefiaioi'  rov  ßaaiÄicog  fieraXAtc^aPTog  ihr  ßiov  (Tv/icpQovr'joavieg  'Av- 
rioxog  xa'i  Qfihnnog  im  diaiQeaei  t//c  toi"'  xaTCcAeAei/iftirov  naiöög  äg- 
Z'/?  i'iQcavTO  y.ay.onQayfiovfji>  xal  rag  x^'Q^^i  fnißüZAfip.  0l2ijinog  fiev 
jolg  xar'  A  lyvm  ov  xal  Kagiar  aal  Säfiov.  'Arrioxog  öe  roig  xarä 
Koi?.)]v  Svqiav  xal  0oiviy.tjv  (cfr.  Niese.  Gesciurhfe  II  Tp.  r)78  n.  1)  dove 
all'  assurdo  Al'yvmov  il  Niebuhr  .sostitui  A'iyaiov^).  Vero  e  che  qiie.st' 
etnendazione  e  stata  ritcnuta  falsa  perche  in  disaccordo  con  la  cronologia 
delle  guerre  di  Filippo  in  Asia  negli  anni  202 — 201  -).  e  giudicata  duna 
grecitä  sospetta.  Ma  IHolleaux  il  quäle  vede  uelle  imprese  significate 
col  %oig  ....  y.aiu  Kagiav  non  giä    le  .'ipedizioni  di  Filippo  in  Carla  nel 

201,  bensi  le  ineursioni  dei  satelliti    di  Filippo    contro  Jaso    compiute  nel 

202,  quasi  contemporaneaniente  al  colpo  di  mano  su  Cio,  corregge  YÄi- 
yvnrov  in  Klov,  pur  facendo  delle  riserve  su  questa  congettura  ^).  In  tal 
modo  gli  sembra  d'avere  eliminata  l'unica  testiraonianza  autorevole  per 
l'esistenza  d'un  residuo  di  domiuio  tolemaico  nell'  arcipelago.  Senonehe 
la  correzione  dell'  Holleaiix  non  solo  e  incerta,  ma  secondo  il  mio  avviso 
inaccettabile.  Egli  primieramente  esige  da  Polibio  un  ordine  cronologico 
che  nessun  scrittore  si  e  mai  imposto  in  un  cenno  antieipativo,  dove  for- 
mula  sommariamente  il  programma  della  materia  da  trattare '') ;  in  secondo 
luogo  la  presa  di  Cio  non  poteva  far  parte  d'un  piano  di  spartizione  dei 
domini  tolemaici  tra  Filippo  e  Antioco.  poiciie  Cio  non  ha  mai  apparte- 
nuto  all'  Egitto.  o  aluieno  non  gli  apparteneva  nell'  ultimo  decennio  del 
terzo  secolo,  ma  faceva  parte  della  lega  etolica'').     Finalmente    non   sono 

1)  AhhundhDujen  der  Berliner  Akademie  1820.  1  p.  10(5.  Vedi  le  edizioui  ilell' 
Hultsch  e  del  Büttner- Wobst. 

2)  Eerue  den  Ä'Htdes  Grecquex  Xl[  1899  p.  20.  37.  dove  THolleaux  illustra  tre 
iscrizioni  rodie  eontenenti  la  deliberazioiie  di  .soecorrere  i  .Tasii  contro  le  ineursioni 
di  Olimpico  e  Podilo,  satelliti  di  Filippo. 

3)  Ih.  p.  .37  n.  2  „Les  nianuscrits  donnent  zar'  Ai'yvmoi:  que  Niebuhr  a  rem- 
place  par  zöt'  Alyaiov.  Cette  conjecture  a  ete  unanimement  accepte  par  tous  les 
editeurs  plus  recents:  mais  l'expression  xat'  Ai'yaioi:  ponr  designer  les  lies  de  la 
mer  Egee,  me  semble  tout  ä  fait  insolite;  et  d'autre  part.  il  serait  bien  etrange  que 
Polybe  n'eüt  pas  rappele  d'un  mot  les  entreprises  de  Philippe  contre  les  cites  de  la 
Propontide :  c'est  pourquoi  que  je  propose,  d'ailleurs  sous  reserves,  la  correction  ;<«t[«] 
Klov  ,(cioe  KATAKION  corotto  in  KATAITYnTON).  Vedi  ancora  BCH  ib.  p.  111 
n.  2"  mais  cette  conjecture  n'est  guere  acceptable.  etant  d'une  grecite  douteuse". 

4)  Cic.  De  imper.  Cn.  Pomp.  6, 14;  Liv.  IX  19,  14.  In  ambedue  i  luoghi  la  guerra 
dei  Romani  con  Antioco  e  nominata  prima  di  quella  con  Filippo. 

.5)  Polyb.  XV  21,3-8;  XVIIl  3,12:  Liv.  XXXII  .33,16;  Niese  II  p.  582. 

K  !  i  o  ,  Beiträge  zur  alten  Geschichte  XI  3.  jg 

15 


282  Vinccnso  Costmizi. 

giusti6cati  i  ilubbi  contro  la  grecitä  dell'  espressione  y.ai'  A'i'yainr^).  e. 
riconoscinta  la  legittimitä  di  quest'  uso.  nou  vi  e  ragione  di  rinunclare  al 
riscontro  di  Appiano.  che  pone  räc  KvyJAdaQ  vi'iaovc.  nella  porzione  di 
preda  spettante  a  Filippo  nella  divisione  del  regno  tolemaico  tra  lui  e 
Antioco,  solo  perche  il  luogo  d" Appiano  rignrgita  dVrrori "'). 

Non  e  adimque  temerario  siippoiTe  che  gli  efFetti  della  l)attaglia 
d'Andro  venissero  neutralizzati  prima  dalle  complicazioni  per  cni  Antigono 
Dosone  si  dovette  rassegnare  a  eedere  agli  Etoli  l'Acaia  Ftiotide.  la  Tes- 
saliotide  e  TEstieotide  ^).  poscia  dalla  guerra  cleomenica,  della  quäle  pro- 
iittava  Tolomeo  per  ricuperai-e  qualche  perduto  territorio  nell"  Egeo.  La 
guerra  sociale  sotto  Filippo  e  forse  la  guerra  successiva  con  gli  Etoli 
distrassero  Tattenzione  del  giovane  re  da  ogni  mira  a  rignadagnare  la  po- 
sizione  che  la  vittoria  navale  d'Andro  avea  pel  momento  creato  alla  Ma- 
cedonia*).  I  Rodii  che  avevano  vitali  interessi  da  tutelare  profittarono 
degli  imbarazzi  del  re  di  Macedonia  e  dell'  inerzia  di  Tolomeo  Filopatore 
e  per  assumere  un  patronato  uel  mare  Egeo.  ma  a  un  protettorato  for- 
male non  pervennero  che  dopo  la  seconda  guerra  macedonica. 

1)  Neil'  espressione  xut^  Aiyaiov  veggo  una  luetoniraia  iie  inusitata  ne  inele- 
gante, e  la  coordinazione  di  TOfc  xax'  Aiyaiov  con  gli  altri  due  menibri  indieanti 
senz'  altro  i  luoghi.  meta  delle  ambizioni  di  Filippo.  e  tanto  giustificata  come  la 
seguente  in  Appiano  (Milhrid.  95) :  J^ixeh'av  xul  zbv  '1 6  v  i  o  v  f(f>v).ccaaov  aitw  Wxo- 
xidq  TS  OiäQOQ  xal   TfQSVTioq  OvÜqqwv  ti(y_Qi  ' AxaQvaviaq. 

2)  App.  Maced.  4, 1  :  /.6yOi  zs  ijv  ozi  <Pi>.i7i7tog  xal  \ivzioyo:  6  —vqcuv  ßaai/.fv: 
vnöaxoivzo  nXXtjloiQ,  ' Avziöym  fisv  6  <P!).i7i7ioi;  azgazfveir  im'  zt  ''A'i^'vnzov  xal  inl 
Kimpov,  üiv  zÖTS  ij^yiv  ezi  naXq  tov  Ilzo/.f/iaTos  6  zszapzog,  w  4>t).07iazuip  inijow/iov 
ijv,  <t>i).innu>  d'  'Avzioyog  inl  KvQi'/vtjV  xal  zag  KixXääag  rtjoovc  xal  ^luiv'iav.  Gli  er- 
rori  che  si  notano  in  questo  luogo  provano  solo  Timperizia  del  compilatore :  ma  non 
e  questo  un  motivo  per  condannare  in  blocco  la  testimonianza.  come  fa  l'Holleaux 
{ih.  p.  112  n.).  Con  questo  criterio  dovremmo  rinunciare  a  valerci  non  solo  di  Ap- 
piano, ma  anche  di  Plutarco  e  di  Diodoro.  Appiano  confonde  il  Filopatore  con  l'Epi- 
fane,  e  si  spiega:  nella  sua  fönte  trovava  nominato  soltanto  Tolomeo,  ed  egli  ba 
supplito  a  memoria  l'epiteto.  Appiano  inoltre  ha,  per  equivoco  o  per  guasta  lezione 
del  suo  testo,  letto  KvQtjvijv  invece  di  KaQtav,  come  par  sospetti  anche  l'Holleaux. 
Ma  zag  Kvxi.äSag  rffiovc  non  le  ha  poste  di  sua  testa.  Questo  cenno  deriva  indiret- 
tamente  da  Polibio. 

3)  Si  poträ  diseutere  suUe  modalitä,  ma  la  tesi  del  Beloch  (III  2  p.  340  sg.)  che 
queste  province  fossero  incorporate  alla  lega  etoUca  nei  primi  anni  del  regno  di 
Antigono  Dosone,  e  senza  dubbio  giusta.  Inoltre  la  ribellione  dei  Tessali  (Trog. 
Prol.  XXVIIl.  lust.  XSVIIl  3, 14)  mostra  come  non  fosse  ancor  molto  salda  l'ege- 
monia  della  Macedonia  nei  paesi  sottomessi  o  legati  con  qualche  patto  federale.  Si 
comprende  pereiö  che  non  fosse  facile  conservare  i  dominii  marittimi. 

4)  La  questione  se  Antigono  Dosone  o  Filippo  avesse  trascurato  l'incremento 
della  marina.  e  fino  a  un  certo  punto  secondaria.  Del  resto  dalla  lettura  dei  luoghi 
di  Polibio  (V  2.  4,  7.  11)  nou  si  ricava  punto  che  la  flotta  macedonica  fosse  stremata 
del  tutto.  come  ritiene  l'Holleaux  (ih.  p.  107  n.  3).  Si  comprende  come,  dovendo  lot- 
tare  con  un  popolo  di  pirati  come  gli  Etoli  si  dovessero  raddoppiare  le  eure  e  le 
esercitazioni.  Inoltre,  dal  momento  che  gli  Achei  erano  alleati  dei  Macedoni.  e  chiaro 
che  si  cercava  di  ottenere  con  la  consociazione  il  massimo  delle  forze. 


//  (Idiiiiiiio  cgiziano  nrllc  Cirladi  sotto    Tolonwo   Filoixüorc.  283 

A  ]i  |)  ('  n  il  i  c  e.  —  11  niunoscritto  ilcl  pit'scntc  liivoro  er;i  stato  con- 
segnato  da  circa  un  anno  alla  direzione  del  peiiodico  Klio,  quando  venne 
alla  luce  (o  almeno  venne  a  niia  conoscenza)  l'opuscolo  Der  Bund  der 
Nesioten  del  dottor  Werner  König.  Anch'  egli  ritiene  (p.  18 — 31; 
specialmente  p.  28—30)  che  il  doniinio  egiziano  siasi  conservato  nelle  Ci- 
cladi  durante  il  regno  di  Tolumeo  Filopatoi-e.  giiingendo  spesso  per  altra 
via  alle  niia  conclusioni,  e  consente  con  nie  anche  nella  difesa  dell'  emen- 
dazione  proposta  dal  Niebuhr  a  Polyb.  III  2,  8.  contro  i  dubl)i  sollevaH 
dair  HoUeaux  riguardo  alla  grecitä  della  locuzione  y.cn'  A'i'yaior.  l'crii 
a  p.  30  n.  7  ha  citato  per  svista.  a  confoito  della  congettura  niebuhriana. 
il  in  2,  8  che  e  appunto  il  luogo  controverso.  e  il  XVI  34. 1  (h'  Aiyaiov 
noiijaüfievog  jov  tiIovv,  la  cni  analogia  col  y-ar'  A'iyaiov  in  discorso  con- 
siste  solo  nella  mancanza  dell'  articolo.  Ma  non  credo  che  per  questa 
IHolleaux  abbia  messe  in  dubbio  la  grecitä  della  locuzione.  bensi  per  l'iiso 
di  Ai'ycuov  invece  di   KvA^öag. 

Pisa,  febbraio   1911. 


284 


Vopiscus  und  die  Biographie  des  Kaisers  Tacitus. 

Von  Ernst  Hohl. 

II.  Prüfung  der  vitn  Tacifi  des  Yopiscus. 

In  cap.  1  und  2  bringt  Vop.  die  Nachrirlit  vom  Interregnum  nach 
dem  Tode  des  Aurelianus.  üass  es  unmöglich  ist,  ein  Interregnum  in  der 
Ausdehnung  von  sechs  Monaten  anzunehmen,  ist  heute  allgemein  zuge- 
gegeben').  Stein  bei  P.-W.  III.  Sp.  2878  nimmt  im  Anschluss  an  v.  Sadee 
(De  imp.  Rom.  III.  p.  Chr.  .«.  tempnrihus  ronsütnendis.  Diss.  Bonn  (1891) 
S.  50  f.)  an,  dass  eine  Verwechslung  mit  Tacitus'  Regierungsdaner  [Tac.  14,  5 
sex  niensibus-,  vgl.  auch  Eutrop  IX  16)  vorliege,  worauf  auch  der  Aus- 
druck interret/es  für  Tacitus  und  Florianus  (Tac.  14.  5)  hinweise.  Sehen 
wir  uns  nach  den  übrigen  Zeugnissen  für  das  InteiTCgnum  um,  so  finden 
wir  ein  solches  ausser  bei  Vop.  {A  40, 4  heisst  es.  dass  das  römische 
Reich  sechs  Monate  keinen  Herrscher  gehabt  habe:  der  bezeichnende  Aus- 
druck mterrcgnum  ist  vermieden)  nur  noch  bei  Aur.  Vict.  Cues.  36,  1  und 
in  der  Epitome  35,  9  erwähnt.  Das  führt  uns  also  nach  allem,  was  wir 
bis  jetzt  gesehen  haben,  ohne  weiteres  auf  die  „  Kaisergeschichte " -). 

Dass  die  Epitome  das  Interregnum  sieben,  die  andern  Quellen  nur 
sechs  Monate  dauern  lassen,  ist  eine  Abweichung,  die  natürlich  nicht  auf 
eine  andere  Quelle  schliessen  lässt  (sie  ist  entweder  paläographisch  zu  er- 
klären VII  statt  VI\  oder  aus  einer  Umsetzung  in  die  Ordinalzahl,  etwa 
dass  die  Quelle  den  Tacitus  .^eptimo  nicnse  nach  dem  Interregnum  auf- 
kommen Hess). 

Zu  den  Tendenzen  der  „  Kaisergeschichte "  stimmt  das  Interregnum 
vortrefflich.  So  entsteht  eine  grosse  Zaesur  zwischen  dem  gestrengen 
Aurelian,  dem  Pädagogen  des  Senats'),  und  dem  senatsfrommen  Kaiser 
Tacitus,  der  nur  von  Senatsgnaden  auf  dem  Throne  sass.  Dass  freilieh 
auch  eine  Anerkennung  der  gewaltigen  Persönlichkeit  Aurelians  in  dieser 
Konstruktion  eines  sechsmonatlichen  Stillstands  liegt,  ist  klar.  So  mächtig 
war  die  Wirkung  auch  noch  des  toten  Herrschers,  dass  alles  in  guter 
Ordnung  blieb.     Nun  i.st  es  interessant,  dass  schon  Aur.  Vict.  Caes.  35,  12 

1)  Th.  Bernhardt  {Politische  Gesch.  d.  röm.  Kais.  Berl.  1867,  S.  214)  hat  den 
»unerhörten  Fall  einer  Zwischenregierung "  noch  ruhig  hingenommen;  vgl.  jetzt 
Groag  bei  P.-W.  V.  Sp.  1403  f.  und  Stein,  ebd.  111,  Sp.  2878. 

2)  So  hat  auch'Groag  bei  P.W.  V,  Sp.  1349  und  1404  geurteilt:  ,Die  Berichte 
über  das  Interregnum  sind  aus  der  ,Kaiserchronik'  geschöpft." 

3)  4  37,  3;  vgl.  Jacob  Bui-ckhardt,  Die  Zeit  Comtmitins  d.  Gr.  1880»,  S.  27. 

53 


Knisf  Hiilil.    Vo/ßisiiis  inid  dir   li/oi/rKpliic  drs  Kuisrrs  TacMtts.     285 

sagt:  atque  etiam  soli.  quasi  Rotnulo  intenegni  species  ohvenit,  longe  vero 
gloriosior.  Da  auch  die  Epitome  a.  a.  0.  die  Worte  intcrrefpii  species 
gebraucht,  so  stand  dieser  vorsichtigere  Ausdruck  gewiss  schon  in  der 
,  Kaisergeschichte ".  Der  Vergleich  mit  Roniulus,  nach  dessen  Tod  das 
erste  Beispiel  eines  Interregnums  eingetreten  sein  soll,  gehört  so  eng 
mit  dem  Begriff  inierregnmn  zusammen,  dass  auch  hiefür  die  „  Kaiserge- 
schichte"  verantwortlich  gemacht  werden  ilart'.  Natürlich  lässt  sich  Vop. 
deren  Anregung  nicht  entgehen  und  kramt  nun  in  breiter  Einleitung  seine 
staatsreclitlichen  Kenntnisse  aus*).  Dass  Vop.  überhaupt  solche  Neigungen 
zeigt,  hat  Brunner  a.  a.  0.  S.  17  if.  ^)  zusammenfassend  behandelt.  Was 
die  Ausführungen  des  Vop.  über  das  Interregnum  nach  Komulus'  Tod  be- 
trifft, so  berühren  sie  sich  mit  der  livianischen  Tradition  (s.  Mommsen, 
Staatsrecht  III,  2  (1888)  S.  845  Anm.  3)  3).  -  Zu  Vop.  Top.  1.1  (hint 
post  bonitm  principem  honus  alius  (ptaeritiir  vgl.  2,  2  dum  homis  qiiacritur. 
Der  bomis  princeps  im  typischen  Sinn  ist  allerdings  Aurelian  für  die 
,,  Kaisergeschichte "  nicht  gewesen  —  genau  genommen  geht  übrigens  honus 
princeps  auf  Romulus  — ,  wie  schon  Enmann  (S.  434)  gezeigt  hat.  der 
die  Grausamkeit  des  Aurelian  durch  sie  in  gTelles  Licht  gesetzt  werden 
lässt.  Aber  als  eine  tüchtige,  ja  überragende  Herrschergestalt  hat  sie 
ihn  zweifellos  anerkannt.  —  In  Kap.  2.  4  ist  kurz  noch  einmal  die  Er- 
mordung des  Aui-elian  berührt,  die,  schon  superiore  lihro  beschrieben, 
erfolgt  sei  cuUiditate  servi  nequissimi,  crrorc  milUmium.  Dieser  Hin- 
weis auf  die  vorhergehende  Biographie  ist  charakteristisch  für  Vop..  der 
derartige  „Verklammerungen"  ausserordentlich  liebt  und  stets  den  Ein- 
druck einer  sukzessiven  Entstehung  der  Biographien  erwecken  will,  wie 
er  ja  am  Schluss  einer  Vita  auf  die  kommende  hinzuweisen  pflegt.  Aus 
dem  servi  nequissimi  ergäbe  sich  natürlich  ohne  andere  Zeugnisse  gar- 
nichts  für  die  persönliche  Stellung  des  notarius,  durch  dessen  Intrigue 
Aurelian  umkam.  Denn  auch  Felicissimus  wird  in  dem  gefälschten  Brief 
Aurelians  (.4  38,  3)  uHinms  servorum  genannt. 

Vielleicht  darf  icli  auf  die  Ermordung  mit  ein  jjaar  Worten  eingehen, 


1)  Herr  Prof.  Kornemann  verweist  mich  auf  die  sprachlichen  Anzeichen  später 
Entstehung  dieser  Einleitung:  Bonuinae  iirbis  (1,  1)  re.fialis  imperü  (1,  -5)  tyrannus 
(2,  2)  .«»&  iudicin  senntiis  et  m  i  l  i1  u  m  puijuliqiie  Romani  (die  Soldaten  zwischen  Se- 
nat u.  Volk  geschoben!)  vgl.  auch  2,  3  qui  regna  cupiunt. 

2)  Nach  Enmann  S.  492  ff.  hätte  von  den  S.  h.  A.  besonders  Vop.  einen  Teil  seiner 
übrigens  recht  dürftigen  Kenntnisse  über  die  alte  Geschichte  aus  dem  Buch  De 
viris  illustribus  geschöpft,  das  in  umfangreicherer  Gestalt,  als  es  uns  erhalten  ist, 
vorgelegen  hätte  und  mit  der  ,  Kaisergeschichte "  zu  einem  Kompendium  der  römi- 
schen Geschichte  verbunden  gewesen  wäre. 

.3)  Nach  Enmann  ,S.  492  hätte  Aur.  Vict.  sich  für  die  Notiz  über  das  Interregnum 
ebenfalls  der  viri  illiistres  (s.  die  vorhergehende  Anmerkung)  bedient.  —  Brunner 
a.  a.  0.  S.  19  lässt  die  ganze  Auslassung  des  Vop.  über  das  Interregnum  auf  einer 
nicht  mehr  ganz  deutlichen  Erinnerung  an  Livius  fussen. 

54 


286  J<nist  Hohl. 

da  sie  immerhin  zur  Vorgescliichte  des  Tiieitiis  sj-ehört').  Es  ist  ganz 
deutlich,  dass  ^1  35, 5  bis  36  zwei  Berichte  nacheinander  ausgeschrieben 
sind.  Das  hat  auch  Gräbner  a.  a.  0.  S.  106  f.  richtig  erkannt.  Und 
zwar  ist  der  erste  Bericht  der  der  „Kaisergeschiclite".  Für  diesen  ist 
charakteristisch  die  genaue  Ortsbezeiclmung  und  die  Nennung  des  Mucapor 
als  des  eigentlichen  Attentäters.  Dass  diese  Elemente  in  der  „Kaiserge- 
schichte" vorkommen,  beweist  der  Vergleich  mit  Aur.  Vict._  Cwes.  35,8 
und  Eutrop  IX  15.  2 -j  (die  Epüomc  35.8  schreibt  Eutrop  wörtlich,  aber 
nicht  ganz  vollständig  aus,  da  sie  dessen  Worte  stratae  veteris;  locus 
Gaenophrurium  appellahir  einfach  weglässt).  Nun  sagt  Eutrop  -lerri  si(> 
fraudc ;  Aur.  Viet.  mhüstri  scelere ;  danach  seheint  also  doch  in  der 
„ Kaisergeschichte "  von  einem  sermia  die  Rede  gewesen  zu  sein:  denn 
der  Anklang  der  Worte  Eutrops  an  des  Vop.  Tac.  2,  4  servi  nequissimi 
ist  doch  zu  auffallend.  Dass  Aur.  Vict.  den  servus  in  einen  minister 
umsetzt,  ist  bei  ihm  gewiss  nicht  zu  verwundern.  Höchst  interessant  ist 
aber,  dass  Aur.  Vict.  und  Vop.  A  35.  5  darin  zusammengehen,  dass  sie 
beide  den  Mucapor  als  den  eigentlichen  Attentäter  nennen :  Aur.  Vict. 
allerdings  erst  Caes.  36.  2,  wo  er  von  der  Bestrafung  der  Mörder  Aure- 
lians  durch  Tacitus  spricht:  cum  tarnen  prius  auctores  Aureliani  necis 
maximeque  Mucaporeni  (tncem,  quod  ipsius  idit  occiderat,  excruciavisset.  Da- 
nach düi-fen  wir  auch  den  Mucapor  auf  das  Konto  der  „Kaisergeschichte" 
setzen,  umsomehr  als  er  bei  Vop.  nur  noch  einmjil  ganz  plötzlich  auftritt 
und  zwar  als  Adressat  eines  natürlich  gefälschten  Briefs  des  Aurelian  {A 
26,  2 ;  cfr.  P.  /.  R.  II  S.  386  M  Nr.  504). 

Nun  folgt  bei  Vop.  A  36.  4  ff.  ein  zweiter  Bericht,  den  wir  auf  die 
griechische  Quelle  zurückführen  müssen.  Dort  wird  der  intellektuelle  Ur- 
heber des  Mordes,  Mnesteus,  genannt,  ein  Name,  der  nicht  gerade  grosses 
Vertrauen  verdient^).  Zos.  I  62,1  und  Zon.  XII  27  nennen  den  Geheim- 
sekretär, das  ist  der  scrrits.  Eros.  Ich  halte  die  Vermutung  von  Groag. 
auf  die  ich  zufällig  unabhängig  von  ihm  gekommen  wai\  für  durchaus 
plausibel,    wonach    der    Name  Mnesteus    auf  flüchtiger  Lesung   des  Titels 


1)  Vgl.  über  die  Ermordung  Groag  bei  F.-W.  V,  Sp.  1402  f.  und  L.  Homo.  Ex- 
sai  sur  le  regne  de  l'empereur  Äurelien  (Paris  1904),  Sp.  322  ft'. 

2)  A  (35,  .5)  heisst  es  ,iiiter  HeracUam  et  Byzatitiitm".  bei  Eutrop  IX  1.5,  2  (dar- 
aus ISpit.  35.  8)  aber  hinter  Constnntinopulim  et  Heracleam' .  Da  die  „Kaisergescliichte" 
in  ihrer  ersten  Fassung  gewiss  vor  der  Gründung  Konstantinopels  (326  bezw.  330) 
geschrieben  wurde,  so  uiuss  auch  sie  Bijza^itiinn  gesagt  haben.  Es  geht  also  nicht 
an  mit  Peter,  Die  S.h.A.  S.  40  aus  dem  Vergleich  von  A  35.  5  mit  Y.niro-p-Epitome 
Schlüsse  auf  die  Abfassung  der  v.  A  vor  der  Einführung  des  Namens  Konstanti- 
nopel zu  ziehen.  (Vgl.  ausserdem  die  Bemerkung  von  Dessau,  Hermes  27  [1892] 
S.  586.) 

3)  Der  Name  ist  uns  z.  H.  als  der  eines  vergilischen  Helden  bekannt.  Aeii.  IV. 
288  etc.,  vgl.  Mfi'fa»fvg,  IL  B  552  etc.  —  Freilich  kommt  z.  B.  Pap.  Ortj.  1.  55.  5. 
20  ein  Avgrjhoi;  Mevta&ivq  vor  (im  J.  283  n.  Chr.);   cfr.  97,  7  aus  dem  Jahr  115/16. 

55 


Vojiiscits   /nid  dir    li/af/ni/di/c  deti   Kiüsrr.s   Turilus.  287 

fii]vvjljQ  beruhen  könne,  der  sich  in  den  griechischen  Quellen  findet'). 
Stein  bei  F.-W.  VI,  Sp.  o-tS  (Eros  Nr.  10)  meint,  man  brauche  nicht  zu 
Groags  Annahme  von  einer  flüchtigen  Lesung  des  griechischen  fitiWTTjg 
(oder  vielmehr  des  Wortes  minister.  Vict.  a.  a.  ().?)  seine  Zuflucht  zu 
nehmen,  da  es  öfter  vorkomme,  dass  Sklaven  oder  Freigelassene  mehrere 
Namen  führen.  Stein  leitet  jedoch  alle  Berichte,  auch  die  griechischen, 
aus  einer  gemeinsamen  Quelle,  der  „  Kaiserchronik ',  wie  er  sagt,  ab,  die 
zuerst  Enmann  als  Quelle  der  Epitomatoren  nachgewiesen  habe.  Nun  ist 
aber  doch  erwiesen,  dass  bei  Vop.  zwei  Berichte  nebeneinander  stehen. 
Davon  ist  der  erste  der  der  ,  Kaisergeschich te".  Der  zweite  aber  weist 
auf  die  griechische  Quelle  hin,  die,  wie  wir  oben  vermutet  haben,  ja  sehr 
wohl  direkt  oder  indirekt  auf  die  .Kaisergeschichte"  zum  Teil  zurück- 
gehen kann.  Wenn  Stein  mit  der  Annahme  eines  Doppelnamens  recht 
hätte,  so  müsste  es  eine  Quelle  gegeben  haben,  die  beide  Namen  genannt 
hätte  -).  Das  Hegt  aber  ausserhalb  jeder  Wahrscheinlichkeit.  Dazu  kommt, 
dass  die  „Kaisergeschichte "  den  Namen  des  notarius  allem  nach  überhaupt 
nicht  gekannt  hat.  Ich  schliesse  das  daraus,  dass  sie  sich  weit  mehr  für 
den  eigentlichen  Attentäter,  den  Mucapor,  interessiert,  der  von  der  grie- 
chischen Quelle  übergangen  wurde.  Dass  aus  dem  minister  des  Aur. 
Vict.  ^)  der  Name  Muesteus  entstanden  sein  könnte,  wie  Stein  —  selbst 
zweifelnd  —  andeutet,  halte  ich  für  ganz  ausgeschlossen.  Denn  wie  sollte 
aus  dem  bekannten  und  geläufigen  lateinischen  Wort  in  einer  lateinischen 
Arbeit  der  auflallende  Name  entstanden  sein?  Zudem  hat  ja  die  „ Kaiser- 
geschichte"  nach  dem  übereinstimmenden  Zeugnis  des  Eutrop  und  Vop. 
von  einem  servits  gesprochen. 

Icli  glaube,  folgender  Hergang  liegt  doch  am  nächsten;  die  „Kaiser- 
geschichte" brachte  überhaupt  keinen  Namen.  Sie  wii-d  benutzt  von  Vop.. 
aber  nicht  allein.  Es  ist  denkbar,  dass  in  der  griechischen  Quelle,  die 
er  ausserdem  noch  heranzog,  auch  noch  kein  Name  stand  ;  aus  dem  Titel 
fi'TjvvT'i^g  oder  ähnlich  entstand  daim  bei  Vop.   der  Name  Muesteus '').    Der 

1)  Vgl.  Eros  in  der  P.  I.  R.  II,  S.  38  E  Nr.  (» ;  ebda.  S.  383  il/ Nr.  404.  (Mne- 

2)  Vgl.  übrigens  für  einen  iUmlichen  Fall  Eduard  Meyer.  Untersuchungen  zur 
Geschichte  der  ßraeehen,  Kleine  Schriften  (1910)  S.  438:  ,dass  Einzelheiten,  wie  der 
Name  des  Mannes,  der  den  Kopf  des  Gr.  einbrachte,  nicht  sieher  stehen,  ist  nur  na- 
türlich." 

3)  Ganz  unberechtigt  ist  die  Konjektur  von  Olivarius.  der  .\ur.  Vict.  ('des.  3.5.8 
statt  ^ministri-  ^Mnesthei"  lesen  wollte.  Pichlmayr  in  seiner  Ausijuhe  der  Caes.  (1882) 
nimmt  sie  mit  Recht  nicht  in  den  Text  auf. 

4)  Vgl.  was  Gräbner  am  a.  a.  0.  S.  126  11'.  über  ein  ähnliches,  eigentlich  noch 
viel  tolleres  Beispiel  anführt:  Aus  /jiiSoßiipßapoi  sind  bei  Capit.  Max.  1.  -5  die  Namen 
Mieca  und  Hababa  entstanden !  (Vgl.  auch  noch  S.  139).  Man  braucht  also  nicht 
an  das  berühmte  ^lazovTavda  des  Ptolemaeus  (11  11.  27)  oder  an  die  '.4pTf«tt«  de« 
Stephanos  von  Byzanz  zu  erinnern,  um  ein  solches  Missverstilndnis  wahrscheinlich 
zu  machen.     Vgl.  Ahdelo   bei   Solin.   11,26   aus  ab  Delo   des   Plin.  N.  U.  4,  67  oder 

56 


288  l'^nst  Hohl. 

Name  Eros')  kann  in  einer  späteren  griechischen  Quelle,  die  wohl  ihrer- 
seits die  „Kaisergeschichte'  einsah,  zugesetzt  sein,  eine  Bereicherung,  die 
gewiss  nichts  auffälliges  hat.  Aus  dieser  griechischen  Quelle  hätten  dann 
Zosimos  und  Zonaras  (direkt  oder  indirekt)  den  Namen  Eros  gezogen. 
Natürlich  ist  dieser  Gang  der  Entwicklung  ziemlich  problematisch:  es 
handelt  sich  auch  nur  darum,  der  Annahme  Groags  gegenüber  dem  Ein- 
spruch von  Stein  wieder  zu  ihrem  Recht  zu  verhelfen. 

Auf  alle  Fälle  scheint  mir  die  Herkunft  des  zweiten  Berichts  bei 
Vop.  aus  griechischer  Quelle  gesichert  zu  sein,  wie  das  auch  Gräbner  an- 
genommen hat^). 

Vop.  A  37,2  erzählt  noch  die  Strafe  des  Mnesteus:  posteu  subrcj^tus 
ad  stipitem  hestiis  ohiedus  est  etc. ,  eine  Bestrafimg ,  die  zum  servits 
passen  würde  (vgl.  Pollack  bei  P.-W.  III.  Sp.  360  s.  v.  hestiarii,  wonach 
das  ad  besfias  dainnure.  das  hier  bei  Vop.  in  weiterer  Ausschmückung 
erscheint,  in  der  späteren  Kaiserzeit  nur  gegen  Personen  niederen  Standes 
vorkam).  Da  Eutrop  IX  15.  2  vom  Tod  Aurelians  sagt  mors  tarnen  eins 
imdta  »on  fu'd  und  Aur.  Vict.  den  Tacitus  den  Mörder  des  Aurelian  mit 
excruciare  bestrafen  lässt.  so  wäre  es  denkbar,  dass  auch  die  „  Kaiser- 
geschichte"  die  Bestrafung  erwähnt  hätte  (s.  r.  Tac.  13.  1).  nur  natürlich 
nicht  die  des  Mnesteus.  wenigstens  nicht  mit  Namen,  sondern  die  des 
Mucapor.  bezw.  der  Mörder  überhaupt  ^). 

Dass  Vop.  A  36,  2  ebenfalls  noch  aus  der  „  Kaisergeschichte "  stammt, 
ist  ganz  deutlich.  Denn  die  Charakteristik  des  Aurelian  stimmt  vorzüg- 
lich zu  Eutrop  IX  14  (vgl.  Epitome  35,9).  Das  Wort  ^sanguhiariiis"*), 
das  in  allen  drei  Stellen  sich  findet,  stand  natürlich  schon  in  der  „Kaiser- 
geschichte".    Es  kommt  sonst  im  Corpus  der  H.  A.  nur  noch  einmal  vor 

die  Vorstadt  Epidaphne  des  Tac.  Ami.  2,  83,  s.  Mommsen,  Söm.  Gesch.  Y^  (1886) 
S.  457  Anm.  1.  —  L.  C.  Purser  a.  a.  0.  S.  16  Anm.  2  weist  darauf  hin,  dass  bei 
Apuleius  de  mundo  7  eine  Insel  Lose  vorkommt,  die  aus  dem  raissverstandenen 
Adjektiv  P.o|/)  (Ps.  Arist.  ne^l  xoafiov  393,  14 — 18),  entstanden  sei. 

1)  Nach  Tac.  2,4  ist  Aur.  getötet  worden  errore  vnJitarium  (cfr.  A  41.  l:perer- 
rorem  .  .  .).  danach  könnte  error  in  der  ,  Kaisergeschichte '  gestanden  haben.  Sollte 
vielleicht  aus  error  durch  Missverständnis  in  einer  griechischen  Quelle  der  Name 
Eros  entstanden  sein? 

2)  Wenn  übrigens  Gräbner  S.  142  behiuiptet.  dass  Vop.  die  Berichte  der, Kaiser- 
geschichte- stets  erst  an  zweiter  Stelle  gibt,  so  ist  dies  zum  mindesten  für  Aurelians 
Tod  falsch.     Hier  tritt  der  umgekehrte  Fall  ein. 

3)  Niich  der  griechischen  Quelle  bestraft  Probns  die  .Mörder  des  Aurelian  und 
Tacitus.  Nach  Pr.  13.  2  wären  einige  Mörder  des  Aur.  schon  von  Tacitus,  die  üb- 
rigen erst  von  Probus  bestraft  worden ;  s.  Dannhäuser,  a.  a.  0.  S.  45  f. 

4)  Vgl.  H.  Dessau,  Hermes  24,  S.  368.  Anm.:  , Bemerkenswert  ist  auch,  dass 
Eutrop  IX  14  sich  zwar  nicht  scheut,  zwei  Worte,  die  ihm  bei  Sueton  Claud.  34  ge- 
fallen hatten  {saeviis  et  sannuinariu.s)  so  verbunden  zu  wiederholen,  aber  dies  doch 
nicht  bei  Claud.,  sondern  in  Beziehung  auf  einen  andern  Kaiser,  Aur.,  tut."  —  M. 
E.  stammt  der  Ausdruck  aus  der  .Kaisergeschichte-,  die  ihn  aus  Sueton  genommen 
hatte  (s.  0.  S.  227). 

57 


Vtiji/srHs   iiiid  dir  l>iiji/i(i])lür  des   Kii/.fcfs    Tiic/tiis.  289 

(0  M  12,  1).  Freilicli  bieten  Eutrop  und  die  Epitomc  „ßlii  soror/s  hdrr- 
fedor".  Vop.  aber  sagt  itt  et  filiani  sororis  occideret  etc.,  dagegen  heisst 
es  Ä  39,  9 :  nddnnf  nonnnlli  fiUwn  sororis,  von  ßHani,  ah  eodem  inter- 
fecfitm ,  pleriqnc  aufein  efiani  filhim  sororis  (vgl.  Groag  bei  P.-  W.  V, 
Sp.  1374).  An  der  zweiten  Stelle  werden  also  beide  Angaben  kombiniert. 
Jedenfalls  bereclitigt  uns  du'  Diskrepanz  zwiscbon  Vop.  und  Eutropl-i^j/- 
tome)  an  dieser  Stelle  nicht,  die  Benutzung  der  „Kaisorgeschiclite"  durch 
sie  zu  bezweifeln,  da  der  ganze  Zusammenhang  die  gemeinsame  Quelle 
deutlich  macht.  Man  muss  bei  dem  geringen  paläographischen  Unter- 
schied zwischen  beiden  Lesarten  mit  der  Möglichkeit  rechnen,  dass  sich 
schon  früh  ein  Fehler  eingeschlichen  hat ;  schon  Eutrop  könnte  den  Irr- 
tum begangen  haben.     Aus  ihm  wäre  er  in  die  Epitome  tibergegangen'). 

Kehren  wir  zur  vita  Tac/ti  zurück !  In  cap.  2,  5  wird  auf  die  Briefe 
des  Heeres  an  den  Senat  verwiesen,  in  denen  um  einen  Kaiser  aus  dem 
Senat  gebeten  wurde;  wieder  heisst  es  de  quibus  priore  Uhro  iam  dictum 
est  [A  41).  Zu  beachten  ist  der  Versuch,  durch  die  verschiedenen  Ge- 
sandtschaften zwischen  Senat  und  Heer  das  Verstreichen  von  sechs  Mo- 
naten (das  Interregnum)  zu  erklären  (vgl.  A  41,  15  attamen  cum  iterum 
atque  iterum  mittereiur,  ex  scnafus  consuUo,  quod  in  Taciti  vita  dicenms, 
Tacitus  fadus  est  impvndor  —  mau  beachte  auch,  dass  hier  der  Bericht 
über  die  Senatsverhandlung,  der  i\  Tue.  3  if.  gegeben  wird,  bereits  von 
Vop.  angekündigt  wird). 

Cap.  3  bringt  die  Senatsverhandlung.  Der  Bericht  ist  „unsagbar 
läppisch"  nach  Otto  Hirschfelds  Urteil  ^).  Ueber  das  Datum  die  VII  hal. 
Od.  hat  Peter,  Die  S.  h.  A.  S.  227  f.,  im  Zusammenhang  gehandelt.  Er 
verwirft  die  Angaben  mit  Recht  ohne  weiteres.  Wir  brauchen  uns  also 
nicht  zu  wundern,  wenn  auch  nach  den  Fasti  Philocali  (s.  Mommsen  CIL 
l'^  S.  270)  der  Tag  kein  semitus  tejjitinius  ist.  Auch  die  curia  Pompiliann 
verdankt  ihre  Entstehung  sicherlich  der  Phantasie  des  Vop.  Ist  sie  doch 
sonst  nirgends  bezeugt,  ausser  noch  bei  demselben  Vop.  A  41,  3,  wo  der 
Senat  vor  dem  Interregnum  in  derselben  curia  sich  versammelt.  Die 
beiden  Berichte  sind  Dubletten.  Z.  B.  ist  beiden  gemeinsam  die  Anspie- 
lung auf  die  Weiberherrschaft  (der  Zenobia)  im  Osten  (v.  A  41.  9;  v.  Tac. 
3,5).  Nach  Hülsen  bei  P.-W.  IV.  Sp.  1821  f.  s.  v.  curia  „kommt  die 
nur  in  der  H.  A.  vorkommende  Bezeichnung  curia  PompiUana,  die  auf 
Numa  deuten  würde,  nicht  in  Betracht" ;  dagegen  gibt  es  eine  curia  Ho- 
stilia.  Das  „Schema"  der  S.  h.  A.  für  die  Senatsverhandlungen  hat  schon 
Peter,    a.    a.  0.  S.    226  f.    zusammenfassend    gewürdigt:    danach    verliert. 


1)  Eine  weitere  Stufe  der  Entstellung;  neigt  Capito,  tler  Kiitropübcrsetzer  =  Jo- 
hann. Antioch.  F.  H.  G.  IV.  5!)9  t'rgt.  l-").")  =  Suidas  s.  v.  Ai<p?i>.iav6q:  tI/V  tov  um- 
Abi  yafii-rijv. 

2)  Die  rimüsclic  Staatsieituiifj  und  die  Akklamationen  im  Senat,  Sitzungsherichte  der 
Preussischen  Akademie  der   Wixs.     Berlin  190.5,  S.  937. 

58 


290  f'-nisf  Holil, 

wenigstens  für  die  l)ei(len  letzten  Scriptores.  di  r  Kopf  der  Senatskon.sultii, 
die  An<fabe  von  Ort  und  Zeit  an  Wert:  es  fehle  aijer  nicht  an  weiteren 
Verdaclitsgrimden. 

Der  Konsul  Velins  Cornifitins  Gordianus')  soll  nach  Peter  (S.  178 
zu  Z.  8  seiner  Ausg.  Bd.  II)  vielleicht  derselbe  sein,  wie  der  Konsul  Au- 
relius  Gordianus  (A  41,3).  [VELTVS  kann  aus  AVRELIVS  verdorben 
sein].  Aber  bei  der  ganzen  Schwindelhaftigkeit  der  Senatskonsuite  kann 
man  sich  hier  jede  Vermutung  ersparen^).  Wird  doch  A  41,4  Tacitus. 
der  spätere  Kaiser,  der  M.  Claudius  T.  hiess,  Aurelius  genannt^).  Dass 
die  Rede  des  Konsuls  eigenes  rhetorisches  Machwerk  des  Vop.  ist,  bedarf 
keines  Beweises.  —  In  cap.  3,  3  mm  exercitus  sine  principe  rede  clintius 
stare  non  possif  will  Lecrivain  a.  a.  0.  S.  393  Anm.  13  „une  Imitation  de 
Tacite"  erkennen:  Tac.  Hist.  I  16:  Si  immcnsuiii  imperii  corpus  stare  ac 
lihrari  sine  recfore  possit  etc.  Näher  kommt  allerdings  der  Ausdruck  Pa- 
negi/r.  VI,  10  S.  156  Z.  6  Baehrens:  cum  sine  te  stare  non  possif  (sc.  res 
publica),    sine  principe  consistere  heisst  es  v.   Tac.  3,  6  *). 

In  cap.  4  wird  Tacitus  als  primae  sententiae  consularis  {A  41,  4  primae 
scntentiae  Senator)  bezeichnet.  Dass  Tacitus  consularis  war,  ist  richtig ; 
sein  erstes  Konsulat  wird  zum  Jahr  273  erwähnt  (s.  Klein,  Fasti  consu- 
lares  Lei)izig  1881.  S.  110  und  Willy  Liebenam,  Fasti  consulares  imperii 
Romani,  Bonn  1999  [in  den  Kl.  Texten  für  theohxj.  und  philoJ.  Vorles.  und 
Uebungen  41 — 43]  S.  31;  vgl.  S.  116,  wo  es  fälschlich  consul  7  275  statt 
273  heisst).  —  Es  folgen  die  Akklamationen  des  Senats,  die  natürlich, 
wie  die  ganze  Verhandlung,  erfunden  sind^). 

Die  Tendenz  des  Vop.  illustriert  vorti-efflich  die  ..Akklamation"  v. 
Tac.  4,  3 :  suscipe  imperium  ex  senatiis  anctoritutc  ....  princeps  senatus 
rectc  Augustus  creatiir.  primae  sententiae  vir  recte  imperator  crcatur.     Das 


1)  Er  ist  gefälscht  nacb  Hirschfeld,  a.  a.  0.  S.  937.  —  Ebenso  hatte  v.  Sadee. 
a.  a.  0.  S.  -51  im  Anschluss  au  Schiller  die  beiden  Konsuln  identifiziert. 

2)  Fälschung  nimmt  Hirschfeld  a.  a.  0.  an. 

3)  Vgl.  Homo,  a.   a.  0.  S.  325  Anm.  9,  S.  326.  und  Peter,  Die  S.h.A.  S.  VA. 

4)  Herr  Prof.  Kornemann  weist  mich  darauf  hin,  dass  es  immerhin  möglieb  sei, 
dass  Vop.  als  Verf.  der  Tac-  Vita  Anleiben  bei  dem  Historiker  Tacitus  mache.  — 
Dazu  würden  die  Erwähnungen  des  Tacitus  durch  Vop.  sehr  gut  passen.  A  2,  1  ist 
von  Irrtümern  des  Tacitus  die  Rede,  Pr.  2,  7  wird  er  mit  andern  Historikern  als 
disetiissimus  aufgeführt  im  Gegensatz  zu  den  Biographen,  die  Vop.  nachahmen  will. 
—  Vielleicht  darf  ich  noch  auf  einen  weiteren  Zusammenhang  aufmerksam  machen :  die 
erwähnte  Stelle,  Tac.  Hist.  I,  16.  stammt  aus  der  Rede,  die  Galba  bei  der  Adoption 
des  Piso  hält.  Nun  wird  dieser  Piso  (Tac.  17/.^^  14. -5  ff.  —  Suet.  Galha  17;  Ofho  .5, 
1 ;  6,  3)  ein  einzigesmal  in  der  H.  A.  genannt,  und  zwar  PN  9.  2.  also  in  einer  Vita, 
die  schon  Wölfflin  zu  Vop.  in  Beziehung  gesetzt  bat. 

5)  Hirscbfeld  a.  a.  0.  S.  937  urteilt,  dass  es  keinem  Zweifel  unterliegen  könne, 
dass  die  Senatsakten  (bei  PoUio  Cl.  4  und  Vop.  Tac.  3—6)  gefälscht  sind.  Cha- 
rakteristisch sei  die  Einsetzung  von  deiis  für  das  sonst  stets  übliche  di  {v.  Tac.  4 
2  deus  ie  servet). 

59 


V(>2i/sci(s  1(11(1  die  liidfirKjiliic  des  Kaisers   TaciUis.  291 

klingt  ganz  progi-ammatisch  im  Sinn  des  Kaisertums  von  Senatsgnaden. 
Dass  solche  Tendenzen  freilich  auch  der  Verfasser  der  „Kaisergeschichte" 
geteilt  hat,  sahen  wir  oben  anlässiich  der  Legende  vom  Opfertod  des 
Claudius.  —  Das  eapiis  melius  (junm,  das  in  g  4  zweimal  steht,  kehrt  5,  1 
wieder.  —  In  4,  4  ist  von  littemfiis  die  Rede.  Das  ist  herausgesponnen 
aus  der  Mär  von  der  Abstammung  des  Kaisers  von  dem  grossen  Histo- 
riker (s.  iK  T((c.  11, 8)  und  geht  natürlich  nicht  etwa  auf  tatsächliche 
Kenntnis  von  literarischen  Leistungen  oder  auch  nur  von  besonderen  In- 
teressen in  dieser  Kiclitung  zurück.  —  Zu  dem  Kaisonnement:  seis,  quem 
ad  modtdx  debecis  imperare,  qiii  alios  principes  pertulisii ;  seis  (p(em  ad  mo- 
dum  dehcas  imperare,  qui  de  aliis  principtbus  indicasti  lässt  sich  Plin.  pan. 
44  vergleichen:  Seis  et  expertus  es  qiKinfo  opere  detestenttir  malos principes 
cti((m  qui  malos  faciunf.  Meministi  quae  optare  nobiscum,  quae  sis  queri 
solitus  (vgl.  V.  Tac.  6,  3).  Nam  privato  iudicio  principem  (jeris,  meliorem 
immo  te  praestas  quam,  tibi  alium  preeabare.  vgl.  auch  Tac.  Hist.  I  16  (in 
der  Rede  des  (jalba  an  seinen  Adoptivsohn  Piso  ^) :  JJtilissimus  idem  ac 
brcrissimus  b(»iaruni  malnri(m(ß(e  rerum  dikcfus  est  cofjifnre,  quid  aut  vo- 
lueris  suh  aUo  principe  aut  nolueris).  Auch  die  Anekdote  von  Traian  bei 
Eutrop  VIII  5  lässt  sich  hieher  ziehen:  Liter  aliu  dicta  hoc  ipsius  fertur 
egregium.  Amicis  enim  culpantibus,  (piod  nimiunt  circa  omnes  communis 
esset,  respondit  talem  se  imperatorem  esse  jM7(;a<?s,  quales  esse  sihi  inipera- 
tores  privatus  optasset. 

In  der  Erwiderung  des  Tacitus  ist  4.  6  atiare  änac,  P-eyöfievov  in 
der  H.  A.,  ebenso  4.  8  das  adv.  unanimiter.  —  Cap.  5  bringt  die  eigent- 
lichen Akklamationen  mit  Angabe  der  Zahl  ihrer  Wiederholungen  ^).  Dass 
auch  diese  Akklamationen  frei  erfunden  sind,  wenn  auch  in  Anlehnung 
an  irgend  ein  Original,  ist  offensichtlich. 

In  cap.  5.  1  steht  ein  Vergilvers  {Aen.  VI.  809).  der  auch  v.  H.  2,  8 
vorkommt'^).    —    In  5.2    wird    konstatiert:    fhd/cs  j)rudeidiam  '^)  et  bnnum 

1)  Vgl.  oben  S.  290  Aum.  -1. 

2)  Vgl.  Peter.  Die  S.  h.  A.  S.  221  f.  und  vor  allem  Otto  Hirschfeld.  a.  a.  0. 
S.  936  ff.,  der  den  Nachweis  führt,  dass  die  Sitte,  die  Zahl  der  Akklamation eu  im 
Senatsprotokoll  zu  verzeichnen,  erst  in  nachkonstantinischer  Zeit  aufgekommen  sei; 
danach  erklärt  er  die  Senatsakten  in  Cl.  und  Tac.  die  diese  Eigentümlichkeit  zeigen, 
für  Einlagen  aus  dem  Ende  des  4.  Jahrhunderts  (S.  94-3).  Bei  unserem  Ansatz  für 
Vop.  und  der  Einheitlichkeit  der  Vita  dürfen  ■svir  aber  nicht  an  , Einlagen*  denken; 
vielmehr  sind  die  Akten  zusammen  mit  der  Biographie  des  Tacitus  verfasst.  —  Im 
übrigen  vgl.  auch  für  die  Akklamation  im  allg.  Th.  Reinach.  Une  crise  motietaire  au 
nie  siede,  Bidl  corr.  hell.  1896  Bd.  XX.  S.  .")23  ff.;  B.  Pick.  Zur  Epigraphik  der 
griechischen  Kaisermimzen,  Journal  international  d'nrcheoingie  numismatique,  Athenes 
1898  I.  S.  455;  W.  Henzen,  Acta  fratrum  Arvalium  Berlin  1874,  S.  45  f ;  Joh. 
Schmidt  bei  P.-W.  1,  Sp.  147  ff.  und  Ruggiero  im  Di:,  epigr.  I.  S.  72  tf. 

■i)  S.  hiezu  Dessau.  Hermes  il,  S.  .583. 

4)  S.  Frankfurter,  Te.vtkritiKches  .'«  rlen  S.  h.  A..  Wiener  Studien  Bei.  XIII.  (1891), 
S.  245  ff.  schreibt  prudentem.     Diese  Konjektur  ist  überflüssig. 

60 


292  Juiist  Hohl. 

fratrcm,  also  offenbar  auf  die  angebliche  Verwandtsobaft  mit  Florianuss 
hingedeutet :  entsprechend  hatte  4.  4  das  liftcratus  auf  die  fingierten  Be- 
ziehungen zum  Historiker  Tacitus  verwiesen.  —  Dann  wird  der  bekannte 
Ausspruch  des  Severus  zitiert:  captit  imperare  non  pedes  (S  18. 11).  — 
Die  Formel  cli  te  servenf  ist  ganz  gebräuchlich.  —  Dass  statt  Falconius 
richtiger  Faltonius  zu  schreiben  ist.  hat  Waddington  gezeigt,  vgl.  Dessau. 
Hermes  24,  S.  352  Anm.  3  (cf.  A  40.  4).  —  Die  seltsame  Wendung  in 
haec  rerha  disseruit  steht  auch  T(tr.  8.  3  und  Q  10,  1.  ist  also  dem  Vo- 
piscus  eigentümlich. 

In  cap.  6  folgt  die  Rede  des  Senator  consularis,  qiii  post  Tacitum  sc- 
debat,  Maeeius  Falfoniiis  Nicomachits  ^).  —  Cap.  6.  1  in  hoe  sacrario  ist 
recht  aufl'allend  für  das  Senatslokal.  —  In  6,  3  steht  das  gleiche  Räson- 
nement.  das  uns  schon  4.  4  begegnet  war.  in  etwas  anderer  Form :  seit 
enim,  qualem  sihi  principem  semper  optaverit  nee  potest  aliud  nohis  exhi- 
here  (piam  ipse  desi^eravit  et  voluit.  —  6,  4  prodigia  steht  in  derselben 
Bedeutung  von  menschlichen  Ungeheuern  auch  A  l.hx  der  Gebrauch  lässt 
.sich  wohl  auf  Cicero  zurückführen,  der  z.  B.  Clodius  so  nennt  ^).  —  Das 
geschmacklose  Woi-tspiel  Gommodos  seit  potius  Ineommodos  hat  schon 
Dessau  Hermes  24  S.  384  *)  gerügt  \ind  mit  ähnlichen  Verirrungen  in  der 
HA  zusammengestellt  (vgl.  z.  B.  ^  C  1,  6  Avidius  Cassius  avidus  est).  — 
Im  weiteren  Verlauf  der  Rede  fallen  die  ausserordentlich  zahlreichen  al- 
literierenden Verbindiingen  auf.  —  Die  Ausführungen  im  allgemeinen  ver- 
dienen keine  weitere  Beachtung.  —  Erst  6.  8  Mit  die  flehentliche  Bitte 
des  Senats  an  Tacitus  auf,  er  möge  nicht  seine  Kinder  {parLHilil)  zu 
Erben  des  römischen  Reiches  machen.    Vielmehr  werden  ihm  (6,  9)  Nerva, 

1)  Vgl.  das  vernichtende  Urteil  von  Hirschfeld  über  diese  Rede.  a.  a.  0.  S.  937. 
—  Die  Rede  liegt  auch  in  einer  modernen  Bearbeitung  vor:  s.  G.  Suster,  De  altera 
quadam  scriptura  orationis  qiiae  a  Maecio  Fatcoiiio  Niconuicho  TacUo  Augusto  habita 
est,  Biv.  di  filol.  e  d'istru2.  cJass.  XVII.  1889,  S.  247  ft"..  vgl.  Teuffel-Schwabe,  Gesch. 
der  rwn.  Lit.^  (1890)  §  482  Anm.  6. 

2)  Vgl.  über  die  Nachahmung  Ciceros  in  der  H.  A.  Klebs.  Bhein.  Mus.  47,  S.  34  ff. 
S.  dazu  Thiele  a.  a.  0.  S.  36  f.  (für  r.  AS:  .minus  late  patet  Ciceronis  imitatio').  — 
L.  C.  Purser  a.  a.  0.  S.  47  ff.  erhebt  Einspruch  gegen  den  Versuch,  überall  Cicero- 
nianismen  in  der  B.  A..  besonders  bei  Vopiscus,  feststellen  zu  wollen.  Kenntnis  des 
Cicero  und  Anlehnung  an  ihn  habe  in  jener  Zeit  nichts  Befremdliches.  —  Dennoch 
bleibt  bestehen,  dass  der  Rhetor  Vopiscus  ein  ausgesprochener  Ciceronianer  ist.  — 
Das  Nichteinhalten  der  chronologischen  Folge  (Helioyabalos  vor  Cmnmodos)  erklärt 
sich  vielleicht  aus  rhythmischen  Rücksichten.  Vgl.  Ed.  Norden  bei  Mommsen,  Ges. 
Sehr.  VII  S.  32.5  Anm.  1  über  ähnliche  Fälle. 

3)  Die  Liste  bei  Dessau  a.  a.  0.  („törichtes  Spielen  mit  den  Namen  der  Kaiser") 
ist  trotz  ihrer  Reichhaltigkeit  nicht  ganz  vollständig.  (Vgl.  auch  Klebs.  Bhein. 
Mus.  47,  S.  17  f.).  Ich  notiere  noch  §  4,  2:  iiiente  firmissimiis  (von  Firmus),  ausser 
dem  Wortspiel  Pr.  1-5,  6  ilUs  sola  relinquimus  sola  (vgl.  Dannhäuser,  a.  a.  0.  S.  54). 
Hei.  3.5.  1  .  .  .  vitam  .  .  .  me  inritum  .  .  .  scribere;  3-5.  3  de  quo  vereor  .  .  .  vera  di- 
cere.  Vielleicht  auch  V  10.  6  barba  probe  barbartce  demissa  und  Dd.  7,  2  Commo- 
dus  .  .  ■  commode.  —  Ein  Wunder  ist,    dass   Tetricus  ohne  Wortspiel  davon  kommt. 

61 


Vopisctis  lind  die  BiDi/niphir  des  Kaisers   Tiieitiis.  29:^ 

Traian,  Iladrian  als  glänzende  Beispiele  VAvr  Nac-liachtiing  eni]it'((lil('ii.  als« 
diejenigen  Kaiser,  die  ihren  Nachfolger  durch  Adoption  l)estimmten  'j.  Man 
kennt  die  Bedeutung  der  Auffassung,  dass  die  Adoption  die  einzig  rich- 
tige Art  sei.  dem  Staat  für  einen  tüchtigen  Herrscher  zu  garantieren.  Breit 
ausgeführt  hat  diese  Anschauung  Plinius  d.  .1.  in  seinem  Paneyi/ricns  auf 
Traian;  ebenso  steht  sie  bei  Tacitus  Hist.  I  15  u.  16  in  der  schon  er- 
wähnten Rede  des  Galba  (vgl.  Ausonius,  Caes.  XIII  3  f. ;  XV  4:  Statius. 
sih.  II  1,  87  und  dazu  Vollmer  in  seinem  Kommentar  [Leipzig  1898  S.  327]). 

Cap.  7,1  zu  der  Formel:  Omnes,  omnes  vgl.  Pr.  12,8  {Val.  5,8). 
—  Mommsen,  Böm.  St.-R  II,  2^  S.  791  Anm.  4  urteilt:  „Die  Bekannt- 
machung der  Wahl  des  Tacitus  auf  dem  Marsfeld  durch  den  Stadtpräfekten 
(Tac.  7)  gehört  wohl  zu  der  Besonderheit  derjenigen  Imperien  des  dritten 
Jahrhunderts,  in  denen  versucht  wurde,  das  Imperium  des  Senats  zu  rea- 
lisieren,   und  der   Imperator    als    dessen  Geschäftsführer   erscheint 

Durch  den  —  hier  schon  als  Haupt  des  Senats  fungierenden  —  Stadt- 
präfekten konnte  sich  der  neue  Princeps  nicht  dem  Volke  vorstellen  lassen, 
wenn  er  an  der  Selbständigkeit  des  Imperium  festhielt."  H.  SchiUer,  Ge- 
schichte  der  römischen  Kaiserzeit  I  (1883)  S.  873  f.  sagt:  „Auch  bei  der 
Bekanntmachung  der  Wahl  schlug  man  ein  neues  Verfahren  ein,  indem 
dieselbe  auf  dem  Markte  durch  den  Stadtpräfekten  erfolgte". 

Danach  sind  wir  gewiss  berechtigt,  die  ganze  Schilderung  dieses 
„neuen  Verfahrens"  als  unhistorisch  zu  verwerfen^);  denn  sie  scheint  nur 
ein  Ausfluss  der  Tendenz  zu  sein,  wonach  der  Imperator  als  „Geschäfts- 
führer des  Senats"  betrachtet  wird,  wie  das  Tacitus  in  der  Tat  für  Vop. 
ist.  Die  Stadtpräfektur  erscheint  hier  bereits  in  der  Bedeutung,  die  sie  erst 
in  theodosianischer  Zeit  gewonnen  hat  (vgl.  P.-E.  Vigneaux,  Essai 
sur  rhistoire  de  Ja  praefectura  nrhis  <i  Ronie.  Paris  1896,  S.  78).  —  Die 
Proklamation  des  Kaisers  hatte  eigentlich  durch  einen  der  fungierenden 
Konsuln  zu  erfolgen  (Mommsen,  St.-E.  II  ^  S.  874*  A.  3).  —  Der  Stadt- 
präfekt  Aelius  Cesettianus  ist  in  unserer  Liste  der  Stadtpräfekten  im  Chro- 
nographen vom  J.  354  nicht  genannt^).  —  Sehr  auffallend  ist  auch  die 
Anrede  durch  den  Stadtpräfekten  (7,  3) :  Vos  sanefissinii  milifes  et  sarra- 
tissimi  vos  Qiiirifes  (8,  4  u.  5 :  sanetissimi   comwilifoncs  vor   dem   Heer)  *). 


1)  Vgl.  Klebs.  Hist.  Zeitscin:  Bd.  (U  (N.  F.  2.5)  S.  231  Anm.  fi.  wonach  die  ,Nicht- 
erblichkeit  der  Herrschaft  ein  Lieblingsgedanke  des  V'op."  ist. 

2)  S.  auch  Otto  Hirschfeld,  a.  a.  0.  S.  938  Anm.  2.  der  noch  Lecrivain,  a.  a.  0. 
S.  368  zitiert. 

3)  Nach  Seeck.  N.  Jahrb.  f.  Phil.  60.  Jahrg.  141.  Bd.  (1890)  S.  620  ist  er  ebenso 
erfunden,  wie  der  Stadtpräfekt  Ceionius  Albinus  {A  9.  2).  —  Vgl.  Borghesi,  Oeuvres 
IX,  Paris  1879,  S.  392.  —  Corsini,  Serien  praefectonim  urhis,  Pisis  1763,  S.  1-52  wollte 
ihn  als  echt  anerkennen. 

4)  Vgl.  über  den  Gebrauch  von  s<fcei;  r^niictti.i,  .laiictissimiis,  sacratissimu.'!  zur 
Bezeichnung  des  Kaisers  und  kaiserlicher  Institutionen  AV.  Sickel.  Oütt.  Gel.  Am. 
1901  S.  387  ff. 

62 


294  Ernst  Hohl 

Zu  7.4  Felicissime  Tacüe  Auguste,  dii  te  servenf  (auch  schon  5.2) 
vgl.  Ruggiero,  Diz.  epiyr.  I.  S.  74  und  Lessing  im  Lexikon,  S.  603  s.  v.  ser- 
vare  1)  adcL,  wo  zahlreiche  Stellen  der  H.  A.  notiert  sind. 

7.  5  Hoc  loco  tacendum  non  eM  etc.  Vgl.  z.  B.  Tae.  12,  1  (s.  auch 
Wölfflin,  a.  a.  0.  S.  534).  —  Vop.  polemisiert  hier  gegen  die  Auffassung, 
dass  Tacitus  während  seiner  Abwesenheit  in  Kampanien  zum  Kaiser  ge- 
macht worden  sei,  wie  das  auch  Zon.  XII  28.  also  die  Tradition  der 
gi-iechischen  Quellen,  berichtet  (vgl.  Stein  bei  P.-W.  IE,  Sp.  2874).  Die 
Stellungnahme  des  Vop.  ist  höchst  eigentümlich:  verum  est  nee  disshnu- 
lare  possum  sagt  er  über  die  Ernennung  des  Tacitus  während  seines  Auf- 
enthalts in  Kampanien.  Denn,  fälu-t  er  fort,  dieser  habe  sich  auf  das  Ge- 
rücht hin,  dass  seine  Wahl  bevorstehe,  nach  Baiae  begeben  und  sei  dort 
zwei  Monate  geblieben.  Von  dort  sei  er  (Tac.  7,  7)  zurückgeführt  worden 
und  habe  der  Senatssitzung  beigewohnt  quasi  vere  privatus  et  qui  rere  re- 
cusaret  iniperium.     Vop.  drückt  sich  also  sehr  unklar  aus. 

Ich  halte  es  übrigens  an  sich  für  sehr  wohl  denkbar,  dass  der  römi- 
sche Senat  den  Tacitus  in  seiner  Abwesenheit  zum  Kaiser  bestimmte'). 
Denn  dass  die  Lust.  Kaiser  zu  werden,  unter  den  Senatoren  nicht  sehr 
gi'oss  war,  darf  bei  den  heiTschenden  Zuständen  nicht  wundernehmen.  War 
doch  der  Aspii-ant  auf  dem  Thron  eigentlich  zugleich  nichts  anderes  als 
Todeskandidat.  —  Vop.  braucht  natürlich  die  Anwesenheit  des  Tacitus  in 
der  entscheidenden  Senatssitzung  notwendig,  um  seine  rhetorischen  Künste 
zu  zeigen  und  die  Senatstendenzen  recht  nachdrücklich  hervorzukehren. 
Später  gesteht  Vop.  übrigens  selbst  bezeichnenderweise  ein,  das  auf 
die  Wahl  des  Tacitus  bezügliche  Senatskons  ult  nicht 
gefunden  zu  haben;  Pr.  7.1:  .  .  .  quam  vis  feratur  in  senatu  Ta- 
citus dixisse,  cum  eidem  offerretur  imperium,  dehere  Probum  principem  ficri. 
S ed  ego  s enat  u  s  consultum  ipsu m  n o  n  i  n  r  e n  i '). 

In  cap.  8, 1  u.  2  kommt  die  tolle  Behauptung  des  Vop.  von  dem 
Senatskonsult  auf  Elfenbein,  das  im  sechsten  Schrank  der  Bibliotheca 
Ulpia  aufbewahrt  wird  und  das  er  eingesehen  haben  will  (s.  o.)  (vgl. 
Peter,  Die  S.  h.  A.  S.  232)  ^).  —  Ganz  im  Stil  des  Vop.  ist  ja  die  „ge- 


1)  Vop.  braucht  allerdings  seine  Anwesenheit  in  Rom.  um  die  entscheidende 
Senatsverhandlung  wirkungsvoller  zu  gestalten.  Ist  doch  Vop.  auf  dieses  sein  Mach- 
werk so  stolz,  dass  er  das  Senatskonsult  bereits  v.  A  41,  15  in  Aussicht  stellt! 

2)  Solchen  Leistungen  des  Vop.  gegenüber  berührt  der  Versuch,  ihn  gegen  die 
Anklage  der  Fälschung  in  Schutz  zu  nehmen,  besonders  eigentümlich.  Noch  neuer- 
dings hat  das  L.  C.  Purser  a.  a.  0.  getan.  Vop.  sei  kein  bewusster  Fälscher  ge- 
wesen, allerdings  sei  er  oft  selbst  getäuscht  worden  und  habe  Dokumente  für  echt 
gehalten,  die  es  nicht  waren  oder  zum  mindesten  Ueberarbeitung  aufwiesen  (S.  -55). 
Auch  H.  Peter  {Berliner  phüol.  Wochenschrift  1910.  Sp.  1013)  hat  sich  gegen  Pursers 
seltsame  Auffassung  ausgesprochen. 

3)  Die  bibliotheca  Ulpia  kommt  in  der  H.  A.  nur  bei  Vop.  vor  (vgl.  den  In- 
dex bei  Peter  in  s.  Ausg.  Bd.  IL).     Besonders  auffallend  ist  Pr.  2,  1  .  .  ex  bibliotheca 

68 


Vop/srHS    1111(1   die    /!/ii(ini/i/i/r   (IcS    Kn/scis    'J'iirifll.t.  295 

ItOirtc"  Bomerkuiig.  dass  lange  Zeit  die  Senatskonsiilte.  wenn  sie  die  Kaiser 
hetrat'en,  i)i  lihri.s  clephmtinis  aufgezeichnet  wurden.  Dass  Elfenbein  aller- 
dings als  Material  für  Bücher  vorkam,  zeigt  Ulpian  in  den  Bigesten.  32, 
le<i.  52 :  Librortim  appeUaUone  conthientur  omnia  volmnina,  sive  in  rharfa 
xire  in  memhrana  sint  sivc  in  quavis  alia  maferi«.  sed  et  si  in  philyrn  (tut 
in  filiii  (td  nonnidli  conßcinnf)  aut  in  quo  alio  corio,  idcm  erif  dici)idHm. 
(jKdd  si  in  codicibits  sint  membraneis  vel  cJiartaceis  vel  etinm  ctiorris  rrl  ulfc- 
riiis  mafcriae  vel  in  eeratis  codiciUis  an  debeantur,  rideumus.  Auch  Blüinner. 
s.  V.  Elfenbein  bei  P.-  W.  V,  Sp.  2362  sagt,  dass  Elfenbein  nicht  minder 
beliebt  für  Schreibtafeln,  freilich  nur  für  wertvollere  Exemplare,  wie  Mar- 
tial  XIV  5.  war  oder  für  die  in  der  späten  Kaiserzeit  immer  üblicher 
werdenden  Diptvchen  ....  Er  verweist  auf  unsere  Stelle;  aus  Marl,  gehe 
hervor,  dass  man  auf  das  weisse  Elfenbein  mit  schwarzer  Farbe  oder  Tinte 
schrieb.  In  seiner  Terhnolorpe  und  Tcnninolof/ic  der  Gewerbe  und  Künste 
bei  Griecli.  und  Mm.  II.  1879  S.  364  versteht  Blüraner  unter  den  lihri 
elephanfini  die  in  der  römischen  Kaiserzeit  ganz  besonders  beliebten  Buch- 
deckel und  Diptychen.  Dazu  führt  er  unsere  Stelle  an  und  u.  a.  eine  Inschrift 
bei  Orelli  3838  [=  CIL  X  1  Nr.  6,  Z.  8  f.],  wo  pufiillares  membrimacei 
opercidis  eboreis  vorkommen.  Aber  die  oben  angeführte  Digestenstelle 
scheint  vielmehr  darauf  hinzuweisen,  dass  man  an  einen  codex  zu  denken 
hat.  dessen  Blätter  aus  Elfenbein  bestanden  (vgl.  Wünsch  bei  F.-W.  IV, 
Sp.  160  s.  v.  rode.r).  Schon  Du  Gange  Glossarium  ad  .<icriptores  mediae 
et  infimae  Latin itafis  III  (1844)  s.  v.  elepliantus  bringt  Tac.  8,2  mit  Ul- 
pian (s.  o.)  zusammen').  Im  Sinn  des  Vop.  haben  wir  gewiss  nicht  an 
den  Einband,  sondern  an  das  Material  der  Blätter  zu  denken.  Die  Notiz 
als  solche  ist  höchst  bedenklich,  schon  um  des  schwind elhaften  Zusammen- 
hangs willen  und  wir  dürfen  aus  der  Stelle  keine  Bereicherung  unserer 
„Altertümer"  schöpfen,  wie  wir  auch  nicht  an  die  archivalische  Forschung 
des  Vop.  glauben  können'^). 


Ulpia,  aetate  mea  iherviis  Diocletiams(\)  —  A.  Gercke,  bei  Gercke-Norden,  Ein- 
leitung in  die  Alteiiumswissenschaft  I  (1910)  S.  8  nennt  die  Ulpia  Traians  die  Haupt- 
bibliothek de.s  5.  Jahrhunderts,  zum  Ressort  des  Stadtpräfekten  gehörig.  Vgl.  auch 
Kiepert-Hülsen,  Formae  urhis  Romae  antiquae,  Berl.  1896  S.  1-5,  u.  H.  Jordan,  Topo- 
grapJiie  von  Born  1  2  (1885)  S.  463  f.  —  Zum  Ausdruck  habet  etc.  (=  frz.  il  y  a) 
vgl.  Smi  in  Bursians  Jahresbericht  Bd.  XL.  (1884),  S.  338,  wonach  Krauss,  De  prae- 
positionum  iisu  apud  sex  S.  h.  A.  Diss.  Wien  1882  S.  89  Anm.  127  geschlossen  hat, 
dass  diesem  Sprachgebrauch  zufolge  Vop.  Gallier  gewesen  sei. 

1)  Dass  wir  allerdings  bei  dem  hctioniirium  elephnntu  et  auro  parattim  des  Rat- 
pertus  (h  casihus  S.  Galli  cap.  10  {M.  G.,  Script.  II.  S.  72  Z.  10  ed.  Pertz)  an  einen 
elfenbeinernen  Buchdeckel  zu  denken  haben,  ist  klar;  Goldast  (in  den  Seriptores  rerum 
Alamannicarum  3.  ed.  cura  Senckenbery,  Frankfurt-Leipzig  1730,  1.,  1  S.  109)  zieht  ja  un- 
sere Stelle  nur  zum  Beleg  dafür  bei,  dass  elephanlo  für  ebnre  gebraucht  werden  könne. 

2)  Vgl  Kubitschek  bei  P.-W.  1,  Sp.  290:  ,in  der  v.  Tac.  8,  1  u.  2  gibt  Vop.  so- 
gar eine  detaillierte  Darstellung  dieses  Quellenstudiums,  erschüttert  aber  eben  da- 
durch unser  Zutrauen.  .  .  ."• 

64 


296  F.n»if  Hohl. 

Cap.  7.2  hatte  be<fonnen:  Inde  itum  ad  ranipum  Murtium.  nbi  co- 
mUiale  tribunal  ascend/t:  dieselbe  Wendung  trilninal  ascendU  kehrt  auch 
Tac.  8,3  wieder.  Man  beachte  die  inopia  verboruni.  8,  3  heisst  es:  Inde 
nd  exercihis  profecfiis.  Un  qiioque  etc..  cf.  9,  1  po  st  hoc.  Begegnen  uns 
derartige  Verknüpfungen  im  ersten  Teil  der  S.  h.  A.,  so  haben  wir  ihnen 
grosse  Aufmerksamkeit  zuzuwenden  und  uns  die  Frage  vorzulegen,  ob  hier 
nicht  Spuren  eines  chronologisch-sachlichen  Berichtes  vorliegen.  Für  un- 
sere Vita  ergibt  sich  sofort,  dass  von  solchen  nicht  die  Kede  sein  kann '). 
—  Der  pi'aef.  praet.  Moesius  Gallicanus  kommt  nur  hier  vor  (vgl.  P.I.B. 
II.  S.  385.  M  Nr.  487)  -).  Wir  köunen  an  seiner  Geschichtlichkeit  umso 
mehr  zweifeln,  als  nach  den  griechischen  Berichten  Tacitus  den  Florianus 
zum  Gardepräfekten  machte.  —  Zu  cap.  8,4  sanctissimicommiHUmes  (ebenso 
sagt  der  Kaiser  cap.  8.  5)  s.  o.  S.  293.  Die  Formel  parere  praeceptis  ist 
sehr  beliebt:  vgl.  Vop.  J.  1,9;  Festus  1,  Oros.  adv.  pag.,  proh  1.  — 
dignmüer  in  cap.  8,  4  ist  äna^  eIq^^ievov.  —  Auffallend  ist  der  Gebrauch 
von  castrenses  für  die  Prätorianer;  das  Wort  bezeichnet  ursprünglich 
das  Hofgesinde,  vgl.  Hirsehfeld,  Verwaltungshcamte'^  S.  313  ff.  (Vgl.  aber 
den  castrensis  sacri  palatii  [Notiila  dign. :  siehe  Schiller  a.  a.  0.  II  S.  107]. 
Offenbar  handelt  es  sieh  um  einen  hohen  Beamten).  —  Dass  Tacitus  in 
seiner  Ansprache  das  verwendet,  was  schon  in  einer  Akklamation  des 
Senats  vorkam,  ist  wieder  recht  bezeichnend  für  die  jämmerliche  Arbeit 
des  Vop.  ^).  Tac  8.5  Et  Traianus  ad  impcrmm  senex*)  venu  =  5,1 
jEf  Traiamis  ad  imperium  seiiex  renif.  dixermtt  decies  (an  der  früheren 
Stelle,  Tac.  5,  1.  wird  dasselbe  auch  noch  von  Hadrian  und  Antoninus  ver- 
sichert). 

Cap.  9  bringt  die  prima  oratio  ad  senatum  (vgl.  hiezu  Mommsen. 
Jiöm.  St.-B.  II.  2^  S.  791.  wonach  u.  a.  besondei-es  Gewicht  gelegt  wurde 
auf  die  erste  Ansprache  des  anwesenden  oder  den  ersten  Erlass  des  ab- 
wesenden Kaisers  an  den  Senat).  Es  ist  geradezu  das  Programm  der 
SenatsheiTschaft  ^).  das  hier  von  Tacitus,  oder  vielmehr  von  Vop.  aufge- 
stellt wird.  Tacitus  will  danach  nur  von  Seuatsgnaden  Kaiser  sein.  Er 
ist  dessen  „Geschäftsführer".  (Mommsen  a.  a.  0.  S.  873).  —  Tac.  9,2: 
3;  4  und  6  werden  je  mit  In  cadem  oratione  eine  Anzahl  kaiserlicher  Er- 

1)  Man  erfährt  ja  überhaupt  nicht,  wo  Tacitus  das  Heer  aufsucht.  (Plur. :  exer- 
citus'.  Nach  Herrn  Prof.  Kornemanns  Ansicht  sind  trotzdem  in  der  Hauptsache  wohl 
nur  die  Prätorianer  und  die  italische  Legion  gemeint,  denn  offenbar  verlasse  Tac. 
die  Hauptstadt  gar  nicht  [vgl.  9.   1]). 

2)  Ein  Prätorianerpräfekt  Mulvius  Gallicanus  steht  J'r.  4.  :3  (unter  Valerian)  s. 
Dannhäuser,  a.  a.  0.  S.  17  Anm.  3. 

3)  Vgl.  Peter.  Die  S.  h    A.  S.  171  Anm.  1. 

4)  Traian  kam  im  Anfang  der  vierziger  Jahre  zur  Regierung  s.  Hirschfeld.  S.-B. 
a.  a.  0.  (1905)  S.  937. 

5)  Vgl.  Herzog,  Geschichte  utid  System  der  römischeti  Staat^veriraltuiifi  Bd.  II  (1887) 
S.  587, 

65 


VopiscHs  und  die  Bioj/ni/iliic  des  Kaisers  Tadtits.  297 

hisse  zu  der  Rede  in  Beziehung  gesetzt,  mit  der  sie  gar  nichts  zu  tun 
haben.  —  Wenn  cap.  9,  2  berichtet  wird,  dass  für  Aurelian  eine  goldene 
und  mehrere  silberne  Statuen  bestimmt  wurden,  dass  aber  nur  silberne 
cjeweiht  wurden,  so  ist  die  statiia  aurea  ponenda  in  Capitolio  eine  deut- 
liche Dublette  zu  der  ganz  ausserordentlichen  Ehre,  die  dem  Gotensieger 
Claudius  II.  zuerkannt  wurde  ')•  Bei  Claudius  ging  die  Ehrung  vom  Senat 
aus.  —  Tacitus  soll  durch  diese  Handlungen  als  der  legitime  Herrscher 
hingestellt  werden,  der  auch  zu  seinem  Vorgänger  noch  nach  dessen  Tod 
eine  korrekte  Haltung  einnimmt.  —  Ob  Tacitus  die  in  cap.  9,  3  angege- 
bene Bestimmung  gegen  die  Metallverschlechterung  erlassen  hat,  können 
wir  nicht  entscheiden.  Bezweifeln  wird  man  es  für  die  prima  oratio  dürfen. 
Dagegen  hat  nach  Stein  bei  F.-W.  III.  Sp.  2876  unter  Tacitus  der  Senat 
vorübergehend  wieder  das  Recht  der  Münzprägung  zurückerhalten,  das 
ihm  Aurelian  entzogen  hatte.  Denn  auf  den  Münzen  erscheint  wieder  das 
Senatszeichen  S  C  (vgl.  H.  Schiller,  a.  a.  0.  I  (1883)  S.  873  und  Mommsen, 
Gesch.  d.  röm.  Münzwesens  (1860)  S.  747,  Anm.  9).  —  Cap.  9,  -t  bringt 
das  Verbot  des  Zeugnisses  von  Sklaven  gegen  den  eigenen  Herrn  (Stein, 
a.  a.  0.  Sp.  2877  vergleicht  Tac.  Ann.  II  30  und  III  67 :  —  vielleicht 
ässt  sich  auch  die  Bestimmung  der  v.  H.  18,  11  beiziehen).  —  Die  Vei-- 
ordnung  (cap.  9.5).  dass  jedermann^)  ein  Bild  des  Aurelian  besitzen  müsse, 
ist  schwerlich  von  Tacitus  erlassen  worden.  Auch  dieser  Zug  soll  nur 
seine  Loyalität  gegen  den  Vorgänger  bekunden.  —  Die  Einrichtung  eines 
gemeinsamen  Kultes  aller  divinisierten  Kaiser  (vgl.  Stein,  a.  a.  0.  Sp. 
2877,  der  Tcrsehentlich  hiezu  Mommsen,  Rom.  Miinztaesen  zitiert  —  das 
Zitat  muss  sich  auf  lac.  9,  3  beziehen  — )  verdankt  wohl  ihre  Entstehung 
einer  Reminiszenz  an  Severus  Alesander  (s.  Lecrivain  a.  a.  0.  S.  369  Anm.  1, 
der  .4.  S.  28,  6  ^)  zitiert,  und  Suet.  Aue/.  31,  5).  —  In  cap.  9,  6  folgt  die  Xacii- 
riclit,  dass  Tac.  für  seinen  „Bruder"  (s.  5,  2)  Florianus  in  eadem  orafione 
den  Senat  um  das  Konsulat  gebeten  habe,  dass  diese  Bitte  aber  abge- 
sclilagen  worden  sei.  weil  der  Senat  die  Nundinen  der  consides  snffedi 
schon  geschlossen  hatte  (vgl.  Mommsen,  Rom.  Sf.-R.  II,  2^  S.  928*  Anm.  3. 
der  nicht  entscheiden  will,  ob  die  spätere  Sitte  des  i.  .lahrhunderts,  nach 
der  die  coiisides  snffedi  von  den  Senaten  beider  Hauptstädte  bestellt  wurden, 
irrig  auf  diese  Epoche  bezogen  ist  oder  die  Aenderung  in  der  Tat  auf 
Aurelian  zurückgeht).  —  Die  Uebertragung  der  späteren  Sitte  auf  die  frü- 
here Zeit  ist  wohl  sicher ;  ist  doch  auch  sonst  kein  Mangel  an  Anachro- 

1)  Vgl.  Treb.  Pollio  CL  3.  4  ii.  7.  6;  Eutrop  IX  U.  2:  Epitome  34,  4;  Euseb.- 
Hier.  z.  J.  Ahr.  2286;  Chroii.  Oall.  -511  (Momms<;ii.  Chroii.  viiii.  I.  S.  642)  Nr.  426; 
u.  Rappaport  a.  a.  0.  S.  93  Anm.  2. 

2)  Bezw.  jeder  Senator  (s.  Friedliiiider,  SitteiH/erichichle  III  1910"  S.  249  Anm.  .5) 
—  aber  die  Bestimmung  ist  wohl  von  Vop.  allgemein  gedacht,  da  ja  auch  die  an- 
deren Verfügungen  nicht  ausschliesslich  den  Senat  betreffen.  Lecrivain  a.  a.  0.  S.  369 
Anm.  2  erinnert  an  MA  18,  5 — 6. 

3)  S.  Thiele  a.  a.  0.  S.  24  f. 

K  1  i  o,  lU'itr.iRe  zur  alten  Geschichte  XI  3.  20 

66 


298 


Ernst  HohL 


nismen ').  Die  Pointe  der  Erzählung  ist  aufdrinjilicL  genug :  cap.  9, 6 
Seit  senutxs  quem  prindpem  fcecrit.  (Beachte  auch  dicitiir,  fertnr  als  eine 
Art  Vorbehalt  des  Vop. !) 

Für  V.  Tac.  10  und  11  (Privatleben  des  Kaisers)  ergeben  sich  zahl- 
reiche Beziehungen  auf  die  v.  AS  [u.  i/c/.]  -),  die  ich  zunächst  zusammen- 
stelle : 


Tae.  10.1  Einfachheit  in  der  Kleidung 

Tae.  10,2 
meritorki  iiitra  urhem  stare  vctuü  etc. 

Tae.  10,3 
thermas  omnes   ante   litcernam  claudi 
iussU.  .  .  . 


vgl.  AS  40,  7  ff. 
AS  24,  4  [cf.  39,  2]  (Verbot  der  ex^o- 
h'ti  geplant)  soll  übertrumpft  werden. 

AS  24,  6 
adcliclit  et  oJeiiin  Iioninihns  fheniiannii. 
cum  untea  et  ante  nonam  non  paterent 
et  ante  soUs  occasnm  clanderenttir  vgl. 
Thiele  a.  a.  0.  S.  18. 
AS  40, 1 
[Ji^ihsericam    [sc.    vcstem^    niDiiqiirim 


Inc.  10,4 
Holosericam  vestem  viris  omnibus  in- 
ierdixit    [vgl.    A   45,  4    Vestem   holo-  ■  indiiit. 

sericam  neqiie   ipse   in   vestiario    suo ,  Gegenbeispiel :   HeJ.   26,  1 :     Friinus 
habuit  neque  alten  tdendum  dedit'\      1  Romanorum  holoserica  veste  usus  fcr- 

\  tur  .  .  . 

Tac.  10,4  j  AS  25,3 

Domum  sitam  destnii  praecepit  atqne  nemits  thermis  suis  de privatis  aediius 


in  eo  loco  thermas  xxuilicas  fieri  p  r  i- 
vato  Sil m}) tu  (=:  Suet.  Caes.  24,  2) 
hissit 


Tac.  10,5 
possessiones,  qiias  in  Mauretania  Jia- 


siii.s,  quas  emerat,  dirutis  aedißciis  fccit. 
Gegenbeispiel :  Hei.  30,  7  dicitnr  et 
halneas  fccissc  miiltis  locis  ac  semel 
lavisse  otque  statim  destruxisse,  ne  ex 
usu  hahieas  haberet 

AS  24,  3 
lenonum   vedigal   et   meretriciim  .  .  . 


1)  So  haben  wir  oben  (S.  291  Anm.  2)  gehört,  dass  nach  Hirschfeld  a.  a.  0. 
S.  936  ff.  die  f^itte,  die  Zahl  der  Akklamationen  im  Senatsprotokoll  zu  verzeichnen, 
erst  in  nachconstantinischer  Zeit  aufgekommen  sei.  —  Die  ausserordentliche  Bedeu- 
tung des  Stadtpräfekten  passt  erst  in  theodosianische  Zeit  (s.  o.  S.  293).  —  Ebenso 
verdächtig  ist  die  Behauptung,  dass  die  Appellationsgerichtsbarkeit  dem  Stadtprä- 
fekten übertragen  worden  sei  {Tac.  18,  3  u.  .5;  19,  2).  —  Mommsen,  S<.-Jf.  IP  S.  987 
Anm.  3  bezeichnet  zwar  die  Echtheit  der  betr.  Dokumente  als  mehr  denn  zweifel- 
haft ;  aber  der  Sache  nach  sei  die  unter  Constantin  geschriebene  Notiz  wohl  richtig. 
Vgl.  Vigneaux  a.  a.  0.  S.  75  Anm.  4:  ,oü  les  documents  cites  sont  suspects,  mais 
le  fait  certain".  Da  aber  m.  E.  Vopiscus  nicht  unter  Constantin.  sondern  um  die 
Wende  des  4.  Jahrhunderts  geschrieben  hat,  so  verliert  die  Angabe  jeden  Wert. 

2)  Vg.  K.  Hönn,  QueUenuiiierauchungen  etc.  S.  4*  A.  9:  ,Der  Biograph,  der  eine 
Vereinigung  der  Macrinsvita  mit  denen  des  Diadumenian.  Elagabal  und  Alexander 
herstellte,  hat  seine  Hand  auch  weiterhin  noch  im  Spiele  gehabt,  und  vor  allem  die 
Gordiansvita,  ferner  die  des  Aurelian,  Tacitusund  Probus  sind  voll  von  gegensei- 
tigen Beziehungen."  —  Zu  Heliogabal  als  „Gegenbeispiel"  passt  gut  Tac.  6,  4. 


67 


Vopiscus  und  die  Biographie  des  Kaisers  Tacitus. 


299 


/<«//,  sartis  tectis  Capitulii  deputacit 


Tue.  10,6 
argentum  menside,   qiiod  privatus  ha- 
buerat,    iitirdstcriis  conviviorum,   quae 
in  templis  fierent,  dedicavit 

Tac.  11,1 
Ipse   fuit   vitae  parcissimae ,    ifa    ut 
sextarium  vini  tota  die  numquam  po- 
taverit,    saepe   intra    Jicniinam    {änaü, 
Aeyöfievov) 

Tue.  11,2 
convivmm  vero  imius  gallina  cei, 
ita  ut  sinciput  {an.  Zey.)  adderet  et  ova 

Tac.  11,2 
iucfucis  inputienfer  {an.  /fy.)  i  n  d  u  I- 
s  i  f  '). 

Tue.  11,3 
haineis  raro  usus  est  .  .  . 


sunqjfihus  pMieis  ad  instauratinnem 
the.atri,  cirei,  aniphit]ieatri,  stadii  de- 
p  u  t  a  V  i  t 

llel  29,4 
(Gegenbeispiel)    donaoit   et   argentum 
omnc  convivis,  quod  huhuit  in  eamüeio, 
et  omneni   apparatum  poculorum,  id- 
que  saepius 

AS  37,  3 
usus  eonvioii  diuriii  (für  die  ganze 
Tafel)  hie  fuit:  riui  ad  totuin  dient 
sextarii  triginta,  etc.  —  37, 11  ipse 
.  .  .  vino  neque  imrce  neque  copiose, 
adfatim  turnen  (sc.  referciehatur). 

ÄS  37,  5 
erant   (sc.  decreta)   et  g  a  1 1  i  u  a  c ei 
dno 

AS  37, 10 
pomis  vehementer  i n  d  u  J s  it 


Hei.  30,4 
Gegenspiel:  Hei.  und  seine  Genossen 
baden  per  singtda  ferculu  (I) 

Tac.  11,4  'aS  34,1 

nitoris   eenatorii   {scnatorii  codd. ;    In  conrivio  aurum  nescit,  pocula  me- 
coni.  Mommsen  [Hermes  2-5,  S.  292  =  j  diocria  sed   n  i  t  i  d  a    semper    hahuit 
Ges.  Sehr.  VII  S.  362]).  —  Der  Ein-  37,  2  convivium  . .  .  nitoris  summi 
Spruch,  den   L.    C.  Purser  a.   a.   0.  fuit 
S.    14  gegen   Mommsens    Konjektur 
erhebt,  erledigt   sich   durch  die  Pa- 
rallele. Uebrigens  ist  eenatorii  natür- 
lich nicht    als  Subst.  zu  fassen,   wie 
Purser   meint  („dining-room",    son- ; 
dem  als  Adj.  (vgl.  Max.  30,5  cestis 
cenatoria) 

Tue.  11,  5  AS  37,  6 

fa  s  ia  II  am  avem  nisi  suo  et  suo-  kalendis  autem  lanuariis  et  Hilariis 
rum  nutali  et  diehus  festissi-  matris  deum  et  ludis  ApoUinaribus 
m  i  s  non  p  o  s  u  i  t  et  lovis  epulo  et  Saturnalibus  et  huius 

\  modi  festis  d  iebu  s  fasianus 


1)  Für  diesen  Gebrauch  von  uuhdgere  (bei  Genussmitteln)  vgl.  Aen.  IX  165  indul- 
gent  vinö  [s.  Forcellini,  Totius  latiniUttis  lexicon  III  (1S6.5)  S.  470,  iiidiilgere  2]  und 
a  3, 3  viiio. 

20* 


300 


Ernst  Hohl, 


Tac.  11,6 
itxorem  (/ciinn/s  uti  iio»  est  passiis 


Tac.  11.  6 


(sc.  (tdhibehatur).  iht  iii  (iliiiwunla  et 
chto  ponerentur  additis  (jaUiruieeis 
duobiis.  Gegenbeispiel  IIcL  (vgl.  z. 
B.  21,2  .  .  et  psittucis  atqtte  fa  s  i  a- 
n  i  s  lc(»ies  pavit  et  alia  animalia) 

AS  51,1—3 
(/cmmas  sibi  obJatas  rendidit,  niid/ebre 
esse  aestimans  gemmas  possidere,  quae 
neque  militi  dari  possint  neqite  a  viro 
haberi.  2  cum  quidam  Jegatus  uniones 
duos  ttxori  eins  per  ipsian  obtidisset 
mcigni  ponderis  et  inusitatac  mensnrae, 
vendi  eos  iiissit.  3  cum  pretimn  non 
inveiiirent,  ne  excmplum  malum  a  re- 
gina  nasceretur,  si  eo  läeretur,  quod 
emi  non  posset,  inmmbns  Veneris  eos 
dicavit  (vgl.  auch  AS  41,  1) 
AS  34,  5 

(iura  clavatis  vestibus   /dem  iuterdi.rit  lunidain    vestem    minisfroridii    rel    in 
—  clavnre.    Part.  Pf.  AS  37,  2  iihdi-  p/diliro  convirio  iiidli(s  lialiidt 
telia  cocco  .  .  .  clavcda ;    Q  15,  8  fn- 
nicam  auro  clavatam.  Vgl.  Thesaurus  [ 
lingnae  Latinae  III,  Sp.  1318  f.   Da-, 
nach  kommt  das  Wort  ausser  un  den 
obigen  Stellen  der  HA  nur  bei  Kir- 
chensehrift  st  ellern.  Gram- 
matikern und  Glossatoren  vor. 

Tac.  16.2  Geo-enbeispiel:   Hcl.  30.1 

Tmago  eins  posita  est  in  Qiiintiliorion,  i  Pinxit  se  vt  coppedinarinm,  ut  se- 
in una  tabula  quinquiplex,  in  qtia\j)lasiarium,idpopi)inrium,Httnherna- 
srmel  togatus,  semel  clamydatus,  semel  \  ritim,  td  lenonem,  idcjuc  toium  domi 
(irmafiis.  semel  judlintus,  semel  vcna-  \  semper  et  exercuit.  —  Also  der  Kaiser 
torio  habitu  Tacitus  ist  in  fünf  verscliiedenen,  wür- 

digen Kostümen  dargestellt,  während 
Elagabal    sich    selbst    ebenso    oft   in 
höchst   unwürdigem   Aufzug    gemalt 
hatte'). 
Diese  zahlreichen  Beziehungen  (vgl.   auch  unten  S.  314)  können  nicht 
zufälliger  Natur  sein.     Denn  wenn  wir  uns  auch  erinnern,  wie  unheilvoll 
die  imitatio  Sueto7ii  auf  die   biographischen  Schilderungen  eingewirkt  hat 

1)  Ein  grosses,  selbstgemaltes  Bild  des  Elagabal  in  einheimischer  Priestertracht 
erwähnt  übrigens  Herodian  V  .1,6  (vgl.  Friedländer,  Sittengeschichte  Roms  lll^  S.  238 
[=r  1910«  S.  248  f.].  wo  aber  die  Herodianstelle  falsch  zitiert  istl. 


69 


Vop/siiis  und  (J/e  BiiKjrnphie  des  Kaisers  Tacitus.  -^01 

uiiil  wie  niant-he  Züge  fast  niil  Nütweiuligkeit  sich  immer  und  immer 
wieder  aiitVhängen  mussten,  so  liegt  doch  in  unserem  Fall  allem  Anschein 
nach  Absicht  vor.  War  doch  Severus  Alexander  ein  ganz  passender  Vor- 
gänger für  den  Senatskaiser  Tacitus  und  die  Fulie  für  diese  senatsfreund- 
licJien  Liclitgestalten  mnsste  Elagabal  abgeben.  Entweder  ist  nun  Vo- 
piscus  für  die  Darstellung  des  Privatlebens  des  Tacitus  der  r.  AS  gefolgt 
—  Fr.  2,  7  nennt  er  den  Aelius  Lampridius,  den  angeblichen  Verfasser 
von  ^-l.S^.  unter  seinen  Vorbildern ')  —  oder  aber  —  und  dieser  Ansicht 
möchte  ich  mich  eher  zuneigen  —  w'ir  haben  es  beidemal  mit  einer  und 
derselben  Person,  dem  sog.   Vopiscus.  zu  tun  ^). 

Zu  Gunsten  der  letzteren  Ansicht,  die  ich  zurzeit  nur  unter  Vor- 
behalt aussprechen  darf,  scheint  noch  folgendes  zu  sprechen: 

^45'  37.  9  wird  für  weitere  Einzelheiten  über  die  Lebenshaltung  des 
Severus  Alexander  genau  so  auf  einen  Spezialschriftsteller  verwiesen,  wie 
Tac.  11,  7  an  der  entsprechenden  Stelle: 

AS  37.9  I  Tar.  11.7 

.  .  He  luiif/iüH  Sit  ODüiia  üiserere,  (juae ,  qttud  sl  qiiis  omuia  de  hoc  r/ro  cupit 
Gargilius  eins  temporis  seriptor  sin-  scire ,  legat  Suetonium  Optatianiim, 
giUatim  persecutiis  est,  ...  '  qui  eins  vifam  adfatim  scripsit 

Gargilius  wird  nur  hier  und  Vop.  Pr.  2,  7  genannt;  ebenso  ist  Suetonius 
Optatianus  (über  ihn  s.  u.  S.  306)  nur  an  dieser  Stelle  erwähnt.  Pr.  2.  7 
werden  als  Vorbilder  des  Vopiscus  u.  a.  Fabius  Marcellinus  und  Gargilius 
Martialis  ^)  genannt.  Fabius  Marcellinus,  ein  angeblicher  Biograph  des 
Traian,  kommt  nun  aber  nur  noch  einmal  in  der  H.  A.  vor  und  zwar,  w-ie 
Gargilius,  in  v.  AS  (48,  6).    Diese  Sachlage  ist  sehr  bemerkenswert^).    Wo- 

1)  Peter  in  seiner  Ausiiahe  hat  Pr.  2,  7  luliiim  Capäoliiitim,  Aelium  Lampridium 
als  interpoliert  eingeklammert.  Demgegenüber  hat  Mommsen  völlig  Recht  [Hermes 
25  S.  245  Anm.  1  ^  Ges.  Sehr.  VII  S.  318  Anm.  1):  ,Hier  die  an  sich  nicht  verdäch- 
tigen Namen  wegen  der  zerrütteten  Subskriptionen  zu  streichen,  kann  ich  nicht 
richtig  finden''.     Vgl.  auch  Giri  a.  a.  0.  S.  37  ff. 

2)  Dass  übrigens  der  biographische  Bestand  der  v.  AS  ,  absolut  wertlos-  ist.  hat 
K.  Hönn,   QueJtenuntersuchimgen  etc.  S.  20  ausdrücklich  betont. 

3)  Der  Name  Gargilius  Martialis  verdient  ein  Wort.  Wie  wir  sahen,  steht  AS 
37,  9  nur  Gargilius.  Nun  wird  aber  AS  38,  also  unmittelbar  nachher,  der  bekannte 
Epigrammatiker  Martial  zitiert.  Da  nun  Vop.  Pr.  2,  7  lauter  Doppelnamen  gibt,  so 
genügte  ihm  Gargilius  nicht.  Er  sagt  also  einfach  Gargilius  Martialis  (so  hiess  be- 
kanntlich ein  landwirtschaftlicher  Schriftsteller  des  3.  Jahrhunderts).  Wie  genau 
muss  er  danach  die  r.  AS  gekannt  haben,  wenn  sieh  ihm  sofort  diese  Assoziation 
aufdrängt  und  wie  unglaublich  war  die  Frechheit  im  Erfinden  eines  neuen  Biographen- 
namens! —  AS  40.6  ist  ein  Aureliiis  Probiis  bafiis  praepositus  erwähnt.  Sollte  das 
nicht  eine  weitere  Spur  des  Vop.  bedeuten,  der  ein  so  grosser  Verehrer  des  Kaisers 
desselben  Namens  ist"? 

4)  Wie  ich  aus  dem  Korrekturbogen  ersehe,  sagt  K.  Hönn  a.  a.  0.  , Gargilius 
und  Fabius  Marcellinus  erscheinen  ausser  in  der  Alexandervita  bezeichnenderweise 
nur  noch  Pr.  2,  7.  Den  Gargilius  nennt  zwar  der  Biograph  37,  9  eins  temporis  scrip- 
tor  u.  Pr.  2,  7  sagt  er  gar,   dass  er  Marium  Maximum^  Suetonium  Tranquilhim,  Fa- 

70 


302  Ernst  Hohl, 

her  kommt  das  aiiffalleiule  Interesse,  das  Vopiscus  gerade  für  zwei  in  AS 
genannte  Biographen  zeigt?  Die  ganze  Mache  in  AS  37.  9  und  Tac.  11,  7 
ist  genau  dieselbe. 

Nach  dieser  Vergleichung  kehren  wir  zu  Tue.  10,  1  zurück.  Mommsen, 
EöniiscJie!!  Sfantsrccht  IL  2  ^  S.  999*  Anm.  1  sagt:  ,Wenn  von  Tacitus  ge- 
sagt wird  {tdfa  10):  patrimonmm  siiinn  puhJicavit  .  .  .  ')  so  wird  hier  schon 
der  Fiscus  geradezu  als  Staatskasse  gefasst"^).  Aber  es  handelt  sich  an 
unserer  Stelle  doch  um  das  persönliche  Erbe,  das  Patrimonium  privatum. 
Mit  Recht  verweist  Le'crivain  a.  a.  0.  S.  370  auf  AF  7,  9  (Patrimonium 
privatum  in  filiam  contulit,  sed  fruetus  rei  puhlicae  donarif;  —  vgl.  auch 
AP  12,  8).  Dadurch  dass  Tacitus  sein  persönliches  Erbe  zu  Staatseigen- 
tum gemacht  haben  soll,  werden  Antoninus  Pius.  Pei-tinax  (Cass.  Dio  73,  7) 
und  Didius  lulianus  (DI  8,  9)  übertrumpft  ^).  —  Das  Verbot  der  Freu- 
denhäuser (meritoria)  innerhalb  der  Stadt  bedeutet  —  im  Sinn  des  Bio- 
graphen —  eine  üebertrumpfung  des  Philippus  Arabs  und  des  Severus 
Alexander.  Nach  Aur.  Vict.  Caes.  28, 6  suchte  der  erstere  wenigstens 
der  männlichen  Prostitution  zu  steuern  (vgl.  auch  ÄS  24.  4  [nach  Thiele 
a.  a.  0.  S.  17  würde  die  Stelle  Vertrauen  verdienen];  Hei.  32,6).  Se- 
verus Alexander  dachte  zwar  daran  (AS  24.  4  und  39.  2).  das  öffentliche 
Unwesen  der  exsoleti  zu  verbieten,  befürchtete  aber  durch  ein  Verbot  die 
Sache  zu  verschlimmern,  da  das  Verbotene  noch  mehr  reize ;  die  gleiche 
Ueberlegung  findet  sich  bei  Aur.  Vict.  Caes.  28,  7.  Dass  Vopiscus,  der 
nicht  einmal  den  vollen  Namen  des  Kaisers  Tacitus  richtig  anzugeben 
weiss  (s.  Peter,  Die  S.  h.  A.  S.  151,  oben  S.  290  Anm.  3).  solche  Einzel- 
heiten ■wirklieh  gewusst  hätte,  ist  ausgeschlossen.  Wölfflin  a.  a.  0.  S.  519  f. 
wollte  übrigens  „die  Hand  des  Vopiscus  in  PN  3.10-*)  haheiit  pro  cuhi- 
cidis  meritoria  erkennen,  da  dieses  seltene,  auch  aus  Firmicus  Matemus 
math.  6,  31  bekannte  Wort  unter  den  S.  h.  A.  nur  von  Vop.  Tac.  10, 2 
(meritoria  intra  iirhem  stare  vetuit  [von  Salmasius  wegen  des  stare  von  den 
meretrices  gefasst])  gebraucht  ist  und  beide  Autoren  Sizilianer  waren". 
Das  Wort  meriforium  glaube  ich  übrigens  auch  bei  Aur.  Vict  Caes.  28,  6 
belegen  zu  können:  tum  quin  forte  praeteriens  filii  similem  pro  merüorio 
ephehum  conspexerat  (sc.  Philippus  Arabs).  Man  hat  an  pro  meritoria  sc. 
puero  gedacht;  ich  fasse  die  Bezeichnung  lokal  (vgl.  28,  7  condicione  loci 


bium  MarcelHnum,  Garfiilii(m  Mtniialem  imitari,   aber   das   wird   man   ihm   natürlich 
nicht  glauben". 

1)  Zum  Ausdruck  vgl.  PN  6,  1  Patrimonium  piibUcatuni. 

2)  Vgl.  dagegen  Hirscbfeld.  Die  kaiserlichen    Verwciltutigsbeamfen-  S.  8  f. 

3)  Ich  verdanke  diese  Erklärung  der  Güte  des  Herrn  Prof.  Kornemann. 

4)  Hierzu  bemerkt  Herr  Prof.  Kornemann:  ,11.  E.  ist  die  epistidn  PN  3,  9  f.  ein 
Einschiebsel  des  Sehlussredaktors,  vgl.  Gallias  regentem.  G«?/!as  ist  hier  un- 
sinnig und  hervorgerufen  durch  Gallias  3, 4".  Nach  meiner  Ansicht  (s.  u.)  ist  nun 
aber  Vopiscus  identisch  mit  dem  Schlussredaktor,  wie  das  ja  Wölfflin  zuerst  ange- 
nommen hatte. 

71 


Vopiscils  1111(1  die  Bioijnipliie  des  Kaisers  Tncitns.  303 

»Ditiilii)  und  übersetze  „vor  einem  Bordell'.  —  Zur  Bej^ründung  des  Ge- 
bots, mit  Einbruch  der  Dunkelheit  die  Thermen  zu  schliessen  (ne  quid 
per  noetem  seditioiiis  oriretiir),  lässt  sich  eine  freilich  etwas  abliegende  Pa- 
rallele ziehen:  Im  tnaQxiy.bv  ßißXiov  (aus  dem  10.  Jahrhundert)  von  Kon- 
sfanfinopcl.  ed.  .1.  Nieole,  Genf  189:J  findet  sich  der  Wirtschaftsschluss 
ähnlich  motiviert  (XIX  3) :  t'va  fiij  .  .  .  döeojg  f/;  /i(i/u^  y.ai  ßiac  xa'i  <ha- 
q>OQ(cg  y.a raxQ r^ii riiwr rai . 

P.  von  Winterfeld.  SafzscJdusssfxdien  zu  den  S.  h.  A.,  Hheiii.  Mus.  57 
(1902)8.556,  will  der  Klausel  zulieb  Tue.  10,2  statt  „seditionis  orirrtur" 
„sed.  oreretur"  schreiben.  Nun  mögen  die  Studien  Winterfelds  z.  B.  für  die 
V.  H.  von  grosser  Bedeutung  sein  (vgl.  Kornemann,  der  in  SeeVujers  Hist. 
Vierteljnlirssrlirift  VIII  (1900)  S.  82  bei  Schulz.  LeJmi  des  Kaisers  Ha- 
drinn  (1904)  Stellungnahme  zu  Winterfelds  Forschungen  vermisst  und 
selbst  in  seinem  Buch  Kaiser  Hudrian  aus  ihnen  Nutzen  zog;  s.  auch 
Leo,  Die  griech.-röni.  Bioc/r.  S.  279:  Satzschluss  in  einigen  älteren  Bio- 
graphien der  H.  A.,  bes.  P)  •).  Da  sich  nun  aber  Winterfeld  für  Vop. 
leider  mit  einigen  Stichproben  begnügt  hat,  so  ist  das  Postulat  des  Satz- 
schlusses für  den  ganzen  Umfang  seiner  schriftstellerischen  Tätigkeit  keines- 
wegs gesichert,  umso  weniger,  als  Winterfeld  sich  zu  Aenderungen  ge- 
nötigt sieht,  um  ihn  in  einigen  Fällen  erst  herzustellen.  Das  ist  aber 
nach  Ed.  Norden,  Antike  Kunstprosu  IF  S.  953  auf  unsicherer  Grundlage 
ganz  unzulässig.  Es  ist  auch  ein  grosser  Unterschied,  ob  es  sich  um  eine  Hede 
(vgl.  oben  S.  292  Anm.  2)  oder  ein  Prooemium  bezw.  einen  Epilog  handelt, 
oder  aber  um  den  eigentlichen  Text.  Ehe  nicht  einwandfrei  nachgewiesen 
ist,  dass  ein  Autor  die  Prinzipien  der  rhythmischen  Klausel  durchweg, 
nicht  bloss  an  gehobenen  Stellen  befolgt,  ist  man  dem  Spiel  des  Zufalls 
ausgesetzt,  darf  man  doch  nie  vergessen,  wie  leicht  auch  einem  ganz 
kunstlos  schreibenden  Autor  ein  Satzschluss  in  die   Feder  fliessen  kann^). 

Cap.  10,  3  kommt  die  törichte  Behauptung,  der  Kaiser  stamme  von 
Cornelius  Tacitus,  scriptor  historiae  AnfiHst(i(\  ab  und  zwar  nach  seiner 
eigenen  Behauptung.  Dass  eine  Verwandtschaft  schon  durch  die  verschie- 
denen Gentilnamen  ganz  ausgeschlossen  ist,  hat  man  längst  erkannt  (s. 
Stein  bei  P.-  W.  III,  Sp.  2873).  Zweifellos  haben  wir  es  mit  einer  höchst 
törichten  Erfindung  des  Vop.  selbst  zu  tun.  der  ja  den  Historiker  Ta- 
citus   in   Ä    2,  1    und    Fr.   2,  7    erwähnt    (vgl.    o.    S.  290    Anm.  4)').    — 

1)  Vgl.  übrigens  K.  Hönn.  Beiitsche  Literaturzeitimg  1910  Sp.  1195:  .Die  Verf. 
(Ornia  Fitch  Butler)  nimmt  nicht  einmal  zu  so  verfehlten  (von  mir  gesperrt) 
Experimenten  wie  Winterfeldts  (sie!)  Satzschlussstudien  Stellung.  —  Dass  wir  bei 
dem  rhetorischen  Charakter  der  Schriftstellerei  des  Vop.  an  sich  wohl  Rücksicht 
auf  den  Rhythmus  erwarten  dürfen,  ist  klar  (s.  o.  S.  292  Anm.  2). 

2)  Man  bedenke,  dass  Fr.  Th.  Vischer  ein  deutsches  Regierungsschreiben  unwill- 
kürlich in  fünt'füssigen  Jamben  las ;  Hermann  Kurz  gar  einen  Verlegerbrief  in  Di- 
stichen. 

3)  Vgl.  Karl  Nipperdey  in  s.  erklärenden  Auxri.  des  Tacitus,  Bd.  1  (9.  Auil.  v.  Gg. 

72 


304  Ernst  Hohl, 

Die  Korruptel  f  e"""'W  circhün  suchte  Moramseii,  Hcniics  25.  S.  291  f.  = 
Ges.  Sehr.  VII  S.  362.  durch  a  prncfectis  archiis  zu  heilen.  L.  C.  Parser 
a.  a.  0.  S.  13  f.  schlägt  vor:  ...  a  c  n  c  {nee  PB;  neue  Peter)  lectorum 
ineima  dcperiret  lihrum  per  aimos  si»(/iiIos  decies  scrihi  pubUcitus  et  in 
consularihiis  (oder  consiiliim)  archiis  etc. ;  danach  wäre  eiiicos  archiis  ent- 
standen aus  et  in  cos.  archiis.  Die  Konjektur  ist  sehr  scharfsinnig.  Aber 
was  tun  die  Werke  des  Tacitus  im  Archiv  der  Konsuln?  —  Ueber  die 
angeordnete  Vervielfältigung  der  Schriften  des  grossen  Historikers  hat 
Th.  Birt.  Antikes  Bitchiccsen  (1882)  S.  352  und  neuerdings  abermals  in 
der  BiichroUe  in  der  Kunst  (1907)  S.  2-1,  Anm.  4  zu  S.  23  gehandelt.  An 
der  zweiten  Stelle  schlägt  er  statt  libriim  per  annos  singuJos  vor:  Jihros 
per  anninn  sinr/nlos.    Zu  dem  Bericlit  lässt  sich  vielleicht  Suet.  Tih.  70.  2 

heranziehen : qnihns  p)octis  (Euphorion,   Rhianos,  Parthenios)  admo- 

dum  delectatus  scripta  omnitim  et  imagines  ptthlicis  hihliotheds  infer  vetercs 
et  praecipuos  aiictores  dedicavit.  Man-  sieht,  dass  es  nur  ein  Schritt  war. 
den'  Kaiser  die  Werke  des  Tacitus  verbreiten  zu  lassen,  nachdem  einmal 
auf  Grund  des  Namens  Beziehungen  zwischen  ihm  und  dem  Geschichts- 
schreiber hei-gestellt  waren.  Tac.  10,  5  scuiis  tectis  gebraucht  Vop.  auch 
A  35.  3.  Schiller  a.  a.  0.  I  S.  874  Anm.  5  sagt  über  die  Stelle:  „Welche 
Bedeutung  die  v.  Tac.  10.  5  berichtete  Massregel  hat  .  .  ..  ausser  vielleicht 
die  Gründung  eines  Baufonds,  ist  nicht  zu  sehen  ".  Ich  habe  oben.  S.  298  f.. 
V.  AS  24.  3  beigezogen :  vgl.  A  35.  3 :  s.  auch  Mommsen,  Böm.  St.-R., 
II  ^  S.  1051 :  ,  Daneben  begegnen  uns  Spuren  von  Fundierung  der  Kosten"  M- 
—  yiiDiidirne  cohimnae  (cap.  10.  5)  kommen  auch  Gd.  32,  2  an  dem  präch- 
tigen Palast  der  Gordiane  vor  und  zwar  nur  50  an  der  Zahl ;  das  Ge- 
schenk von  hundert  solchen  Säulen  an  Ostia  durch  Tacitus  soll  danach 
wohl  als  besonders  grossartig  erscheinen.  —  Recht  töricht  ist  der  Satz 
Tac.  10,  7  :  servos  urhanos  o  m  n  e  s  manu  misit  utriusque  scxus,  intra  ccn- 
tum  tarnen  ne  Caniniam  transire  rideretur.  Gemeint  ist  die  lex  Fufia 
Caninia  (s.  Stein  bei  l'.-W.  III.  Sp.  2877:  Lecrivain  a.  a.  0.  S.  370  sagt: 
,L'observation  de  la  loi  Fufia  Caninia  ä  cette  date  est  plus  Cjue  suspecte 


Andresen.  Berlin  1892)  Einl.  S.  5:  , Später  behaupteten  M.  Claudius  Tacitus,  Kaiser 
276  n.  Chr.,  und  Polemius,  praefeclus  praetorio  476  n.  Chr.,  mit  ihm  verwandt  zu  sein 
oder  von  ihm  abzustammen  (Vop.   Tac.  10;  ApoUinaris  Sidonius  ep.  IV  14).- 

1)  Auffallend  ist  der  Gebrauch  von  deputare  c.  dat.  im  Sinn  von  .bestimmen". 
Wie  ich  aus  dem  Material  des  Thes.  lin(/.  Lat..  das  ich  der  Vermittlung  von  Herrn 
Dr.  Sigwart  verdanke,  ersehe,  lässt  sich  das  Verbum  in  dieser  Bedeutung  erst  von 
der  zweiten  Hälfte  des  vierten  Jahrhunderts  ab  belegen,  abgesehen  von  den  viel 
trüberen  Schriften  Tertullians,  der  eine  besondere  Vorliebe  für  deputare  hat.  Vgl. 
Fr.  Oehler  in  s.  Ausij.  (Leipz.  185:3/4)  I  S.  70  Anm.  b.  zu  de  idolairia  4:  „Verbum 
hoc  frequentissimum  in  scriptis  Tertulliani,  cum  variis  structuris".  Von  TertuUian 
aus  mag  das  Verbum  in  den  Wortschatz  der  Kirchenschriftsteller  (s.  z.  B.  den  Indes 
zu  Tj'rannius  Rufinus  [Ende  4.  Jahrb.]  ed.  Eiigelhrecht  im  Corpus  Script,  ecd.  Lat. 
XXxkvi,  I  1910.  S.  306,  Sp.  2)  übergegangen  sein. 

73 


Vop/srus  mid  d/c  li/of/raplt/c  des  Kaisers    'J'iicitns.  ;j()5 

.  .  .  . ").  Wie  kann  man  ilrmi  allen  .stiiiUischen  Sklaven  die  Freiheit  schen- 
ken, und  zwar  in  Geniässheit  des  Gesetzes  nicht  mehr  als  hundert?  Ent- 
weder gab  es  überhaupt  nicht  mehr  als  hundert  solche  Sklaven  und  dann 
schenkte  er  eben  allen  die  Freiheit ;  in  diesem  Fall  konnte  er  das  Gesetz 
überhaupt  nicht  überschreiten  ;  oder  aber  es  gab  mehr  als  hundert,  dann 
konnte  er  sich  zwar  an  das  Gesetz  halten,  aber  unmöglich  alle  freigeben. 

Wenn  Lecrivain  a.  a.  0.  S.  370  meint:  nVop.  parait  avoir  trouve 
tout  ce  morceau  dans  sa  source  biographique.  La  valeur  en  est  d'ailleurs 
tres  mediocre.  Le  biographe  a  la  preoccupation  visible  de  faire  de  Tacite 
un  modele  de  simplicite  republieaine".  so  hat  er.  was  die  Tendenz  be- 
trifft, sicher  Recht.  Nur  halte  ich  es  für  ganz  überflüssig,  alle  diese  Dinge 
auf  eine  Quelle  des  Vop.  zurückzuführen.  Das  Machwerk  ist  so  erbärm- 
lich, dass  wir  es  diesem  selbst  zutrauen  dürfen.  Wozu  also  eine  Quelle 
verantwortlich  machen?  Gewiss  war  Vop.  der  erste,  der  eine  eingehende 
Biographie  des  Tacitus  geben  wollte,  und  eben  der  Umstand,  dass  er  keine 
Vorarbeiten  hiefür  hatte,  zwang  ihn.  in  dieser  Weise  zu  fabulieren.  Wer 
sollte  sich  auch  vor  ihm  für  diese  Einzelheiten,  von  denen  zudem  fast 
keine  einzige  originell  ist,  interessiert  haben?  Die  paar  Daten  der  „Kaiser- 
geschichte" gingen  wohl  ziemlich  nahe  zusammen. 

In  cap.  11  wird  das  Privatleben  des  Tacitus  behandelt:  er  ist  natür- 
lich ein  Muster  von  Schlichtheit  und  Einfachheit.  —  Schon  Suet.  Auf/.  77 
berichtet  über  das  Getränke  des  Augustus.  —  Auch  auf  Pertinax'  Tafel 
(P  12,2)  spielte  der  Lattich  eine  grosse  Rolle;  ebenso  kommt  laditvidac 
thyrsvs  auch  Suet.  Awj.  a.  a.  0.  vor.  Es  ist  also  nicht  wunderbar,  wenn 
dem  Tacitus  hiefür  eine  gewisse  Leidenschaft  angedichtet  wird ').  —  ..  L'a- 
mour  du  pain  sec  est  dejä  dans  Pius  {AP  13,2)"  sagt  Lecrivain  a.  a.  0. 
S.  370  Anm.  1  (vgl.  etwa  auch  das  pcrfusum  aqua  frigida  panem  des  Au- 
gustus bei  Suet.  a.  a.  0.  und  Ejnfo^ir  15,  5  defjusfans  panis  aVtquantuni 
etc.).  —  Das  seltene  Bad  passt  sehr  gut  zu  der  spartanischen  Lebenshal- 
tung, da  ja  dessen  üliermässiger  Gebrauch  verweichlichen  sollte  (vgl.  V  e- 
getius,  epif.  rei  mil.  1,3  ed.  Lang  (1885 -)  S.  7  Z.  IG  f.:  hahiearum  nescia 
vom  unverbrauchten  Landvolk,  und  Mau  bei  1'.-  W.  II,  Sp.  2747).  Tac. 
11.5  wurde  bereits  mit  AS  37,6  verglichen.  /'  12.6  heisst  es  faskmum 
■niiniipiani  privato  convivio  comcdit  aut  aJiciii  misif-).  Nach  Tac.  11,6  soll 
der  Kaiser  früher  dem  Aurelian  nahegelegt  haben,  aiirinn  a  vest/bus  et  ca- 
meris  et  peUlbiis  siimtnovere.     A  46.  1  heisst    es    von  Aui-elian :    habiiif   in 


1)  Vgl.  W.  Teuffei  bei  Pauly,  Eeiil-Enci/k!.  IV  (1846)  S.  719.  wonach  die  laciuca 
für  tfivwTixi'i.  üotmio  apta,  galt.  So  erklärt  sich  das  somnum  mercari.  —  Auch  der 
Clenuss  von  Hasenfleisch  soll  nach  Ansicht  des  Cato  den  Schlaf  befördern :  vgl.  Plin. 
JV.  H.  28,  260  (Friedländer  zu  Martial  V  29.  Bd.  I  S.  404  s.  Ausg.). 

2)  Schon  Sueton  erwähnt  den  Fasan  auf  der  kaiserlichen  Tafel;  vgl.  VitelUua 
18.2  {phasianarum  et  pavonmn  cereheJla,  liuguas  phoenicopterum  etc.,  danach  ist  ganz 
deutlich  Hei  20,6  gearbeitet).  —  Hei  32,4  erinnert  an  Suet.  Calig.  22,3; 

74 


306  Ernst  Hold, 

animo.  ut  anrum  iieqite  in  Cameras  nequc  in  funicas  neqiie  in  pcUcs  nei/iie 
in  arc/entuin  mittereiur  .... 

EncUicli  bricht  Vop.  mit  dieser  ermüdenden  und  völliff  wertlosen  Auf- 
zählung ab.  um  Tue.  11.  7  den  Interessenten  für  weitere  Einzelheiten  auf 
Siietoiüiis  Optafianus,  qui  eins  vif  am  adfatim  scripsif,  zu  verweisen.  Lecri- 
vain  glaubt  an  diese  Quelle  (a.  a.  0.  S.  370),  bemerkt  aber,  dass  Sueto- 
nius  Optatianus  seine  Vorgänger  kopiert  habe.  Dagegen  sagt  Stein  bei 
P-  W.  III,  Sp.  2872  mit  mehr  Recht  über  diese  bedenkliche  Quelle,  dass, 
wenn  sie  überhaupt  jemals  existiert  habe,  ihr  Verlust  —  schon  nach  dem 
Wenigen,  was  aus  ihr  zitiert  werde,  zu  schliessen  —  nicht  zu  beklagen  sei '). 

In  der  Tat  haben  wir  allen  Grund,  den  Suetonius  Optatianus  für  eine 
Erfindung  des  Vop.  zu  halten.  Haben  wir  doch  gesehen,  dass  überall 
Anklänge  an  frühere  Viten  —  des  Sueton  oder  der  H.  Ä.  —  beobachtet 
werden  können,  sind  also  gewiss  berechtigt,  die  Arbeit  dem  Vop.  selbst 
zuzuschreiben.  Diese  Auffassung  kann  bei  einem  Mann,  der  mit  Zitaten 
aller  Art  so  freigebig  ist,  durch  die  eine  Erwähnung  einer  biographischen 
Quelle  nicht  erschüttert  werden.  Aber  der  Name  Suetonius  erweckt  noch 
besonderen  Verdacht.  Es  wurde  schon  oben  (S.  226)  versucht,  im  An- 
schluss  an  Wölfflin  gegen  Enmann  die  Möglichkeit  zu  erweisen,  dass  Sue- 
tonius als  Gattungsbegriff  für  Kaiserschriftsteller  vorkommen  könne.  Hier 
scheint  nun  in  der  Tat  ein  weiterer  Beleg  für  diesen  Gebrauch  vorzuliegen. 
Ausserdem  steht  der  Fall  in  der  römischen  Literatur  nicht  vereinzelt  da,  dass 
der  klassische  Vertreter  eines  Faches  zum  Typus  ge.stempelt  wird.  So 
galt  Livius  als  allgemeiner  Ausdruck  für  einen  Verfasser  republikanischer 
Geschichte  (s.  o.  S.  227).  Aehnlich  wurde  Afranius,  der  als -erster  die 
Knabenliebe  in  die  Komödie  einführte,  typische  Bezeichnung  für  einen  sitten- 
losen Autor,  ebenso  wurde  Lucilius  zum  Gattungsbegriff  der  Satire  (s.  Ed. 
Norden  bei  Cichorius,  UnfersKcJiKnc/cn  zu  Liiciliiis  1908.  S.  198  Anm.  1), 
Apicius  zum  Prototyp  des  Schlemmers-).  —  Der  Schluss  von  cap.  11  (§  8) 
scheint  den  Kaiser  als  littcrafus  zeigen  zu  sollen  (entsprechend  der  Akkla- 
mation [Tdc.  4,  4]  ccqiiis  meÜKS  quam  littcrutus  impercd  ?),  wie  es  sich  für 
den  angeblichen  Nachkommen  des  Historikers  gehört.  Wenn  es  heisst 
nee  umquam  noctem  intermisit,  qua  non  aliquid  vcl  scriberet  ille  vel  legcret 
praeter  posterum  Icalendarum  diem,  so  darf  man  vielleicht  hiezu  an  Suet. 
Aug.  92,  2  erinnern :  observahat  et  dies  quosdam,  ne  aut  j)Ostridie  nnndinas 
quoquam  profieisceretur  mit  Nonis  quicquam  rei  seriae  incoharet;  nihil  in 
hoc  quidem  aliud  devitans,  ut  ad  Tiberium  scribit,  quam  övaftjfiiav  nominis. 

Cap.  12  schildert  die  grosse  Freude  des  Senats  über  die  in  seine  Hand 

1)  H.  Peter,  Historicortim  Romanorum  fragmeiita,  Leipzig  1883,  S.  363  führt  den 
Suetonius  Optatianus  mit  Tac.  11,  7  als  einzigem  testimonium  auf. 

2)  Vgl.  M.  Schanz.  Born.  Lit.-Gesch.  TI,  2=  (1901),  S.  393  f..  wo  Friedländer,  Sit- 
tengesch  IIP  [jetzt  in  8.  Aufl.  S.  19  Anm.  IJ  und  F.  I.  B.  II.  S.  111  f..  G  Nr.  53  zi- 
tiert werden. 

75 


Vopianis  nmJ  d/r  Jiioi/rtipliir  drs  lüii.sers   Tac/tns.  307 

gelegte  Walil  und  dir  Wiedorautiiiiliiue  der  Senatslierrschaf't.  —  Zu  nee 
tacemhim  est  vgl.  Tac.  7,  ö.  —  Ueber  das  Wort  hitiniarc  hat  Vogel  im 
Ä)-ch.  f.  lat.  Lex.  III.  S.  108  S. ')  gehandelt.  —  Hekatomben  begegnen 
uns  M  B  W,  4—5,  wo  die  Sache  erklärt  wird  (§§  5,  6,  7) ;  cf.  Ma.r.  24,  7; 
an  diesen  Stellen  dient  das  ausserordentliche  Opfer  zum  Ausdruck  der  leb- 
haftesten Freude.  (Dagegen  scheint  Gall.  9,  4  der  Gebrauch  des  Wortes 
bereits  sehr  abgeschwächt  zu  sein.)  —  Zu  Tac.  12,  1  in  antiquum  statitm 
redissc  vgl.  Tnc.  18,4  in  a.  st.  rcdisse;  19,1  reversa  in  n.  st.;  19,3  in 
a.  .'it.  reivrtit;  und  ^  C  14, 6  .  .  .  nt  in  antiquum  statum  /»ililira  forma 
irdddfiir.  —  Die  in  Aussicht  gestellten  Briefe  von  Senatoren  über  das 
freudige  Ereignis,  dass  der  Senat  den  Kaiser  zu  bestimmen  habe,  werden 
in  der  Tat  am  Schluss  der  V  ita  angefügt.  Dort  wird  geschieden  zwischen 
epistidiw  pnblicac  uud  epistidne  privntne ;  hier  heisst  es  ungenau,  dass  ein- 
zelne Senatoren  an  ihre  Angehörigen,  aber  auch  nach  auswärts,  geschrieben 
hätten,  dass  ausserdem  Briefe  an  die  Provinzen  geschickt  worden  seien; 
das  letztere  sind  also  die  epistulae  puhlicae.  —  ipsum  semduni  principem 
factum  mehr  konnte  Vop.  nicht  sagen.  —  Tac.  12,  2  ne  quid  ....  deesset 
cognitioni  stellt  sich  zu  Gd.  34,  6  ne  quid  tiiae  cognitioni  deesset.  —  Die 
Briefe  sollen  sich  lesen  lassen  cum  cupiditate  et  sine  fastidin;  die  evitntio 
fastidii  ist  auch  A  22,  4  das  Ziel  des  Yop. 

Cap.  13,  1  bringt  endlich  eine  historische  Nachricht,  nämlich,  dass 
es  des  Tacitus  erste  Sorge  gewesen  sei,  alle  Mörder  des  Aurelian,  gute 
und  schlechte,  zu  töten.  Nach  Fr.  13,  2  wären  unter  Probus  noch  Mörder 
des  Aurelian  übi-ig  gewesen  und  erst  von  diesem  bestraft  worden;  das  ist 
die  griechische  Version  (vgl.  Zos.  I  65,  1).  Wir  haben  schon  oben  (S.  288) 
vermutet,  dass  die  „  Kaisergeschichte "  demgegenüber  die  Bestrafung  der 
Mörder  Aurelians  durch  Tacitus  berichtete  (s.  Leci'ivain  a.  a.  0.  S.  370 
Anm.  3).  — •  Nach  Le'crivain  S.  370  f.  soll  cap.  13,  2 — 3  (Niederlage  der 
Barbaren,  die  vom  Gebiet  des  mäotischen  Sees  aus  eingebrochen  waren) 
der  wahrscheinlich  teilweise  missverstandenen  Biographie  (■')  („source  bio- 
graphique")  entstammen.  Von  Kämpfen  in  der  Maeotis  hören  wir  bei  Zos. 
I  63.  Zon.  XII  28  (vgl.  Rappaport.  GotcneinfdlJe  S.  101  ff.).  Höchst  wahr- 
scheinlich entstammt  also  diese  Notiz  der  griechischen  Quelle.  Die  Tat- 
sache der  Kämpfe  sichert  der  Beiname  Gothicus  3Ia.rimus  (auf  einer  Münze, 
angeblich  mit  VICTORIA  FONTICA,  die  Eckhel.  doctr.  num.  VII  S.  498 
notiert,  hat  J.  von  Kolb,  Wiener  numism.  Zeitschr.  IX,  S.  123  ff.,  VIC- 
TORIA FERFETVA  entziffern  können;  vgl.  Schiller  a.  a.  0.  I  S.  874 
Anm.  12).  Die  Form  Meotidae  für  ein  Volk  ist  sehr  auffallend  {Amm. 
Marc.  21,8,  31  sagt  Maeotae);  vgl.  Brunner  a.  a.  0.  S.  51  und  Peter, 
Die   S.  h.  A.  S.   152  Anm.  3.      Allerdirgs    kam  Mentidas   auch   schon  A 


1)  Vgl.  Wölfflin.  Archiv  XIII.  S.  177  (Stellen  aus  Festus,  Apuleius,  Tertulliaii  und 
Ammian). 

76 


308  i:nist  Hohl, 

16,  4  vor.  An  dieser  Stelle  hat  Lecrivain.  a.  a.  0.  S.  355  vei-mutet,  dass 
der  Name  des  Volks  aus  Man'nig  (sie  !)  missverständlicherweise  entstanden 
sei.  Die  Annahme  einer  griechischen  Quelle  bestätigt  A  16,2:  Hoc  Joco 
tanin  est  diversitas  historkoriim  et  quidem  Graecorum  ...  Es  ist  das  Wahr- 
scheinlichste, dass  auch  Tac.  13.  3  die  eigentümliche  Namensforni  durch 
Benutzung  der  griechischen  Quelle  zu  erklären  ist.  —  Tac.  13. 4  bringt 
ein  Cicerozitat  ans  in  Pison.  3  ').  Gerade  Vop.  (und  schon  Pollio)  lieben  es 
besondei'S,  Zitate  aus  Cicero  einzuflechten  (s.  den  Index  von  Peter  in  der  ed. 
II-  S.  278).  Es  ist  dies  übrigens  eine  Eigentümlichkeit,  die  auch  Ammian 
aufweist  (vgl.  Seeck  bei  P.-W.  I,  Sp.  1850).  —  Der  Satz  Tac.  13.4: 
f/cssit  aidem  propter  hrevitatem  temporiim  nihil  macpmm  lässt  sich  verglei- 
chen mit  Pollio  GJ.  12, 5  Qitintillus  outem  ob  hrevitatem  teinporis  nihil 
diiimtm  imperio  gererc  potuit  ....  Eutrop  IX  16  sagt  von  Tacitus :  I^ihil 
tarnen  darum  potuit  ostendere  intra  sextum  mcnsem  iniperii  morte  praevmüiis : 
von  Florianus  neque  quicqnam  digmim  memoria  egit.  Danach  könnten  wir 
eine  Art  Formel  der  , Kaisergeschichte "  feststellen;  denn,  wie  der  Ver- 
gleich mit  Eutrop  zeigt,  befinden  wir  uns  sowohl  für  Gl.  12,  5  (Quintillus' 
Tod),  als  für  Tac.  13,  4  auf  ihi'em  Boden.  Schon  Enmann  a.  a.  0.  S.  465 
Anm.  33  hat  bemerkt,  dass  der  Kaiserbiograph  kurze  Regierungen  mit  einer 
ähnlichen  Phrase  erledigte,  und  Eutrop  VIII  21  (nihil  memorahile  ex  tem- 
poruni  hreritate  gesscrunt  von  Macrinus  und  Diadumenos)  mit  IX  16  ver- 
glichen. Allerdings  ist  diese  Betrachtung  ohnehin  sehr  naheliegend  und 
konnte  sich  jedem  leicht  aufdrängen.  Die  Uebereinstimmung  zwischen 
Tae.  13,4  und  Eutrop  IX  16  hat  auch  Gräbner  a.  a.  0.  S.  107  notiert. 
Ausserdem  weist  er  (S.  96)  darauf  hin.  dass  die  Stelle  Gt.  12,  5  (von  Quin- 
tillus) wörtlich  zu  Zos.  I  47  stimme  {y.ai  fii'i'jfir]g  ovösv  ä^iov  ttetiqu- 
XÖtoq).  .Jedenfalls  brauchen  wir  aus  diesen  Stellen  nicht  mit  Gräbner  auf 
die  griechische  Zosimosquelle  zu  schliessen,  da  für  Vop.  imd  Eutrop  die 
„Kaisergeschichte"  denn  doch  näher  liegt. 

Tac.  13,  5  berichtet  den  Tod  des  Tacitus,  nach  der  einen  Darstellung 
durch  eine  Militärrevolte,  nach  einer  andern  durch  Krankheit.  Auf  alle 
Fälle  habe  der  Kaiser  sehr  unter  dem  Druck  von  Intriguen  und  Cliquen 
zu  leiden  gehabt.  Der  Tod  in  einer  Revolte  ist  die  griechische  Version 
(vgl.  Zos.  I  63,  2  und  65,  1  und  dazu  Pr.  13,  3,  wo  es  von  Probus  heisst : 
deinde  animadvertit  in  eos,  qui  Tacito  insidias  fecerant),  wie  das  auch  Dann- 
häuser a.  a.  0.  S.  45  Anm.  4  richtig  betont.  Die  lateinische  Tradition 
lässt  den  Tacitus  eines  natürlichen  Todes  sterben  (Fr.  10,  1  absumpto  fa- 
taliter;  Gar.  3,  7  ab.'inmptus).  Also  kein  Wort  darüber,  wo  Tacitus  ger 
sterben  ist.  Auch  Eutrop  IX  16  gibt  keinen  Ort  an  und  drückt  sich  mit 
morte  iwaeventns  sehr  vorsichtig  aus.     Die  Epitome  36,2  berichtet:   apud 

1)  Vgl.  oljen  S.  292  Anm.  2  und  L.  C.  Purser  a.  a.  0.  S.  48.  Marcus  Tullüis  ist 
gesagt  Tac.  13,4:  Gall.  20.1;  2' 8,  2  (o  Marco  Tultio);  Tullms  alleinsteht  .139.4  u. 
67.  2,5;  endlich  Cicero  wird  gebraucht  T  22,11  u.  AS  42.4. 

77 


Fopiscils  inid  die  liiof/idiifiie  iIcs  Knisers  Tarifiis.  309 

'J'iiisiiiii  l'rhri  iiKirifiir.  Das  fchr/  entspricht  »1er  Version  bei  Voi».  Wir 
haben  nun  schon  oben  (S.  2<J'<i)  vermutet,  dass  (ijnul  Tantum  im  Text  der 
Ep/tdiiic  an  die  falsche  Stelle  geraten  sei.  Wie  man  sich  auch  entscheiden 
niao'.  soviel  scheint  festzustehen,  dass  Florian,  nicht  Tacitus  bei  Tarsus 
starb').  Aiir.  Vict.  Cae.s.  36,2  sagt  l'i/anae  niortito;  gewiss  berichtete 
die  „Kaisergeschichte"  den  "natürlichen  Tod  (mo)iiio^)  bei  Aur.  Vict.;  worte 
pvaerentus  bei  Entrop ;  die  eine  Version  morho  hderiil  bei  Vop.  und  fehri 
iiiordiir  in  der  Epitonie),  die  griechischen  Quellen  den  gevsraltsamen  (vgl. 
auch  noch  Zos.  I  63,  2).  Vop.  gibt  sowohl  die  griechische  als  die  la- 
teinische Version  und  zwar  nehme  ich  an,  dass  die  Nebeneinandersteliung 
von  ihm  selbst  heiTührt.  Auf  eine  griechische  Quelle  des  Vopiscus  sind 
wir  ja  auch  anlässlich  der  Maeoten  gestossen  (o.  S.  307). 

Cap.  13,  6  Hie  idem  mensem  Septemhrem  Tacititm  appeUari  iiissif,  id- 
eireo  quod  eo  mcnsc  et  nahts  et  factiis  est  imperator :  Lecrivain  a.  a.  0. 
S.  372  urteilt:  „Cette  notice  n'est  pas  ä  sa  place  (auch  Peter  in  seiner 
Ausg.  bringt  Zeichen  an,  nach  denen  der  Passus  aus  einem  anderen  Autor 
zur  Bereicherung  und  Ergänzung  der  eigentlichen  Erzählung  zugesetzt 
sein  soll:  s.  praef.  Bd.  I  S.  XXXIV),  mais  est  acceptable".  Die  Notiz 
ist  im  Gegenteil  sehr  auffällig.  Man  müsste  vor  allem  erwarten,  dass  der 
Senat  diese  Ehrung  für  den  Kaiser  beschliesst,  und  möclite  fast  vermuten, 
dass  der  Satz  aus  einem  andern  Zusammenbang  versprengt  wurde,  in  dem 
vom  Senat  die  Rede  war,  dass  also  dieser  mit  hie  idem  gemeint  wäre  (man 
denkt  etwa  an  cap.  12,  das  die  Freude  des  Senats  schildert).  Doch  ist 
ein  solcher  Ausweg  immer  misslich.  Es  ist  kaum  verständlich,  wie  Vop. 
einen  Kaiser  wie  Tacitus,  in  dem  er  das  Muster  von  Bescheidenheit  dem 
Senat  gegenüber  erblickt,  selbst  eine  solche  Bestimmung  treffen  lassen 
kann.  Zu  diesen  Umnennungen  von  Monaten  zu  Ehren  fürstlicher  Per- 
sonen s.  die  Ausfühningen  von  .T.  M.  Heer.  Der  histor.  Wert  der  v.  C, 
PhihJ.  IX.  Suppl.-Band  (1904)  S.  161  ff.  Vielleicht  hUft  uns  Macroh. 
Snf.  I  12.37:  eaidio  posfea  principnm  ceterorum,  diri  ominis  infausta  ri- 
tniüittm.  mensihus  n  Sepfemhri  iisque  ad  Deeemhrem  prisea  twnnmi  reser- 
vavit.  W^enn  wir  diesem  Zeugnis  trauen  dürfen,  dann  ist  eine  Umnennung 
des  September  in  der  Zeit  des  Tacitus  ganz  ausgeschlossen.  In  welchem 
Monat  übrigens  Tacitus  geboren  wurde,  wusste  zu  Vopiscus'  Lebzeiten 
gewiss  kein  Mensch  mehr.  Dass  Tacitus  im  September  auf  den  Thron 
kam,  wäre  an  sich  chronologisch  möglich  ^),  aber  es  ist  eben  die  Lücken- 
haftigkeit unserer  Quellen,    die   ims  so  viel  Spielraum  lässt.     Da  ein  sie- 

1)  Der  Chronof/rapli  vom  J.  354  (Cliron.  min.  I  S.  148  =  Mommsen  Ges.  Sehr.  VII 
S.  .577)  lässt  den  Tacitus  I'onto  sterben.     Von  Florian   sagt   er  occisus   Tharso  (sie). 

2)  Aur.  Vict.  Caes.  35,  2  neqiie  e.ritu  tohrahili  fitit  bezieht  sich  natürlich  nicht 
etwa  auf  ein  besonders  trauriges  Ende  des  Tacitus,  sondern  auf  den  Untergang  der 
Senatsherrlichkeit  durch  die  Usurpation  des  Florian.  —  3)  Nach  Tue.  3, 2  fand  die 
entscheidende  Senatssitzung    am-  25.  September  statt.     Doch   ist   das  Datum  wertlos. 

78 


310  Enisf  Hohl, 

bentes  Regierungsjahr  des  Aurelian  sicher  bezeugt  ist  (vgl  z.  B.  Dessau, 
Hermes  27,  S.  570  Anm.  1),  so  scheint  Aurelian  entweder  ganz  kurz  vor 
oder  aber  nach  dem  29.  August')  ermordet  worden  zu  sein  (vgl.  Groag 
bei  r.-W.  V.  Sp.  1358).  Bei  den  Natales  Caesarum  {CIL  V-  S.  255) 
werden  natürlich  Tacitus  (und  Florian)  nicht  erwähnt. 

Mit  cap.  13,  6  Schi,  wendet  sich  Vop.  dem  Nachfolger  des  Tacitus, 
dem  fraier  Florianus.  zu.  Cap.  14.  1  sagt:  Hie  frater  Taciti  germamts  fuif. 
Schon  cap.  5,  2  weist  eine  Akklamation  auf  den  lonus  fhder  hin.  Cap.  9,  6 
war  die  Rede  von  der  durch  den  Senat  abgeschlagenen  Bitte  um  das  Kon- 
sulat für  seinen  Bruder  Florianus,  eine  Erfindung,  deren  Tendenz  deutlieh 
genug  ist.  Cap.  17.4  heisst  es  dagegen  von  Tacitus  und  Florian:  nam 
^iversis  pafrihus  nafi  ferelant/ir;  danach  wären  sie  also  Stiefbrüder  ge- 
wesen, was  nicht  zu  der  ausdrücklichen  Bezeichnung  frater  (jermnnus  (Tue. 
14,1)  stimmen  kann.  Dass  sie  leibliche  Brüder  waren,  ist  durch  die 
Namen  ganz  ausgeschlossen :  M.  Claudiiis  Tacitus  hiess  der  eine.  31.  Än- 
niiis  Florianus  der  andere.  Sehr  verdächtig  ist  die  schwankende  Haltung 
des  Vopiscus,  der  selbst  das  eine  Mal  von  leiblichen  Brüdern,  sonst  immer 
von  Brüdern,  an  einer  andern  Stelle  aber  —  zweifelnd  —  von  Stiefbrü- 
dern spricht").  Nach  P.  von  Rohden  bei  P.-W.  I.  Sp.  2266  ist  Florianus 
leiblicher  Bruder;  ebenso  sagt  E.  A.  Stückelberg.  Die  Ihroufolf/e  von  Auf/, 
bis  Co))sta)if.,  Wien  1897  (Ziiricher  HabiUtafinnssrlirifi)  S.  50:  „Bruder'', 
ebenso  von  Domaszewski,  Geschichte  der  römischen  Kaiser  II  (1909)  S.  316  f. ; 
dagegen  entscheidet  .sich  Stein  bei  P.-W.  III.  Sp.  2873  für  Stiefbruder, 
ebenso  Klebs,  P.  I.  E.  I  (1897)  S.  64  f.  A  Nr.  488  und  E.  Ferrero  bei 
Ruggiero,  7)/>.  epigr.  III.  S.  170  f.  („fratello  uterino".  von  einer  Mutter). 
Eutrop  gibt  nichts  derartiges  an ;  ebensowenig  die  Epitomc.  die  insofern 
selbständigen  Wert  hat,  als  sie  an  dieser  Stelle  sich  zwar  an  Eutrop  an- 
scliliesst.  aber  dann  über  ihn  hinausgreift.  Zos.  und  Zon.  machen  den 
Florianus  zum  Gardepräfekten  des  Tacitus,  aber  von  einer  Verwandtschaft 
wissen  sie  nichts ').  Wohl  aber  sagt  Aur.  Vict.  Cacs.  36,  2  Florianus, 
eiiisdem  frater-,  dass  Eutrop  nichts  angibt,  muss  umsomehr  auffallen,  als 
er  z.  B.  bei    Quintillus  (IX  12)    ausdrücklich   sagt    Claudi  frater*).     Dass 


1)  Es  gibt  alexandrinische  Münzen,  die  sein  siebentes  ägyptisches  Herrscherjahr 
nennen.     Das  ägyptische  Jahr  beginnt  mit  dem  29.  August. 

2)  Tac.  14,  .5  heisst  es  idki  ....  domo.  —  ijermaiuis  ist,  wer  idem  germcn  hat.  kann 
also  auch  bloss  Gemeinsamkeit  des  Vaters  bezeichnen.  Für  Gemeinsamkeit  der 
Mutter  steht  ^P  1,5  uterinus. 

3)  Soweit  ich  sehe,  sagt  von  den  Neueren  allein  B.  Niese.  Gnnidriss  der  röm. 
Gesell.  München  1910*  S.  374  überhaupt  nichts  von  einer  Verwandtschaft,  sondern  er- 
wähnt nur  den  , Gardepräfekten  M.  Annius  Florianus".  Eine  Begründung  für  diese 
von  der  üblichen  Autfassung  abweichende  Ansicht  gibt  er  allerdings  nicht. 

4)  Gerade  umgekehrt  ist  das  tatsächliche  Verhältnis  bei  Polemius  Silvius,  later- 
cuhis  (Chro».  min.  I  S.  521  f.  =  Mommsen,  Ges.  Sehr.  VII  S.  645  f.:  47  Quintillus 
occisus,  50  Tacitus,  51  Florianus  frater  eius  occisus). 

79 


VopiscHs  Hiiil  dir  ]i/(i(/n(j)/i/r  (hs  Kaisers   Tacifiis.  31 1 

A  n  r.  ^'  i  c  t.  ilcii  K  1  n  r  i  a  ii  iiül  <i)  ii  i  ii  t  i  1  1  ii  s  v  i-  r  \v  f  c  li  seit  c  unil 
ihn  ileshiilb  zum  L5nuler  seines  \'ur.nüngers  machte,  wunk'  schon  oben 
(S.  202  f.)  bemerkt.  Danach  entbehrt  das  Zeu<fnis  des  Aur.  Vict.  der  Be- 
weiskraft für  die  Darstelhmg  in  der  , Kaisergeschichte",  während  Eutrop- 
EpUome  entschieden  gegen  Erwähnung  der  Verwandtschaft  in  der  „Kaiser- 
geschichte" ins  Gewicht  fallen.  —  Es  ist  übrigens  recht  bezeichnend,  dass 
Vop.  gerade  die  Nachricht,  die  wenigstens  nicht  in  offenkundigem  Wider- 
spruch zu  den  Tatsachen  steht,  nämlich  dass  die  beiden  Stiefbrüder  ge- 
wesen seien,  unsicher  gibt,  dagegen  die  andere,  die  durch  die  uns  glück- 
licherweise aus  Insclirirten  und  Münzen,  für  Tacitus  auch  aus  den  Papyri, 
bekannten  verschiedenen  Namen  als  unmöglich  ausschaltet,  mit  grösster 
Bestinmitheit.  Ich  zweifle  nicht,  dass  Vop.  die  Nachricht  von  der  Ver- 
wandtschaft eben  dem  Aur.  Vict.  entnommen  hat,  wie  er  ihn  z.  B.  für 
Aurelian  (s.  Dessau,  Hermes  24  S.  371)  neben  Eutrop  und  der  „Kaiserge- 
schichte" benutzte.  —  Eine  weitere  Stufe  stellt  übrigens  Moses  von  Khoren 
dar  (Müller  F.  H.  G.  V  S.  396)  ')■  der  gar  Quintus  (für  Quintillus),  Ta- 
citus und  Florianus  alle  drei  zu  Brüdern  macht.  Man  sieht,  wie  sich  die 
Verwandtschaft  noch  weiter  ausgebreitet  hat. 

Cap.  14,  1  berichtet,  Florian  habe  non  senatus  andnritiüe,  scd  siio 
■motu  die  Herrschaft  an  sich  gerissen.  Dazu  tritt  ergänzend  Aur.  Vict. 
dies.  36,  2  (vgl.  Enmann  a.  a.  0.  S.  388)  müh  senatus  seit  militum  consulto 
Imperium  invaserat.  Unzweifelhaft  hat  Aur.  Vict.  hiefür  die  „Kaiserge- 
schichte" benutzt;  Vop.  dagegen  scheint  wiederum  aus  Aur.  Vict.  ge- 
schöpft zu  haben.  —  Zum  besonderen  Vorwurf^)  macht  Vop.  dem  Florian, 
dass  er  das  Reich  quasi  heretVitarium  esset  usurpiert  habe,  obwohl  Tacitus 
im  Senat  beschworen  worden  sei,  nicht  seine  Kinder,  sondern  den  würdig- 
sten zum  Nachfolger  zu  bestimmen  (s.  Tar.  6,  8  u.  9) ;  ganz  in  diesem 
Sinn  versichert  Pollio,  Gl.  12,  3,  dass  Quintillus,  der  Bruder  des  Claudius, 
das  Reich  wirklich  verdient,  nicht  ererbt  {licreditaritim)  habe  und  aucli  ohne 
die  Verwandtschaft  mit  Claudius  auf  den  Thron  gekommen  wäre  (vgl.  auch 
Pr.  10,  8,  wonach  Florianus  den  Thron  ebenfalls  quasi  hereditarium  be- 
steigt und  ebenso  11,3  in  der  oratio  prima  des  Probus  an  den  Senat). 

Tac.  14,  2  stimmt  sehr  gut  zu  Aur.  Vict.  Cacs.  37,  1.    Man  vergleiche: 


1)  =  ('oUectioH  des  historiens  ancien»  et  modenii'f:  de  l'Aniieiiie,  pidil.  en  fruni;.  par 
Victor  Langlois,  t.  II  Paris  1869,  Kap.  76,  S.  119. 

2)  Herr  Prof.  Kornemann  weist  mich  darauf  hin.  dass  die  Verwandtschaft  otfen- 
bar  erfunden  worden  sei,  um  diesen  Vorwurf  erheben  zu  können.  Vopiscus  [bezw. 
der  ihm  vorliegende  Autor]  sei  ein  fanatischer  Anhänger  der  Theorie  der  Vererbung 
durch  Adoption  (vgl.  Tac.  6,8—9).  Die  Erörterung  der  Streitfrage,  ob  Erbfolge  der 
leiblichen  Kinder  oder  des  02itimi(s  im  Reiche,  passe  vorzüglich  in  die  Zeit  Diokle- 
tians; danach  habe  wohl  schon  die  Quelle,  also  die  .Kaisergeschichte'  einiges  darüber 
gehabt.  —  Dabei  ist  jedoch  zu  bedenken,  dass  die  Adoptionstheorie  schon  im  1.  .Jahr- 
hundert n.  Chr.  eine  grosse  Rolle  spielte  (s.  o.  S.  29.3)  und  seitdem  zum  Inventar  der 
Rhetoren  gehört  haben  mag. 

80 


312  Ernst  Ihihl. 


V  0  p.  denique  vkc  duohus  mensihiis 
imperium  tenitit  et  occisiis  est  Tarsi 
a  milifihus,  qui  Prohiim  mulierant  im- 


A  u  r.  V  i  c  t.  Quo  nno  mense  aut 
nltero  vix  retenfata  dominatione  apud 
Tarsinn  ah  suis  interficitur.    2  post- 


perare,  quem  omnis  exercitus  legeraf.  j  (piam  Probum  in  lllyrico  factum  ac- 
3  tantus  antem  Probus  fuit  in  re  nii-  cepere,  ingcnti  belli  scientia  .... 

Jitare, 

Danach  hat  sich  Voji.  oifenbar  damit  be.crnügt.  für  die  kurze  Usur- 
pation des  Florian  einfach  den  Aur.  Vict.  auszuschreiben.  —  In  Tac.  14.  4 
wird  das  Bestreben  des  Florianus.  seinem  „Bruder"  nachzueifern  zwar 
anerkannt,  aber  doch  seine  imperandi  cupiditas  getadelt,  die  ihn  von  seinem 
.Bruder"   sehr  unterschieden  habe. 

Tac.  14,  .5  folgt  eine  Zusammenfassung,  wobei  die  Regierungszahlen 
zu  den  vorherigen  Angaben  stimmen.  Taeitus  und  Florianus  werden  ge- 
nannt quasi  quidam  interrefjes  infer  Äureliannm  et  l'rohum  (zu  quasi  qui- 
dam  s.  Wölfflin  a.  a.  0.  S.  517).  In  dieser  Angabe  sah  v.  Sadee  a.  a.  0. 
S.  51  f.  den  Schlüssel  für  die  Entstehung  der  Tradition  Tom  Interregnum. 
Das  Interregnum  nach  Aurelians  Tod  und  die  Bezeichnung  von  Taeitus 
und  Florianus  als  interreges  schliessen  sicli  ja  keineswegs  aus.  Uebi-igens 
werden  begi-eiflicherweise  beide  auch  von  lulian  in  den  Caes.  übergangen. 
: —  Den  Satzteil  post  Interregnum  prinripes  nuucupati  wollte  Winterfeld 
a.  a.  0.  S.  558  gegen  die  Klammern  Peters  verteidigen,  weil  ohne  ihn 
kein  rhythmischer  Satzschluss  vorhanden  sei.  Vielleicht  muss  man  aber 
hier  mit  der  Möglichkeit  einer  Glosse  rechnen,  die  von  irgend  einer  Seite 
beigesetzt  wiu'de,  die  zu  Anfang  der  Vita  vom  Interregnum  gelesen  hatte. 
Die  Möglichkeit  solcher  Zusätze  von  Lesern  hat  ja  auch  Wölfflin  a.  a.  0. 
)S.  512  ff.  hervorgehoben. 

Cap.  15  bringt  ein  omen  und  dessen  Deutung  durch  die  liuruspices. 
Wenn  Statuen  des  angeblichen  Brüderpaares  in  Interarana.  in  solo  proprio, 
erwähnt  werden,  so  darf  man  aus  dieser  Stelle  natürlich  nichts  für  die 
Heimat  des  Geschichtsschreibers  folgern,  wie  man  das  tun  wollte  (dagegen 
wendet  sich  mit  Recht  Schwabe  bei  1\-W.  IV,  Sp.  1567).  —  In  dem 
Orakel  der  liaruspires  [Tac.  15,  2  ff.)  hat  Mommsen  ad  Eonumam  iitsuJam 
in  ad  Monam  msulam  geändert').  Zu  Taprobanis  praesidem  imponat 
vgl.  Plin.  N.  n.  VI  81 :  Taprobanen  alter  um  orbem  ferrarum  esse  diu  exi- 
stimatum  est  Antirhtlionum  appellntione  (vgl.  über  das  Wunderland.  Ceylon, 
Erwin  Rohde,  Grierh.  Roman  1876  ^  S.  223  Anm.  1  und  S.  239  Anm.  2). 
—  Die  Berührung  mit  dem  Probusorakel  Pr.  24.  2  (vgl.  Dannhäuser  a. 
a.  0.  S.  90)  hat  H.  Peter,  Die  S.  h.  A.  S.  48  besprochen :  die  Veranlas- 
sung zu  der  Prophezeihung  gäbe  in  beiden  Fällen  ein  Blitzstrahl,  welcher 

1)  L.  C.  Purser  a.  a.  0.  S.  1-5  tf.  schlägt  leniam  (oder  Iitrernam).  also  Irland  vor. 
Aus  lernam  sei  durch  Wegfall  der  beiden  ersten  Buchstaben  niam  geworden,  daraus 
habe  man  lionuiiiam  gemacht.  Die  Konjektur  ist  vortrefflich,  ebenso  die  Begründung, 
warum  Irland  gesagt  sei. 

81 


V<)2)isciis  Ulli)  die  Biof/rap/iie  des  Kaiffcrs  Tacitus.  313 

Statuen  i»  sohi  proprio  trifft').  An  die  Antwort  der  han(spicef<  achliesse 
sich  die  höhnische  Kritik  des  Vop.  Wo  es  Vop.  mit  dergleichen  Ernst 
nehme,  da  laute  der  Ton  seiner  Worte  anders-).  —  Zum  Alter  von  120 
Jahren  v<>i.  besonders  H.  Peter,  Die  S.  h.  A.  S.  24  Anni.  1  (67.  2.  4  wird 
dem  Moses  allein  ein  Alter  von  125  .Jahren  durch  PoIIio  zu<,'eschrie- 
ben)  und  v.  Gutschmid,  Kleine  Schriften  III  S.  286.  Es  soll  damit  das 
höchste  Alter  bezeichnet  werden ').  —  Zu  cap.  15,  4  vgl.  Winterfeld  a.  a. 
0.  S.  558,  der  eoriim  streichen  will  und  so  die  von  Peter  angenommene 
Lücke  entbehrlich  macht.  —  Zu  cap.  15,  5  er/o  turnen  haee  idcirco  inse- 
renda  volmnini  credidi.  ne  qiiis  nie  legens  legisse  non  crederet  vgl.  Capit. 
Max.  28,  1 0 :  qnod  idcirco  indidi,  ne  qitis  qui  Cordiim  leyeret,  nie  praeter- 
niisisse  crederet  uJiquid,  quod  ad  patreni  peiiineret. 

Das  Gemälde  des  Tacitus  {Tac.  16.  2)  wurde  oben  (S.  300)  besprochen. 
Nach  C  4,  9  wurde  das  Geschlecht  der  Quintilier  von  Conimodus  ausge- 
rottet. Da  nach  Tae.  11,  4  der  Kaiser  rciiationtim  stiidiosiis  war.  so  er- 
scheint er  auch  einmal  in  Jiigertracht  abgebildet.  —  Dass  zu  dem  wür- 
digen Grei.s  nur  noch  die  Toga  passe,  war  ein  naheliegender  Gedanke,  zu 
dem  man  keinen  cpigraminatarius  (das  Wort  auch  Q  7,  4)  gebraucht  hätte. 
In  cap.  16,4  kommt  noch  einmal  der  Spott  über  die  Antwort  der  liani- 
spices'^)  gegen  die  Nachkommen  von  Florianus  und  Tacitus.  Dass  die 
beiden  viele  Kinder  gehabt  haben,  steht  nur  hier  (vgl.  die  parvidi.  Tac.  6,  8). 

Cap.  16,  5  scheint  V^op.  abschliessen  zu  wollen.  Zu  dem  Satz  Haec 
sunt,  quae  de  vita  Taciti  atque  Floriani  digna  memoratu  comperisse  nie  nie- 
mini vgl.  §  13,  6  Haec  digna  menioratn  de  Procnlo  didicisse  nie  meniini 
(die  Wendung  mit  niemini  ist  sehr  beliebt  im  Corpus,  besonders  bei  Vop., 

s.  Lessing,  lex.  und  Lecrivain  S.  353:  „cette  formule legisse  nie  me- 

nini  indique  generalenient  une  invention").  —  Cap.  16.6  wird  der  Ueb er- 
gang zu  Probus  angekündigt,  der  nach  Tacitus  —  Florian  wird  hier  über- 
gangen —  auf  das  Urteil  aller  Guten  hin  Kaiser  geworden  sei.  und  dieser 
gleich  aufs  höchste  gefeiert.  —  Das  naheliegende  Wortspiel  mit  seinem 
Namen  (s.  o.  S.  292  Anm.  3)  kehrt  Pr.  4.  4  noch  einmal  wieder.  —  Cap. 
16,  7  kommt  die  Entschuldigung  des  Vop..  dass  er  diese  Dinge  in  uliorum 


1)  Derartige  Statuenwunder  werden  oft  erwähnt.  Vgl.  z.  B.  Suet.  Galba  1  — 
zur  Antwort  der  haruspices  lässt  sich  Sueton  Auy.  94,  2  beiziehen. 

2)  Nach  2ac.  1-5,  3  f.  soll  sich  das  Orakel  erst  nach  1000  Jahren  erfüllen.  Darüber 
spottet  Vopiscus,  obwohl  z.  B.  Euphorion  ^Xthäött,  Orakel,  die  sich  in  1000  Jahren 
erfüllt  oder  erprobt",  gedichtet  hatte  (vgl.  Erich  Bethe  bei  Gercke-Norden,  Einl.  in 
die  Altertiimswiss.  I  S.  322  f.). 

3)  Auf  100  Jahre  hatten  die  Pythagoreer  das  Menschenalter  festgesetzt,  vgl.  Ed. 
Norden  in  s.  Ausy.  von  Verg.  Aen.  B.  VI  (1903)  S.  11,  Anm.  1.  —  Dagegen  heisst 
es  Tac.  Dial.  17 :  centum  et  viginii  anni  ah  interiUi  Ciceronia  in  hiinc  diem  coUirjutiiur, 
unnis  hominis  aetas. 

4)  Der  Aerger  des  Vopiscus  auf  die  harus2>ices  zeigt  sich  auch  A  7.  8,  wo  Aure- 
lian  in  einem  Heereserlass  gebietet:  haruspicibiis  nihil  dent. 

Klio,  Beiträge  zur  alten  Geschichte  XI  3.  21 

82 


314  Emst  Hohl, 

rita  vorwegnehmen  müsse;  aber  er  tue  es  nur.  damit  er  für  den  Fall  eines 
jähen  Todes  nicht  ohne  Erwähnung  des  Probus  sterbe.  Das  passt  zu  der 
Art.  wie  Vop.  auch  sonst  mit  der  Möglichkeit  eines  baldigen  Absterbens 
rechnet,  so  A  24,  9,  wo  er  eine  populäre  Biographie  des  ApoUonios  von 
Tyana  in  Aussicht  stellt,  si  lita  suppetif :  vgl.  Fr.  1,  5  sl  vita  stippetet 
omnes,  qui  supersunt,  usque  od  Maximianum  Diodetianum  didurus  und 
24,  8  post  inde  si  vita  snppdit  Carum  indpiemits  propagare  cum  liheris  (s. 
übiigens  auch  Lampr.  ÄS  64.  2  de  quihus  (Aurelimium  dico  et  deinceps), 
.*/  rifa  suhpedifarerit  ea,  qiiae  comperta  fiwrint,  puhlicahimus) ').  —  In  Tue. 
16.  8  schreibt  Klebs.  a.  a.  0.  (u.  Anm.  1)  S.  48  Anm.  1  mit  Obrecht :  ntmc 
<p(iescam  interim  in  meo  stadio  -),  da  diese  glückliche  Yerbessening  mit  der 
Gegenüberstellung  von  stadio  und  studio  genau  der  Art  des  Vop.  entspreche. 
Man  sieht  auch  aus  diesen  Worten  wieder,  wie  eifrig  sich  Vop.  bemüht, 
die  sukzessive  Entsteh nng  der  Viten  dem  Leser  recht  glaublich  zu  machen. 
Offenbar  soll  die  Vorstellung  entstehen,  dass  seinerzeit  bei  der  ersten  Heraus- 
gabe die  Biographien  einzeln  erschienen  sind^l.  Der  Eindruck  soll  da- 
durch unterstützt  werden,  dass  die  rita  Aureliaiii  vom  Stadtpräfekten  Ti- 
berianus  angeregt  sein  will,  und  das  eine  Mal  Celsinus  l'r.  1.  3,  das  an- 
dere Mal  Bassus  Q  2. 1   angeredet  wird. 

Cap.  17.  1 — 3  bringt  noch  die  omina  imperii.  Ich  glaube  nicht,  dass 
sie  irgendwelche  Beachtung  verdienen.  Auffallend  ist  der  Ausdruck  (17, 1) 
otuini  depntatum  est  (vgl.  o.  S.  304  Anm.  1 ).  Die  Purpurfarbe  spielt  die  üb- 
liche ausschlaggebende  Rolle.  —  Cap.  17.  4  u.  5  folgen  die  omina  mortis  nach 
bekannten  Mustern.  —  Sed  quousqnc  ultra  progredimur?*)  sunt  a  quihus 
ista  dicanfur:  für  Tacitus  und  Florianus  ist  das  nicht  sehr  wahrscheinlich. 
—  Das  Kapitel  schliesst  A'^op.  mit  der  Versicherung,  sich  Probus  und 
dessen  herrlichen  Taten  zuwenden  zu  wollen. 


1)  Klebs,  Bhein.  3Ius.  47  (J892)  S.  40  Anm.  1  wollte  die  Formel  si  rita  subpedi- 
tarerit  (AS  64, 2)  auf  Cicero  zurückführen.  Thiele  aber,  a.  a.  0.  S.  36  f.  denkt  an 
Entlehnung  aus  Tacitus  (Hist.  I,  1:  A)in.  XIT  55:  XV  11).  —  Auf  Beziehungen  zu  Ta- 
citus. dem  Historiker,  habe  ich  oben  S.  290  Anm.  4  hingewiesen.  Sollte  es  wirklieh 
Zufall  sein,  dass  die  Formel  in  ihren  verschiedenen  Varianten  nur  bei  Vop.  und  dem 
Verf.  der  c.  Hei.  vorkommt?  Die  nahen  Beziehungen  zwischen  Vop.  und  c.  UeJ. 
verdienen  sehr,  beachtet  zu  werden. 

2)  L.  C.  Purser,  a.  a.  0.  S.  15  benutzt  die  scheinbar  sinnlose  Lesart  von  M  (der 
editio  princeps  von  Mailand),  quo  claudium  vohaneii.  zu  folgendem  Vorschlag:  Nunc 
qttoniam  intersum  in  eo  studio  (or  perhaps  interirem  in  eo  studio)  hoc  claud^im  volwnen 
etc.  —  Ein  rolumen  nennt  allerdings  Vop.  selbst  (Tac.  15,5)  die  Biographie  des 
Tacitus.  Aber  so  scharfsinnig  die  Konjektur  ist.  so  ist  doch  als  Grundlage  für  die 
Emendation  die  Lesart  der  Hss.,  P  und  B.  vorzuziehen. 

3)  So  will  ja  auch  Treb.  Pollio  1'  31.7  tf.  erst  nachträglich  auf  eine  abfällige 
Kritik  hin  die  Zahl  von  dreissig  Tyrannen  vollgemacht  haben. 

4)  Vg!.  über  diese  Phrase  L.  C.  Purser  a.  a.  0.  S.  48;  derartigen  rhetorischen 
Schmuck  habe  man  in  der  Schule  gelernt ;  in  letzter  Linie  stamme  er  vielleicht  aus 
Cicero:  aber  eine  besondere  Vertrautheit  mit  Cicero  sei  daraus  nicht  zu  folgern,  wie 
Klebs  wollte. 

83 


Vopiscxs  und  die  B'xHirnphk  des   Kaisers  Tacitus.  315 

Cap.  18  u.  19  bringen  noch  die  Briefe,  die  Vop.  Tac.  12.  2  in  Aus- 
sicht gestellt  hatte.  Er  erinnert  tiusdrücklich  an  .sein  Verspreciien.  Nach 
Peter,  Die  S.  h.  A.  S.  108  f.  soll  die  Anreihiing  der  Briefe  am  Schluss  der 
Vita  durch  Vop.  in  Nachahmung  des  Urkundenbuchs,  das  Marius  Maximus 
an  seine  Biographien  angehängt  habe,  erfolgt  sein.  Vgl.  auch  ebd.  S.  166  f., 
S.   173. 

Die  Briefe  selbst,  zwei  cpistidac  pnhJicdc  und  zwei  epistnlnc  priratde, 
sind  selbstverständlich  Erfindungen  des  Vop. ').  —  Die  Rückkehr  zum  an- 
fiqiius  Status  ist  das  Leitmotiv  (s.  o.  S.  307).  —   Tac.  3,4  lasen  wir:  qiiod 
honum  faustiim  salutareque  sit;  cap.   18,2  im  Schreiben  an  die  Kurie  von 
Karthago  heisst  es:    Qnod  honiim,  faiistum,   felix  sahdarcque  sit'')  ...... 

Zu  iudicihus  (cap.  18,3;  s.  auch  15,2)  vgl.  Lecrivain  a.  a.  0.  S.  34  mit 
Anm.  3  über  den  späten  Gebrauch  von  iudex  für  einen  Zivilbeamten.  — 
Das  zweite  Schreiben  ergeht  an  die  Kurie  von  Trier.  Dass  man  nicht 
mit  G.  Bloch  (liei  Ernest  Lavisse,  Histoiie  de  France  I  S.  209  Anm.  1) 
aus  den  Worten  ut  estis  liheri  et  semper  fuistis  etc.  auf  Rückgabe  der  li- 
liertas  an  die  Treveri  schliessen  darf,  hat  Kornemann  betont  {Westd.  Zeitsckr. 
Bd.  22  [190.3]  S.  183  Anm.  27),  da  der  auch"  von  Peter  als  gefälscht  an- 
erkannte Brief  eine  zu  trübe  Quelle  sei,  die  Worte  semper  fuistis  aber  auf 
alle  Fälle  eine  Unwahrheit  enthalten. 

Als  die  vier  bedeutendsten  Städte  bildete  der  Chranixp-aph  rniii  J.  354 
in  allegorischen  Frauengestalten  Rom,  Alexandreia,  Konstantinopel  und 
Trier  ab  (s.  Seeck  bei  l'.-W.  III,  Sp.  2477  f.). 

Ein  Schreiben  nach  Alexandreia  wird  cap.  18.  6  erwähnt,  ausserdem 
solche  nach  Antiocheia  •''),  Aquileia,  Mailand,  Thessalouike,  Korinth  und 
Atiien.  Danach  scheint  die  Auswahl  also  ziemlich  willkürlich  getroffen 
zu  sein. 

In  cap.  19  folgen  noch  zwei  Privatbriefe,  die  das  gleiche  Thema  der 
Senatsherrlichkeit  variieren.  —  liedierimt  ad  praefectimi  iirhi  appelJationes 
ormiium  potestatum  et  oninium  dignitatum  eatsinicht  18,3  oninis  provocatio 
praefecfi  urhis  erit  (vgl.  18,  5).  —  Auch  im  zweiten  Brief  steht  die  An- 
rede pater  sanefe,  weil  es  sich  um  Senatoren  als  die  Adressaten  handelt. 
—  Die  übereinstimmenden  Ausdrücke  hat  sclion  Peter,  Die  S.  h.  A.,  S.  166  f., 
zusammengestellt.  —  Im  Schluss  des  zweiten  Briefs :  dictum  sapienti  sat 
est  erkannte  Klebs.  Illicin.  Mus.  47  (1892)  S.  234  das  plautinische  Sprich- 
wort. 


1)  S.  o.  S.  298  Anm.  1. 

2)  Vgl.  L.  C.  Purser  a.  a.  0.  S.  50  f.,  der  meint,  die  Hinzufügung  von  salutare 
brauche  wegen  Pr.  20,  3  {his  adäidit  dictiiin  ...  salutare  reip.)  noch  nicht  auf  das 
Konto  des  Vop.  gesetzt  zu  werden,  da  salutare  schon  zu  der  ursprünglichen  Formel 
gehört  habe  (Varro,  /.  /.  VI  86). 

3)  Mommsen,  Möm.  Gesell.  V^  (1886)  S.  456  sagt  über  Antioeheia,  sie  sei  die  Haupt- 
stadt  Syriens   und   vor  Konstantinopels  Gründung   des  römischen  Ostens  überhaupt. 

21* 

84 


316  Enisf  Hohl, 

In  T(ir.  19,  6  versichert  Vop.,  er  könne  nicht  alle  Briefe,  die  er  ge- 
funden und  gelesen  habe,  mitteilen.  Tatsächlich  ist  er  des  Erfindens  müde. 
Zum  Abschluss  schildert  er  noch  einmal  die  grosse  Freude  und  den  Jubel 
der  Senatoren,  wie  er  das  schon  cap.   12,  1   angedeutet  hatte. 

Wir  haben  schon  oben  (S.  186)  drei  Quellen  für  die  v.  Tac.  des  Vop. 
unterschieden').  In  erster  Linie  kommt  für  die  geringen  tatsächlichen 
Angaben  die  „Kaisergeschichte"  in  Betracht.  Ausserdem  habe  ich  Be- 
nutzung der  Cacs.  des  Aur.  Vict.  vermutet  und  auch  Spuren  der  griechi- 
schen Quelle  Hessen  sich  aufdecken.  Dagegen  mussten  wir  den  angeb- 
lichen Biographen  des  Kaisers  Tacitus,  Suetonins  Optatianus,  in  das  Reich 
der  Fabel  verweisen. 

Für  den  Tod  des  Tacitus  folge  ich  der  lateinischen  Version,  die  m. 
E.  aus  der  „  Kaisergeschichte "  stammt,  nehme  also  an,  dass  Tacitus  dem 
Fieber  —  nicht  einer  Militärrevolte  —  zum  Opfer  fiel.  Florian  kann  sehr 
wohl  durch  Selbstmord  geendet  haben,  wie  die  Epifome  berichtet.  Da- 
gegen musste  es  sehr  gut  zu  Vopiscus'  Tendenzen  passen,  dass  der  un- 
rechtmässige ü.surpator,  der  den  Purpur,  als  wäre  er  ererbt,  an  sich  reisst, 
auf  schmähliche  Weise  durch  die  eigenen  Soldaten  untergeht.  Denn  der 
Selbstmord  war  in  seiner  Situation  nach  antiker  Auffassung  ohne  Zweifel 
ein  ehrenvoller  Tod  (vgl.  Rud.  Hirzel.  Arch.  f.  ReUg.-Wiss.  XI.  1908, 
S.  456  über  den  Tod  des  Kaisers  Otlio,  das  fachnis  cf/rer/iiini.  Tac.  Hisf. 
II  50). 

Stellen  wir  nun  noch  die  Teile  der  r.  Tac,  zusammen,  die  auf  die 
„  Kaisergeschichte "  oder  auf  Aur.  Vict.  zurückgehen ,  so  ergibt  sicli 
folgendes : 

Das  Interregnum  stand  nach  dem  Zeugnis  von  Aur.  Vict.  uud  der 
Ep'dome  in  der  „Kaisergeschichte".  Die  ganze  Ausführung,  besonders  die 
Anticjuitätenkrämerei.  gehört  aber  dem  Vop.  Der  kurze  Bericht  über  den 
Tod  des  Aurelian  Tac.  2,  4  entspricht  ebenfalls  der  Version  der  „  Kaiser- 
geschichte"  (cf.  A  35,  5).  Die  Senats  Verhandlungen  im  folgenden  sind 
eigenes  Machwerk  des  Vop.  mit  ausgesprochener  Senatstendenz  und  Ver- 
herrlichung der  Adoptionskaiser.  Die  eigentümliche  Polemik  Tac.  7.  5  ff. 
gegen  eine  Tradition,  wie  sie  auch  Zon.  bietet,  richtet  sich  sehr  wahr- 
scheinlich gegen  eine  griechische  Quelle.  Das  folgende  ist  wieder  durch- 
weg Erfindung  des  Vop.,  mitsamt  dem  Suetonius  Optatianus  [Tac.  11,7). 
Erst  in  cap.  13,  1 — 3  kommt  wieder  eine  historische  Notiz:  Kampf  gegen 
die  Barbaren,  die  von  der  Maeotis  her  eingedrungen  waren.  Sie  stammt 
wohl  aus  der  griechischen  Quelle.  Ebenso  aus  der  griechischen  Quelle 
ist  die  Version   herzuleiten,    dass  Tacitus   einer  Militärrevolte   zum   Opfer 


1)  Enmanu  a.  a.  0.  S.  387  sagt :  ,Für  das  Leben  des  Tacitus  hat  Vop.  haupt- 
sächlich Memoirenliteratur,  Briefe  und  Akten  benutzt".  —  Aber  gerade  in  dieser 
Hinsicht  haben  wir  es  mit  den  eigenen  Erfindungen  des  Vop.  zu  tun. 

85 


VopiscHs  und  die  Biographie  des  Kaisers  Tnritits.  317 

gefallen  sei.  Den  Tod  ilureli  Krankheit  (im  bes.  durcli  l"iel)er|  kennt  Vop. 
aus  der  „  liaisergeschichte". 

Was  cap.  14  von  Florianus  bericlitete,  stellt  in  so  enfj;em  Zusammen- 
hang mit  Aur.  Vict.,  dass  ich  das  kurze  Stück  auf  ihn  zurückführen  möchte, 
besonders  auch  wegen  der  behaupteten  Verwandtschaft  ').  Die  Polemik 
gegen  Florian  und  dessen  mangelhafte  Charakteristik  hat  Vop.  aus  eigenem 
hinzugetan.  Das  Folgende  bis  zu  den  Briefen  am  Schluss  ist  wieder  freie 
Erfindung  des  Vopiscus. 

Man  sieht,  das  Ergebnis  der  Prüfung  des  eigentlichen  historischen 
Gehalts  der  ('.  Tac.  ist  ausserordentlich  gering.  Haben  wir  es  doch  hier 
mit  einem  Fall  zu  tun,  in  dem  die  mangelhafte  Ueberlieferung  über  eine 
kurze  und  —  abgesehen  von  ihrer  prinzipiellen  Bedeutung  —  tatsächlich 
höchst  unwichtige  Regierung  den  Vop.  nötigt,  frei  zu  erfinden.  Mommsen 
sagt  {Hermes  25  S.  229  =  Ges.  Sehr.  VII  S.  303):  „man  begreift  es,  dass, 
wer  erzählen  soU  imd  nichts  zu  erzählen  weiss,  ins  Lügen  gerät".  Umso 
auffälliger  ist  es,  dass  Vop.  in  dieser  Verlegenheit  sich  nur  ganz  nebenher 
an  die  griechische  Quelle  um  Hat  gewandt  hat.  Denn  die  Tradition,  wie 
sie  uns  bei  Zos.,  Zon.  etc.  vorliegt,  hätte  ihm  doch  manches  bieten  können, 
(z.  B.  die  Geschichte  von  Maximinus).  Aber  Vop.  sah  deshalb  fast  ganz 
von  der  griechischen  Tradition  ab .  weil  diese  nicht  das  geringste  Ver- 
ständnis für  die  dem  Vop.  so  am  Herzen  liegende  Senatsherrlichkeit  unter 
des  Tacitus'  Regierung  zeigte  fs.  o.  S.  190).  In  wieweit  übrigens  das, 
was  Gräbner  die  ,Zosimosquelle"  nennt,  damals  schon  ausgebildet  wai% 
wissen  wir  im  einzelnen  nicht.  Wir  haben  eingangs  (s.  S.  189  f.)  die 
Möglichkeit  wenigstens  angedeutet,  dass  die  griechische  Quelle  des  Vop. 
kein  anderer  als  Eunap  gewesen  sei.  Beweisen  lässt  sich  diese  Vermutung 
allerdings  nicht;  im  Grund  genügt  ja  auch  die  Feststellung,  dass  Vop. 
eine  griechische  Quelle  benutzt  hat.  —  Dass  über  die  beiden  Kaiser  Tacitus 
und  Florianus,  die  so  kurz  regiert  hatten,  nicht  viel  zu  erfahren  war.  darf 
uns  nicht  wundernehmen.  Sie  waren  in  gewissem  Sinn,  wie  es  auch 
('.  Tac.  14,  5  heisst,  interreges,  erdrückt  von  den  grossen  Gestalten  des  Vor- 
gängers und  des  Nachfolgers. 

Werfen  wir  noch  einen  Blick  auf  den  Aufbau   der   rita   Taciti! 

Cap.  1:  Einleitung.  Historische,  bezw.  antiquarische  Reminiszenzen: 
Hinweis  auf  das  Interregnum  nach  Romulus'  Tod  als  klassisches  Vorbild 
für  das  [angebliche]  Interregnum  von  6  Monaten  nach  Aurelians  Tod.  — 
Unterschiede  zwischen  den  beiden  Interregnen. 

Cap.  2:  Weitere  Betrachtungen  über  den  denkwürdigen  Zustand  des 
Interregnums.     Vorgeschichte  des  Tacitus :  Ermordung  Aurelians. 


1)  Denn  die  Nachricht  von  der  Verwandtschaft  des  Tacitus  und  Florianus  der 
„Kaisergeachichte"  aufzubürden',  halte  ich  mich  nicht  für  berechtigt.  Eine  derartige 
Dublette  zu  Claudius-Quintillus  konnte  überdies  zu  der  Zeit,  da  ihr  Verfasser  schrieb 
(Anfang  des  4.  Jahrhunderts),  schwerlich  schon  entstanden  sein. 

86 


818  Enisf  Hohl, 

Cap.  3 — 7,  1:  Senatsverliandlung.  Wahl  des  Tacitus  (gefälschtes  Senats- 
konsult  mit  Angabe  der   Heden  nnd  Akklamationen). 

Cap.  7,  2 — 4 :  Ansprache  des  Stadtpräfekten  an  die  Quirlten  auf  dem 
Marsfeld,  Proklamation  des  Tacitus.  Aufnalune  der  Wahl  durch  das  Volk. 

Cap.  7,5:  ,  Kritische "  Bemerkung  des  Vopiscus  über  den  Aufenthalt 
des  Tacitus  zur  Zeit  der  Wahl.  —  Nach  unserem  Geschmack  würde  das 
in  eine  Anmerkung  gehören'). 

Cap.  8.  1 — 2 :  Angaben  des  Vopiscus  über  seine  „  archivalischen  Forsch- 
ungen". 

Cap.  8,3  S:  Vorstellung  beim  Heer  (entspr.  7,2 — 4)  durch  den 
Prätorianerpräfekten. 

Cap.  9:  Prima  oratio  ad  sciiafKin.  In  dieser  Programmrede  selt- 
samerweise alle  möglichen  Bestimmungen  angehäuft.  —  So  vollzieht  sich 
unmerklich  der  Uebergang  vom  Regierungsantritt  zu  den  Regierungs- 
handlungen. —  Triumph  der  Senatsidee. 

Cap.  10:  Schilderung  des  Kaisers.  „Charakteristische"  Züge.  Seine 
Freigebigkeit  und  Einfachheit.  Tugenden  des  „Senatskaisers". 

Cap.  11:  Privatleben  des  Kaisers.  Massigkeit.  Eigentümlichkeiten, 
Gewohnheiten.  Liebhabereien. 

Cap.  12:  Das  Echo  der  Wahl  bei  den  Senatoren.  .Jubel  über  die 
„Senatsherrschaft".  —   12.2  Ankündigung  der  Briefsammlung. 

Cap.  13:  Spärliche  historische  Notizen.  Tod  des  Tacitus.  Auf- 
fallend ist  die  Notiz  13,  6,  die  nicht  in  den  Zusammenhang  passt.  — 
Uebergang  zu  Florianus. 

Cap.   14:  Spärliche  historische  Notizen  über  Florian. 

Cap.  14,5:  Zusammenfassende  Bemerkung  über  die  beiden  inferreges. 

Cap.   \h:  Wunder  —  Weissagung  —  Spott  über  die  haruspices. 

Cap.  16;  Nachtrag  zu  Tacitus.  —  coiir/iariKin.  —  Bilder  des  Tacitus. 
Ausfall  gegen  die  harusjyices. 

Cap.   16,5:  Abschluss,  Ankündigung   der    >;.  Pr.  —   Lob  des  Probus. 

Cap.  17:  Omina  bnperü  et  mortis.  (Vgl.  Suet.  Aug.  92  ff.,  wo  die 
omina  auch  gegen  den  Schluss  hin  aufgeführt  sind). 

Cap.  18  u.  19:  Anhang  von  „Urkunden"  a)  offiziellen,  b)  privaten 
Charakters. 

S  c  h  1  u  s  s. 

Hat  sich  nun  aus  der  Betrachtung  der  v.  Tac.  des  Vopiscus.  wie  ich 
hoffe,  ergeben,  dass  wir  es  in  ihr  mit  einem  vorwiegend  rhetorischen 
Elaborat  zu  tun  haben,  dessen  Verfasser  ausserordentlich  geringe  tat- 
sächliche Kenntnisse  über  die  kurze  Regierung  der  inferreges  besass,  so 
fällt   unser  Blick    unwillkürlich    auf   ein  uanz  ähnliches  Machwerk   in  der 


1)  Vgl.  über  den  Ersatz  der  Anmerkungen  bei  antiken  Schriftstellern  Ed.  Norden. 
Antike  Kmistprosa  P  S.  90  Anm.  2. 

87 


Vop/scits  iiiid  dir   liio(/r(iplik>  des  Kaisers   Taeitus.  '.\\% 

II.  A..  niimlieli  auf  den  Aridius  Cassius  Vuleacü  Gallicani  v.  r.  I)urih 
die  Untersuchungen  von  Klebs,  R/win.  ^fHs.  43  (1888)  S.  323  ff.,  ist  der 
rhetorische  Charakter  dieser  Vita  klargelegt  worden. 

Auch  hat  Klebs  für  die  Behauptung,  dass  wir  es  in  AC  mit  einem 
einzigen  Fälscher  zu  tun  haben,  mit  Recht  die  Zu.stimmung  von  Otto 
Th.  Schulz  [Das  Kaiserhaus  der  Antoiüne,  Leipzig  1907,  S.  131)  gefunden. 
Schulz  hat  überdies  in  AC  durchweg  die  Spuren  des  theodosianischen 
Fälschers  zu  entdecken  vermocht  und  vermutet  schliesslich,  dass  uns  in 
Vidcaeiiis  GaJIicaiuis  r.  c.  der  Name  des  zur  Zeit  Theodosius'  des  Grossen 
kompilierenden  Schlussredaktors  erhalten  ist  (a.  a.  0.  S.   146). 

Nun  hat  aber  für  den  Nnmen  GaUieanns  gerade  Vop.  eine  seltsame 
Vorliebe.  Der  Prätorianerpräfekt  des  Taeitus  —  in  Wahrheit  bekleidete 
Florianus  dieses  Amt  —  heisst  nach  Vop.  Moesins  Gallieaniis  f'J'ar.  8.3: 
s.  o.  S.  65);  als  Adressat  eines  Briefes  des  Valerian  begegnet  uns  im 
gleichen  Amt  ein  MuJrius  GaUieanus  {Pr.  4,  3).  Als  Quelle  für  das  Leben 
des  Probus  [Pr.  2,  2)  soll  dem  Vop.  die  Ephemeris,  also  das  Tagebuch, 
des  Tnrduhts  GaUieanus,  vir  honestissimus  ac  sineerissimiis,  der  noch  ausser- 
dem als  amicus  senex  bezeichnet  wird,  gedient  haben  ').  —  Ausser  diesen 
drei  Stellen  des  Vop.  begegnet  uns  der  Name  GaUieanus  abgesehen  von 
dem  unverdächtigen  Konsul  (f.  Gd.  22,8:  Max.  20,6)  nur  noch  einmal 
in  der  H.  A..  nämlich  eben  in  der  Ueberscbrift  der  r.  AC :  Vuleaeii  Gal- 
lieani  r.  e. 

Bedenkt  man,  dass  es  sich  bei  den  Erwähnungen  des  Namens  Galli- 
<'anus  durch  Vop.  immer  ganz  sicher  um  fiktive  Persönlichkeiten  handelt, 
so  muss  das  Zusammentreffen  der  Erfindungen  des  Vop.  mit  dem  Autor- 
namen der  y.  AC  als  sehr  merkwürdig  erscheinen. 

Man  schloss  bereits  aus  dem  Ausdruck  des  Vop.  Tac.  8,  1  (s.  o.  S.  294*, 
Anm.  3),  dass  Vop.  Gallier  gewesen  sei.  Vielleicht  darf  ich  noch  auf 
Tac.  10,2:  meriforia  intra  iirhem  sfare  vetuit  hinweisen.  Hier  ist  stare 
ganz  ungewöhnlich  einfach  im  Sinn  von  esse  gebraucht  ^).  Nun  gibt 
Godefroy,  Dictionnaire  de  l'ancienne  langue  frangaise  III  (1884)  S.  608  für 
altfrz.  ester  u.  a.  die  Bedeutung  exister,  etre  an,  während  Littre,  Dict. 
de  Ja  langue  frang.  II  (1882)  S.  1533  lat.  stare  unter  den  Stämmen  für 
etre  aufführt  und  auf  ester  verweist.  Freilich  darf  man  nicht  stare  in  der 
Bedeutung  von  e*-.s-e  ohne  weiteres  zu  einem  Gallizismus  stempeln  ^).    Doch 

1)  Vgl.  Dannhiiuser  a.  a.  0.  S.  18. 

2)  Wenn  Lessing,  lex.  s.  v.  xtare  b)  zu  Tac.  10,2  auch  P  2,3  stellt,  so  ist  das 
nicht  richtig.  Denn  P  2,  3  heisst  es  von  einem  sepnlchrmn  .ttare.  Das  ist  etwas  ganz 
anderes:  denn  selbst  Cic.  gebraucht  stare  von  statuae  oder  Signa.  In  P  2,  3  spielt 
zudem  der  Begriff  »fest,  unerschütterlich  stehen,  dauern"  herein,  der  auch  im  guten 
Latein  ohne  weiteres  in  sfare  liegen  kann.  —  Davon  kann  aber  Tac.  10. 2  nicht 
die  Rede  sein. 

3)  Vorsicht  ist  sehr  geboten.  So  kommt  Hei.  31,  7  als  ganz  singulär  btirbam  fa- 
cere  vor  (vgl.  Thes.  Ung.  Lat.  II  (1900/6)  Sp.  172-5  s.  v.  harba  I  1 :  Duh.  noni.  gramm. 

88 


320  Ernst  lh>hl. 

scheint  der  Fall  verbniuleii  mit  dem  eben  erwähnten  zum  mindesten  in 
der  Richtung  auf  gallischen   Ursprung  zu  weisen. 

Wii-  konnten  aber  eben  eine  besondere  Neigung  des  Vo]i.  zu  dem 
Namen  GaUicanus  feststellen:  wäre  es  da  nicht  eine  Möglichkeit,  dass 
Vop.  in  der  Tat  Beziehungen  zu  Gallien")  hat  und  sie  auf  diese  Weise 
andeutet  -)  ? 

Sollte  nicht  doch  Wöltflin  im  Recht  gewesen  sein,  wenn  er  anfäng- 
lich dem  Vop.  die  Rolle  des  Schlussredaktors  und  Herausgebers  der  Samm- 
lung zuwies  *)  ?  Wölfiflin  lässt  den  Vop.  die  Nebenviten  des  Aelius  und 
des  Geta  selbst  zusammenstöppeln,  im  Pescennius  Niger  eine  ältere  Vita 
überarbeiten  und  weist  auch  sonst  noch  .seine  Hand  nach  (a.  a.  0.  S.  511  ff. ; 
bes.  S.  519)^).  —  Aber  sein  Ansatz  des  Vop.  in  den  Anfang  des  4.  Jahr- 
hunderts und  vor  CapitoHnus  und  Lampridius  musste  ihm  ja  hemmend 
im  Wege  stehen. 

Hat  Vop.  dagegen  nicht  vor  dem  Ende  des  4.  Jahrhunderts  geschrieben, 
so  wird  die  Annahme  Wölfflins.  dass  er  der  Schlussredaktor  und  Heraus- 
geber der  Sammlung  sei,  sehr  wahrscheinlich;  dazu  kommt,  dass  die  Viten 
unter  Vopiscus'  Namen  allem  nach  in  jeder  Hinsicht,  nicht  nur  der  Reihen- 
folge, sondern  auch  der  Zeit  nach,  die  letzten  im  Corpus  der  h.  A.  dar- 
stellen '). 

Nun  hat  schon  Schulz  des  öfteren,  z.  B.  Lehen  des  Kaisers  Hudrian 
(1904)  S.  4  f.  darauf  hingewiesen,  dass  die  Zitate  des  Marius  Maximus 
höchst  wahrscheinlich  vom  Schlussredaktor  eingefügt  seien  (vgl.  auch  noch 
Schulz,  Das  Kaiserhaus  etc.  S.   7). 

Es  ist  also  sehr  zu  beachten,  dass  gerade  Vop.  sich  für  Marius 
Maximus  besonders  interessiert.  Weist  er  doch  darauf  hin,  dass  MM 
den  Avidius,    den    Albinus    und    den    Niger    iion    suis  propriis    lihris,   sed 


Y  572,  18:  barlxim  tundere  dicendiim.  iion  facere  sictit  Varro,  cf.  Larnpr.  Heliog.  31,7); 
daraus  ist  allerdings  franz.  faire  la  barbe  entstanden,  aber  ebenso  ital.  far  la  barba. 
Wir  haben  danach  keinen  Gallizismus,  sondern  Vulgärlatein  vor  uns. 

1)  Auch  Seeck,  Ulm».  Mus.  47,  S.  224  denkt  an  die  Möglichkeit,  dass  Gallier 
die  Verfasser  der  H.  A.  seien.  —  Wenn  übrigens  Seeck,  N.  Jahrbb.  141.  Bd.  S.  635 
den  gallischen  Usurpator  Flavius  Claudius  Constantinus  III.  seine  Herkunft  von  der 
untergegangenen  flavischen  Djuastie  und  deren  fingiertem  Vorfahr,  dem  Divus  Clau- 
dius, ableiten  lässt,  so  darf  man  vielleicht  an  PoUio  Cl.  3,  6  erinnern,  wo  es  von 
Claudius  IL  heisst:  ille  vehit  futurorum  memor.  gextes  Flavias.  qiiae  Vespasiani  et  Tili, 
nolo  autem  dicere  Doniitiani  fiierant,  propagavit.  Tatsächlich  hiess  ja  Claudius  11.  M. 
AureHus. 

2)  Auch  K.  Hönn,  Qtiellemuttersmbungen  nimmt  als  Heimat  des  Verf.  der  r.  AS 
Gallien  an. 

3)  S.  o.  S.  186  und  Giri  a.  a.  0.  S.  9,  der  Wölfflin  zustimmt,  ohne  freilich  dessen 
spätere  Ansicht,  wonach  Capit.  der  Schlussredaktor  war,  zu  kennen. 

4)  Allerdings  schreibt  Wölfflin  aus  Verseheu  die  r.  Cl.  A,  statt  der  r.  AC,  dem 
Vulcacius  GaUicanus  zu. 

5)  Vgl.  U.  Giri,  a.  a.  0.  S.  9. 

89 


VopisCHs  lind  die  Bioi/nipliic  des  Kaisers  Tncitus.  321 

ulinüs  beliiimlelt  liabc.  und  iiiinint  demgegenüber  für  sich  in  Aiilelinung 
an  die  Trii/inta  Ti/niinii  des  Pollio  die  Neuerung  der  sog.  Nebenviten 
inAnsprucli:  Q  1, 1  ff.,  vgl.  VVölfflin,  a.  a.  0.  S.  515')- 

Nun  wird  aber  in  AC  MM  dreimal  zitiert  {AC  6,6  u.  7 ;  9,.");  9,9). 
Danach  ist  es  nicht  unwahrsciieinlich,  dass  Vop.  nicht  von  ungefähr  in 
Q  1,1  hervorhob,  dass  MM  für  Avidius  Cassius  keine  Spezialbiographie 
gegeben  habe.  M.  E.  ist  nämlich  Vop.  selbst  der  Verfasser  der  r.  AC 
und  erklärt  sich  aus  diesem  Umstand  sein  Interesse  für  MM  und  dessen 
Zitate  in  der  Vita. 

Dazu  kommt,  dass  ich  in  AC')  folgende  Spuren  des  Vop.  entdecken 
zu  können  glaube: 

adde  quod  findet  sich  nur  JC  2,3;  Dd.  8,6;  Vop.  Pr.  23,3;  Vop.  Q 
10,  3  (vgl.  übrigens  die  Auffassung  von  Schulz ,  Das  Kaiserhaus  S.  133, 
Anm.  295). 

Zu  AC  14,  6  ut  in  antiquiim  staium  ....  reddatur  vgl.  Vop.  Pr.  6,  1 
in  lt.  st.  .  .  .  reddidcrit  (s.  auch  o.  S.  807). 

enitere  steht  AC  3,6  tanttim  enituit  in  philosoplna,  ut  (vgl.  7,8); 
Vop.  A  16, 1  Claudianis  temporihus  tantiis  enituit,  td  (vgl.  Ma.c.  1,  4  [Zitat!] 
und  Vop.  Pr.  10, 1). 

peccare  von  Vergehen  der  Soldaten  steht  AC  4,  2 ;  Vop.  Pr.  8,  1 ; 
Vop.  A  1,'i  (Vop.  A  49,  3  u.  5  von  servi  und  minisfri) :  (vgl.  (id.  28.  4 
von  trihmii  und  duces). 

Dabei  ist  zugleich  die  sachliche  Koinzidenz,    dass   in  AC  ebenso  die 


1)  Pr.  2,  7  nennt  Vop.  den  MM  unter  seinen  Vorbildern,  was  ihn  nicht  hindert, 
ihn  Q  1,2  zu  beschimpfen. 

2)  Gewiss  Hessen  sieh  die  Beobachtungen  auf  andere  Nebenviten  ausdehnen,  wo- 
bei jedoch  im  allgemeinen  nur  Ueberarbeitung  durch  den  Schlussredaktor  Vop.,  nicht 
eigene  Arbeit,  wie  in  AC  anzunehmen  ist  (für  Ael-,  G  und  PN  s.  o.  Wölfflin).  — 
Ich  möchte  die  Gleichung  „Vop.  =  theodosianischer  Fälscher"  wagen. 
So  passt  z.  B.  die  livianische  Reminiszenz  (0  M  7,  2)  des  scriba  pontificius,  die  Kor- 
nemann  a.  a.  0.  S.  83  Anm.  2  auf  den  Theodosianer  zurückgeführt  hat,  gut  zu  Vop. 
(s.  o.  S.  28.5),  vgl.  über  Livius  u.  Vopiscus  auch  Wachsmuth,  JSiiil.  in  das  Stiidiiim  der 
A.G.  (189.5)  S.  595  Anm.  1.  —  Vgl.  OM  \,h  mythistoriis  (bei  lunius  Cordus)  mit 
Vop.  Q  1,2  mi/thistoricis  bei  MM.,  s.  jetzt  auch  K.  Hönn  a.  a.  0.  S.  4*  Anm.  9.  — 
Wir  sahen  oben,  wie  aus  coniuratin  bei  Sueton  in  AC,  also  vom  Schlussredaktor, 
tyrannis  gemacht  wurde ;  vgl.  dazu  Vop.  A  39, 8,  wo  coniuratio  und  tyrannis  ganz 
synonym  gebraucht  sind;  Dd.  ist  nach  Kornemann  a.  a.  0.  S.  83  spätes,  schlechtes 
Machwerk,  meist  von  der  Hand  des  Schlussredaktors;  nun  ist  Dd.  1,1  tnliil  habet 
....  memorabUe  zu  vergleichen  mit  Ael.  2, 1  »iliil  habet  ....  memorahile  und  Vop. 
Car.  19,  1  memorabUe  ma.cime  ....  hoc  habuit  imperium,  quod.  Wie  die  Formel  in  der 
Kaisergeschichte  lautet,  sahen  wir  oben  (S.  308).  —  Zu  AC  4,  6  rapi  eos  iussit  et  in 
crucem  tolli  servilique  suppHcio  adfici  vgl.  OM  12,  2  et  in  criicem  milites  tulit  et  servi- 
libuK  suppliciis  semper  adfecit:  beides  gewiss  vom  gleichen  Verfasser,  Vopiscus.  — 
buccellatum  steht  ^C  5,  3 :  PN  10,  4;  dazu  kommt  jetzt  (s.  L.  C.  Purser  a.  a.  0.  S.  18) 
Pr.  4,  7,  wo  für  bobulaci  der  Thesaurus  die  Konjektur  Imcellati  bietet.  —  Also  auch 
hier  stellt  sich  Vop.  zu  den  Nebenviten.  —  Intexere  steht  nur  Dd.  7,2;  A.  3,  1. 

90 


322  Ernst  Hohl, 

sfrosse  Grausamkeit,  mit  der  Avidius  Cassius  militärische  Vergehen  be- 
straft, hervorgehoben  wird,  wie  bei  Vop.  A  7,3  von  Aurelian. 

Mit  ÄC  6.  2  anna  mUitum  septima  die  semper  respexit  (perspexU  oder 
prospexit  liest  Kellerbauer)  restimenta  etiam  et  caldainenta  et  ocreas  ist 
sprachlich  und  sachlich  zu  vergleichen  Vop.  Pr.  8,  2  ...  .  vestes  et  caJcia- 
menta  perspexit.  In  beiden  Fällen  soll  dieser  Zug  den  tüchtigen  Feldherrn 
charakterisieren. 

rescripfum  als  Substantiv  steht  AC  2, 1.  OM  13,  1  (Plur.)  und  Vop. 
A  41, 3  (wo  allerdings  auch  an  Ellipse  von  est  und  also  an  verbale  Form 
gedacht  werden  könnte). 

AC  14, 8  Haec  ejnsttda  eins  indicat,  quam  severus  ....  kehrt  nur 
noch  Vop.  A  8,  5  wieder :  Haec  epistula  inclicat,  quantne  fiterit  severitatis. 

Dieses  Zusammentreffen  nicht  nur  des  sprachlichen  Ausdrucks,  sondern 
vor  allem  der  schriftstellerischen  Technik  eines  fahiihi  docet  verdient  ganz 
besondere  Beachtung  ^). 

Diese  Beispiele  scheinen  mir  die  Autorschaft  des  Vop.  oder  wie  der  Ver- 
fasser der  letzten  Biographien  und  Herausgeber  der  Sammlung  geheissen 
haben  mag,  für  v.  AC  zum  mindesten  sehr  wahrscheinlich  zu  machen. 
Wenn  ich  nun  auf  Schulzens  Vermutung,  dass  die  v.  AC  vom  theodosia- 
nischen   Fälscher   verfasst  sei,    zui-ückgreife,  so  ist  die  Kette  geschlossen. 

Vopiscus  ist  der  sogen,  t  h  e  od  o  s  i  anis  ch  e  Fälscher^). 

1)  Vgl.  auch  die  Verweisungen  auf  Vorlagen  (oben  S.  306)  und  dazu  r.  AC  5, 1. 

2)  Vgl.  auch  des  Vop.  eigene  Auffassung  von  seiner  Schriftstellerei  {Pr.  %  8  sum 
etiini  uniis  ex  curiosis  u.  Car.  21,  2 — 3  habe,  mi  amice,  nieum  mti7Uis,  qiiod  ego,  tit  saepe 
dixi,  non  eloquentiae  causa,  aed  ciiriositatis  iii  himen  edidi.  Er  legt  also  den  Haupt- 
nachdruck nicht  auf  Gesehichtschreibung,  sondern  auf  Materialsammlung  für  künf- 
tige Darsteller  (Car.  21,  2  .  .  nt  si  quis  eloquens  veltet  facta  priiicipum  reserare.  mate- 
riam  non  requireret,  hahiturus  meos  Kbellos  ministros  eloquii).  So  erklären  sich  die 
vielen  gefälschten  Dokumente  gerade  hier.  —  Ich  verdanke  diesen  Hinweis  der  Güte 
des  Herrn  Prof.  Kornemann.  Bei  meiner  Auffassung  des  Vopiscus,  des  Verfassers 
der  Schlussviten,  Herausgebers  und  Redaktors  der  Sammlung,  erklären  sich  die  oben 
(S.  298  ff.)  erwähnten  Beziehungen  zu  AS  und  Eel.  sehr  einfach,  ob  wir  nun  an 
einigen  Stellen  eigene  Arbeit  des  Vop.  annehmen  wollen  oder  nicht.  Jedenfalls  ver- 
steht man  sehr  wohl,  dass  Vop.  diese  Viten  so  genau  kennt. 

Drj/ns  steht  4S  60.6:  ^44,4;  5:  Car.  14.2;  3:  \^,  l ;  h  arcldsynagngxis :  ^S  28,  7  ; 
Q  8.  2  (im  Brief  des  Hadrian  über  die  Aegypter ;  nach  ^  7,  6  stammt  der  Brief  ex 
Uhris  Phlegontis  liherti  eins  —  Phleguniis  lihri  Eadriani  werden  H  16. 1  zitiert  in 
einem  Zusammenhang,  den  Schulz,  K.  Hadrian,  S.  88  längst  dem  Schlussredaktor 
zugewiesen  hat.  —  Sonst  wird  Phlegon  nur  noch  genannt  S  20,  1  Legisse  me  apud 
Helium  Maurum  Phlegontis  Hadriain  Hbeiimn  mennni  (vgl.  Schulz  a.  a.  0.  S.  9) ; 
schon  Dessau  Hermes  24  S.  848  f.  hat  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  der  Betref- 
fende das  Jahr  211  kaum  habe  erleben  können.  Das  legisse  me  .  .  .  memini  weist 
deutlich  auf  Vopiscus  hin  (vgl.  Lessing,  lex.  s.  v.,  a)).  —  senaculum  steht  nur  Uel.  4,  3 
u.  A  49.6;  sngmarius  (Subst.) :  Hei.  4.  4  u.  ^  7,  7;  inire  (in  obsz.  Bedeutung)  Hei. 
b,l  u.  Q  12,  7.  (Durch  v.  Winterfeld  auch  H  4,  .5  saepe  inis.te  für  sepelisse  der  Hss. 
hergestellt  an  sehr  später  Stelle  [.armseliger  Klatsch" ;  also  Schlussredaktor,  s.  Korne- 
mann a.  a.  0.  S.  1.5]:  nuiritor  Hei.  13,8:  ,45  13,4;  Tae.  6,6). 

91 


Vopiscus  und  die  Biographie  des  Kaisers  Tacitus.  323 

S  c  h  1  u  s  s  b  e  m  e  r  k  u  n  g. 

Für  ilcn  Aul'hiui  der  Geschichte  der  beiden  Kaiser,  soweit  von  einem 
solchen  überhaupt  geredet  werden  darf,  genügt  es,  ausser  den  bekannten 
Werken  von  Hermann  Schiller,  Gesehiehte  der  römischen  Kaiserzeit  I  (1883) 
u.  Th.  Bernhardt,  Politische  Geschichte  Roms  von  Vukrian  bis  zu  Dio- 
Idetians  Tode  I,  Berhn  1867,  S.  215  ff.,  auf  die  Artikel  von  Stein  bei 
P.-W.  III,  Sp.  2872  ff.  (M.  Claudius  Tacitus)  und  P.  von  Hohden, 
P.-W.  I,  Sp.  2266  (M.  Armins  Florianus),  von  E.  Ferrero  bei  Huggiero, 
Diz.  cpii/r.  III  170  f.  (für  Florianus),  ferner  auf  die  ProsojMgrnphia  impcrii 
Romani  I  (1897),  wo  Klebs  den  Tacitus  S.  461  C  Nr.  822,  den  Florianus 
S.  64  f.  A  Nr.  488  behandelt  hat,  hinzuweisen.  Für  die  Chronologie 
vgl.  E.  Herzog,  Geschichte  und  Sj/stem  der  röin.  Stardsverwaltunf/  II,  1887, 
S.  588,  Anm.  1. 

Ich  beschränke  mich  also  darauf,  hier  noch  einige  Papyri  nachzu- 
tragen: P.  Strasshurg  Bd.  I,  1  (1906)  Nr.  8  Z.  17,  in  dem  aber  das  Jahr 
(a)  ergänzt  werden  musste ;  doch  ist  die  Ergänzung  durch  die  vorausgehen- 
den Datierungen  ziemlich  gesichert:  Z.  17  xal  [a]  (i'TOvg)  rov  xvqIov  t)fi<öv 
KAavöiov  Tax'nov  2ießaaT0v,  Ilavvi  lö,  also  (nach  S.  32)  vom  8.  Juni 
276  (s.  Niese  a.  a.  0.  S.  374,  Anm.  2).  Nun  ist  Aurelian  kurz  vor,  eher 
aber  nach  dem  29.  August  275  gestorben,  da  ein  siebentes  Regierungsjahr 
bezeugt  ist  (s.  o.  S.  310.  Anm.  1).  Groag  nimmt  bei  P.- TF.  V,  Sp.  1358; 
1403,  ein  Interregnum  von  anderthalb  Monaten  an.  Ob  der  Regierungs- 
antritt des  Tacitus  gerade  in  den  September  des  Jahres  275  gefallen  sei, 
bleibe  bei  den  unzuverlässigen  Daten  des  Vop.  zweifelhaft,  der  so  berichtet; 
jedenfalls  sei  Tacitus  im  Herbst  auf  den  Thron  gelangt.  —  Wenn  man 
als  Regierungsdauer  acht  Monate  (und  zwölf  Tage)  nach  dem  Zeugnis  des 
Chronographen  annimmt,  so  stimmt  das  ungefähr  dazu,  dass  am  8.  Juni  276 
noch  nach  Tacitus  datiert  werden  kann;  wobei  jedoch  immer  zu  bedenken 
bleibt,  dass  es  stets  einige  Zeit  dauerte,  bis  die  Nachricht  vom  Thron- 
wechsel iruAegypten  bekannt  wurde,  es  also  vorkommen  kann,  dass  noch 
längere  Zeit  nach  einem  Kaiser  weiter  datiert  wird,  der  nicht  mehr  am 
Leben  war '). 

Aus  /'.  0.(7/.  VI  (1908)  907. 26  f.  lässt  sich  ein  weiterer  Anhalt  für 
die  Datiervmg  gewinnen,  da  es  dort  heisst: 

Z.  26  .  .  .  «  (erff)  rov  xvqiov  fjfiwr  [Mäoy.or  K/.avälov  Tay.iTOv] 
Havvi  f  (=  1.  Juni  276). 

Z.  27:  (hovc)  a  ÄvToy.QÜtOQog  KaiaaQog  JIÜQy.ov  KZavöiov  Taxiiov 
Eiaeßovc  Evtvxovq  Seßaaiov  ITavvi  f. 

Z.  28:      £Zv9>]  jov  ainor  a  {f'tovc)  'EjiEicp. 

Epeiph    ist    der    auf   den    Pajni    folgende    Monat    (vom    25.  Juni    bis 


1)  Vgl.  für  derartige  Schwankungen  U.  Wilcken.   Griecli.  Ostraka  1  (1899)  S.  800  ff. 

92 


324     Ernst  Hohl,   Vopisms  und  dk  Biographie  des  Kaisers  Tacitus. 

24.  Juli):  wir  würden  damit  also  noch  über  die  Datierung  des  Strassburger 
Papyrus  hinauskommen. 

Wilcken,  Arch.  f.  Pap>/n(sforsrhiimj  V,  1909.  S.  273  (cf.  I,  S.  389) 
gibt  den  Anfang  einer  Berliner  Urkunde  wieder:  "Eiovg  a  K?Mvöi(ov) 
Tay.iTov  2  llw/wf  ÜQi&{fiijaEOJc]  <I>aQfioud-t  etc. 

S.  274:  .Darauf  ist  in  Kolumne  IV  ein  neues  Datum  gegeben,  indem 
die  Zahlungen  als  die  des  Payni  auf  Rechnung  des  (vorhergehenden) 
Pachon  bezeichnet  werden  .  .  .".  —  Wir  kommen  mit  dieser  Urkunde  also 
auch  nicht  weiter,  als  bis  zum  Payni. 

Dass  Sayce  {Jeivish  Qiiarfcrh/  Review  II  S.  401)  Ostraka  aus  der  Zeit 
des  Aurelian  und  IVI.  Claudius  Tacitus  —  wie  es  scheine  Steuerquittungen 
—  kennt,  notiert  U.  Wilcken,  Griech.  Ostrahi  I,  (1899)  S.  13.  Die  be- 
treffende Stelle  in  The  Jewish  Quarterly  Review  II  (1890)  S.  401  lautet: 
,They  (ostraka)  form  a  connected  series,  which  begins  with  the  reign  of 
Ptolemy  Physkön  (or  earlier)  and  comes  down  to  the  time  of  Aurelian 
and  Claudius  Tacitus  in  A.  D.  275".  Danach  scheint  das  Ostrakon  den 
Anfängen  der  Regierungszeit  des  Tacitus  anzugehören.  Es  ist  zu  bedauern, 
dass  es  offenbar  nicht  publiziert  ist,  da  wir  bei  unserem  lückenhaften 
Material  für  jede  Bereicherung  dankbar  sein  müssen. 

War  das  positive  Ergebnis,  das  sich  über  Tacitus  und  Florianus  ge- 
winnen Hess,  ausserordentlich  gering,  so  konnten  wir  wenigstens  einen 
Blick  in  die  Werkstatt  des  Vop.  werfen. 

Stuttgart. 


93 


325 


Ueber  die  Lage  von  Kaisareia  in  Bithynien. 

Von  Joli.  Solch. 

Die  durch  Jiihrzelinte  hindurch  geführten  Erörterungen  über  die  Lage 
von  Hadriani,  Hadrianeia,  Hadrianopolis  und  Kaisareia  hatten  zwar  eine 
Fülle  durchaus  verschiedenartiger  Anschauungen,  aber  kein  völlig  einwand- 
freies Ergebnis  gezeitigt.  Erst  die  neueren  Funde  Mendels  haben  teil- 
weise wenigstens  Licht  in  das  Chaos  gebracht,  docli  harrt  auch  jetzt  noch 
eine  ganze  Reihe  von  Fragen  der  Lösung. 

Ursprünglich  hatte  es  sich  vor  allem  darum  gehandelt,  ob  die  drei 
zuerst  angeführten  Namen  ein  und  denselben  Ort  bezeichnen  oder  nicht. 
Ohne  dass  hier  näher  auf  die  Frage  eingegangen  werden  soll,  ob  Hadriani  und 
Hadrianeia  dasselbe  bedeuten,  sei  nur  kurz  erwähnt,  dass  Hadrianopolis  schon 
frühzeitig  von  jenen  beiden  andern  Namen  unterschieden  wurde.  So  hat 
bereits  Wesseling  von  Adrianopolis  auf  Grund  der  Nov.  Just.  (29)  und 
der  Konzilsakten  {Nicaen.  II.)  ausdrücklich  hervorgehoben,  dass  es  in 
Honorias  zu  suchen  sei;  auch  Eckhel  (Dodr.  mimm.  vet.  p.  I.  vol.  IL, 
p  413)  hat  eigens  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  man  die  beiden  Orte 
Hadriani  und  Hadrianoj)olis  nicht  miteinander  verwechseln  dürfe.  Ja 
H.  Kiepert  liat  für  seine  alte  Karte  von  1844  schon  die  Gegend  von 
Wiranschehr  („Kuinenstadt")  am  Oberlauf  des  gleichnamigen  Flusses,  eines 
Nebenflusses  des  Soghanly-su,  für  das  alte  Hadrianopolis  in  Anspruch  ge- 
nommen. Mendel  hatnun  kürzlich  dafür  durch  glückliche  Inschriftenfunde  den 
Beweis  erbringen  können  ^).  Gleichzeitig  hat  sich  herausgestellt,  dass  Ha- 
drianopolis. bevor  es  diesen  Namen  erhielt,  den  Namen  Kaisareia  getragen 
hatte.  Nicht  dieses  Kaisareia-Hadrianopolis  aber  ist  es,  über  dessen  Lage 
hier  gehandelt  werden  soU,  sondern  jenes  andre  Kaisareia,  das,  offenbar, 
um  von  dem  erstgenannten  unterschieden  zu  werden,  gewöhnlich  mit  dem 
Zusatz  Germanike  bezeichnet  wurde:  eine  Identifikation  der  beiden  Kaisa- 
reia ist,  wie  auch  Mendel")  nachdrücklich  hervorhebt,  völlig  ausgeschlossen. 

Trotz  aller  Vermutungen  ist  man  über  Kaisareias  Lage  bis  auf  den 
heutigen  Tag  nicht  ins  reine  gekommen.  Wiederum  schon  Eckhel  liat 
sich  darüber  ausgelassen ').  Nach  ihm  sind  Münzen  von  Kaisareia  bereits 
aus  der  Zeit  des  Augustus  vorhanden*)  und  er  glaubt,  der  Ort  habe  den 

1)  Vgl.  bes.  Bull  corresp.  Hellen.  XXV,  1901.  id.  6  ff.  —  2)  Ebd..  S.  12. 

3)  Doctr.  niimm.  vet.  pars  I.  vol.  II.  1789,  p.  409. 

4)  Doch  wird  man  sich  jetzt  stets  erst  die  Frage  vorzulegen  haben,  auf  welches 
der  beiden  Kaisareia  sich  die  eine  oder  andere  Angabe  des  Altertums  bezieht.  So 
möchte  z.  B.  Mendel  den  Bericht  des  Eusebios  zum  Jahre  130/1:  Nicopolis  et  Cae- 
sarea terrae  motu  conciderimt  auf  Hadrianopolis  beziehen,  wie   es   uns  scheint   mit 


326  Joh.  Solch, 

Namen  Caesarea  bekommen,  weil  daher  jener  Vedius  PoUio  gestammt  habe, 
der  zu  den  Freunden  des  Augustus  gehört  und  wahrscheinlich  auch  durch- 
gesetzt habe,  dass  sich  die  Stadt  nach  dem  Kaiser  nennen  durfte.  Seither 
ist  die  Frage  nicht  zur  Ruhe  gelangt. 

Die  Angaben,  die  uns  das  Altertum  hierüber  überliefert  hat.  fliessen 
recht  spärlich.  Strabo  kennt  den  Ort  überhaupt  nicht.  Plinius  wenig- 
stens unter  diesem  Namen  nicht.  Doch  spricht  er  von  einem  Ger- 
mankopolis:  in  ora  (seil.  Bithyniae)  DascyJos  dein  flumen  Gelbes  et  inius 
Uelgas  oppidum  quae  Germanicopolis  alio  nomine  Booscoete  .  .  .').  Wahr- 
scheinlich ist  dieses  Germanicopolis,  das  aber  wiederum  nicht  mit  jenem 
andern  bei  Gangra  verwechselt  werden  darf,  mit  Kaisareia  Germanike  zu 
identifizieren.  Das  scheint  schon  Mannert  getan  zu  haben  ^)  und  auch 
Ramsay  ist  dieser  Meinung  ^) :  im  folgenden  werden  wir  darauf  noch  zu- 
rückkommen. 

Die  genaueste  Angabe  bietet  Ptolemäus:  KaiaÜQeta  i)  y.ce'i  —ui'Q- 
ÄEapfj.  Er  zählt  es  unter  den  bithynischen  Binnenstädten  auf  und  weist 
ihm  eine  Lage  ungefähr  in  der  Mitte  zwischen  Prusa  und  der  Mündung 
des  Flusses  Rhvndakos  zu  *),  der  dem  See  von  Apollonias  entströmt  und 
in  seinem  Unterlauf  die  Westgrenze  Bithyniens  bildete.  An  Stelle  der 
überlieferten  Lesarten  —iii^QPuavt'j,  SfiVQÖiav)']  (die  nach  der  Verwandt- 
schaft der  Codd.  gleichwertig  sind;  ^l/ivQÜAea  der  ed.  princeps  ist  nach 
einer  freundlichen  Mitteilung  von  H.  Prof.  Cuntz  in  Graz  wertlos)  hat  sich 
Müller  für  die  Konjektur  2f(VQ/.eav)']  ausgesprochen  und  eine  ausserordent- 
lich feinsinnige  Bemerkung  daran  geknüpft.  Er  sagt  nämlich "),  Kaisa- 
reia dürfte  ev  xfj  31vQÄ£dTiöi  x^'-'Q?  gelegen  gewesen  sein,  einem  Gebiet, 
das  Strabo  nennt  ^),  zwischen  Prusa  und  Apameia,  das  ja  vordem  Myilea 
geheissen  hatte.  2fivQ?.Eai'ij  aber  heisst  es  dann  analog  der  Schreibung 
oiir/.QÖc,  statt  fiixQÖc.  afii'Qaiva  statt  (ivQaiva  u.  a. 

Auch  bei  Dion  Chrysostomus  treffen  wir  auf  den  Namen,  indem  er  von 
den  Einwohnern  sagt:  lohg  KaiaaQfTg  tovtovq  evyeveig  (tiv  ävd-QÖJJiovg 
y.ai  aq^öÖQa  "E/.Zt]i'aQ,  nokv  dk  fiiy.QoreQav  or/.ovviag  nöXiv.  Nach  seinen 
Ausführungen  war  Kaisareia   eine  kleine  Stadt  in  der  Nähe   von  Prusa'), 


vollem  Recht,  hatte  doch  Hadriau  die  Stadt  123/4  auf  der  Reise  von  Amasia  nach 
Nikomedia  berührt;  wahrscheinlich  hat  sie  der  Kaiser  neu  aufbauen  lassen  und  ihr 
den  neuen  Namen  gegeben.     (Vgl.  Mendel,  a.  a.  0.). 

1)  Nnt.  hist.  V.  142.  (Ausg.  d.  geogr.  Bücher  der  nat.  hist.  von  Detlefsen  in  Sieg- 
lins Quellen  u.  Forsch,  z.  alt.  Geschichte  ii.  Geographie.  9.  1904). 

2)  Geographie  der  Griechen  und  Bömer.     10  Bände.     Nürnberg  u.  Leipzig  1795  bis 
1825.  VI.  3,  S.  559. 

8)  Tlie  Histurical  Geography  of  Asia    Minor.     B.    Geogr.  Soc.  Suppl.  R.  vol.  IV. 
Lond.  1890,  S.  180. 

4)  Claudii  Ptolemaei  geographia  (Ed.  C.  Müller,  vol.  1.  pars  II.  Paris  19011,  V.  1.  14. 

5)  Ebd..  S.  804. 

6)  Geographica  SU.  6,  575.     (Ausg.  v.  Müller.  Paris  1858  oder  von  Kramer.  Berl. 
1844— .52).  —  7)  or.  47,  p,  526, 

2 


Ucber  die  Lage  von  Kaisareia  in  B'dhynien.  327 

und  zwar,  wie  es  Ramsay  deuchte  '),  sogar  dessen  Hafenplatz  am  Golf 
von  Kios.  Im  Schrifttum  erscheint  es  in  der  Folge  ohne  den  Beinamen 
Germanike.  So  wohnt  ein  Bischof  von  Kaisareia  dem  Konzil  von 
Nicäa  bei'),  elienso  kennt  es  Hier.  Synekd').  Stephanus  von  Byzanz 
führt  es  unter  KaioÜQeia  zwar  nicht  ausdriicklicli  an,  sondern  fügt  nur, 
nachdem  er  von  dem  bekannten  Orte  dieses  Namens  gesprochen,  hinzu : 
eiai  öe  xcti  äZXai  tovko  kT)  övofiaji  nQoaayoQEim/isvat*).  In  den  Nufitkie 
episcopafiim  erscheint  es  als  Suffragandiözese  des  Metropoliten  von  Niko- 
media  ^).  Nirgends  aber  ist  seine  Lage  irgendwie  genauer  gekennzeichnet. 
Immerhin  muss  Kaisareia  schon  in  römischer  Zeit  ein  wichtigerer  Ort 
gewesen  sein,  da  es  Münzen  schlug.  Doch  Hessen  auch  diese  bisher  zu 
keinem  bestimmten  Ergebnis  kommen,  so  interessant  sie  .sind.  Nach  Eckhel 
gehen  sie  wie  vorhin  erwähnt  bis  in  die  Zeit  des  Augustus  zurück  (s.  o.). 
Doch  hat  Head  mit  Recht  darauf  aufmerksam  gemacht  (in  seiner  Hist. 
mtDUii.).  dass  die  Münzen  von  Kaisareia  Germanikeia  in  Kommagene  von 
denen  unseres  Kaisareia  Germanike  in  Bithynien  unterschieden  werden 
müssen.  Die  sicher  nachgewiesenen  Münzen  von  Kaisareia  Germanike  in 
Bithynien  nun  gewähren  einige  sonderbare  Aufschlüsse,  weniger  noch  die 
des  Titus,  die  auf  der  Reversseite  ein  Stadttor  zeigen  ^),  und  später  die  der 
Julia  Mamaea  mit  einem  Füliliorn').  als  vor  allem  die  des  Septimius  Se- 
verus.  Sie  stellen  ein  Ruderschiff  im  Hafen  dar,  links  davon  einen  Di- 
stylos  (dafür  hält  wenigstens  Wroth  die  Darstellung;  Muret  dagegen  sah 
das  Büd  auf  einer  ähnlichen  Münze  der  Julia  Domna,  der  Gattin  des  Se- 
verus,  für  einen  Kübelbaum  an.  Uebrigens  spielt  speziell  die  Frage,  ob 
Distylos  oder  Kübelbaum,  für  unser  Problem  keine  Rolle).  Rechts  steht 
eine  Statue  (vielleicht  eine  Nike),  unten  liegt  ein  „Opferstier''.  Aehnlich 
zeigt  auch  eine  Münze  aus  der  Zeit  Valerians  ein  Ruderschiff  mit  Segeln 
und  unten  wieder  den  „Opferstier'".  Bezüglich  dieses  verweist  Wroth  auf 
eine  andere  derartige  Darstellung  eines  Opferstiers  auf  einer  sehr  be- 
kannten Medaille  des  Kommodus,  die  die  Rückkehr  der  Getreideflotte  aus 
Afrika  veranschaulicht.  Allein  hier  hat  man  es  mit  einem  einzelnen  Falle 
zu  tun.  dort  liaben  wir  Münzen  aus  verschiedener  Zeit  aus  einer  Stadt, 
die  ihr  Getreide  wohl  aus  der  Nähe  bezog.  Gerade  dieser  liegende  ,  Opfer- 
stier' aber  wird   uns    in    der    Folge  nochmals  beschäftigen.     Hier  sei  zu- 

1)  A.  a.  0.  S.  180. 

2)  Patrum  Nieaeiiorum  »omhia  Graece,  L/itine  etc.  Edd.  H.  Geizer,  H.  Hilgen- 
feld.  C.  Cuntz. 

3)  Reo.  A.  Burckhardt.     Bibl.  Teubn.  —  4)  Ed.  Meineke,  Berl.  1849. 

5)  Vgl.  neuestens  H.  Geizer,  üiigedruckte  und  ungenügend  reröß'entlühte  Texte  der 
Not.  episcop.  in  d.  Ahh.  I.  Kl.  k.  hayr.  Ak.  Wiss.  XXI.  3.  1901,  und  daneben  die  äl- 
tere Ausgabe  von  Parthey.  ferner  die  Uebersicht  bei  Ramsay,  a.  a.  0. 

6)  Wroth,  (^atalogue  o/  GreeJc  Cuiiis  in  the  British  Museum.  Pontus,  PaplUagonia, 
Bithynia  and  the  Kingdom  <if  Bosporus.     London  1889. 

7)  Katalog  der  Sammhing  Protee.     Wien  1904. 


328  Joh.  Solch. 

nächst  nui'  das  eine  festgestellt,  dass  Kaisareia,  wie  seine  Münzen  scldiessen 
lassen,  wirklich  entweder  selbst  Hafenstadt  gewesen  ist  oder  doch  irgend- 
wie mit  der  Schiffahi-t  zu  tun  gehabt  haben  muss. 

Nun  hat  sieh  1890  Imhoof-Blumer  eingehend  um  die  Erkundung  der 
Lage  von  Kaisareia  bemüht ').  Von  der  Tatsache  ausgehend,  dass  es 
Münzen  von  Kaisareia  Gernianike  gibt,  welche  die  Schiff-  und  Hafentj'pen 
der  Münzen  des  bithynischen  Kaisareia,  zugleich  aber  doch  auch  einen 
Berg  mit  der  Beischrift  Olympos  aufweisen,  schliesst  er,  der  Ort  müsse 
eine  Seestadt  mit  dem  Ausblick  auf  den  (Mysischen)  Olymp  gewesen  sein, 
„eine  Folgerung,  die  indessen  keineswegs  bedingt,  dass  diese  Stadt  an 
der  Küste  der  Propontis  gelegen  war""),  und  er  möchte  nun.  sich  auf  die 
allerdings  nicht  imbedingb  sichere  Angabe  des  Ptolemäus  stützend,  Kaisa- 
reia entweder  am  Daskylitissee  suchen  —  doch  hält  er  diese  Annahme 
für  minder  wahrscheinlich  —  oder  an  dem  See  von  Apollonia 
an  der  Stelle,  wo  der  Rhyndakos  seinen  Aus flnss  nimmt. 
Hier  bei  Ulubad.  wie  es  heute  heisst.  lag  eine  Stadt,  welche  die  Byzan- 
tiner Lopadion  nannten  und  wo  noch  kürzlich  französische  Reisende  einen 
Inschriftstein  fanden,  der.  ein  Schiff  im  Relief  zeigend,  nach  seinem  guten 
Schriftcharakter  zu  urteilen,  auf  die  frühere  Kaiserzeit  zu  weisen  scheint  ^). 
Wie  nun  Apollonia,  obwohl  nicht  am  Meere,  sondern  an  einem  Binnensee 
gelegen,  gleichwohl  Münzen  schlug,  die  häufig  Typen  aufweisen  (Anker, 
Schiffe) ,  welche  sonst  nur  Seestädten  zukommen,  so  könnte  ja  das 
gleiche  auch  bei  Kaisareia  der  Fall  gewesen  sein.  Denn  diese  Stelle  wäre 
die  einzige  Station  auf  dem  Wege  vom  Meere  nach  Apollonia  gewesen, 
von  hier  fülu-ten  Wege  nach  Kyzikos*)  und  Germe.  Ein  Kaisareia  an 
dieser  Stelle  wäre  zugleich  Binnenstadt  und  Seehafen  gewesen  und  dem 
Olymp  gegenüber  gelegen.  Und  gewissermassen  zur  Bekräftigung  seiner 
Vermutung  kann  Imhoof-Blumer  noch  jene  Notiz  von  Sestini^)  ins  Treffen 
führen,  nach  der  noch  vor  gar  nicht  langer  Zeit  Schiffe  aus  dem  Schwarzen 
Meere  und  von  Konstantinopel  nach  Ulubad  gefahren  sind.  Allein  trotz- 
dem fühlt  er  sich  selbst  seiner  Sache  keineswegs  ganz  sicher:  ja  er  meint, 
es  habe  vielleicht  in  der  Nähe  von  Pnisa  zwei  Kaisareia  gegeben,  die  man 
durch  verschieden  überlieferte  Beinamen  —  er  denkt  dabei  sichtlich  an 
Smyrleane  einerseits,  Germanike  andrerseits  —  zu  unterscheiden  pflegte. 

Allein  eine  derartige  Annahme,  es  habe  im  Umkreise  einer  und  der- 
selben Stadt  (Prusa)  zwei  Kaisareia  gegeben,  hat  wohl  von  vornherein 
wenig  Anspruch  auf  Wahrscheinlichkeit  für  sich.     Aber  auch    die  Hypo- 

1)  Griechische  Münzen.    München  1890. 

2)  Ebd.,  S.  73.     Vgl.  hier  auch  zum  folgenden. 

3)  S.  Lechat  und  Radet  im  Bull,  corresp.  HeUen.  XII.  1888.  p.  188—192.  wie  Im- 
hoof-Blumer selbst  zitiert. 

4)  Cichorius  hält  übrigens  jene  Inschrift   und  auch    die    andern  Altertümer  von 
Ulubad  für  kyzikenisch. 

5)  Viaggio  etc.  1779,  S.  83  und  Lett.  num.  conti».  Till.  .56,  6. 


Uehcr  die  Ldf/c  roii   Knisarcia  in  Bithynim.  329 

the«e,  es  sei  Ivaisarei;i  mit  Uluhail  zu  identiiizieren,  stösst  auf  eine  ganze 
Reihe  schwerwiegender  Bedenken.  Zunächst  erlielit  schon  aus  Dion,  dass 
es  nahe  bei  Prusa  war.  bei  Imhoof-BUmicrs  Annaiime  aber  wäre  es  nicht 
nur  über  50  km  in  der  Luftlinie  von  dieser  Stadt  entfernt,  sondern  ausser- 
dem durcli  das  Gebiet  von  Apollonia  von  ihr  getrennt  gewesen.  Dazu 
kommt  noch,  dass  Apollonia  nach  den  übereinstimmenden  Angaben  der 
Quellen  ebensowenig  zu  Bithynien  gehörte  (in  der  damaligen  Zeit)  wie 
das  weiter  westlich  gelegene  Miletopolis.  Sollte  wirklich  gerade  der  Aus- 
fluss  des  Bhyndakos  aus  dem  See  zum  bithynischen  Lande  gehört  haben? 
Dem  scheinen  die  geographischen  Verhältnisse  zu  widersprechen,  abge- 
sehen davon,  dass  der  See  sicherlich  durch  das  Delta  des  Rhyndakos  an 
Umfang  verloren  hat  und  hier  die  Frage  auftaucht,  ob  nicht  auch  der 
Lauf  des  Flusses  oder  seiner  Arme  natürlichen  Veränderungen  unterworfen 
worden  sind.  Was  feiner  Lopadion  anlangt,  aus  dem  das  heutige  Ulubad,  wie 
schon  der  Name  andeutet,  hervorgegangen  ist,  so  wissen  wir  genau,  dass 
es  seine  Gründung  erst  der  byzantinischen  Zeit  verdankt.  Denn  Joh.  Cin- 
namus  berichtet  uns  ausdrücklich,  dass  es  vom  Kaiser  Johannes  Komne- 
nos  in  der  Ebene  am  Rhyndakos  angelegt  wurde :  (pQ0VQi6v  ri  ix  y.aifi]c 
ävcoxodouijd-i],  ö  Aondöiov  oji'öfiaarai  rotg  noZ^oig ').  Dass  auch  Anna 
Comni'na  bereits  die  Brücke  von  Lopadion  n  e  n  n  t  ^),  bedeutet  keinen  Wi- 
derspruch, vi'eil  sie  ihre  Alexias  ja  erst  zur  Zeit  der  Regierung  ihres 
Bruders  Johannes  verfasste.  Wurde  aber  wirklich  dieses  byzantinische 
Lopadion  an  Stelle  einer  älteren  Siedlung  ins  Leben  gerufen,  so  war  dies 
doch  sicher  nicht  Kaisareia.  Denn  dieses  erscheint  auch  jetzt  noch  immer 
neben  Lopadion,  und  zwar  am  deutlichsten  bei  Niketas  Choniates*),  der 
zuerst  von  Lopadion  spricht  und  weiterhin  eine  Metzelei  im  Kampfe  der 
Lateiner  gegen  die  Anhänger  des  Theodor  Laskaris  erwähnt  „y.aiä  tö  nö- 
hüjia  rljV  KainäQFiav''.  Auch  nach  ihm  ist  das  Städtchen  unfern  von  Prusa 
zu  suchen.  Dies  ist  meines  Wissens  das  letztemal,  dass  uiiser  Kaisareia 
in  der  Literatur  auftaucht.  Offenbar  ist  es  dann  bald  eine  Beute  der 
Türken  geworden. 

Daher  können  wir  dem  Vorsehlage  Imhoof-Blumers  bezüglich  der 
Lage  von  Kaisareia  nicht  Folge  leisten.  Anders  dagegen  bezüglich  des 
Namens  Germanike.  Nach  einer  Münze  des  Pariser  Kabinetts'')  rührt 
dieser  Beiname  von  Germanikus  her,  der  in  der  Aufschrift  XTiaxijg  ge- 
nannt wird.  Doch  muss  die  Stadt  schon  früher  den  Namen  Kaiadgeta 
geführt  haben,  wie  nach  Imhoof-Blumers  Angaben  aus  einer  Münze  deut- 
lich erhellt').     Er  meint  daher,  und    wohl    nicht  mit  LTnrecht.    die    Stadt 

1)  Bonner  Ausg..  p.  38. 

2)  Bonner  Ausg.,  II.    p.  309.     {Vgl.    auch    die    Ausgabe    v.  A.  Reirt'er.<clieid  in  d. 
Bibl.  Teubn.)  —  3)  Bonner  Ausg.,  p.  796/7. 

4)  Muret,  Ann.  de  Num.  VI.  1882,  p.  206,  zit.  bei  Imhoof-Bl.  a.  a.  0. 

5)  Vgl.  auch  das  oben  über  die  Münzen  Gesagte. 

Klio.  Heitriige  zur  .ilten  Geschichte-  XI  3.  22 

5 


330  Joh.  Solch, 

hätte  vielleicht  durch  ein  Naturereignis,  z.  B.  ein  Erdbeben,  gelitten  und 
Gerraanikus  habe  sie  wieder  hergestellt. 

Gegen  jene  Vermutung,  dielmhoof-Blumer  üher  die  Lage  von  Kaisareia 
geäußert  hat.  könnte  übrigens  noch  jene  Stelle  ins  Treffen  geführt  wer- 
den, die  ßamsay  aus  den  Ada  Scuid.  erwähnt  (9.  Mai,  S.  386)  ^),  nach 
welcher  Codratus  und  andere  unter  Decius  vom  Prokonsul  Perinius  von 
Nikomedia  nach  Nikaia,  weiter  nacli  Apameia,  Kaisareia,  ApoUonia 
und  von  da  zum  Rhundaca  und  nacli  HermopoHs  gebracht  worden  seien 
(Rh.  ist  sicherlich  der  Rhyndakos  ;  Hermopolis  =  Miletopolis?).  Darnach 
lag  also  Kaisareia  zwischen  Apameia  und  Apollonia.  Das  hat  nun.  im 
Verein  mit  den  oben  besprochenen  Münzdarstellungen,  Ramsay  zu  der 
Annahme  verleitet,  es  habe  Kaisareia  am  Meere  gelegen,  vielleicht  an  der 
Stelle  des  heutigen  Mudania.  Da  man  aber  hierher  gewöhnlich  Apameia  ver- 
setzt, so  wäre  dies  vielleicht  näher  zu  Kios  gelegen  gewesen,  zumal  Strabo 
die  geringe  Entfernung  der  beiden  Orte  ausdrücklich  erwähne^).  Allein 
auch  die  Entfernung  Mudania-Kios  ist  nicht  gross  (kaum  25  km)  und 
Ramsay  selbst  kommt  eine  solche  Annahme  nicht  ganz  unbedenklich  vor. 
denn  ..die  Wichtigkeit  von  Apamea  entspricht  der  von  Mudania".  und  so 
äussert  er  sich  schliesslich  dahin,  es  sei  Kaisareia  wahrscheinlich  an  der 
Küste  zwischen  Apameia  und  Daskylion  zu  suchen. 

Allein  an  der  ganzen  Küste  zwischen  Apameia  (wenn  wir  dieses  mit 
Mudania  gleichsetzen)  und  Daskylion  gibt  es  keine  Oertlichkeit.  die  eine 
wichtigere  Hafenstadt  hätte  beherbergen  können,  umso  weniger,  als  sie 
östlich  und  westlicli  Rivalen  neben  sich  gehabt  hätte,  eben  jene  zwei 
Städte;  zumal  mit  Apameia  hätte  sie  nimmermehr  konkurrieren  können. 
Hier  an  dieser  Küstenstrecke  war  keine  Möglichkeit  für  das  Emporkommen 
einer  Stadt  gegeben.  Es  ist  uns  ferner  zwar  nicht  bekannt,  ob  man  von 
jenem  Teil  des  Gestades  den  Olymp  sehen  kann,  doch  müsste  dazu  der 
Punkt  eine  ganz  besonders  günstige  Situation  gehabt  haben,  da  gerade 
von  dort  aus  das  Küstengebirge  den  stolzen  Hochkamm  im  allgemeinen 
verdeckt.  Weiters  widerspricht  auch  die  erwähnte  Notiz  der  Ad.  SS., 
nach  der  Kaisareia  ein  Ort  zwischen  Apameia  und  Apollonia  war,  der 
Vermutung,  es  sei  vielleicht  an  einem  Punkte  westlich  von  Mudania  an- 
zusetzen. Denn  abgesehen  davon,  dass  eine  solche  Verbindung  zwischen 
Apameia  und  Apollonia  einen  grossen  Umweg  bedeutet  hätte,  wäre  es 
doch  sonderbar  gewesen,  dass  sie  sich  zur  Ueberschreitung  des  Küsten- 
gebirges gerade  dessen  höchste  Erhebungen  ausgesucht  hätte  (eben  süd- 
lich jener  Küstenstrecke  steigt  es  nach  Kieperts  Karte  von  Kleinasien  bis 
594  m  an),  während  weiter  östlich  das  Tal  eines  bei  Apameia  ausmünden- 
den Flüsschens  in  fast  direkter  Richtung  einem  Sattel  zuführt,  der  sich 
noch  östlich  vom  höheren  Teile  des  KUstenzuges  einsenkt  und  seine  Fort- 


1)  A.  a.  0.,  S.  180.  —  2)  XII.  563. 


Ueher  die  Lage  von  Kaisarein  hi   Bitinjnien.  331 

Setzung  zum  Odrvses  hin  tiiulet.  Aucli  die  iieutigen  Wegverhiiltnisse 
stimmen  damit  überein  (vgl.   Kieperts  Karte). 

Die  Annahme  Ramsays  kann  uns  folglich  ebensowenig  befriedigen 
wie  die  Imhoof-Blumers.  Wo  aber  sollen  wir  dann  das  alte  Kaisareia 
suchen?  Fassen  wir  alle  Angaben  zusammen,  die  uns  bekannt  sind,  so 
kann  unseres  Erachtens  bei  genauester  Ueberlegung  nur  eine  Stelle  in 
Betracht  kommen,  und  zwar  die  Landschaft  am  Ostende  des 
Daskylitissees,  der  ja  einst  viel  grösser  gewesen  sein  muss  als 
heute,  so  dass  er  von  grossen  Kähnen  befahren  werden  konnte^). 

Imhoof-Blömer  hat  also  das  aller  \Vahrscheinlichkeit  nach  Richtige 
gestreift,  es  jedoch  zu  Gunsten  der  Gleichung  Kaisareia  =  Ulubad  beiseite 
geschoben.  Wie  sehr  nun  jene  Gegend  so  ziemlich  allen  Bedingungen, 
deren  Erfüllung  die  Angaben  der  Alten  fordern,  gerecht  wird,  geht  aus 
folgendem  hervor : 

1.  Die  Stadt  lag  dort  unfern  von  Prusa  (Dion,  Nicetas)  und  in  der 
Landschaft  Myrleatis  (Strabo)  oder  Myrleane  (vgl.  Ptolemäus,  bezw.  Müller). 

2.  Von  hier  aus  (südlich  vom  Küstengebirge)  konnte  man  den 
Olymp  erblicken  und  die  Schiffe  der  Stadt  befuhren  offenbar  zum  minde- 
sten den  See.  wenn  sie  nicht  vielleicht  gar,  wie  auch  die  von  Apollonia 
ins  Meer  hinausfahren  konnten  ^) ;  so  vermochte  auch  sie  gleich  Apameia 
die  Rolle  eines  Hafens  von  Prusa  zu  spielen  (Münzen). 

3.  Sie  lag  ungefähr  halbwegs  zwischen  Prusa  und  der  Ausmündnng 
des  lihyndakos  (Ptol.,  Raveniias)  ^). 

4.  Sie  lag   auf   dem  Wege    von  Apameia  nach  Apolkmia  (AA.  SS.). 

5.  Eine  solche  Ansetzung  erheischt  auch  nicht  derartige  Abnormi- 
täten des  Grenzverlaufs,  wie  sie  eine  Ansetzung  bei  ülubad  mit  sich 
brächte*). 


1)  Dafür  gedenkt  der  Verf.  in  seinen  Untersuchungen  zur  Geographie  des  alten 
Bithynien,  die  er  erst  zu  einem  späteren  Zeitpunkt  wird  veröffentlichen  können,  den 
Beweis  zu  erbringen. 

2)  Plutarch  {LiiciiU.  9)  berichtet,  dass  Lukull  die  Kähne,  mit  denen  der  Dasky- 
litissee  befahren  wurde,  mittels  Wagen  über  die  nur  140  m  hohe  Landenge  ans  Meer 
hinüberschleppen  Hess  u.  s.  w.  Daraus  könnte  mau  schliessen,  dass  die  Schiffe  nicht 
auf  dem  Wasserwege  ins  Meer  gelangen  konnten;  doch  besteht  auch  die  Möglich- 
keit, dass  er  es  nur  tat,  um  seine  Operationspläne  (vgl.  das  Nähere  dort)  rascher 
durchführen  zu  können.  Er  brauchte  die  Schiffe  auf  dem  Meere  möglichst  rasch  — 
eine  Fahrt  auf  Odryses  und  Rhyndakos  hätte  jedenfalls  wegen  des  ganz  bedeutenden 
Umwegs  viel  mehr  Zeit  gekostet.  Vgl.  über  die  Lage  von  Daskylion  u.  des  D.-Sees 
R.  Kiepert,  KUo  V  (1905),  S.  241/3. 

3)  Der  Rav.  liest  bei  seiner  Angabe  wie  auch  sonst  häufig  (vgl.  Kubitscbek  in 
d.  Jahresh.  Oest.  arch.  Inst.  V.  1902.  p.  59  ff.)  von  einer  der  tab.  Praef.  nahe  ver- 
wandten Karte  ab. 

4)  Einer  Ansetzung  von  Kaisareia  am  Ostende  des  Apolloniasees.  die  man  allen- 
falls noch  erwägen  könnte,  widerspricht  ausser  den  Lagenangaben  des  Ptol.  und  der 
AA.  SS.  auch    der  Umstand,    dass    der  See    nicht  zu  Bithynien,  sondern    zu  Mysien 

22» 
7 


332  Juh.  Solch, 

Tatsächlich  verlangte  ja  jene  Gegend  fast  gebieterisch  nacli  einem 
wichtigeren  Ort.  Hier  unfern  der  Küste  und  von  dieser  sei  es  zu  Wasser, 
sei  es  zu  Land  nicht  schwer  erreichbar,  im  Besitz  leichter  Verbindungen 
mit  Apameia  und  Daskylion.  mit  Prusa  und  Apollonia,  weil  im  Schnitt- 
punkt der  Wege  Apameia- Apollonia  und  Prusa-Daskylion,  endlich  unfern 
einem  fischreichen  See  gelegen,  musste  sich  ein  Verkehrsknoten  entwickeln. 
Doch  erwuchs  er  nicht  im  Treffpunkt  von  Hauptverkelirslinien,  sondern 
diente  nur  dem  Naliverkehr.  Und  waren  auch  seine  Bewohner  wackere 
Hellenen,  das  Städtchen  blieb  doch  stets  verhältnismässig  klein.  So  er- 
klärt sich  uns  auch  das  auffällige  Schweigen,  womit  es  von  den  Schrift- 
stellern des  Altertums  übergangen  wird,  und  das  Fehlen  einer  Erwäh- 
nung in  den  Itinerarien  der  Kaiserzeit:  es  lag  eben  abseits  von  den 
grossen  Heerstrassen  des  Weltverkehrs.  Nur  in  bescheidenerem  Kreise 
konnte  es  seine  Wirksamkeit  entfalten.  Das  aber  scheint  es  voll  und 
ganz  getan  zu  haben,  daher  war  es  wohl  befestigt'),  daher  durfte  es 
Münzen  schlagen,  daher  auch  kehrte  es  sicher  zu  den  zwölf  ciritafes  von 
Bithynien,  von  denen  der  ältere  Plinius  spricht  -). 

Der  Name  Kaisareia  aber  ist  natürlich  erst  vei'hältnismässig  späten 
Ursprungs ;  für  die  Frage,  wie  die  Stadt  vordem  geheissen,  kommt  unseres 
Erachtens  in  erster  Linie  die  oben  zitierte  Stelle  bei  Plinius  in  Betracht. 
Darnach  hätte  die  Stadt  früher  Helgas  geheissen,  zu  seiner  Zeit  aber  Ger- 
manikopolis.  was  offenbar  richtig  Germanike(polis)  heissen  soU.  Damit 
stimmt  nicht  nur  die  Angabe  intus,  „im  Binnßnlande"  überein,  sondern 
auch  die  Bemerkung  des  Plinius  aVw  nomine  Booscoete  —  da  fällt  uns 
sofort  ein,  dass  einige  der  Münzen  von  Kaisareia  Germanike  wie  bereits 
erwähnt  unterhalb  des  Schiffes  einen  liegenden  „Opferstier" 
zeigen :  das  ist  offenbar  eine  Anspielung  auf  die  Boög  xohij.  das  Lager 
eines  Rindes,  wahrscheinlich  aber  nicht  eines  Stieres,  sondern  einer  Kuh. 
Vermutlich  hat  da  der  Mythus  von  der  .lo  irgendwie  eine  Rolle  gespielt. 
Dagegen  vermögen  wir  den  Namen  Helgas  wenigstens  zur  Zeit  noch  nicht 
z\i  erklären  —  vermutlich  war  es  der  alte,  einheimische  Name  des  Ortes. 
Wenn  endlich  Ptolemaios  schreibt,  /)  xal  2fivQÄidrt],  so  ist  das  nicht  als 
früherer  Name  aufzufassen,   wie  seinerzeit    Eckhel    "eolaubt  hat.    sondern 


(Asia)  gehörte  und  die  Grenze  etwa  in  der  Mitte  zwischen  ihm  und  Prusa  lief. 
Auch  die  Angabe  in  Hier.  Sjnekd..  der  die  Reihenfolge  Nikaia,  Basilinopolis.  Kios, 
Apamea  und  Prusa,  Kaisareia,  Apollonia,  Daskylion  einhält,  also  sichtlich  zwei  von 
Osten  nach  Westen  geordnete  Reihen  angiht,  bedeutet  keinen  Widerspruch  und  ist 
nicht  mit  Schärfe  so  zu  verstehen,  dass  K.  zwischen  Prusa  und  Apollonia  lag  (wie 
Kiepert,  Formae  orbis  ant.  tab.  IX.  Text  annimmt),  sondern  entspricht  einfach  dem 
Fortschreiten  von  Osten  nach  Westen. 

1)  Da  es  nicht  an  der  See  lag.  wird  es  natürlich  auch  von  keiner  der  bekannton 
Küstenbeschreibungen  erwähnt  —  noch  ein  Argument  mehr  gegen  Ramsays  Annahme. 

2)  Vgl.  die  Münzen. 


Ueher  die  Lage  von  Kaisareia  in  Bithijnien.  333 

es  bezeichnet  dieser  Zusatz  einfacli  eine  nähere  Bestimmung  mit  Hilfe  der 
Landschaft,  wie  Müller  richtig  erkannt  hat. 

Nur  noch  eines  I  Wenn  auch  Kiepert  mit  Recht  behauptet ').  dass 
Kandi's  Spezialbeschreibung  von  Prusa  und  Umgebung  (/}  Ugorau.  äQ- 
yaio?..  xai  ysor/Q.  neQiyQUfi'j:  mit  Karte)  sehr  viele  moderne  Ortsnamen 
aufweist,  die  jedoch  keinen  Anhaltspunkt  gewähren,  und  der  Autor  offen- 
kundig in  der  Gleichsetzung  von  Kaisareia  mit  den  berühmten  nahe  west- 
lich von  Prusa  gelegenen  Thennen  von  Tschekirie  irrt,  da  diese  im  Alter- 
tum und  auch  in  der  byzantinischen  Zeit  Basilica  Therma  hiessen-).  so 
enthält  doch  seine  Karte  von  Kleinasien  (Bl.  Brussa)  östlich  vom  Dasky- 
litissee.  etwas  südlich  von  dem  Wege  Mudauia-ülubad,  und  zwar  genauer, 
südlich  von  dem  Dorf  Dere  ein  Tschekirge,  etwas  seitwärts  vom  rechten 
Ufer  eines  rechten  Seitenbaclis  des  Uelfei-flusses  (Odrvses)  gelegen.  Man 
kann  sich  da  gevriss  des  Eindrucks  nicht  erwehren,  dass  in  diesem  Namen 
Tschekirge.  das  übeniies  möglicherweise  richtig  Tschekirie  heisst,  der 
Name  des  alten  Kaisareia  fortlebt  und  dass  in  dieser  Gegend  auch  die 
Oertlichkeit  unseres  Städtchens  gesucht  werden  muss.  Gerade  hier  dürfte 
der  Weg  nach  Süden  geführt  haben,  zunächst  gegen  Kaz-Ova  hin. 
Dafür  scheint  ein  weiterer  Umstand  zu  sprechen.  Es  findet  sich  nämlich 
wiederum  auf  Kieperts  Karte  eine  Ortschaft  Kuvuklia  eingetragen,  deren 
Name  in  ganz  auffälliger  Weise  an  das  von  Pachymeres  erwähnte  Kov- 
ßovxÄeia  erinnert  und  die  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  wirklich  diesem 
Kastell  entspricht.  Allerdings  verlegt  es  Pachymeres  nach  Mysien  am 
Olymp:  q^QOVQiöv  ti  xarä  Ti]v  Mvaiav  rrjv  iv  tq)  'Okifinoi^).  Die 
Türken  belagern  das  Kastell,  von  Lopadion  aus  werden  ihm  sechzig  Amo- 
gabarer  zu  Hilfe  geschickt:  allein  die  machen  gemeinsame  Sache  mit  den 
Feinden  und  spielen  ihnen  das  Kastell  in  die  Hände.  Es  wäre  nun  mög- 
lich, dass  die  Angabe  des  Pachymeres  über  die  Lage  dieses  sonst  nirgends 
bekannten  Kastells  in  Mysien  einfach  ein  Irrtum  ist:  doch  kommen  auch 
sonst  solche  Ungenauigkeiten  vor  und  selbst  die  eine  Fassung  der  Notitia 
des  Basilius  (bei  Georg.  Cypr.,  Ausg.  v.  H.  Geizer  in  d.  Bibl.  Teubn.) 
nennt  beispielsweise  sogar  Nikaia  eine  mysisehe  Stadt:  jiöÄig  ii>  Tji  y.arü 
Bid-vi'iav  Mvoia.  Trifft  also  unsere  Gleichung  zu.  dann  wäre  Kubu- 
kleia  ein  befestigter  Platz  an  dem  Wege  Kaisareia-ApoUonia  und  unfern 
der  wichtigen  Strasse  Prusa-Apollonia  gewesen :  und  es  wäre  begreiflich, 
dass  diesem  stratesjisch  wertvollen  Punkte  von  dem  stark  bewehrten    und 


1)  Formae  orb.  ant.  tab.  IX.  Text.  p.  2.  Kiepert  hat  Caesarea  Smyrl.  unfern 
Prusa  in  der  Nähe  des  Odryses  angesetzt,  ohne  dass  man  aber  genau  erkennen  kann, 
wo.  Das  Fragezeichen,  das  er  offenbar  an  die  Stelle  der  von  ihm  vermuteten  Oert- 
lichkeit setzt,  ist  am  linken  Odrysesufer  verzeichnet. 

2)  Ausserdem  wäre  es  uns  gewiss  überliefert  worden,  dass  der  Ort  der  Thermen 
Kaisareia  Germanike  war,  bezw.  umkehrt,  dass  es  in  K.6.  Thermen  gab. 

3)  Bonner  Ausg.,  S.  580.  —  Daher  sucht  es  Ramsay  (a.  a.  O.,  S.  190)  an  der 
Westseite  des  Olymp. 


334  Joh.  Solch,   Ueher  die  Lage  von  Kaisarein  in  Bithynien. 

nur  etwa  einen  Tagmarsch  entfernten  Lopadion  Hilfstruppen  zur  Unter- 
stützung zugeschickt  wurden.  Jedenfalls  deutet  aber  auch  hier,  selbst 
wenn  das  von  Pachymeres  genannte  Kubuldeia  wirklich  wo  anders  ge- 
legen haben  sollte,  der  Name  auf  eine  Gründung  aus  der  byzantinischen 
Zeit  und  der  Ort  bezeichnet  auch  dann  eine  Station  auf  dem  Wege  Apa- 
meia-Kaisareia-Apollonia.  So  kann  auch  dieser  unser  letzter  Hinweis 
noch  zur  Befestigung  unserer  Annahme  beitragen,  dass  Kaisareia  Germa- 
nike  in  Bitliynien  am  Ostgestade  des  Daskylitissees  gestanden  war :  mit 
diesem  ist  es  auch  selbst  dahingesiecht  und  zuletzt  verschwimden.  Nur 
der  Name  beider  lebt  möglicherweise  (in  Tschekirge,  bezw.  türk.  Jaskel. 
gr.  Diaskeli)  noch  fort. 

Kaisareia  Germanike  und  Germauicopolis  —  auch  dies  sei  noch  ver- 
merkt —  sind  nicht  dasselbe  gewesen,  aber  wiederholt  miteinander  ver- 
wechselt worden.  Zuletzt  noch  ist  sogar  Brandis  diesem  In-tum  ver- 
fallen ^).  Und  doch  hat  schon  Wesseling  ^)  mit  seiner  Vermutung,  dass 
Germauicopolis  wegen  der  grossen  Nähe  ganz  einfach  zu  Gangra  ge- 
rechnet 'n'ürde.  das  als  Hauptstadt  Papblagoniens  selbstverständlich  er- 
wähnt werden  musste,  das  Richtige  getroffen.  Deshalb  heisst  es  auch, 
wie  gleichfalls  schon  Wesseling  bemerkt  hat.  in  den  nov.  Just:  q)a/isv 
ök  reQfzai'iy.onöZ£0)g  le  T^g  ngög  rdy/Qar,  tmd  der  Kaiser  spricht  bloss 
von  sechs  Städten  in  Paphlagonien,  während  er  sieben  aufzuzählen  scheint: 
Germanicopolis .  Gangra.  Pompeiopolis.  Dadybra,  Sora,  Amastris  und  Jo- 
nopolis.  Die  zwei  zuerst  genannten  waren  jedenfalls  als  eine  Siedlung  ange- 
sehen. Daher  auch  die  Tatsache,  dass  weder  Hieroeles  noch  die  sonstigen 
Notitiae  und  Konzilsakten  Germanicopolis  anführen.  In  der  letzten  Zeit 
hat  besonders  Imhoof-Blumer  das  Verhältnis  von  Gangra-Germanicopolis 
richtig  erfasst  und  gewürdigt  '),  indem  er  einen  neuen  Beweis  für  die  po- 
litisclie  Einheit  der  beiden  Orte  aus  den  Mttnzfunden  erschloss:  zeigt  doch 
die  Vorderseite  von  Münzen  aus  Germanicopolis  den  gleichen  Stempel  wie 
eine  bekannte  Gangramünze'').  Müller  hat  sich  dieser  Ansicht  ange- 
schlossen^) und  wir  können  ihr  gleichfalls  nur  zustimmen. 

Dass  endlich  Kaisareia  und  Neokaisareia  in  Bithynien  nicht  dasselbe 
gewesen  sind,  erhellt  schon  aus  dem  Namen  und  bedarf  keines  weiteren 
Beweises ;  wo  aber  Neokaisareia  vermutlich  gelegen  war,  darauf  kommen 
wir  vielleicht  gelegentlich  später  zurück. 

Graz. 


1)  Siehe  Bithynien  in  Pauly-Wissowas  BE  III.  1898. 

2)  Zu  Hier.  Synekd.  in  d.  Bonner  Ausg.,  S.  496. 

3)  A.  a.  0.,  S.  6.5. 

4)  Zur  Münzl-unde  von  PonUis,  von  Paphlagonien  u.  s.  w.     Z.  f.  Niim.  XX.  1897 
S.  270/1. 

5)  In  seiner  Ausg.  d.  geograph.  d.  Ptol.  vol.  I.  pars  IL     Paris  1901.  S.  804. 


10 


335 


Die  Alliaschlacht  und  die  ältesten  Pontifikalannalen. 

Von  Ernst  Koriieniaiiii. 

Nachdem  ich  jüngst  den  Versuch  gemacht  habe,  von  der  ältesten 
Redaktion  der  Pontifikalannalen  aus  dem  3.  Jahrh.  v.  Chr.,  die  Enniiinn 
zuerst  erschlossen  hatte,  etwas  konkretere  Vorstellungen  zu  erzeugen^), 
liegt  die  Frage  nahe,  ob  wir  nicht  irgendwo  eine  Tradition  in  der  Fas- 
sung dieser  ältesten  Quelle  nachweisen  können.  Vielleicht  gelingt  es  ge- 
rade bei  einem  der  schwierigsten  Probleme  der  altrömischen  Geschichte, 
hei  der  Erzählung  von  der  gallischen  Katii.strophe. 

Schon  M  o  m  m  s  e  n  hat  in  der  grundlegenden  Abhandlung  über  dieses 
Ereignis  hervorgehoben^),  dass  die  ältere  Version  der  Tradition  zwischen 
den  Tag  der  Schlacht  an  der  Allia  (18.  Juli)  und  das  Einrücken  der  Sieger 
in  die  Stadt  drei  volle  Tage  ^)  legt,  welche  in  ganz  unverständlicher  Weise 
unbenutzt  vorübergehen''),  während  erst  die  jüngere  Fassung  die  Gallier 
noch  am  Abend  des  Schlachttages  vor  Rom  ziehen  (Liv.  V  89,  2)  und  die 
Einnahme  der  Stadt  am  19.  Juli  vollziehen  lässt  (Liv.  V  41,  4,  Tae.  Ann. 
XV  41).  Die  Ansicht  von  dem  höheren  Alter  der  an  erster  Stelle  ge- 
nannten Tradition  wird  dadurch  über  allen  Zweifel  erhoben,  dass  sowohl 
die  beste  annalistische  Ueberlief'erung  (Polybios  II  18,  2  und  Diodor  XIV 
11.5,  4  f.)  als  auch  die  oft  auf  die  ältesten  Quellen  zurückgehende  antiqua- 
rische Tradition  (Verrius  Flaccus  bei  Gellius  V  17,2;  Servius  zur  ^e«.  VII 
717),  endlich  die  oft  Spreu  und  Weizen  mischende  Biographie  (Plut.  Cnm.  22) 
die  Nachricht  haben.  Eine  Motivierung  des  rätselhaften  Verhaltens  der 
Sieger  versucht  nur  Diodor  zu  geben.  Den  ersten  der  drei  Tage  ver- 
bringen die  Gallier  mit  dem  Abhauen  der  Köpfe  der  Gefallenen  xarä  tö 
ndxQiov  i'9'og,  die  beiden    anderen   lagern    sie  vor   der  Stadt   und    zögern 

1)  Oben  S.  245  ff.  —  21  Rom.  Forsch.  II  S.  316. 

3)  So  Diodor;  die  Parallelquellen,  Polybios:  rgial  r;/?  ftiiyjj?  ij/uifiaig  vaiegov, 
Verrius  Flaccus;  post  diem  tertiton  eins  diei,  Plutarch :  Tp/rj/  änö  rijg  l-iaxii;  t/ftsgee. 
geben  dieselbe  Nachricht  nur  ungenauer  wieder,  Moinmsen  a.  a.  O.  S.  316  Anm.  40. 

4)  Die  Vermutungen,  mit  denen  Ed.  Meyer  (Apophoreton  S.  155)  die  drei  Tage 
ausfüllt  (vgl.  das  Richtige  S.  150  Anm.  1),  schweben  vollständig  in  der  Luft,  vgl. 
O.  Richter,  Beiträge  zur  röm.  Topogr.  III,  Berlin  1907,  S.  8  Anm.  Die  Niederlage  der 
Römer  war  nach  der  guten  Tradition  eine  sehr  schwere,  vgl.  Varro  bei  Nonius  p. 
498  M..  zitiert  unten  S.  340  Anm.  3. 

1 


336  Entst  Kornemann, 

mit  dem  Angriff  aus  Furclit  vor  einem  Hinterhalt  der  Gegner.  Diese 
Motivierung  ist  höchst  seltsam  und  besonders  im  zweiten  Teil  recht  auf- 
fallend, wenn  wir  daran  denken,  dass  Diodor  zu  denen  gehört,  die  den 
grössten  Teil  der  römischen  Heerestrümmer  sich  nach  Veji  retten  lassen 
(115.  2).  Wenn  also  seine  Darlegung  bezüglich  des  Hinterhaltes  irgend 
eine  Unterlage  hat,  kann  sie  nur  aus  einer  Quelle  stammen,  die  die  Ret- 
tung des  römisclien  Heeres  nach  Veji  noch  nicht  kannte.  Und  dass  es 
eine  solche  Stufe  der  Tradition  gab,  scheint  mir  aus  Polybios  hervorzu- 
gelien,  der  ganz  schlicht  von  den  siegreichen  Galliern  sagt:  ijiöiievoi  TOtg 
(pEvyovai  TQial  t/)c  fjäyjJQ  fjfiiQaig  vareQov  y.aiEaxot'  ainijv  Ttjv  'Püjfitjv^). 
Noch  deutlicher  ergibt  sich  dies  aus  der  antiquar-ischen  üeb erlief erung, 
die  uns  beim  Epitomator  des  Festus  erhalten  ist  {ep.  p.  119):  Lucaria 
festa  in  Juco  colebunt  Bomani,  qui  pennagnus  inter  viam  Salariam  et  Ti- 
heritn  fitU,  [xro  eo  quod  vidi  a  Gallis  fugientes  e  proelio  ihi  sc  occuUaverint. 
Diese  Version  lässt  die  Römer  ganz  offenbar  in  der  Richtung  auf  Rom 
fliehen-),  und  die  Notiz,  dass  sie  sich  in  einem  Haine  verborgen  gehalten 
Mtten,  gibt  vielleicht  einen  Wink  für  das  Entstehen  der  Nachricht  von 
dem  Hinterhalt  bei  Diodor  ^).  Aber  die  Festus-Stelle  gewährt  uns  die  Mög- 
lichkeit noch  nach  einer  anderen  Richtung  die  älteste  Tradition  verständ- 
lich zu  machen,  nämlich  bezüglich  des  dreitägigen  Intervalls  zwischen 
Schlachttag  und  Stadteroberung,  worauf,  wenn  ich  nicht  irre,  zum  ersten 
Mal  Pais  aufmerksam  gemacht  hat^).  Der  dies  Alliensis  fällt  bekannt- 
licli  auf  den  18.  Juli,  dagegen  das  Fest  der  Lucaria  auf  den  19.  —  21.^). 
Wie  die  Festusstelle  beweist,  ist  also  das  Hainfest  frühzeitig  mit  der  Gal- 
lierkatastrophe in  Verbindung  gebracht  worden'')  und  das  erwähnte  drei- 
tägige Intervall  aus  der  Dauer  des  Festes  herausgesponnen  worden.  Wir 
haben  aber,  wenn  diese  Annahme  richtig  ist,  hier  deutlich  ein  Stück  der 
ältesten  pontitikalen    l'raditiou  vor  uns. 

1)  Bei  Diodor  flieht  das  Gros  des  römischen  Heeres  nach  Veji  und  nur  wenige 
{dllyoi)  gehingen  avoit).oi  (pvyövzfc  nach  Rom.  Die  siegreichen  Gallier  mussten  hier- 
nach als  inöuivoi  zot:  (f^siyovai,  da  doch  nur  das  Gros  des  Gegners  und  nicht  ein 
paar  Versprengte  verfolgt  zu  werden  pflegen,  nach  Veji  gelangen. 

2)  Ueber  die  mutmassliche  Lage  des  lucus  permagnus  stellt  0.  Richter,  Beiträge 
zur  rinn.  Topogr.  lU  S.  1-5  Betrachtungen  an,  durch  die  er  eine  Lokalisierung  des- 
selben nördlich  des  Anio  zu  beweisen  sucht.  Ich  suche  den  Hain  in  der  Nähe  von 
Rom.  Die  Hauptschwierigkeit,  die  seinem  Ansatz  widerspricht,  hat  Richter  schon 
selbst  am  Schluss  angedeutet :  vgl.  auch  Hülsen-Lindner.  Die  Älliasclüacht  S.  32  Anm.  .3. 

3)  In  diesem  Falle  muss  der  Hain,  wie  in  der  vorigen  Anm.  geschehen  ist,  nahe 
bei  Rom  gesucht  werden.  —  4)  Storia  dt  Eoma  I  2  S.  82. 

b)  Genauer  auf  den  19.  und  21.  JuU.  Th.  Mommsen.  CIL  1-  p.  298  und  322, 
G.  Wissowa,  Beligion  und  Kultus  der  Römer  S.  19,  mit  dem  bei  mehrtägigen  Festen 
gebräuchlichen  festfreien  Zwischentag  (20.  Juli):  Wissowa  a.  a.  0.  S.  370. 

6)  Dass  die  Lucaria  älter  sind  als  die  gallische  Katastrophe,  ist  sicher,  da  sie 
dem  ältesten  römischen  Festkalender  angehören,  vgl.  Hülsen-Lindner  a.  a.  0.  S.  32, 
0.  Richter  a.   a.  0.  S.  1-5. 


Die  AlliascJilacht  und  die  ältesten  F(/iitifikfilinni(ile)i.  :{37 

Wiweilen  wir  noch  einen  Augenblick  bei  der  antiquarischen  Ueber- 
liefeiung.  Vielleicht  verhilt't  sie  uns  auch  zur  Lösung  eines  anderen  Pro- 
blems aus  der  Geschichte  der  gallischen  Katastrophe.  Wer  die  Römer  in 
den  Hain  zwischen  Tiber  und  via  Salaria  fliehen  lässt,  für  den  ist  die 
Schlacht  auf  dem  linken  Ufer  des  Flusses  gesclilagen  worden.  Dazu 
stimmt,  wenn  es  bei  Verrius  Flaccus  (a.  a.  0.)  heisst:  Q.  Sulpiciioii  tri- 
humim  mUitum  ad  Ali  am  adverstt  s  G  allos  pngnatiirum  rem  divinam 
dimicandi  gratia  postridie  Idus  fecisse^).  So  schreibt  nur  jemand,  der  eine 
Schlacht  an  derÄllia  und  nicht  gegenüber  ihrer  Mündung  auf  dem 
rechten  Tiberufer  annimmt.  Aber,  wird  man  einwenden,  das  ist  auch  die 
Tradition,  der  Livius  folgt  (V  37,  7),  und  sie  wird  dadurch  nicht  gerade 
empfohlen.  Solange  die  Sache  auf  die  einfache  Formel  gebracht  war, 
Diodor  hat  die  ältere  und  bessere  Tradition  oder,  wie  gar  Momnisen  glaubte, 
die  Tradition  eines  Fabius,  Livius  dagegen  repräsentiert  die  jüngere  mehr 
verfälschte  Annalistik,  konnte  dieser  Einwand  etwas  bedeuten.  Heute 
steht  die  Sache  anders.  Einen  grossen  Fortschritt  bi-achte  die  Erkenntnis, 
dass  nicht  nur  ein  Gegensatz  von  Diodor  und  Livius  in  dieser  Sache  vor- 
liegt, sondern  dass  Diodor  gegen  Diodor  steht.  Er  oder  wahr- 
sclieinlicher  seine  unmittelbare  Vorlage  hat  zwei  den  Verlauf  der  Schlacht 
im  wesentlichen  gleich  erzählende  Quellen  kontaminiert,  von  denen  die  eine 
die  Schlacht  auf  das  rechte,  die  andere  auf  das  linke  Ufer  verlegt"). 
Das  zeigt  sich  am  deutlichsten  an  der  Stelle,  wo  das  Durchschwimmen 
des  Tibers  durch  die  geschlagenen  Römer  zweimal  erzälilt  wird  (114,5 
n.  6  =  114.7  u.  115.  1)  ^).  worauf  als  Ziel  der  Geretteten  einmal,  und  zwar 
für  das  Gros,    Veji.    und    dann,    für  einige  wenige*).    Rom    angegeben 

1)  Nebenbei  bemerkt  ist  die  tieschicbte  von  diesem  Opfer  am  IG.  Juli  (auch  bei 
Livius  VI  1,  12).  wonach  die  dies pustriduani  von  den  Pontifices  zu  dies  reUgiosi  ge- 
macht worden  sind  (vgl.  Mommsen,  Böm.  Chron.  S.  26  Anni.  32,  CIL  I-  p.  322,  Wis- 
sowa,  a.  a.  0.  S.  376  f.).  möglicherweise  auch  ein  Bestandteil  der  alten  Tradition, 
weil  wieder  ein  bestimmter  Tag  eine  Rolle  .spielt:  anders  Mommsen.  Eüm.  Forsch. 
II  S.  316. 

2)  Das  hat  schon  Mommsen  gesehen,  a.  a.  0.  S.  310  ff.;  vgl.  bes.  S.  313:  „in  der 
Tat  erzählt  er  so,  dass  die  erste  Hälfte  seines  Berichtes  auf  das  rechte,  die  zweite 
auf  das  linke  Tiberufer  führt  und  derselbe  also  sich  selber  aufhebt".  Es  ist  charak- 
teristisch für  die  durch  Mommsens  Fabiushypothese  herbeigeführte  Ueberschätzung 
Diodors,  dass  auf  einen  solchen  Bericht  hin  das  Wagnis  unternommen  worden 
ist  die  pugna  Alliensis  von  der  AUia  hinweg  auf  das  andere  Tiberufer  zu  verlegen, 
und  dass  es  Forscher  aus  den  verschiedensten  Lagern  gegeben  hat,  die  diese  Loka- 
lisierung dann  als  die  einzig  mögliche  erklärten.  Selbst  C.  P.  Burger,  der  nach 
Mommsen  den  Diodor  am  schärfsten  kritisiert  hat  und  zu  einer  viel  richtigeren  An- 
sicht über  die  Quellenfrage  gekommen  ist  (vgl.  Sechzig  Jahre  aus  der  älteren  Gesch. 
Roms  S.  24  ff.),  hielt  am  rechten  Tiberufer  als  dem  wirklichen  Schauplatz  der  Schlacht 
fest  (vgl.  S.  4.5  f.). 

3)  Vgl.  die  Nebeneinanderstellung  der  beiden  Parallelberichte  bei  Richter  a.  a. 
0.  S.  11. 

4)  114.6  tiphs  6i  =  115,  2  öh'yot  6t.    Nur  das   zweite  Mal  wird   als   Ziel   dieser 


338  Ernst  Kornemann, 

wird  (115.2)').  Damit  war  der  livianiscbe  Schauplatz  der  Schlacht,  der 
früher  immer  als  von  der  jüngeren  Annalistik  erst  hereingebracht  be- 
zeichnet wurde,  als  der  einen  Diodorquelle  schon  bekannt  erwiesen,  und 
es  konnte  nun  die  Frage  aufgeworfen  wei-den,  welche  der  beiden  Versionen 
über  die  Oertlichkeit  der  Schlacht  in  Wirklichkeit  die  ältere  sei. 

Wir  kommen  also  ganz  auf  die  Ansicht  Ed.  Meyer  s^)  hinaus,  „dass 
keineswegs  zwei  verschiedene,  von  einander  unabhängige  Berichte  vorliegen. 

Die  durchgehende  Uebereinstimmung beweist  vielmehr,  dass  unsere 

gesamte  üeberlieferung  auf  einen  einzigen  Urbericht  zurückgeht  ....  Die 
Sache  liegt  mithin  nicht  so.  dass  wir  zwischen  zwei  von  Anfang  an  ver- 
schiedenen Ver.sionen  ....  frei  nach  allgemeinen  Erwägungen  zu  wählen 
hätten,  sondern  die  eine  der  beiden  Versionen  muss  notwendig  eine  Kor- 
rektur oder  Entstellung  der  anderen  sein.  Wir  haben  daher  zu  ermitteln, 
welche  von  ihnen  die  ursprüngliche  und  kritiscli  allein  in  Betracht  kom- 
mende ist.  und  dieser  zu  folgen". 

Der  -Ur  b  e  r  i  c  h  t'"  ist  aber  auch  hier  die  Darstelluna;  der  Pontifikal- 


wenigen  Rom  angegeben.  Ebenso  steht  auch  die  Flucht  nach  Veji  nur  hinter  der 
zweiten  Schwimmszene.  Wenn  man  daher  den  zweiten  Bericht  als  denjenigen  des 
Autors,  der  die  Schlacht  auf  dem  rechten  Ufer  ansetzt,  bezeichnet,  dann  hat  Ed. 
Merer  ganz  recht,  wenn  er  gegen  Mommsen  und  Richter  behauptet  (Apophoreton 
S.  148  f.):  bei  Diodor  , steht  kein  Wort  davon,  dass  diejenigen  Römer,  welche  nach 
Veji  flüchteten,  vorher  den  Fluss  durchschwömmen  hätten".  Es  kommt  also  hier 
einfach  darauf  an.  welchem  Autor  man  den  zweiten  Bericht  über  die  Schwimmszene 
zuschreibt.  Immerhin  ist  auch  bei  Meyers  Auffassung,  wie  Richter  gesehen  hat  (a. 
a.  0.  S.  10)  die  Bemerkung  auf  S.  1-51 :  „Die  Truppen,  welche  sich  in  Veji  sammelten, 
werden  meist  überhaupt  nicht  ins  Flusstal  gelangt  sein,  sondern  von  den  Höhen, 
auf  denen  sie  aufgestellt  waren,  direkt  nach  Veji  geflüchtet  sein",  durch  Diodor  nicht 
gedeckt;  richtiger  Meyer  S.  146  und  S.  149.  Richter  weist  sehr  mit  Recht  darauf 
hin:  ,nach  Diodor  wird  das  ganze  römische  Heer  ohne  Ausnahme  gegen  den  Tiber 
gedrängt  und  nunmehr  stehen  die  Gallier  parallel  dem  Tiber,  zwischen  sieh  und 
dem  Fluss  das  ganze  römische  Heer  in  völliger  Auflösung".  Wenn  es  Diodor  auch 
nicht  direkt  sagt,  hat  man  an  dieser  Stelle  doch  den  Eindruck:  nach  Veji  geht  der 
Weg  nur  durch  den  Fluss !  Weit  über  das  Ziel  schiesst  Ed.  Meyer  mit  der  Be- 
hauptung (S.  149) :  , Diodor  ist  also  mit  sich  selbst  durchweg  in  Harmonie  und  voll- 
ständig klar".     Das  gerade  Gegenteil  sagt  schon  Mommsen  a.  a.  0.  S.  313. 

1)  Aehnlich  Livius  V  38.9:  maxima  tarnen  pars  ineohimis  Veios  perfugit  (auch 
39,  4)  und  gleich  nachher :  ab  dextro  cornu  ...  Borna  m  omiies  petiere ;  hier  ist  aus 
den  u'/.lyoi  des  Diodor  schon  der  ganze  rechte  Flügel  (bei  Flut.  Cam.  18  am  Ende 
wenigstens  oL  nn'O.o!)  geworden,  offenbar  aus  dem  Bestreben  heraus,  ,die  Nieder- 
lage der  Römer  möglichst  abzuschwächen":  0.  Richter  a.  a.  0.  S.  9  f.  Ein  starker 
Widerspruch  bei  Diodor  ist  darin  zu  sehen,  dass,  obwohl  seine  beiden  Parallelbe- 
richte eine  grössere  Anzahl  von  Geretteten  nicht  kennen,  doch  oi  nÄHaxoi  lOn'  Siaato- 
d-svTwv  sich  Vejis  bemächtigen,  Richter  S.  12. 

2)  Äpophoreton,  S.  147  f. :  allerdings  mit  dem  entgegengesetzten  Endresultat.  Die- 
selbe Ansicht,  dass  beide  Quellen  auf  einen  Urbericht  zurückgehen,  hat  übrigens 
schon  H.  Nissen  L.  K.  11  2  S.  607  ausgesprochen,  und  dabei  ist  er.  wie  wir,  der  Mei- 
nung, dass  die  Schlacht  auf  dem  linken  Ufer  stattgefunden  hat. 


Die  Alliascldacht  und  die  ältesten  Poiitifikalannalen.  339 

Chronik,  für  die  wir  oben  (S.  336)  schon  wahrscheinlich  gemacht  haben,  dass 
darin  die  Fluclit  des  römischen  Heeres  nach  Veji  «jefehlt  hat.  Man  hat  rän<f.st 
gesehen:  der  grobe  Unsinn  in  der  livianischen  üarstelhmg  bestellt  darin, 
dass  er  mit  der  Schlacht  auf  dem  linken  Ufer  die  Flucht  eines  Teils 
des  römischen  Heeres  durch  den  Fluss  hindurch  nach  Veji  verbindet. 
Was  liegt  näher  bei  dieser  Sachlage,  als  die  Vennutung.  dass  in  der  An- 
nalistik  die  Flucht  nach  Veji  die  primäre  Erfindung  gewesen  ist'),  die 
dann  die  Hinüberverlegung  der  Schlacht  von  der  Allia  hinweg  auf  das 
rechte  Ufer  notgedrungen  zur  Folge  hatte  ^),  wie  das  schon  die  eine  bei 
Diodor  zu  Grunde  liegende  Quelle^)  folgerichtig  getan  hat. 

Bereits  Burger  hat  empfunden,  das.s  mit  der  Beseitigung  alles  dessen, 
was  sich  auf  Veji  bezieht,  in  die  Geschichte  der  Gallierkatastrophe  eine 
starke  Lücke  gerissen  wird  und  dass  dann  nicht  viel  mehr  übrig  bleibt 
(S.  23).  Er  hat  Recht  damit:  ebenso  Recht  aber,  wenn  er  hinzufügt.  ,es  sind 
nicht  flie  sentimentalen  Gründe,  die  in  ähnlichen  Fragen  entscheiden".  Wir 
wissen  heute,  dass  wir  eine  ganz  kurze    und   trockene,    chronikartige  Er- 

1)  So  schon  Burger  a.  a.  0.  S.  23  f.  und  Richter  a.  a.  O.  S.  12  ff.,  der  dann  im 
Gegensatz  zu  Burger  die  richtige  Konsequenz  aus  dieser  Erkenntnis  gezogen  und 
die  Schlacht  wieder  auf  das  linke  Ufer  verlegt  hat.  Die  entgegengesetzte  Ansicht 
vertreten  Hülsen-Lindner  a.  a.  0.  S.  9:  ,Die  Rettung  eines  sehr  bedeutenden  Teiles 
des  römischen  Heeres  nach  Veji  ist  in  dieser  ganzen  Kette  von  Ereignissen  eines 
der  sichersten".    Einen  Beweis  für  diesen  Satz  vermisse  ich. 

2)  Ich  wage  nicht  zu  entscheiden,  ob  dabei  auch  der  Umstand  mitgewirkt  hat, 
dass  man  damit  in  die  Nähe  des  Schauplatzes  einer  anderen  ünglüeksschlacht  aus 
der  altrömischen  Geschichte  kam,  nämlich  des  Untergangs  der  Fabier  am  Cremera 
im  Jahre  477  (darüber  F.  Münzer  R.  E.  VI  S.  1877).  Hingewiesen  muss  immerhin 
darauf  werden,  dass  auch  der  Tag  der  Alliaschlacht  und  der  Fabierkatastrophe  gleich- 
gesetzt worden  ist.  vgl.  z.  B.  Liv.  VI  1,11,  Plut.  Catn.  19,1,  andere  Stellen  bei 
Mommsen  CIL  1-  p.  322  und  Münzer  a.  a.  0.  S.  1879. 

.3)  Mein  Schüler  G.  Sigwart  bat  versucht  {Klio  VI  S.  34-3)  diese  Quelle  bei  Diodor 
als  eine  lateinisch  geschriebene  und  gleichzeitig  als  eine  jüngere  gegenüber  der  an- 
deren, die  griechisch  abgefasst  sei,  zu  erweisen.  Er  stützt  sich  dabei  neben  anderem 
darauf,  dass  bei  Diodor  an  der  entscheidenden  Stelle  (XIV  114,2),  durch  welche  die 
Verlegung  der  Schlacht  auf  das  rechte  Ufer  verlangt  wird  {diaßüvzfc  rdv  TlßiQiv],  die 
Gallier  als  Faf.nzai  bezeichnet  werden,  während  vorher  und  nachher  immer  von 
KeXrol  die  Rede  ist,  und  findet,  dass  dieselbe  Bezeichnung  rrO.äzcei  erst  XIV  117.  .5 
wiederkehrt,  wo  die  späte  Erzählung  von  der  Rückgewinnung  des  an  die  Gallier 
beim  Abzug  aus  Rom  gezahlten  Goldes  gegeben  wird.  Dieses  Argument  (/"ffP-äreu- 
I{f?.zoi)  hat  Soltau  gelegentlich  auch  bei  Polybios  (in  dem  Abschnitt  II  18—21)  zum 
Zweck  der  Quellenscheidung  angewendet,  aber  Lenze,  Die  riint.  Jahrzählunii  S.  144 
Anm.  174  (vgl.  auch  S.  74  Anm.  101),  hat  mit  Recht  darauf  hingewiesen,  dass  der 
Soltausche  Beweis  bei  Polybios  nicht  geglückt  ist.  Man  könnte  einwenden:  non  est 
idem,  si  duo  faciunt  idem ;  ich  gebe  aber  zu,  dass  das  Fundament,  das  diesen  sprach- 
lichen Beobachtungen  entnommen  ist,  nicht  hinreicht,  um  eine  saubere  Scheidung  der 
beiden  bei  Diodor  verarbeiteten  Quellen  und  eine  Beantwortung  der  Frage,  welche 
die  ältere  gewesen  ist,  vorzunehmen.  In  den  beiden  Schwimmszenen,  die  doch  ganz 
sicher  aus  verschiedenen  Quellen  entnommen  sind,  werden  die  Feinde  immer  Ks/.zoi 
genannt. 


340  Ernst  Korncmann, 

zäHung  als  die  Grundlage  des  später  reicher  ausgescliniUckteii  Berichtes 
voraussetzen  müssen  und  können  unsere  Ausführungen  dahin  zusammen- 
fassen, dass  vielleicht  in  der  fuhala  apmJ  pontiftccm  iiuiximum  nur  das  Fol- 
gende gestanden  hat: 

am  16.  .luli:  Auszug  der  Römer  aus  der  Stadt  imd  Opfer  des  Q.  Sul- 
picius '), 

18.  Juli:  die  Schlacht  an  der  Allia,  in  der  die  Römer  vollständig  ge- 
schlagen werden. 

19. — 21.  Juli:  die  geschlagenen  Römer  haben  in  einem  Haine  zwischen 
dem  Tiber  und  der  via  Salaria  Zuflucht  gesucht ;  die  Gallier  wagen  aus 
Furcht  vor  einem  Hinterhalt  nicht  den  sofortigen  Angriff  auf  Rom, 

22.  Juli:  Einnahme  der   Stadt,  abgesehen  vom  Kapitol. 

Wie  eine  Probe  aufs  Exempel  wirkt  hiernach  eine  Lektüre  von  Po- 
lybios  n  18,  2 :  [oi  KsPaoi)  fiäxf]  viy.i]nav%EQ  'Pcofiaiovg  y.ai  rovg  fiSTCi 
toixoiv  TiaQaia^afiivovg,  enö/isvoi  roig  (fsvyovai  TQial  rTjg  udyjjg  fifie- 
oaic  vGTSoov  xaTsaxov  avTtjv  Ttjv  'P(j)/ii]v  nlijv  tov  Ka7i£TO)kiov.  Hier 
haben  wir  den  schlichten  Bericht  des  Fabius  vor  uns  ^),  der  seinerseits 
aus  def  eben  rekonstruierten  Chronik  der  Pontifices  entnommen  war.  Das 
Unmethodische  an  dem  seitherigeia  Verfahren  bestand  darin,  dass  man  diesen 
Bericht  wahllos  aus  Diodor.  bei  dem  eine  ältere  und  eine  jüngere  Tradition 
in  höchst  ungescliickter  Weise  kontaminiert  ist .  zu  ergänzen  gesucht 
hat.  anstatt  nur  die  paar  versprengten  Notizen  aus  der  antiquarischen 
Ueberlieferung  heranzuziehen. 

Dass  dies  allein  der  richtige  Weg  ist,  um  die  älteste  Tradition  heraus- 
zuarbeiten, zeigt  uns  ein  Blick  in  die  Ueberlieferung  vom  Ende  der  Gal- 
lierkatastrophe. Auch  hier  ist  es,  wie  oben  bei  dem  dreitägigen  Intervall 
zwischen  Schlacht  und  Stadteinnahme,  eine  Zahl,  die  im  Vordergrund  un- 
seres Interesses  steht :  nämlich  die  Zahl  von  sieben  Monaten  für  die  Dauer 
der  Belagerimg  Roms.  Diese  Zahl  haben  wiederum  nur  Polybios  (II  22,  5), 
die  Biographie  (Plut.  Cam.  28  und  30),  sowie  der  Kalender  des  Polemius 
Silvius  {CIL  Y'-  p.  259),  letzterer  offenbar  aus  einer  antiquarischen  Quelle  ^). 

1)  S.  o.  S.  337  Anm.  1. 

2)  Für  die  Abhängigkeit  des  Polybios  von  Fabius  an  dieser  Stelle  neuerdings 
wieder  0.  Leuze,  Jahrzälilimg  S.  142  ff. 

3)  Nicht  Livius,  wohl  aber  die  Periochae  des  Livius  (lih.  V)  haben  die  allge- 
meinere Angabe  i'osi  sextum  mensein.  Sechs  Monate  dagegen  bieten  Varro  bei  Nonius 
p.  498  M.  {noster  exercitus  itast  fiigahis,  ut  (Salli  Homae  praeter  Capitoli  sint  potiti 
neque  inde  ante  sex  menses  cesserint),  Florus  I  7,  15,  Orosius  II  19,  1:3,  acht  Monate  Ser- 
vius  zur  Ae)i.  VIII  6.52,  was  Mommsen  {Rom.  Forsch.  II  S.  328  Anm.  69)  , durch  die  ver- 
schiedene Zählung  der  nicht  vollen  Monate  herbeigeführte  Varianten'  nennt;  vgl.  oben 
(S.  335  Anm.  8)  die  ähnlicben  Varianten  gelegentlieh  der  Darstellung  über  das  drei- 
tägige Intervall.  Wenn  diese  Ansicht  richtig  ist.  dann  dürfen  wir  auch  diese  Stellen  noch 
heranziehen  und  zwar  ebenfalls  als  in  letzter  Linie  alle  zurückgehend  auf  die  anti- 
quarische Tradition  (s.  o.  Varro !).  Nur  bei  Servius  mit  seinen  vollen  acht  Monaten 
bin  ich  zweifelhaft.     Dass    es   auch  Traditionen  gab.    die    die   ursprüngliche  Angabe 


Dir  Allidsclihiilif  1111(1  die  ältrstcii  Fonfiflkdlammloi.  341 

F'olybios  bietet  auch  hier  nur  die  kurze  Notiz:  {oi  KeAroi)  t/}c  nöAecog 
arrTjg  tmä  fir]i'ag  xv^ievaarieg,  Plutarch  (a.  a.  ü.  30)  spi-icht  von  Rom 
als  fir^vag  knTa  rovg  nävtag  i)nb  xolg  ßaQßÜQOig  yevofiivij  (vgl.  dazu 
c.  28:  i'ßdofiov  yuQ  t/.eivoi'  oixovQovv  fii'jva  nohoQy.ov visg)  und  fügt  dann 
zur  Erläuterung  hinzu:  naQe^^d-övieg  yäg  eig  avTijV  dZiyatg  i)/ti(>aig  vare- 
Qov  Twi'  Kvl'i'TÜiov  eiöwv  tteqI  tag  (PeßQOVUQiag  EiSovg  i^fjieaov').  Der 
erwähnte  Kalender  sagt  zu  den  Iden  des  Februar  (13.  Febr.):  purentatio 
tnmnlorum  incipit  quo  die  Jioma  Hheraht  est  de  ol/fsidione  Gallorum.  Be- 
achtenswert ist,  dass  wir  auch  hier  von  der  polybianischen  Zalilenangabe  aus- 
gehend auf  einen  bestimmten  Kalendertag,  den  13.  Februar-),  und  auf  ein  mit 
diesem  Tag  beginnendes  Fest,  die  Farentalia.  die  neun  Tage  —  vom  13. 
bis  21.  Februar  —  dauern,  geführt  werden.  Zum  13.  Februar  bemerkt 
aber  der  Kalender  des  Philocalus  {CIL  I-  p.  258):  F/»y/ö  Vesta(lis)  pa- 
rentat.  ,eine  Notiz,  welche  Mommsen  (CIL  I-  p.  309)  mit  grosser  Wahr- 
scheinlichkeit auf  das  anderweitig  (von  Piso  bei  Dionys  II  40)  erwähnte 
Opfer  am  Grabe  der  Tarpeja  bezogen  hat"  '^).  Ob  die  Tarpeja  oder 
der  Charakter  der  Parentalia  als  Totenfeier  das  Ende  der  obsidio  Gcdlo- 
yum  hier  anzusetzen  der  Anlass  gewesen  ist,  vermag  ich  nicht  zu  sagen. 
Hingewiesen  sei  nur  noch  darauf,  dass  der  Schlusstag  des  Totenfestes,  die 
Feralia  vom  21.  Februar,  die  allein  unter  den  dies  parentales  zu  den  feriae 
piddicae  gehörten  *),  das  genaue  Ende  der  sieben  Monate  seit  dem  Einzug 
der  Gallier  in  Rom  (22.  Juli)  darstellen  °).  Die  Rücksicht  auf  das  Fest 
liegt  also  bei  diesem  Zeitansatz  des  Polybios  genau  so  klar  zu  Tage,  wie 
oben  bei  dem  dreitägigen  Intervall  der  Ausgang  von  den  Lucaria. 

Nach  alledem  dürfen  wir  wohl  ein  Zwiefaches  behaupten:  diese  ge- 
nauen Zeitangaben  bis  auf  den  Tag  gehen  auf  die  Fassung  der  Tradition 


der  Belagerungsdauer  verlängert  haben,  geht  aus  Varro  de  h  l.  VI  18  hervoi-.  der 
über  die  Poplifugia  (-5.  Juli)  folgende  Version  hat :  «o«  multo  enim  post  hie  dkg. 
quam  dece  s  s  US  G  allor  u  m  e  .v  u  r  b  e. 

1)  Die  beiden  Angaben  des  Plutarch  decken  sich  nur,  wenn  man  das  rrfpj  sehr 
■weit  ausdehnt,  d.  b.  nicht  den  Anfang  der  dies  parentales,  wie  der  Kalender  des  Po- 
lemius  Silvius  tut  (s.  o.  im  Text),  sondern  das  Ende  derselben  (21.  Februar)  annimmt. 
Andererseits  erklärt  diese  Unbestimmtheit  die  in  der  vorigen  Anmerkung  notierten 
Varianten  in  der  Angabe  der  Monatzahlen,   soweit  sie   unter   sieben   sich  bewegen. 

2)  Wir  haben  oben  (S.  3:^9  Anm.  2)  gesehen,  dass  der  Tag  der  Katastrophe  der  Fabier 
am  Cremera  mit  dem  dies  AlKensis  gleichgesetzt  worden  ist.  Im  Vorbeigehen  sei  hier 
daran  erinnert,  dass  von  Ovid,  fast.  II  193,  statt  dessen  der  13.  Februar  als  Tag  des 
Fabieruntergangs  gegeben  wird.  Man  hat  mancherlei  Gründe  für  diese  Abweichung 
vorgebracht  (vgl.  F.  Münzer,  R.  E.  VI  S.  1879  f.) ;  ich  möchte  die  Frage  aufwerfen, 
ob  nicht  wie  beim  18.  Juli  die  Callierkatastrophe  das  Datum  geliefert  hat? 

:3)  Wissowa  a.  a.  0.  S.  187.  —  4)  Wissowa  ebda. 

5)  S.  o.  Anm.  1.  Am  nächstfolgenden  Tag.  22.  Februar,  wird  das  Familienfest 
(feriae  privatae)  der  Caristia  oder  Cara  cognatio  gefeiert,  ,an  dem  die  Angehörigen 
der  Verwandtschaft  sich  zu  einem  Festschmanse  vereinigen'.  Wissowa  a.  ;i  O. :  vgl. 
auch  Mommsen  CIL  1-  p.  310. 


342    E.  Kornenumn,   Die  AUiniuhlwld   und  die  äUesten  Fontifikalaunnlen. 

in  der  ältesten  Chronik  der  Pontifices  zurück,  die  per  singulos  dies  ihre 
kurzen  Aufzeichnungen  eingetragen  hatten.  Bei  den  Ansätzen  aber  spielen 
die  feriae  puhlicae  des  alten  Festkalenders,  den  die  Pontifices  zu  bewahren 
hatten '),  ebenso  wie  die  Griindungstage  und  Gründungs  jähre  resp.  die 
Dedikationsjahre  der  stadtrömischen  Tempel-)  eine  grosse  Rolle.  Dies 
sind  die  fe.sten  Punkte,  von  denen  aus  die  Pontifices  den  Aufbau  der  alt- 
römischen Geschichte  unternommen  haben.  Die  weitere  Forschung  wird 
nicht  umhin  können  auf  diese  Zusammenhänge  zwischen  dem  Festkalender 
und  den  ältesten  Pontifikalannalen  noch  mehr  zu  achten  als  seither. 

Und  nun  noch  eins:  K.  J.  Neumann  hat  jüngst  noch  geschrieben'): 
vom  Krieg  gegen  Veji  ab,  rund  von  400  v.  Chr.  ab,  „gab  es  eine  gesi- 
cherte, gleichzeitige  Aufzeichnung  wenigstens  der  Hauptereignisse  römi- 
scher Geschichte.  Und  dieser  Krieg  selber  war  ein  solches  Hauptereignis". 
Ich  frage  dagegen,  ist  die  römische  Geschichte  des  4.  Jahrhunderts,  vor 
allem  in  der  ersten  Hälfte,  wirklich  qnellenmässig  so  fundiert,  dass  wir 
diese  Behauptung  wagen  dürfen  *),  wenn  wir  für  das  grösste  Ereignis 
dieses  Jahrhunderts,  die  Gallierkatastrophe,  nur  den  dies  AUiensis  noch 
als  gesicherte  Uebeiliefevung  betrachten  können  ^)  ?  Was  ich  in  den  vor- 
stehenden Zeilen  den  Facligenossen  zu  unterbreiten  mir  erlaube,  sollte 
doch,  wenn  die  Beweisführung  als  zwingend  anerkannt  wird,  selir  zur  Vor- 
sicht mahnen. 

Tübingen. 


1)  Wissowa  a.  a.  0.  S.  441. 

2)  Allbekannt  ist  die  Ansetzung  des  Republikaiifangs  in  das  Jahr  der  Dedikation 
des  kapitolinischen  Juppiterteuipels.  wovon  die  ältere  Tradition  ausgegangen  ist, 
vgl.  O.  Leuze,  .lahrz.  S.  326. 

:3)  Weltf/esf-hichte  herausgeg.  von  J.  v.  Pflugk-Harttung  I  S.  382 ;  ähnlich  Enmann, 
BItfin.  Mus.  57  S.  .521  f. 

4)  Vgl.  die  der  wahren  Sachlage  viel  mehr  entsprechenden  Bemerkungen  von 
Ed.  Meyer,  Apoph.  S.  1.58.  Auch  hei  Hülsen-Lindner  a.  a.  0.  S.  6  heisst  es:  ,Die 
Katastrophe  des  18.  Juli  reicht  in  eine  Epoche  zurück,  aus  welcher  keine  gleich- 
zeitige Aufzeichnung,  kein  Denkmal,  keine  Inschrift  zur  Controle  der  Berichte  spä- 
terer Geschichtsschreiber  herangezogen  werden  kann". 

5)  Hierzu  Ed.  Meyer  a.  a.  0.  S.  159  schon  richtig:  , Wollte  aber  jemand  be- 
haupten, dass  alles,  was  wir  über  den  Verlauf  des  Krieges  lesen,  auch  in  seiner  äl- 
testen Gestalt  nichts  sei  als  eine  geschickt  durchgeführte  Erfindung dass  wir 

uns  mithin  bei  einer  Rekonstruktion  der  römischen  Geschichte  dieser  Zeit  auf  die 
allgemeinsten  Umrisse  zu  beschränken  hätten,  so  wüsste  ich  eine  solche  Ansicht  nicht 
mit  zwingenden  Gründen  zu  widerlegen".  Trotzdem  geht  Meyer,  wie  er  dann  weiter 
ausführt,  den  entgegengesetzten  Weg  und  sucht  aus  Diodor  den  historischen  Ver- 
lauf zu  rekonstruieren.  Keiner  der  Neueren  ist  also  hier  über  Moramseu  hinausge- 
kommen. 


343 


Wie  hat  Hannibal  die  Elefanten  über  die  Rhone  gesetzt? 

Von  Joli.  Pliilipp. 

Ueber  die  Art,  wie  Hannibal  im  Jalu-e  218  seine  Elefanten  über  die 
Klione  gebracht  hat,  sind  wir  durch  die  bei  Pohbius  und  Livius  erhal- 
tenen Schilderungen  in  allen  Einzelheiten  so  genau  unterrichtet  vne  selten 
über  einen  technischen  Vorgang  im  Altertume.  Dieser  Umstand,  zu  dem 
noch  die  scheinbar  völlige  Uebereinstimmung  beider  Quellen  hinzutritt, 
hat  es  wohl  hauptsächlich  bewirkt,  dass  die  Darstellung  noch  nie  einer 
sachlichen  Kritik  unterzogen  worden  ist.  wiewohl  diese  eigentlich  ge- 
radezu herausgefordert  wird. 

Wie  Polybius  sich  die  Vorgänge  vorgestellt  hat,  ist  ja  klar.  Starke 
Flösse  werden  als  Anlande  am  Ufer  fest  verankert :  davor  werden  freibe- 
wegliche angebunden;  alle  Flösse  werden  mit  Erde  beworfen.  Dann  wer- 
den die  Tiere  über  die  Anlande  fort  zur  Fähre  geführt,  die  Haltetaue 
gekappt  und  mittels  bereitliegender  Barken  das  freie  Floss  hinüberge- 
schleppt. Ein  neues  Floss  wird  vor  die  Anlande  gelegt,  und  der  Vorgang 
von  vorhin  wiederholt  sich. 

Dem  entspricht  ganz  die  Schilderung  des  Livius.  aber  selbst  wenn 
ich  bei  allen  Autoren  nichts  weiter  als  diese  Darstellung  fände,  würde 
ich  sie  vom  praktischen  Standpunkte  unbedingt  verwerfen.  Wir  befinden 
uns  jedoch  in  einer  weit  günstigeren  Lage,  und  es  genügt  eigentlich,  das 
Problem  aufzustellen,  um  seine  Lösung  sofort  zu  finden. 

Nachdem  Polybius  den  Bau  der  Anlande  und  der  Fälire  eingehend 
besprochen  hat,  legt  er  dar,  in  welcher  Weise  die  Fähre  hinübergeschafft 
werden  soU.  Man  befestigt  sie  an  Tauen,  deren  anderes  Ende  an  Booten 
angeknüpft  ist.  Die  Fähre  soll  also  nicht  selbst  gerudert  oder  gestakt 
werden,  vielmehr  dienen  die  Boote  dazu,  sie  gegen  den  Strom  zu  halten 
und  hinüberzuschaffen  ^). 

Von  diesem  Strome  hat  er  einige  Kapitel  vorher  (III.  43.  3  u.  7 — 8) 
gesprochen.  Er  hat  geschildert,  wie  Hannibal  eigene  Vorkehrungen  hat 
treffen  müssen,  um  die  kleinen  Fahrzeuge,  die  Einbäume,  gegen  die  Kraft 
des  Wassers  zu  schützen,  indem  er  die  grösseren  Kähne  obei-halb  neben 
den  kleinen  herfahren  Hess.  Einen  wahren  Kampf  müssen  sie  gegen  die 
1)  III.  46.  5. 


344  -Joit.  Phil/])/), 

Gewalt  dos  Flusses  ausstehen.  An  ein  Querhinüberfahren  ist  garniiht  zu 
denken,  sondern  die  Steuerleute  müssen  schräg  gegen  die  Strömung  halten. 
Trotzdem  werden  sie  etwas  abgetrieben,  sodass  die  Zurückgebliebenen  am 
Ufer  angstvoll  nebenherlaufen.  Wir  haben  eine  sehr  bewegte  Schilderung, 
die  uns  über  die  Gewalt  der  Rhone  nicht  im  Zweifel  lassen  kann. 

Man  lässt  ja  noch  heute  zum  Schutze  der  kleinen  Boote  auf  Flüssen 
die  grösseren  weiter  oberhalb  nebenherfahren,  um  die  Gewalt  des  Wassers 
zu  brechen,  aber  nur.  wenn  diese  nicht  allzuheftig  ist.  Bei  gar  zu  grosser 
Strorageschwindigkeit  besteht  die  Gefahr,  dass  die  grossen  Boote  infolge 
ihres  grösseren  Gewichtes  imd  der  grösseren  Angriffsflächen  auf  die  kleinen 
geworfen  werden.  Man  hat  nun  daraus,  dass  Hannibal  die  kleinen  Boote 
im  Schutze  der  grossen  rudern  Hess,  schliessen  wollen,  dass  die  Strömung 
an  jener  Stelle  nicht  sehr  reissend  habe  sein  können.  Dabei  hat  man  aber 
übersehen,  dass  es  sich  hier  um  Einbäume  handelt,  d.  h.  um  unbehauene 
Baumstä,mme,  die  eine  grosse  Reibung  im  Wasser  haben  \md,  gerade  not- 
dürftig für  den  Ruderer  ausgehöhlt,  ein  unverhältnismässig  grosses  Gewicht 
haben,  sodass  sie  mindestens  ebenso  schnell  abgetrieben  wurden  wie  die 
Boote.  Uebrigens  ein  staunenswertes  Unternehmen,  über  diesen  Strom  im 
Einbaum  zu  fahren. 

Denn  die  Rhone  ist  in  der  Tat  ein  sehr  reissender  Strom  M-  Unterhalb 
Avignons  uoch  nennt  Hellwald  sie  „wütend  wie  ein  Stier  beim  Anblick 
des  roten  Tuches".  Und  mit  Recht:  noch  bei  Beaucaire.  wo  sie  nach 
Neumann-)  ein  gemächliches  Tempo  annimmt,  isi>  ihre  Stromgeschwindig- 
keit mehr  als  2^/2  m  pro  Sekunde^).  Was  diese  Zahl  besagen  will,  mögen 
einige  Daten  erläutern.  Der  Rhein  hat  hei  Bingerloch  3.42  m,  bei  Mann- 
heim 1,50  m  Geschwindigkeit:  die  Donau  bei  Wien  1,66 — 1.94  m,  der 
Neckar  bei  Mannheim  und  der  Unterlauf  der  Weichsel  0.90  m  Geschwin- 
digkeit in  der  Sekunde  *) :  die  Norm  ist  1  m.  das  Maximum  4  m  etwa. 
Die  Uebergangsstelle  ist  sicherlich  oberhalb  Beaucaires  etwa  bei  Avignon 
oder  Roquemaure  anzunehmen,  wenn  auch  der  Ort  nicht  genau  feststeht. 
Jedenfalls  ist  dort  die  Stromgeschwindigkeit  noch  bedeutend  grösser,  be- 
ti-ägt  doch  das  Gefälle  noch  bei  dem  Ardeche-Einfluss  0.81  m  auf  den 
Kilometer  gegen  0.6  m  der  Donau  imterhalb  Ulms  und  ein  noch  etwas 
geringeres  des   Rheines  bei  Strassburg. 

Angesichts  dieser  Tatsachen  erhebt  sich  nun  die  Frage,  ob  es  mög- 

1)  Friedrieb  v.  Hellwald,  Fraiitreich.  Das  Land  und  die  Leute  S.  572.  „Bei 
Ljoii  beginnt  die  Rhone  sich  fast  senkrecht  hinunterzustürzen  und  reisst  die  Schilfe, 
welche  sich  ihr  anvertrauen,  gewaltigen  Laufes  mit  sich  hinab.  Bis  Avignon  be- 
hauptet sie  sich  als  ein  stolzer,  königlicher  Renner  im  vollen  Schmucke  seiner  Ge- 
wässer". 

2)  C.  Neumann,  Zeitalter  der  punischen  Kriege  S.  276. 

3)  Ä.  F.  Drieu,  Leitfaden  für  den  praktischen  Pontonnier.  Deutsch  von  v.  Echt. 
S.  .53. 

4)  Handbuch  für  Ingenieurswissenschaften  III.     Wasserbau. 


Wie  hilf  llioni/hdl  (l/c  Elcfdutiti  iihrr  die  lUionc  i/cscfzt?  345 

Hell  ist,  das  Fliiss  über  den  Strom  /ii  rudern.  Miin  denkt  zuniiclist  an 
eine  Zahl  vor  das  Floss  gelegter  Boote,  die,  scliräg  gegen  den  Strom  an- 
rudernd, das  Floss  hinter  sicli  her  zum  andern  Ufer  silileppen.  Schon 
die  einzelnen  Boote  hatten  Mühe  gehabt,  sich  im  Strome  zu  halten,  und 
nun  hing  hinter  ihnen  eine  gewaltige  Last,  die  infolge  der  Grösse  der  auf 
dem  Wasser  liegenden  Flüche  mit  ihren  vielen  Unebenheiten  eine  sehr 
starke  Reibung  verursachte.  Aber  abgesehen  davon :  dieser  Zug  wirkt  ja 
wie  ein  Hebelwerk,  dessen  längerer  Arm,  das  F^loss,  den  kürzeren,  die 
Boote,  mit  aller  Gewalt  in  die  Stromrichtung  zieht.  Es  ist  vielleicht  mög- 
lich, die  Grösse  der  Last  zu  berechnen  und  nun,  die  Menschenkraft  in  den 
Booten  addierend,  zu  sagen :  „  Hannibal  brauchte  nur  so  und  soviel  Boote 
vorzulegen,  dann  rausste  es  gehn. "  Das  ist  in  der  Theorie  sehr  schön, 
aber  es  stimmt  nicht  zur  praktischen  Anwendung.  Wenn  das  eine  Boot 
anzog,  dann  holten  in  anderen  die  Ruderer  gerade  zimi  Schlage  aus :  das 
hemmte,  statt  zu  fördern.  Wollte  man  wirklich  durch  die  Zahl  der  Boote 
einen  Effekt  haben,  so  hätten  alle  Boote  im  Takte  rudern  müssen.  Es 
sind  mir  Versuche  aus  Sportkreisen  bekannt,  unter  etwa  fünf  gut  ausge- 
bildeten Mannschaften  durch  Uebungen  Gleichtakt  zu  erzielen;  aber  bei 
allen  musste  man  die  Versuche  einstellen.  Und  hätte  Hannibal  mit  seinen 
Soldaten  und  etwa  dem  fünffachen  jener  Zahl  von  Booten  da  so  etwas 
improvisieren  sollen?  Es  ist  nicht  möglieh,  dass  die  Boote  auf  diese  Ai't 
die  von  Polybius  geforderte  Bedingung  erfüllen:  das  Floss  gegen  die  Ge- 
walt des  Stromes  zu  halten^).  Es  muss  nach  alledem  als  gänzlich  aus- 
geschlossen gelten,  dass  das  Floss  über  diesen  Strom  geschleppt  worden 
ist.  und  Offiziere  der  technischen  Waffe  haben  mir  die  Ver.sicherung  ge- 
geben, dass  nicht  einmal  ein  Dampfboot  dies  Unternehmen  hätte  zur  Aus- 
führung bringen  können. 

Wir  stehen  also  vor  der  Frage:  „Wie  hat  Hannibal  das  Floss  in 
Wahrheit  hinübergeschafl't  ■'''  Nun  ganz  genau  so,  wie  Polybius  es  be- 
schreibt, wenn  auch  nicht  so,  wie  er  es  aufgefasst  hat.  Wir  erinnern  uns, 
dass  er  von  den  Booten  verlangt,  sie  „  sollten  dem  Flosse  einen  Halt  gegen 
die  Strömung  geben."  Wenn  sie  sich  selbst  bewegen,  können  sie  das 
nicht;  folglich  müssen  sie  verankert  gewesen  sein,  und  das  Floss  war 
keine  Fähre,  sondern  eine  sogenannte  fliegende  Brücke,  d,  h,  es  wurde  nicht 
hinübergeschleppt,  sondern  von  der  Strömung  hinübergetrieben. 

Das  muss  in  folgender  Weise  geschehen  sein,  Ueber  den  ganzen  Strom 
hin  waren  in  bestimmten  Abständen  die  Kähne  (Ci,  Co,  C3  etc.  s.  Skizze  auf 
S.  346),  vielleicht  des  besseren  Haltes  halber  stets  mehrere  an  einem  Punkte, 


1)  Drieu,  Leitfaden  f.  d.  praM.  Pontonnicr  S.  97.  , Diese  schwimmenden  Körper 
(so.  Flösse)  können  auf  so  schnellfiiessenden  Gewässern  (gemeint  ist  die  Donau  bei 
Ebersdorf:  Stromgeschwindigkeit  1,66  m  in  der  Sekunde)  nicht  nach  Gefallen  bewegt 
werden^.  Es  empfahl  sich,  für  unsere  Zwecke  ein  älteres  Werk  zugrunde  zu  legen, 
da  die  moderne  Technik  ja  meist  mit  ganz  andern  Mitteln  arbeitet. 

Klio,  Beilrage  zur  aU;n  Gescliichte  XI  3.  93 

3 


346 


Joli.  Philipp, 


fest  verankert.  Von  dem  der  Anlande  zunächst  befindlichen  (Ci)  waren  meh- 
rere starke  Taue,  das  sogenannte  Giertau,  zum  beweglichen  Flosse  (B)  hinge- 
zogen und  zwar  in  der  Mitte  der  Breitseite  etwa  an  zwei  Punkten  befestigt. 
Da  diese  Taue  (a)  vielleicht  nicht  in  genügender  Länge  vorhanden  waren, 
sicherlich  aber  nm  die  schweren  Taue ')  besser  zu  stützen,  waren  in  Ab- 
ständen Boote  zwischengeschaltet  (b).     Sobald  nun  die  Stricke,  die  Floss 


Zeichen-ErkUiruug. 
A.  Anlande.  B.  Fliegende  Brücke.  C,  C,  C3  verankerte  Boote.  C,  D  Richtung  der 
Strömung.  E.  Wendepunkt,  Auswechselung  der  Taue  aj  und  a...  F.  Wendepunkt, 
Auswechselung  der  Taue  a,  und  a,.  a,  a,  a^  Giertaue,  b,  \  \  Boote  zu  Unter- 
stützung der  Giertaue.  c.  Boote  zur  Unterstützung  von  C,  C,  C3.  d.  Schwertbalken 
der  fliegenden  Brücke,     e.  Anker,    f.  Verankerung  der  Anlande,     a.  Neigungsmnkel 

der  Anlande  zum  Ufer. 

und  Anlande  verbanden,  gekappt  waren,  wurde  natürlich  das  Floss  in 
einem  Kreisbogen,  dessen  Radius  das  Giertau  und  dessen  Mittelpunkt  die 
verankerten  Kähne  (Ci)  waren,  stromab  getrieben,  bis  es  in  gleicher  Strom- 

1)  Das  Giertau  muss  erfahrungsgemäss  l'/amal  so  lang   sein  als   die  Sehne  des 
beschriebenen  Kreisbogens.     Leiif.  f.  d.  prakt.  Pont.  S.  88. 


Wie  lud  llannibal  die  Elcfiuitcn  iihrr  die  Jilione  gesetzt?  347 

riilitung  mit  dem  Boote  lag  (D).  Um  nun  die  Brücke  noch  über  diesen 
I'unkt  Linauszubewegen.  bis  sie  mitten  zwischen  dem  ersten  und  zweiten 
Kahnpaare  (Ci  Co)  steht,  genügt  ja  für  gewöhnlich,  dass  man  die  Brücke 
mit  Hilfe  des  Giertaiies  schräg  gegen  die  Strömung  stellt:  die  Kraft  des 
Wassers  wirkt  nämlich  auf  die  der  Strömung  zugekehrte  Seite  und  treibt 
mit  einer  der  Resultanten  die  Brücke  weiter.  Da  aber  das  Floss  dem 
Wasser  zu  wenig  Angriffsfläche  bot,  so  bediente  sich  Hannibal  ohne  Zweifel 
einer  Anzahl  von  Schwertbohlen  oder  Schwertbalken  (d),  die  diagonal 
unter  dem  Boden  des  Flosses  befestigt  waren.  Nun  trieb  das  Wasser  die 
Brücke  über  die  Stromrichtung  hinaus,  indem  es  versuchte,  die  Schwert- 
balken  in  die  Stromriclitung  zu  stellen.  Hier  waren  sich  die  Kräfte  — 
Druck  des  Wassers  und  Rückhalt  des  Giertaues  —  etwa  im  Gleichge- 
wichte (E).  d.  li.  die  Brücke  stand  annähernd  still.  Nun  wurde  vom  zweiten 
Kahne  (C2)  ein  neues  Giertau  (aa)  zum  Flosse  gezogen  und  ebenso  wie  das 
erste  an  ihm  befestigt;  das  erste  wurde  losgeworfen,  und  die  Brücke  zog 
ihren  Kreis  um  das  zweite  Boot  (C2).  bis  sie  in  der  Mitte  zwisclien  ihm 
und  dem  dritten  (F)  wiederum  still  stand.  So  umfuhr  sie  Boot  um  Boot, 
bis  sie  endlich  am  andern  Ufer  landete.  Dort  Hess  man  sie  liegen,  wie 
Polybius  berichtet.  Das  hätte  Hannibal  gewiss  an  sich  schon  getan,  weil 
er  Material  genug  hatte  und  die  Mühe  sparen  konnte,  die  leere  Brücke 
zurückzubringen.  In  diesem  Falle  aber  musste  es  unbedingt  geschehen, 
weil  die  Diagonalstellung  der  festen  Schwertbalken  die  Beförderung  der 
Brücke  nur  nach  einer  Richtung  gestattete. 

Jetzt  verstehen  wir  auch,  warum  Hannibal  die  Anlande  (A)  soweit  in 
den  Strom  hinausbauen  Hess:  64  ra  etwa.  Für  das  einfache  Floss.  das 
höchstens  '/* — '/s  m  Tiefgang  gehabt  haben  kann,  hätten  wenige  Meter 
Aufschüttung  ausgereicht.  Hier  aber  kam  zu  dem  Tiefgange  nocli  die 
Tiefe  der  Schwertbalken;  damit  die  nicht  aufsassen  und  das  Abkommen 
verhinderten.  Hess  er  das  Werk  solang  machen.  Auch  mag  die  Anlande 
in  einem  Winkel  (ß)  zum  Ufer  geneigt  gewesen  sein,  der  Stromrichtung 
entsprechend,  damit  die  Kraft  des  Wassers  weniger  stark  wirke ;  das  war 
ferner  für  das  Abgleiten  der  Brücke  bequemer.  Am  andern  Ufer  erüb- 
rigte sich  etwas  derartiges:  man  Hess  hier  das  Floss  auflaufen,  dann  wa- 
teten die  Elefanten  durch  das  flache  Wasser  von  selber  ans  Land,  froh, 
aus  dieser  unangenehmen  Lage  befreit  zu  sein.  Ein  Fachmann  mag  über- 
haupt aus  der  Ueberlieferung  noch  manches  erklärende  Moment  heraus- 
holen können,  das  ich  als  Laie  übersehen  habe. 

Im  einzelnen  Zahlen  zu  geben,  etwa  für  die  verankerten  Boote,  für 
die  Länge  des  Giertaues  u.  s.  w.  erübrigt  sicli;  die  Ueberlieferung  gibt 
hierfür  keinerlei  Anhaltspunkte  und  aUe  diese  Zahlen  müssten  in  bestimmten 
Verhältnissen  zu  einander  stehen,  auch  wechselt  die  Breite  des  Stromes 
zwischen  800  und  1600  m. 

Wir  haben  also  das  im  Te.xte    geforderte    und    wirklich    anwendbare 

23  • 


348  •/"/'.   I'hiliiip. 

Verfalu'en  erhalten,  denn  indem  die  Boote  das  Floss  gegen  die  Strömung 
halten,  schaffen  sie  es  hinüber^).  Es  kommen  Boote  zur  Anwendung  ;  zu 
diesen  Booten  sind  eine  Anzahl  Taue  gespannt,  und  dadurch,  dass  die 
Boote  mittels  der  Taue  das  Floss  gegen  die  Strömung  halten,  schaffen 
sie  es  hinüber.  Es  erhebt  sich  nun  die  Frage,  ob  wir  nicht  mit  allzu- 
grosser  Willkür  vorgegangen  sind  und  ob  wir  in  den  Quellen  weitere  Be- 
lege für  unser  Verfahren  vorfinden. 

Nach  Polybius  ^)  war  die  fliegende  Brücke  öta(pEQÖVTO}g  jventjyvla  : 
Schvveigbäussler  ^)  erklärt  diesen  Ausdruck  durch  pniecipua  diligentia  com- 
pada.  So  gross  darf  der  Unterschied  in  der  Bauai't  der  Anlande  —  denn 
mit  dieser  wird  die  Brücke  verglichen  —  und  der  Brücke  nicht  gewesen 
sein,  dass  man  ihn  besondei-s  hervorhob :  sie  hatten  beide  viel  auszulialten. 
Viel  besser  passt  die  Erklärung:  „verschieden  von  den  andern  in  der  Bau- 
art" oder  „ganz  einzig  in  seiner  Bauart".  Was  aber  eigentlich  damit  ge- 
meint sei,  zeigt  uns  die  entsprechende  Livinsstelle*).  Auch  dieser  Autor 
vergleiciit  beide  Flösse  und  sagt  von  der  Brücke,  sie  sei  ad  traiciendum 
flumen  apta  gewesen.  Wölflin  verstand  darunter  die  Schleppschiffe.  Das 
wäre  doch  sehr  schief  ausgedrückt,  wenn  Livius  sagte:  „Die  Flösse  unter- 
schieden sich  darin,  dass  vor  das  bewegliche  Schlepper  gelegt  wurden". 
Die  konnte  man  ja  vor  die  andern  Flösse  ebensogut  legen.  Nein!  apta 
ad  traicicndnm  flumen  bedeutet:  „Mit  Vorrichtungen  zum  Uebersetzen  des 
Flusses  versehen"  und  erklärt  so  das  öiaqieQÖVTOjg  des  Polybius;  beides 
geht  auf"  die  Schwertbalken  am  Boden  des  Flosses,  die  in  der  Tat  einen 
sehr  wichtigen  Unterschied  beider  Flösse  bilden  und  das  bewegliche  über- 
haupt erst  zur  Brücke  machen. 

Ferner  liegen  die  Boote  schon  im  Strome  uud  die  Seile  sind  schon 
gespannt,  ehe  noch  die  Erde  auf  die  Flösse  geschüttet  ist  ^).  Stundenlang 
vorher  lässt  Hannibal  die  Boote  im  Strome  liegen,  ehe  er  sie  wirklich 
verwendet?  Man  mag  sagen,  das  sei  eine  Vorsichtsmassregel  gewesen, 
denn  dadurch  sei  das  bewegliche  Floss  besser  gegen  den  Strom  gehalten 
worden,  solange  man  die  Erde  aufschüttete.  Unter  allen  Umständen  mussten 
diese  Boote  aber  gut  verankert  sein,  und  ehe  man  nachher  bei  der  Ab- 
fahrt diese  Anker  löste,  verging  erhebliche  Zeit,  während  es  infolge  der 
Unruhe  der  Elefanten  gerade  rasch  abgehen  musste  und  auch  nach  den 
Angaben  der  Quellen  rasch  abging.  Hier  liegt  also  in  den  Berichten  ein 
Widersprucli,  der  nicht  gelöst  werden  kann. 

Ferner  liegt  bei  Polybius  ein  Widerspruch  darin,  dass  die  wasser- 
scheuen Tiere  plötzlich  in  den  Fluss  springen :  die  Angst  vor  dem  Wasser 
treibt  sie  ins  Wasser?  Dass  die  Tiere  ängstlich  hin  und  her  rennen,  ist 
ja  zu  verstehen,  aber  dass    sie    dann   zur  Ruhe    kommen,    um    mitten    im 

1)  Pol.  III.  46.  5.  —  2)  III.  46.  4. 

.3)  Lex.  Pol.  VIII  2  unter  öia'ffoorzwg. 

4)  Livius  XXI  28.  8.  —  h)  Pol.  "lll  46.  .5-6. 


Wie  hat   IIinnülHil  dir  KIcfmitrti   iilicr  dir   Jl/iiiiir  i/rsrfsf  i'  34i) 

Strome  ins  Wasser  zu  springen,  bedarf  der  Erklärung.  Und  die  finden 
wir  bei  Livius  ').  Er  sagt  die  Elefanten  seien  unruhig  geworden,  weil  sie 
nach  Lösung  des  Flosses  von  der  Anlande  in  die  Mitte  des  Stromes->v(;>e- 
rriifur  —  gerissen  wurden.  Man  kann  doch  wirklich  von  den  Kähnen, 
wenn  sie  schon  als  Schlepper  verwendet  sein  sollen,  nicht  verlangen,  da.ss 
sie  das  Floss  reissend  schnell  über  den  Strom  befördern!  Und  in  diesem 
Sinne  hat  der  nachdenkliche  Polybius^)  auch  diesen  Ausdruck  dahin  ab- 
geschwächt, dass  er  von  einem  schnellen  Schleppen  —  rcr/JoK  ünfnjraaav 
—  spricht.  Auch  das  ist  noch  zu  viel  für  das  von  beiden  angenommene  Ver- 
fahren. Was  liier  den  Tieren  wirklich  Angst  gemacht  hat.  war  nach 
Kappen  der  Haltetaue  die  in  der  Tat  reissende  Bewegung,  mit  der  die 
Brücke  im  Kreise  um  das  erste  Boot  (Ci)  getrieben  wurde,  war  vor  allem 
die  wirbelnde  Wendung,  die  sie  (E)  nach  Anholen  des  zweiten  Giertaues 
und  nach  Abwerfen  des  ersten  vollführte,  um  dann  wieder  in  rasender 
Fahrt  um  das  zweite  Boot  zu  drehen.  Es  ist  wirklich  ein  höchst  unan- 
genehmes Gefühl,  in  schneller  Strömung  zu  treiben :  nun  gar  dieser  Wirbel 
beim  Wechseln  der  Taue  muss  bei  der  Gewalt  des  Wassers  schwindeler- 
regend gewesen  sein,  muss  den  Tieren  so  unerträglich  gewesen  sein,  dass 
viele  es  vorzogen,  ins  Wasser  zu  springen  und  schwimmend  das  jensei- 
tige Ufer  zu  erreichen. 

Man  hat  mir  sogar  den  Einwurf  gemacht,  der  Kuck  bei  <liesem  Aus- 
wechseln sei  so  gross  gewesen,  dass  die  Taue  ihn  nicht  hätten  aushalten 
können.  Dagegen  ist  mir  von  Pionier-Offizieren  versichert  worden .  dass 
nur  genügend  Taue  vereinigt  gewesen  zu  sein  brauchen,  um  das  schon  aus- 
zuhalten.  Dass  sich  Hannibal  aber  reichlich  mit  Tauen  versehen  hatte, 
dürfen  wir  als  selbstverständlich  ansehen,  hatte  er  doch,  um  alle  Schwie- 
rigkeiten des  Weges  kennen  zu  lernen,  seine  Offiziere  lange  vorher  schon 
in  diese  Gegenden  bis  über  die  Alpen  geschickt.  Ausserdem  handelt  es 
sich  hier  um  ein  primitives  Verfahren,  das  oft  und  noch  heute  bei  schnell 
fliessenden  Flüssen  angewendet  wird  und  das  ihm  von  Spanien  her  sicher- 
lich wohl  vertraut  gewesen  ist.  Leicht  möglieh,  dass  das  aucli  die  Art 
gewesen  ist,  auf  die  wandernde  Völker  mit  Herden  und  Karren  derartige 
Ströme  zu  überschreiten  pflegten. 

Ich  möchte  endlich  die  Frage  stellen,  wie  man  das  hier  geschilderte 
Verfahren  wohl  lateinisch  ausdrücken  kann.  Kaum  treö'ender  als:  im- 
petii  ipso  fluminis  in  alteraiii  ripam  rapiiuiiiir  (sc.  elephanti).  Und  so  hat 
tatsächlich  eine  Tradition  gelautet,  —  berichtet  uns  Livius^).  Kein  Wun- 
der, dass  sich  an  solche  jedem  unbefangenen  Menschen  märchenhafte  Dar- 
stellung das  Märchen  vom  rasenden  Elefanten,  wie  es  uns  Livius  wider- 
gibt, angesponnen  hat,  um  so  mehr,  als  ja  wirklich  Elefanten  ins  Wasser 
gesprungen  waren. 


1)  Liv.  XXI  28.  10.  —  2)  III  46.  8.  —  3)  XXI  28.  h. 


350  J<^J<-  Philipp, 

Wir  liaben  hier  also  den  seltsamen  Fall,  dass  zwei  Autoren  einen 
falsch  verstandenen  Vorgang  so  wiedergegeben  haben,  dass  überall  noch 
die  Spuren  des  wahren  Sachverhaltes  zu  finden  sind,  selbst  wenn  sie  zu 
ilirer  Auffassung  nicht  recht  passen.  Daraus  folgt  mit  Notwendigkeit, 
dass  ihre  Darstellung  auf  eine  Quelle  zurückgeht,  die  darüber  genau  unter- 
richtet war:  ein  Autor,  der  als  Urquelle  dieselben  Vorstellungen  wie  Po- 
lybius  und  Livius  hatte,  hätte  ja  unmöglich  solche  unklaren  und  geradezu 
falschen  Ausdrücke  anwenden  können.  Schon  Bujak ')  hatte  sie  auf  Si- 
lenus  über  Coelius  zurückgeführt,  ohne  seine  Ansicht  recht  erhärten  zu 
können.  Ihm  war  daher  Böttcher^)  entgegengetreten,  indem  er  für  die 
erste  der  Livianischen  Traditionen^)  wohl  den  Coelius,  aber  nicht  den  Si- 
lenus  gelten  liess,  weil  Silenus  als  Augenzeuge  nicht  solch  Märchen,  son- 
dern die  Wahrheit  hätte  schreiben  müssen.  Wir  wissen  jetzt,  dass  dieser 
Einwand  hinfällig  ist,  weil  wir  hier  kein  Märchen,  sondern  die  Wahrheit 
vor  uns  haben. 

Dagegen  weist  Böttcher  sehr  richtig  auf  „das  gewissermassen  ängst- 
liche Bemühen,  den  Ursprung  derselben  (sc.  Tradition)  trotz  ihrer  inneren 
Unwahrseheinlichkeit  auf  eine  natürliclie  Weise  zu  erklären",  hin  und. 
dass  er  „es  nicht  wagt,  die  erste  einfach  zu  streichen  oder  zu  verwerfen". 
Böttcher  zieht  daraus  den  Schluss,  Livius  habe  beide  Berichte  in  einer  und 
derselben  Quelle  nebeneinander  gefunden.  Wir  können  getrost  noch  weiter 
gehen.  Wir  haben  gesehen,  dass  die  Bemerkung  inipetu  ipso  fliimiiiis  in 
alteram  ripani  rapiente  genau  zu  imserra  Verfahren  passt,  also  gleichfalls 
auf  den  Augenzeugen  zurückgeht,  dass  sie  überhaupt  nur  scheinbar  mär- 
chenhaft ist.  Ob  nun  Livius  gewusst  hat.  woher  diese  Worte  stammten? 
Er  sagt*):  „Ich  glaube  sicher,  die  Vorschläge  für  die  Art  des  Ueber- 
setzens  sind  verschieden  gewesen"  d.  li. :  er  führt  uns  gleichsam  in  den 
Kriegsrat  Hannibals,  wo  man  erwägt,  wie  am  besten  die  Elefanten  hin- 
über zu  schaffen  seien.  Er  führt  also  auch  die  von  ihm  abgelehnte  Ueber- 
lieferung  auf  die  Umgebung  Hannibals  zurück  d.  h.  wohl  auf  Silenus. 
Daher  die  Vorsicht  in  der  Wiedergabe,  die,  wie  wir  wissen,  durchaus  am 
Platze  war. 

Was  wollen  wir  nun  mit  beiden  Traditionen  anfangen  ?  Wir  haben 
gesehen,  dass  sie  eigentlich  garnicht  zwei  verschiedene  Vorgänge  schil- 
dern, sondern  dass  die  erste  zur  zweiten  sehr  gut  j)asst  und  mit  ihr  eins 
ist.  Sollte  sie  vielleicht  einmal  in  der  zweiten  gestanden  haben  V  Die 
erste  spricht  von  einem  schwer  gereizten  Elefanten:  ferocissimuni  e.f  iis 
inritatum,  die  zweite  auch :  saevientes  (piidam  ;  bei  beiden  spielen  bedrängte 
Führer  eine  Rolle,  bei  beiden  legen  die  Elefanten  auf  dem  Grunde  des 
Flusses  schreitend  ihren  Weg  zurück,  kurz  die  ganze  erste  Tradition  ab- 

1)  Bujak:  de  Sileno  scriptore  Hannihalis.    Diss.  Regimonti.    S.  16. 

2)  Jahrbücher  f.  Mass.  Philologie.    Suppl.  5.     1864—72.    S.  383. 

3)  XXI.  28.  5.  —  i)  XXI.  28.  5. 


Wie  hat  Hannibal  die  Elefanten  iiher  die  lUione  gesetzt?         351 

gesehen  vom  Schlüsse  findet  im  Schlüsse  der  zweiten  ihr  Gegenstück, 
beide  sind  identisch  miteinander,  soweit  dies  nur  die  eines  tatsächlichen 
Vorganges  mit  einem  märchenhaft  ansgeschmückten  sein  kann.  Lassen 
wir  beide  mit  den  gleichen  Partien  gewissennassen  zusammenfallen,  so 
erhalten  wir  aus  dem  Schlüsse  der  ersten  Tradition  eine  Bemerkung,  die 
den  ganzen  Vorgang  vorzüglich  zusammen fasst  und  abschliesst:  „Und  so 
wurden  die  Elefanten  durch  die  Strömung  des  Flusses  selber  hinüberge- 
rissen", denn  gerade  hier  wieder  treffen  wir  das  verräterische  rapere  an. 
An  dieser  Stelle  mag  die  Bemerkung  wohl  bei  Coelius  auch  gestanden 
haben,  nur  hat  Livius  sie  vorangestellt,  um  sie  erst  ])olemisch  abzulehnen 
und  dann  das  nach  seiner  Meinung  Kichtige  zu  geben:  violleicht  bildete 
sie  bei  Coelius  sogar  mit  dem  Berichte  noch  eine  Einheit,  und  nur  Li- 
vius fasste  sie  als  Sondertradition  auf.  Dass  sie  in  der  Urquelle  mit  dem 
Berichte  eins  war,  dürfte  ein  Blick  in  den  Polybius  erhärten.  In  seiner 
Wiedergabe  finden  wir  in  L^ebereinstimmung  mit  der  zweiten  Livianischen 
Tradition,  die  Elefanten  hätten  ,  unter  Wasser  meist  aufrecht  ihi-en  Weg 
zurückgelegt",  aber  niclit  finden  wir,  wie  sie  den  Rest  des  Weges,  den 
sie  nicht  aufrecht  zurücklegten,  genommen  haben.  Dass  aber  tatsächlich 
einige  den  festen  Boden  verloren,  das  erwähnt  ivieder  die  erste  Tradition 
bei  Livius,  die  wir  der  zweiten  anschliessen  zu  müssen  glaubten.  Beide, 
Poh'bius  und  Livius  mit  seinen  beiden  Berichten,  ergänzen  sich  also  zu 
einer  abgeschlossenen  Einheit,  deren  Sinn  vs'ir  allerdings  zum  Teil  mehr 
ahnen,  als  kennen.  Der  ganze  Schluss  des  Silenus-Berichtes  mag  darge- 
stellt haben:  \.  dass  einige  Elefanten  ins  Wasser  sprangen  und  meist  auf 
dem  Grunde  des  Flusses  schreitend  den  Weg  zurücklegten :  2.  dass  sie 
jedoch  dann  bisweilen  den  festen  Boden  unter  den  Füssen  verloren  und 
zwar  von  der  Strömung  abgetrieben,  aber  doch  wohl  behalten  ans  andere 
Ufer  kamen ;  3.  dass  überhaupt  gerade  die  Strömung  die  Elefanten  von 
Ufer  zu  L'^fer  befördert  hat.  Hieraus  ist  sofort  ersichtlich,  wie  die  bei- 
den letzten  Bemerkungen  bei  ihrer  grossen  Aehnlichkeit  und  der  schein- 
baren UnVerständlichkeit  der  letzten  zu  einer  einzigen  verschmolzen. 

Uebrigens  hat  sie  sich  in  diesem  Sinne  später  zu  einer  ganz  selb- 
ständigen Tradition  ausgebildet,  indem  sie  alles  scheinbar  Märchenhafte 
abstreifte  und  dafür  das  wirklich  nur  Erfundene  als  Tatsache  hinstellte. 
So  tritt  sie  uns  bei  Frontin')  entgegen.  Gerade  das,  was  Hannibal 
vermeidet,  dass  die  Elefanten  ins  Wasser  gehen  —  die  Tiere  wären  ja 
viel  zu  weit  abgetrieben  worden  und  die  wenigen,  welche  wirklich  hinein- 
sprangen, mögen  Mühe  genug  gemacht  haben,  als  man  sie  ans  feste  Ufer 
rettete  —  lässt  Frontin  ihn  anbefehlen.  Die  Angst  der  Tiere,  die  auch 
hier  bei  Livius  erwähnt  wird,  fehlt  ganz.  So  haben  sich  die  Verhältnisse 
in  der  Uebernahme  der  Berichte  umgekehrt. 


1)  Stratagemata  I 


352  Joh.  FhiJipp, 

Wie  haben  nun  Polybius  und  Livius  diesen  Silenus-Bericht  über- 
nommen?    Hat  Livius  ihn  aus  Polybius  oder  nicht? 

Wir  machten  vorhin  schon  auf  einige  Widersprüche  des  Polybius  und 
auf  Unklarheiten  in  seinem  Berichte  aufmerksam.  Die  Boote  liegen  schon 
da,  verankert :  das  entspricht  gut  unserem  Verfahren,  aber  nicht  dem  des 
Polybius.  Die  Kähne  sollen  mittels  der  Taue  das  Floss  gegen  den  Strom 
halten:  auch  das  ist  bei  unserm  Verfahren  der  Fall,  nicht  bei  dem  des 
Polybius.  der  sich  das  übrigens  bei  unbefangener  Ueberlegung  und  in 
voller  Kenntnis  der  Stärke  der  Strömung  (er  erwähnt  sie  ja  selber)  auch 
sagen  konnte.  Dadurch  gerade  soU  das  Floss  hinübergesehafft  werden : 
nach  unserer  Annahme  ist  dem  so.  nicht  nach  der  des  Polybius,  denn 
bei  ihm  werden  sie  durch  Rudern  transportiert.  Was  er  also  geschrieben 
hat,  ist  so.  wie  es  dasteht,  richtig  —  und  zwar  so  richtig,  dass  wir  daraus 
den  wahren  Sachverhalt  rekonstnaieren  konnten  —  ist  so.  wie  er  es  auf- 
fasst.  falsch.  Er  hat  also  diese  Worte  nicht  aus  sich  selber  nieder- 
geschrieben, sondera  sie  aus  seiner  Quelle  ganz  genau  über- 
nommen: endlich  eine  Stelle,  an  der  nach  meiner  Meinung  ganz  ein- 
wandfrei nachgewiesen  werden  kann,  dass  auch  Polybius  seine  Quelle 
wörtlich  abschreibt.  Andrerseits  hat  er.  was  er  nicht  verstand,  fortge- 
lassen z.  B.  die  Bemerkung,  die  Strömung  habe  die  Tiere  hinübergeschafft, 
hat  er  doch  hier  so  scharf  abgeschnitten,  dass  der  letzte  Gedanke  —  tö 
.To/.i'  —  geradezu  durchgerissen  ist. 

Livius  weicht  nun  in  mehreren  Punkten  von  Polybius  ab.  Zunächst 
gibt  er  für  die  Brücke  ein  Maß :  etwa  16  m  breit  und  32  m  lang.  Poly- 
bius sagt  allgemein:  ,sehr  gross",  rag  ßsyiarag,  das  Naber'),  wie  wir 
jetzt  sagen  dürfen,  zu  unrecht  verworfen  hat.  Dass  Livius  die  Zahl  sich 
ausgedacht  haben  soll,  ist  imdenkbar ;  viel  eher  lässt  sich  annehmen,  dass 
Polybius  an  den  Maßen  Anstoss  nahm,  da  sie  für  das  Schleppverfahren 
in  der  Tat  bedenklich  hoch  sind:  er  ersetzte  sie  einfach  durch  ein  allge- 
meines ,sehr  gross".  Ferner  hat  Livius.  wie  schon  erwähnt,  eine  tref- 
fende Bemerkung  über  die  Vorrichtung,  mittels  deren  das  Floss  hinüber- 
geht, während  Polybius  dafür  nur  wieder  einen  allgemeinen  Vergleich  zwi- 
schen Brücke  und  Anlande  anstellt.  Es  ist  ja  wohl  zu  erklären,  dass  der 
Abschreiber  ungenauer  ist  als  seine  Quelle,  aber  kaum,  dass  er  genauer 
ist  als  diese.  Das  rajwre,  von  dem  Livius  mit  Vorliebe  spricht,  und  das 
doch  durchaus  in  seine  Darstellung  nicht  passen  will,  hat  Polybius  seiner 
Anschauung  gemäss  in  Tax£(og  uTisajiaaav  abgeschwächt :  für  die  Quelle 
zu  wenig,  für  sich  zuviel.  Livius  lässt  die  Fähre  zurückkehren,  und  zwar 
unterbricht  diese  Bemerkung  die  gemäss  dem  Polybius  fortlaufende  Er- 
zählung; der  vorsichtige  Polybius  hat  gefunden,  dass  neue  Flösse  ver- 
wendet wurden:  ohne  zu  forschen,  warum  dies  geschehen  sei.  übernimmt 


1)  Pölyhiana  in  Mnemosytie,  18-57.    S.  120. 
10 


Wif  li(d  ll<(tniih(d  die  KIcfanfni  Hhcr  die  Jt/iona  f/csctzt'f'  353 

er  ('S.  und  zwar  an  anderer  Stelle,  als  die  Notiz  des  Livius  über  die  Hikk- 
kebr  der  Flösse  stebt.  Ueberbaupt  gibt  Livius  unserer  Interprotation 
Fingerzeige,  wo  Polybius  uns  im  Stiebe  lässt. 

Wir  seben  also,  dass  Livius  gerade  an  den  Stellen,  an  denen  Poly- 
bius eine  Korrektur  vornebnien  zu  müssen  <,'laubt,  um  die  Quelle  mit  seiner 
Anscbauung  zu  vermitteln,  dieser  Quelle  und  somit  der  VVabrbeit  wegen 
der  gutgläubigen  Uebernabme  weit  näber  stebt.  Es  ist  demnacb  ganz 
ausgesc blossen,  dass  dieser  Beriebt  des  Livius  aus 
Polybius  geflossen  ist.  Nun  besteben  aber  zwischen  beiden  par- 
tienweise fast  wörtliibe  Uebereinstimmungen,  von  denen  einige  als  Beispiel 
gegeben  seien. 

Polybius  Livius 

TCQOTeivovreg  eig  töv  nöfjQov  .  .  .   in  (iiunem  porre.rermit  .  .  . 
nQog  TÖ  (lij  TiciQcoS-EJod-ai   xaiü  töv  ne  secundu  aqua  drfcrrdur  .  .  . 
Ttora^öv  .... 

fjyov  ovo  TtQo&e^iEvoi  d'rjZsiag         praegreäientihiis  feniinis  acfi  .  .  . 

öiay.6t}>avT£g     Tovg     öeafiovg     olg   resoinfis  vincu/is  quihus  adnc.m   erat 
TTQoat'iQTqvxo  TiQog  rag  äXXag 

öiaraQax^iivra  tu  Cqia  iirguentes    intcr  se   trepidationis   ali- 

quuntuni  edehant 

nEtJisxofiEva  navraxöd'EV  iinb  rov  ;  qiiietem  ipse  timor  circimispectnntihus 
^evftatog  änEÖeiZia  xal  fiEvsiv  t)vay-  aquam  fecisset. 
y.d^ETO  "tcarü  x<^Q<^v. 

Tivä   öe  äjiEQQixliEv  avra   sig   töv  e.rcidere  efiaiii  qiiiddin  in  /honen. 
noTuuöi'. 

Da  wir  nun  vorbin  gesehen  haben,  wie  genau  auch  Polybius  seiner 
Quelle  folgt,  selbst  wenn  sie  eigentlich  nicht  im  Einklänge  mit  seiner 
Auflassung  stebt,  da  ferner  Livius  seinen  Beriebt  nicht  aus  Polybius 
geschöpft  haben  kann,  so  bleibt,  wenn  man  die  ganze  Uebereinstim- 
mung  beider  Autoren,  über  den  Bericht  bin  verteilt,  erklären  will,  nur 
der  Scbluss  übrig,  dass  Polybius  sich  genau  so  eng  und  fast 
wörtlicban  seine  Quelle  anzulehnen  pflegt,  wie  Li- 
vius es  tut.  Wir  haben  bier  eine  Stelle,  an  der  diese  Tatsache,  die 
soviel  umstritten  ist,  endlicb  einmal,  wie  ich  meine,  einwandfrei  festge- 
stellt werden  kann,  eben  weil  beide  wiedergegeben  haben,  was  sie  eigent- 
licb  nicht  recht  verstanden,  und  das  gilt  vielleicht  scbon  für  Coelius  als 
Quelle  des  Livius.  Wir  gewinnen  aber  auch  gleichzeitig  einen  für  beide 
charakteristischen  Maßstab  dafür,  wie  sie  sich  gegen  ihre  Quellen  verbalten: 
Polybius  vorsichtig,  überlegend,  alles  mit  seiner  Ansicht  möglichst  in 
Einklang  setzend,  lieber  fortlassend,  was  er  nicbt  verstebt;  Livius  ober- 
fläcblicb,  ungenau,  unbesorgt  aus  sich  heraus  Zusätze  zur  Darstellung 
der  Quelle  machend. 

Was  uns  eine  Vergleichung  der  Uebereinstimmungen  nie  mit  Sicher- 


354     •/.  Fhilipi),    Wie  hat  Hannihal  die  EJefanien  über  die  Rhone  gesetzt? 

heit  lehren  kann,  hat  uns  hier  ein  verschiedener  Grad  der  Fehlerhaftigkeit 
und  des  aus  Miss  Verständnissen  geflossenen  Korrektur-Bedürfnisses  gezeigt. 

An  sich  ist  ja  garnicht  so  wunderbar,  dass  ein  technischer  Bericht 
ohne  beigelegte  Zeichnung  von  Laien  missverstanden  wird  und  besonders, 
wenn  ähnliche  Verfahi-en  wie  hier  das  Schleppen  von  Flössen  sicherlich 
eine  ganz  geläufige  Vorstellung  des  Lesers  ist.  Aber  gerade  weil  das 
Schleppen  der  Flösse  garnicht  solche  Seltenheit  ist  und  sicherlich  auch 
damals  nicht  war,  wäre  ja  ganz  unauffindbar,  warum  ein  Mann  sich  die 
Zeit  nimmt,  in  einem  Geschichtsbuche  mit  solcher  Ausführlichkeit  darüber 
zu  handeln,  wie  Silenus  es  getan  hat.  üeber  den  Ebro-Üebergang  bei- 
spielsweise erfahren  wir  garnichts  weiter  als  die  Tatsache  selber;  der 
Bau  der  Pobrücke  nach  der  Schlacht  am  Ticinus  wird  gleichermaßen  nur 
erwähnt.  Nrm  erst  verstehen  vdv,  dass  das  Unternehmen  ein  ganz  ausser- 
ordentliches und  in  diesem  Kapitel  der  Kriegsgeschichte  einzig  dastehendes 
ist,  wohl  wert,  dass  man  seiner  Ueberlieferung  einen  grösseren  Raum  zu- 
gestand, und  würdig,  der  Rhembrücke  Caesars  an  die  Seite  gestellt  zu 
werden. 

Berlin. 


35.' 


Untersuchungen  zur  Geschichte  des  Kaisers  Marcus. 

Von  Auton  v.  Preiiiersteiii. 

Vorbemerkung-. 

Die  nachstehenden  Kapitel,  welche  durch  die  fortlaufende  Beziehunir 
auf  Griechenland  und  den  griechischen  Osten  zusammengehalten  werden, 
sollen  eine  Reihe  von  Studien  über  die  Regierung  des  Kaisers  Marcus 
Aurelius  Antoninus  eröifnen,  die  ich  in  zwangloser  Folge  in  dieser  Zeit- 
schrift zu  veröffentlichen  gedenke.  Der  trümmerhafte  Charakter  der  üeber- 
lieferung  über  diese  so  wichtige  Epoche  wird  es  rechtfertigen,  wenn  die 
Einzelprüfung  der  Zeugnisse  einen  breiten  Raum  einnimmt. 

I. 

Zum  Partherkrieg  unter  L.  Verus. 

1 .  Der  Legat  S  a  t  u  r  n  i  n  u  s. 

Lukian  nw£  öei  lai.  avyyq.  21  sagt  von  einem  der  Historiker  des 
Partherkrieges,  die  er  verspottet:  Tj^iojaev  odxog  xal  tü  övö/naia  /.leia- 
TtotTjoai  rä  'Pwfiaicüv  xal  ftsrayQdil'ai  ig  %b  'EXh]viy.6v,  6)g  Kqöviov 
fiev  2a%ovQvivov  leyeiv,  0q6i'iiv  öe  xbv  (DqövKOva,  Tizäviov  de  röv 
Tntavbv  y.al  u?J.a  noAloj  ysP^iöre^a.  Der  hier  genannte  Satuminus, 
offenbar  ein  höherer  römischer  Befehlshaber,  wurde  bisher  vermutungs- 
weise für  identisch  gehalten  mit  dem  P.  Furius  Saturninus.  Consul  suf- 
fectus  im  -J.  161').  Ich  glaube  eine  andere,  wahrscheinlichere  Gleichung 
vorschlagen  zu  können  und  gehe  dabei  von  einer  Ehreninschrift  aus  Troes- 
mis  (Moesia  inferior)  aus. 

CIL  III  775  (=6183;  Dessau  n.  1116):  P.  ViydUo  Eaio  Plario  Sa- 
ktrnino  Atilio  Braduano  Auc'uVo  TaialJo  Icgftdo)  Auy(iidi)  ordo  Troes- 
men(sium)  ex  decrcto  smo. 

Der  hier  Geehrte,  der  wegen  des  Fehlens  von  pr(o)  in-(((etore)  im 
Titel  nicht  Statthalter  von  Untermoesien,  sondern  Legionslegat  gewesen 
sein  wird,  ist  schon  in  der  Prosopographie  -)  mit  Recht  gleichgesetzt  wor- 

1)  E.  Napp,  De  rebus  imp.  M.  Aurelio  in  Oriente  gesiis  (Boniiae  1879)  73  f.,  dem 
J.  Jung.  Fasten  der  Fror.  Dacien  1.5  zu  n.  16;  A.  Stein,  B.  K  III  1844  zustimmen: 
vgl.  auch  Prosopoijr.  11  102   zu  u.  407.  —  -2)  III  4.93  f.  n.  434. 

1 


356  Anton  v.  Prenierstein, 

den  dem  Vigellius  Saturninus  procos.  Africae  im  Juli  180  (also  für  das 
J.  180/1).  Das  Konsulat  dieses  Mannes  kaim  unter  Annahme  des  iib- 
Hclien  Intervalls  frühestens  165/6  angesetzt  werden:  im  Hinblick  jedoch 
darauf,  dass  in  jenen  Jahren  der  Pest  und  des  Krieges  von  den  Konsu- 
laren viele  vorzeitig  starben ')  und  die  Ueberlebenden  rascher  zur  prokon- 
sularischen Losung  gelangten^),  dürfen  wir  mit  dem  Suffektkonsulat  etwa 
bis  ins  J.  170.  mit  dem  Legionskommando,  auf  welches  vielleicht  noch 
ein  anderes  prätorisches  Amt  folgte,  beiläufig  in  die  Jahre  166  —  168  hin- 
untergehen. 

Ein  Legionslegat,  den  die  hier  als  Ordo  bezeichnete  Vertretung  der 
Canabae  von  Troesmis^)  ehrt,  kann  wohl  nur  die  Legio  V  Macedonica 
befehligt  haben,  welche  bis  zum  Ausmarsch  in  den  Partherkrieg  (J.  162)^) 
dort  ihr  Hauptquartier  hatte,  und  von  der  auch  nach  der  Rückkehr  aus 
dem  Osten,  als  sie  nach  Dacia  Porolissensis  verlegt  wurde  °).  mindestens 
starke  Abteilangen  in  Troesmis  sich  aufhalten  mussten.  um  das  aufgege- 
bene Lager  abzubrechen  und  die  Uebersiedlung  zu  bewerkstelligen.  Beim 
Ausmarsch  nach  dem  Orient  (J.  161/2)  war  P.  Martins  Verus  Legat  der 
Legion  und  führte  sie  wahrscheinlich  während  des  ganzen  Krieges,  bis  zu 
seinem  Konsulat  (März  166),  in  der  letzten  Zeit  allerdings  als  selbstän- 
diger Befehlshaber  mit  erweiterter  Kompetenz  {chix)  (s.  darüber  unten  Ab- 
schnitt III).  Nach  dem  oben  angenommenen  Zeitansatz  (J.  165 — 168) 
dürfte  Vigellius  Satuminus  der  unmittelbare  Nachfolger  des  Martins  Verus 
gewesen  sein;  er  wird  die  Legio  V  Macedonica  iin  J.  166  nach  dem  Westen 
zurückgeführt  und  ihre  Uebersiedlung  aus  Troesmis  nach  Dacien  (Potaissa) 
geleitet  haben.  Als  Kommandanten  der  abziehenden,  mit  Troesmis  bis- 
her aufs  engste  verwachsenen  Truppe  wird  ihn  der  dortige  Ordo  geehrt 
haben  *).  Die  Annahme,  dass  er  schon  vor  der  Uebernahme  der  Legions- 
legation im  Partherkriege  tätig  war  und  daher  mit  dem  von  Lukian  ge- 

1)  Vita  Marci  13.5:  22,7;  Ammianus  Marc.  XXXI  5.14.  Ueber  die  dadurch  ver- 
ursachten Lücken  in  den  Priesterkollegien  um  J.  170:  H.  Dessau.  J£ph.  epifir.  III  p.  227; 
R.  Egger,  Oesfcri:  JnhresJiefte  IX  Beibl.  70  mit  A.  14. 

2)  Q.  Pompeius  Senecio  Sosius  Priscus,  cos.  ord.  169,  erhielt  kurz  vor  seinem 
Tode  (180),  also  wohl  Ende  179,  durchs  Los  das  Prokonsulat  von  Asia. 

3)  Municipium  wurde  die  Lagerstadt  erst  unter  Septimius  Severus ;  s.  E.  Korne- 
mann.  Klio  VII  (1907)  94,3;  J.  Jung,  Oesterr.  Jahreshefte  XH  (1909)  Beibl.  143  f.,  10. 

4)  Vgl.  CIL  III  6169:  dazu  E.  Ritterling,  lihem.  Mus.  LIX  193  f. ;  meine  Bem. 
Wiener  Eranos  zur  50.  Phil-Vers.  (1909)  264. 

5)  Dazu  Wiener  Eranos  S.  268.  In  den  Anfängen  des  germanisch-sarmatischen 
Krieges,  im  J.  168/9,  wurde  die  Legion  vielleicht  zeitweilig  wieder  nach  Moesia  in- 
ferior zurückgezogen :  ebd.  S.  269  Anm. 

6)  In  entsprechender  Weise  hat  Jung  a.  a.  0.  Sp.  143  f.  die  Ehreninschrift  CIL 
III  776  =  6195  gedeutet,  die  einem  Lagerpräfekten  der  Legio  V  Macedonica  vom 
ordo  Troesmensium  gesetzt  ist.  Bei  diesem  Denkmal  ist  allerdings  genauere  zeitliche 
Bestimmung  unmöglich,  so  dass  es  sehr  wohl  noch  vor  die  Verlegung  der  Legion 
fallen  könnte. 


UntersHcItioHicn  zur  Geschichte  (Ics  Kaisers  Marcus.  357 

nannten  ^aTOV()i'troQ  zu  gleichen  ist,  ist  nach  dem  Gesagten  scliwer  von 
der  Hand  zu  weisen. 

2.   K  ;i  m  p  f  e  am   K  a  u  k  a  s  o  s. 

Eine  Votivinschrift  in  Colonia  Agrippinensium  (Köln),  CIL  XIII  8213. 
lautet :  Matronis  Aufanih(us)  C.  Iid(ius)  Manstictus  ni(iles)  l{e(/ionis)  I 
M(inerviae)  p(iae)  f'(idelis)  v(otum)  s(oJvit)  l(ihens)  m(crito) ;  fn[i]t  ad  AJu- 
fiim  fliimen  secus  moiit(em)  Caiicasi. 

Irrtümlich  wollte  man  in  dieser  oft  behandelten  Inschrift  den  Fluss 
Alutus  oder  Aluta  (h.  Alt)  in  Dacien  erkennen  und  hielt  demgemäss  den 
mons  Cancasi  für  einen  Teil  der  siebenbürgischen  Karpaten,  wohin  die 
Legio  I  Minervia  in  den  Dakerkriegen  Traians  gekommen  wäre ').  Da- 
gegen \erweist  der  Herau.sgeber  im  Corpus,  A.  v.  Domaszewski,  mit  Hecht 
auf  Ptolemaeus  in  der  Beschreibung  des  asiatischen  Sarmatiens,  yeogr.  V 
8,6  (12  p.  912,5  ed.  C.  Müller):  'Alövia  nora^ov  ixßoZai;  der  hier 
genannte  Fluss  mündet  nördlicli  vom  Kaukasos  und  von  Albania  ins  Ka- 
sjDische  Meer  ein  -).  Wegen  der  Widmung  an  nichtrömische  Gottheiten  ^). 
der  Namensform  des  Dedikanten,  der  seinen  Vater  nicht  nennt,  vor  allem 
aber  wegen  der  Aveitgehenden  Kürzungen  und  Ligaturen  wird  das  Denk- 
mal schwerlich  vor  Mitte  des  zweiten  Jahrhunderts  errichtet  sein:  keines- 
falls ist  es  der  traianischen  Zeit  zuzuweisen.  Nim  wissen  wir.  dass  die 
untergermanische  Legio  I  Minervia  seit  dem  ,1.  162  als  Ganzes  am  Par- 
therkriege unter  Verus  teilgenommen  hat*).  Die  Kaiikasos-Gebiete  ge- 
hörten während  des  zweiten  .JalirhunJerts  in  Friedenszeiten  zum  kappado- 
kischen  Militärsprengel  ^).  Man  sieht  sofort  die  Möglichkeit,  dass  eine  Abtei- 
lung der  I  Minervia  damals  über  den  Nordrand  des  Kaukasos  kommen  konnte. 

Eine  Expedition  an  die  fälsciilich  sogenannten  Kaspischen  Tore ').  d.  h. 
die  Kaukasos-Pässe  oberhalb  Tiflis  hatte  schon  Nero  in  seinem  letzten  Jahr 


1)  So  schon  J.  Dierauer,  Beiträge  zu  einer  krit.  Gesch.  Traians  (Unters,  zur  röm. 
Kaisergesch..  hrg.  von  Büdinger  I)  100,  'i;  M.  Ihm,  Bonner  Jahrb.  LXXXIU  (1887)  145 
n.  277 ;  0.  Schilling.  De  leyimiibus  Born.  I  Minervia  et  XXX  Ulpia  [Leipziger  Studien 
XY)  47;  J.  Jung.  3Iitt.  des  Instituts  für  österr.  Geschichtsf.  Erg.-Bd.  IV  S.  4,  5;  der- 
selbe, Fasten  der  Frm:  Baden  154  f.,  8:  C.  Cichorius,  Die  Beliefs  der  Traianssäule. 
Text  II  229;  W.  Tomaschek.  B.E.  I  1707;  C.  Patsch,  ebd.  III  1801. 

2)  Vgl.  W.  Tomaschek  a.  a.  0.  I  1595.  Man  wäre  versucht,  auch  bei  Ptolemaeus 
statt  !4/.övTct,  welches  die  besten  Hss.  bieten,  IVoit«  zu  schreiben. 

3)  Ueber  den  Kult  der  Matronae  Aufaniae  durch  Soldaten  der  Legio  I  Minervia 
s.  Schilling  a.  a.  0.  S.  55  mit  A.  5. 

4)  S.  die  Ehreninschrift  des  M.  Claudius  Fronto,  CIL  VI  1:377  (vgl.  n.  ;M(UO; 
Dessau  n.  1098)  Z.  18  ff.:  legiato)  Aug(ustorum)  legioni  primae  Minerviae  in  exspedi- 
iionem  PaHhicam  deducendae ;  dazu  0.  Schilling  a.  a.  0.  S.  61  ff. ;  E.  Ritterling,  Ehein. 
3Ius.  LIX  191;  195;  B.  Filow,  Klio  Beiheft  VI  75,6;  85,3.  Mit  Unrecht  bezweifeln 
dies  J.  Klein.  Bonner  Jahrb.  LXXIII  (1882)  68;  A.  Stein,  B.  E.  III  1845. 

5)  M.  Rostowzew,  KUo  II  86  (vgl.  S.  82  f.);  C.  Patsch,  ebd.  IV  Tu  ff. 

6)  Plin.  .Y.  H.  VI  30  und  40. 


358  Antoll  r.  Freiiiersteiii, 

lieplaiit;  sie  sollte  sich  in  erster  Reihe  gegen  die  Armenien  und  Meilien  beun- 
ruhigenden Alanen  richten ').  Den  gleichen  Zweck  wird  der  Aufenthalt 
eines  römischen  Detachements  in  dem  nämlichen  Gebiete  zur  Zeit  des  Parther- 
kriegs unter  Verus  gehabt  haben,  den  wir  aus  der  Kölner  Inschrift  er- 
schliessen  dürfen.  Die  häufigen  Unruhen  der  Alanen,  deren  Hauptmasse 
damals  die  Steppenregion  nördlich  vom  Kaspischen  Meere  und  vom  Ivau- 
kasos  bis  zum  Tanais  innehatte  ^).  sowohl  unter  Antoninus  Pius')  wie 
unter  Kaiser  Marcus,  als  dessen  Gegner  sie  im  germanisch-sarmatischen 
Kriege  genannt  werden  (Vita  3Inrci  22,  1)  *)  mögen  ihrerseits  durch  west- 
liche Voi'stösse  der  Hunnen  ^)  hervorgerufen  sein,  welche  spätestens  seit 
dem  Ende  des  ersten  Jahrhunderts  n.  Chr.  soweit  nach  Westen  —  bis 
in  die  Gegend  zwischen  Kaspi-  und  Aralsee  —  vorgerückt  waren,  dass 
sie  Nachbarn,  vielleicht  auch  Beherrscher  der  östlichen  Alanen  wurden 
und  gi'össere  Schwärme  bis  in  das  europäische  Sarmatien  entsendeten  °). 
•Ja  wenn  man  die  allerdings  in  einem  Nest  von  Missverständnissen  steckende 
Notiz  eines  wenig  verlässlichen  späten  Gewährsmanns  verwerten  dürfte, 
so  hätte  Kaiser  Vems  —  offenbar  im  Verlauf  des  Partherkrieges  —  als 
erster  römischer  Feldherr  sogar  mit  einem  Teile  der  Hunnen  selbst  zu 
schaffen  gehabt,  Malalas  chronogr.  XI  p.  282  ed.  Bonn. :  noZefirjoag  xaicc 
ivög  i'&vovg  Ovvvcov  xal  viy.fjaac,  aiiTOvg  noMä  äMa  ed-vf]  öixcc  noZsfiov 
vuexa^Ev.  So  schlecht  bezeugt  diese  Tatsache  auch  ist,  so  wird  man  sie 
nach  dem  eben  Durgelegten  als  immerhin  möglich  bezeichnen  dürfen. 

3.  Das  lakedaimonische  Bundeskontingeiit. 

1.  Grabmal  mit  Relief,  gef.  in  Sparta,  jetzt  im  Athener  National- 
Museum :  Dessau  n.  8878:  abgebildet  und  ausführlich  besprochen  von 
P.  AYolters.  Athvn.  Mitt.  XXVIII  (1903)  291  ff.  (danach  wiederholt  von 
Tli.  Reinach,  Corolla  luiniisiiiutica  in  htmor  of  B.  V.  Head  271  und  in 
nebenstehender  Abbildung)  ') ;  vgl.  auch  P.  Kastriotis,  r?.vmu  tov  'Ed-iu- 


1)  Tacitus  hist.  I  6;  Sueton  i\'e)o  19;  Cassius  Dio  LXIII  8.  Dazu  Mommsen,  Rom. 
Gesch.  V  393  f.,  bes.  S.  394,  1 ;  F.  Beuchel,  De  leg.  Som.  I  Italica  (Diss.  Leipzig  1903) 
11;  14;  23;  Filow  a.  a.  0.  S.  11;  E.  Täubler,  Kür,  IX  (1909)  17  f. 

2)  W.  Tomaschek,  B.  E.  1  1282. 

3)  Vita  Pii  5,5:  Alanos  moUentis  saepe  refrenaint.  Die  Zeit  dieser  Unterneh- 
mungen lässt  sich  nicht  genauer  bestimmen.     S.  P.  v.  Rohden,  B.  E.  n  2507. 

4)  Vgl.  über   diese   Kämpfe  mit    den  Alanen  Täubler  a.  a.  0.  S.  26  mit  A.  1  f. 

5)  Die  Nachrichten  über  deren  erstes  Auftreten  stellt  Ludwig  Schmidt,  Gesch. 
der  deutsche»  Stämme  I  2  (Quellen  und  Forschuntjen  zur  alten  Gesch.  u.  Geogr.,  hrg. 
von  Sieglin  X)  103  tf.  zusammen;  s.  auch  Tomaschek  a.  a.  0. 

6)  Einen  Stamm  der  A'oivoi  fitya  täto:  führt  Ptolemaeus  ((jeoijr.  III  5. 10:  vgl. 
auch  Markianos  peripl.  II  39)  in  Sarmatia  zwischen  Bastarnen  und  Roxolanen  an  der 
Beuge  des  Borysthenes  auf.     Zweifel  daran  äussert  Tomaschek  a.  a.  0. 

7)  Der  Direktion  des  Kais.  Deutschen  archäologischen  Instituts  in  Athen  fühle 
ich  mich  für  die  Erlaubnis  zur  Benützung  des  Original-Zinkstocks  zu  besonderem 
Danke  verpflichtet. 


UntersHchiDifien  ^tir  Geschichte  des  Kaisers  Marcus. 


359 


xov  Movashv  I  (Athen  1908)  p.  223  f.  n.  1290;  V.  StaTs,  Gniik  illusfre 
du  Mnsee  national  (Athen  1907)  p.  169  f. 


Mäqy.oc,  AvQi'jPuog  "AP^s^vg  Ohovog  ar()(CT8vac'cfi£i'og  y.arü  Hfciawr, 
FTij  ßitbaag  Ä'. 

Rechts  von  der  Inschrift  Relief:  Krieger  mit  Pilos,  Chiton,  um  die 
Schultern  gelegtem  Mantel  und  Halbstiefeln  bekleidet,  mit  Schienenpanzer, 
nahezu  ovalem  Schild,  Schwert  in  der  Linken,  gesenkter  Keule  in  der 
Rechten  ausgerüstet. 

2.  Liste  von  Magistraten  und  Dienern  (wohl  der  Gerusie)  in  Sparta. 
GIG  1253,  darin:  Z.  9  (als  yQauaccTEvg  ßoeZi]g)  'lovhog  Nty.di'öoov: 
(unter  den  a:ioi'öocföi)Oi):  Z.  12  —co'Cc'cg,  Z.  13  'lovÄiog  <l>iÄ[o]y.Qacida[g}-, 
(unter  den  tvaiioi):  Z.  14  Ilo]uni)rtog  "AZy.aarog.  'Iov{Aiog)  0i/.[o~\y.QaTl6ag 
(15)  ['l7i]:i:odd{iov  (pil6ao(fog,  (16)  NEiyoy.P.i]g  dr^fioaiog,  (17)  Neiy.oy.Ziig 
VEog,  örjftöaiog,  iai[Qa]TE[v]fiei'og  ölg  xarü  77f()a[ä)J»'. 

3.  Grabschrift  in  Sparta,  CIG  1495. 

Aioay.ÖQCi  xcclqe.  "Ert]  ßio'jaag  s'i'xoai  y.ccl  i':,  dnE/.d'öiv  öe  sig  xr^v  ev- 
Tir/^eoTÜTT]!'  avrfiayjav  ri^v  y.axa  77f[^]act>i'  y.al  inavE\Q\y6^i£vog  iv  'leQO- 
nöh  e%e?^evii]aEV. 

4.  Grabschrift  in  Sparta,  Le  Bas-Foucart  n.  183b:  M.  N.  Tod  und 
A.  J.  B.  Wace,  A  catalogue  of  the  Spaiia  Museniii  (Oxford  1906)  p.  48 
n.  245. 

ArTinaTfj[og  drifiöaiog  ä\yo)yog  unö   S{£)lQani'o}i'? ],    oiquiev- 

ad{fi)[^EVog  y.arü  IIeqo<jJi>J. 

Nach  Tod  (a.  a.  0.  p.  26)  würde  der  Schriftcharakter  auf  den  Par- 
therkrieg unter  M.  Aurelius  hinweisen.  Die  auch  von  ihm  angenommene 
Ergänzung    Foucarts   /ir<TTci]ycoyög    dirö    @{e)[Qanv(ör   ist   kaum    haltbar. 


360  Anton  v.  Fremerstein, 

Vielmehr  wird  es  sich  hier  um  einen  dlytoyög  liandeln,  d.  h.  einen  Ge- 
meindediener ,  dessen  Beruf  es  war.  Reisende  bewaffnet  zu  begleiten '). 
Die  Vermutung  Foucarts').  dass  'AvjinaTQog  der  Vater  der  Priestei-in 
K?Mv{6ia)  'AyrjTa  AvnnüiQOv  {CTG  1476  =  Collitz-Bechtel  n.  4519)  sein 
könnte,  kommt  damit  in  Wegfall. 

Vo)i  vornherein  wird  man  geneigt  sein,  alle  diese  Denkmäler  derselben 
Zeit  zuzuweisen.  Selbstverständlich  sind  die  darin  erwähnten  Perserzüge 
nicht  erst  nach  dem  Sturz  der  parthischen  Arsakiden  anzusetzen,  seit  wel- 
chem man  strenge  genommen  erst  wieder  von  einem  persischen  Reieb 
sprechen  konnte ;  vielmehr  wurden  mit  dem  so  stolze  national-hellenische 
Erinnerungen  weckenden  Namen  IleQaai  schon  die  Parther  belegt  •''). 

Im  Gegensatz  zu  Böckh,  Foucart  und  G.  F.  Hertzberg*)  hat  zuerst 
Mommsen  *)  angenommen  und  neuerdings  P.  "Wolters,  in  der  oben  (bei 
n.  1)  angeführten  sorgfältigen  und  scharfsinnigen  Abhandlung  nachzu- 
weisen gesucht®),  dass  die  ausgeschriebenen  Zeugnisse  sich  sämtlich  auf 
eine  Aushebung  in  Spai'ta  unter  Caracalla  beziehen,  der  zum  Zwecke  seines 
Partherkrieges,  altberühmte  Vorbilder  nachäS'end.  neben  einer  makedoni- 
schen Phalanx  auch  einen  lakonischen  und  einen  pitanatischen  Lochos 
schuf;  Herodian  IV  8,3:  änö  re  2jiÜQii]g  iieTUTiefitHifuroc,  veaviag  Aa- 
y.ü)vty.bv  y.ctl  niTarÜTt]v  Aöxov  iy.dP-ei,  und  an  anderer  Stelle,  IV  9,  4 :  <pä- 
Xayya  .  .  .  Maxeöoriy.ijv  y.a'i  2naQTiuTiv'). 

Diese  Annahme  begegnet  jedoch  nicht  unerheblichen  Schwierigkeiten. 

1)  Vgl.  Basilicu  56,  10:  tCov  '/.fyofih'iov  nymyiy.ün'  ijxoi  Tia^ciTzo/Anixüii:  woraut  dann 
noch  rCov  öiiuyuaixCov  Erwähnung  geschieht. 

2)  Neuerdings  angenommen  von  A.  M.  Woodward,  Ann.  Brit.  School  XV  (1908/9)  100. 

3)  So  nennt  Polyainos  stratcfi.  I  praef.  §  1 ;  VI  praef.  den  Partherkrieg  des  Marcus 
und  Verus  einen  Kampf  xarä  Jlfiiaütv  y.m  IJa^9val(uv  (Wolters  a.  a.  0.  S.  294);  auch 
Eutropius  ¥111  12,2;  Aur.  Victor  de  Caes.  16;  Sex.  Rufus  hrev.  20  sprechen  bei  dem 
gleichen  Anlasse  von  'Persern'.  Vita  Marci  26,  1  (zum  J.  17.5/6) :  cunctis  regibiis  et 
legatis  Persarum.  Eine  Inschrift  aus  Bithynien  (Dessau  n.  8879 ;  Inscr.  Gr.  ad  res 
Born,  pei-t.  III  n.  1412;  Bidl  de  corr.  hell  XXV  1901  p.  59  n.  20.5)  erwähnt  einen 
nvvu)vaQ)^t'iact[Q]  Uytä>ai  a  xtCi  ß'  SiööoiQ  [^7J(]  Ili^oug,  was  A.  v.  Domaszewski,  Böni. 
Mitt.  XX  (1905)  158  f.,  1  auf  den  Orientzug  Caracallas  bezieht.  Im  allgemeinen  han- 
delt über  diese  Gleichsetzung  der  Parther  und  Perser  V.  Gardthausen,  Orieiital.  Stu- 
dien Th.  Noeldeke  zum  70.  Gehurtstaij  gewidmet  II  (1906)  855  f. ;  vgl.  auch  V.  Chapot, 
La  frontiere  de  VEuphrate  (Bill,  des  ecoles  frang.  IC  1907)  82, 1. 

4)  Gesch.  Griechenlands  unter  den  Biimern  II  370.  Neuerdings  entscheidet  sich 
auch  A.  M.  Woodward  a.  a.  0.  p.  99  ff.  auf  Grund  des  prosopographischen  Materials 
bei  n.  2  und  4  für  den  Partherkrieg  des  Verus. 

.5)  Bimi.  Gesch.  V  247,  1. 

6)  Ihm  stimmen  bei  H.  Dessau  zu  n.  8878;  V.  Chapot  a.  a.  0.  p.  95.  l'nent- 
schieden  lässt  die  Frage  Tod  a.  a.  O.  p.  26;  49. 

7)  Zum  J7trni-«T7/c  Uy^oq  vgl.  jetzt  auch  Ann.  XIII.  213  n.  1:  üiTavcaCav  oi  viixu- 
aavteq  zag  wßaq.  Auf  Angehörige  der  lakedaimonischen  Lochoi  Caracallas  könnte 
sich,  wie  der  Herausgeber  H.  Gregoire  gesehen  hat,  eine  metrische  Inschrift  aus 
Kaisareia  in  Kappadokien  beziehen,  Biül.  de  corr.  hell.  XXXIIl  (1909)  p.  63  n.  44. 


VntersiichiDKjcii  ^iir  GescJiicIitc  des  Kaisers  ilatriis.  361 

Vor  allem  muss  Wolters  (a.  a.  0.  S.  294  ff.)  die  bereits  von  Boeekh  vor- 
geschlagene sehr  glaubhafte  Gleichsetzung  ablehnen,  wonach  der  in  n.  2 
genannte  ITo]fi7röviog  "A2.y.aaTog  mit  einem  in  mehreren  anderen  lakedai- 
monisehen  Inschriften  erwähnten  Würdenträger  aus  der  Zeit  des  Pins 
namens  G.  Pomponios  Alkastos  identisch  ist,  und  erklärt  ersteren  für  einen 
gleichnamigen  jüngeren  Verwandten,  etwa  den  Enkel  des  zweiten.  Eine 
genauere  Untersuchung  der  Zeit  von  n.  2  {CIG  1253)  spricht  vielmehr 
sehr  zugunsten  der  Identität. 

Für  die  Datierung  dieser  Liste  kommt  zunächst  in  Betracht  der  Um- 
stand, dass  die  Beamten,  wie  schon  Wolters  (a.  a.  0.  S.  294)  bemerkt 
hat,  nur  zum  Teil  römische  Familiennamen  führen,  was  für  die  Zeit  vor 
Caracallas  Constitutio  Antoniniana  (.J.  212)  sprechen  würde,  „wenn  diese", 
wie  Wolters  einschränkend  beifügt,  .für  eine  civitas  foedcrata,  wie  Sparta, 
dieselbe  Wirkung  gehabt  haben  könnte  oder  müsste,  wie  für  das  eigent- 
liche Imperium '".  Letzteres  anzuzweifeln  liegt,  soviel  ich  sehe,  kein  Grund 
vor  '). 

Weitere  zeitliche  Anhaltspunkte  geben  die  oben  (S.  359  n.  2)  ausge- 
schriebenen Namen-).  Nach  den  Inschriften  scheint  es  im  2.  Jahrhundert 
in  Sparta  zwei  Personen  namens  G.  Pomponios  Alkastos,  wahr- 
scheinlich Gi'ossvater  und  Enkel,  gegeben  zu  haben.  Ueber  sie  und  ihre 
Verwandtschaft  haben  P.  Foucart  zu  Le  Bas  n.  174  (mit  Stammbaum)  und 
neuerdings  A.  M.  Woodward')  gehandelt.  Von  ihren  Ansätzen  weicht 
nachstehender  Versuch  einer  Genealogie  wesentlich  ab : 

(1)  "A/.y.aaTo:   Tiiioy.Qhov  ^  F.  TIou.TÖjviog  "A/.y.aaTog  (1) 


(2)  r.  nouTttovio-  W-'iz  (3)  r.  Iloumoi'iog  'AoiOTiac 

I- 
(4)  r.  noHrcibnoz  A/.y.uGTOz  (11 1 

Zu  1)  Als  "AP.y.uoxo:  Tiuoxqi'tov  ist  er  yeQcov  tö  ß'  unter  Hadrian. 
Le  Bas-Foucart  n.  173  a.  Z.  17  (=  Tod-Wace  a.  a.  0.  p.  38  f.  n.  210); 
jedenfalls  identisch  mit  jenem  'AP.y.aarog ,  der  nach  Hadrians  zweitem 
Aufenthalt  in  Sparta  (.J.  128  9)'').  etwa  um  J.  135  eponvmer  Patronom 
war:  CIG  1241  (Tod-Wace  a.  a.  0.  p.  34  f.  n.  204)  Z.  15  im  A/.y.ämov. 

Nach  Erlangung  des  römischen  Bürgerrechtes  erscheint  er  unter  dem 
Namen  F.  Uounöjviog  'Aß.y.aaTog  (fi/.öy.aiGUQ  y.cd  (piP.öjxaiQig,  vlbg  7iö?.£0}g 
in  drei  Inschriften:  a)  Ann.  XII  (1905 '6)  p.  463  n.  17  {Herne  arch.W  s..  XI 
[1908  I]  p.  317  n.  2)  Z.  5  ff.  als  Gesandter  seiner  Vaterstadt  Etg  ITuwoviar 
.  .  .  TtQog  Aovy.iov  KuiauQci  (L.  Aelius  Caesar.  J.  137) :  h)  CIG  1247  Z.  8  ff. 


1)  Mommseii,  Staatsrecht  III  699  f.,  besonders  S.  700,  2 :   P.  il.  Meyer,  Criessener 
Papyri  I  2  S.  30. 

2)  Vgl.  zum  Folgenden  die  prosopographische  Erörterung  von  Woodward  a.  a.  0. 

3)  Ann.  Brit.  School  XIII  (1906/7)  201  ff. 

4)  Vgl.  W.  Weber,   Unters,  zur  Gesch.  Hadrians  188  f.;  211. 

Klio,  Beiträge  zur  alten  Geschichte  XI  S.  24 


362  Aiito);  r.  Firiiicrsfciii, 

als  Vorsitzender  der  vofiofvZay.fg  im  J.  137/8');  c)  CIG  1242  Z.  2  ff.  als 
Ephoros  und  zugleich  Inhaber  der  Ehre  der  äQiaiono/uTeia,  welche  in  den 
vorstehenden  Inschriften  noch  nicht  aufgeführt  wird,  etwa  in  den  ersten 
Regierungsjahren  des  Antoninus  Pius  (138  ff.)  -).  In  h  (J.  137/8)  wird 
Pomponios  Alkastos  als  aQyje^QEvc,  diu  /3/ov?]  bezeichnet,  in  c  als  dgxie- 
Qevg  dta  ßiov  TWf  ^eß^OTÜv:  dabei  muss  der  Plural  tw»'  Seßaaicii'  keines- 
wegs, wie  Wolters  will,  auf  die  Zeit  einer  Samtherrschaft  (Marcus  mit 
Verus  oder  Commodus)  hinweisen. 

Zu  2)  CIG  1239:  1240:  1249  (Pah-ononi):  1351. 

Zu  3)  Le  Bas  n.   174.  frühestens  aus  der  Zeit  des  Antoninus. 

Zu  4)  Ein  r.  üoiiTtüvioc  "A/.y.aaTog  erscheint  als  Enkel  eines  Al- 
kastos und  Xeffe  des  G.  Pomponios  Agis  in  CIG  1351.  Wahrscheinlich 
auf  ihn.  nicht  auf  den  Alkastos  n.  1  bezieht  sich  wegen  der  späten  Schrift 
Aun.  XII  p.  372  n.  32  eyii  'AZxäaTcj^);  aiich  er  war  also  eponymer  Pa- 
tronom.  Sein  Vater  war  wohl  entweder  der  unter  3  Genannte  oder  ein 
anderer,  unbekannter  Sohn  von  1. 

Mit  welchem  der  beiden  G.  Pomponios  Alkastos  ist  nun  der  in  CIG 
1253  (oben  S.  359  n.  2)  zugleich  mit  dem  Perserkrieger  Neikokles  ge- 
nannte identisch?  Wer  mit  Wolters  die  Symmachie  der  Lakedaimonier 
geo'en  die  Perser  in  die  Zeit  Caracallas  setzt,  wird  sich  natürlich  für  den 
jüngeren  Alkastos  (Stammbaum  n.  4)  entscheiden.  Andererseits  muss  zu- 
o-e^eben  werden,  dass  für  den  älteren  Namensgenossen  (ebd.  n.  1 1.  den 
CIG  1242  (oben  zu  1.  c)  als  ei/.t](pa)g  Tccg  Tr,g  äQiaxoTio/.tTeiag  Teiiiäg 
y.UTU  TÖv  vöfiov  bezeichnet,  die  in  n.  1253  ihm  zustehende  Ehre  der  öffent- 
lichen Speisung  ganz  besonders  passend  wäre.  Dann  würde  n.  1253  das 
•jüngste  unter  den  bisher  bekannten  Zeugnissen  für  den  älteren  Alkastos, 
die  darin  erwähnten  Perserkämpfe  jene  unter  Marcus  und  Verus  (J.  162 
bis  166:  dann  etwa  172:  s.  Abschnitt  III)  sein.  Dass  die  in  CIG  1247.  1242 
(oben  zu  1.  h  und  r)  angeführte  lebenslängliche  Priesterwürde  in  n.  1253 
fehlt,  obwohl  letztere  Inschrift  dann  später  wäre,  ist  bei  der  knappen 
Fassung  dieser  Liste,  in  der  Alkastos  ja  nicht  als  Magisti-at,  sondern  ledig- 
lich als  evatrog  erscheint,  schwerlich  mit  Wolters  (S.  295)  als  ernstliches 
Hindernis  der  Gleichung  zu  betrachten.  Xun  haben  aber  CIG  1242  (zu  1,  c), 

1)  In  Z.  1    der    oben    gebrochenen    Beamtenliste    stellt ,   offenbar  als   eponymer 

Patronom, lio?  rxvzoxorhogoc  'AäQi[avnf,  wobei  der  Nominativ  zu  beachten  ist. 

Wolters'  (S.  29-5  mit  A.  1)  Ergänzung  '.•Jrfi>i[«vof  ' Airwif ivov.  wobei  er  an  einen  der 
späteren  Kaiser  Marcus  oder  Yerus  denkt,  wird  durch  den  mangelnden  Raum  aus- 
geschlossen. Gemeint  ist  vielmehr  ein  Adoptivsohn  Hadrians  selbst,  also  entweder 
L.  Aelius  Caesar  oder  Antoninus  (Pius).  Die  Inschrift  h  ist  somit  nach  der  Adoption 
des  L.  Aelius  und  vor  Hadrians  Tod,  d.  h.  zwischen  Ende  1:^6  und  10.  Juli  1-38  ge- 
schrieben. 

2)  Die  in  Z.  19  ff.  detailliert  angeführte  Aemterlaufbahn  des  Sosikrates  umfasst 
ungefähr  die  Zeit  von  121  bis  bald  nach  136 ;  vgl.  Wolters  a.  a.  0.  S.  294  f.,  1 ;  W. 
Weber  a.  a.  0.  S.  188,  671:  Woodward,  An».  XIII  207;  208. 

3)  So  Woodward,  Ann.  XIII  20S.  1. 


UiifersKcJiiDillcn  zur  GcschiiMe  des  Kaisers  Marcus.  363 

wo  der  illtcre  Alkastos  <resichevt  ist.  und  n.  I"2ö3  iiocli  einen  zweiten 
Namen  gemeinsam:  in  erstever  (Z.  29)  begegnet  unter  den  i'vanoi  ein 
[^^]oj[ty2c  Mo/ojrog.  in  letzterer  (Z.  12).  unter  den  anovdofpÖQOi  wieder 
ein  -Tw^cis,  welche  schon  wegen  der  Seltenheit  des  Namens  identisch  sein 
müssen.  Ferner  weist  A.  M.  Woodward  i)  daraufhin,  dass  auch  der  [G.] 
lulios  Philokratidas  in  C1(t  1253  Z.  13  wahrscheinlich  der  Eponymos  von 
C'/(t  1248  Kol.  II  ist,  welche  Inschrift  nach  seinem  Urteil  sicher  nicht 
viel  später  ist  als  die  Mitte  des  2.  .Jahrhunderts.  Endlich  finden  wir  in 
einer  Liste  von  vofioq:vZay.eg  aus  den  späteren  Kegierungsjahren  des  Pius 
(Le  Bas-Foucart  n.  IfiS  g:  Tod-Wace  a.  a.  0.  p.  62  u.  411)  in  Z.  13  einen 
['IovA(ioq)  Niy.]avÖQog  Xciy.oy.Qd[[Ovg  ß]oayög:  damit  würde  es  gut  stim- 
men, wenn  n.  1253,  wo  in  Z.  9  ein  'loi'hog  Niy.dvÖQOv,  oifenbar  sein 
Sohn,  in  der  Anfangsstellung  eines  7pa,H/iaT£t'c  ßoidr^g  auftritt,  in  clie 
Zeit  des  Marcus,  etwa  um  170.  gehörte.  Nach  alledem  ist  es  kaum  mehr 
zweifelhaft,  dass  der  in  CIG  1253  genannte  Pomponios  Alkastos  mit  dem 
schon  unter  Hadrian  in  hohen  Gemeindeämtern  tätigen  älteren  Träger 
dieses  Namens  identisch  ist.  imd  dass  wir  —  im  Gegensatz  zu  Wolters 
—  mit  der  Datierung  hier  nicht  über  die  Zeit  des  Marcus  heruntergehen 
dürfen. 

Eine  weitei'e  chronologische  Schwierigkeit  ist  darin  gelegen,  dass 
Wolters  (S.  296)  bei  dem  iaT[Qa]Ts[v^iievog  ölg  y.aiä  ÜEQaüv.  was  doch 
nach  seinen  eigenen  AVorten  ,zwei  rasch  aufeinander  folgende  Parther- 
kriege"  voraussetzt,  an  die  parthischen  Feldzüge  des  Septimius  Severus 
(194—196;  dann  197—199)  und  des  Caracalla  (214—217)  denken  muss, 
die  zeitlich  mindestens  fünfzehn  .Jahre  auseinanderliegen '-).  Wer  an  dem 
severischen  Zuge  teilnahm,  gehörte  zi;r  Zeit  Caracallas  wohl  kaum  mehr 
zu  den  vsaviai,  welche  nach  Herodian  in  dem  lakonischen  und  pitanati- 
schen  Lochos  Aufnahme  fanden,  und  zu  den  vioi,  welchen  CIG  1253  den 
Neikokles  zuzählt.  In  CIG  1495  (S.  359  n.  3)  erregen  die  Worte  ei- 
T  i'ye  a  TUT  r^p  fTi'j'Ha;^/ßj' Bedenken,  wenigstens  wenn  dies  auf  den  Schluss- 
erfolg des  parthisehen  Krieges  der  .Jahre  214 — 218  gehen  soll,  der  bekannt- 
lich mit  der  Ermordung  Caracallas  und  einem  von  Macrinus  nach  schwei-en 
Niederlagen  schimpflich  ei-kauften  Frieden  endete. 

So  wenig  wie  die  chronologischen,  wollen  auch  die  sachlichen  Indi- 
zien zu  Wolters' Annahme  stimmen.  Dass  Unfreie,  noch  dazu  Staats- 
s  k  1  a  V  e  n ,  die  für  den  Sicherheitsdienst  in  der  Heimat  schwer  entbehr- 
lich waren,  wie  der  öi]fi6aiog  Neikokles  oder,  wenn  die  Ergänzung  richtig 
ist,  der  dyor/ög  Antipatros.  in  jenen  Lochoi  Caracallas.  die,  ohne  dringende 
Not  lediglich  durch  kaiserliche  Laune  ins  Leben  gerufen,  schon  durch  ihre 
pomphafte  Benennung  stolze  Erinnerungen  an  Spartas  alte  Grösse  erwecken 

1)  Ann.  Brit.  Schooh  XV  100. 

2)  V.  Chapot  a.  a.  0.  p.  95,  4  möchte  lieber  an  die  Züge  des  Caracalla  und  des 
Severus  Alexander  denken. 

24* 
9 


364  Antan  r.  Premersfein, 

sollten,  Aufnabme  fanden,  ist  wunderlich  genug,  mag  aber  immer  noch 
hingehen.  Grössere  Bedenken  erregt,  wie  Wolters  selbst  zu  erkennen 
scheint,  die  Bewaffnung  des  M.  Aurelios  Alexys  auf  seinem  Relief 
(n.  1),  so  die  auf  die  Brust  beschränkte  Panzerung  und  namentlich  die 
höchst  absonderliche  Keule,  durch  welche  er  als  Leichtbewaffneter  charak- 
terisiert wird.  Die  Jünglinge  des  Aay.ojviy.ög  y.ai  niTavÜTi]g  ^m'/oq  waren 
zweifelsohne  schwergerüstete  Hopliten,  welche  gleich  der  zur  selben  Zeit 
aufgestellten  makedonischen  Truppe,  die  nach  Dios  Schilderung  (LXXYII 
7,  1  f.)  in  der  Weise  der  Phalangiten  Alexanders  des  Grossen  ausgerüstet 
war,  in  der  Phalanx  kämpften  und  in  ihrer  Bewaffnung  das  altlakonische 
Vorbild  getreu  kopierten.  Wolters  ist  sicher  im  Unrecht,  wenn  er  Hero- 
dians  Ausdruck  Ton  der  „spartanischen  Phalanx''  (IV  9.4;  oben  S.  360) 
als  „offenbar  ungenau"  bezeichnet  (S.  297.  1)'). 

Alle  hier  auseinandergesetzten  Schwierigkeiten  schwinden,  wenn  wir 
die  Erwähnungen  der  lakedaimonischen  aTQUievaduevoi  y.arä  IliQawv. 
vor  allem  in  Dessaus  n.  8878  (n.  1)  und  CIG  1253  (n.  2).  auf  den  Partherkrieg 
imter  Marcus  und  Verus  (161 — 166)  und  —  zumal  im  Falle  des  f(7r[^a]- 
Te[v\fiEvog  die,  —  auf  jenes  wenig  bekannte  zweite  Parthkiun  bclhoii,  wel- 
ches nach  Vifa  Marci  22.  1  im  J.  172  drohte  (u.  Abschn.  III),  beziehen. 
Auch  die  öiojyiÜTai  der  Ideinasiatischen  Städte  wurden,  wie  wir  sehen 
werden,  zweimal  —  zum  Partherkrieg  des  Verus  und  zwischen  169/172  — 
aufgeboten.  In  dem  jungen  Dioskoras,  der  auf  der  Heimkehr  zu  Hiera- 
polis  —  zweifellos  dem  syrischen  —  starb  (CIG  14:9b;  oben  S.  359  n.  3), 
könnte  man  ein  Opfer  der  furchtbaren  Seuche  erkennen,  welche  das  zu- 
rückkehrende Heer  des  Verus  westwärts  verschleppte  -).  Dazu  stimmt, 
dass  das  eim'xeorÜTi]  in  der  nämlichen  Inschrift  auf  einen  durch  nam- 
haftere Siege  ausgezeichneten  Feldzug.  also  wohl  auf  jenen  des  Verus 
(J.  161  ff.)  schliessen  lässt,  während  es  bei  dem  zweiten  Anlass,  im  J.  172. 
wohl  kaum  zum  Zuschlagen  gekommen  ist. 

Die  Konskription  in  der  sonst  von  Truppenstelluug  befreiten  riiifas 
foederafa  Sparta,  welche  unter  Caracalla  einer  archaisierenden  Laune  des 
Herrschers  entsprang,  erfolgte  unter  Marcus  im  Drange  der  herrschenden 
Truppennot.  In  ihrer  Verlegenheit  nützte  die  Regierung  wohl  gerne  die 
nationale  Begeisterung  aus,  die  sich  bei  den  griechischen  Bundesgenossen 

1)  Wolters'  Behauptung  (S.  298).  .Hopliten  würden  .  .  .  neben  den  Legionaren 
schwerlich  haben  Verwendung  finden  können",  wird  schon  durch  Dios  oben  auge- 
führte Beschreibung  der  Alexander-Phalanx  Caracallas  widerlegt.  I'ebrigens  kam 
die  Taktik  der  Phalanx  seit  Hadrian  —  theoretisch  namentlich  durch  die  Militär- 
schriftstellerei  des  Flavius  Arrianus  —  zu  neuen  Ehren  und  wurde  im  Orient  selbst 
bei  den  Legionen  ^vieder  praktisch  angewendet.  Tgl.  Marquardt  -  v.  Domaszewski, 
Staatsverw.  IV-  594  ff.,  bes.  S.  596  f. 

2)  Tgl.  bes.  Dio  LXXI  2,4  (zum  J.  165):  [Käoaiog)  iv  yi  ßl,y  r;/  vrioaTQoifi'i  7i/.ei- 
<jTOig  TÜJi'  aTQcaiwzCov  iviö  hpiov  acd  voaov  AnsßaÄei:  rmiVÖaTifii  d  uiau^  f.-  riiv  _i- 
()iav  /Lierä  xüiv  i.oinäir  axQttntuzOir;   Vita  Marn  8, 1. 

10 


Uiitcrsuchii)i(/cii  si(r  Geschichte  des  Kaisers  Marcus.  365 

für  den  Kannit'  y.uiü  Ihoaojv  kuiuljrab '),  zumal  in  Sparta,  wo  die  Teil- 
nahme daran  in  der  Folge,  wie  die  Denkmäler  zeigen,  als  besonderer 
Ruhmestitel  geschätzt  wurde  und  dem  Staatssklaven  Xeikokles  sogar  die 
Ehre  öffentlicher  Speisung  einbrachte.  Dass  schon  zur  Zeit  des  Parther- 
krieges des  Verus  Aushebungen  in  Griechenland  mindestens  geplant,  wohl 
auch  tatsächlich  durchgeführt  wurden,  dafür  spriclit  Polyainos  stratecj.  I 
pi-aef.  J;  2,  der  den  Kaisern  anlässlich  des  üegatbi'  y.cci  TJao^vatcov  jiöZe- 
fiog  (oben  S.  360  A.  3)  sein  Buch  widmet,  gewissermassen  als  Ersatz 
dafür,  dass  er  nicht  mehr  selbst  Kriegsdienste  leisten  kann :  ei  füv  ijy.fiatE 
fioi  TÖ  aüfia,  xal  arQaTiöjTtjQ  jTQÖ&vfiog  up  iyevöfirjV  May.eöovixi]  ^(bftt] 
XQMftsvog.  Die  damals  nach  CIG  1495  (n.  8)  eig  xijv  eirvx£(JTdTr/v  avv- 
uayiuv  berufenen  Spai-tiaten  bilden  also  ein  Seitenstück  zu  dem  avfiuaxog 
öiioyfteirrjg.  den  ein  städtischer  Würdenträger  des  phrygischen  Aizanoi 
um  das  J.  165  dem  Verus  zur  Verfügung  stellte  (Dittenberger.  Or.  f/r.  II 
n.  511  :  u.  Abschn.  III).  Noch  gi-össer  aber  war  der  Mangel  an  Wehr- 
fähigen seit  dem  J.  169,  zur  Zeit  also,  wo  neben  dem  Bellum  Germanicum 
und  zahlreichen  anderen  Verwicklungen  in  verschiedenen  Teilen  des  Reiches 
noch  die  Gefahr  eines  neuen  Partherkriegs  entstand.  Nach  Vita  Marci 
21.  6 — 8,  einer  Stelle,  die  dem  vorzüglichen  sachlich-historischen  Bestand 
angehört,  verschmähte  man  damals  neben  Gladiatoren  und  Freibeutern 
weder  Sklaven  noch  Polizeidiener,  wie  es  die  speziell  in  Asien  stehenden 
Diogmiten  waren:  (6)  servos,  queniudmodum  hello  Pnnico  factum  ftterat-), 
ad  militiani  paravit,  quos  voluntarios  exemplo  voloniim  appeUavit  ...  (8) 
armavit  et  dioemitas.  Unter  solchen  Verhältnissen  hat  die  jedenfalls  von 
der  spartanischen  Gemeinde  verfügte  Einstellung  von  Leuten,  die  —  wie 
der  örifiöatog  Neikokles  oder  der  äycoyög  Antipatros  —  zugleich  Staats- 
sklaven und  Polizisten  waren,  weiter  nichts  befremdliches.  Zu  ihnen  werden 
sich  noch  andere  Elemente  gesellt  haben :  die  Zahl  der  so  an  den  Par- 
therkämpfen beteiligten  Spartaner  wird,  wie  auch  Wolters  (S.  297)  richtig 
bemerkt,  nach  den  erhaltenen  Spuren  nicht  allzu  gering  anzuschlagen  sein. 
Die  Stellung  der  aus  der  civitas  foederata  Konskribierten  im  Heere 
war,  wie  CIG  1495  (n.  3)  ausdrücklich  bezeugt,  die  von  Bttndnern  (avfi- 
fiaxoi,  bei  Hygin  symmacharii) ^),  die  als  irreguläre  Leichtbewaffnete, 


1)  Der  Parthersieg  des  Verus  gab  den  athenischen  Epheben  Veranlassung,  die  Feier 
des  Tages  von  Plataiai  zu  erneuern,  F.  W.  Ungar.  Iwan  v.  Müllers  Uandh.  I-  761  f. 

2)  Aehnlich  unter  Augustus  im  J.  6  n.  Chr.:  V.  Gardthausen,  AugustuxW  776  f., 
2-5;  unter  Hadrian,  Vita  H.  18.  7.  Vgl.  im  allg.  Marquardt-v.  Domaszewski.  Staatsrenc. 
n  ä  433  mit  A.  4—6. 

3)  Auch  die  Angehörigen  der  in  Roms  Klientel  stehenden  Stämme  sowie  der 
unabhängigen  Barbareureiehe  dienen  als  aifiiacr/oi  (seit  dem  4.  Jahrh.  auch  lateinisch 
bezeugt :  foederati) ;  vgl.  Mommsen,  Hermes  XXII  547  ff.  (=  Ges.  Sehr.  VI  S.  145  (f.), 
bes.  S.  550,  4  (=  S.  148.  3);  XXIV  217  mit  A.  3  (=  Ges.  Sehr.  VI  226  m.  A.  5);  meine 
Bern.  Klio  Beiheft  VIII  63.  1.  Zur  Stellung  der  aiuttct/oi  in  der  Marsch-  und  Lager- 
ordnung s.  V.  Domaszewski   in    der  Aitsr/abe  des  Hygiiuts  57  f. :    Marcus-Sdule  110,2. 

11 


366    Ä.  r.  Premerstein,   UntersKchiau/eii  sur  GescJiicIde  des  Kniscis  JLimts. 

deren  einen  das  Belief  des  M.  Aurelios  Alexys  (n.  1)  zeigt,  formiert  und 
verwendet  wurden.  Im  Drange  der  Verhältnisse  standen  weder  Zeit  noch 
Mittel  zugebote.  sie  so  sorgfältig  auszurüsten  und  einzuexei-zieren,  wie  dies 
Dio  (LXXVII  7.  1  f. :  18,  1)  von  der  makedonischen  Phalanx  des  Cara- 
calla  berichtet.  So  wird  es  denn  auch  begreifiich.  wenn  Alexys  auf  seinem 
Relief  eine  so  eigentümliche  Waffe  führt,  wie  die  Keule,  welche  nach 
den  von  ^^'olters  (S.  298  f.)  zusammengestellten  Zeugnissen  auf  griechi- 
schem Boden  in  historischer  Zeit  sonst  kaum  jemals^)  —  jedenfalls  aber  nicht 
bei  den  Spartiaten  —  zur  ordentlichen  Kriegsausrüstung  gehörte  und  auch 
im  römischen  Heeresverbande  in  aller  Regel  nur  barbarischen  Hilfstruppen 
letzten  Ranges  zukam'-).  Die  Keule  {y.oQvvij)  war  eben  die  Spezialwaife 
der  Polizisten,  gleichviel  ob  diese  Staatssklaven  {örifiöaioi}^)  waren,  wie 
jener  Neikokles.  oder  Freigeborene,  wie  etwa  M.  Aurelios  Alexys.  der  einen 
Theon  als  Vater  nennt:  insbesondere  waren  auch  die  öicoytuTat  in  den 
asiatischen  Landschaften  höchst  wahrscheinlich  damit  ausgerüstet^).  Bei 
ihrer  Einreihung  als  avfifiayoi  war  es  nur  praktisch,  ihnen  die  schon  im 
Frieden  vertraute  Waffe  zu  belassen. 
Athen. 


1)  lu  der  Form  wesentlich  verscliieden  sind  die  von  Eeinaeh  a.  a.  0.  p.  271  beran- 
crezocenen  Knüttel,  welclie  auf  thessalischen  Münzbildern  erscbeineu. 

2)  Wolters  S.  299  mit  A.  -5:  E.  Saglio,  Dict.  des  ant.  I  1237  f.  (Traianssäule).  Nach 
Zosimos  I  53,  2  f.  (angeführt  von  Chapot  a.  a.  0.  p.  95.  3)  hatten  im  Kampfe  Aure- 
lians  o-ewen  Palmp-a  die  Truppen  aus  Palästina  ausser  den  anderen  Waffen  xoQiiui 
xal  Qoniü.K. 

3)  Ueber  ihre  polizeilichen  Funktionen  Thalheim.  S.E.  V  161  f.:  W.  Liebenam. 
Städfeeerw.  296,  2;  I.  Levy,  Beviie  des  et.  gr.  XII  (1899)  287,  3;  G.  Cardinali,  Eendi- 
conti  delV  Acc.  dei  Lincei,  sc.  mor.,  serie  V,  XVII  (1908)  1-57 ;  164.  In  Aegypten  heissen 
Stjfiöatoi  die  Dorfvorsteher  und  ihr  Polizeipersoual :  Mommsen,  Strafrecht  307,  1 ;  J.  G. 
Milne,  A  histonj  of  Eyypt  tnider  Eomaii  rule  (1898)  212;  N.  Hohlwein,  Miisee  helge 
VI  (1902)  161;  162  f..  3;  166,4;  IX  (1905)  189  ff. ;  394;  gegen  diesen  U.  Wilcken, 
Archiv  für  Papyrusf.  IT  223  u.  87  und  (nunmehr  zustimmend)  ebda.  V  441.  Vgl. 
Pollux  onom.  III  83 ;  ßfraSi-  öi  i/.evSt^wv  xal  6ov'/.wv  ol  ■  ■  ■  Xtxvovliuv  xoQvrijtfÖQot ; 
zu  diesen  G.  Busolt,  Gnech.  Gesch.  1-  211;  216,  2;  Liebenam  a.  a.  0.  S.  358.  Keulen- 
träger  {xoQviTjifÖQOi)  sollten  auch  die  Leibgarde  des  Peisistratos  bilden ;  die  Belege 
bei  6.  Busolt,  Griech.  Gesch.  11-  Sil,  1.  dazu  St.  Waszynski,  De  servis  Athen,  jiiihlicis 
(Diss.  Berlin  1898)  27. 

4)  Zur  Bewaffnung  der  d.,  welche  Ammianus  Marc.  XXYII  9,  6  semiermes  nennt, 
mit  fxAycuQfu  (Schwertern)  und  civ.«  (offenbar  Keulen)  s.  0.  Hirschfeld,  Berliner  Sit- 
sungsber.  1891  II  S.  873  mit  A.  138  ö'.  Wie  R.  Cagnat.  T>e  ninnicii).  et  jjrorinc.  vii- 
litiis  (Paris  1880)  39  und  Hirschfeld  a.  a.  O.  A.  142  bemerkten,  werden  die  xo()vni- 
(fÖQOi  naQÜ  Toi:  f('()j;ro^i'/.c|n'  bei  Libanios  orat.  XLTIK  9  (ngög  zi^v  {iovh'iv)  II  p.  530 
R.  (III  p.  433,  1  s.  ed.  Foerster)  von  den  önuyfttrai.  welche  den  Eirenarchen  zurseite 
standen,  schwerlich  verschieden  sein. 


12 


367 


Oll  Rome's  conquest  of  Sabiiiiim,  Picenum  and  Etruria. 

l^y  Tciiiu'y  Frank. 

The  generally  accepted  view  of  Rome's  methoil  of  .subjuifating  and 
clisposing  of  tlie  Sabines  in  the  tbird  Century  B.  C.  is  now.  apparently, 
the  one  given  by  Moniiusen  in  CIL  IX,  p.  396.  To  outline  briefly.  Mommsen 
bolds  that  in  290  B.  C.  the  Romans  devastated  the  Sabine  country,  driv- 
ing  out  most  of  the  natives  {pJurimos  externünuriint) ;  tbey  then  assigned 
a  part  of  the  conquered  territory  to  their  own  Citizens,  without  the  for- 
mality  of  colonization,  sold  sonie  of  it,  but  kept  the  greater  part  as  public 
land  for  the  sake  of  revenue.  A  few  natives  were  left  in  undisturbed 
possessioD  of  their  lands,  and  given  Rouiau  citizenshi]) :  —  half  rights. 
immediately,  and  füll  rights  in  268. 

If  one  examines  all  the  trustworthy  evidence  now  available,  however. 
I  think  one  must  arrive  at  quite  a  different  conclusion.  naiuely,  that  the 
native  Sabines  were  left  in  the  possession  of  most  of  their  land,  being 
by  degrees  admitted  into  füll  citizenship,  and  that.  though  a  part  of  their 
territory  was  taken  as  war  indemnity,  we  are  not  justified  in  assuming 
that  Rome  assigned  any  of  the  Sabine  land  to  her  own  Citizens  with  or 
without  colonization,  nor  sold  any  part  of  it  at  that  time. 

\Ve  need  not  trouble  ourselves  to  prove  that  the  inhabitants  of  Sa- 
binum  were  Roman  Citizens  at  least  after  225  B.  C. ').  The  fact  is  geu- 
erally  acknowledged.  The  question  is  whether  or  not  those  Citizens  Avere 
native  Sabines.  The  documentaiy  evidence  is  as  follows:  Velleius  I,  14 
says  explicitly:  31.' Cnrio  et  llufino  Cornelio  consuUbus  (290)  Sabinis  sine 
suffragio  data  civitas,  .  .  .  Scmprciuo  Sopho  et  Appio  considihns  (268).  siif- 
fragi  ferencU  ins  Sabinis  ilaf/mi.  ("icero  says  on  two  different  oceasions 
(De  Off'.  I,  3.5.  and  Pro  Balh.  31)  that  citizenship  was  early  given  to  the 
Sabines,  and  Livy  (XL.  46,  12  and  XLII.  34.  2)  relates  incidents  that  con- 
tain  tlie  same  Information  by  implication.  This  combined  testimony  of 
independent  sources  not  only  makes  it  clear  that  at  least  some  portions 
of  the  Sabine  people  were  early  given  Roman  citizenship  but  it  leaves  a 

1)  Niese,  E.  G.*  p.  71,  on  tlie  strength  of  Pol.  II,  24,  assumes  that  the  Sabines 
were  still  allies  in  22.5.  Considering  however  that  Polybius  probably  includes  the 
Picentes  and  Praetuttii  under  the  term  Sabini,  and  that  at  best  their  number  is  ex- 
ceedinglv  small.  this  one  passage  alone  can  hanlly  bear  the  bürden  he  places  upon  it. 

1 


368  Touicy  Franh. 

strong  presumption  tbat  in  tlie  lirst  Century  B.  C.  the  belief  was  preva- 
lent  that  the  Sabines  as  a  wbole  were  left  in  possession  of  tlieir  country 
and  gi-anted  Roman  rights. 

In  Support  of  these  explicit  affimiations  we  may  add  a  number  of  less 
direct,  nevertheless  noteworthy  considerations. 

1)  Strabo  for  instance  has  uo  idea  that  the  original  inhabitants  were 
supplanted  by  the  Romans,  as  is  apparent  from  his  words  in  Bk.  V,  228 
eoTi  de  y.cä  aa/.aiÖTaTOi'  yh'og  ol  ^aßh-oi  y.al  aVTÖ/ß-oreg  ....  uvTsay^op 
fiiXQt  TToög  TOP  Tianövia  ynövov.  He  apparently  includes  as  the  cities 
of  this  stock  all  the  well-known  municipalities  of  the  Sabine  region. 

2)  Livy  XX^TII,  4.5.  19.  by  recording  the  otfers  of  vohmteers  from 
the  JSursini,  Beaiini  et  Aiiiifenihü  Sabinusque  ontnis  ager  among  those  of 
the  Umbrian  and  other  SabeUic  peoples.  implies  at  least  that  these  are 
of  non-Roman  stock,  otherwise  the  offer  would  hardly  have  seemed  worthy 
of  special  note. 

3)  Evidence  of  a  different  natnre  may  be  gathered  from  Schulten's 
studies  of  some  Italic  names  as  presented  in  Klio,  II  and  III.  From  his 
Hst,  it  is  apparent  that  the  percentage  of  peeuliarly  Sabellic  names  in 
(i)edii(S  and  kHug  is  nearly  as  large  for  inscriptions  from  Sabinum  as  for 
those  of  the  neighboring  tribes  wbose  native  stock  unquestionably  remain- 
ed  undistiu'bed.  If  the  percentage  is  not  quite  as  large.  the  explanation 
lies  in  the  fact  that  this  district  was  so  near  Rome  that  it  atti-acted  a 
considerable  immigi-ation  from  the  city.  Conway's  list  of  personal  names 
[If.  DM.  p.  367)  will  in  convenient  form  furnish  material  for  additional 
linguistic  proof. 

4)  The  political  Organization  of  Sabinum  also  leuds  support  to  our 
contention  ^).  Festus  (il.  233)  includes  Reate  and  Nursia  in  a  list  of  pre- 
fectures,  all  of  which,  with  one  late  exception.  consisted  of  native  Italic 
peoples  who  had  early  been  given  half  citizenship  by  Rome.  Further- 
more,  inscriptions  show  that  the  Sabine  towns  of  Amiternum.  Xursia.  Tre- 
bula  and  Interamnia  Praetuttiorum  employed  the  peculiar  niagistracy  of 
the  octovirate  -),  a  fact  that  is  more  easily  explained  ou  the  assumption 
that  it  was  a  survival  of  a  native  form  of  sovernment  in  that  region  than 


1)  Since  Niese  has  proved  that  the  Campanian  cities  were  foederata  and  not  in- 
corporated  into  the  Roman  domain  before  210  B.  C,  it  follows  that  we  must  also 
bring  down  the  date  of  the  Campanian  prefectures  to  210.  If  we  now  esamine 
Festus'  lists  from  this  point  of  view,  we  find  that  the  distinetion  between  his  two 
classes  may  fundamentally  have  been  a  chronological  one,  since  the  second  group, 
with  one  peculiar  exception,  dates  before  290,  while  the  first  class  dates  after  210. 
If  this  difference  actuaUy  points  to  a  historical  change,  there  is  further  siguificance 
in  the  presenee  of  the  Sabine  prefectures  here. 

2)  Plestia  in  Umbria  is  so  near  the  Sabine  country  that  the  presenee  of  octovin 
there  may  point  to  a  Sabine  origin  of  the  town. 


On  Eome's  coiK/iicsf.  of  Sahiniini.  Vinnum  and  Efniitn.  369 

that  it  Wiis  üf  Roman  invention,  .since  it  does  not  seem  to  occiir  in  iiiiini- 
cipalities  organized  by  the  Romans  at  this  time. 

5)  Finally,  I  woiild  point  to  the  streng  probability  tliat  Home  did 
not  thus  eai'ly  so  disi'egard  her  treaty  obligations  with  her  Italic  allies 
as  to  take  land  in  Italy  for  her  own  use,  whether  for  assignation  to  in- 
dividual  Citizens,  for  sale,  or  for  the  Roman  public  domain.  This  point 
has  not  been  made  before,  I  think,  and  it  cannot  even  be  established  ab- 
sohitely,  but  a  survey  of  Roman  policy  so  far  as  it  can  be  dctermined  for 
the  Century  following  the  Latin  war  will  at  least  establish  a  probability 
that  during  that  period  Rome  fairly  dividcd  the  fruits  of  war  with  her 
allies,  i'eserving  for  herseif  —  and  doubtless  by  explicit  stipulation  —  only 
the  special  privilege  of  planting  small  maritime  colonies  of  300  trust- 
worthy  Citizens  at  critical  coastal  points. 

The  füll  discussion  of  this  statement  miist  rest  at  present,  with  only 
an  indication  of  the  chief  evidence.  We  know  for  instance  that  the  al- 
lies, at  least  during  the  third  centuiy,  shared  not  only  as  individual  sol- 
diers  in  the  railitary  donatives.  but  also  as  communities  in  the  apportion- 
ment  of  booty  to  the  municipal  treasuries  (Beloch.  It.  Bund,  217  ;  Mommsen 
St.  R.  III  680).  Now  the  most  important  material  fruit  of  a  war  was  a 
portion  of  the  land  taken,  according  to  an  old  Italic  practice,  by  way  of 
war  indemnity.  Many  ineidental  references  naturally  lead  to  the  conclu- 
sion  that  the  allies  also  shared  fairly  in  the  distribution  of  this  form  of 
booty.  The  evidence  *)  is  well  known,  and  should,  I  think,  satisfactorily 
prove  that  the  clause  relating  to  the  booty  in  the  so-called  foedm  Cas- 
sianiüu  ^)  was  also  incorporated  in  the  new  treaties  signed  with  the  Lat- 
ins  and  Campanians  about  340 — 38,  and  probably  in  most  of  the  Italic 
treaties  made  before  the  Pyrrhic  war. 

The  reason  why  this  apparently  logical  conclusion  has  not  long  ago 
been  accepted  seems  to  be  that  the  annals  contained  so  much  regarding 
the  distribution  of  Roman  public  lands  to  poor  Citizens  that  the  historian 
seemed  compelled  to  assume  some  source  for  the  accpiisition  of  so  much 
land.  Most  of  these  references,  however,  can  now  be  disregarded  as  an- 
achronistic  (Niese,  Hermes  23  p.410).  A  brief  examination  of  Rome's  method 
of  disposing  of  captui-ed  land  during  the  Century  following  340  will  prove 
that  she  must  have  been  obeying  some  such  regulation  as  we  have  as- 
sumed.  A  few  new  hibus  of  Roman  Citizens  were,  to  be  sure,  formed, 
but  in  such  a  way  as  to  betray  the  fact  that  Rome  had  not  a  free  band. 
The  Maecian  and  Scaptian  tribes  (332  B.  C).  whether  settled  by  new  as- 
signments,    or,    as  is  more  likely,  simply  organized   for    the   reception    of 

1)  See  Serv.  Aen.  I.  12;  Liv.  42,4:  84,42;  33.24,  Lex  a/jr.  1.  29  etc.,  also  Momm- 
sen St  R.  II  636. 

2)  Dating  the  treaty  af'ter  390,    but  considering  it  otherwise   in   the  main  as  an 
authentic    document. 


370  Tenneij  Frank. 

newly  ineorporated  municipalities  like  Laimvium,  came  into  esistence  with, 
and  not  subsequent  to,  the  new  alliances.  The  B'alerna  and  Oufentina, 
though  settled  as  late  as  318,  were  also  established  on  land  tliat  ac- 
crued  to  the  state  prior  to  or  with  the  settlement  of  338.  The  Aniensi.s 
and  Teretina  apparently  grew  out  of  a  resettlement  with  the  Hernici  of 
a  foedus  that  antedated,  and  was  therefore  independent  of,  the  new  al- 
liances of  338.  Obviously  338  marks  a  change  in  Rome's  method  of  creat- 
ing  tribes.  The  same  date  to  be  sure  introdaces  the  citizen-colony  for 
coastal  defence.  bnt  here  too  there  is  an  arbitrary  limit  biuding  the  num- 
ber  of  participauts  down  to  300  colonists,  and  only  nine  such  colonies 
were  founded  during  the  Century.  Surely  these  limitations  are  due  to 
some  clause  by  which  Rome  bound  herseif  not  to  take  land  for  her  own 
use.  This  becoraes  the  more  probable  wheu  we  find  that  dui-ing  the  Cen- 
tury twenty-one  large  Latin  colonies  covering  an  area  of  about  three  and 
a  half  million  iit(/era  were  opened  for  the  common  settlement  of  allies 
and  Romaus  together.  The  bearing  of  this  conclusion  upon  the  Sabine 
question  is  at  once  jjatent.  If  Rome  bound  herseif  by  the  Italic  treaties 
foUowing  the  Latin  war  to  shai'e  lands  as  well  as  otlier  booty  with  her 
allies,  and  if  she  is  found  in  general  adhering  to  such  a  rule  at  least 
well  into  the  third  Century,  it  is  then  not  likely  that  the  Sabine  lands 
were  disposed  of  on  a  very  different  principle.  This  poiut  having  been 
established.  it  follows  that  the  people  who,  according  to  Yelleius,  received 
citizenship  in  290  and  268  were  no  other  than  the  native  Sabines,  who 
had  in  fact  been  left  in  imdisturbed  possession  of  most  of  their  country. 

The  foregoing  is.  I  think.  a  summary  of  the  most  reliable  evidence 
upon  the  main  question  of  what  Rome  did  with  the  native  Sabines  after 
the  conquest  in  290;  and  it  seems  to  me  far  to  outweigh  tlie  contradict- 
ory  citations  upon  which  the  more  prevaleut  view  is  based,  namely  that 
the  native  Sabines  were  largely  driven  out.  These  citations,  all  late  and 
from  an  inferior  annalistic  tradition  center  about  several  anecdotes  regard- 
ing  M'  Curius  Dentatus.  The  substance  is  found  in  Orosius  III.  22;  Flo- 
rus  I,  10;  Val.  Max.  IV,  3,  5;  Vir.  iU.  33,  14;  Frontinus  Sind.  IV.  3,  12: 
Plut.  JRom.  Äpoth.  I;  and  Colum.  praef.  I,  14.  According  to  the  anecdotes 
found  here,  Curius  after  the  conc[uest  of  Sabinum  —  some  add  Samnium 
and  Pyi-rhus  —  in  reporting  bis  victory  to  the  Senate  said  that  the  terri- 
tory captured  was  so  great  that  he  could  not  adequately  express  the  ex- 
tent  of  it.  A  part  of  this  territory  (Sabinum  is  s])ecifically  mentioned  by 
some)  he  divided  among  the  Citizens  viritim  (Frontinus  says  soldiers)  giv- 
ing  seven  jitgera  to  each  man  {V/r.  iU.  says  fourteen)  himself  accepting 
one  share,  upon  which  he  later  lived  in  all  simplicity. 

Xow  it  is  evident  that  this  material  eomes  from  encomiastic  biograph- 
ical  reworkings  of  confused  annalistic  sources  which  were  quite  oblivious 
to  the  requirements    of  historical    accuracy.     In    fact    the    setui-legendary 


On  Bomc's  conqnrsf  of  Sahiniim,  Pkeniim  iivd  Etrurin.  :'.71 

character  oi'  Curins  Dentatiis  was  i)articiilai-ly  inviting  to  the  moralizin«; 
bioffrapher  as  well  as  to  the  niiracle-monger  (cf.  Pauly-Wissowa  IV  184). 

The  story  does  not  bear  critical  scrutiny.  When  the  biographer  (e.  g. 
Plut.  1.  c.)  represents  Curiiis  as  assigning  a  part  of  the  lanrl  to  Roman 
Citizens  1)ut  fletermining  tbat  the  main  portion  shall  1)6  left  as  public  do- 
main,  he  pictures  bim  in  the  role  of  a  Caesar  or  at  least  a  Sulla  who 
assunies  both  legislative  and  censorial  functions,  and  he  forgets  tbe  con- 
stitutional  impossibility  of  such  an  act  in  the  third  Century.  Nor  is  the 
story  of  Curius  accurate  in  chronological  details.  Mommsen  has  already 
remarked  {Büiii.  F.  II  ,372)  that  Livy  and  the  Fasti  ai-e  so  erroneous  as 
to  place  the  conquest  of  the  ac/er  GalUcKS  of  284  in  the  first  consulship 
of  Curius,  that  is,  in  the  sarae  year  as  his  ^^ictory  over  Sanmium  and  the 
Sabines.  It  is  probable  in  fact  that  it  was  this  error  of  the  annalists 
which  mislead  the  biographers,  and  that  the  vast  territory  said  to  have 
been  brought  into  the  public  domain  —  if  indeed  the  story  has  a  kernel 
of  truth  —  was  that  very  a(/er  GalUcxs.  Or  tbe  story  may  in  the  begin- 
ning  even  have  referred  to  the  conquest  of  Saninium  in  290  and  the  col- 
onization  of  Hadria  in  the  Praetuttian  territory  in  289,  for  it  is  a  well- 
known  fact  that  the  annalists  often  confused  the  Samnites  (who  called 
theniselves  Safini,  and  who  were  also  called  SaheUi  by  the  Romaus)  with 
the  Sahini  *)  and  further  that  Sabinum  was  often  conceived  of  as  extend- 
ing  to  the  Adriatie  coast  (ef.  Florus  I.  10.  and  Pliny  N.  H.  III  11.5). 
These  stories  therefore  belong  to  late  moralizing  fiction  and  cannot  safely 
be  used  by  the  historian ;  certainly  they  have  little  weight  against  the 
firmer  authorities  which  they   eontradict. 

As  for  the  extent  of  the  r/r/er  puhlicus  in  Sabinum  we  have  fairly 
trustworthy  evidence  as  follows.  Siculus -)  Flaccus  (FeWw.  136  — 7)  says 
that  in  the  region  of  Reate  there  was  some  public  land  called  the  wontcs 
Hoiuani,  the  rental  of  which  accrued  to  the  public  treasury,  furthermore 
that  a  part  of  the  Sabine  land  was  called  «(/er  ^)  qucwstorius,  being  divid- 
ed  into  fifty-jugera  lots  and  leased  by  the  qnaestor.    Hyginus  [ihirl.  114) 


11  Cf.  Belocli  in  Eii:  Stör.  Aiit.  IX,  p.  269;  Sonnenschein  in  Conway,  It.  Dial. 
p.  683;  Niese,  Hist.  Zeit.  1888,  p.  503. 

2)  This  passage  of  Flaccus  can  safely  be  used  only  in  so  far  as  it  indicates 
conditions  existing  in  his  day.  The  main  statement  is  raeant  to  be  a  general  intro- 
duetory  summary  and  not  necessarily  accurate  as  to  chronological  sequence.  Momm- 
sen utterly  ehanges  the  purport  of  the  whole  passage  by  his  brackets  in  CIL.  IX, 
p.  396. 

3)  One  cannot  conclude  from  Flaccus  that  Rome  immediately  appropriated  the 
land  and  began  to  lease  it.  It  niay  have  been  uiidisposed  of  for  a  long  period, 
and  later  when  Rome  began  to  use  such  unassigned  lands  for  the  benefit  of  the 
treasur\'  she  niay  have  converted  it  into  ager  quaestorius. 

The  portion  here  referred  to  cannot  be  assigned  to  the  city  of  Cures  on  the 
strength  of  Hb.  col.  11  2-")3,  as  is  done  in  CIL.  IX  p.  396.  for  that  passage  is  proved 


372  Tciuiet/  Franl;, 

bears  out  the  first  part  of  tliis  in  a  t'ragmentaiy  line :  nani  d  ra/ione 
Bcatina  sunt  loca  p.  B.  Frontinus  (ihld.  21)  may  refer  to  the  same  re- 
gion  in  the  words  Silvas  qiias  ad  popuJum  Bomanum  jxrtinere,  for  he  lo- 
cates  the  woods  e.r  proximo  in  Sabinis  in  Monte  Mutela.  This  is  the 
sum  total ')  of  the  evidence  outside  of  the  annalistic  aneedotes,  and  it  is 
fairly  uniform  in  pointing  to  a  limited  wooded  district  in  the  regioa  of 
Keate  as  belonging  to  the  public  doraain'^).  How  extensive  the  above- 
mentioned  «//fr  quacsforixs  was  we  cannot  determine.  but  if  either  this  or 
the  other  public  domain  in  Sabinum  had  been  as  extensive  as  Plutarch's 
anecdote  supposes,  we  should  certainly  have  heard  of  it  in  the  Century  of 
ci\'il  wai-s  when  every  factional  leader  was  searching  for  state-lands  with 
which  to  reward  his  troops  and  partizans. 

In  so  far  as  we  have  tried  to  revise  the  prevalent  view,  we  ma}'  sum 
up  the  story  of  the  Sabine  conquest  and  settlement  thus.  M'  Curius  Den- 
tatus  after  ending  the  Samnite  war  in  290,  invaded  the  country  of  the 
Sabines  and  Praetuttii  for  some  offense  not  now  known,  forced  them 
quickly  into  Submission,  taking  by  way  of  indemnity  a  strip  of  coast-land 
from  tbe  latter  and  at  least  a  strip  near  the  western  border  from  the  for- 
mer. The  coastal  strip  was  at  once  settled  by  the  eombined  allies  as  a 
Latin  colony  in  accordance  with  the  regulär  practice  of  the  time.  The 
portion  at  the  west  end  was.  perhaps  under  stress  of  other  business,  left 
unassigned  for  the  time  being.  Later.  when  Rome  became  more  negligent 
of  the  Claims  of  the  allies,  she  undertook  to  admüiister  this  tract  as  her 
own  public  domain.  perhaps  compensating  the  allies  in  some  measure  by 
the  means  indicated  in  the  lex.  Agr.  1.  29,  and  Cic.  (h  Bep.  III,  41.  A 
part,  epecially  the  timber  land,  was  rented  by  the  censor  in  the  usual 
manner,  a  part  was  administered  as  mjer  rpiaestoriiis  under  long-terra 
leases.  The  native  Sabines  as  a  whole  were  at  first  made  Citizens  without 
right  of  suifrage,  being  for  administrative  purposes  divided  into^)  pre- 
fectures  as  were  the  Volsci  and  Hernici.     Soon  however,  in  268  (consider- 


false  bj'  the  inscriptions  of  Cures.  Mommseu  has  elsewhere  said:  Der  myavinnte 
lib.  col.  II.  .  .  .  ist  so  diirch  und  durch  rjefahcht.  dass  es  nicht  der  Miihe  lohnt  duhei 
zu  venveilen,  Ges.  Sehr.  V.  p.  21-"). 

1)  Perhaps  the  famous  bed  of  the  lake  Veliims  near  Reate  should  be  included  in 
the  list,  since  Curius  is  eredited  as  having  drained  it  (Cic.  ad  Att.  IV,  15, 5),  but 
there  is  no  evidence  on  this  point.  Cicero's  reference  seems  to  prove  that  the 
municipalitj'  of  Reate  and  not  the  Roman  treasury-department  was  the  responsible 
administrator  of  the  region  in  his  day.     See  also  Tac.  Ann.  I.  79. 

2)  This  land  may  of  course  have  been  some  subseciva  dating  from  one  of  the 
man)'  imperial  land  distributions. 

3)  Besides  Reate  and  Nursia,  mentioned  by  Festus,  we  ean,  on  the  evidence  of 
CIL.  IX  9187  add  Amiternum;  and,  since  Livy  28,  4.5  mentions  the  ager  Salnnus 
together  with  these  three  as  offering  volunteers  in  205,  we  may  probably  with  Nis- 
sen {It.  Landesk.  II,  p.  479)  include  this  as  a  fourth. 


Oll  Biotic'n  amqia'st  of  Sahiintni.  Piceiiiim  (oiil  Etritria.  373 

ably  soonor  tliaii  tliusp  tril)esl,  they  were  givon  füll  citizenslii]).  Tlie  na- 
tives  of  the  nearest  i-cgions,  about  Cures  anil  Trebula,  were  probaljly 
assigned  at  once  to  the  old  ward,  the  Sergia  (Nissen,  /.  c.  p.  479).  while 
a  new  ward,  the  Quirina,  was  later  (241)  created  for  the  remainder,  in 
fact  as  soon  as  the  end  of  the  gruelling  Punic  war  gave  the  Komans  tinie 
to  eonsider  qnestions  of  internal  adniinistration.  As  for  the  remaining 
history  of  tliis  region  Mommsen  CIL.  IX  p.  396  may  be  followed. 

II. 

In  suggesting  some  slight  revision  of  Picentine  history,  I  would  bog 
leave  to  refer  as  a  basis  for  discussion  to  Beloch,  //.  Bund  p.  .55;  Momm- 
sen in  CIL.  IX  p.  480  if.,  and  Nissen  It.  LandesI,:  II,  1,  p.  410.  My  main 
criticism  is  that.  as  in  the  case  of  Sabinum,  a  niavked  tendeney  prevails 
to  over-state  the  change  that  Roman  occupation  brought^).  Strong  em- 
phasis  is  often  laid  upon  the  Import  of  the  title  of  Flaminiiis'  agrarian 
law  which  was  apparently  called :  de  iKjro  Piceno  et  GaUico  viritim  divi- 
dendo,  Cic.  Brid.  .57,  and  Ccdo  11.  The  implication  of  tliis  title  is  gen- 
erativ taken  to  be  that  Picenum  had  largely  been  eleared  of  its  native  -) 
population  in  the  same  way  as  the  old  fujer  GalUcits  from  which  the  Se- 
nones  had  been  driven  in  the  year  290.  That  this  inference  is  erroneous 
is  proved  by  the  very  explicit  phraseology  of  Polybius,  wbo  writes  that 
the  so-called  Picentine  territory  which  was  allotted  by  the  Flaminian  law 
w-as  situated  in  the  Gallic  country:  y.arEyJ.i]QOvxtjoai>  ev  ra/.aTi'a  li^i- 
niy.Ern'vTjV  ngoaayoQEVofiinii'  y/oQav.  l^  f/g  viy.tjaavTEg  E^ißa/.ov  Tobg 
S/jrovac.  II,  21,  7.  The  region  for  some  reason,  probably  becaiise  of 
previous  Picentine  ownership.  was  called  by  the  name  of  tliat  tribe.  but 
as  a  matter  of  fact  it  lay  between  the  Aesis  and  the  Rubico.  That  Po- 
lybius was  not  misnsing  the  word  Picentine  is  proved  by  several  other 
occurrences  of  it  in  the  same  sense.  Cicero  e.  g.  {Cat.  II  5,  and  26) 
refers  to  this  same  territory  as  the  ar/er  Fkenus  et  GaUicus  during  the 
Catilinarian  conspiracy,  and  by  a  curious  coincidence,  Sallust,  in  reporting 
the  very  acts  to  which  Cicero  refers,  repeatediy  calls  the  region  Picenum 
(Sali.  Cat.  27.  30.  42.  57).  Yet  it  is  clear  that  both  are  referring  to  the 
region  near  Ariminum  where  the  northern  army  corps  was  regularly  sta- 
tioned.  and  not  to  the  couutry  south  of  the  Aesis.  Even  Livy,  depending 
upon  old  sources  writes :  Coloniue  dcdiicfac  Arimiiuim  in  Piceno,  etc.  {Ep. 
XV.)  Ifc  is  evident  therefore  that  the  agrarian  law  of  Flaminius  had  re- 
ference  to  the  territory  north  of  the  Aesis,  and  that  its  title  may  not  be 
called  upon  for  evidence  regarding  the  disposition  of  Picenum  proper. 

1)  Nissen,  1.  c.  says:  Der  erste  (Krieg)  endigte  viit  dem  Verlust  des  halben  Gebiets 
und  der  Verpflanzung  von  dessen  Einwohnern  nn  den  Golf  von  Salerno. 

2)  Add  Conway,  It.  Dial.  p.  449,  who  says:  The  Roman  occupation  which  spared 
only  Asculum  was  completed  by  the  lex  Flaminia  of  232  B.  C. 


374  Ti'mu'ij  Fmuh, 

I  would  ncxt  sugaest.  thougli  witli  some  hesitation.  tliat  Strabo  lias 
been  accepted  too  trustingly  wben  be  says  (V,  251)  that  the  Picentines  wbo 
(Iwelt  near  Salerno  bad  been  traiisferred  to  that  place  by  the  Romans  wben 
tbey  conquered  Picenum  on  tbe  Adriatie  in  268.  When  the  Romans  near- 
ly  a  Century  later  transferred  a  Ligurian  tribe  to  certain  public  lands  in 
southern  Samnium  it  was  after  fifty  years  of  incessant  struggle  to  subdue 
them  and  under  the  pressing  need  of  securing  safety  for  a  land-route  to 
Spain.  Tbe  work  also  proved  to  be  very  expensive  (Livy  40,  38).  In  Pi- 
cenum on  the  other  band  victory  had  come  quickly,  the  people  were  of 
Italic  stock  and  had  never  caused  much  trouble,  besides  Rome  had  no 
intention  of  Irailding  roads  there.  Why  should  she  have  undertaken  the 
expense  of  so  useless  a  piece  of  work?  It  must  be  admitted  too  tbat  tbe 
evidence  is  not  very  strong.  Our  sources  for  the  conquest  of  Picenum 
—  lÄ^y  Ep.  XV;  Flor.  I,  14:  Eutr.  11,  16.  unfortunately  very  meager  — 
say  notbing  about  this  transfer;  and  Strabo,  our  only  authority,  is  known 
not  to  hesitate  at  times  to  insert  his  own  hypotheses  in  order  to  explain 
bis  geography.  Would  it  not  be  more  reasonable  to  admit  the  conjecture 
that  the  Picentines  living  near  Salerno.  if  indeed  they  were  related  to  the 
Adriatie  group,  may  have  emigrated  frora  their  homes  in  some  vcr  sacrum 
as  so  many  of  the  Sabellic  tribes  had  doiie  ? 

If  now  the  above-mentioned  passages  do  not  refer  to  tbe  history  of 
Picenum,  we  have  not  a  great  deal  of  definite  Information  left.  We  ap- 
parently  know  only  that  Picenum  was  conquered  in  268  B.  C,  that  the 
city  of  Asculum  became  an  independent  ally  (besides  of  course  the  Greek 
city  of  Ancona)  remaining  so  tili  the  Social  war,  and  that  some  territory 
was  taken  upon  the  coast  and  immediately  assigned  for  use  as  the  Latin 
colony  of  Firmuni  (Vell.  I.  14).  Tbis  being  the  extent  of  our  data,  it  is 
apparent  that  there  is  no  basis  for  the  statement  tliat  „one-balf  of  the 
Picentine  territory  was  appropriated"  at  the  victory.  One-tenth  would  be 
a  far  more  i-easonable  estimate.  Nor  bas  any  one  tlie  rigbt  to  assume 
that  „Rome  took  the  richer  portion  for  herseif."  There  is  no  shred  of 
proof  that  she  took  any  portion  whatsoever  for  herseif,  whether  for  viri- 
tary  assignments  to  her  Citizens  or  for  unassigned  public  domain.  Wbat 
we  Said  in  the  early  part  of  this  discussion  regarding  Roman  policy  at 
this  time  would  rather  indicate  that  notbing  of  either  kind  was  even 
tbought  of.  The  colony  of  Firmum  therefore  probably  Covers  the  extent 
of  appropriated  territory  in  268  M. 

On  the  other  hand  the  supposition  frequently  made  that  the  native 
Picentines  who  remained  were,  with  the  exception  of  Asculum,  immedi- 
ately made  Roman  half-citizens  and  soon  fuU  Citizens  is  probably  cor- 
rect.     The  fact  tbat   there  were   several  prefectures  in   tbe  region  (Caes. 

1)  A  Century  later  the  two  eitizen-colonies  of  Auximum  and  Potentia  were  estab- 
lisbed  bere,  but  tben  of  course  the  region  was  properly  a  part  of  the  Roman  state. 


Oll  Uniiw's  coiiqiirsf  of  Sahiniiiii,  P/cciiuin  und  Etnirin.  375 

B.C.  I.  ")l.  aiul  that  the  tribe  Velina,  instituted  together  witli  tlie  Quirina 
in  241,  is  a  Picentine  ward,  later  at  least  covering  the  whole  region 
wifcli  the  exception  of  Ascuhim  and  Ancona,  makes  the  supposition  rea- 
sonable. 

We  have  now  gained  :i  point  of  view  from  whicli  we  shall  be  able 
to  Widerstand  an  apparent  contradiction  in  Roman  administrative  metliods 
diiring  the  third  Century.  It  will  be  remembered  that  in  Umbria  Roma 
made  her  alliances  with  the  individiial  cities  and  not  with  the  tribes  as  a 
whole,  while  on  the  other  hand  her  treaties  with  the  Vestini.  Marrucini, 
Paeligni.  Marsi,  and  Frentani  were  signed  with  the  governments  of  the 
whole  tribal  league.  The  Sabines  and  Picentines  were  treated  in  neither 
fashion.  Their  countries  were  subjected  to  a  rapid  raid,  a  strip  of  land 
was  taken  npon  which  a  Latin  colon}"  was  planted,  the  whole  tribe  was 
incorporated  into  the  citizen-body  of  Rome,  at  first  with  half-rights  during 
which  time  prefectures  were  created,  and  later  with  füll  rights.  The 
meaning  of  this  diversity  of  procedure  seems  to  lie  in  the  difference  of 
social  and  political  status  in  which  these  three  classes  of  tribes  appear  at 
the  tirae  when  Rome  first  had  to  deal  with  tliem. 

Umbria,  for  instance,  was  no  longer  a  united  people.  The  tribe  had 
once  spread  over  the  greater  part  of  northem  Italy  during  which  time  it 
had  disintegrated  into  diverse  groups  becanse  of  the  wide  geogi-aphical 
distribution,  sorae  of  these  groups  later  merging  into  city-states  with  the 
increase  of  wealth  that  had  come  with  expansion.  They  were  later  driv- 
en  back  into  narrower  bounds  by  the  Etruscans.  but  they  also  gained  a 
strong  impulse  from  the  example  of  their  enemy  toward  the  fuvther  de- 
velopment  of  their  separatistic  iirban  governments.  How  far  the  evolu- 
tion  had  proeeeded  by  the  fourth  Century  B.  C.  can  be  seen  by  a  reference 
to  the  stränge  curse  contained  in  the  sacred  tablets  of  Iguvium  (VI  B, 
58)  which  anathemizes  the  neighboring  Umbrian  city  of  Tuder  as  heartily 
as  it  does  the  Etruscans.  Here  was  a  condition  most  favorable  to  Roman 
expansion.  The  individual  cities  of  Umbria  came  quickly,  one  by  one,  into 
the  Roman  alliance.  apparently  at  very  little  cost  and  on  excellent  terms. 

The  tribes  of  the  second  class,  the  Marsi').  Vestini,  etc.,  are  in  a 
whollv  different  state  of  civilization.  Even  in  Strabo's  day  they  lived  large- 
ly  in  villages.  When  Rome  met  them  during  the  early  days  of  the 
Samnite  war,  no  cities  seem  to  have  emerged  to  claim  preponderance  in 
the  tribe  or  to  create  sepai-ate  polities  for  themselves.  They  had  kept 
the  pi-imitive  tribal  governments.  which  however  were  compact  and  thor- 
oughlv  capable  of  making  agreements  with  a  foreign  power  and  of  hold- 
ing  their  individual  members  strictly  to  the  observance  of  the  tribal 
agreements.  Xow  Rome  may  have  preferred  not  to  encourage  such  ra- 
1)  Strabo  (V,  241)  says  of  the  Vestini,  Marsi,  Paeligni,  Marrucini,  and  Frentani: 
T«  iihv  oiv  aU.a  xwfttjduv  twoiv,  tyovaiv  de  xal  nöltiq. 


376  Tenney  Fmulc. 

cialunities:  slie  may  have  preferred  to  sipii  her  treaties  with  individual 
cities  as  in  Umln-ia,  but  tlie  liistory ' )  of  these  Sabellic  tribes  shows  that 
if  onlv  there  was  a  responsible  government  with  which  she  could  deal  in 
good  faitb  and  wbicli  could  hold  its  members  to  the  observance  of  the 
obligations  that  a  treaty  involved.  Ronie  was  satisfied  and  made  no  effort 
to  dissolve  tbe  tribal  Organization. 

Now  Picenum,  Sabinnm,  aud  we  may  include  tbe  Aeqiii.  lay  half- 
way  between  the  representatives  of  these  two  classes.  Sabinum  near  the 
Umbrian  aud  Romau  border  and  Picenum  along  tbe  coast  seem  to  have  be- 
gun  evolving  respectable  cities,  but  the  process  had  probably  gone  just 
far  enough  to  weaken  the  former  tribal  coherence  without  creating  ade- 
quate  Substitutes  in  the  new  urban  forms.  More  or  less  political  confu- 
sion  resulted.  It  is  easv  to  understaud  wbat  must  have  oecurred  duriug 
the  heavy  strain  of  the  Samuite  war.  The  Sabines,  Aequi,  and  Picentines 
were  offieialiy  allied  to  Kome.  but  when  their  governments  no  longer 
were  respected  by  the  members,  individual  adveuturers  must  constantly 
have  Yolunteered  for  the  Samnite  army.  and  wbenever  a  war  was  ovei-, 
Rome  invariably  found  a  nuniber  of  Citizens  of  these  supposedly  friendly 
ti-ibes  among  her  eaptives.  This  is  wby  Rome  took  the  shortest  way  to- 
ward  dissolving  the  native  governments  of  these  tbree  tribes.  It  was  not 
land  that  was  wanted  —  that  charge  proves  to  be  anachronistic  — ,  it 
was  a  stähle  and  responsible  government  which  could  hold  its  individual 
Citizens  answerable  to  the  promises  of  tbe  state.  Since  these  peoples  would 
not  act  together  as  did  the  eastern  Sabellic  peoples,  and  had  not  yet  de- 
veloped  responsible  city-states  within  the  tribe,  Rome  simply  swept  away 
their  crumbling  governments,  incorj)orated  them  into  her  citizen-body  and 
divided  them  into  prefectures  through  which  to  act  in  her  administration 
of  Italian  affairs.  She  found  them.  when  thus  orgauized,  excellent  indi- 
viduals,  and  tberefore  gave  them  füll  citizenship  early,  and  later,  as  their 
cities  grew,  shifted  tbe  local  government  more  and  more  upon  their  own 
municipal  organizations. 

III. 

In  commenting  upon  the  bistory  of  tbe  Roman  occupation  of  Etruria, 

I  would  first  suggest  that  our  historians  have  gone  too  far  in    assuming 

1)  For  the  Roman  treaties  -with  tliese  tribes ,  see  Diod.  XX  101  and  Liv}'  IX 
45 — X  3.  For  the  tribal  organizations,  see  the  foUowiug:  Yestini,  Pol.  II  24; 
Liv.  44,40,  tribal  coins,  Conway  249.  Marrucini,  Pol.  IX  24;  Liv.  44,40;  tottii 
■niaroucai  Conway  243.  Paeligni,  Diod.  XX  101.  Possibly  Rome  later  dealt 
with  the  individual  cities  here.     The  evidence  is  late  and  unveliable.    M  a  r  s  i,  Pol. 

II  24;  Liv.  44,40;  jj  lo  l  e(gio)nibus  Martses  Comvay  267.  Frentani.  Pol 
II  24;  Kenssur  Conway  190;  tribal  coins.  Conway  196  (Larinum  had  a  separate- 
treaty.     Coins,  Conway  195). 

10 


Oi>  lionir's  cotujiicst  of  SahiniiDi.  F/cciikih  (ukI  Efrurin.  377 

tlie  sfrant  of  Roman  ^)  citizenship  to  Etruscans.  Tarquinii  is  freqiiently 
credited  with  the  privilege  betöre  the  Hannibalic  war,  with.  what  seeias 
to  me,  a  misreading  of  the  evidence.  This  evidence  is  not  absolutely  ex- 
plicit,  but,  so  far  as  it  goes,  it  quite  consistently  beai's  out  the  view  that 
the  city  was  a  Roman  ally.  Livy  28,  45,  14,  has  the  foUowing  under 
date  of  205  B.  C. :  Sci2)io  —  tenuit  —  qiiia  impensae  negaverat  rei  puhli- 
cae  fiduram  dassem  itt  quae  ab  socüs  darentur  ad  novas  fahricandas  naves 
acciperet.  Now  the  cities  that  are  immediately  enumerated  as  contributing 
under  this  heading  for  naval  supplies  are  eight  cities  of  Etruria  inchiding 
Tarquinii.  There  cannot  be  any  doubt  that  Livy  believes  them  all  to  be 
socü.  I  suppose  that  the  reason  why  the  passage  has  not  been  so  taken 
is  because  Caere  also  occurs  in  the  list  and  that  is  now  usually  classed 
as  a  civitas  sine  suff'mgio.  This  Classification  may  or  may  not  be  correct, 
but  that  has  less  bearing  upon  the  question  than  Livy's  opinion  upon 
Caere's  status '-). 

Turning  to  Livy  7.  20,  8,  the  last  previous  raention  of  Caere's  polity, 
one  finds  the  following:  pnx  popido  Cacrifiiim  data,  induüasquc  in  centiim 
annos  fadas.  That  is.  Livy  at  least,  and  perhaps  rightly,  seems  to  con- 
sider  Caere  an  alh';  and  in  the  passage  under  discussion  he  evidently 
raeans  that  all  the  eight  cities  are  socü  since  he  calls  them  so. 

Turning  next  to  the  passage  that  is  usually  relied  upon  to  prove 
Tarquinii  as  a  part  of  the  Roman  domain,  we  read  {Livy  26,  3,  12)  of 
Fulvius  who  was  about  to  be  tried  before  the  assembled  people  for  cow- 
ardice :  postquatn  dies  comitiontm  aderat,  Cn.  Fidvius  exidatum  Tarqui- 
iiios  ahiit.  Id  ei  iustum  exUium  esse  seifit  jdebs.  This  is  taken  to  mean 
that  exile  to  Tarquinii  required  a  special  dispensation,  i.  e.  that  the  city 
must  have  been  within  the  Roman  domain.  However.  the  phrase  id  ei 
iustum  etc.,  has  no  reference  to  the  status   of  Tarquinii.     It    simply    ex- 


l)  See  Beloch,  It.  Bund.  p.  60;  Bormaiin  in  CIL.  X!  1,  p.  465  and  516.  and 
Nissen  It.  Landesk.  II  1.  p.  364 

•2)  Gellius,  16. 13.  7  attempts  to  explain  the  origin  of  the  phrase  tubukte  Caerifes 
by  saying  that  Caere  was  the  first  city  that  obtained  half-citizenship.  The  event  is 
usually  dated  at  353  when.  according  to  Livy  7.  20,  the  city  attacked  Rome.  How- 
ever, the  Livian  passage  imiilies  that  some  form  of  alliance  was  contiuued.  Nest  a 
fragment  of  Bio  dating  from  about  273  (Bois.  33)  teils  how  Caere  warded  off  war 
by  surrendering  half  of  her  territory.  Some  have  eoncluded  that  this  later  event 
led  to  the  grant  of  citizenship.  Even  this  Interpretation  would  not  satisfy  the  require- 
ments  of  Gellius,  for  there  were  other  such  grants  before  273.  As  a  matter  of 
fact  the  cited  statement  of  Gellius  proves  on  examination  to  be  so  erroneous  in 
other  respects  that  it  would  be  better  to  abandon  it  eutirely.  Taking  into  consider- 
ation  the  histor_v  of  censorial  power,  as  well  as  the  harshness  of  Rome's  behavior 
towards  Etruscans  in  general,  it  is  probable  that  tabidae  Caerites  became  a  mock 
phrase  somewhat  later.  and  only  because  Caere  was  kept  in  half-citizenship  later 
than  all  other  cities.  The  important  point  when  one  treats  the  Gellian  passage  as  it 
deserves  is  that  we  do  not  know  when  Caere  was  incorporated  into  the  Roman  state. 

K  1  i  o  ,  Beiträge  zur  alten  Geschichte  XI  3.  25 

12 


378  Teniicy  Fiaiil: 

plains  that  the  necessary  legal  action  was  taken  by  the  properly  qualified 
body  wlien  the  matter  came  iip  in  due  process  of  law '  (as  explained  in 
Mommsen,  Strafrecht  p.  73),  and  that  in  this  case  exile  was  pronounced 
as  the  legal  punishinent.  In  fact,  if  the  passage  proves  anything  it  proves 
that  Tarquinii  was  an  allied  state,  since  Fulvius,  who  of  course  knew 
the  law.  chose  the  city  as  a  suitable  place  of  exile  before  the  day  of 
the  trial. 

The  similar  assiimption  (cf  Nissen,  1.  c.  p.  364)  that  Falerii  was  in- 
corporated  into  the  Roman  domain  with  half-rights  in  241  is  without  good 
foundation.  It  probably  was  a  federated  city  until  the  Social  war.  Her 
care  to  build  a  strong  wall ')  about  her  new  city  after  241,  and  her  re- 
tention  of  her  native  hmguage  for  a  long  time  after  in  official  inscrip- 
tions  would  naturally  indicate  that  she  was  independent.  The  strengest 
indication  however  lies  in  the  fact  that  her  municipal  niagistrates  in  the 
second  Century  were  praetors  (cf.  CIL.  XI  3081  and  3156  a)  while  later 
they  were  those  which  usually  occar  in  towns  reorganized  according  to 
the  Julian  law.  If  Falerii  had  had  the  civitas  siiic  siiffragh  in  241  she 
would  doubtless  have  obtained  füll  citizenship  before  90  as  did  apparently 
all  municipalities  of  this  rank,  and  no  reorganization  would  have  resulted 
in  the  year  90. 

A  further  commentary  upon  the  status  of  both  of  these  cities  is  the 
fact  that  in  210  the  Campanian  exiles,  when  ordered  to  settle  in  Etruria, 
were  commanded  not  to  go  beyond  the  territory  of  Veii,  Sutrium,  and 
Nepet  (Livy  26,  34,  10),  an  indication,  it  would  seem,  that  this  was  the 
limit  of  inland  Romanized  territory  beyond  the  Tiber  at  that  time. 

If  we  have  thus  far  read  the  evidence  aright,  it  follows  that  we  have 
no  reason  for  supposing  that  any  Etruscans  excepting  the  Caerites  obtain- 
ed Roman  citizenship  in  any  form  before  the  social  war. 

The  second  Suggestion  I  would  offer  is  that  the  disposal  of  territory 
taken  in  Etruria  after  the  treaties  of  338  is,  so  far  as  we  kuow.  consist- 
ent  with  the  principle  which  we  found  Rome  following  elsewhere  for 
several  decades  after  that  date  (p.  369).  That  is,  Rome  seems  here  also, 
at  least  tili  after  the  war  with  Pyrrhus,  to  consider  the  captured  territory 
as  belonging  to  all  tlie  allies.  and  does  not  allow  herseif  the  privilege  of 
wathholding  any  of  it  as  her  own  public  domain  or  of  distributing  it  to 
her  own  Citizens  alone,  except,  as  aforesaid,  to  a  few  small  gronjis  who 
served  as  maritime  garrisons. 

Most  of  the  Etruscan  cities  came  into  the  Roman  alliance  soon  after 
284  B.  C,  if  not  before,  ou  rather  favorable  teims  and  at  little  cost  in 
ten-itory.  This  was  not  due  to  any  good-will  on  the  part  of  the  Romans, 
but  rather  to  the  fact  that  the  Etruscans  had  been  too  disunited  to  raise 


1)  The    wall    cannot   possibly    be    attributed  to   ßome's  initiative  since  Rome's 
frontier  foits  were  already  several  hundred  miles  beyond. 

13 


Ou  liomc's  coiiquesf  of  Sithitium,  Finnuin  and  Etnir/o.  379 

such  Opposition  as  cnlled  for  heavj'  penalties,  and  furthermore  that  the 
treaties  were  luade  at  a  critical  time  when  Etruscan  frlendship  was  partic- 
ulai-ly  desirable  as  raising  a  barrier  againsfc  the  incessant  Gallic  invasions. 

When,  therefore,  we  have  no  mention  of  public  lands  in  the  north- 
ern  parts  of  Etruria,  it  is  safest  to  refrain  froni  assuming  its  existence 
there  M.  In  the  southern  part  we  know  on  good  authority  that  several 
cities  gave  up  land.  and  we  possess  some  evidence  regarding  its  disposal. 
Yolci  seems  to  have  been  deprived  of  some  possessions  in  280  (cf.  Fasti 
Tniniiph.),  for.  a  few  years  later  (273)  the  Latin  colony  of  Cosa  was 
settled  upon  Volcian  territory  (Pliny  N.  H.  III  51.  Vell.  I,  U).  When 
about  273  Caere  was  thi-eatened  with  war  she  bought  peace,  according 
to  Dio  (fr.  33,  Bois.),  by  the  sunrender  of  half  her  territory.  This  seems 
to  have  been  used  for  maritime  forts,  which  were  nowhere  planted  so 
thickly  as  in  this  region.  Servius  says  of  Pyrgi,  one  of  these  forts:  hoc 
msteUum  nobUissinnoH  fiiit  eo  tempore  quo  Tusci  piratkam  e.rercuenmt  (on 
Aen.  X.  184).  It  was  therefore  against  the  Etruscan  pirates  and.  if  we 
may  take  a  hint  from  some  of  the  dates.  against  possible  Punic  invasion 
that  this  coastland  was  held  and  fortified  by  the  sovereign  state.  The 
next  to  sufFer  is  Tarquinii.  In  308  this  city  had  signed  a  treaty  with 
Rome  for  forty  years  (Diod.  XX,  44).  The  resettlement  therefore  feil  in 
the  eventful  year  of  268  when  Rome  was  so  active  in  organizing  her  in- 
terests  throughout  Italy.  It  was  appai'ently  in  that  year  that  Tarquinii 
surrendered  ^)  some  coastlands  to  Rome  and  entered  into  a  permanent  alli- 
ance.  After  this  we  have  reports  of  revolts  in  Volsinii  in  264  (Flor.  I, 
16.  Zon.  VIII,  7)  and  in  Falerii  in  241  (Pol.  I.  65).  In  both  cases,  con- 
sidering  the  severity  of  the  punishment.  we  may  assume  that  a  substan- 
tial  land  indemnity  was  required.  The  citizen-colony  of  Satumia  (183) 
and  the  nearby  prefecture  Statoniensis,  (Vitruv.  II,  9)  seem  to  lie  in 
"what  was  foi'merly  Volsinian  domain.  The  Forum  Subertanum,  a  pre- 
fecture. may  hav.e  its  origin  in  a  viritary  assignment  to  Citizens  of  a  part 
of  Falerii's  domain,  made  perhaps  in  the  days  of  the  Gracchi. 

If  we  may  judge  from  this  data,  it  seems  probable  that  in  273.  when 
the  Latin  colony  of  Cosa  was  planted,  l'ome  was  still  observing  the  rule 
that  the  territory  taken  by  booty  was  to  be  shared  with  the  allies.  The 
beginning  of  the  accumulation  of  unassigned  domain  in  Etruria  seems  to 
date  from  the  Pyrrhic  war  and  after,  when  the  state  secured  extensive 
tracts  from  Caere  and  Tarquinii,  and  apparently  also  from  Volsinii  and 
Falerii.     Doubtless  Rome  intended  at  first  to  share  these  tracts  also,  but 


1)  Throughout  this  discussion  we  have  advisedly  refraiiied  froin  drawing  anj' 
conclusions  regarding  the  extant  of  Roman  domain  from  the  reports  of  prodigia. 
They  involve  too  many  chances  to  deserve  attention  as  fundamental  evidence. 

2)  Livy  40,  29.  Graviseae  for  instance  was  established  in  181  in  agriim  de  Tarqui- 
lüis  qiiondani  captum. 

25* 
14 


380  Tennen  Franl-, 

the  extensive  addition  to  the  pubKc  domain  during  the  following  Piinie 
and  Gallic  wars.  when  at  the  same  time  the  peasants  were  actually  dimiu- 
ishing  in  nuraber  through  the  heavj'  war-le\'ies,  glutted  for  a  time  all 
demand  for  land;  and  Rome.  in  place  of  the  old  strict  practice,  devised 
rules  by  which  the  superfluous  land  could  be  occupied  upon  lenient  terms 
by  anv  one  who  could  make  use  of  it,  whether  Roman  or  ally '). 

Finally  with  this  data  in  view  I  would  observe  that  Rome's  treat- 
ment  of  the  Etruscans  was  so  peculiar  that  one  must  always  guard  against 
o-eneralizing  regarding  Rome's  policy  frora  instances  drawn  from  this  re- 
o-ion.  The  complete  annihilation  of  Veii  begins  a  history  that  must  have 
been  tainted  with  racial  prejudice.  The  Romans  were  always  impatient 
in  their  dealings  with  this  people  which  was  oiJTS  ötiöyZioaaop  ovte  öfto- 
dianov.  Gracchus  toucbed  a  deep  vein  of  feeling  when  he  shouted  at 
the  Etruscan  haruspices :  vos  Tusei  ac  harhari  1  It  is  due  to  this  feeling 
that  the  history  of  Etruria  varies  between  tales  of  severity  and  of  neglect. 
On  the  one  band  Rome  wasted  Veii,  took  the  half  of  Caere's  territory, 
and  moved  Yolsinii  and  Falerii-)  out  of  their  native  cities  when  neither 
could  have  been  in  the  least  dangerous.  On  the  other  band  she  appar- 
ently  kept  aloof  from  central  and  northein  Etruria.  seeming  not  quite 
readily  to  understand  the  needs  of  the  land  when  it  was  going  to  waste 
(Plut.  Till.  Graccli.  8).  The  road-building  through  Etruria  progressed 
very  slowly.  Though  the  Clanis  Valley,  the  route  of  the  Gallic  and  Car- 
thaginian  invaders.  furnished  a  much  shorter  route  to  Liguria  and  Gaul, 
the  circuitous  road  via  Ariminum  was  long  adhered  to,  and  Arretium  was 
reached  by  road  from  Bologna  a  half  Century  before  it  was  placed  in 
direct  communication  with  Rome.  In  hai-mony  with  this  fact  is  the  slow 
progress  of  the  Latin  language  in  Etruria,  of  Citizen  colonization,  and, 
above  all,  of  the  grant  of  Roman  citizenship  to  the  natives  as  we  have 
tried  to  show  above.     The  Eastern  SabeUic  tribes  had  been  taken  into  the 


1)  Cic.  de  Rep.  EI  29,  and  hg.  agr.  1.  29,  31,  prove  that  the  allies  also  had  ,squat- 
ter-rights'.  Sorne  cities  were  even  given  portions  of  captured  territory  to  use  for 
municipal  revenue.  cf.  Cic.  ad  Fam.  XIII  1  and  7.  I  have  assumed  throughout  on 
the  basis  of  Niese's  discussion  (Herrn,  vol.  23)  that  there  was  little  if  any  public 
land  before  290  B.  C,  and  that  the  pre-Graechan  law  which  detined  500  jugera  as 
the  limit  for  the  oceupation  of  public  land,  was  passed  long  after  the  Liciuian  laws. 
However  1  would  add  that  the  law  was  not  primarily  a  restrictive  measure.  and 
that  the  limiting  clause  was  only  incidental.  The  main  purpose  of  the  law,  I  doubt 
not,  was  to  encourage  the  oceupation  of  lands  that  were  in  danger  of  going  to 
waste.  It  was  not  devised  to  check  the  evil  of  over- oceupation,  as  though  that  were 
then  serious.  When  one  considers  how  the  citizen-body  diminished  while  the  public 
domain  iucreased  during  the  great  wars,  and  furthermore  how  simple  were  the  finan- 
cial  needs  of  Romans,  even  during  Cato's  day,  one  finds  it  necessary  not  only  to 
redate  the  law  with  Niese  but  also  tbus  to  reinterpret  its  Import. 

2)  Falerii  possessed  a  Tuscan  civilization.  acted  with  the  Tuscans  politically  and 
received  the  same  treatment  from  Rome  as  the  rest  of  the  cities  north  of  the  Tiber. 

15 


On  lidiHc's  coiiqiicst  of  Sahhiitm,   J'icoiiim  (iml  Kiruyia.  381 

Konian  alliaiue  by  wliole  states  witliout  any  loss  of  territory,  so  far  as 
we  know.  The  Umbrian  cities  caiiie  into  the  alliance  singly  and  without 
apparent  loss  after  the  early  deprivation  sustained  in  the  south.  Even 
the  Sabines  and  Picentes  whose  crumbling  organizations  had  to  be  dissolv- 
ed,  could  at  least  be  trusted  as  members  of  the  body  politic,  and  ulti- 
mately  proved  to  be  in  their  very  intorporation  tlie  most  fortunate  of  the 
Italiaus.  Bat  the  Etniscans,  except  for  the  cities  tliat  made  overtures  at 
the  most  favorable  tinie,  suffered  severe  losses,  virere  treated  with  harsh 
impatience  when  suspected  of  misdeeds,  and  in  fact  never  came  to  be 
loolved  upon  as  agreeable  candidates  for  citizenship.  When  tinaliy  the 
Social  war  brought  them  equality,  several  of  their  cities  immediateiy  feil 
ander  the  ban  of  Sulla  who  contiscated  their  territory  for  the  use  of  his 
partizans. 


16 


Mitteilungen  und  Nachrichten. 

Hekataios  als  mutmassliche  geographische  Quelle  Herodots  in  seiner 
Beschreibung  des  Xerxeszuges. 

Von  Martin  Herrmaiin. 

In  der  eigentlichen  Geschichte  der  Perserkriege  kann  Herodot  die  Schriften  seines 
Vorgängers  Hekataios  nicht  benutzt  haben,  da  keine  Spur  darauf  hinweist,  dass  der- 
selbe in  seinen  Genealogien,  die  doch  allein  in  Betracht  kämen,  bis  auf  diese  Zeit 
gekommen  ist ').  Gewiss  hat  Herodot  hier  auch  schriftliche  Quellen  benutzt,  wie 
Charon  von  Lampsakos  und  Dionysios  von  Milet,  Hekataios  jedoch  nicht.  He- 
rodot hat  aber  eine  genaue  Besehreibung  des  VTeges  und  der  Gegend,  durch  die  der 
Zug  führte,  gegeben,  und  hier  finden  sich  vielleicht  Spuren  einer  Benutzung  der  Geo- 
graphie des  Hekataios.  Da  der  Weg  an  der  Küste  entlang  führte,  konnte  ihm  die 
Periegese  gute  Dienste  leisten.  Aus  den  erhaltenen  Fragmenten  des  Hekataios 
ersehen  wir,  dass  derselbe  eine  genaue  Küstenbeschreibung  gegeben  hat,  wie  er 
auch  diese  ganze  Gegend  eingehend  beschrieben  hat  -).  Eine  Probe  der  Art  der  Dar- 
stellung ist  in  den  Fragmenten  116  und  118  enthalten: 

fr.    116:    £!■    li'  aliA    ßipui/    n6?.ic    'EV.iinui'    Ooijixcoy,     sv    6h    Xcilüator]     nö'/.iq 

fr.  118:  /jfzä  dh  ^,ui/.a  7i6).is. 

Sie  scheint  dem  Charakter  des  Buches  gemäss  für  diese  Gegend,  die  dem  Hel- 
lenen näher  lag  und  nicht  so  viel  Merkwürdigkeiten  bot  als  andere,  wie  z.  B.  Aeg^-p- 
ten,  kurz  und  sachgemäss  gewesen  zu  sein. 

In  VII  59  finden  wir,  wie  Herodot  von  der  Stadt  Doriskos  erzählt:  ii'  tw 
TeTyög  ti  iiäößtjto  ßaaO.y'jiov  Tovro  zb  6!/  JoQiaxoi;  xtahjtai,  y.al  Ilfoatwv  ypoi'(>'/ 
iv  cevtwxrxTfazr/xsE  vjio  Japelov  i^  ixelvov  tov  ygövov  insizs  inl  Suvf^ag  eazpcczfiszo. 

Dass  Hekataios  die  Städte,  in  welchen  persische  Besatzungen  lagen,  erwähnt  hat, 
können  wir  aus  Fragment  175  schliessen,  wo  er  von  der  königlichen  Burg  redet,  die 
im  Lande  der  Opier  liegt. 

Hec.  fr.  175:  St.  B.  ^(iniai.  t'&vo?  ' IvSixöv.  'Ex.  ''Aatq.  „^v  6'  aizolc  olxiovaiv 
av&gojTcoi  nagn.  ^Iväbv  noza/jdv  'iinlai,  iv  6i  ZHyoq  ßaaih'jtov,  /.ttyQt  lovzov  iinlai,  reib 
zoizov  iptj/xia  ßfygiQ  'IvSibv". 

Man  wird  also  wohl  kaum  fehlgehen,  wenn  man  annimmt,  dass  Herodot  zu  seiner 
Nachricht  die  Angaben  einer  älteren  Quelle,   jedenfalls   des  Hekataios,   benutzt  hat. 

Einen  andern  Hinweis  finden  wir  in  demselben  Kapitel.  Her.  VII.  59:  t«;  .«fr 
6)/  ring  zng  naaag  rmixoiiivag  ig  AoqIoxov  ol  vuiagyoi  xti.ivanvzog  Zf'{)|fcu  it  zbv  cd- 
■yta/.bv  zbv  UQoafyia  AoQiaxv)  ixöiiiaav,  iv  zw  Sä>.7j  za  ^uuof^Qtjixh]  -nindhazai  7ib?.is 
xal  Züivij,  zO.ivzn  6i  aizov  StQQiiov  axgrj  ävouuazi'/-  '0  ös  yüjgo.;  oi-zog  zb  na/.ciibv 
ijv  Kixbvwv. 

Hekataios  nennt  in  Fragment  1.32  Zone  eine  Stadt  der  Kikoner.  Hec.  fr.  132: 
St.  B.  Züivtj,  nb).ig  luxuvwv.  'Ex.  Eig 

Herodot  stützt  sich  auf  seine  Beschreibung,  indem  er  sagt:  '0  6t  yyioog  ovtog 
zb  na/.aibv  tjv  Ktxüvtov. 

Als  Stadt  der  Kikoner   führt  Stephanus   von  Bvzanz    auch   Maroneia  an.     St.  B. 

1)  Vgl.  Ed.  Meyer,  Forsch.  -.  alten  Gesch.  IL.  S.  230:  Lehmann-Haupt.  Elio  H 
S.  337.  —  2^  fr.  IIG— 122. 


Mitteilungen  iiml  Nachrichten.  383 

s.  V.  MaQtoriia.  nöh:  Ktxovtaq  xarä  tov  iv  OqÜx^  ■/_f!ioöv>jaov.  ['Exazaiog  EvQÜiTiy].  ,^v 
6i  i.i.uvij  "laftaQi:.  iv  6i  Ma/ywvei«  Tiö'/.ig" ').  Meineke  vermutet,  dass  die  unter  Maro- 
neia  stehenden  Worte  auf  Hekataios  zurückgehen,  da  die  Ausdruck-sweise  der  dieses 
Autors  entsprechend  ist.  Diese  Ansicht  wird  dadurch  bestätigt,  dass  auch  hier  die 
Reihenfolge  der  Schilderung  von  Westen  nach  Osten  geht,  wie  es  in  der  Periegese 
des  Hekataios  der  Fall  gewesen  ist.  Man  kann  daher  mit  einiger  Sicherheit  anneh- 
men,   dass  die  unter  Maroneia  stehenden  Worte  ein  hekatäisches  Fragment  sind. 

Diese  Beschreibung  stimmt  auch  mit  Herodot  VII.  109.  Her.  VII.  109:  iiußäg 
di  xov  Aiaov  noxKixov  tu  pif&QOV  AnfS>j(yaa/xti'ov  no/.iac  'Ei.hjyidai  tuaät  naga/jelßfro 
Magiuveiav  JixaiKv  "Aßiijpa.  tuvtccc  te  äfj  nttfjf^i'itf  xai  xazh  xttixa<;  'Mfivaq  drofiaaxäc 
xaaöf,  MaQ(ut'n':jg  fihv  ftsxa^i  xat  ^XQifO]<;  xfifitfijv  'lofiagldu  .  .  . 

Namentlich  nennt  auch  Herodot  die  Gegend  kikonisch  VII.  108:  //  äi  zü»p'/  ttvxt/ 
TtäXai  ßiv  ixa/.ifxo  raV.aixij,  vi-v  6e  BytKVXtxi).  toxi  ntvxoi  xvj  dixaioxäxo)  xwv  /.öywv 
xal  avxtj  Ktxörwt: 

Eine  Menge  Städte  und  Ortsnamen  finden  wir  bei  der  Beschreibung  des  Zuges 
von  Akanthos  nach  Therme  -).  Es  ist  die  thrakische  Halbinsel  mit  ihren  vielen  Städten. 
Aus  den  Resten  des  Hekataios,  die  wir  vor  allem  bei  Stephanus  von  Bvzauz  finden, 
sehen  wir  nun,  dass  sie  so  ziemlich  alle  bei  Hekataios  genannt  sein  müssen.  Auch 
wenn  Hekataios'  Name  nicht  genannt  ist,  so  ist,  wie  auch  Meineke  ^)  vermutet,  wahr- 
scheinlich, dass  die  meisten  dieser  Städtenamen,  welche  die  Bezeichnung  7i6?.ig  6pti- 
xtjg  tragen*),  auf  Hekataios  zurückgehen,  da  derselbe  nach  altem  Brauch  diese  Gegend 
anstatt  zu  Makedonien  zu  Thrakien  rechnet.  Das  sehen  wir  aus  den  Fragmenten,  in 
denen  er  die  Städte  Galepsos  (122),  Mekyberna  (121).  Lipaxos  (119)  und  Smila  (118) 
als  thrakische  Städte  bezeichnet.  Zu  Herodots  Zeiten  ist  der  Begrift'  Thrakes  noch 
derselbe ;  zu  anderen  jüngeren  Autoreu  steht  diese  Bezeichnung  in  ausdrücklichem 
Gegensatz.  So  nennen  ApoUodoros  (fr.  134)  und  Thukydides  (I.  61)  Therme  und 
Strabon  Chalastra  (VII.  p.  330)  eine  makedonische  Stadt.  Wir  können  daher  an- 
nehmen, dass  alle  Städte,  welche  die  Bezeichnung  tiö/.i:  OQfcxijs  tragen,  auf  Heka- 
taios zurückgehen.  Es  sind  dies :  Torone,  Olynthos,  Potidaia,  Aphj'tis,  Aigai,  Skione, 
Mende,  Sane,  Aisa,  Gigonos.  Aineia.  Therme.  Die  anderen  Städte,  wie  Piloros,  Singos, 
Sarte,  Pella  machen  den  Eindruck  der  Entnahme  aus  Herodot,  da  sie  ähnliche  Be- 
zeichnungen tragen.  (Vgl.  Assa — Piloros,  Singos,  Sarte;  Ichnai — Pella).  Die  Bezeich- 
nung nö/.ic  ßpnxijg,  wie  wir  sie  hier  bei  Hekataios  finden,  wendet  Stephanus  von 
Byzanz  bei  Herodot  nicht  an. 

Zum  Vergleich  gebe  ich  die  Städtenamen,  wie  wir  sie  bei  .Stephanus  von  Byzanz 
mit  (a)  und  ohne  (b)  Angabe  eines  Autors  finden,  wieder: 

a)_    ^  ,  .  ,     ^^ 

Wi.iuQO:.  nu/.ig  nf qI  xöv  " Af^ojt:  'Aaait,    nöi.tq    TiQoq    xw  ^A9ui.     'Hi>66oxo: 

(ßiüiuj. 
Syyog,  nöhs  nagä  xü>  "ABw. 
Si'iQX>i,  no/.ig  TXiQi  xov  ^AStuv. 
Topüivrj,  Ttö/.ig  0()f'cxijg. 


'O/.vv&og,    Tiöhg  Qgqxijg  npöc  r;}  XtBcovi'rt 

xijg  Maxfäovlag. 
^ilttuvia,  /^iQOg  QQ('exrig. 

Tloxiöaia,  noMg  &Qtixijg. 


ra).Tj\<.'og,  nöhg  &Qt'(xrjg  xal  [luiovun:     'Exa- 

xatog  Evpihn^. 
Ss(iftv?.ia,   Txö/.ig  nuQn  xöy  "Altco,   u>g  'Exa- 

xalog. 
Mtjxvßfnva,    nüf.tg  Jla'/.h'jyijg,  xr^g  ir  0pr.x>i 

y_fQQOvi]aoi\ 
'Exuxalog  EvgüjTirj. 

1)  Meineke,  S.  434,  3.  —  2)  Her.  VII.  122  ff.  —  8)  A.  a.  0.  S.  .5-54,  17. 

4)  Vgl.  aber  auch,  worauf  mich  Lehmann-Haupt  hinweist,   fr.  140  BöpiC«,  nö/.j; 


ntQOixr)  und  das  Klio  II  387  dazu  Bemerkte. 


384 


2Hft(Uiiii(i(H  und  XuchricJdcn. 


"A(pvztc,  nohg  rrpö?  if/  TlaD.Tjvij  rT/f  Qgäxtjq. 
Aiyui,  7iö}.ng  :io?.?.al ....  iMuxföoi'lci:  tijg 

6Qaxtjoitov  yf^QOvtjaov. 
&()ciftßoe,  nxpwTt'/ptov  Maxeäovtac. 
^xtwvij,  nahe  OQiixtjg. 
Mtvdij,  nöhg  Optixt/Q. 
2r«v/;,  nöhg  QgAxrjg  fX(xaSv"Aitw  xul  Da?.- 

XijVijg. 
Aioa,  nöhz  Ogäxrjg  npoac/J/c  rf/  TluXh'iVtj. 
riyuivoc.   nöhg  0qüxjjq  nQoai/iji   t)j  Tlal- 

h'jvtj. 
Jiäxpa,  nöhg    XaXxtitxTjg  yüjQug   7i(jög    t(i 

Iltd/.rjvj;  ofiOQOvaa   tiü  Öepftauo  x6).ixu>. 
Aiifia,  zÖTiog  Qpüxijg. 


./(Jiß^of,  7i6)jg  6()uxtjg.    ' Exatulog- 


Otpfitj,    nö'/.ig    &pc(xtji.    ' A7io)./.ö6a>QOg    de 

Maxiöoviug  (fijol  xai  ßovxvdiSijg. 
ni/.).a,  Tiöhg  Maxeäoving. 


—ftü.a,   nö'f.ig    QQÜxijg.     'Exatmog   EvfjüiTtji 

,,Hfrä  dh  ^ßü.a  nöhg". 
—iv&oc,  nohg  nagä  zCo  OeQßuUo.  'Hgödoxog 

eßdo^t?j. 
"I'/vai,  nöhg  MuxfAoviuq.  ' HgöSozog  iß6öi.i>j. 
Xu'/.daxQCi,  n6?.is  0qüx>jc  nsgl  zbv  QtQ^uüov 
x6?.nov.  'ExazuZog  Eigürntj.  .iv  d'  aviü> 
0f'p,«?/  nöi-ig  'Ei.h'jVüiv  QQtjlxwr,  f'i  6h 
Xa/.äazgtj,  nö'/.ig  Offtiixiot:"  —zgaßtuv  öe 
iv  cßööfitj  Maxedoviag  «rr;))'  xu>.h. 
Besonders  auÖ'allend  sieht  die  Aufzählung  der  Städte  der  Landschaft  Sithonia 
aus.  Von  den  fünf  Städten,  die  dort  genannt  werden.  Torone,  Galepsos,  Mekyberna, 
Sermyla  und  Olynthos,  bezeichnet  .Stephanus  drei  als  aus  Hekataios  entnommen,  und 
die  andern  beiden,  Torone  und  Olynthos,  werden  von  ihm  genau  iu  derselben  Weise 
als  Städte  Thrakiens  bezeichnet,  ohne  dass  ein  Autor  genannt  wird.  Infolgedessen 
können  wir  mit  Bestimmtheit  annehmen,  dass  Stephanus  seine  Angaben  über  diese 
beiden  Städte  derselben  Quelle  verdankt,  also  auch  der  Periegese  des  Hekataios. 

Herodot  hatte  also  in  Hekataios  einen  Vorgänger,  dessen  Beschreibung  er  zu 
einem  solchen  Berichte,  wie  er  uns  in  VH.  122  if.  geboten  wird,  aufs  beste  verwen- 
den konnte. 


Hasdrubals  Marschziel  im   Metaurus-Feldzuge. 

Von  X.  Ynlic. 

Wie  es  mir  scheint,  hat  K  o  n  r  a  d  L  e  h  m  a  n  n  in  seinem  Aufsatze  Zur  Gc- 
scliichte  der  Barkiden.  H  (Klio  X,  S.  363  ti'.)  •)  erwiesen,  dass  nach  Livius  Has- 
drubal  sich  mit  seinem  Bruder  in  ümbrien  westlich  von  Apenninen  zu  vereinigen 
die  Absicht  hatte.    Die  Argumente,  die  gegen  diese  Ansicht  seitens  einiger  Gelehrten 


1)  Vgl.  noch  darüber:  E.  Dehler,  Der  letzte  Feldzttg  des  Barkiden  Hasdrid>al 
und  die  Schlacht  am  Metaurvs.  Berlin  1897  (Besprechung  dieser  Studie  durch  H. 
Nissen  in  Zeitschrift  für  das  Gi/nuiasialivesen  1897,  S.  534  ff.).  K.  Lehmann, 
Die  Angriffe  der  drei  Barkiden  auf  Italien.  Leipzig  1905  (Besprechungen  des  letzten 
Werkes  von:  Siegler  Schmidt  in  Liter.  Beiblatt  z.  Militär- Wochenblatt  1905, 
Sp.  831  f..  R.  Dehler  in  Zeitschr.  f  d.  Gi/mnusialwesen  Jhg.  LX  (1906) :  Jahres- 
her.  d.  philol.  Vereins  S.  28  ft".  und  in  Berliner  philologische  Wochenschrift  1906,  Nr.  3, 
Franz  Luterbacher  in  Neue  philologische  Bundschau  1907,  Nr.  16,  .J.  K  r  o- 
mayer,   Göttingische  gelehrte  Anzeigen  1907  S.  446  ff). 


MiUcihimjcu  ini<l  Ndilirichtcn.  385 

erhoben  worden  sind,  fallen,  filauben  wir.  weg,  naehdem  Lehmann  uns  gezeigt  hat, 
dass  nach  Livius  der  Küstenstreifen  bei  Sena  nicht  zu  Umbrien  sondern  zu  Galtia 
gehörte  (Liv.  XXVII  44,2:  cuiisuhm  [Neronem]  in  Litcanos  oMendisse  itei;  cum  in  Pi- 
cemim  et  Galliam  pctcret.  46,10:  (jiti  prolatundo  .spatium  hosti  det.  eum  et  itla  castrri 
prodere  HitnnihaU  et  nperire  in  G  a1 1  i  it  m  Her,  ut  per  ntiiiw,  ulii  reHt.  Handrulmli 
[bei  Sena]  voniumjatur.  XXVIII  9, 12:  ilhmi  equitem  [sc.  Neronem]  aieimnt  .  .  .  cum 
Haitdruhule  in  Gallia  signix  coniatis  pugimsse).  Wenn  es  dem  nicht  so  wäre,  könnte 
man  Livius'  Worte :  (Nero)  patres  cotixcriptos  . . .  edocet.  ut,  cum  in  Umbria  se  occurisurum 
Hasdruhal  fratri  scribat,  .  .  .  exercitum  urbanum  ad  Narniam  Jwsti  npponant  (XXVII 
43,8  —  9)  wohl  auch  so  erklären,  wie  es  Luterbacher  mit  den  Worten  tut:  ,Nero  .  .  . 
meinte,  wenn  die  Römer  wider  Erwarten  gesehlagen  würden  und  Hannibal  .sich  mit 
Hasdrubal  verbinden  könnte,  müsste  man  ihnen  den  Übergang  über  den  Nar  und 
den  Vormarsch  gegen  Koni  verwehren"  (S.  368).  Livius'  Worte  für  sich  könnten 
zwar  auch  diese  Bedeutung  haben,  trotz  Lehmanns  Widerspruch':  ,Aber  das  heisst 
doch,  die  klare  Quelle  trüben.  Denn  als  Grund  für  Neros  Vorschlag,  die  Stadtle- 
gionen bei  Narnia  aufzustellen,  wird  doch  nicht  die  Möglichkeit  einer  Niederlage 
der  konsularischen  Heere  und  einer  Vereinigung  der  punischen  Heere  an  der  Ost- 
küste Italiens  hingestellt,  sondern  schlechthin  die  unmittelbare  Absicht  Hasdrubals, 
in  Umbrien  mit  seinem  Bruder  zusammenzutreften'  (S.  369).  Wenn  aber  nach  Li- 
vius die  Küste  bei  Sena  nicht  zu  Umbrien  gehörte,  so  ist  es  unzweifelhaft,  dass 
der  Plan  Hasdrubals  nach  diesem  Autor  nicht  der  war,  sich  mit  dem  Bruder 
in  dieser  Gegend,  sondern  westlich  der  Apenninen  zu  vereinigen. 

In  diesem  Punkte  müssen  wir  Lehmann  durchaus  beistimmen.  Natürlich  folgt 
aber  daraus  nicht  die  historische  Tatsache,  dass  Hasdrubal  wirklich  diese  Absicht 
hatte.  Denn  es  ist  entfernt  nicht  alles  wahr,  was  uns  Livius  erzählt.  Und  einige 
von  den  Argumenten  gegen  diese  Version,  die  moderne  Kritiker  vorbrachten, 
sind,  wie  es  scheint,  nicht  zu  entkräften.  Dass  Livius  auch  speziell  in  der  Geschichte 
vom  Hasdrubalszuge  nicht  unbedingt  zu  folgen  ist,  zeigen  uns  vielleicht  Polj'bios 
Worte:  'PiofiuXoi  6i  t;}  i««/?/  xnxogxiwaavTfq  nagavtlxa  ftiv  xbv  ■/  Aqk  xu  Siri^nuüpv 
Tüiv  vnfvurtiiov,  xal  no?.?.ovi  ftiv  r&v  Kf).xü>v  tv  xulq  axißäat  xoifttofthvnvq  dta  xijv  fte- 
&rjr  xctxtxonxov  (11.  3,  1).  Dieselben  sind  schwer  mit  Livius'  Darstellung  vereinbar, 
nach  der  Hasdrubal  kaum  dies  Lager  aufschlagen  und  die  Gallier  sich  betrinken 
konnten  (obwohl  es  nicht  gerade  unmöglich  ist).  Gegen  Livius'  Version  über  das 
Zusaramentretfen  der  Karthager  in  Umbrien  könnte  man  auch  die  Tatsache  anführen, 
dass  Hasdrubal  den  Metaurus  überschreitet  und  an  der  Küste  entlang  bis  nach  Sena 
vordringt.  Denn  wenn  er  nach  Umbrien  und  nach  Narnia  marschieren  wollte,  wäre 
es  am  natürlichsten  gewesen,  dass  er  die  Via  Flaminia  benützte,  die  er  aber  über- 
schreitet. Selbstverständlich  aber  wäre  ein  solcher  Beweis  nicht  zwingend,  da  man 
annehmen  könnte,  dass  Hasdrubal  den  Metaurus  in  der  Absicht  passierte,  um  erst 
den  Salinator  zu  schlagen  und  dann  zu  seinem  Bruder  nach  Umbrien  zu  eilen. 

Wenn  aber  Lehmann  bezüglich  der  Frage,  wo  sich  Hasdrubal  nach  Livius 
mit  Hannibal  vereinigen  wollte,  wie  es  uns  scheint,  unzweifelhaft  Recht  hat.  so  kann 
man  in  der  Frage,  was  Hasdrubal  nach  Livius  für  eine  Absicht  mit  seinem  Rück- 
zug vor  Salinator  und  Nero  hatte,  wohl  mit  ihm  streiten.  Lehmann  meint,  dass  es 
nach  Livius  dem  karthagischen  Feldherrn,  als  er  von  Neros  Ankunft  erfuhr,  so 
bange  wurde,  dass  er  seine  feige  Flucht  zum  Metaurus  sogleich  antrat  und  dass  er  so- 
gar in  die  Poebene  zurückgehen  wollte  (Zonaras).  Das  dem  aber  nicht  so  war,  wie  Li- 
vius berichtet,  meint  Lehmann,  ausser  aus  anderen  Gründen,  aucli  daraus  zu  er- 
schliessen,  dass  Appian  über  den  Zweck  von  Hasdrubals  Rückzug  ganz  anders  sich 
ausdrückt,  nämlich  sagt,  dass  der  Karthager  in  der  Absicht  abzog,  um  •^i'-h  mit 
seinem  Bruder  zu  vereinigen. 


386  _JI/tfeiln)i(/c)i  Kud  Nachrichten. 

Doch  ist  in  dieser  Argumentation  mancherlei  vielleicht  nicht  einwandfrei.  So 
ist  es  gar  nicht  unglaublich,  sondern  im  Oegenteil  ganz  natürlich,  dass  Hasdrubal, 
als  er  das  Eintreffen  Neros  im  feindlichen  Lager  feststellte,  über  das  Schicksal  seines 
Bruders  beunruhigt  wurde.  So  zu  sagen  selbstverständlich  musste  er  auf  die  Idee 
kommen,  dass  Hannibal  vielleicht  eine  nicht  unbedeutende  Niederlage  erlitten,  und 
die  Worte  des  Livius :  2ifofecto  haud  mediocri  clade  absterritum  iuseqiii  non  ausum. 
magno  opere  vereri,  ne  perditis  rebus  serum  ipse  auxilmm  venisset,  Eomanisque  eadem 
iam  foiiuna  in  lialia  gitae  in  Hispania  esset,  interdum  litteras  suas  ad  eum  non  per- 
Denisse  credere,  interceptisque  iis  consiilem  ad  sese  opprimendwn  accelerasse  können 
keinen  Anstoss  erregen.  Am  wenigsten  spricht  gegen  Livius'  Schilderung  des  psy- 
chischen Zustandes  Hasdrubals  der  Umstand,  dass  dieser  ein  tüchtiger  Feldherr  war 
(Polyb.  11,2,1 — 10:  'Aaöpoißng  dh  y.ul  jov  nQO  tovtov  -/qovov  Kai  xaxa  tov  ia/arov 
xaiQov  nviiQ  nyaübt  yfvöufvng.  Liv.  XXVII  44,  5 :  mmc  . .  .  dtios  prope  Hannibales  in  Ita- 
lia  esse,  quippe  et  Hasdrubalem  patre  eodein  Hamilcare  genitum,  aeque  impigrum  ducem. 
Vgl.  auch  c.  49,  3 — 4).  Er  ist  in  Wahrheit  ein  tapferer  und  ausgezeichneter  Soldat : 
die  Tatsache  aber,  dass  Nero,  der  auf  dem  anderen  Ende  Italiens  gegenüber  seinem 
Bruder  sich  befinden  soll,  plötzlich  vor  ihm  erscheint,  muss  ihn  in  Sorge  versetzen. 
Von  einem  panischen  Schrecken  aber,  der  uns  Hasdrubal  als  einen  Feigling  zeigen 
würde,  ist  bei  Livius  keine  Rede.  Er  sagt  nämlich  nur  his  an.rius  curis.  Wenn 
man  aber  dies  daraus  entnehmen  will,  weil  der  Rückzug  nicht  ganz  in  Ordnung 
ausgeführt  wurde,  so  muss  mau  in  Betracht  ziehen,  dass  bei  Livius  die  Hauptursache 
die  Flucht  der  Führer  ist.  Übrigens  ist  Appians  Beschreibung  dieses  Rückzuges 
der  des  Livius  vielfach  ähnlich,  und  so  würde  auch  diese  Quelle  von  einer  feigen 
Flucht  reden,  was  Lehmann  nicht  gestattet.  Denn  nach  Appian  marschiert  Hasdrubal 
TtfQi  e'hj  y.ttl  Ts?./naza  y.ul  noiußbv  ovx  fvixo^ov.  was  darauf  hinweisen  könnte,  dass 
er  keine  Führer  hatte,  und  mit  Livius'  Worten  fessiqiie  aliquot  somno  ac  rigiliis  ster- 
nunt  Corpora  passim  könnte  man  das  Appiansche  o\  'Pw^aloi  xuTai.aßövzfq  «rrorc 
öifQgißfitrovg  t5  xal  xex.u>ix6Tag  ivr'  ny(>vjivi'a:  xai  xönov  vergleichen.  Was  endlich 
Zonaras  betrifft,  so  ist  zu  bemerken,  dass  seine  Worte  vjionzevaas  oiv  fizir/at^at  xbv 
^Avvißnv  xal  nno>.sa9ai,  nfQiövzog  yaQ  exfirov  oix  uv  in  uizov  ÖQ/xr/aai  zov  iN'totui'a 
iloyl'C.fZO,  iyvw  n  q  b  q  r  ovq  FaläraQ  anavaywQTfaai  (IX  9,  433  C)  nicht  unbedingt  so 
zu  deuten  sind,  dass  die  Karthager  bis  in  die  Poebene  fliehen  wollen.  Ja  Lehmann 
selbst  hat  uns  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  auch  die  Küste  mit  Ariminum,  Fanum. 
Sena  bei  Livius  zu  Gallia  gehörten.  Sollte  uns  auch  das  was  Zonaras  zufügt:  xiil  ixH 
xa  nfQi  xbv  u6i'/.(f:bv  rixgißwauaftat  xal  ovxw  xaza  oyo'/.i^v  ■jioXiuTiata  nicht  darauf  hin- 
weisen, dass  er  von  diesen  Galliern,  nicht  von  denen  der  Poebene,  spricht?  Um 
nämlich  Auskunft  vom  Bruder  zu  erhalten,  ist  es  nicht  notwendig  so  weit  zu  gehen. 
Ausserdem  ist,  wie  Lehmann  bemerkt,  ,die  Darstellung  bei  Zonaras  wenig  belang- 
reich, denn  sie  bedeutet  offenbar  nur  eine  weitere  Ausgestaltung  und  konsequente 
Formulierung  der  durch  die  livianische  Darstellung  hervorgerufenen  Auffassung  von 
Hasdrubals  angeblichem  fluchtähnlichen  Rückzug"  (p.  365). 

Worauf  es  mir  aber  hier  besonders  ankommt,  ist  die  Hervorhebung  der  Tat- 
sache, dass  man  zwischen  dem.  was  man  aus  Livius  über  den  Zweck  Hasdrubals 
Rückzuges  schliessen  kann  und  dem  was  darüber  Appian  sagt,  keine  Diskrepanz 
annehmen  muss,  und  dass  folglieh  die  Worte  Appians  ö  <5'  ovnio  uäycoBat  xfxQixwc, 
a?.).a  zä)  n6s>.(fü)  avvfi.SHi'  inetyöftfvog,  iiifyünjfi  von  keiner  so  grossen  Bedeutung 
sind,  wie  Lehmann  annimmt.  Aus  Livius  folgt  gar  nicht,  dass  Hasdrubal,  als  er 
aus  seinem  Lager  auflarach.  den  Gedanken,  sich  mit  Hannibal  zu  vereinigen,  aufge- 
geben hatte.  Es  ist  ganz  natürlich,  dass  er  weiter  daran  denkt.  Denn  er  ist  nicht 
sicher  und  kann  es  auch  nicht  sein,  dass  sein  Bruder  vernichtet  wurde,  und  so  braucht 
er  nicht  die  Hoffnunsr  zu  verlieren,  sich  mit  ihm  zu  vereinigen.     Seine  Absicht,   als 


M/ffc/liiiu/eii   1111(1  Ndchrirhtcn.  387 

er  zum  Metaunis  zieht,  muss  also  auch  nach  Livius.  ebenso  wie  bei  Ai)|)iaii,  dahin 
gehen,  sich  mit  dem  Bruder  zu  vereinigen.  Man  könnte  aber  annehmen,  dass  doch 
eine  Diskrepanz  zwischen  diesen  Quellen  besteht.  Man  könnte  denken,  das.s  nach 
Livius  Hasdrubal  nicht  direkt,  nicht  sofort  zum  Bruder  eilen  will,  was  nach  Ap- 
pian  der  Fall  wäre.  Dies  ist  aber  nicht  unbedingt  nötig.  Es  ist  wahr,  man  könnte 
glauben,  dass  Livius  ebenso  wie  Zonaras  dachte,  Hasdrubal  werde  sich  zuerst  zu  den 
Galliern  zurückziehen,  um  hier  Auskunft  vom  Bruder  zu  erhalten.  Doch  steht  auch 
nichts  im  Wege  anzunehmen,  dass  er  meinte,  der  Karthager  gehe  direkt  zu  Han- 
nibal.  Livius  sagt  über  den  Zweck  gar  nichts  und  so  sind  beide  Interpretationen 
zulässig.  Was  aber  wichtiger  ist,  es  sind  vielleicht  auch  die  Worte  Applaus  in  dem 
Sinne  der  Angabe  des  Zonaras  zu  erklären.  Man  verbindet  nämlich  innyouivoQ  mit 
T<ü  ndfhpm  avvfXSHv,  also  , eilte,  sich  mit  Hannibal  zu  vereinigen".  Könnte  man 
aber  nicht  das  Wort  mit  dem  folgenden  inf/vinn  verbinden,  was  eine  andere  Be- 
deutung dem  Satze  geben  würde:  , Hasdrubal  meinte,  dass  noch  nicht  die  Zeit  sei, 
mit  den  Römern  sich  zu  schlagen,  sondern  glaubte,  er  solle  sich  zuerst  mit  dem 
Bruder  vereinigen,  und  so  eilte  er  davon"?  (^wohin?  das  wäre  nicht  gesagt). 

Wie  man  sieht,  sind  wir  gar  nicht  berechtigt  anzunehmen,  dass  nach  Appian 
Hasdrubal  von  Sena  direkt  zu  Hannibal,  also  nach  ümbrien,  vorrücken  wollte.  Es 
ist  sogar  nach  dem,  was  vorher  diese  Quelle  erzählt,  unmöglich,  dass  der  kartha- 
gische Feldherr  diesen  Plan  hatte.  Denn  er  weiss  nicht  sicher,  dass  Hannibal  seinen 
Brief,  in  dem  er  ihm  mitteilte  ihm  entgegenzukommen,  erhalten  hat.  und  die  plötz- 
liche Ankunft  von  Nero  musste  ihn  in  Zweifel  versetzen,  ob  Hannibal  kommen  werde. 
Wenn  es  aber  nicht  unzweifelhaft  war,  dass  sein  Bruder  ihm  entgegenkomme,  so 
wäre  es  natürlich  eine  grosse  Torheit  gewesen,  in  der  Richtung  nach  Narnia  zu 
gehen;  ein  Feldherr  seines  Schlages  würde  nie  so  viel  riskieren. 

Wir  sind  natürlich  nicht  imstande  zu  sagen,  was  Hasdrubal  nach  Neros  Er- 
seheinen getan  hat.  Nach  Polj'bius  ist  er  vielleicht  (s.  oben)  in  seinem  Lager  ge- 
blieben. Wenn  er  aber  davon  abging,  war  es  das  Natürlichste,  dass  er  den  Me- 
taurus  überschritt,  hier  unter  dem  Schutze  des  Flusses  und  im  befreundeten  Lande 
daraufwartete,  Nachricht  über  Hannibal  zu  erhalten,  und  erst  dann  sich  über  weitere 
Schritte  entschied,  wie  Zonaras  sagt. 

Belgrad. 

Definitio  und  defensio. 

In  meinen  Siitdiex  zur  Geschiclite  dex  rimischen  Kolonates  S.  383  ff.  habe  ich  auf 
Grund  einiger  afrikanischer  Inschriften,  der  Agrimensoren,  der  Glossarien  und  einiger 
mittelalterlicher  Quellen  die  Bedeutung  der  Termini  definitio  und  defenfio  festzu- 
stellen gesucht ').  Es  schien  mir,  dass  beide  Termini  gleichbedeutend  sind  und  ich 
dachte  mir  .die  defensiones  und  definitiones  als  grössere  Komplexe  von  silvestria 
und  palustria,  welche  in  den  Neuländern,  wie  Mauretanien,  als  grössere  Stücke  ter- 
miniert und  als  Einheiten,  als  ganze  Territorien  behandelt  wurden"  (S.  384). 

Eine  schöne  Bestätigung  dieser  meiner  Ansicht  bringt  jetzt  eine  vor  kurzem 
von  Jalabert  publizierte  Felseninschrift  aus  dem  Liban-).  Die  Inschrift  gehört  zu 
einer  grösseren  Serie  von  Felseninschriften,  welche  von  Renan  (Missicm  278)  zuerst 
in  grösserer  Anzahl  gesammelt  und  gründlich  erörtert  -worden  sind.  Sie  enthalten 
alle  den  Namen  des  Kaisers  Hadrian,    dann  die  meist   abgekürzten  Worte  a(rborum) 

1)  Merkwürdigerweise  finde  ich  im  Thesaurus  linguae  latiiiae  sub.  v.  definitio 
keine  Verweise  auf  unsere  Inschriften,  obwohl  unter  defensio  dieselben  zitiert  wer- 
den und  dabei  auf  definitio  verwiesen  wird. 

2)  Melanges  de  la  Faculte  Orientale  de  l'ünirersite  de  Bci/routh  IV,  1910,  S.  209  ö'. 

6 


388  Mittiilutiihu  kikJ  Xacliricldcn. 

g{enera)  IV  c{etera)  pirirata)  (bzw.  eine  bis  jetzt  unerledigte  Abkürzung  TIC  oder 
VIG).  die  Sigle  DFS  und  eine  Numraer  entweder  I  bis  XVII  oder  C  bis  DCCC.  Nicht 
alle  Inschriften  enthalten  alle  diese  Elemente.  Die  Sigle  DFS  und  die  Bedeutung 
der  Nummer  blieben  bis  jetzt  unerklärt.  Nun  lautet  die  neue  Inschrift  im}}{eraforis) 
H(id{riam)  Äug{usti)  defiiiitio  silrariim.  Man  sieht  also,  dass  einer  der  Zwecke  der 
Inschriften  darin  bestand,  die  Wälder  der  durch  sie  bezeichneten  Region  als  kaiser- 
liche definitio  in  Anspruch  zu  nehmen.  Dasselbe  bedeutet  auch  augenscheinlich  die 
Sigle  DFS.  Dies  hat  Jalabert  zwar  gesehen;  er  gibt  aber  eine  nicht  richtige  Auf- 
lösung der  Sigle :  er  meint,  es  stände  hier  d{e)f(initio)  s{iJvarum).  Nach  dem  in  meinem 
Buche  über  definitio  und  defensio  Gesagten  erscheint  es  mir  sicher,  dass  auch  im 
Liban  die  Worte  definitio  und  defensio  promiscue  gebraucht  wurden  und  dass  es  viel 
einfacher  ist  die  Sigle  DFS  zu  d{e)f(en)s{i())  aufzulösen. 

Doch  waren  die  defensiones  und  definitioncs  im  Liban  eigenartig.  Es  scheint, 
dass  Kaiser  Hadrian  nur  vier  Baumarten  für  den  Fiskus  reserviert  (s.  Veg.  IV,  34), 
die  übrigen  Bäume  aber  den  Privaten  zur  Ausnutzung  überlassen  hat.  Dass  der 
Akt  Hadrians  den  Zweck  verfolgte,  die  früher  privaten  Wälder  dem  Fiskus,  wenig- 
stens zum  Teil,  zuzuschlagen,  scheint  mir  unmöglich.  Es  ist  kaum  daran  zu  zweifeln, 
dass  die  grossen  Wälder  Libans  seit  undenklichen  Zeiten  Königs-  resp.  Staatseigen- 
tum waren  und  es  wäre  unerhört  eine  so  gewaltige  Expropriation,  falls  die  Wälder 
Privaten  gehörten,  zustande  zu  bringen.  Der  Zweck  kann  also  nur  ein  anderer 
sein  und  zwar  der  entgegengesetzte.  Wie  anderswo  —  in  Afrika,  in  Spanien,  in 
Griechenland  —  wollte  Kaiser  Hadrian  den  privaten  Wohlstand,  soweit  es  ging, 
heben  und  der  privaten  Initiative  die  weiten  Strecken  des  Staatsbesitzes  öffnen. 
Diesen  Zweck  verfolgten  seine  Agrar-  sowohl  wie  seine  Bergwerkgesetze,  diesen 
Zweck  verfolgte  er  auch  im  Liban.  Die  grossen  Wälder  teilte  er  in  verschiedene 
Serien,  je  nach  der  Beschaffung  der  einen  oder  anderen  Parzelle  (dies  bedeuten  die 
Nummern)  ein.  reservierte  überall  für  sich  vier  Arten  der  Bäume,  welche  für  den 
Schiflljau  nötig  und  besonders  geeignet  waren,  überliess  aber  das  übrige  der  pri- 
vaten Okkupation  und  Ausnutzung.  L'm  die  verschiedenen  Parzellen  als  solche  zu 
bezeichnen .  welche  entweder  okkupiert  werden  konnten  oder  unberührt  bleiben 
sollten,  setzte  er  an  verschiedenen  Stellen  seine  Inschriften  entweder  mit  der  Sigle 
AGR'CP  oder  ohne  derselben ;  was  durch  diese  Inschriften  nicht  bezeichnet  wurde, 
wird  wohl  der  freien  Okkupation  überlassen  worden  sein. 

Die  Einmeisselung  der  Inschriften  geschah  wohl  auf  Grund  eines  besonderen 
Gesetzes,  welches  für  die  Wälder  Libans  dieselbe  Bedeutung  hatte  wie  die  lex  de 
rudibus  agris  für  Afrika  und  die  hx  metalUs  dicta  für  die  spanischen  Bergwerke. 
Natürlich  geben  uns  die  oben  behandelten  Inschriften  nur  ganz  schwache  Andeu- 
tungen über  den  Inhalt  dieses  vorauszusetzenden  Gesetzes. 

Petersburg.  M.  R  o  s  t  o  w  z  e  w. 


Zur  Grabschrift  des  Bischofs  Eugenios  von  Laodikeia  Katakekaumene. 

Von  Adolf  Wilhelm. 

Auf  einer  Reise  durch  Lykaonien  hat  W.  M.  Calder  in  Ladik  im  Jahre  1908  die 
Grabschrift  des  Bischofs  Eugenios  von  Laodikeia  Katakekaumene  wieder  entdeckt, 
die  bis  dahin  nur  durch  eine  Abschrift  aus  Marinis  Sammlung,  von  Sir  W.  M.  Ramsay, 
Cities  and  bishoprics  of  Phrygia  I  p.  543  herausgegeben,  bekannt  und  irrig  Laodikeia 
am  Lykos  zugeteilt  war  (Expositor  VII.  ser.,  VI  38-5  ff.).  Im  nächsten  Jahre  hat 
Calder  bei  einem  neuerlichen  Besuch  des  Ortes  den  Stein  im  Vereine  mit  Sir  W.  M. 
Ramsay,  der  ihn  alsbald  in  derselben  Zeitschrift  VII.  ser..  VI  409.  546  besprochen 
hatte,  und  Miss  A.  M.  Ramsav  genauer  untersucht  und  nunmehr  in  der  Klio  X  232 


Mitteilmific»  kikI  Xarhriclitoi.  389 

in  einem  Bericlit  über  seine  Reise  .round  the  Proseilemmene"  ein  vortreffliches 
Faksimile  veröffentlicht.  Eine  ausführliche  Behandlung  der  durch  ihre  geschicht- 
lichen Angaben  ungemein  wertvollen  Inschrift,  die  mittlerweile  auch  von  E. 
Preuschen  in  der  zweiten  Auflage  seiner  Anaketn.  Kiirsere  Texte  zur  Geschichte  der 
alten  Kirche  und  deii  Kanon  1  149  abgedruckt  worden  ist.  wird  für  ein  späteres  Heft 
der  Klio  versprochen  i  ich  will  daher  nicht  zögern  einige  Berichtigungen  zu  ihrer 
Lesung  vorzulegen.  Mit  Ausnahme  der  drei  letzten  Zeilen  ist  der  Text  durchweg 
gesichert.  In  diesen  stören  einige  Lücken,  die  mir  bisher  nicht  richtig  ergänzt  scheinen. 
Der  Bischof  sagt  nach  W.  M.  Calders  und  W.  M.  Ramsays  sehr  zuversichtlich  vor- 
tragener  Lesung: 

1   M{ÜQXog)  'Iov{}.tog)  E^[J'^']^•(0?  xi}.. 
11  xai  ßovi.fjOti  zov  narioxiMTopos  9(ov  inlaxono: 

xaxnazaihi:  xal  fi'xoai  nivif  o/.ot:  sxtotv  tljv  ^niaxoni/V 

fiezä  7to?.).T/:  iTtiTiiulac  öioixiqaug  xai  Tiäaitv  tj/T  ixhioiuv 

fii'Oixoöoftijoa:  hnö  QfftO.ituv  xal  oirnavxa  zbv  mgl  atzi/v 
15  xöauov  toi't'  ioztv  azoCov  zs  xai  ZfXQaaxöwv  xal 

i^tuyga(piü)v  xai  xfvxi'jofwv  xai  väpelov  xal  tiqotivXov  xai  nnoi  xoTg 

?.t&o§o'cxoTg  iQ-yoiq  xal  :i[«it]«;  (sie)  anXib  (sie)  xaxaaxfvd[aag  /.iU'0fte]v6g 

Ze    tOV   XibV   äv&OWTl  (UV 

ßiov  inohjaa  iuavxib  ni\}.ja  zi\  xai  aopdv  h-  5  zä  [^]&o[ys- 

/««,«,««•«]  xaiza  tnotrjaa  iniyp{ä)<f{f)iy  i- 
ig  zifjtßov  i]uov  xiig  ze  ix[/.oyrig  r'in]d  zov  ytvovg  ,uov. 

Wie  ich  dem  Entdecker  der  Inschrift  nach  dem  Erscheinen  des  Heftes  der  Klio 
mitteilte,  ist  am  Ende  der  vorletzten  Zeile  €TTir  P<t)|se  nicht  iniyi>(u)<f>{i)iv  e- 
(mit  einer  auch  sehr  auffälligen  Abteilung)  zu  deuten,  sondern  e:tiy(){u)if.hs  oder  viel- 
leicht iniy[a]p(fTff,  da  zwischen  T  und  P  die  geschwungene  Linie  der  Einfassung  der 
Inschrifttafel  läuft,  vermag  ich  nicht  zu  sagen,  ob  die  beiden  Buchstaben  ihretwegen 
in  grösserer  Entfernung  stehen,  wie  P  und  0)  in  der  vorangehenden  Zeile,  und  A  fehlt 
oder  in  dem  Zwischenräume  ein  zerstörtes  oder  in  der  Abschrift  nicht  berücksichtigtes 
A  gestanden  hat.  Für  die  Umstellung  des  Rho  in  dem  Worte  bringen  K.  Dieterich. 
Untersuchungen  zur  Geschichte  der  griechischen  Sprache  S.  110;  W.  Crönert,  Memoria 
graeca  Eerculanensis  p.  81  n.  2;  Edw.  Mayser,  Grammatik  der  Papyri  I  190  Beispiele. 
Sicherlich  ist  iTiiyorufriicu  gemeint ;  ganz  ebenso  sagt  flelladios  in  der  von  mir  wie- 
derentdeckten, früher  nur  durch  Fourmonts  Abschrift  CIG  10.51  bekannten  Inschrift 
aus  Megara  IG  YII  .53.  Oesterr.  Jahresh.  II  236:  tö  tniy^auua  zu»'  iv  zij>  UfitaixA 
no'/.ifiv)  (hioäavövxwv  xs  xfiutviov  ivxavQa  »ypcutuy  äno/.dfifvov  6s  xö>  -/qövw  ' EUAdiog  6 
äp/ifQfi-g  i7iiypa<fr/vai  iTinitjaiv  ig  xii/xiiv  zihv  xfi/jiivwv  xal  zr^g  Tiii/.fu/g.  Statt  f[(*;  zvft- 
ßov  h\uiiv  ist  ferner  [f /;  xda]itov  zu  lesen :  allerdings  ^rird  angegeben,  dass  zu  An- 
fang der  letzten  Zeile  neun  Buchstaben  fehlen,  doch  ist  es  keineswegs  sicher,  dass 
der  Raum  vollständig  ausgenützt  wurde  und  die  Zeile  genau  unter  der  vorangehen- 
den einsetzte.  Auf  seine  Ergänzung  der  folgenden  Lücke  zr^g  zf  ix[?.oyr/g  n:t]ö  zov 
yh-ovg  fiov  .to  be  the  tomb  of  myself  and  of  the  Elect  from  my  race'  hat  Ramsaj- 
Expositor  VI  ser.,  IX  .53  besonderen  Wert  gelegt:  .This  is  an  e.\tremel}-  interesting 
reading.  The  txJ.oyi]  is  the  coUective  noun  indicating  the  whole  bodj'  of  ixXfxzoi: 
'all  who  are  selected,  all  the  Elect".  ,He  belonged  to  a  family  some  of  whose  mem- 
bers  were  still  pagan ;  and  he  restricted  the  right  of  sharing  his  sepulchre  to  those 
members  who  were  Christians'.  Ich  zweifle  nicht,  dass  statt  r/7;  zc  ix>\oyTig  rjjr]» 
zov  yhovg  uov  zu  lesen  ist,  etwas  kürzer  und  wie  die  Zeichnung  lehrt,  der  Lücke 
besser  entsprechend:  zT/g  zf  ix/lrioiag  xi]  zov  yerovg  fxov,  mit  einem  Kappa  ist  ix'/.riOla, 
wie  auch  sonst  so  oft,  in  Z.  13  der  Inschrift  geschrieben  und  die  Spuren  des  O.  die 

8 


390  Mitteilungen  und  XacJirichten. 

W.  M.  Ramsaj'  vor  rnv  yeyovc  fiov  entdeckte,  werden  vielmehr  die  eines  €  sein.  Füi" 
die  Redensart,  die  ich  so  gewinne:  [iti;  xöa]fiov  rijc  te  ix/.[tiaias  xi]  tov  ysvovg  ftov, 
vrird.  wer  sucht,  unschwer  Belege  finden ;  ich  begnüge  mich,  aus  der  Jobakchenin- 
schrift  SyUoge  737  Z.  8  de  xöafiov  xcd  äö^av  zoi  Bux/ilov  und  aus  dem  Beschlüsse 
der  Assier  ntgl  tov  ui/  yM&iaraaäui  TtQaxzoiitti;  Inscr.  gr.  rom.  IT  259  Z.  7  xoa/tCov  xb 
iuvTOv  ytroi  anzuführen. 

Gegen  die  Lesung  T.[ävx\aQ  (sie)  im).ia  (sie)  xazaaxfvdaa:  —  'an  engravors  error 
for  Tiiivr«  (i7i>.wc\  sagt  W.  M.  Calder  Expositor  VII.  ser.,  VI  390  —  in  der  drittletzten 
Zeile  spricht  nicht  nur,  dass  Trai-rac  keine  Beziehung  bat.  sondern  auch,  dass  in  der 
Abschrift  TT/  AZATTAW  Sigma,  sonst  stets  rund,  in  ungewöhnlicher  Gestalt  erscheint. 
Ich  habe  in  dem  Z  ein  E,  also  n[äv  U7i\aian/.üic.  vermutet  und  war  erfreut  nach- 
träglich, als  ich  von  Calders  Veröffentlichung  in  der  Klio  auf  Ramsays  erste  Mit- 
teilung Cilies  and  bishoprics  of  Phrygia  I  2  p.  543  zurückging,  diese  Lesung  da- 
durch bestätigt  zu  finden,  dass  die  Abschrift  in  Marinis  Sammlung  christ- 
licher Inschriften  Cod.  Vat.  Lat.  9072  p.  391  uiiciSan/.öj:  als  vollständig  erhalten  ver- 
zeichnet. Irrig  ist  allerdings  in  dieser  Abschrift,  in  der  die  zwei  letzten  Zeilen 
und  das  Ende  der  drittletzten  fehlen.  TtaaCov  hnacaTt/Mc  xaxaaiäaouv  gelesen  worden, 
als  schlösse  noch  ein  Glied  im  Genetiv  an  den  Dativ  nüai  zols  ?.i&oSoixotg  (pyoig  und 
die  Reihe  der  vorangehenden  Genetive,  während  nun  sicher  steht,  dass  diesen  nur 
der  Dativ  xal  näat  zoTs  h&oSoixoti;  e^yoic  folgt.  Für  solche  Ausweichungen, 
die  allerdings  häufiger  zu  Gunsten  des  Genetivs  erfolgen,  bringen  Dittenbergers 
Indices  zur  Sylloge  p.  238  und  zu  den  OGI  II  p.  728  Beispiele.  Ob  die  Aus- 
lassung des  schliessenden  Sigma  in  (;;r«|K.T/.io  wie  in  den  von  E.  Nachmanson  in  seinen 
Beiträgen  sur  Kenntnis  der  altgriechisehen  Volkssprache  (Skrifter  utgifna  af  K.  Hu- 
manistika  Vetenskaps-Samfundet  i  Uppsala  XIII  4)  18  erörterten  Fällen  als  dissimi- 
latorischer  Schwund  zu  erklären  ist  oder  wie  in  oi'ro  und  anderen  von  W.  Crönert, 
Memoria  graeca  EeraiJanensis  p.  142  und  Edw.  Mayser.  Grammatik  der  Papyri  242  ff. 
besprochenen  Adverbien  und  Präpositionen,  bleibe  dahingestellt. 

Wien. 

Römische  Kolonien  ohne  Autonomie. 

Ulrich  Wilcken  bespricht  im  neuesten  Hefte  des  Arch.  f.  Pap.-Forsch.  (V,  3 
S.  433f.)  einen  von  B.  Haussoullier  im  Flohlegiiim  Melchior  de  Vogiie  1910 
S.  183  ff.  edierten  Pariser  Papyrus,  aus  dem  sich  ergibt,  dass  von  den  Kaisern  Seve- 
rus  und  Caracalla  in  Kerkesucha  (Faijum)  angesiedelte  Veteranen  diese  ihre  Siedlung 
als  xoXwvla  bezeichneten.  Er  bemerkt  dazu :  „Dass  hier  in  Kerkesucha  eine  wirk- 
liche Kolonie  mit  dem  Recht  einer  Kolonie  begründet  wäre,  ist  natürlich  ausge- 
schlossen. Aber  auch  so  ist  die  Anwendung  des  Ausdrucks  im  Munde  des  Veteranen 
von  Interesse.  Sehr  zweifelhaft  ist.  ob  daraus  folgt,  dass  diese  Veteranengüter  einen 
zusammenhängenden  Komplex  bildeten.  Bis  jetzt  ist  wohl  angenommen  worden, 
dass  in  Ägypten  ebenso  wie  die  x/J/^oi  der  Ptolemäerzeit,  so  auch  die  Veteranen- 
güter der  Kaiserzeit  mitten  zwischen  den  andern  Aeckern  zerstreut  gelegen  haben. 
So  möge  dieser  Papyrus  zu  neuen  Untersuchungen  über  die  ägyptischen  Veteranen- 
ansiedlungen  der  Kaiserzeit  anregen". 

Ausser  dem  neuen  Papyrus  kennen  wir  solche  xoi.vniai  in  Aegypten : 

in  BGU.  II  587  aus  dem  Faijum.  Anfang  der  Regierung  des  Pius 

und  P.  Oxy.  III  653  vom  Ende  derselben  Regierung"). 

Dazu  kommt  noch  ein  Giessener  Papyrus  den  P.  M.  Meyer  in  P.  Giss.  I  3  Nr.  60 
veröffentlichen  wird.     Er   stammt  aus   dem  Dorfe  ya/fowi  im  Gaue  von  Heptakomia 

1)  Wilcken  a.  a.  0.  S.  434.  1. 


Mittc/liDiinii   itiid  Nitilniihiiii.  391 

und  gehört  dem  Anfang  der  hadrianischen  Regierung  an.     Unter  den  Kategorien  des 
Staatslandes  dieses  Dorfes  findet  sich  auch  (Kol.  III  5)  die  Rubrik  yn/.oin'ag. 

Wir  haben  also  bis  jetzt  Material  aus  drei  Gauen  (Arsinoites,  Oxyrhynchites, 
Apollonopolites  Heptakomias)  und  zwar  aus  der  Zeit  von  Hadrian  bis  Septimius  Seve- 
rus.  Die  .Kolonien"  liegen  in  Dörfern  der  betreffenden  Gaue.  Der  Pariser  Papj-rus 
bringt  die  Gewissheit,  dass  die  , Kolonien"  durch  Veteranenansiedlungen  entstanden 
sind.  Wilcken  betont  mit  Recht,  dass  keine  wirkliche  Kolonie  vorliegt;  vielmehr 
trägt  eine  Veteranenansiedlung  in  der  Gemarkung  von  Kerkesucha  nur  den  Namen 
einer  Kolonie.  Das  Ägypterdorf  besteht  daneben  weiter  und  die  „Kolonie"  von 
Kerkesucha  untersteht  der  Gauverwaltung  genau  so  wie  die  einheimische  Dorf- 
gemeinde. 

Wenn  wir  im  Römerreich  nach  Ähnlichem  Umschau  halten,  gibt  es  nur  eine 
Parallele  zu  diesem  Sachverhalt:  die  rolonifie.  die  innerhalb  der  gallo-römisehen 
Civitilten  nachweisbar  sind ').  .allerdings  sind  hier  bis  jetzt  ausschliesslich  Vororte 
der  Civitäten  mit  Kolonien  bekannt.  Dass  aber  auch  diese  gallischen  im  Civitas- 
Verbände  verbleibenden  , Kolonien"  wenigstens  teilweise  durch  Veteranenansiedlungen 
begründet  worden  sind,  beweist  der  Zusatz  emerita,  den  die  Kolonie  im  Vorort 
(Aventicum)  der  Helvetier-Civitas  trägt-).  Ein  Unterschied  liegt  wieder  darin,  dass 
in  Gallien  auch  die  Peregrinen  des  Vorortes  in  die  Kolonie  rezipiert  sind,  also 
eine  vicane  Gemeinde  mit  dem  Titel  colonia  als  Caput  civitatis  fungiert,  während 
in  den  ägyptischen  Dörfern  die  Veteranenkorporationen  ähnlich  wie  die  conventus 
civium  Romanorum  neben  den  Eingeborenen-Dörfern  bestanden.  Unterschiede  blei- 
ben also  immerhin  genug,  die  zum  Teil  wohl  durch  die  verschiedene  Rechtsstellung 
von  Gallien  und  Ägypten  im  Reidisorganismus,  zum  Teil  auch  durch  die  mindere 
Qualität  der  ägyptischen  Legionen  hervorgerufen  sind.  Diese  Unterschiede  überragt 
aber  an  Bedeutung  die  eine  grosse  Übereinstimmung,  dass  wir  allein  in  diesen  beiden 
nichtstädtisch  organisierten  Ländern  Kolonien,  und  zwar  römische  Börgerkolonien '), 
vor  uns  haben,  die  im  Verband  der  einheimischen  Verwaltungs- 
körper, in  Gallien  der  civitas,  in  Aegyptendesvo/zö?,  verblieben 
sind,  denen  also  die  städtische  Autonomie  nicht  zukommt. 

In  Gallien  begegnen  solche  Kolonien  etwa  seit  Claudius,  mit  gleichzeitiger 
Veteranendeduktion  erst  seit  Vespasian;  für  Ägypten  haben  wir  Belege  seit  dem 
Beginn  der  hadrianischen  Regierung.  Beim  jetzigen  Stand  unseres  Wissens  hat  da- 
her die  Ansicht  viel  für  sich,  dass  in  Gallien  mit  dem  neuen  Kolonialsystem,  das 
auf  das  altrepublikanische  Schema  zurückgreift^),  durch  Claudius  der  Anfang  gemacht 
worden  ist  und  dass  bald  darauf,  wahrscheinlich  schon  durch  die  Klavier  mit 
ihrer  auf  Ausgleich  zmschen  Provinzialen  und  Römern  gerichteten  Politik,  die  Über- 
tragung nach  der  ebenfalls  nichtstädtisch  organisierten  Provinz  des  Ostens  statt- 
gefunden hat. 

Um  diese  Auffassung  zu  stützen,  wird  es  nicht  unangebracht  sein,  darauf  hinzu- 
weisen, dass  noch  einmal  Galliens  Vorbild  auf  die  Weiterentwicklung  der  ägyjitischen 

1)  0.  Hirschfeld,  S.  Btr.  Berl.  Ak.  1897  S.  1099  ff.,  Klio  VIII  S.  466  ff..  E.  Kor- 
nemann.  Zur  Stadtentstehunfi  in  den  ehemal.  kelt.-  und  german.  Gebieten  des  Römer- 
reichs 1898  S.  37—46;  hier  habe  ich  S.  43  ff.  gegenüber  Mommsen  und  Hirschfeld 
darzutun  versucht,  dass  diese  , Kolonien'  römisches  und  nicht  latinisches  Recht  ge- 
habt haben. 

2)  Hirschfeld  zieht  hier  nicht  die  volle  Konsequenz,  wenn  er  sagt  {Klio  VIII 
S.  466):  ,Von  einer  wirklichen  Deduktion  von  römischen  Bürgern  kann  bei  allen 
diesen  (,Kolonien')  nicht  die  Rede  sein,  selbst  nicht  bei  Aventicum,  wenngleich  der 
Beiname  emerita  auf  Ansiedelung  einer  Anzahl  von  Veteranen  hindeutet". 

3)  S.  oben  Anm.  1.  —  4)  Kornemann,  B.  E.  IV  Sp.  .512  f. 

10 


392  Mitteilungen  nnd  Nachrichfen. 

Nomenverfassung  gewirkt  hat').  In  der  Zeit  zwischen  307  und  310 -)  ist  zum  Zweck 
der  Steuererhebung,  die  damals  das  ausschlaggebende  Moment  für  alle  Reformen  ge- 
worden war,  eine  Ordnung  nach  pngi,  mit  jiraepositi  payorum  an  der  Spitze,  erfolgt, 
die  stark  an  die  Pagusordnung  der  gallo-römischen  Civitas  erinnert. 

Wir  werden  immer  mehr  zu  der  Erkenntis  getührt :  neben  der  griechisch-römi- 
schen Stadt  war  diese  ursprünglich  stadtlose  gallo-römische  Civitas  eine  Grundform 
der  kaiserlichen  Provinzialverwaltung,  die  genau  wie  jene  von  den  Caesaren  propa- 
giert worden  ist.  In  ihr  zuerst  ist  nicht  nur  das  Sj-stem  der  kommunalen  Teilge- 
meinden (pagi)  innerhalb  der  Samtgemeinde,  sondern  auch  die  Schöpfung  römischer 
Kolonien  ohne  Autonomie  im  Rahmen  pei-egriner  Verwaltungskörper  zu  Tage  getre- 
ten. Nach  diesem  Vorbild  hat  die  Annäherung  der  ägyptischen  Gauverfassung  an 
das  im  Reiche  herrschende  Munizipal-Schema  stattgefunden.  Neues  Material  auf  dem 
Gebiete  der  ägyptischen  Veteranenansiedlungen  wird  uns  hoffentlich  noch  tiefer  in 
diese  Zusammenhänge  hineinblicken  lassen.  E.  K  o  r  n  e  m  a  n  n. 


1)  Vgl.  zum  folgenden  meine  Ausführungen  bei  Gercke-Norden.  Einleitung  in  die 
Alterlumswiss.  III  in  dem  Abschnitt  , Ägypten  und  das  Reich-. 

2)  Über   den   Zeitpunkt    der  Neuerung   vgl.   M.  Geizer,    Stud.  zur  bi/z.   Vertcalty. 
Ägyptens  =  Lpzy.  liiM.  Ahh.  Xlll  1909,  S.  57. 


Uns  liegt  vor:  OrienUilisches  Archiv,  Illustrierte  Zeitschrift  für  Kunst.  Kulturge- 
schichte und  VöUerl'unde  der  Länder  des  Ostens,  herausgegeben  von  Hugo  Grothe,  4". 
Jahrgang  I,  191*0/11.  Heft  1  (Okt.  1910),  2  (Januar  1911)  und  3  (April  1911).  Als  die 
alte  Geschichte  berührend  seien  folgende  Beiträge  genannt:  C.  Gurlitt.  Die  Bauten 
Adrianopels.  —  J.  Strzygowski,  Kara-Amid.  —  H.  Grothe.  Die  Bevullcerungselemente 
Persiens.  —  E.  Fischer,  Sind  die  Eumänen  ein  Balkanvolk^  —  Heiur.  Winkler,  Die 
mongoloiden  Völker  Europas  und  die  Basken.  Ausserdem  bringt  jedes  Heft  , Kleine 
Mitteilungen"  (in  Heft  3:  Die  Ausgrabungen  zu  Abi/dos  und  die  Frage  der  prädyna- 
iischen  Gräber)  und  eine  , Literaturtafel". 


Personalien. 


Am  9.  März  1911  ist  Otto  Puchstein,  Generalsekretär  und  Vorsitzender  der 
Zentraldirektion  des  deutschen  archäologischen  Instituts,  im  55.  Lebensjahr  gestorben. 
Der  Tod  dieses  auf  den  Randgebieten  griechisch-orientalischer  Kunst  und  Kultur 
bahnbrechenden  Forschers  trifft  die  Wisscnschft  besonders  schwer.  Nachdem  Ernst 
Fabricius,  ord.  Professor  der  alten  Geschichte  in  Freiburg  i.  Br.,  den  Ruf  ab- 
gelehnt hat,  ist  Hans  Dragendorff.  Direktor  der  röm.-germ.  Kommission  zu 
Frankfurt  a.  M.,  zum  Nachfolger  Puchsteins  ernannt   worden. 

Am  12.  März  1911  starb  Dr.  L  e  o  p  o  1  d  M  e  s  s  e  r  s  c  h  m  i  d  t,  Kustos  der  vorder- 
asiatischen Abteilung  der  Kgl.  Museen  zu  Berlin,  der  Herausgeber  des  Cor2nis  in- 
scriptionum  liettiticarum. 

K  u  n  o  Meyer,  bisher  ord.  Professor  des  Deutschen  und  des  Keltischen  an  der 
Universität  Liverpool,  wurde  als  Heinrich  Zimmer's  Nachfolger  als  ord. 
Professor  für  keltische  Philologie  an  die  Universität  Berlin  berufen  und  wird 
dem  Rufe  im  kommenden  Winter-Semester  Folge  leisten. 

John  Linton  Myres,  ord.  Professor  der  griechischen  Sprache  und  Lite- 
ratur au  der  Universität  Liverpool  und  A'ertreter  der  alten  Geographie  an  deren 
archäologischem  Institut,  ist  einem  Rufe  als  Professor  der  alten  Geschichte  an  der 
Universität  Oxford  gefolgt.  An  seiner  Stelle  ist  C.  F.  L  e  h  m  a  n  n  -  H  a  u  p  t,  bis- 
her a.  o.  Professor  der  alten  Geschichte  an  der  Universität  Berlin,  als  ord.  Pro- 
fessor an  die  L'niversität  Liverpool  berufen  worden. 

11 


393 


Modrene,  IWodroi  und  Galliis. 

(Nebst  Bemerkung-en  über  die  Nordgrenze   von  Phryg-ia  Epiktetos 
und  die  Lage  der  bithynischen  Bistümer.) 

Von  Joli.  Solch. 

Seit  jeher  geiiürte  die  Frage,  wo  die  Orte  Modrene  und  Modroi  zu 
suchen  .seien,  ob  sie  nieht  überhaupt  vielleiclit  identisch  waren  und  wel- 
cher Fhis.s  im  Altertum  den  Namen  des  (bithynischen)  Galhis  *)  führte, 
zu  den  schwierigsten  Problemen  der  historischen  Geographie.  Vor  allem 
handelte  es  sich  dabei  stets  darum,  ob  man  mit  Gnllus  einen  rechtsseitigen 
oder  einen  linksseitigen  Nebentluss  des  Sangarius  bezeichnet  hat.  Denn 
unter  den  Nebenflüssen  dieses  Stromes,  die  vom  Altertum  am  wenigsten  eiii- 
l'ach  mit  Stillschweigen  übergangen  worden  sein  dürften,  kommen  im  bi- 
tbynisclien  Lande  nur  zwei  in  Betracht:  der  Mudurnu-tschai.  der  sich  von 
Südosten  lier  (rechts),  und  der  Göktsohe-su.  der  sich  von  Südwesten  her 
(links)  in  jene  Hauptentwässerungsader  des  nordwestlichen  Kleinasien  er- 
gießt. Der  Mudurnu-tschai  mündet  ungefähr  östlich  von  Nikomedeia.  der 
Göktsche-su  östlich  von  Nikaia  ^).  Diesen  hat  schon  Leake  1824  dem 
Gallus  gleichgesetzt  ^),  ihm  ist  Ramsay  auf  Grund  weitei'er  Ausführungen, 
mit  denen  wir  uns  daher  eingehender  werden  zu  beschäftigen  haben,  ge- 
folgt *),  und  auch  Kiepert  hat  sich,  nach  anfangs  andrer  Meinung,  dieser 
Ansicht  angeschlossen  ^),  während  Perrot ")  und  zuletzt  Diest.  dieser  mit 
einem  besonders  gewichtigen  Argument,  den  alten  Gallus  im  heutigen 
Mudui'nuflusse  erblickten  '). 

Die  älteste  Nachricht  über  den  Gallus  enthält  Strabos  Ei-dboschrei- 
bung  bei  der  Besprechung  des  Sangarius  (XII  54:3).  Dieser  durchströmt 
nach  ihm  „den  grösseren  Teil  von  Phrygia  Epiktetos.  aber 


1)  Dieser  Gallus  ist  natürlich  von  anderen  gleiclinamigen  Flüssen,  zumal  jenem 
von  Pessinus,  streng  zu  scheiden.  Was  Modroi  anlangt,  vgl.  Kadoi,  Azanoi  u.  a. 
Forbiger  dagegen  in  Langenscheidts  Klassikerbibl.  u.  a.  übersetzten  Modra. 

2)  Vergl.  hier  und  für  die  folg.  Ausführungen  überhaupt  R.  Kieperts  Karte  von 
Kleimisien  1:400000.  die  Bl.  Constantinopel.  Brussa  und  Angora. 

.3)  Journal  of  a  Tour  in  Aaia  Minor.    Lond.  1824. 

4)  The  Historical  Geograph;/  of  Asia  Minor.  TiOnd.  1890. 

5)  Text  zu  den  form,  ocftis  ant..  tab.  IX. 

6)  Exploration  archeolog.  de  la  Galatie  et  de  la  Bithi/nie.     Paris  1862 — 72. 

7)  Von  Tilsit  nach  Angora.    Peterm.  Mitt.  Ergh.  12.5. 

K 1  i  o  ,  Beiträge  zur  alten  Geschichte  XI  4.  26 

1 


394  Joh.  Solch, 

auch  einen  Teil  von  B  i  t  li  y  n  i  e  n .  so  d  a  s  s  er  von  X  i  k  o  ni  e- 
d  e  i  a  wenig  über  dreihundert  Stadien  entfernt  ist,  in 
der  Gegend,  wo  der  zu  M  o  d  r  o  i  in  P  h  r  3*  g  i  e  n  am  Helles- 
pont  entspringende  Gallus  mit  ihm  zusammenfällt" 
[öie^eiai  öi  t»]s  inixvrjTOv  0Qvyiag  Tijv  nXeiu),  negog  öe  %i  xal  T/]g  Bi- 
d'vviac.  cüGTS  y.ai  t;/c  Niy.ofiiiÖEiac  aTiixeiv  fitXQÖr  nXeiovg  i]  TQiaxoaioi'g 
aradiorg,  y.a^'  S  avfißd/J.ei  noratiög  cedTco  FäZZog  ix  MöÖqmv  rag  ÖQ^üg 
excjv  rijg  i(p'  'EZh]anövjct)  0Qvyiag),  und  er  fährt  dann  fort:  „Dieses 
Phrygien  aber  ist  einerlei  mit  Epiktetos  und  früher  besassen  es  die  Bi- 
thyner.  [So]  aber  vergrössert  und  schiffbar  geworden,  obgleich  seinerzeit 
unbescbifift.  bildet  der  Sangarius  an  seiner  Mündung  die  Grenze  Bithyniens" 
[avxi]  ö'  tarlv  1)  avrij  ti]  iniy.Ti]TCo  y.a)  tr/ov  amijv  01  Bi&vvoi  ngöts- 
Qov.  av^t]^eig  öe  y.al  yeröfisvog  nloirög.  y.aijreQ  7id?xu  änXonog  oh',  xijv 
Bi&vi'iav  ÖQt^ei  TiQÖg  raig  fy.ßo/.aig.  Strabonis  (Joiyrdplika.  Kec.  A.  Mei- 
neke.  Bibl.  Teubn.  vol.  II  1877).  Diese  Beschreibung  des  Sangarius  dm'ch 
Strabo  ist  weit  genauer  als  die  Angaben,  die  uns  Plinius  in  seiner  Nafxr- 
gescJiiclite  über  den  Sangarius  und  dessen  Nebenflüsse  bietet:  oritur  in 
Phri/ffia,  acdpH  vastos  anines  inter  quos  Temhrogium  et  Galhtni,  idem  Sagi- 
arius  plerisque  dictiis ').  Hier  also  nichts  von  einer  Andeutung  über  den 
Lauf  des  Gallus.  nichts  von  Modi-oi.  .Ja  wahrscheinlich  meint  Plinius  mit 
diesem  Gallus  den  galatischen  FIuss,  den  er  schon  V  147  erwähnt  hat. 
Ptolemäus  kennt  den  Gallus  überhaupt  nicht,  erwähnt  aber  dafür  einen 
Ort  rd^hy.a  und  führt,  landeinwärts  gehend,  drei  Kniee  {encazQoqjdg)  des 
Sangarius  an  ^).  Erst  Amraian  enthält  wieder  eine,  und  zwar  ungemein 
wichtige  Bemerkung  über  den  Gallus  und  Sangarius.  die  wir  uns  noch 
genauer  ansehen  werden  (s.  u.  S.  403  ff). 

I.  Will  man  hier  zu  einem  halbwegs  zusagenden  Resultat  kommen, 
so  muss  man  naturgemäss  vom  Bekannten  zum  unbekannten  fortschreiten 
und  dabei  stets  auf  die  Glaubwürdigkeit  unserer  alten  Gewährsmänner  im 
allgemeinen  sowie  einzelner  ihrer  Angaben  im  besonderen  prüfend  Rück- 
sicht nehmen.  Von  den  verschiedenen  geographischen  Namen,  die  wir  eben 
kennen  gelernt  haben,  sind  unbedingt  sichergestellt  bloss  drei :  der  Sanga- 
rius. der  Tembrogius  —  das  ist  der  heutige  Pursak  (=  tschai[Fluss]).  im 
Altertum  auch  Tymbres  geheissen  —  und  Nikomedeia.  Im  Vordergi'unde 
des  Streites  dagegen  stehen  der  Gallus  und  Modroi.  auch  Gallika  ist  noch 
nicht  fixiert.  Aber  auch  über  die  Ausdehnung  von  Phrygia  Epiktetos. 
speziell  über  den  ^  erlauf  von  dessen  Nordgrenze,  deren  Kenntnis  für  die 
Lösung  unsres  Problems  ungemein  wertvoll  wäre,  sind  wir  nicht  hinrei- 
chend   unterrichtet.     Immerhin    gewährt    uns    gerade  Strabo   dafür    einige 


1)  Nat.  liist.  (Ausg.  d.  geogr.  Bücher  v.  Detlefsen)  VI  1  (oder  die  Ausg.  v.  C.  May- 
hofF,  Bibl.  Teubu.  vol.  I.  1906). 

2)  Claud.  Ptol.  geoyr.  Ed.  C.  Müller.  (Pariser  Ausgabe)  vol.  I  pars  II  1901,    V.  1,  3. 


MiithT)ic.  M(iilri>>  Hwl  (idlhis.  39") 

Aiili;iltsp\ml<to:  \i)ii  dieser  Seite  lier  also  soll  die  Untersiicliuii;;  iliriii  Aus- 
gang nehnion. 

Die  Aiigal)cii.  die  uns  Strabo  dei'   ifeiiie  iiacii  liietet.   sind  tolgenrie ') : 

1.  Bitbyiiieu  begrenzen  im  Osten  die  Papblagonier  und  Maryan- 
dyner.  auch  ein  Teil  ilev  Epikteter  usw.,  gegen  Süden  Mysien 
und  das  sogenannte  Pbrygia  E  ])  i  k  t  o  t  o  s.  welches  auch  das  llelles- 
pontische  Phrygien  heisst  (563). 

2.  Von  Prusias.  dem  Neubegründer  von  Kios,  sagt  er:  , Dies  ist  jener 
Prusias,  der  den  nach  der  Niederlage  des  Antiochus  dortiiin  flüchtenden 
Hannibal  aufnalini  und  den  attali.schen  Königen  infolge  eines  Vergleichs 
Phrygien  am  Hellespont  einräumte,  das  früher  Kleinphrygien 
hiess,  während  es  jene  Epiktetos  benannten"   (563). 

3.  Prusa  liegt  am  Mysischen  Olymp,  sowohl  den  l'iirygern  als 
auch  den  Mysern  benachbart  (564). 

4.  Wohl  ist  es  schwer,  die  Grenzen  der  Bithyner,  Myser.  Phryger 
usw.  genau  zu  bestimmen,  doch  ist  Mysien  zwischen  Bithynien  und  der 
Mündung  des  Aesepus  zu  suchen,  so  dass  es  das  Meer  berührt  und  fast 
bis  zum  ganzen  Olympos  reicht.  „Ringsumher  liegt  im  innern 
Land  Epiktetos.  welches  sich,  ohne  irgendwo  das  Meer  zu  berühren, 
bis  an  die  östlichen  Teile  des  Sees  und  der  Landschaft  Askania  er- 
streckt" (564). 

5.  Südlich  von  den  Bithynern  sind  die  um  den  Olymp  her  wohnen- 
den Myser  (welche  einige  Olympener,  andere  aber  Hellespontier  nennen), 
und  Phrygien  am  Hellespont,  südlich  von  den  Paphlagonern  aber 
die  Galater  (566). 

6.  Die  Tolistobogier  (einer  der  drei  Galaterstämme)  grenzen  an  die 
Bithyner  und  das  sogenannte  Phrygia  Epiktetos  (567). 

[Hier  also  wird  erst  erwähnt,  dass  an  Bithynien  auch  Galater  an- 
grenzten, während  eine  diesbezügliche  Bemerkung  bei  der  L^mgrenzung 
Bithyuiens  fehlt;  s.  sub  1]. 

7.  Grenznachbarn  der  BithjTier  gegen  Süden  sind,  wie  schon  gesagt, 
die  Myser  am  sogenannten  Mysischen  Olymp  und  die  Phryger'^).  Jedes 
dieser  Völker  aber  ist  zweifach:  denn  Phrygien  heisst  einesteils  das  Grosse, 
welches  Midas  beherrschte  und  wovon  die  Galater  ein  Stück  besetzten, 
andernteils  das  Kleine,  n  ii  in  1  i  c  ii  das  am  Hellespont  und  das 
am  Olymp,    das    auch  Epiktetos  heisst^).     Ebenso  aber  gibt 

1)  Die  Uebersetzung  im  allgem.  mit  Forbiger  a.  a.  0. 

2)  So  Forbiger.  Doch  könnte,  weil  der  Artikel  vor  tppvyti  nicht  wiederholt 
wird ,  auch  übersetzt  werden :  die  Myser  und  Phryger  am  sogenannten  Mys.  Ol. 
Allein  Strabo  ist  in  der  Anwendung  des  Artikels  nicht  zu  achtsam  (vgl.  Bi&vvoZg 
ohne  Artikel  bei  G  u.  ähnl.).  Hütte  er  sagen  wollen :  die  Myser  und  Phryger  am 
Olymp,  so  hätte  er  wohl  geschrieben :  .  .  .  .  ötiogovat  jiQdg  vÖToi'  nigt  tdv  'OXvßnov 
.  .  .   OL  MvaoL  xt  xai  ^Ppvyeg. 

3)  So  möchten  wir,  etwas  abweichend  von  Forbiger,  die  Stelle  übersetzen. 

26* 
3 


396  Joh.  Solch. 

es  auch  ein    Myisia    Olyiujieue.    welches  an  Bithvnien    und  Epiktetos    an- 
grenzt (571). 

8.  Den  Olj-nip  uniwohnen  im  Xurden  Bithyner.  Mygdonen  und  Do- 
Honen;  das  übrige  (Land)  besitzen  die  M  y  s  e  r  und    Epikteten  (575). 

9.  Städte  in  Phrygia  Epiktetos  sind  Azanoi  ( Aezani).  Na- 
kolia,  Kotiaion.  Midaion,  Dorylaion  und  Kadoi :  doch  rechnen  dieses  einige 
auch  zu  Mysien  (dieses  reicht  nämlich  im  Binnenland  von  Olympene  bis 
Pergamene)  (576). 

Weiter  dienen  zur  Ergänzung  die  Angaben. 

10.  dass  0  tr  o  i  a.  ein  Städtchen  wenig  über  dem  See  Askania,  schon 
an  der  Ostgrenze  Bithyniens  lag  (566),  (Forb.  übersetzt  hier 
nicht  ganz  richtig:  an  den  Grenzen  des  östlichen  Bithvnien),  und 

11.  dass  der  Sangarius,  wie  schon  erwähnt,  den  grösseren  Teil  von 
Phrygia  Epiktetos  durchströmte  *). 

Von  allen  diesen  Mitteilungen  Strabos  nun  erwecken  zunächst  die  hier 
unter  4  und  10  vermerkten  unser  besonderes  Interesse:  sie  widersprechen 
einander  nämlich  ganz  augenfällig,  wie  ein  Blick  auf  die  Karte  zeigt.  Süd- 
lich vom  Askanischen  See  (heute  Isnik-göl=  See  von  Isnik  [Nikaia])  zieht 
sich  ein  wenig  bekannter    und  gar   nicht    erforschter   Gebirgszug   entlang, 

1)  1.  Tijy  äs  Bi9vvi'av  anb  fthv  t^;  hv(no/.7J?  ögii^ovai  ntt(p?.ttyövec  re  xcü  MaQiav- 

Svvol   xat  Ttbr  ^ Ejitxzrßuiv  rtvic ,  ngoc  vöiov  ö'  tj  M  Mvala  xai  //  ^ Enixirjzoc  xa- 

/.ovftEV7]  4'QVyla,  tj  d'  avt}/  xal  'ElXijanovxiax))  4>Qvyia  xa).ovuirij- 

2.  OvTOg  ö'  Uativ  6  Tlgovaiaq  6  xal  'Avvlßcti'  öfSäfiiyog  ....  xai  rv?  fijp'  'Ei.hja- 
■nöi'Tw  <pQVYtas  ayaazäc  xarä  avfißäosig  rotg  ^ AtTa/.txoTc,  ^v  ol  fthv  ngötfQOV  ixäi.ovv 
fiix(>nv  'pQvylav,  ixilvoi  ä'  iixlxzijTov  iivöuuaar. 

3.  ÖQOvaa  Ss  tjit  zöj  ^O'/.vunw  IdQvzai  zöj  Mvalm  .  .  .  xolc  ze  <i'QvSlv  'öfioffoc  xal 
zoT:  MiaoT:. 

i.  JtoQtaai   äe  zoig  opov:  /a).enöv  zovg  äh  BiQ-vviov  xal  i>pvyw%'   xal  Mvaäu' .... 

ztjv  Mvai'ttv,  anzofitrijv  xTjC  ^a)Äixijt;  xal  Stt'jxovaav  fisyQi  zov  '0?.vfi7iov  a/jööv 

[zi]  rrairöc "  xvx).u>  öi  zijv  ^ Eiilxztfxov  xsifiei'ijv  ip  z^  ufaoyaia,  &aXäzzijg  ovöa^iov  anzo- 
/.liyijv  ätuziiiovoav  S's  iii/oi  rcoc  iiöwv  ucqüiv  zijt  'Aaxavlag  ?J,uv>jC  ze  xal  yjMoaz. 

5.  JJpöc  vöxov  6'  eial  xolg  BiS^vvoTg  ol  nfpi  xor  " 0).Kfxnov  Mvaol  (orc  ''O/.vfin/ji'oig 
xa/.ovat,  xivsg.  oi  S'  ' EU.ijanovxiovg)  xal  f]  i(p'  ' E).Xr,anövxw  <Pgvyia,  xoTg  Sk  Uatpi.ayöai 
FaiMxag. 

6.  ToXiaxoßvjytoi  rff  tluopoi  Bi&vvoTg  ilai  xal  x^  ^Ethxxi'jxw  xa?.ovftsvtj  <pQVyi'(i. 

7.  Tore  äi  Bi^vvoig  df.iOQovai  nQog  röxov.  ujc  iftjv,  ol  negl  xbv  OXv^atiov  xöv  Mi:- 
aiov  -XQoaayoQtvöixfi'ov  Mvaol  ze  xal  <Ppvyfg  ■  hxäxfpov  äi  xo  sffroc  ätxzöv  iazi.  ipQV- 
yia  zf  yag  tj  ft'ev  xaleXzai  fteyähj,  ijg  6  Mcäag  ißaoi'/.evae  xal  ijs  fiSQOg  ol  Faläzai  xaz- 
iaxov,  })  äh  .uixqk  ij  itp  'ED.tjanövzo)  xal  ij  negl  xbv  "O^.vftnov  Ij  xal  ' Enixxtjxot  ).syo- 
fth-ij.    Mvairi  xt  ö/Ltohog  ij  xs  '0}.vfimjvij  awe/J/g  oioa  xjj  BiS^vvlrc  xal  t;7  'EnixxijXV)  .  .  ■  . 

8.  '0  fihv  ä)/  'O'/.vunog  xoiögäe  ntpwixfixat  äh  npbg  uqxxov  ,uhv  inb  xwv  BiS^vvibv 
xal   yivyäovwv  xal  Ao'/jövtuv,  xb  äh  '/.ombr  iyovai   Mvaol  xal  ^Eni'xxijxoi. 

9.  Tijc  ä'  iinxxißov  <pQvylttg  'Atftvol  xs  slai  xai  Naxo'/.la  xal  Koxtnstov,  xai  Mi- 
ääfiov  xal  doQvlanov  nb'/.fig  xal  Knäoi '  xoi'g  äs  Kääovg  sviot  xyg  Mvai'ag  ipaaiv. 

10.  Mtxgbv  ä'  inhg  xyg  'Aaxavlag  Xi'fivijg  'OxQoia  no).!yyrj,  jipöc  xolg  öqoi:  i'/ätj  x!jg 
BiBvv!ug  xolg  ngbg  h'to . 

11.  Vgl.  oben  S.  39:3  f. 


Modrene,  Modroi  inid  (hdliis.  397 

der  Saryinescliedaufli  (Kieperts)  oder  (ühlüda^li,  „ein  massiver  Berj^lilotz", 
wie  ihn  von  der  Goltz  ciiarakterisiert ').  Er  bildet  eine  scharfe  Scheide 
zwischen  dem  See  im  Norden  und  dem  Becken  von  Jenischehir  im  Süden  — 
Jenischehir  aber  ist  das  alte  Otroia  —  und  findet  seine  Fortsetzung  im  We- 
sten gegen  Gemlik  (Kios)  hin  in  einem  Bergland,  das  mit  1268  m  Maxi- 
malerliebung  mehr  als  1000  m  über  den  See  emporsteigt  imd  gleich  dem 
Sarymeschedagh  einen  begrenzenden  Wall  bildet.  In  diesem  ganzen  Ge- 
birge aber,  das  den  See  im  Süden  begleitet,  öffnet  sich  nur  ein  einziger 
Durchgang,  und  zwar  südlich  von  der  Mitte  der  Westhälfte  des  Sees,  dort, 
wo  sich  zwischen  den  Sai'vmeschedagh  und  das  westlichere  Gebirge  eine 
Lücke  einschaltet:  ihr  führt  das  im  Altertum  Solois  genannte  FlUsschen 
zu  und  auch  die  moderne  Strasse  Gemlik-.Ienischehir  benützt  sie.  Ein  zweiter 
Uebergang  aus  dem  Gebiet  des  Sees  nach  dem  Becken  von  Jenischehir 
bietet  sieh  erst  <am  Ostende  des  Sarymeschedagh,  fast  genau  südlich  von 
Nikaia;  aber  nur  mit  vielen  Windungen  vermag  der  nicht  fahrbare  Weg^) 
den  fast  600  m  hohen  Passscheitel  zu  gewinnen.  Ausser  diesen  zwei  Ueber- 
gängen  gibt  es  .heute  keinen  irgendwie  wichtigen  und  es  ist  völlig  ausge- 
schlossen, dass    es  vor  2000  .Jahren  hier  anders  gewesen  ist. 

Diese  geographische  Betrachtung  ist  notwendig.  Denn  sie  zeigt  uns, 
dass  Bithynien,  wenn  es  Nikaia.  Kios,  Prusa  und  Oti'oia  besass,  das 
ganze  Seegebiet  sein  eigen  nennen  musste.  Denn  wo  sollte  da  phrygisches 
Land  bis  an  den  See  gereicht  haben?  Dass  Otroia  etwa  eine  bithynische 
Enklave  auf  phrygischem  Boden  gewesen,  eine  solche  Hypothese  wäre  viel 
zu  gesucht,  widerspricht  auch  dem  Wortlaut  bei  Strabo,  dass  es  nahe  der 
Grenze  Bithyniens  lag.  Nein.  Otroia  war  bithynischer  Boden.  Hätte  nun 
Phrygia  Epiktetos  von  Süden  her  an  den  See  reichen  sollen,  so  wäre 
die  einzige  in  Betracht  kommende  Gegend  jene  Lücke  im  Hintergrund  des 
Soloisflüsschens  gewesen.  Allein  was  für  ein  Grenzverlauf  ergäbe  sich 
daV  In  Form  eines  ganz  schmalen  Streifens  hätte  sich  dann  phrygisches 
Land  zwischen  bithynisches  Gebiet  im  Westen  und  Osten  eingezwängt  und 
zwischen  Prusa  und  Otroia  den  See  im  Norden  berührt.  Abgesehen 
davon,  dass  ein  solcher  Grenzverlauf  an  sich  schon  ein  Unding  wäre, 
spricht  auch  die  Konfiguration  der  Landschaft  dagegen.  Sollte  die  wich- 
tige Verbindung  der  nur  .^Ö  km  von  einander  entfernten  bithynischen  Städte 
Prusa  und  Otroia,  die  sich  hier  über  einen  nur  350  m  hohen  Pass  ver- 
hältnismässig leicht  bewerkstelligen  lässt  —  über  ihn  führfauch  die  mo- 
derne Strasse  Brussa-Jenischehir  —  wirklieh  durch  fi-emden  Besitz  unter- 
bunden gewesen  sein?  Sollten  die  bithynischen  Könige  wirklich  solch  eine 
wichtige  Gegend  den  pergamenischen  Königen  überlassen  haben?  Das 
dünkt  uns  durchaus  unwahrscheinlich.  Auch  Strabos  eigene  Angabe,  dass 
Epiktetos  die  östlichen  Teile  des  Sees  berührt  habe,  spricht  dagegen. 


1)  AnatoliscJie  Ausflüge.    Berlin  189G,  S.  404.  —  2)  Ebd.,  S.  406. 

5 


398  Joh.  Solch, 

Mithin  kiinn  Phrygia  Epiktetos  von  Süden  her  gewäss  nicht  an  den 
askanischen  See  gereicht  haben.  Das  niussten  wir  von  Anfang  an  feststellen: 
denn  die  Schwierigkeiten  an  der  Ostseite  sind  trotz  Strabos  Bemerkung 
womöglich  noch  grösser.  Zwar  das  Land,  an  das  Bithynien  da  bei  Otroia 
grenzte  (vgl.  unter  10  auf  S.  396),  kann  nur  Phrygia  Epiktetos  gewesen  sein  — 
Myser,  Galater,  Paphlagoner  bleiben  weit  ausser  Betracht.  Sollte  sich  aber 
Phrygia  Epiktetos  wirklich  von  Osten  oder  Südosten  her  bis  zum  See 
selbst  erstreckt  haben?  Kaum!  Denn  wenn  sich  auch  hier  das  Gebirge 
bereits  verflacht,  so  dass  die  Verbindung  zwischen  hüben  und  drüben 
leichter  möglich  wird  und  jenes  seine  Rolle  als  Scheidewand  verliert,  so 
ist  es  doch  nicht  glaubhaft,  dass  Phrygia  Epiktetos  so 
hart  vor  den  Toren  von  Niicaia,  das  Strabo  noch  als 
Hauptstadt  von  Bithynien  bezeichnet,  an  den  See  gereicht 
habe.  Das  hätte  überdies  wiederum  die  Verbindung  der  beiden  bithynischen 
Städte  Nikaia  und  Otroia  in  fremder  Hand  belassen,  während  im  Gegen- 
teil Strabos  Bemerkung  zu  Otroia  „wenig  über  dem  See  von  Askania"  auf 
nahe  Beziehungen  zwisclien  jenen,  speziell  auf  eine  schon  damals  bestehende 
Verbindung  hinzuweisen  scheint. 

Vermutlich  hat  Phrygia  Epiktetos  zu  Strabos  Zeit  über- 
haupt nicht  mehr  an  den  askanischen  See  gereicht  und 
Strabo  ist  hier  in  einen  Irrtum  verfallen,  indem  er  sich,  Homer,  Eupho- 
rion  und  den  Aetoler  Alexander  zitierend,  zu  sehr  in  längst  entschwundene 
Zeiten  verlor  und  Vergangenheit  und  Gegenwart  untereinander  brachte. 
Uebrigens  bemerkte  er  ja  selbst  ausdrücklich,  dass  es  schwer  sei,  die 
Grenzen  der  Bithyner,  Myser.  Phryger  zu  bestimmen  (564)  —  sehr  sicher 
ist  er  also  seiner  Sache  hier  überhaupt  nicht  ■'). 

Wo  aber  haben  wir  nun  die  Grenze  zwischen  Bithynien  und  Phrygia 
Epiktetos  in  Wirklichkeit  zu  suchen?  Strabos  Angabe,  Otroia  sei  schon 
an  der  Ostgrenze  Bithyniens  gelegen,  gibt  uns  einen  Fingerzeig,  freilich 
leider  keine  Gewissheit.  Tatsächlich  ist  gerade  die  Landschaft  östlich  von 
Otroia  zu  einem  Grenzgebiet  sehr  geeignet :  denn  sie  besteht  aus  einem  von 
tief  eingerissenen,  steilwandigen,  schluchtartigen  Tälern  zerfurchten  Berg- 
land, das.  stufenförmig  ansteigend,  bereits  zu  den  Hochebenen  des  inneren 
Kleinasien  geleitet.  Während  sich  in  seinem  westlichen  Teile,  soweit  be- 
reits bekannt,  nur  der  Ahudagh  ")  über  1000  m  erhebt  und  die  Wasser- 
scheide zwischen  Sangarius  und  Göktsche-su  bildet,  schwillt  es  im  Süd- 
osten angesichts  des  Beckens  von  Eskischehir  im  Alindjadagh  bereits  auf 
fast  1200  m  an  und  dieser  findet  im  sanft  nach  Süden  geschwungenen 
Bogen  des  Dumanitschgebirges  eine  nur  wenig  unter  2000  m  bleibende 
Fortsetzung  gegen  den  Olymp  zu.     Beide.  Olymp  und  Dumanitsch.  bilden 

1)  Vgl.  auch  Plin.  Nat.  hist.  V  144.  nach  dem  die  Gegend  selbst  von  Kios  früher 
Ascania  Phrygiae  geheissen  hatte. 

2)  So  Kieperts  Karte.     Humann  dagegen  schrieb  Aghadagh. 


Moämw,  Moch-oi  itiid  Oalhis.  399 

so  eine  zusammenhängende  Sclieidi'wand  zwiscluni  Xordpii  und  Süden  — 
fast  noch  keines  Forschers  Fuss  hat  sie  übersehritten,  —  und  erst  am 
Ostende  des  Dumanitschgebirges  führt  ein  Sattel,  der  unter  1000  m  bleibt 
(860  m),  unmittelbar  aus  dem  Becken  von  Eskischehir  in  das  von  Inegöl, 
wo  sich  die  verschiedenen  Quellflüsse  des  Göktsche-su  sammeln;  weitaus 
ihr  wichtigster  ist  der  Kuladja-tschai,  von  der  Bevölkerung  schlechtweg 
„  Tschai :=Fluss"  genannt.  So  ist  dieses  Becken  von  Inegöl,  das  mit  dem 
von  Jenischehir  in  innigem  Zusammenhang  steht  und  mit  dem  von  Brussa 
über  den  kaum  250—  280  m  über  der  Beckentiefe  gelegenen  Pass  von 
Aksu  Verbindung  gewinnt,  gegen  Bithynien  weit  mehr  aufgeschlossen  als 
gegen  das  Epiktetische  Phrygien,  umsomehr  als  die  Höhenzüge  jenes  Berg- 
landes ebenso  wie  die  Steilböschungen  der  Talschluchten  noch  heute  von 
dichtem  Wald  imd  Gestrüpp  bedeckt  sind,  wie  am  Dumanitschgebirge  und 
Ahudagh.  Namentlich  aber  in  früherer  Zeit  gehörten  wie  bekannt  Wald- 
gebiete zu  den  besten  natürlichen  Grenzzonen ;  und  wenn  auch  heute  zwei 
Strassen,  die  von  (Gemlik-).Tenischehir  nach  Biledjik-Eskischehir  und  die 
sich  mit  ihr  vereinigende  von  (Brussa-)Inegöl  gleichfalls  nach  Eskischehir 
die  Hochfläche  mit  wiederholtem  lästigen  Auf  und  Ab  queren,  so  haben 
sie  doch  weder  in  römischer  noch  in  byzantinischer  Zeit  Vorläufer  gehabt 
—  wenigstens  wissen  wir  nichts  davon.  Erst  der  gewaltige  Aufschwung 
Brussas  und  das  Bedürfnis  nach  direkten  Verbindungen  von  Eskischehir 
eben  mit  Brussa  und  Gemlik  hat  die  modernen  Wege  geschaffen.  Da- 
her glauben  wir,  dass  zu  der  Zeit,  die  Strabo  kannte,  die  Grenze  zwischen 
Bithynien  und  Phrygia  Epiktetos  über  diese  weltfremden,  stillen  Waldge- 
birge verlief.  In  späterer  Zeit  freilich  muss  sie  eine  Verschiebung  er- 
fahren haben;  denn  gehörte  einmal  Agrilion,  wie  Ptolemäus  berichtet,  zu 
Bithynien.  dann  konnte  Strabos  schon  mehrmals  zitierte  Bemerkung,  Otroia 
sei  an  der  Ostgrenze  Bithyniens  gelegen,  nicht  mehr  zutreflen.  Wir  wer- 
den weiter  unten  sehen,  dass  aber  eine  solche  Grenzveränderung  mög- 
licherweise nicht  bloss  westlich,  sondern  auch  östlich  vom  Sangariuslauf 
vorgenommen  wurde. 

Auch  diese  geographische  Auseinandersetzung  konnte  niclit  erspart 
bleiben:  denn  verlief  die  Grenze  von  Phrygia  Epiktetos  in  der  soeben 
skizzierten  Art,  dann  hat  möglicherweise  der  Unterlauf  des  heuti- 
gen Göktsche-su  zu  ihm  gehört,  nicht  aber  das  Quellgebiet,  während  es 
nach  Strabos  Angaben  gerade  umgekehrt  war;  und  dann  war  der 
Göktsche-su  nicht  d  e  i-  F  I  n  s  s ,  der  im  Altertum  G  a  1 1  u  s 
h  i  e  s  s,  und  M  o  d  r  o  i  nicht  die  A  h  n  i  n  von  Inegöl.  Wie  son- 
derbar aber  und  allen  geograpliischen  Verhältnissen  hohnsprechend  hätte 
die  Grenze  verlaufen  müssen,  hätte  das  Becken  von  Inegöl  noch  zu  dem 
jenseits  der  Berge  gelegeneu  Phrygien  gehört,  während  es  gegen  Prusa 
und  Otroia  hin  geöffnet  war! 

Allein  noch  steht  Hypothese  gegen  Hypothese:  während  Ramsay  und 


400  Joh.  Solch, 

seine  Vorläufer  und  Nachfolger  sagen,  der  Gallus  entspringt  in  Plirygia 
Epiktetos und  daher  müsse  er  der  heutige  Göktsche-su  gewesen  sein,  halten 
wir  deni  umgekehrt  entgegen :  Phrygia  Epiktetos  dürfte  überhaupt  nicht 
das  Quellgebiet  des  6öktsche-su  umfasst  haben  und  dann  kann  der  Gök- 
tsche-su nicht  der  Gallus  von  ehemals  sein. 

Ramsay  und  die  andern  Verfechter  derselben  Ansicht  stützen  sich 
doch,  so  könnte  man  einwerfen,  auf  Strabos  eigene  Angaben,  wie  wir  sie 
unter  3.  4,  7  und  8  oben  angeführt  haben.  Gleichwohl  lässt  sich  auch 
unsere  Annahme  sehr  gut  mit  Strabos  Bemerkungen  in  Einklang  bringen. 
Denn  er  sagt  ausdrücklich,  dass  das  Land  vom  Olymp  nördlich  von 
den  Bithynern,  Mygdonen  und  Dolionen  bewohnt  werde;  das  übrige  — 
das  aber  muss,  da  der  Olymp  samt  seiner  in  innigstem  Zusammenhang 
mit  ihm  stehenden  Fortsetzung,  dem  Dumanitschgebirge.  etwa  ostsüdöst- 
lich streicht,  das  Land  südlich  gewesen  sein  —  bewolinen  die  Myser 
und  Epikteteu.  Davon,  dass  Phryger  und  Myser  auch  am  Nord  abtall 
des  Gebirgszuges  gewohnt  hätten,  ist  nicht  die  Rede.  Wie  weit  also  reichte 
nun  am  Südhang  Mysien  nach  Osten  und  wo  nahm  Phrygia  Epiktetos 
seinen  Anfang?  Strabo  scheint  (unter  5)  nur  von  den  um  den  Olymp  her 
wohnenden  Mysern  und  von  Phrygern  am  Hellespont  zu  reden,  nicht  aber 
von  den  „um  den  Olymp  her  wohnenden  Mysern  u  n  d  Phrygern".  von 
diesen  also  keineswegs  dasselbe  auszusagen  wie  von  jenen,  von  denen  er 
zweimal  eigens  betont,  dass  .sie  am  Olymp  wohnen.  (Ueber  die  unter  7 
angeführte  Bemerkung  Strabos  siehe  S.  395  Anm.  2.)  Heisst  doch  daher 
auch  die  Landschaft  am  Südfluss  des  Olymp  My  si  a  Olympene  *).  Sub.  4 
heisst  es,  dass  Mysien  fast  bis  zum  ganzen  Olympos  reicht:  auch  damit 
kann  wieder  nur  die  Südseite  gemeint  sein.  Denn  an  der  Nordseite  reichte 
ja  Bithj'nien  mit  Prusa  fast  bis  ans  Westende  heran.  Aber  heisst  es  nicht 
unter  7  von  Phrygien  „um  den  Olymp  her"  und  unter  4,  Prusa  sei  den 
Phrygern  benachbart?  Was  jenen  Einwurf  anlangt,  so  darf  nicht  ver- 
gessen werden,  dass  zwar  der  Keschischdagh  bei  Prusa  die  gewaltigste 
Erhebung  des  nordwestlichen  Kleinasien  vorstellt  und  gewiss  in  ei-ster  Linie 
als  Olympus  mons  gelten  musste,  dass  aber  zum  Olympgebirge  in  weiterem 
Sinne  wohl  auch  das  fast  2000  m  hohe  Dumanitschgebirge  gezählt  werden 
muss  und  auch  Strabo  die  beiden  Gebirge  nicht  von  einander  gesondert 
haben  dürfte :  südlich  von  diesem  aber  können  wir  Phrygia  Epiktetos  ge- 
wiss mit  aller  Ruhe  ansetzen,  denn  hier  gravitiert  die  Landschaft  bereits 
nach  Kutaliia.  dem  alten  Kotiaion,  und  Kotiaion  war  nach  Strabo  eine 
phrygische  Stadt.  So  kann  also  dieser  ganz  reclit  gehabt  haben,  wenn  er 
auch  Phrygia  Epiktetos  an  den  Olymp  grenzen  lässt;  deslialb  brauclit  es 
aber  nicht  auch  das  Becken    von    Inegöl    eingeschlossen  zu   haben.     Dem 


1)  Dass  die  Olympener  auch  ^Hellespontier'  genannt  wurden,  mag  eine  Er- 
innerung an  die  Vergangenheit  sein,  wo  das  ganze  Land  his  zum  Hellespont  hin 
Phrygien  am  Hellespont  geheissen  hatte. 


Modrene,  Moclroi  inirl  GoIIiis.  401 

zweiten  Einwand.  Strabo  sage  ausdrücklich.  Prusa  sei  den  Mysern  und 
Phrygorn  benachhiiit,  nniss  entgegengestellt  werden,  dass  es  unser 
Gewälirsmann  mit  solchen  Angaben  denn  doch  nicht  so  genau  nimmt,  we- 
nigstens für  unser  Gebiet:  als  Beweis  dafür  diene,  dass  er  (vgl.  unter  8) 
auch  ausdrücklich  sagt,  dass  den  Olymp  im  Norden  Bithyner.  Doli  o  neu 
und  Mygdonen  umwohnten,  während  er  späterhin  das  VVolingebiet  dieser 
Stämme  genauer  tixiert:  Dolionen  heissen  besonders  die  um  Cvzikus.  vom 
Aesepus  bis  zum  Rhnydakus  und  dem  See  Daskylitis  hin  Wohnenden.  M\<r- 
donen  aber  die  zunächst  folgenden  bis  zum  Gebiet  der  Myrleaner.  Wo 
sind  also  zumal  die  Dolionen  und  wo  der  Olymp?  Aber  auch  von  den 
Mygdonen  kann  man  nicht  sagen,  dass  sie.  waren  Strabos  Angaben  über  ihr 
Gebiet  richtig,  nördlich  vom  Olymp  wohnten.  Sich  also  gar  zu  genau, 
womöglich  wörtlich  an  Strabos  Berichte  zu  halten,  geht  keineswegs  immer  an. 

Damit  glauben  wir  etwaigen  Einwänden,  dass  Phrygia  Epiktetos  das 
Becken  von  Inegöl  umfasst  halien  m  u  s  s.  von  vornherein  jede  Spitze  ab- 
gebrochen zu  haben,  und  kehren  nun  zur  weiteren  Untersuchung  über  die 
Gallusfrage  zurück. 

II.  Niclit  minder  wichtig  als  die  genaue  Kenntnis  des  Verlaufs,  den 
die  Grenze  zwischen  Bithynien  und  Phrygia  Epiktetos  westlich  vom  Sanga- 
rius  aufwies,  wäre  für  die  Lösung  unseres  Problems  die  sichere  Erkun- 
dung, wie  sie  östlich  von  jenem  Strome  zog.  Leider  können  wir  auch 
hier  nur  zu  Vermutungen,  nicht  aber  zu  unumstösslich  feststehenden  Er- 
gebnissen gelangen. 

Das  Tembrogiusgebiet  (Pursak-tschai)  war  unzweifelhaft  phrygisch. 
Denn  Strabo  zählt  Dorylaion  und  Midaion.  beide  Orte  am  Tembrogius  te- 
legen, ausdrücklich  unter  den  phrygischen  Städten  auf,  wie  es  ja  von 
vornherein  zu  erwarten  ist.  Allein  wie  weit  reichte  das  epiktetische  Phrv- 
gien  hier  gegen  Norden? 

Da  ist  nun  jene  Notiz  bei  Strabo  ausserordentlich  auifällig.  dass  der 
Sangarius  den  grösseren  Teil  von  Phrygia  Epiktetos  durchströmt 
(s.  S.  393 f.).  Wieso  das?  Der  wirkliche  Hauptquellfluss  des  Sangarius  ist  der 
Seid-su,  der  bei  Seidi  Ghazi.  dem  alten  Nakolia,  vorbeifliesst.  Diesen  jedoch 
bezeichneten  die  Alten  als  Parthenius  und  sahen  im  heutigen  Bardaktschi-su 
den  Quellfliiss  des  Sangarius.  Strabo  wenigstens  tut  dies ;  denn  er  be- 
merkt (543),  dass  der  Sangarius  bei  dem  Flecken  Sangia.  150  Stadien  von 
Pessinus  entfernt,  seine  Quelle  habe.  Traf  diese  Ansicht  zu  ').  so  ent- 
sprang der  Fluss  hart  an  der  Grenze  von  Galatien  und  trat  alsbald  in 
dieses  ein.  Dann  aber  konnte  natürlich  von  diesem  obersten  Quellstück 
des  Sangarius  gewiss  nicht  behauptet  werden,   dass  es  den  grösseren  Teil 


1)  Hätte  der  Fluss  von  Nakolia  Sangarius  geheissen,  so  hätte  Strabo  diesen  ge- 
wiss nicht  erst  bei  Sangia  entspringen  lassen,  sondern  wohl  im  Gegenteil  gesagt, 
der  Sangarius  habe  seinen  Ursprung  bei  Nakolia,  bezw.  Nakolia  liege  am  Sangarius. 


402  Joh.  Solch, 

von  Phryoia  Epiktetos  durchmass.  Zudem  ist  es  fraglich,  ob  jene  Land- 
schaft überhaupt  noch  zu  Phrygia  Epiktetos  gehörte.  Denn  das  nahege- 
legene Pessinus  war  nach  Strabos  eigener  Bemerkung  eine  Stadt  der  ga- 
latischen Tektosagen  und  diese  wohnten  neben  Grossphrygien  (567 
und  576). 

Tatsächlich  durchströmt  dann,  wenn  man  die  Grenzen  von  Phrygia 
Epiktetos  in  der  gewöhnlichen  Weise  zieht,  der  Tembrogius  den 
grössten  Teil  dieser  Landschaft;  er  ist  dann  der  Hauptfluss  des  Gebietes. 
Sollte  man  Strabo  solch  eines  gewaltigen  Irrtums  zeihen  wollen,  dass  er 
den  Santrarius  mit  dem  Tembrogius  verwechselt  hätte?  Doch  nein  —  denn 
er  sagt  ja,  der  Sangarius  entspringe  bei  Sangia  in  der  Nähe  von  Pessinus. 
Wo  aber  ist  Pessinus  und  wo  der  Tembrogius !  .Ja  was  soll  man  dann 
eigentlich  mit  Strabos  obiger  Bemerkung  anfangen,  dass  der  Sangarius 
den  Grösseren  Teil  von  Epiktetos  durchströmt  habe?  Da  kann  man  doch 
einzio'  und  allein  nur  den  Ausweg  finden  —  ausser  man  will  Strabo  über- 
haupt eine  falsche  Bemerkung  vorwerfen  — ■  dass  man  folgert,  das 
o-anze  Ostwest  stück  des  Sangariuslaufes  zwischen 
G  a  1  a  t  i  e  n  und  B  i  t  h  y  n  i  e  n  habe  zu  Phrygia  Epiktetos 
<f  e  h  ö  r  t  und  dieses  habe  ein  gutes  Stück  über  den  San- 
garius gereicht.  Wie  trefflich  aber  stimmt  dies  zum  Verlauf  der 
Grenze  im  Westen  des  Sangarius!  Hier  sahen  wir  sie  östlich  von  Otroia 
crecfen  Norden  zu  ausbiegert-  und  vermuten  sie  auf  den  Waldgebirgen  der 
Wasserscheide  zwischen  Göktsche-su  imd  Sangarius.  Oestlich  von  diesem 
mag  dann  die  Grenze  über  die  Karakajaberge  und  das  Aksofugebirge  zum 
Dikmen-  und  Karmlydagh  gezogen  sein  und  den  Oberlauf  des  Mudurnu- 
flusses  noch  zu  Phrygia  Epiktetos  geschlagen  haben,  um  etwa  von  der 
Wasserscheide  zwischen  Muduruu-  und  Bolifluss  südwärts  zu  verlaufen 
imd  hier  Phryger-  und  Galaterland  zu  trennen. 

Dass  der  Grenzverlauf  dieser  Art  war,  mag  vielleicht  für  den  ersten 
Auo-enblick  etwas  gewagt  erscheinen,  weil  wir  gewöhnlich  jenen  Umfang 
von  Bithynien  vor  unserem  geistigen  Auge  haben,  der  etwa  der  Zeit  der 
beiden  P  1  i  n  i  u  s  und  des  Ptolemäus  entspricht.  Zu  Strabos  Zeit 
muss  er  anders  gewesen  sein;  das  räumen  auch  diejenigen  implicite  ein. 
welche  die  Gegend  am  Göktsche-su  und  um  Biledjik  zu  Phrygia  Epiktetos 
rechnen  wollen,  denn  auch  dieses  Gebiet  gehörte  zu  Ptolemäus  Zeiten,  wie 
seine  Angabe  über  Agrilion  zeigt,  nicht  mehr  dazu.  Ebenso  war  z.  B. 
auch  .Juliopolis  (Gordiukome)  im  Osten  bereits  zur  Zeit  der  Flavier  bithy- 
nisch,  während  es  voreinst  zu  Phrygien  gehört  haben  musste.  Verände- 
rungen waren  also  bestimmt  eingetreten  und  die  Angabe  Strabos.  Otroia 
liege  schon  an  der  Grenze  des  östlichen  Bithynien,  traf  ebensowenig  mehr 
zu  wie  die ,  dass  der  Unterlauf  des  Sangarius  die  Grenze  Bithyniens  bilde. 
Gerade  bei  diesen  Veränderungen  aber  muss  das  oberste  Gebiet  des  Gallus, 
ob  wir  nun  diesen  Fluss  im  Göktsche-su  oder  im  Mudumu-tschai  erblicken, 

10 


Modrene,  3loäroi  und  Galhift.  403 

jii  doch    Hitliynieii   anf^cul ledert   worden  sein'). 

Lag  Otroiii  an  der  Ostgrenze  Hithyniens.  so  nin  s  s  hier  Phrygien  nach 
Norden  gereicht,  niuss  den  Mittelhiuf  des  Sakaria,  dieses  iirächtige  Knltnr- 
hind.  das  sich  nach  Diest  von  Karaviran  70  km  weit  bis  zur  Mündimg 
des  Kysyldere  aufwärts  erstreckt  ^).  eingeschlossen  haben  und  ebenso  niuss 
das  Gebiet  bei  Gölbazar  noch  plirygischer  Boden  gewesen  sein.  Von  hier 
aber  Hess  sich  leicht  die  Verbindung  nach  (röm.)  Dablae  (Tarakly)  bewerk- 
stelligen, dem  nach  Kamsays  eigener  Meinung  ebensosehr  ein  phrygischer 
Name  zugrunde  lag  wie  selbst  dem  noch  nördlicheren,  sogar  jenseits  der 
von  uns  angenommenen  Nordgrenze  gelegenen  Tataion.  Modroi  endlich 
muss  ein  ausserordentlich  wiclitiger  Punkt  dann  gewesen  sein,  wenn  wir 
es  mit  Modrene  gleichsetzen  und  bei  dem  heutigen  Mudurnu  suchen,  ein 
Verkehrsknoten  von  hoher  Bedeutung:  von  Claudiopolis  (Boli).  Dusae 
(Düsdsche),  den  Gallus  herauf,  von  Dablae  her  im  Tal  des  Gönüksu  und 
über  einen  leichten  Bergpass,  von  Ankyra  und  von  Cratia  her  mündeten 
dort  die  Wege  zusammen,  deren  Spuren  besonders  von  Anton  und  Diest 
verfolgt  worden  sind  ').  Nichts  hindert  uns  anzimehmen.  dass  dieses  Mo- 
droi ehemals  zum  Epiktetischen  Phrygien  gehört  hat  und  erst  später  in 
der  römischen  Zeit  endgültig  zu  Bithynien  geschlagen  wui-de. 

III.  Doch  freilich,  es  muss  nicht  so  gewesen  sein  und  es  können  auch 
diejenigen  Forscher  recht  haben,  die,  wie  Perrot,  Strabo  einfach  eines  Irr- 
tums zeihen,  wenn  er  Modroi  zu  Phrygia  Epiktetos  rechnet.  Dass  aber  der 
alte  bithynische  Gallus  nur  im  heutigen  Mudurnufluss  und  Modroi.  gleich- 
bedeutend mit  dem  späteren  Modrene,  in  dem  wichtigen  Mudurnu  von 
jetzt  zu  erblicken  sind .  Beweis  dafür  ist  uns  die  Stelle  bei  Ammian,  aus 
der  schon  Diest  vollkommen  richtige  Schlüsse  gezogen.  Wenngleich  seine 
Ausführungen  noch  nach  einigen  Richtungen  hin  ergänzt  werden  können  *), 
hat  doch  Kiepert,  der  ursprünglich  den  Gallus  richtig  aufgefasst  hatte, 
dann  diese  frühere  richtige  Annahme  wiederum  fallen  lassen  zu  Gunsten 
der  Annahme  Ramsays.  Es  ist  daher  notwendig,  die  Stelle  bei  Ammian 
in  ihrem  Zusammenhang  mit  dem  übrigen  Text  genauer  zu  prüfen  und 
eine  kurze  Darlegung  der    von  ihm  geschilderten   Verhältnisse    zu    geben. 

Während  Valens  im  Osten  zu  Kaisareia  in  Kappadokien  weUt.  trifft 
iljn  die  Nachricht.  Prokopius  habe  sich  wider  ihn  erhoben.  Schleunig  kehrt 
er   durch    Gallogräzien    (Galatien)    zurück    und    befiehlt,    die    Rebellen    in 


1)  Warum  uun  soll  es  unmöglich  sein,  wie  Ramsay  sagt,  dass  Phrygia  Epiktetos 
hier  östlich  vom  Sangarius  so  weit  nach  Norden  gereicht  habe?  Jedenfalls  wider- 
sprechen dem  weder  die  Angaben  bei  Strabo  noch  auch  die  geographischen  Ver- 
hältnisse mehr  als  der  Annahme  Ramsays. 

2)  In  Pet.  M.  Krgh.  116,  S.  12,  13.  ' 

3)  Diest  in  Pet.  M.  Ergh.  12-5,  S.  46:  Diest  u.  Anton  in  Pet.  M.  Erijh.  116.  S.  20, 
96/7,  109. 

4)  Diest  in  P.  31.  Ergh.  12.j.  S.  16  f. 

11 


404  Joh.  Solch, 

ihrem  Lager  anzugi-eifen.  Da  eilt  Prokopiiis,  der  sieh  inzwischen  gegen 
Nikaia  gewendet  hat.  herbei  nach  der  Stadt  Mygdus  am  Sangarius  und 
liat  den  Triumph,  dass  ein  grosser  Teil  der  Truppen  des  Valens  zu  ihm 
übero'eht.  Besonders  vorteilhaft  ist  es  ferner  für  ihn.  dass  sich  auch  der 
kriegstüchtige  Tribim  Rumitalka  auf  seine  Seite  stellt.  Dieser  begibt 
sich  zur  See  nach  Helenopolis  und  bemächtigt  sich  durch  einen  kühnen 
Handstreich  plötzlich  Nikaias.  Jetzt  betraut  Valens  den  Alamannenkönig 
Vadomar  mit  der  Zurückgewinnung  der  Stadt,  er  selbst  zielit  über  Niko- 
medeia  gegen  Chalcedon.  dessen  Einwohner  durch  ihre  Schmähreden  seinen 
Groll  ganz  besonders  entfachen  und  hartnäckigen  Widerstand  leisten.  Da 
gestaltet  sich  seine  Situation  ungemein  gefährlich.  Rumitalka  macht  näm- 
lich urplötzlich  einen  Ausfall  aus  dem  belagerten  Kikaia,  erschlägt  einen 
oTOSsen  Teil  der  Belagerer  und  bricht  sofort  nach  Norden  auf,  um  Valens 
vom  Rücken  her  zu  fassen.  Und  beinahe  hätte  er  seine  Absicht  eiTeicht, 
ni  .  .  .  illc  instantem  restigiis  hostcm  per  Sitnonensem  laciiin  et  ßuminis  GalJi 
ainuasos  anfractus  propere  discedendo  friistra  sequcutem  lusisset  i).  Valens 
wusste  also  dem  auf  dem  Fuss  folgenden  Feinde  über  den  sunouensischen 
See  und  die  Mäanderschlingen  des  Gallus  zu  entrinnen.  Doch  gerät  durch 
diesen  Vorfall  ganz  Bithvnien  unter  die  Herrschaft  des  Prokop  imd  Valens 
ist  froh,  in  Eilmärschen  Ankvra  gewinnen  zu  können. 

Ein  einziger  Blick  auf  die  Karte  lehrt  folgendes:  Des  Valens  Zu- 
fluchtsort ist  Ankvra  in  Galatien:  dorthin  will  er  sich  von  Chalcedon  her 
über  Nikomedeia.  den  sunonensischen  See  —  das  ist  der  heutige  Saban- 
dschasee  —  und  über  den  Sangarius  und  Gallus  retten.  Wie  hätte  er  sich 
da  vom  sunonensischen  See  zum  Göktsche-su  begeben  sollen,  der 
auf  der  von  Ankvra  ab  gewandten  Seite  des  Sangarius  lag  und  dessen 
Lauf  ja  direkt  in  die  entgegengesetzte  Richtung  wies?  Ausserdem  war 
dies  Gebiet  vollständig  in  den  Händen  der  Feinde,  die  schon  vor  des  Va- 
lens fluchtartigem  Rückzug  mindestens  das  Gebiet  von  Nikaia  bis  Mygdns 
hin  und  damit  auch  die  Göktschesumündung  beherrschten.  Es  ist  ganz 
ausgeschlossen,  dass  Valens,  der,  wie  Ammian  berichtet,  mutloser  Vei-- 
zweiflung  nahe  war,  etwa  gewagt  hätte,  sich  mit  Gewalt  den  Rückzug 
mitten  durch  die  feindlichen  Hauptstellungen  zu  bahnen.  Endlich  scheint 
die  Schreibung  Ammians  per  Sunonenscm  Jaciim  et  (I.  GalU  siniiosos  an- 
fractus etwas  anderes  sagen  zu  wollen  als  tra  ns  .  .  .  (iiifrac-tiis  hiesse:  nicht 
ein  ü  e  b  e  r  q  u  e  r  e  n,  sondern  ein  der  Längsrichtung  Folgen.  Das  Tal  des 
unteren  Göktsche-su  führte  aber  gewiss  keine  Sti-asse  entlang  (nach  An- 
kvra natürlich  sclion  gar  nicht),  während  im  Tale  des  Mudumuflusses  wohl 
eine  Verbindung,  wenn  auch  bloss  zweiten  Ranges,  nach  Modrene  aufwärts 
geführt  haben  dürfte. 

Aber  noch  mehr!     Die  Feinde   beherrschten   nicht    bloss    das    Gebiet 


1)  Ammiani   Marcell.  rer.  gest.  rell.  Rec.  V.  Gardthausen.     (Bibl.  Teubn.  18<4/5), 
XXVI  8. 

12 


MIadiriH:  Modmi  iitul  (iaihis.  405 

wcstliili  vom  Siinjj'arius,  sondern  halten  von  Myjfflus  aus  ott'enliar  aiicli 
schon  das  naliegelcgene  Tattaion  besetzt,  wo  die  Ilauptstrasse  über  Dablac 
nach  Ankyra  das  Sangariusfcal  verlässt.  Deshalb  konnte  Valens 
nicht  m  e  li  r  hier  auf  d  i  e  s  e  ni  W  e  g  e,  auf  dem  er  in  Bithynien  ein- 
gerückt war,  den  Rückzug  bewerkstelligen'),  sondern  m  u  s  s  t  e 
die  andere  nördlichere  und  sonst  weniger  benützte  Verbindung  wählen: 
eben  das  Tal  des  vielfach  gekrümmten  Mudurnu  über  Modrene,  das  ja 
wie  erwähnt  über  Lagania,  das  jetzige  Beybazar,  mit  Ankyra  in  Kommuni- 
kation stand.  Somit  m  u  s  s  der  M  n  d  u  r  n  u  f  1  u  s  s  der  6  a  1 1  u  s 
(1  e  r  K  ö  m  er  g  e  \v  (^  s  e  n  sein.  Eine  andere  M  ö  g  I  i  c  h  k  e  i  t 
halten   wir  für  völlig  ausgeschlossen. 

Auch  was  Ammian  noch  weiter  erzählt,  kann  diese  unsere  Ansicht 
nur  bestätigen.  Als  Valens  in  Ankyra  ankommt,  vernimmt  er  die  böse 
Kunde,  dass  Truppen  des  Prokopius  unter  dem  Befehle  des  Hyperechius 
bereits  im  Anmarsch  auf  Ankyra  selbst  begriffen  seien.  Allein  sein  Mut 
hebt  sich  wieder,  als  jetzt  endlich  für  ihn  Verstärkungen  unter  Lupicin 
eintreffen.  Da  erteilt  er  seinem  auserlesenen  Feldherrn  Arinthäus  den 
Befehl,  den  Feinden  entgegenziirücken.  Bei  Dadastana  droht  die  Schlacht 
zu  entbrennen,  doch  Arinthäus  hat  das  Glück,  dass  ihm  Prokops  Soldaten 
selbst  ihren  Feldherrn  ausliefern. 

Bis  Dadastana  also  waren  die  Prokopianer  bereits  auf  der  Haupt- 
strasse Nikaia-Ankyra  vorgerückt,  mit  andern  Worten,  bis  zur  Grenze 
zwischen  Bithynien  und  Galatien.  Offenbar  fehlte  nicht  viel  und  sie  wären 
Valens  in  Ankyra  zuvorgekommen.  So  endigte  also  der  Wettlauf  mit  dem 
Sieg  des  Valens  und  das  war  des  Kaisers  Glück.  Immerhin  waren  die 
Feinde  trotz  des  für  sie  so  unangenehmen  Ereignisses  bei  Dadastana  keines- 
wegs entmutigt,  sondern  behaupteten  sich  in  Bithynien  nach  wie  vor.  Das 
wird  von  zwei  Seiten  her  scharf  beleuchtet :  Prokopius  fühlt  sich  so  sicher, 
dass  er  nun  auch  Hellespont  erobern  will  und  Cyzikus  belagern  lässt.  Va- 
lens hinwiederum  getraut  sich  nicht,  schon  jetzt  gegen  Prokopius  vorzu- 
gehen, sondern  begibt  sich  vorerst  von  Ankyra  nach  Pessinus  und  nach 
Phrygien  und  zieht  aus  dem  südlichen  Kleinasien  Truppen  zusammen.  Erst 
als  er  sich  stark  genug  glaubt,  wendet  er  sich  dann  von  Süden  her 
gegen  Prokopius.  der  inzwischen  bereits  weit  ins  phrygische  Land  vorge- 
drungen, wie  die  Lage  des  Ortes  beweist,  wo  die  Gegner  zusammenstiessen: 
bei  Nakolia.  Hier  kommt  es  zum  entscheidenden  Kampf.  Verrat  bringt 
Prokopius  eine  schwere  Niederlage,  er  muss  sich  ins  Waldgebirge  flüchten. 
Aber  auch  jetzt  noch  war  Nikaia  in  den  Händen  des  Marcellus,  eines  Ver- 
wandten und  Anhängers  des   Prokop.    Die  weiteren  Schicksale  dieses  Man- 

1)  Aber  selbst  den  irrealen  Fall  angenommen,  er  hätte  die  Hauptstrasse  im 
Süden  benützen  können,  was  hätte  es  für  einen  Witz  gehabt,  von  ihr  bei  Tattaion, 
wo  sie  den  Sangarius  verlässt,  abzubiegen  zum  Göktsehesu,  der  erst  ein  gut  Stück 
oberhalb   einmündet  und  dann  diesem  zu  folgen  oder  ihn  zu  queren? 

13 


406  Jol>.  Solch, 

nes  und  die  endgültige  Niederwerfung  des  Aut'standes  durch  Valens  interes- 
sieren uns  hier  im  übrigen  nicht.  ^Vas  wir  hier  anführten,  sollte  nur  den 
unzweifelhaften  Beweis  erbiingen.  dass  das  ganze  Gebiet  zwischen  Nikaia 
einerseits  und  der  bithynisch-galatischen  und  bithvnisch-phrygischen  Grenze 
andrerseits  in  den  Händen  der  Prokopianer  war  und  dass  folglich  Valens 
keinesfalls  über  den  Göktsche-su  (und  am  allerwenigsten  in  dem  Zickzack 
Sabandjasee-Göktschesu-Ankyra)  gezogen  sein  kann.  Mithin  ist  der 
Göktsche-su  nicht  der  G  a  1 1  u  s. 

IV.  Es  erübrigt  noch,  den  Rest  der  Berichte,  die  uns  das  Altertum 
für  unsre  Frage  bietet,  zu  überprüfen,  und  zwar  namentlich  nach  der 
Richtung  hin,  ob  sie  zu  Gunsten  der  Mudurnu-  oder  der  Göktsche-su- 
hvpothese  sprechen,  bezw.    ob    sie  der  einen  oder    andern    widersprechen. 

a)  Strabo  schi-eibt,  der  Sangarius  sei  dort,  wo  er  den  Gallus  auf- 
nimmt, wenig  über  300  Stadien  von  Nikomedeia  entfernt.  Dieses  Argu- 
ment will  Ramsav  zu  seinen  Gunsten  deuten :  jedoch  mit  Unrecht.  Denn 
300  Stadien  entsprechen  (je  nach  der  Länge  des  Stadiums,  das  man  zu- 
grunde legt)  ungefähr  50 — 55  km.  Das  entspricht  nun  fast  genau  der 
Entfernung  Nikomedeia  —  Mündung  des  Mudumu  (in  der  Luftlinie),  wäh- 
rend die  Mündung  des  Göktschesu  bloss  40  km  entfernt  ist.  Warum  also 
hier  sagen,  Strabo  (bezw.  seine  Quelle)  habe  die  Entfernung  überschätzt. 
wo  sie  doch  tatsächlich  sehr  genau  ist,  wenn  man  an  den  richtigen  Gal- 
lus denkt?  Ferner  geht  Ramsay  Diest  gegenüber  entschieden  zu  weit, 
wenn  er  feststellt.  Strabo  sage  gar  nicht,  durch  den  Wasserzuwachs  des 
Gallus  werde  der  Sangarius  schiffbar,  und  daher  Diest  einen  L-rtum  vor- 
wirft. Vielmehr  macht  die  ganze  Stelle  bei  Strabo  gewiss  den  Eindruck, 
als  ob  er  gerade  der  Verstärkung  des  Sangarius  durch  den  Gallus  eine 
solche  Bedeutung  zuschriebe.  Denn  wenn  er  eben  vom  Gallus  gesprochen 
und  diesen  allein  von  den  Nebenflüssen  des  Sangarius  erwähnt  hat  und 
dann  fortfährt:  „verstärkt  und  schiffbar  geworden  usw.".  worauf  hätte  er 
denn  das  „verstärkt"  bezogen?  „Durch  wen"  oder  „wodurch"  verstärkt, 
wäre  sofort  die  nächstliegende  Frage,  auf  die  Strabo  die  Antwort  schul- 
dig bliebe.  Hätte  er  da  an  einen  andern  Fluss  als  den  [Göktsche-]Gal- 
lus  gedacht,  so  hätte  er  ihn  sicher  genannt.  Aber  eben  nein !  Der  Mu- 
durnu ist  der  Gallus  und  dieser  führt  dem  Sangarius  wirklich  auch  in  der 
trockenen  .Jahreszeit  soviel  Wasser  zu.  dass  der  Sangarius  beschilft 
werden  konnte.  Es  stimmt  also  wiederum  auch  diese  Angabe  des  Strabo 
mit  der  Wii-klichkeit  sehr  wohl  überein  '). 

Noch  ein  Einwurf  könnte  vielleicht  gemacht  werden.  Es  ist  näm- 
lich gewiss  kein  Zweifel,  dass  in  der  Laufrichtung  des  Sangarius 
eines  der  auffälligsten  Kniee  gerade  an  der  Stelle  gelegen  ist.  wo  er  den 


1)  Ueber   die   Schiffbarkeit   des   Sangariusunterlaufes   und   du-  Wichtigkeit   des 
Mudurnu  für  sie  hat  sich  Diest  geäussert  a.  a.  0.,  S.  68. 

14 


Modrenc.  Modroi  und  (hülns.  407 

Güktsclie-su  auininimt.  SuUtc  nicht  vielleicht  Strabo,  bezw.  dessen  Ge- 
währsmunn  dieser  l)edeuts;mie  Punkt  vorj^escliwebt  sein  und  der  Autor 
eben  deshalb  die  Mündung  des  [Göktsche-]  Galius  gemeint  haben?  Allein 
warum  hat  dann,  so  lautet  unsere  Gegenfrage,  Strabo  die  Entfernung 
dieses  Punktes  von  Nikoniedeia  und  nicht  von  Nikaia  aus  angegeben? 
Erstens  war  doch  laut  Strabos  eigenem  Bericht  Nikaia  die  Hauptstadt 
Bith3'niens,  und  es  wäre  doch  am  ehesten  zu  erwarten  gewesen,  dass 
er  die  Entfernung  des  Hauptfiusses  des  Landes  von  der  Hauptstadt  ange- 
geben hätte ;  und  dies  zweitens  umsomehr,  als  der  Sangarius  jenes  scharfe 
Knie  gerade  in  der  Hichtung  auf  Nikaia  kehrt  (wie  das  z.  B.  auch  Ptole- 
mäus  richtig  erkannt  zu  luiben  scheint:  s.  u.).  Drittens  ist  hier  der  San- 
garius von  Nikaia  nur  wenig  über  100  Stadien  entfernt,  ist  hier  also  einer 
bekannten  bithynischen  Stadt  viel  näher  als  weiter  in  Norden,  und  end- 
lich viertens  kann  Nikaia  von  dort  aus  leicht  erreicht  werden  —  in  rö- 
mischer Zeit  lief  ja  in  nächster  Nähe  die  Strasse  Nikaia- Ankyra  hier  vor- 
über, während  Nikomedeia  nach  Strabos  Angabe  über  300  (in  Wirklich- 
keit ungefähr  250)  Stadien  entfernt  war  und  zu  dem  Punkte  in  gar  keiner 
unmittelbaren  Verbindung  stand. 

Zuletzt  könnte  daher  diesbezüglich  noch  die  Frage  aufgeworfen  wer- 
den: „Warum  hat  dann  Strabo  nicht  auch  die  Entfernung  Nikaia-San- 
gariuskmie  angeführt,  sondern  bloss  die  Nikomedeia-Gallusmündimg  (= 
Endpunkt  der  Schiffahrt)?"  Hierauf  ist  die  Antwort  nur  mit  Vorbehalt 
zu  geben.  Einerseits  ist  es  am  wahrscheinlichsten,  dass  Strabo  eben  nur 
den  (Mudurnu-)Gallus  kannte,  der  an  Wasserführung  und  Breite  dem 
Göktsche-su  jedenfalls  überlegen  und  als  der  bedeutendere  der  beiden 
Flüsse  anzusehen  ist:  andrerseits  ist  für  jene  Zeit  auch  die  Möglichkeit 
durchaus  nicht  ausgeschlossen,  dass  die  Mündung  des  Göktscheflusses  da- 
mals überhaupt  nicht  auf  bithvnischem  Boden  lag.  sondern  noch  zu  Phr}'- 
gia  Epiktetos  gehörte.  Da  nun  Strabo  an  der  bewussten  Stelle  die  Di- 
stanz des  bereits  durch  Bithynien  fliessenden  Sangarius  von  einer  bithy- 
nischen Stadt  angeben  wollte,  hätte  er  dann  natürlich  die  Angabe  über 
die  Entfernvmg  Nikaia-Sangariusknie  hier  überhaupt  nicht  anbringen  dürfen. 
Doch  ist  diese  ganze  Frage  verhältnismässig  nebensächlich  und  nicht  mit 
Sicherheit  zu  beantworten. 

b)  Ptolemäus  überliefert  uns  den  Namen  eines  Ortes  FäXhy.a  in  Bi- 
thynien. Gewiss  müssen  wir  nicht  unbedingt  den  Namen  dieses  Ortes 
zu  dem  Namen  des  Flusses  in  Beziehung  bringen,  allein  die  Angaben,  die 
Ptolemäus  über  die  Lage  des  Ortes  macht,  sind  merkwürdig  genug'). 
Nach  ihm  ist  dieser  nämlich  einerseits  genau  nöi-dlich  von  ITaraomov^ 
das,  wie  bereits  längst  bekannt,  richtig  Taiaoviov  zu  schreiben  ist  und 
dem  heute  Geiwe  entspricht,  wo  die  Strasse  von  Ankyra  her   das  Sanga- 

1)  Claud.  Ptol.  geogr.  Ed.  C.  Müller  (Pariser  Ausg.)  vol.  I.  pars  II  1901  V.  1,  3 
p.  799. 

15 


408  Joh.  SölcJi, 

riustal  erreiilit,  andrerseits  fast  genau  östlich  von  Nikoniedeia.  Zeichnet 
man  ferner  die  Lage  der  Mündung  und  die  des  ersten  (=  untersten)  Knies 
des  Sangarius  nach  den  Bestimmungen  des  Ptolemäus  in  ein  Gradnetz  ein 
und  verbindet  man  diese  beiden  Punkte  durch  eine  dem  Sangarius  ent- 
sprechende gerade  Linie,  so  zeigt  sich,  dass  Gallika  am  Sangai'ius  selbst 
oder  in  dessen  allernächster  Nähe  gelegen  haben  nmss.  Das  ist  doch 
auffällig:  ein  Ort  am  Unterlauf  des  Sangarius.  unterlialb  seines  letzten 
grossen  Knies,  nördlicli  von  Tataion.  annähernd  östlich  von  Nikoniedeia, 
also  gerade  in  der  Gegend,  wo  wir  an  der  Mündung  des  Gallus  oder  wenig 
oberhalb  derselben  stehen.  Nun  zieht  von  Nikomedeia  und  dem  Astaka- 
nischeu  Golf  her  am  Sabandschasee  vorbei  eine  Senke  morgenwärts  gegen 
das  alte  Prusias  am  Hypius  zu  und  quert  die  Furche  des  Sangarius  gerade 
in  dem  fraglichen  Gebiet:  eine  weite  fruchtbare  Ebene  dehnt  sich  hier 
aus,  nach  der  hin  von  mehreren  Seiten  Verkehrswege  zusammenstreben. 
Wie  heute  das  erst  in  tüi'kischer  Zeit  emporgekommene  Adabazar  der 
nicht  unansehnliche  Hauptort  dieser  Gefilde  ist.  so  fordern  die  örtlichen 
Verhältnisse  auch  für  die  Vergangenheit  gebieterisch  das  Vorhandensein 
einer  Siedlung,  sei  es  als  Uebergangspunkt  über  den  Sangarius.  sei  es  als 
Sammelpunlvt  der  ganzen  aus  dem  östlichen  Halbkreis  zusammenstrahlen- 
den Wege  und  Strassen.  Die  beherrschende  Rolle  aber  in  diesem  Gebiet 
spielt  der  Burgberg  des  Shira-tepe,  d.  i.  der  „auftauchenden  Spitze",  wie 
ihn  die  Türken  nennen').  In  byzantinischer  Zeit  gewährt  er  einer  Sied- 
lung seinen  Schutz,  in  der  Ramsay  den  Ort  Tarsia  suchte,  wie  denn  noch 
heute  das  türkische  Dorf  in  der  Nachbarschaft  ßöjuk  Ters  Jeri-köi  in 
seinem  Namen  den  alten,  wenn  auch  nur  mit  Unterstützung  durch  Volks- 
etjTBologie  (Tersi-jeri  =  Schneiderort;  nach  Diest  a.  eben  a.  0.1  fort- 
leben lässt.  (Nach  Steph.  v.  Byz.  gab  es  übiigens  in  Bithj-nien  zwei 
TccQOog,  ein  x^Q^ov  und  eine  nöÄic ;  diese  wurde  aber  auch  Tagasia 
genannt).  Nur  für  die  Römerzeit  ist  uns  kein  sicherer  Name  über- 
liefert ausser  der  Schreibung  der  Tabula  Peutiugeriana,  nach  welcher 
hier  irgendwo  an  der  Strasse  Nikomedeia-Dusae  ein  „Lateae"  zu  suchen 
wäre.  Auch  Ramsay  hatte  dieses  ursprünglicli  mit  Tarsia  zusammen- 
bringen wollen,  doch  hat  er  diese  Hypothese  dann  zu  Gunsten  einer 
noch  weitaus  unwahrscheinlicheren  fallen  lassen  (a.  a.  0..  S.  64).  Es  ist 
Übrigens  wirklich  sehr  die  Frage,  ob  Lateae  am  Burgberg  von  Tarsia  zu 
suchen  wäre ;  nach  der  Tab.  wenigstens  müsste  es  weiter  östlich,  etwa  in 
der  Gegend  des  heutigen  Akjazy  zu  suchen  sein.  Audi  in  dessen  un- 
mittelbarer Nähe  fliesst  der  Mudurnu  vorbei.  Was  nun  das  Gallika  des 
Ptolemäus  anlangt,  so  könnte  es  wohl  entweder  gleichfalls  hier  gesucht 
werden  und  dann  wäre  „Lateae"  möglicherweise  wirklich  nichts  anderes 
als     eine     arge     Verballhornung     von     Gallika:     oder     man     könnte    es 


1)  Diest  in  Petm.  Mitt.  Erg.  125,  S.  65. 

16 


Modrene.  Mmlroi  inid  (üilhis.  409 

als  Ahniii  ilcr  spiitt'ien  bvzantinisclit'ii  SiciUtiti^f  am  Shira-tepe  ansehen, 
wo  wir  Latcae  weniger  gern  annelimon  möchten.  Jedenfalls  aber  suchen 
wir  es  am  Unterlaufe  des  Gallus,  wo  er  dem  Sangarius  schon  nicht  mehr 
fern  ist  (vgl.  darüber  noch  unten). 

c)  Hier  spielt  nun  eine  weitere  wichtige  Frage  herein,  die  allerdings 
erst  der  christlichen,  und  zwar  hauptsächlich  sogar  erst  der  byzantinischen 
Zeit  angehört,  jedoch  für  die  Lö.sung  unseres  Problems  nicht  ohne  Be- 
deutung ist.  nämlich  die  Frage  der  bithvnischen  Bistümer.  Mit  ihr  hat 
sich  wiederum  namentlich  Kamsay  eingehend  beschäftigt  (a.  a.  0.),  aber 
auch  Geizer  verdanken  wir  wichtige  Bemerkungen,  die  Ramsay  nicht  bloss 
ergänzen,  sondern  auch  mannigfach  berichtigen,  indem  jener  die  byzanti- 
nischen Bistumslisten,  die  sogenannten  Nutifiae  epismpahmm  neuerdings  einer 
kritischen  Prüfung  und  Altersbestimmung  unterzog').  Während  uns  nun 
zur  Zeit  des  Konzils  von  Nikaia  (325)  noch  kein  Bischof  einer  Diözese 
Gallos  begegnet^)  und  auch  in  Hier.  SiineM.'*)  noch  keiner  zu  finden  ist, 
erwähnt  die  älteste  NotUia,  die  EMliesis  des  heil.  Epiplianios^)  unter  den 
Suffraganbischöfen  des  Metropoliten  von  Nikomedeia  auch  rbv  räÄAov 
und  ausserdem  top  KcoZaaiag  IItoi  Aöfow.  Die  der  EMhesis  zeitlich  am 
nächsten  stehenden  Notitiae  Ylll.  und  IX.  (Parth.)  dagegen  kenneu  nur 
ein  Doppelbistum,  dessen  Bischof  ö  FdXXov  i^roi  Koöoaiag  bezeichnet 
wird.  Daher  muss  —  so  schliesst  Geizer  —  in  der  Zwischenzeit  die  Ver- 
einigung zweier  älterer  Bistümer  zu  einem  Doppelbistum  vollzogen  wor- 
den sein,  und  zwar,  wenn  wir  Geizers  Ausführungen  über  die  Abfassungs- 
zeit folgen,  zwischen  der  Regierung  des  Herakleios  (610 — 641),  wo  sich 
besonders  der  Patriarch  Sergios  von  Konstantinopel  die  Ordnung  der  kirch- 
lichen Verhältnisse  sehr  angelegen  sein  Hess,  und  dem  Patriarchat  des 
Nikephoros  (808 — 815).  Allein  der  Zeitraum  lässt  sich  noch  enger  be- 
grenzen. Während  nämlich  im  Leben  des  bis  unter  Herakleios  blühenden 
Theodoros  Sikaiotes  noch  ein  eigener  Bischof  von  Kadosia  vorkommt, 
wird  derselbe  Georgios,  der  sich  beim  6.  ökumenischen  Konzil  (zu  Kon- 
stantinopel 680)  als  Bischof  r/;g  Kaöoaiojv  jtö/.ecoq  unterschreibt,  im  offi- 
ziellen Protokoll  in  den  Präsenzlisten  als  Bischof  „Fü/.ov'^  angeführt. 
Noch  vor  dem  Jahre  680  muss  daher  die  Vereinigung  der  beiden  Bis- 
tümer stattgefunden  haben,  von  denen  natürlich  das  zweite  bei  Epipha- 
nios  genannte  statt  KcoXaaiag  richtig  Koöoaiag  heisst.  Hier  ist  offenbar 
eine  Verschreibung  anzunehmen. 


1)  Geizer  H.,  Ungedruckte  und  ungenügend  veröffentlichte  Texte  der  Notitiae  episco- 
patuum,  ein  Beitrag  zur  hyzantinisclien  Kirchen-  und  Verwaltungageschichte.  Abt.  I.  Kl.  k. 
bair.  Äk.  Wsch.  XXI.   3.   1901 ;   vgl.   dazu  die  bekannte  ältere  Ausgabe  von  Parthey. 

2)  Patrum  Nicaenorum  noniina  .  .  .  edid.  H.  Geizer,  Henr.  Hilgenfeld,  0.  Cuntz. 
Bibl.  Teubn.  Lpz.  1898. 

3)  Hieroclis  syneedemus  etc.     Rec.  A.  Burekhardt.    Bibl.  Teubn.  Lpz.  1893. 

4)  Vgl.  dazu  u.  zum  folg.  Geizer,  a.  a.  0.,  S.  533  ff. 

Klio,  Beiträge  zur  alten  Geschichte  XI  4.  27 

17 


410  Jnh.  Solch, 

In  den  späteren  Koiitiac  verscliwindet  dann  der  Name  Kudoaiu  und 
der  Biscliot'  heisst  sowohl  in  der  von  Geizer  aufgefundenen  aus  den  Jahren 
zwischen  901  und  907  stammenden  Notitia  wie  auch  in  der  Neu  Täx- 
%ixa^)  ö  rd?JMv  iJTOi  Aö(fO)v  und  diesen  Namen  fülirt  er  auch  in  den  No- 
fitiac  der  späteren  Zeit. 

Dieses  Bistum  Gallos  nun  —  so  sei  es  in  der  Folge  kurz  bezeichnet  — 
unterstand  dem  Metropoliten  von  Nikomedeia.  Für  uns  ist  jetzt  die  Haupt- 
frage :  Wo  lag  es?  Ramsay,  der  sich  bisher  allein  genauer  mit  der 
Ortsbestimmung  hefasst  hat,  meinte*),  Gallos.  Lopboi  und  Kadosia  seien 
wahrscheinlich  drei  Plätze  nahe  beisammen  an  der  Strasse  Prusa-Niko- 
medeia  am  oberen  Gallos  gewesen,  den  er  wie  erwähnt  im  heutigen 
Göktsche-su  wiederfindet.  Später  ^)  wiederholte  er  diese  Vermutung  mit 
dem  Zusatz.  ,  wenn  es  hier  einen  Arm  des  Flusses  gab,  der  weit  im  Westen 
entsprang".  Diese  Bemerkung  ist  von  grösster  Wichtigkeit.  Denn  nur 
so  glaubte  sich  Ramsay  über  die  Schwierigkeit  hinweghelfen  .zu  können, 
dass  er  hier  in  unmittelbarer  Nähe  eben  an  seinem  Gallos.  dem  Göktsche-su, 
auch  noch  das  Bistum  Modrena-Modroi  ansetzen  musste.  Das  Gezwungene 
dieser  Erklärung  fällt  einem  schon  bei  der  blossen  Lektüre  auf  und  ein 
Blick  auf  die  Karte  genügt,  um  sie  einem  ganz  imwahrscheinlich  zu  machen. 
Nun  hat  Ramsay  allerdings  noch  im  Anhang  seine  Annahme.  Modrene  sei 
am  Gökstche-su  gelegen  gewesen,  infolge  der  Mitteilung  Diests,  dass  die 
Stadt  am  Oberlauf  des  Mudurlu  (Mudurun)-Flusses  nicht  Mudurlu,  sondern 
richtig  Muduruu  heisst,  zurückgezogen  und  uns  damit  der  Diskussion  über 
den  Grenzverlauf,  den  ein  Bistum  Modrene  gegenüber  einem  Bistum  Gallos 
am  Göktsche-su  gehabt  haben  müsste,  glücklich  überhoben;  allein  der 
Göktsche-su  muss  ihm  doch  der  Gallus  gewesen  sein  und  so  verzichtet  er  lieber 
auf  die  Gleichsetzung  Modrenes  mit  Modroi  und  räumt  zwar  die  Identifi- 
zierung Mudurnus  mit  Modrene  ein,  Modroi  aber  muss  am  Göktsche-su  ge- 
legen haben.  Wieder  beruft  er  sich  dabei  auf  Strabo:  erblicke  man  in  Mu- 
durnu  nicht  bloss  Modrene,  sondern  auch  Modroi.  so  musste  Phrygia  Epikte- 
tos  bis  hieher  gereicht  haben,  das  aber  sei  unmöglich  (vgl.  dagegen  oben), 
und  wenn  Perrot  Strabo  eines  Irrtums  zeiht,  so  will  Ramsay  lieber  Strabo 
folgen*).  Wie  aber  wir  dargetan  zu  haben  glauben,  muss  eben  doch  ge- 
rade eine  von  diesen  beiden  Möglichkeiten,  die  Ramsay  leugnet,  ange- 
nommen werden ;  es  ist  möglich,  dass  Strabo  irrt,  es  ist  aber  auch  durch- 
aus nicht  ausgeschlossen,  dass  Phrygia  Epiktetos  seinerzeit  tatsächlich 
noch  den  Oberlauf  des  Mudurnu-GaUus  und  Modrene  umfasst  hat. 

Dass  Ramsay  bei  der  Ansetzung  der  fraglichen  Bistümer  und  Orte 
überhaupt  nicht  konsecjuent  und  auch  nicht  genau   gewesen  ist,  zeigt  sich 


1)  Basilii  notitia   bei  Georg.  Cyprii   descr.   orhis  Somani.     Ed.  H.  Geizer.    Bibl. 
Teubn.  1890  und  auch  bei  Geizer,   Ungedruckte  u.  s.  w.  Teste,  vgl.  o. 

2)  A.  a.  0.,  S.  182/3. 

3)  Ebd.,  S.  208.  —  4)  Ebd.,  S.  459/60. 

18 


Modrene,  Modroi  und  Gfilliis.  411 

aurtVilliii-  darin,  ilass  er  Modra  auf  dem  seinem  Werke  ii.  a.  beigefijebenen 
Kärtchen  von  Bithynien  an  den  östlichen,  also  den  wirklich  eif^entlichen 
Quellfluss  des  Göktsclie-su  versetzt,  obwohl  er  den  Namen  M  o  d  r  a  mit 
dem  heutigen  Bedre-tscbai  zusammenbringt.  Der  Bedre-tschai  aber 
ist  ein  von  Südwesten  her  kommender  Nebenfluss  des 
Göktsche-su.  der  im  Oberlauf  Kuladja-tschai  heisst,  und  Modra  wäre  dann 
wenigstens  an  diesem  anzusetzen  gewesen :  es  wäre  ja  allenfalls  möglich, 
dass  die  Alten  in  diesem  Nebenfluss  den  Hauptfluss  erblickt  haben  — 
doch  scheint  dieser  überlegen  genug  zu  sein,  da  er  in  der  Gegend  einfach 
„tschai".  also  Fluss  schlechtweg  genannt  wird').  So  hat  auch  Kiepert 
auf  seiner  Karte  von  Kleinasien  Modra.  das  er  allerdings  mit  einem  Frage- 
zeichen versieht,  wenigstens  an  den  Bedre-tschai  versetzt.  Im  übrigen  ist 
die  Gleichung  Modra-Bedre  Ramsays  jedenfalls  viel  gewagter,  als  die  Mo- 
drene-Mudurlu  gewesen  wäre  und  die  er.  wie  bemerkt,  solange  ablehnte, 
bis  er  von  der  richtigeren  Benennung  Mudurnu  Kunde  erhielt,  worauf  er 
mit  Recht  Mudurlu  sehr  einfach  als  volksetymologisch  aus  Mudurnu  her- 
vorgegangen erklärt  hat. 

Wie  steht  es  nun  überhaupt  um  unsere  bithynischen  Bistümer  zur 
Zeit,  wo  sie  vollzählig  geworden  waren?  Es  teilen  sich  in  sie  die  Metro- 
politen von  Nikomedeia  und  Nikaia.  Nikomedeia  gebot  über  die  Suffra- 
ganen  von  Daphnusia  im  Norden  am  Pontus  Euxinus.  von  Prainetos  und 
Helenopolis  am  Astakenischen  Meerbusen,  von  Basilinopolis  westlich  vom 
Askanischen  See,  von  Daskylion,  Kaisareia,  Apollonias.  Prusa  und  Adrianoi 
südlich  vom  Golf  von  Kios.  Alle  diese  Diözesen  sind  ihrer  Lage  nach 
bekannt.  Nicht  ganz  bestimmt  festgestellt  ist  die  Oertlichkeit  von  Neo- 
kaisareia,  Ariste  und  eben  von  Gallos.  Die  zwei  erstgenannten,  von  Ram- 
say  sogar  als  identisch,  von  Geizer  dagegen  als  verschieden  angesehen, 
lagen  südwestlich  vom  Mysischen  Olymp  an  dessen  Südseite.  Wo  aber 
lag  Gallos ?  Sollte  Nikomedeia,  dessen  Metropolit  der  erste  der 
bithynischen  Metropoliten  in  der  Rangordnung  war.  nach  Osten  zu 
gar  kein  Suff  rag  anbist  um  gehabt  haben?  Und  weiter  ? 
Dem  Metropoliten  von  Nikaia  unterstanden  später  sechs  Bischöfe,  näm- 
lich die  von  Mela-Modrine,  von  Linoe  und  Gordoserba,  von  Numerika, 
Maximiani  und  Taeion.  Von  diesen  sechs  sind  mit  Sicherheit  zu  fixieren 
nur  die  von  Mela-Modrine  und  Taeion.  Ueber  alle  anderen  Orte  haben 
wir  nur  Vermutungen.  Auch  hier  hat  wieder  Ramsay  seinerseit  die  Haupt- 
arbeit geleistet  und  es  ist  seither  eigentlich  gar  nichts  zutage  gefördei-t 
worden,  was  seine  Ansichten  irgendwie  berichtigen  oder  vervollständigen 
könnte.  Er  vermutet  Linoe  und  Gordoserba  an  den  zwei  wichtigen  Strassen 
von  Nikaia  nach  Kotiaion  und  Dorylaion,  und  zwar  das  eine  bei  Biledjik 
{südlich  Mala),  also  an  Stelle  des  römischen  Agrilion,  das  andere  bei  Sö- 


1)  Vgl.  oben  S.  399,  Z.  7. 

27- 
19 


412  Joh.  Solch, 

gilt,  denn  der  Distrikt  Gordos  lag  am  SangariusM.  \Vir  wissen  nun  nicht. 
ob  die  Gegend  von  Sögut  nicht  schon  zu  Phrygien  gehört  hat.  Mög- 
licherweise gehören  Gorduserba  jene  Ruinen  zu.  die  Diest  an  der  Mün- 
dung des  Deirmen-su  in  den  Sangarius  gefunden  hat^).  Diese  drei  Bis- 
tümer Mela,  Linoe,  Gorduserba  sind  älter  als  die  drei  andern^)  und  offen- 
bar war  die  Einteilung  der  Metropolis  ursprünglich  so,  dass  Nikaia  selbst 
den  Nordwesten.  Mela-Modrene  den  Nordosten.  Gorduserba  den  Südosten 
und  Linoe  den  Südwesten  umfasste  (natürlich  nur  ganz  annähernd).  Als  dann  die 
drei  jüngeren  Bistümer  eingerichtet  wurden,  ward  vor  allem  Tataion  ins 
Dasein  gerufen*),  vielleicht  losgelöst  von  Mela-Modrine.  das  nach  wie  vor 
trotz  der  grossen  Ausdehnung  des  Gebiets  dennocii  fürderhin  demselben  Bi- 
schof unterstand.  Ebenso  dürften  von  Linoe  und  von  Gordoserba.  deren 
Sprengel  ja  im  Vergleich  zu  dem  des  anderen  bithynischen  Bistümer  be- 
deutend weiter  ausgriffen,  neue  Bistümer  losgelöst  worden  und  so  Maximianai 
und  Numerika  ins  Leben  getreten  sein.  Ob  Numei'ika  mit  der  alten  re- 
gio Doris  und  diese  wiederum  mit  dem  Dablae  der  Römerzeit  gleichzu- 
setzen ist,  sind  zwei  Fragen,  die  für  unser  spezielles  Problem  belanglos 
sind,  von  denen  aber  die  zweite  sehr  wahrscheinlich  zu  bejahen,  die  erste 
eher  zu  verneinen  sein  dürfte.  Was  dagegen  Maximianai  anlangt,  so  sucht 
dies  Ramsay  in  der  Umgebung  von  Tarsia,  d.  h.  in  der  Landschaft 
Tarsia,  also  dort  wo  wir  das  Bistum  Gallos  vermuten. 
LTnd  wiederum  leistet  er  sich  dabei  eine  auffälhge  Inkonsequenz.  Er  sagt 
nämlich,  als  er  von  der  regio  Doris  spricht,  folgendes:  ,die  regio  Doris 
war  wie  die  regio  Tattaios  ein  Distrikt  im  östlichen  Teile  von  Bithynieu 
und  offenbar  auch  Bischofsitz,  wenngleich  unter  einem  andern  Namen. 
Da  es  ausdrücklich  von  ihm  heisst,  dass  es  eine  regio  unter  Nikaia  bil- 
dete, so  muss  es  südlich  von  Tataion  gelegen  haben.  Denn  wäre  es 
nördlich  gelegen,  so  wäre  esnatürliciimitNikomedeia 
verbunden  worden  und  hätte  kaum  Nikaia  haben  unter- 
stehen können.*^  LTnd  doch  soll  jetztMaximianai  =  Tar- 
sia oder  im  Gebiete  um  Tarsia,  also  nördlich  Tataion, 
ein  Bistum  unter  Nikaia  gewesen  sein?  Dieser  Widerspruch 
mit  sich  selbst  ist  Ramsay  offenbar  entgangen.  Für  uns  aber  ist  es  wich- 
tig zu  konstatieren,  dass  Ramsays  eigenes  Gefühl  so  weit  nördlich  kein 
Bistum  unter  Nikaia  zugeben  wollte. 


1)  A.  a.  0.,  S.  183. 

2)  P.  Mitt.  Eryh.  116,  S.  10/11.     Vgl.  auch  Kieperts  Karte. 

3)  Vgl.  Hier.  Synekd.  und  die  Not.  e^jjsf. 

4)  Schon  Hier.  Synekd.  kennt  die  zwei  Bischöfe  von  'PeysTaTMOi;  und  'Pfysäwpii; 
und  es  ist  möglich,  dass  sie  jenen  zwei  yw^eTriaxonoi  entsprechen,  die  unter  den 
patres  Nicaen.  erscheinen.  Auffällig  ist  dann,  dass  die  ältesten  Not.  keine  Suffra- 
ganen  von  Tataion  und  Doris  kennen  und  erst  in  den  jüngeren  zwar  einer  von  Ta- 
eion  (=  Tataion)  wieder  erscheint,  von  Doris  aber  überhaupt  keiner  iliehr.  Darum 
bestand  jetzt  die  weit  ausgreifende  Diözese  von  Mela-Modrine. 

20 


Modretie,  Mndfni  uml  GhIIks.  413 

Sollte  aber  dort  wirklicli  überhaupt  kein  Biscliofsitz  bestanden  haben? 
Hier  in  den  wohl  kultivierten ,  fruchtbaren  und  gut  besiedelten  Ge- 
filden ')  zwischen  Nikomedeia  und  Prusias  ?  Sollte  zudem  liier  tatsächlich 
erst  verhältnisniiissig  so  spät  ein  Bistum  gegründet  worden  sein,  wie  es 
der  Fall  wäre,  wenn  wir  Maximianai  dorthin  versetzen?  Das  ist  wohl 
kaum  anzunehmen.  Und  so  glauben  wir  denn  recht  zu  tun,  wenn  wir  das 
Bistum  Gallos  in  diese  Gegend  versetzen  an  den  Unterlauf  des  Gallos. 
Gallos.  Kadosia  und  Lophoi  (auch  Lophos)  müssen  in  der  regio  Tarsia  ge- 
sucht werden.  Wo  diese  Orte  im  einzelnen  lagen,  können  wir  zurzeit  noch 
nicht  mit  Sicherheit  emiitteln.  Der  Name  Lophoi.  Hügel.  Berg  schlechtweg 
hätte  etwas  ausserordentlich  Verlockendes  an  sich,  in  ihm  den  Vorläufer 
des  heutigen  Stiira-tepe.  der  „auftauchenden  Spitze",  zu  erblicken.  Ob  Gal- 
los dem  Gallika  des  Ptolemäus  und  dies  wieder  dem  Lateae  der  Tabula 
Pentingeriana  entspricht,  ist  ebenso  schwer  wie  zu  erweisen,  so  zu  be- 
streiten. Hoffentlich  geben  uns  doch  noch  einmal  glückliche  Funde  da- 
rüber Aufschluss,  wo  diese  Orte  zu  suchen  waren.  Besonders  hilflos  aber 
stehen  wir  dem  Namen  Kadosia  gegenüber  —  wir  wollen  uns  diesbezüg- 
lich nicht  in  allerlei  luftige  Hypothesen  verlieren. 

Wir  sind  am  Schlüsse.  Wir  haben  einerseits  zwar  nur  einen  un- 
seres Erachtens  vollgültigen  Beweis  für  unsere  Ansichten  erbringen  können 
(unter  III),  andererseits  aber  glauben  wir  dai-getan  zu  haben,  dass  alle 
die  Angaben  aus  dem  Altertum  und  dem  Mittelalter,  die  uns  für  unser 
Problem  überhaupt  zur  Verfügung  standen,  weit  besser  zusammenstimmen 
und  auch  den  geogi-aphischen  Verhältnissen  und  verwaltungstechnischen 
Bedürfnissen  weit  besser  entsprechen,  wenn  wir  die  Göktsche-su  =  Gallus- 
Hvpothese  verwerfen  und  die  von  Perrot  und  Diest  vertretene  Mudurnu  = 
Gallus-Gleichung  festhalten.  Viel  ungezwungener,  leichter  klärt  sich  und 
erklärt  sich  da  alles  und  selbst  des  Strabo  Angabe,  die  ja  vielleicht  wirk- 
lich, wie  Perrot  gemeint  hat.  ein  Irrtum  ist.  braucht  dann  nicht  unbe- 
dingt abgelehnt  zu  werden. 

Mithin  ist  also  das  Ergebnis  unserer  Untersuchungen  folgendes: 

1.  a)  Der  Gallus  der  Alten  ist  bestimmt  niclit  der  heutige  Göktsche-su. 

sondern  der  Mudurnu-tschai  gewesen :  Beweis  die  Stelle  bei  Ammian. 
b)  Modroi  und    Modrene    (Modrine)   sind    identisch ;    es    entspricht 
dieser  alten  Siedlung  das  jetzige  Mudurnu.     Am  Göktsche-su  ist 
ein  altes  Modroi  daher  nicht  anzunehmen. 

2.  Was  die  Nordgrenze  von  Phrygia  Epiktetos  und  Strabos  Angabe 
betrifft,  dass  der  Gallus  bei  Modroi  in  diesem  Lande  entspringe,  so 
stellten  wir  fest: 

a)  Strabos  Angabe,  dass  Phrygia  Epiktetos  zu  seiner  Zeit  bis  zum 
Askanischen  See  gereicht  habe,  ist  irrig. 

1)  Vgl.  über  den  Reichtum  der  Landschaft  Diest,  a.  a.  0.,  S.  66. 

21 


414  Joh.  Solch,  3Iodrem',  Modioi  und  GuIIhs. 

b)  Die  Grenze  zwischen  Bithjmien  und  Phrygia  Epiktetos  dürfte 
(vor  den  späteren  Veränderungen  der  Römerzeit)  dem  Waldge- 
birge des  Dumanitsch  und  der  Wasserscheide  zwischen  Gökt- 
sche-su  und  Sangai-ius  gefolgt  sein  und  das  Becken  von  Inegöl 
Bithynien  zugewendet  haben. 

c)  Oestlich  vom  Sangai'ius  reichte  Phrygia  Epiktetos  jedenfalls  über 
das  Längstal  des  Sangarius  gegen  Norden  zu  hinaus  imd  schloss 
möglicherweise  noch  das  oberste  Mudurnutal  ein  (auch  hier 
wieder  natürlich  bevor  die  späteren  Grenzverschiebungen  ein- 
traten). War  dem  so.  dann  hat  Strabo  mit  seiner  Angabe  recht, 
im  andern  Fall  irrt  er,  wie  dies  Perrot  annahm. 

3.  a)  Alle  übrigen  Angaben  des  Altertums  ülier  den  Galkis  sowie  auch 
die  byzantinischen  Bistiimslisten  entsprechen  der  Gleichung  Mu- 
durnu-tschai  =  Gallus  weit  besser  als  der  Gleichung  Göktsche-su 
=  Gallus. 

b)  Das  Bistum  Gallos  (Lophoi,  Kadosia)  ist  am  Unterlauf  des  Gal- 
lus (=Mudurnu)  in  der  alten  Landschaft  Tarsia  zu  suchen;  doch 
bleibt  es  fraglieh,  ob  Gallos  dem  Gallika  des  PtoL  und  dies 
dem  Lateae  der  Tab.  Peut.  entspricht.  Lophoi  war  vielleicht 
am  Shii-a-tepe  und  gehörte  mit  Tarsos  zusammen.  Kadosia  ist 
uns  unbekannt. 

c)  Offen  bleibt  noch  die  Frage,  welchen  Namen  der  Göktsche-su 
im  Altertum  trug')  und  was  für  einer  Diözese  sein  Gebiet  an- 
gehörte: doch  unterstand  dieses  jedenfalls  der  Meti'opolis  Ni- 
kaia^). 

G  r  a  z. 


1)  Diest,  a.  a.  0..  hält  ihn  für  den  Melas  der  Alten  wie  bereits  seinerzeit  Hammer. 

2)  Seit  der  Einsendung  dieses  Aufsatzes  hat  sich  nur  noch  S.  Rüge  (Pauly-Wis- 
sowas  HealeiuyM.  Klass.  AUtciss.  13.  Halbb..  674)  über  den  Gallus  geäussert.  Auch 
er  will  im  allgem.  im  Göktsche-su  den  Gallus  der  Alten  wiedererkennen,  kann  aber 
nicht  umhin,  wegen  der  Ammianstelle  im  Mudurnu-tschai  einen  zweiten  zu  erblicken, 
indem  er  dafüi-  A.  Körte  (5.  Ergh.  Arch.  Jahrb.  h.  Anm.  17 :  mir  leider  nicht  zugäng- 
lich gewesen)  zitiert.  Die  obigen  Ausführungen  aber  haben  dargetan,  dass  eine  der- 
artige Annahme,  soweit  die  Quellen  dm-chscheinen  lassen,  unnötig  ist.  Der  Gallus,  von 
dem  sie  und  wir  reden,  ist  der  Mudurnu-tschai.  Doch  besteht  kein  Zweifel,  dass  auch 
andere  Flüsse  den  Namen  Gallus  führten  :  so  der  Fluss  von  Nikomedeia  (Eudok.  bei 
Phot.,  129;  vgl.  auch  bereits  Wesseling  zu  Zonaras,  B.  C.  UI.  S.  489).  Wenn  ferner 
Rüge  hinzufügt,  welcher  von  den  beiden  Gallus,  der  Göktsche-su  oder  der  Mudurnu- 
tschai,  mit  den  Galloi  zusammenzubringen  ist,  sei  nicht  auszumachen,  so  dürfte  er 
geirrt  haben.  Die  Antwort  lautet  nämlich :  keiner  von  beiden,  trotz  der  Angabe  von 
Mart.  Kap.  VI.  687.  Vielmehr  kann  zu  den  Galloi  nur  jeuer  Gallus  in  Beziehung 
gesetzt  werden,  von  dem  Jul.  Firm,  Mat.  (math.  Ubri  VIII)  sagt:  Phryges  qiti  Pes- 
sintiiita  incohtnt  circa  Gnlli  fluminis  ripas:  denn  in  Pessinus  war  das  Haupthei- 
ligtum der  Magna  Mater. 


22 


415 


Zum  Ausbruche  des  dritten   römisch-makedonischen  Krieges. 
Von  Ulrich  Kahrstedt. 

Aus  unserer  Hau])tf|nelle  für  den  Beginn  des  Krieges  Roms  gegen 
Perseus.  Livins  Bucli  XLII.  hat  Nissen.  Kritische  UnfersKchnngen  243  if.,  den 
Bestand  polybianischerUeberlieferung  auszusondern  unternommen.  Den  Rest, 
römische  Annalistik  verschiedener  Art  und  verschiedenen  Wertes,  haben 
'  Unger  Philol.  Suppl.  Bd.  III  181  ff.  und  Soltan  Piniol.  LIT.  664  ff.  und 
Lirius'  Geschichtswerl;  27  ff.  auf  die  einzelnen  Namen  römischer  Histo- 
riographie verteilt. 

Als  polybianisch  betrachtet  mau  von  den  hier  in  Betracht  kommenden 
Kapiteln  von  5  an  folgende:  5.  1 — 6,3  (Perseus  und  die  Hellenen.  Ein 
römischer  Gesandter  nach  Tiiessalien.  Perrhaibien  und  Aitolien,  von  dort 
nach  Achaia.  Eumenes  nach  Rom)'):  11,  4 — 18,  h  (Eumenes  und  seine 
Gegner  in  Rom,  das  Attentat  von  Delphoi,  Versuch  Philipps  den  Ram- 
mius  zu  bestechen.  Auftrag  an  den  Praetor  Sicinius.  die  römische  Mobil- 
machung zu  beginnen);  29.1 — 30,7  (die  politische  Gesamtlage):  von 
36,  8  an  (Landung  des  Sicinius,  Gesandtentournee  des  Marcius  und  seiner 
Begleiter,  letzte  Gesandtschaft  des  Perseus  nach  Rom.  Land-  und  See- 
krieg). -) 

In  dem  annalistischen  Restbestande  6.4—11,3:  18.6—28,13; 
30,  8 — 36,  7  hat  Unger  zwei  Quellen  angenommen  und  zwar  Claudius 
und  Antias,  von  denen  Claudius  11,1—3:  20.  1— 21..t:  22—25;  28; 
30.8—32,5;  3.5,3-36,7.  Antias  den  Rest  erhält. 

Dagegen  hat  sich  Soltau  gewandt  und  drei  Quellen  postuliert;  7.  1 — o: 
9.7—10,15;  18,  6-20.  6;  28;  35,3-7  vindiziert  er  dem  Piso.  23— 24 
und    32.  1 — 35,  2    dem  Claudius,   der  Rest  gehöre  dem  Antias  an. 

Zu  diesen  Einteilungsversuchen  ist  zu  sagen :  Absolut  sicher  polybia- 


1)  Soltau  in  seinen  Tabellen  Phil.  LH,  698  f  und  Geschkhtswerk  45  zieht  noch 
den  Rest  von  6  zu  Polybios :  -5  römische  Gesandte  gehen  nach  Osten  qui  res  in 
Macedonia  aspicereni  und  die  Freundschaft  mit  Alexandria  befestigen  sollten.  Freund- 
schaftliche Verhandlungen  mit  Antiochos. 

2)  In  Soltaus  Tabellen  steht  36  ganz  unter  der  Rubrik  „Polybios"  (Perseus'  Ge- 
sandte vor  den  Mauern  Roms  empfangen  und  ausgewesen.  Sicinius'  Bericht  über 
makedonische  Angriffe  auf  Thessalien). 


416  Ulrich  lüi/nsfcdt, 

nisch  ist  der  grosse  Bericht  über  die  Gesandtenreise  und  den  Krieg  selbst 
von  37  an  *)  und  alles  was  dem  hier  gegebenen  widerspricht,  ist  nicht 
polybianisch.  Vor  allem  trägt  die  Betrachtung  der  Chancen  des  Persans, 
die  er  durch  die  letzte  Gesandtschaft  nach  Rom  aus  der  Hand  gab.  deut- 
lich den  Stempel  des  Polybios  (43.1—3).  Nun  heisst  es  hier,  dass  die 
Römer  damals  zur  Zeit  der  Konferenz  des  Mareius  und  Perseus  nihil  satis 
paratuni  ad  helhim  in  praesentia  linbcbant,  non  exercitum.  non  diicem.  Dar- 
aus folgt,  dass  Kap.  36,8  —  9.  das  man  als  Anfang  des  polybiani sehen 
Berichtes  betrachtet,  annalistischen  Ursprungs  ist,  denn  dort  steht  ein 
römisches  Korps  von  5300  Mann  unter  Sicinius  in  Epeiros.  besetzt  die 
Sperrforts  in  Illyrien  und  im  Dassaretiergebiete  und  verstärkt  sich  durch 
einheimisches  Aufgebot.  Polybios  aber  sagt  (47, 2)  ausdrücklich,  dass 
ohne  die  Verzögerung  durch  den  Waffenstillstand  alle  opportima  loca 
schutzlos  der  makedonischen  Okkupation  preisgegeben  gewesen  wären, 
vor  allem  also  die  rastella  in  Dassaretien  und  Illyrien  ^). " 

Wir  müssen  also  auch  18,  1 — 5  von  Polybios  trennen.  Hier  wird 
der  Befehl  zur  Aufstellung  des  Korps  des  Sicinius  gegeben,  und  zwar  bald 
nach  dem  Attentat  auf  Eumenes,  also  ehe  Mareius  nach  Osten  geht,  während 
nach  Polj'bios  noch  weit  später,  als  Mareius  schon  geraume  Zeit  in  Grie- 
chenland weilte,  kein  dux,  kein  c.rercitus  zur  Verfügung  stand.  Die 
Scheidegrenze  der  Quellen  liegt  also  zwischen  17  und  18.  nicht  in  der 
Mitte  von  18. 

Wie  nun  aber  Kap.  47.  10,  wo  Sicinius  von  seinem  Korps  2000 
Mann  zur  Sicherung  der  thessalischen  Städte  abgibt?  (Die  300  für  Theben 
können  eventuell  von  den  1000  Mann  auf  Korkyra,  nicht  von  seinem 
Korps  abgezweigt  sein.)  Dass  hier  Polybios  redet,  wird  niemand  ernst- 
lich bezweifeln  wollen,  also  weiss  er  hier  etwas  von  einem  mehrei'e  tausend 
Mann  starken  Korps  in  Epeiros.  Folglich  fehlt  die  Landung  dieser  Divi- 
sion in  Apollonia  zwischen  43,  wo  kein  exercitiis  auch  nur  parafus  ist  und 
47,  wo  ein  cxerciius  bereits  operiert.  Warum,  ist  wohl  deutlich;  Livius 
hatte  die  Landung  schon  36,  8  nach  einer  anderen  Quelle  erzählt  und  Hess 
sie  hier  unter  den  Tisch  fallen,  um  sich  nicht  zu  wiederholen.  Ferner 
halte  ich  die  Zuweisung  des  ganzen  Kapitels  6  an  Polybios,  wie  sie  sich 
bei  Soltau  im  Gegensatz  zu  Nissen  findet,  für  richtig.  Es  werden  dort 
die  Gesandten  C.  Valerius,  Cn.  Lutatius  etc.  ausgesandt,  (pd  res  in  Mace- 
donia  aspicerent.  Kap.  17  aber,  in  sicher  polybianischem  Berichte,  kehrt 
Valerius  heim  ex  Graecia  (pio  legatus  ad  rixendioti  sfafiiDi  regionis  eins  spe- 

1)  Die  Fragmente  des  Polybios,  Bucli  27.  stimmen  durchaus  hierzu,  die  Abwei- 
chungen sind  geringfügig.     Vgl.  Nissen  249  ft'. 

2)  Auch  40, 1  kennt  Polybios  kein  Korps  des  Sicinius.  Der  einzige  derartige 
Punkt,  über  den  Perseus  sich  nach  Ansicht  des  Mareius  beschweren  könnte,  ist  die 
Mitführung  von  1000  Mann  durch  die  Gesandten,  nicht  von  6000  durch  den  Praetor,  Das 
widerspricht  dem  Kap.  43  nicht,  1000  Mann  sind  allerdings  kein  exereitus. 


Zum  Anslinulic  <Iis  diHlvn  röiiiiscli-iinihcdoiuscliru  Krieges.         417 

iiilftmlaque  coiisilia  Ferset  rci/is  eraf.  Nissen  S.  244  zieht  diese  Heiiiikilir 
des  Valerius  zu  Bucli  41,  25,  5,  wo  C.  Valerius  Laevinus  mit  anderen 
nach  Griechenland  geschickt  wird;  aber  dort  handelt  es  sich  um  eine 
Inspicierung  der  aitolischen  Verhältnisse,  nicht  um  eine  solche  der  ma- 
kedonischen oder  gesamt-griechischen.  Diese  Gesandtschaft  ist  von  der 
von  42,  17  zu  trennen,  die  vielmehr  mit  6,  5  zusammengehört.  Damit 
muss  man  aber  6,  5  ff.  zu  Folybios  ziehen.  Dass  die  Verhandlungen  mit 
Vertretern  des  Antiochos  6,  6  ft'.  und  29,  6  identisch  seien,  wie  Nissen 
S.  244  annimmt  und  daher  nur  eine  Stelle  zu  Polybios  gestellt  werden 
könnte,  finde  ich  nicht,  es  handelt  sich  bei  beiden  Verhandlungen  um 
verschiedene  Fragen.  6.  6  ff.  um  die  Zalilung  der  fälligen  h'ate  der  Kriegs- 
kostenentschädigung. 29,  (i  um  Versicherung  zum  mindesten  einer  wohl- 
wollenden Neutralität  im  beginnenden  makedonischen   Kriege. 

Nun  die  annalistischen  Quellen.  Wir  verfolgen  sie  am  besten  an  der 
Hand  der  Nachrichten  über  die  römische  Mobilmachung. 

Kap.  18.  2  f.  erhält  der  Praetor  Sicinius  Order,  Truppen  auszuheben, 
die  für  Apollonia  und  die  anderen  illyrisch-  epeirotischen  Küstenplätze 
bestimmt  sind,  um  die  Landung  des  konsularischen  Heeres  zu  decken. 
Ueber  ihre  Stärke  erfahren  wir  nichts.  Dagegen  soll  die  administndio 
belli  den  neuen  Konsuln  vorbehalten  bleiben. 

Kap.  27  aber  heisst  es.  dass  die  Rüstungen  nicht  aufgeschoben  wer- 
den sollten,  sondern  sofort  mobil  zu  machen  sei.  Der  Praetor  Licinius 
soll  in  Rom  50  Schiffe  bereit  stellen,  falls  dies  nicht  möglich  sein  sollte, 
soll  der  Rest  aus  Sicilien  besorgt  werden.  Für  die  Besatzung  werden 
römische  Bürger  (Lihe)iini)  und  socii  zu  gleichen  Teilen  herangezogen. 
Sicinius  hebt  8000  Mann  zu  Fuss  und  400  Reiter  aus  den  Bundesgenossen  aus. 
Von  dem  in  Ligurien  kämpfenden  Heere  wird  die  Leg.  II  nebst  4000  +  200 
socii  abgezweigt.  Dieses  Korps  soll  an  den  Iden  des  Februar  dem  Sicinius 
in  Brnndisium  zur  Verfügung  stehen,  der  unter  Verlängenmg  seines  Amtes 
das  Kommando  behalten  soll,  douec  successor  veniref.  AUes  wird  eifrig 
ausgeführt.  38  Schiffe  werden  in  Rom.  12  in  Sicilien  fertig  gestellt,  die 
Verpflegung  von  Heer  und  Flotte  wird  in  Apulien  und  Calabrien  geord- 
net,   Sicinius  übernimmt  in  aller  Form  das  Kommando. 

Kap.  31  hören  wir  etwas  ganz  anderes.  Vier  neue  Legionen  werden 
ausgehoben,  zwei  in  der  Stärke  von  6000  Mann  zu  Fuss  und  300  zu 
Pferde,  die  beiden  anderen  normal  5200  -f  300  Mann.  Aus  den  Reihen 
der  socii  werden  zwei  Armeen  gebildet,  die  eine  für  Makedonien:  16000 
Mann  zu  Fuss,  800  zu  Pferde  ausser  den  600  Reitern,  die  Si- 
cinius schon  hin  übergeführt  hatte,  das  zweite  für  Italien 
12  000 -|- 600  Mann.  Zugleich  wird  der  Modus  der  Tribunenbestellung 
geändert,  ihre  Ernennung  geht  vom  Volk  auf  die  kommandierenden  Kon- 
suln und  Praetoren  über.  Die  Flotte  wird  in  Brundisium  inspiziert,  die 
untauglichen    Elemente    aus    der    Besatzung    ausgeschieden     und    ersetzt, 


418  Ulrich  KahrsfecJf, 

dabei  sind  zu  -'3  römiselie  Bürger,  zu  V3  socii  zu  verwenden.  Für  die 
Yerpflegimo:  kommen  Sicilien  and  Sardinien  auf.  Dieser  Mobilmachungs- 
befehl erfolgt,  ehe  die  Einzelfunktionen  der  neuen  Beamten  bestimmt 
sind  (31,  6.  9).  Dazu  tritt  32.  5.  wo  die  Verteilung  der  so  gebildeten  Le- 
gionen erwähnt  wird. 

Kap.  35:  Nach  den  vorzeitig  am  1.  Juni  gefeierten  feriae  Latinae 
erfolgt  die  Ausliebuug  durch  den  Praetor  urbanus.  Zu  den  von  den 
Konsuln  ausgehobenen  Truppen  kommen  4  legiones  urhamie  iusto  numero 
(d.  h.  5200+300).  deren  Tribunen  er.  der  Praetor,  zum  Teil  ernennt.  Die 
Bundesgenossen  stellen  15  000  Mann  zu  Fuss  und  1200  zu  Pferde.  Dazu 
kommen  §  6  f.  noch  fremde  Ausilia,  die  nicht  in  den  Rahmen  der  römi- 
mischen  Mobilmachung  fallen.  Dann  kommt  die  besprochene  Stelle  36.  8  f.. 
die  von  Operationen  des  Korps  des  Sicinius  (5300  Mann  Römer')  in  Illy- 
rien  handelt.  Wie  sind  nun  die  drei  Mobilmachungskapitel  27.  31,  35 
zu  gruppieren?  Ungar  zieht  27  zu  Antias,  31  und  35  zu  Claudius.  Soltau 
nimmt  in  27  und  31  Ueberlieferung  des  Antias,  35  solche  des  Piso  an: 
ausserdem  trennt  er  32  von  31   (Claudius). 

Tatsächlich  liegen  die  Dinge  anders.  In  Kap.  27  werden  ausge- 
hoben :  8400  Mann  socii,  aus  Oberitalien  kommen  4200  Mann  socii  und 
die  Zweite  Legion,  die  wir  zu  5200-|-300  Mann  rechnen  wollen,  wenn  sie 
auch  als  maxnme  reierana  (27.  5)  diese  Stärke  nicht  erreicht  haben  wird. 
Zusammen  18  100  Mann. 

Kap.  31  hören  wir  von  2  Legionen  zu  6300,  2  weiteren  zu  5500 
Mann,  d.  h.  23  600  Römer.  Die  Bundesgenossen  betragen  16  800  als 
makedonisches.  12  600  als  italisches  Heer,  dazu  6()()  bundesgenössische 
Reiter  bei  Sicinius,  zusammen  53  600  Mann. 

Kap.  35  dagegen  werden  vier  normale  Legionen  ausgehoben  =  22  000 
Mann  und  16  200  socii  =  38  200  Mann. 

Nimmt  man  nun  mit  Unger  31  und  35  als  fortlaufenden  Bericht 
einer  Quelle,  so  hätte  Rom  91 800  Manu  aufgestellt.  Nun  mag  man 
sagen,  dass  irgend  ein  Annalist  sich  die  Rüstungen  gegen  Perseus 
fälschlich  so  gross  vorgestellt,  also  so  starke  Aushebungen  berichtet  ha- 
ben kann,  aber  da  auch  nach  dieser  Quelle  nur  2  Legionen  nach  Make- 
donien gehen  —  was  sollen  6  Legionen  in  Italien?  Auch  würde  dann  die 
Aenderung  der  Ernennung  der  Kriegstribunen  in  einer  Quelle  zweimal  er- 
zählt, einmal  als  gesetzlicher  Akt  (31,5)  und  einmal  als  Order  an  den 
die  Aushebung  leitenden  Magistrat  (35,  4). 

Auch  27  und  31  zusammenzufassen,  geht  uicht  an.  Die  Zahl  von 
71700  Mann  wäre  zwar  auch  noch  mit  annalistischer  Uebertreibung  zu 
erklären:  aber  zwischen  den  beiden  Kapiteln  bestehen  eklatante  Wider- 
sprüche :  einmal  wird  die  Flottenbemannung  zur  Hälfte,  einmal  zu  zwei 
Dritteln  aus  römischen  Freigelassenen  gebildet,  einmal  das  nötige  Ge- 
1)  Sie  stehen  unter  tribuui  militum. 


Xi())i   Aiifihnii/ic  (Irs  (Irilfi'i)   n"'ni/s(li-iii(il,i<liin/sr/t(it   Krinjcs.         419 

treide  iiu.s  vVinilim  iiml  Ciiliiliiien,  einiiuil  aus  Sicilien  und  Sardinien 
geholt. 

Es  bleibt  also  nur  nocli  die  N'crliindunj^  von  27  und  i55.  d.  li.  die  Iso- 
lierung von  31.  Damit  verlieren  die  Widersprüelie  zwischen  27  und  31 
ihren  Stachel  —  die  beiden  Annalisten  divergieren  eben,  wie  in  tausend 
anderen   Füllen  —  und  die  Zahlen  werden  rationell. 

In  Kap.  27  +  35  werden  nämlich  18  100 -f  38200  Maun  ^-  5«  300') 
ausgeholieu.  in  Kap.  31  53600.  Es  handelt  sich  deutlich  um  zwei  pa- 
rallele Berichte  über  dieselbe  Aushebung  des  Heeres  von  ca.  54 — 56  000 
Mann,  das  Rom  beim  Beginne  des  Krieges  unter  die  Waffen  rief. 

Dass  Livius  35  sagt,  die  damals  ausgehobenen  4  Legionen  wären  zu 
den  konsularischen  Aushebungen  hinzugekommen,  beweist  natürlich 
nichts  für  eine  Vereinigung  von  35  und  31.  Wenn  Livius  die  Nachrichten 
von  35  einmal  von  denen  in  31  für  verschieden  ansah,  musste  er  sie  ir- 
gendwie anfügen  und  da  war  es  das  einfachste,  zu  sagen:  Ausserdem 
werden  ausgehoben  usw.  Niemand  sagt  uns,  dass  das  .ausserdem"  in 
Livius'  Quelle  stand. 

Man  mag  fragen,  welcher  von  den  beiden  miteinander  schlechthin 
unvereinbaren  Berichten  über  die  Mobilmachung  korrekt  ist.  Möglich  ist 
natürlich  in  erster  Linie  einmal,  dass  beide  von  ihren  Verfassern  gleich- 
massig  aus  der  Luft  gegriffen  sind,  dass  man  nichts  wusste,  als  die  Ge- 
samtstärke des  römischen  Heeres  und  es  der  tätigen  Phantasie  des  An- 
nalisten überlassen  blieb,  sich  auszudenken,  wie  und  in  welchen  Kontingenten 
die  überlieferten  c.  55  000  Mann  zusammengekommen  sein  mochten.  Dann 
müssen  wir  uns  bescheiden  und  bekennen,  dass  wir  aus  der  Annalistik 
von  der  römischen  Mobilisierung  nichts  lernen  können.  Will  man  aber 
einen  Bericht  halten,  so  kommt  nur  der  von  31  in  Betracht.  Jede 
Ueberliefening,  in  die  Kapitel  27  gehört,  hier  also  27/35  (bei  einer  Ver- 
einigung von  27/31  ist  es  nichts  anders)  ist  abzulehnen.  Es  kommt  in 
ihr  allemal  eine  römische  Armee  von  ungerader  Legionenzahl  heraus,  da 
angeblich  zu  den  4  ausgehobenen  Legionen  die  Leg.  II  als  5.  hinzukommt. 
Ueberhaupt  ist  die  auffällige  Genauigkeit,  mit  der  der  Annalist  von  Kap.  27 
zu  sagen  weiss,  dass  die  Legion  Nr.  2  nach  Brundisium  beordert  wurde, 
verdächtig.  Ganz  abgesehen  von  der  Legionenziffer  —  wie  waren  denn 
die  vier  neuen  numeriert?  Nach  32.5  doch  I  —  IV!  —  ein  solches  De- 
tail der  Militärverwaltung  stand  gewiss  in  keiner  älteren  Quelle.  Dasselbe 
gilt  von  der  verdächtigen  Genauigkeit,  mit  der  der  Autor  zu  sagen  weiss, 
wie  sich  die  Flotte  zusammensetzte  (38  aus  Kom,   12  aus  Sicilien  27,7)^). 

Ganz    unbedenklich    ist    allerdings    auch    31    nicht.     Die    sorgfältige 

1)  Als  Maximum,  da  Leg.  II  maxume  veterana  ist,  wahrscheinlich  denkt  der  Anna- 
list sich  die  Zahl  etwas  niedriger  —  falls  er  sich  etwas  denkt. 

2)  Man    muss    bei    dieser   annalistischen  Genauigkeit    unwillkürlich    an  Pol.  III. 
33.  17  denken. 


420  IJhich  Kahrstedt, 

Schonung  der  socii  navales  §  7  sieht  etwas  gemacht  aus  und  dass  der 
Praetor  §  6  zur  Flotte  nach  Brundisiuni  geht,  kann  eventuell  (Nissen 
249)  als  Widerspruch  zu  Polybios  (Liv.  48,  5)  gedeutet  werden,  nach 
dem  der  Praetor  mit  40  Schiiten  ab  urhc  profedns  est.  Aber  bei  Polybios 
kann  sehr  wohl  gestanden  haben :  Der  Praetor  verliess  Rom  und  kam  mit 
40  Schiffen  nach  Griechenland  o.  ä.  Er  mag  das  Kommando  erst  in 
Brundisiuni  übernommen  haben  und  bis  dahin  zu  Lande  gereist  sein,  der 
Ausdruck  bleibt  immer  noch  gerechtfertigt^  allzu  wörtlich  darf  man  auch 
einen  Polybios  nicht  ausschlachten. 

Zu  Kap.  35  gehört  36.  d.  h.  die  Nachricht  von  der  Unternehmung 
des  Sicinius  in  lUyrien  mit  5300  Römern,  denn  die  andere  Ueberlieferung 
(31,  3)  weiss  nur  von  600  socii  equites  bei  Sicinius.  Wohin  mm  mit  der 
Nachricht  18,  2  f..  dass  dem  Sicinius  der  Auftrag  wurde.  Truppen  zur 
Besetzung  der  epeirotisch-illyrischen  Küste  auszuheben?  Sicher  zu  31,  denn 
nach  der  anderen  Quelle  ist  Sicinius  Kap.  27  in  ganz  anderer  W^eise  bei 
den  Aushebungen  beteiligt,  bekommt  ein  starkes  Korps .  mit  dem  er 
Kap.  36  im  Osten  operiert.  Dagegen  passt  die  kurze  Angabe  18,  die 
nur  von  der  Deckung  der  notwendigsten  Uebergänge  etwas  weiss,  recht  wohl 
zu  den  600  S(x://  equites.  die  dem  Praetor  nach  31  zur  Verfügung  stehen. 

üeber  die  Mobilmachung  haben  wir  also  zwei  annalistische  Berichte, 
einerseits  18. 2f.+31,  andererseits  27-|-35+36.  Beide  stimmen  darin 
überein,  dass  erst  Sicinius  mit  einem  Korps  nach  Illyrien  geht'),  dass  er 
schon  dort  ist,  als  die  Hauptrüstung  in  Italien  vor  sich  geht^)  dass  diese 
Sendung  vor  dem  republikanischen  Neujahr  erfolgt ')  und  dass  damals  die 
Ti-ibunenernennung  geändert  wurde*). 

Es  bleiben  noch  die  übrigen  auf  den  beginnenden  Krieg  bezüglichen 
Kapitel  annalistischen  Charakters  zu  verteilen. 

An  vielen  Stellen  des  Livius  tritt  die  Neigung  hervoi-,  genaue  Tages- 
und Monatsdaten  zu  geben,  natürlich  ist  dies  nicht  ein  ab  und  zu  wieder- 
holter Versuch  des  Livius,  ein  recht  gleichgültiges  Einzelereignis  genau 
festzulegen,  sondern  das  Kennzeichen  einer  bestimmten  Quelle,  die  sich 
durch  solche  Datierungen  auszeichnete.  Auch  hier  begegnen  wir  ihr.  Es  ist 
die  Annalenschrift,  die  Kap.  27  und  35  zu  Grunde  liegt,  27,  5  haben  wir 
das  Datum  der  Iden  des  Februar.  35,  3  das  des  1.  Juni.  Demnach  wer- 
den wir  Kap.  21  und  22  (vgl.  21,  5  ;  22,  3  und  7)  hierzu  ziehen  dürfen. 
Ebenso  sicher  aber  gehört  19  zu  der  anderen  Quelle  (27/35),  denn  hier 
wird  vorausgesetzt  (§  6),  dass  der  Praetor  Sicinius  noch  nichts  mit  der 
Mobilmachung  zu  tun  hat,  sondern  sich  friedlichen  Geschäften  widmen 
kann.  Also  gehört  dieses  Kapitel  in  eine  Quelle,  deren  Mobilmachungsbe- 
richt erst  nachher  beginnt,  also  zu  27/35,  nicht  zu  18/31.  Auch  der  Schluss 
von  18  (§  6  f.)  gehört  wohl  schon  hierher,  nicht  zur  ersten  Hälfte  von  18. 

1)  18,  2  f.,  bezw.  27.  6.  —  2)  31,  3,  bezw.  36  (hinter  den  Aushebungen  35). 
3)  18,  1,  bezw.  27,  5  f.  und  36,  8.  —  4)  31,  5  bezw.  35,  4. 


Ziiiii  Ai(shnirhe  r/r.s  driften  römisrh-mohihnüsclmi  Kr/rr/rs.         421 

Zur  woitevpn  Fixierung  der  Quellen  kann  iiinu  Kapitel  30  f.  benutzen. 
Xiichdem  3(1, 9  der  sicher  polybianisclie  L'el)erblick  über  die  Situation 
<j;eschlossen  hat.  heisst  es.  dass  unmittelbar  nach  dem  Amtswechsel  und 
dem  günstigen  Bescheid  der  Haruspices  ein  Senatsbeschluss  gefasst  wurde, 
der  Antrag  auf  Krieg  solle  ans  Volk  gebracht  werden  vi.si  [Perseus] 
sKfisfrcifisef  und  diesell)e  Klausel  trägt  der  Mobilisierungsbefehl  31,  1. 
Damit  ist  zunächst  die  Zusammengehörigkeit  der  Kapitel  30  und  31  ge- 
sichert, da  sie  die  gleiche  Auffassung  in  der  gleichen  Situation  voraus- 
setzen, und  es  fällt  ein  Licht  auf  diese  Situation  selbst.  ,Wenn  nicht 
I'erseus  Genugtuung  geleistet  liabe"  soll  der  Krieg  als  erklärt  und  der 
im  Folgenden  gegebene  Mobilmachungsbefehl  als  in  Kraft  getreten  be- 
trachtet werden.  Noch  ist  also  nicht  alles  entschieden,  man  gibt  sich  in 
Uom  noch  den  Anschein,  an  eine  mögliche  friedliche  Lösung  zu  glauben 
und  trifft  die  militärischen  Vorbereitungen  unter  der  Voraussetzung,  dass 
nicht  etwa  doch  noch  Genugtuung  geleistet  worden  sei  (Plusquamperfect 
beidemal!).  Es  ist  offenbar,  dass  man  noch  einen  Bescheid  aus  Makedonien 
erwartet,  allerdings  kaum  einen  befriedigenden,  denn  die  Vorbereitungen 
zum  Kriege  beginnen,  aber  immerhin  —  man  muss  wenigstens  in  der 
Oeöentlichkeit  die  Form  wahren  und  die  Hoffnung  zeigen,  dass  die  Vor- 
bereitungen überflüssig  sein  werden. 

Ist  nun  aus  Makedonien  einmal  —  nach  der  annalistischen  Ueber- 
liefenmg  —  ein  Bescheid  gekommen  „  Persea  regem  populo  Romano  non  snfis- 
fecisse"  ?  Kap.  25  erfahren  wir.  dass  römische  Gesandte  in  Makedonien 
rtd  res  repetemhts  y?a,ren  und  abgewiesen  wurden.  31.  lOf.  hör*n  wir.  dass 
die  erwartete  Genugtuung  sich  auf  den  Bruch  des  mit  ihm  von  Rom  er- 
neuerten Bündnisses.  Angriffe  auf  römische  Bundesgenossen  und  Rüstungen 
gegen  Rom  selbst  bezog  und  dasselbe  wird  Kap.  25  als  die  von  den 
letzten  Gesandten  vergeblich  an  Perseus  gestellten  Forderungen  ange- 
führt (§  4  ff). 

Deutlich  zeigt  sich  hier,  dass  Livius  in  zwei  Quellen  an  dieselbe  Stelle 
gekommen  ist.  von  denen  er  der  ersten  die  Rückkehr  einer  letzten  rö- 
mischen Gesandtschaft  aus  Makedonien  entnahm.  Als  er  in  der  zweiten 
Beschlüsse  fand,  die  die  erwartete  und  noch  nicht  erfolgte  Rückkehr 
dieser  Gesandtschaft  voraussetzten,  schrieb  er  auch  sie  ab,  wodurch  sie 
hinter  die  Heimkehr  der  Gesandten  gerieten.  Diese  letztere,  die  in  der 
2.  Quelle  natürlich  den  sie  erwartenden  Beschlüssen  gefolgt  ist,  Hess  er 
aus,  da  er  sie  schon  25  erzählt  hatte,  und  bemerkt  nur  kurz  kaec  rogaiio 
(die  im  Falle  des  von  satisfecisse  gestellt  werden  sollte)  ad  popiditm  lata 
est,  wurde  auch  wirklich  ans  Volk  gebracht '). 


1)  Und  natürlich  angenommen ;  das  geht  auf  der  nun  folgenden  Aushebung 
klar  hervor.  Unger  vermisst  (S.  190  t"l  die  Erzählung  von  der  Annahme  der  Rogatio 
durch  das  Volk,  sie  brauchte  aber  nicht  noch  besonders  betont  zu  werden.  Seine 
Korrektur  pertata  ist  also  nicht  unbedingt  nötig. 


422  Ulrich  Kahrsfrdt, 

Also  sind  25  und  30  zu  trennen,  da  30  zu  31  gehört  (s.  o.),  fügt 
sich  15  zu  27  —  durchaus  korrekt  meldet  erst  die  Gesandtschaft,  dass 
keine  Hoffnung  auf  Frieden  mehr  ist.  darauf  wird  die  Mobilmachung  aus- 
geführt, genau  wie  in  den  Beschlüssen  30  f.  ').  die  beiden  Quellen  laufen 
parallel.  Das  Kapitel  26  scheidet  sich  durch  nichts  aus,  wir  können  es 
zu  25  und  27  stellen. 

Von  den  noch  übrigen  Kapiteln  bieten  20  und  28  nichts  für  die 
äussere  Politik,  es  bleibt  sieh  für  uns  gleichgültig,  ob  wir  20  (Prodigien) 
zu  19  oder  21  f.  stellen  oder  absondern,  vermutlich  gehört  es  zu  19  (so 
auch  Soltau).  Kap.  28.  das  es  sich  nicht  entgehen  lässt.  die  Waiden  auf 
ri.  d.  XII  Kai  Mmi.  zu  fixieren,  stellt  sich  zu  21.  22.  29  etc.  28  und  2-t 
besprechen  die  Verhandinngen  mit  Karthago  und  Numidien.  Soltau  will 
sie  sowohl  von  der  einen  wie  der  anderen  der  beiden  sonst  beobachteten 
Quellen  trennen  und  mit  der  romanhaften  Erzählung  von  32 — 35  (die 
Schwierigkeiten  bei  der  Aushebung)  zusammenstellen.  Tatsächlich  trägt 
aber  der  rein  historische  Bericht  über  die  afrikanische  Frage  einen  ganz 
anderen  Charakter  als  jener  mit  direkten  Reden  und  Einführung  selbst 
untei'geordneter  handelnder  Personen  ausstaffierte  Bericht.  Er  gehört 
entweder  zum'  vorhergehenden  (21  f.)  oder  zum  folgenden  (25  f.),  eine 
sichere  Entscheidung  möchte  ich  nicht  treffen.  Dagegen  scheiden  die 
romanhaften    Kapitel  32.  6 — 35.  2  eo  ipso  aus.     Sie  stehen  für  sich. 

Den  Anfang  von  Kapitel  36  stellt  Soltau  merkwürdigerweise  zu  P<j- 
Ij'bios,  trotzdem  schon  Nissen  gesehen  hat  (S.  249),  dass  die  hier  ver- 
handelnde Gesandtschaft  des  Perseus,  die  schliesslich  aus  Rom  ausgewie- 
sen wird,  mit  der  Kap.  48  nach  Polybios  erzählten  identisch  ist,  d.  h.  mit 
der  von  Perseiis  nach  der  Reise  des  Marcius  geschickten,  also  sicher  nicht 
polybianisch  ist.  Auch  die  Meldung  des  Carvilius,  dass  Perseus  Thesalien 
invadiert  habe,  widerspricht  Polybios  (vgl.  Nissen).  Da  wir  sowohl  35. 
8 — 7,  wie  36,  8 — 9  zu  27  etc.  gestellt  haben,  gehören  die  dazwischen 
liegenden  Zeilen  36.1 — 7  sicher  auch  hierhin. 

So  haben  wir  also  Berichte  aus  drei  verschiedenen  Quellen.  Polybios 
und  zwei  Annalisten  (die  Quelle  für  32 — 35  kann  hier  bei  Seite  bleiben.) 

A.  Polybios  liegt  vor : 

Kap.  5  f.  (Situation  in  Griechenland,  römische  Kommissare  in  Thes- 
salien, Perrhaibien.  Aitolien,  Achaia.  Valerius  und  4  andere  nach  Make- 
donien imd  Aegypten.     Verhandlungen  mit  Antiochos.) 

Kap.  11 — 17  (Eumenes  in  Rom.  Attentat  von  Delphoi.  Heimkehr  des 
Valerius  mit  Rammius.) 

Kap.  29—30,  7.    (Die  politische  Gesamtlage.) 

Kap.  37  ff.  -)  (Reise  des  Marcius,  letzte  Gesandtschaft  des  Perseus, 
1)  Natürlich  alles  nur  in  der  annalistischen  Darstellung,  der  tatsächliche  Vor- 
gang nachher.  —  2)  Davor  fehlt  der  Uebergang  des  Sicinius  nach  lUyrien,  da 
schon    nach  den  Aimalen  berichtet. 


Zitm  Aiitihruclic  des  ilrittcti  römisili-Dial.edoiiisr/icn  Krieifcs.        423 

Ausweisung    der    Makedonen,    römische    Gesandte    zu    den    verbündeten 
Staaten,  Ausbruch  des  Krieges). 

B.  Der  erste  Annalist. 

Kap.  18  [Im  Anschluss  an  den  Bericht  der  Hamniius  nach  Polvbios]. 
Befelil  an  Sicinius,  mit  einem  ersten  Korps  nach  lUyrien  überzusetzen, 
die  Hauptvorbereitungen  ei-st  unter  den  neuen  Konsuln  zu  treffen. 

Kap.  30.  8 — 82.  5  Antritt  der  neuen  Konsuln.  Bescbluss,  den  Antrag 
auf  Krieg  und  Mobilmachung  aus  Volk  zu  bringen,  wenn  keine  Genug- 
tuung erfolgt. 

[Es  fehlt:  die  Genugtuung  bleibt  aus.  ila  schon  nach  dem  2.  An- 
nalisten erzählt.] 

Antrag  ans  Volk.  Aushebungen,  währenil  bisher  nur  Sicinius  mit 
600  Mann  bereit  war. 

C.  Der  Zweite  Annalist. 

Kap.  11,  1  Attalos  nach  Rom  (Rest  durch  polybianisches  Gut  verdrängt). 

Kap.  25.  Die  Gesandten,  die  in  Makedonien  Genugtuung  forderten, 
kehren  ohne  Resultat  zurück. 

Kap.  26.     Gesandte  Roms  an  die  verbündeten  Staaten. 

Kap.  27.  Aushebung,  erstes  Korps  unter  Sicinius  fertig  bis  zum 
13.  Februar. 

Kap.  28.    Wahlen  am  18.   Februar. 

Kup.  35.  3 — 86.  9.  Feriae  Latinae  am  1.  Juni.  Hauptheer  ausgehoben. 
Letzte  Gesandtschaft  des  Perseus,  Ausweisungsbeschluss.  während  Sicinius, 
schon  vor  dem  Neujahr  abgegangen,  in  Dlyrien  operiert. 

Der  Parallelismus  tritt  deutlich  hervor,  wie  schon  oben  betont ;  der 
Gang  der  Ereignisse  ist  nun  an  der  Hand  des  Polybios  zu  rekonstruieren, 
wobei  man  versuchen  muss,  die  Nachrichten,  die  die  Annalen  über  Poly- 
bios hinaus  enthielten,  zu  seiner  Vervollständigung  zu  verwerten. 

Polybios  sagt:  Nachdem  der  Senat  schon  durch  die  Nachrichten  des 
Eumenes  zum  Kriegsbeschluss  gebracht  worden  war.  ohne  diesen  jedoch 
zu  publizieren,  erfolgte  die  Denunziation  des  Rammius  gegen  Perseus. 
Daher  gingen  Marcius  und  seine  Begleiter  nach  Griechenland,  hatten  dort 
eine  Konferenz  mit  Perseus  und  besuchten  die  verschiedenen  hellenischen 
Staaten.  Sie  veranlassten  einen  letzten  Versuch  Perseus".  Rom  friedlich 
zu  stimmen,  daher  kam  bald  nach  der  Rückkehr  des  Marcius  eine  ma- 
kedonische Gesandtschaft  nach  Rom.  wurde  aber  abgewiesen :  alle  Make- 
donen mussten  Italien  verlassen  ').  Die  Operationen  begannen.  Von  dieser 
Kette  von  Ereignissen  ist  die  Reise  des  Marcius  chronologisch  fixiert:  sie 
fällt  nach  Pol.  XXVII,  2,12  xarä  x^'f^üipa-). 

1)  Dies  fehlt  bei  Livius  48  bekanntlich,  es  steht  aber  Pol.  XXVII,  6.  Daraus  Appian 
Maced.  11,  8,  Diodor  XXX.  1. 

2)  Bei  Livius  beginnt   die   Tournee  ante  hiemem   (37, 3),  endet  principio   hiemis 
(44,  8).     Das  ist  natürlich  keine  so  starke  Abweichung,  dass  man  eine  zweite  Quelle 


424  Ulrich  Kahrstedi. 

Wie  stimmt  dazu  die  unnalistische  Ueberlieferung?  Wir  haben  ge- 
sehen, dass  die  Landung  des  Sicinius  noch  nicht  erfolgt  war,  als  Marcius 
mit  Perseus  zusammentraf,  dagegen  seine  Truppen  schon  zur  VerfUginig 
stehen,  als  der  Senat  die  letzte  makedonische  Gesandtschaft  vorliess  (47.  10 
—  48,1). 

Nun  sagt  der  Annalist  II  —  wenn  ich  den  Annalisten  mit  den  vielen 
Daten  so  nennen  darf ')  —  dass  die  Truppen,  aus  denen  sein  Korps  for- 
miert wurde,  zum  13.  Februar  nach  Brundisium  beordert  wurden.  Kann 
das  stimmen?  Kann  der  13.  Februar  republ.  Aera  zwischen  die  Reise  des 
Marcius  und  die  durch  sie  veranlasste  letzte  Gesandtschaft  des  Perseus 
fallen  ? 

Im  Jahre  168  geht  der  römische  Kalender  nach  Massgabe  der  Mond- 
finsternis vor  Pydna  um  fast  2V2  Monat  vor,  im  Winter  172/1,  um  den 
es  sich  hier  handelt,  um  noch  mehr,  da  die  Schaltung  von  170  allein  die 
Diiferenz  um  23  Tage  vermindert  hatte  ^).  Der  Abstand  des  bürgerlichen 
vom  jnlianischen  .Jahre  betrug  damals  also  reichlich  3  Monate,  die  Iden 
des  Februar  fallen  in  die  erste  Hälfte  des  November. 

Man  sieht,  das  Datum  passt  recht  gut  zu  Polybios.  Anie  likmein  war 
Marcius  abgereist  (Sept./Oktob.,  das  ist  nach  polybianischer  Rechnung 
schon  y.aiä  %eiu(hva).  die  Konferenz  mit  Perseus  mag  um  den  1.  No- 
vember herum  erfolgt  sein,  damals  gab  es  noch  kein  Korps  des  Sici- 
nius. 

Ferner  behauptet  Annalist  U,  dass  die  Aushebung  gleich  nach  dem  1.  .luni 
begann,  d.  h.  Ende  Februar.  Unmittelbar  danach  (35,  3 — 36, 1)  erzählt 
er  die  Ankunft  der  durch  Marcius  veranlassten  makedonischen  Gesandt- 
schaft, das  führt  ungefähr  auf  den  1.  März  julianisch.  Sie  wird  abgewiesen, 
die  Operationen  beginnen,  sagt  Polybios  Kap.  48.  Alles  stimmt,  als  die 
30  Tage  um  waren,  innerhalb  deren  die  Makedonen  römischen  Boden 
verlassen  mussten,  d.  h.  Ende  März,  begann  die  gute  Jahreszeit,  der  Praetor 
geht  zur  Flotte  ab.  Als  einige  Wochen  darauf  der  Konsul  in  Thessalien 
einrückt,  findet  er  (56.  8  u.  ö.)  das  Getreide  reif  zum  Gebrauch  auf  den 
Feldern;  es  ist  Mai.  erste  Hälfte. 

Die  Landung  des  Sicinius,  die  nach  der  Anordnung  der  Annalen  vor 
die  Ankunft  der  letzten  Gesandtschaft  des  Perseus  in  Rom  fällt  —  sie 
ist  ihr  auch  bekannt  und  wird  in  ihren  Instruktionen  36.  2  als  Beschwer- 
degrund aufgeführt  ■ —  und  nach  27  und  36  auch  in  die  letzte  Zeit  des  alten 


annehmen   kann,    sondern    ungenaue    Wiedergabe   des   Polybios.     Auch   braucht    der 
polybianische  Text  im  Fragment  keineswegs  ungekürzt  zu  sein. 

1)  Ich  vermeide  Namen,  da  die  Verteilung  der  Annalistik  auf  Persönlichkeiten 
allzu  problematisch  ist.  Die  römischen  Historiker  sind  dazu  langst  nicht  greifbar 
genug,  um  ihre  Eigenart  in  livianischer  Ueberarbeitung  öfter  als  ganz  gelegentlich 
zu  erkennen. 

2)  Liv.  XLIII,  11,  13.     Soltau,  Römische  Chronologie  59. 

10 


Zi(»i  Aiitthnahr  lies  (Irilfoi  nhiih('h-iti(ih:ihtn/sr}iri!  Krieges.        425 

Konsulatsjahres,  (jeliört  daher  wahrsclieinlich  Anfang  Dezember  jiil..  etwa 
'/a  Monat  vor  den  Anitsweclisel  und  ebensoviel  hinter  die  Versammlung 
des  Korps  bei  Brundisium.  Man  sieht,  Kom  hat  sich  Zeit  gelassen,  erst 
etwa  1  Monat  nach  der  Konferenz  des  Marcius  mit  Perseus  landete  Sici- 
nius  im  Osten :  Polybios  hat  ganz  recht,  wenn  er  sagt,  damals  (November 
172)  konnte  Rom  garnicht  daran  denken,  einem  kräftigen  Stosse  des 
Perseus  zu  begegnen. 

Wie  passt  nun  die  einzige  chronologische  Andeutung  bei  Annalist  I 
hierzu  y  Der  Beschluss  von  Kap.  30,  der  sicher  authentisch  ist.  wie  auch 
Nissen  anerkennt,  erwartet  wenigstens  der  Form  nach  noch  einen  fried- 
lichen Ausgleich.  \ind  zwar  ist  er  gefas.st  gleich  nach  dem  15.  März, 
d.  h.  Mitte  Dezember.  Worauf  man  in  der  Formulierung  noch  Rück- 
sicht nahm,  ist  nun  wohl  klar:  Die  Gesandtschaft  des  Marcius  war 
noch  nicht  zurück  und  wenn  man  auch  nicht  erwartete  und  vor  allem 
nicht  hoffte,  sie  würde  Friedensgarantien  bringen,  so  musste  man  doch  in 
der  Formulierung  der  Akten  auf  diese  noch  schwebende  Frage  Rücksicht 
nehmen.  Bald  darauf  ist  dann  Marcius  zurückgekehrt  (Dezember/Januar) 
und  hat  Bericht  erstattet.  Die  Mobilmachung  wurde  angeordnet,  sie  war 
nach  der  Reihenfolge  der  Dinge  bei  Annalist  II  schon  vollendet,  als  die 
letzte  Gesandtschaft  kam  (35  die  Mobilisierung  =  Januar — Februar,  36 
die  letzte  Gesandtschaft  =  Februar — März).  Nach  Polybios  (48,  4)  ist 
alles  fertig,  als  man  die  letzte  Gesandtschaft  abweist,  das  Heer  wird  nur 
noch  vereinigt. 

Nissen  hat  also  S.  249  f.  Unrecht  mit  der  Annahme,  dass  die  Chro- 
nologie der  Annalen  zu  der  des  Polybios  nicht  passte.  wir  haben  gesehen, 
dass  sobald  man  die  Verteilung  der  Kapitel  auf  die  Ursprungsquellen 
sorgfältig  durchführt,  die  Chronologie  durchaus  stimmt,  die  römischen 
Daten  fügen  sich  ganz  korrekt  in  die  allgemeine  Chronologie  des  Polybios 
ein.  Nissen  hatte  dies  deshalb  verkennen  müssen,  weil  er  nicht  sah,  dass 
Polybios  zur  Zeit  der  Reise  des  Marcius  von  keinem  Korps  des  Sicinius 
etwas  weiss,  sondern  erst  nachher,  dass  daher  die  Kapitel,  die  von  seiner 
Entsendung  reden,  sämtlich  annalistisch  und  hinter  Polybios'  Bericht 
über  Marcius  einzuordnen  sind. 

Was  nun  die  realen  Abweichnungeii  der  Annalen  angeht,  so  hat  Nis- 
sen recht  darin,  dass  die  (von  beiden  Annalisten  vorausgesetzte)')  rö- 
mische Gesandtschaft,  die  bei  Perseus  schlechte  Aufnahme  findet,  einfach 
ei-funden  ist,  desgl.  die  Entschuldigungsgesandtschaft  der  lihodier  26,  8  f. 
(Nach  meiner  Verteilung  Annalist  II,  die  Freude  an  der  Datierung  tritt 
auch  wieder  hervor.)  Sie  widersprechen  beide  dem  Gange  der  Dinge  bei 
Polybios.  Entstanden  sind  beide  Fabeln  aus  dem  Bedürfnis  heraus.  Rom 
zu  entschuldigen,  ausserdem  liat  vielleicht  schon  das  pontitikale  Stadtjour- 


1)  Kap.  25,  bezw.  30  und  31. 

K  I  i  o  ,  Beiträge  zur  alten  Geschichte  XI  4.  28 

11 


426  ülrkh   luihrsftilt. 

Hill  (da  beide  Annalisten  übereinstimmen)  das  authentische  Senatuskon- 
sult  von  Kap.  30  auf  die  erwartete  Antwort  bezogen,  die  diese  Gesandt- 
schaft bringen  sollte. 

Die  Sendung  des  Sicinius  habe  ich  fixiert.  Der  Umstand,  dass  er 
einmal  (bei  Ann.  I)  600  Reiter,  das  anderemal  (bei  Ann.  II)  über  5000 
Mann  bei  sich  hat,  von  denen  nur  300  Heiter  sind  (36,  8),  kann  stutzig 
machen.  Sicher  ist,  dass  Polybios  seine  Abteilung  auf  mehrere  Tausend 
Mann  beziffei-t ').  Will  man  die  Nachrichten  bei  Ann.  I  und  II  doch 
noch  irgendwie  verbinden,  bleibt  nichts  übrig,  als  anzunehmen,  dass  er 
erst  mit  600  Mann  übersetzte,  während  der  Rest  folgte,  dann  hätte  An- 
nalist II  aber  die  genaue  Zusammensetzung  des  Heeres  aus  5000  Mann 
z.  F.  und  300  Reitern  sich  aus  den  Fingern  gezogen,  da  Sicinius  schon 
von  vornherein  600  socii  equites  zur  Verfügung  hatte.  Wahrscheinlicher 
ist  mir,  dass  man  über  die  Stärke  des  Korps  des  Sicinius  überhaupt  nichts 
rechtes  v.nisste  und  nun  jeder  Annalist  seine  Phantasie  frei  spielen  Hess, 
um  dann  deren  Produkt  mit  gewohnter  Sicherheit  als  Tradition  vorziitragen. 

Einen  weiteren,  auf  ganz  anderem  Gebiete  gelegenen  chronologischen 
Anhalt,  der  das  oben  Gesagte  für  das  Frühjahr  171  bestätigt,  gibt  Polyb. 
XXVII,  3,  3  und  7,  2.  An  der  ersten  Stelle  ist  Agesilochos  Prvtan  von 
Rhodos,  an  der  zweiten  Stratokies.  Nun  gehört  3.  3  nach  Ausweis  von 
Livius  Kap.  45  in  die  Zeit,  als  die  Tournee  des  Marcius  zu  Ende  ging 
und  Perseus  sich  anschickte,  seine  letzte  Gesandtschaft  zu  entsenden,  also 
Dezember  172,  dagegen  7.  2  in  die  Zeit,  als  die  römische  Flotte  bei  Kephal- 
lenia  liegt,  also  nach  Livius  Kap.  48  in  den  Beginn  der  Operationen 
nach  der  Ausweisung  der  Makedoneu.  d.  h.  April.  Dazwischen  liegt  das 
Ende  der  ersten  und  der  Anfang  der  zweiten  rhodischen  Sechs-Monats- 
Prytanie.  Das  passt  sehr  gut.  der  Wechsel  der  Beamten  wird  zur  Zeit 
der  Frühlings-Tag-  und  -Nachtgleiche  erfolgt  sein,  das  rhodische  Jahr 
im  Herbst  begonnen  haben,  wie  die  meisten  kleinasiatischen  Jahre  "^). 

Einen  gewissen  Anhalt  für  die  Datierung  bietet  auch  Appian  3Iar. 
11, 3,  der  sich  gut  zu  dem  bisher  beobachteten  fügt.  Es  heisst  dort, 
dass  die  Rhodier  den  Eumenes  bei  dem  grossen  rhodischen  Sonnenfeste 
demonstrativ  ignorierten  und  seine  Festgesandtschaft  oi>x  iöetavio.  Dieses 
Fest  gehört  nun  nach  Ausweis  von  IG  XII  730  in  den  2.  Panamos  des 
rhodischen  Jahres  **).     Dieser  gehört  nun   in  den  Jahren,  in   denen  er  in- 

1)  48,11.  Das  hätte  Niese.  Griech.  u.  mdked.  Staaten  III  111  Anm.  abhalten  sol- 
len, die  Sendung  des  S.  für  erfunden  zu  erklären.  Dass  wir  nachher,  als  der  Kon- 
sul in  Griechenland  ist,  nichts  mehr  von  seiner  Streitmacht  hören,  ist  nicht  wunder- 
bar: S.  hat  dann  natürlich  das  Kommando  sofort  abgegeben,  seiner  Order  gemäss 
(27,  6),  und  sein  Heer  wurde  in  die  Reihen  des  konsularischen  gestellt.  Sicinius  auch 
bei  Zonaras  IX,  22. 5. 

2)  Vgl.  Ideler.  Mnthetnatische  Chronologie  I  414,  419  tf. 

3)  Vgl.  Hiller  v.  CTärtringeu.  Hermes  XXIX,  16  ff.  und  Dittenberger  De  sacris  Bhodio- 
rum,  Comm.  I  u.  II  Halle  1886  und  87.     Die  Inschrift  gehört  in  das    1.  Jahrhundert, 

12 


Zitiii  Aia^hrKchc  des  driftin  rönüsr/i-nin/.rilon/srjioi  Krieges.         427 

terkalievt  winl,  nicht  liinter  den  1.  Monat  dieses  Namens,  sondern  an  ilen 
Schluss  des  Jalires,  wie  uns  die  grosse  Kalendeiinschrii't  Kr  XII  4  ge- 
sai^t  hat.  Das  rhodische  .lahr  nun  als  Herbstjalir  angenommen,  kommen 
wir  für  den  2.  Panamos  und  das  Staatsfest  auf  den  September.  Das 
passt  aufs  beste  zu  den  anderen  Datierungen.  Appian  bringt  die  Nach- 
riclit  in  Zusammenhang  mit  der  von  dem  Attentat,  sie  wird  also  in  seiner 
Quelle  auch  wohl  nicht  allzuweit  davon  gestanden  haben.  Dem  Attentat 
auf  Eumenes  folgt  die  Denunziation  des  Kammius  und  dieser  die  Reise 
des  Marcius.  Letztere  auf  Oktober  datiert,  kommen  wir  für  die  Ankunft 
des  Rammius  auf  etwa  Mitte  September,  für  das  Attentat  auf  August. 
Dazwischen  muss  der  2.  Panamos  begonnen  haben ;  man  sieht,  dass  dies 
sehr  wohl  möglich  ist^). 

Der  Ausbruch  des  Krieges  ist  also  wie  folgt  vor  sieh  gegangen  : 
Im  Frühsommer  172  waren  römische  Kommissare  in  Aitolien,  Thes- 
salien und  anderswo  gewesen,  hatten  die  Unruhen  daselbst  zu  stillen  ver- 
sucht, zugleich  aber  den  Verdacht  verstärkt,  dass  Perseus  Machinationen 
gegen  Rom  betreibe.  Im  Hochsommer,  etwa  Juli,  kam  Eumenes  nach 
Rom,  um  gegen  Perseus  Klage  zu  führen.  Die  Majorität  des  Senates 
nahm  die  Denunziation  mit  Freuden  auf  und  wenn  auch  einige  skeptisch 
blieben  und  den  angeblichen  Vorbereitungen  Perseus'  keinen  rechten 
Glauben  schenkten,  zeigte  doch  die  abweisende  Haltung  des  Senates  den 
Vertretern  Makedoniens  und  Rhodos'  gegenüber,  dass  man  entschieden 
Partei  ergriif.  Dass  der  Senat  in  geheimer  Sitzung  den  Krieg  direkt  be- 
schloss  und  Eumenes  davon  in  Kenntnis  setzte,  blieb  freilich  der  Oeffent- 
lichkeit  noch  unbekannt. 

Die  abgewiesenen  Makedonier  eilten  nach  ihrer  Heimat  zurück,  bald 
—  August  —  reiste  Eumenes  ab.  Da  erfolgte,  während  der  Pergamener 
Delphoi  besuchte,  ein  Attentat  auf  sein  Leben,  das  die  öffentliche  Mei- 
nung dem  Perseus  und  seinen  Ratgebern  zur  Last  legte.  Dass  man  bei 
der  kriegerischen  Stimmung  im  Senat  diesen  Grund  zum  Abbruch  der 
Beziehungen  aufgriif,  ist  begreiflich,  um  so  mehr,  als  eine  ähnliche  De- 
nunziation hinzi\kam.  Einer  der  kurz  vor  Eumenes"  Reise,  also  im  Juni/ 
Juli,  ausgesandten  römischen  Kommissare  war  in  Chalkis  von  dem  Brun- 
disier  Rammius  aufgesucht  worden,  der  aus  Makedonien  kam  und  die  Be- 


aber  wir  sehen,  dass  das  Fest  schon  mindesten  seit  dem  Ende  des  2.  im  2.  Panamos 
lag  nnd  dass  das  Hauptfest  der  Republik  Rhodos  sich  verschiebt,  wird  niemand 
annehmen.  Dass  es  sich  bei  Appian  um  das  grosse  Staatsfest  handelt,  ist  eben 
durch  die  Beteiligung  der  fremden  Mächte  sicher. 

1)  Will  man  dies  gelten  lassen,  verschiebt  sich  die  Datierung,  die  Hiller  v.  Gär- 
tringen den  Priestern  des  Appollon  Erithimios  zuweist.  Nach  ihm  gehören  die  gros- 
sen penteterischen  Sonnenfeste  in  die  Jahre  102/1,  98/7  etc.  Nun  haben  wir  diese 
Datierung  des  Festes  auf  172  d.  h.  Ende  173/2,  also  kämen  wir  auf  105/4,  101/0,  97/6, 
93/2,  89/8,  85/4,  also  gegen  Hiller  v.  Gärtringen  um  1  Jahr  herunter.  Danach  fiele 
die  navdyvgt^  fittä  xöv  nölcßov  87/6  statt  88/7. 

28* 
13 


428  Ulrich  Kalirsfcflf. 

luiiiptung  mitbrachte.  Persens  habe  ilin  dafür  gewinnen  wollen,  die  zahl- 
reichen vornehmen  Römer,  die  in  seinem  Hanse  ein-  und  ausgingen, 
durch  Gift  ans  dem  Wege  zu  räumen.  Der  Kommissar  —  Valerius  — 
kehrte  also  mit  dem  Brundisier  nach  Uom  zurück  und  nahm  zugleich  eine 
gewisse  Praxo  aus  Delphoi  mit  als  Kronzeugin  für  die  Attentatsgescliichte. 
Die  Mitteilungen  dieser  beiden  Zeugen  veranlassten  den  Senat  zu  weiteren 
Schritten.  Eine  Kommission  —  Marcius  Philippus  an  der  Spitze  —  ging 
Ende  September  nach  Griechenland,  um  die  Stimmung  der  Hellenen  zu 
prüfen  und  Roms  Einfiuss  in  den  eventuell  schwankenden  Staaten  zu 
stärken.  Etwa  tausend  Mann  bewaffneter  Macht  standen  ihr  zur  Ver- 
fücpun"'.  Persens  —  von  dem  Kriegsbeschlusse  im  Sommer  nicht  unter- 
richtet —  hoffte  noch  auf  Frieden  und  suchte  eine  Zusammenkunft  mit 
Marcius,  die  Ende  Oktober  zu  Stande  kam.  Auf  ihr  spielte  der  römi- 
sche Kommissar  seine  Rolle  sehr  gut.  Mit  seinem  selbstbewussten  Auf- 
treten, das  jeden  von  ihm  gewährten  Aufschub  der  Feindseligkeiten  als 
bescmdere  Gnade  des  beleidigten  Rom  hinstellte,  täuschte  er  den  König 
und  verbarg  geschickt  die  mangelhafte  Vorbereitung  Roms.  Der  König 
Hess  sich  bereden,  einen  letzten  Versuch  zu  machen,  den  Senat  zu  ver- 
söhnen. Marcius  versprach  Waffenruhe  für  die  Zeit  dieser  Gesandtschaft, 
eine  kostbare  Zeit,  die  Rom  dazu  dienen  sollte,  seine  Rüstungen  zu  vol- 
lenden. Daheim  hatte  man  indessen  mit  diesen  begonnen,  sobald  die  Aktion 
des  Marcius  im  Gange  war.  ein  erstes  Korps,  das  der  Praetor  Sicinius 
führen  sollte*),  wurde  für  Mitte  November  nach  Brundisium  beschieden 
und  besetzte  bald  darauf  die  illyrisch-epeirotischen  Küstenplätze.  Das 
Imperium  des  Praetors,  das  nur  noch  wenige  Tage  dauern  sollte,  wurde 
in  das  neue  Amtsjahr  hinein  verlängert.  Im  Dezember  wurde  dann  den 
neu  eingetretenen  Konsuln  der  Auftrag,  für  den  Krieg  und  den  Hatiptteil 
der  Aushebung  die  Genehmigung  des  souveränen  Volkes  einzuholen.  Noch 
konnte  man  freilich  nicht  den  Krieg  bedingungslos  verkünden .  man 
musste  auf  die  Verhandlungen,  die  Marcius  erst  schriftlich,  dann  münd- 
lich mit  Persens  zugelassen  hatte,  wenigstens  in  der  Formulierung  Rück- 
sicht nehmen  und  schrieb :  Der  Krieg  sollte  proklamiert  sein,  wenn  keine 
Genugtuung  (bei  der  in  ihren  einzelnen  Resultaten  noch  unbekannten  Konfe- 
renz des  Marcius  und  Persens)  erfolgt  wäre.  Bald  darauf,  etwa  .lanuar/Fe- 
bruar,  erschien  Marcius  wieder  in  Rom  und  stellte  die  Ankunft  einer  make- 
donischen Gesandtschaft  in  Aussicht.  Mit  besonderer  Freude  nahm  man 
die  Nachricht  im  Senat  natürlich  nicht  auf,  man  war  mehr  oder  weniger 
kompromittiert,  wenn  man  nun  nach  Proklamation  des  Krieges  „nur  wenn 
keine  Genugtuung  erfolgte"    diese    Genugtuung    abwies.     Denn    daß  man 


1)  Dessen  Zusammensetzung  wir  nicht  kennen.  Wir  haben  gesehen,  dass  das 
Datum  stimmt,  die  aufgezählten  Truppenteile  aber  wohl  aus  der  Luft  gegriffen  sind. 
Die  Urquelle  hatte  vermutlich  nur :  Zu  den  Iden  des  Februar  versammelte  der  Praetor 
Sicinius  ein  Heer  in  Brundisium. 

14 


Xinii   Aiisliriiihi-  lies  (Ir/flni   niniisrh-niitkiddiiistlicii    Ki/iiii:s.  429 

dies  tun  wollte,  war  sicher:  man  inol)ilisierte  irjeiili  nach  den  Latiiiisciien 
fcrhw  (Februar,  2.  Hälftej  die  konsularischen  Meere  und  war  ziemlich 
damit  fertig,  als  um  den  1.  März  herum  die  makedonische  Gesandtschaft 
erschien.  Abweisen  konnte  niiin  sie  nicht,  denn  erstens  hatte  man  selbst 
ausgesprochen,  man  fordere  Genugtuung  und  diese  wurde  hier  eben  ge- 
boten und  zweitens  hatte  der  Kommissar  der  Republik  die  Absendung  der 
Gesandten  veranlasst.  So  liess  man  die  Makedonen  vor,  erklärte  aber, 
ihre  Versicherungen  seien  keine  Genugtuung  für  die  Angriffe  auf  Eumenes 
und  die  Rüstungen  gegen  Hom,  sie  und  alle  ihre  Landsleute,  die  in  Ita- 
lien weilten,  hatten  das  römische  Machtgebiet  in  30  Tagen,  bis  Ende 
März,  zu  verlassen.  Zugleich  versammelte  sich  das  Heer  zur  Einschiffung 
und  die  Flotte  wurde  fertig  gestellt.  Beim  Beginn  der  guten  .Jahreszeit 
ging  sie  in  See  (Anfang  April),  einige  Wochen  darauf  begann  der  Land- 
krieg in  Thessalien  (Anfang  Mai). 

In  diese  Reihe  von  Ereignissen  hinein  hat  die  römische  Tradition 
die  von  Perseus  beleidigte  römische  Gesandtschaft  nach  Makedonien  und 
die  Gesandtschaft  der  Rhodier  26,  8  f.  erfunden;  dagegen  spricht  29,11 
(polyb.)  dafür,  dass  an  der  Spannung  Roms  mit  Gentios  26,  2  ff.  (gegen 
Nissen  247)  doch  etwas  Wahres  ist  —  wenn  nicht  etwa  die  Angabe  29, 11, 
dass  Gentios  sich  Rom  bereits  verdächtig  gemacht  hatte,  von  Livius  eben 
in  Hinblick  auf  Kap.  26, 2  ff.  in  den  polybianischen  Bericht  hineingesetzt 
worden  ist  und  dieser  einfach  von  der  Stellung  des  Königs  als  unsicher 
sprach. 

Bezeichnend  ist  die  ängstliche  und  plumpe  Entstellung  der  Annalisten, 
um  Roms  Politik  zu  beschönigen.  Tatsächlich  ist  sie  äusserst  gemein 
und  tückisch  gewesen.  Man  kann  es  nun  einmal  nicht  vertuschen,  dass 
Rom  ohne  eigentlichen  Grund  den  Krieg  vom  Zaune  gebrochen  hat, 
dass  der  Krieg  beschlossen  wurde,  ehe  ein  Grund  dazu  vorlag  und  man 
also  vor  sich  selbst  zugab,  dass  man  einen  Vorwand  wünschte,  um  über 
Makedonien  herzufallen,  dass  Rom  immer  noch  die  Miene  des  nur  die 
nötige  Genugtuung  für  erlittenes  Unrecht  Heischenden  zur  Schau  trug, 
der  öffentlichen  Meinung  Sand  in  die  Augen  streute  mit  der  Beteuerung, 
man  rüste  nur  für  den  Fall,  dass  diese  ausbliebe,  als  man  längst  entschlos- 
sen war,  den  Krieg  auf  jeden  Fall  —  mochte  an  Genugtuung  geboten 
werden,  was  da  wollte  —  zu  eröffnen,  dass  Rom  endlich  den  letzten  Frie- 
densversuch, der  erfolgte  als  Sicinius'  Landung  schon  den  Krieg  eröffnet 
hatte,  abwies  und  doch  noch  den  Mut  fand,  durch  zwecklose  Härte  den 
privaten  Makedonen  gegenüber  den  Beleidigten  zu  spielen.  Perseus  hat 
das  Aeusserste  getan,  um  den  Frieden  zu  erhalten,  Rom  hat  ihn  skmpellos 
gebrochen,  und  gerade  die  vornehmen  und  edlen  Eigenschaften  des  Geg- 
ners, sein  Vertrauen  und  seine  Vertragstreue,  missbraucht,  um  ihn  mit 
Lügen  hinzuhalten,  bis  man  mit  seinen  Vorbereitungen  weit  genug  war, 
selbst  Polybios  konnte  dies  nicht  leugnen. 

15 


430     Ulvich  Kahrsfcdt,  Zum  Ansliruchv  d.  drittiii  rom.-muki'don.  Krieges. 

Andererseits  hat  auch  Perseiis  durcli  sein  Zögern  seine  Chancen  sehr 
verschlechtert.  Die  von  Antiken  wie  Neueren  vorgetragene  Ansicht,  dass 
Perseus  sich  von  Marcius  die  kostbarste  Zeit  ablisten  Hess  und  so  den 
rechten  Augenblick  zum  Losschlagen  verpasste,  hat  sich  durchaus  bestätigt, 
ja  ist  durch  die  genaue  Verwertung  der  chronologischen  Handhaben,  die 
wir  benutzen  konnten,  nur  noch  bestärkt  worden.  Perseus  hat  nämlich 
nicht  nur  auf  Veranlassung  des  Marcius  den  verfehlten  Versuch  einer 
letzten  Friedensverhandlung  unternommen,  sondern  hat  aucb  diesen  un- 
begreiflich lange  hinausgeschoben.  Wir  haben  oben  berechnet,  dass  die 
Konferenz  des'  Königs  mit  dem  Kommissar  um  den  1.  November  172  her- 
um anzusetzen  ist,  jedenfalls  vor  den  13.  Febi-.  republ.  Kalenders,  ebenso 
hat  sich  aber  ergeben,  dass  diese  Gesandtschaft  erst  nach  Abschluss  der 
Mobilmachung  und  Marcius'  Heimkehr,  die  beide  schon  ins  neue  Amts- 
jahr gehören,  nach  Rom  gekommen  ist  und  kaum  viel  vor  dem  1.  März 
171  julianisch  vor  dem  Senate  erschien.  Die  Schuld  liegt  also  nicht  allein 
in  der  List  des  Marcius,  sondern  auch  in  der  Unentschlossenheit  des  Ma- 
kedonen,  der  nicht  einmal  zum  letzten  Friedensangebot  den  raschen  Ent- 
schluss  fand.  Hätte  er  gleich  nach  der  Zusammenkunft  mit  Marcius  das 
Nötige  veranlasst,  hätte  er  also  seine  Vertreter  schon  Mitte  November 
vor  den  Senat  geschickt,  so  wäre  er  von  der  Aussichtslosigkeit  des  Ver- 
suches immer  noch  rechtzeitig  unterrichtet  worden  und  hätte  sich  auch 
noch  im  Dezember  wenn  auch  nicht  mehr  nur  den  1000  Mann  des  Mar- 
cius, aber  immerhin  doch  nur  dem  schwachen  Korps  des  Sicinius  gegen- 
über gefunden.  Dass  Perseus  über  drei  Monate  gewartet  hat,  bis  er 
seine  Vertreter  nach  Rom  schickte,  ist  nur  so  zu  erklären,  dass  er 
warten  wollte,  bis  Marcius  Philippus.  in  dem  er  immer  noch  einen  zu- 
verlässigen väterlichen  Gastfreund  sah,  wieder  in  Rom  wäre  und  den 
Makedonen  event.  beistehen  könnte.  Das  wirft  dann  auch  neues  Licht  auf 
die  Reise  des  Marcius  durch  den  Peloponnes.  Jeder  Tag.  den  er  länger 
von  Rom  fern  blieb,  war  ein  Gewinn  für  die  Rüstungen  daheim. 

Zum  Schluss  sei  noch  erwähnt,  dass  man  aus  App.  Mac.  11,5  nicht 
mit  Niese  III  111  Anni.  zwei  makedonische  Gesandtschaften  als  historisch 
herauskonstruieren  kann.  Die  zweite  ist  nur  der  Hintergrund  für  die  zu- 
sammenfassende direkte  Rede  über  das  Verhalten  und  die  Absichten  Ma- 
kedoniens und  noch  viel  weniger  historisch  als  die  Volksversammlungen, 
in  denen  Perikles  bei  Thukydides  von  des  attischen  Reiches  Herrlichkeit 
und  den  Tendenzen  seiner  Politik  spricht. 

Berlin. 


16 


431 


Zur  Karte  von  Griechenland. 

\  on  Karl  Julius  Belocb. 

1.  P  s  3'  1 1  ale  i  a. 
Kallenberg  hat  sich  in  dankenswerter  Weise  der  Aufgabe  unterzogen 
für  meinen  Ansatz  von  Psyttaleia  [Kl/o  VIII,  1908,  S.  477  ff.)  den  apa- 
gogischen  Beweis  zu  liefern  (-Ber/.  Phil.  Wochenschr.  1909.  Nr.  2  Sp  60 — 4). 
Um  die  Gleichung  Psyttaleia  =  Lipsokutala  (dies,  nicht  Lipsokutali.  ist 
die  richtige  Namensform)  zu  halten,  weiss  er  kein  anderes  Mittel,  als  bei 
Strabon  (IX  395)  die  Worte  xal  äXko  vrjaiov  ö/ioiov  xfi  WvrTaAei'a  xal 
rovTO  zu  athetieren.  Ich  sehe  in  diesem  vtjaiov  Lipsokutala,  das  Keos 
Herodots.  Kallenberg  meinte  das  wäre  „schon  deshalb  unwahrscheinlich, 
weil  dann  Strabon  das  winzige  Atalante  mit  Namen  nennte,  während  er  die 
daneben  als  Riese  erscheinende  Insel  imbenannt  Hesse".  (Nebenbei  gesagt, 
wie  passt  auf  diesen  „Riesen"  das  Epitheton  ßaid,  das  Aeschylos  Psytta- 
leia gibt?)  Aber  schildert  denn  Strabon  hier  aus  eigener  Anschauung? 
Wer  ein  geogi-aphisches  Kompendium  der  ganzen  oiy.ovfievi]  schreibt,  kann 
überhaupt  nur  in  den  seltensten  Fällen  nach  Autopsie  schildern,  und  nichts 
berechtigt  zu  der  Annahme,  dass  hier  eine  solche  Ausnahme  vorliegt. 
Diese  unbewohnten  Inselchen  mussten  Strabon  von  seinem  Standpunkte 
aus  höchst  gleichgültig  sein :  und  da  er  weder  die  englische  Admirali- 
tätskarte, noch  die  „Karten  von  Attika"  vor  sich  hatte,  sondern  nur  einen 
Periplus.  so  kann  er  von  der  relativen  Grösse  der  beiden  Inseln  auch  gar 
keine  Kenntnis  gehabt  haben ;  und  hätte  er  in  seinem  Periplus  wirklich 
gelesen,  dass  Lipsokutala  etwa  10  Stadien  lang  und  2 — 3  Stadien  breit 
ist.  was  aber  nach  der  Analogie  der  uns  erhaltenen  Schriften  dieser  Aj-t 
zu  schliessen  gewiss  nicht  darin  gestanden  hat,  so  würde  ihm  das  ohne 
Zweifel  sehr  wenig  imponiert  haben.  Also  mit  diesem  Argument  ist  es 
nichts.  Aber  auch  sprachlich,  meint  Kallenberg,  wären  die  Worte  „nicht 
ohne  Anstoss".  „Denn  xal  vor  xovro  habe  gar  keinen  Sinn,  da  von  einer 
Aehnlichkeit  von  Atalante  und  Psyttaleia  nirgends  die  Rede  gewesen  ist. 
Sie  können  von  einem  Leser  herrühren,  der  Strabons  Darstellung  für  un- 
vollständig hielt".  Nun.  das  raüsste  doch  ein  merkwürdiger  Leser  gewesen 
sein,  der  eine  Insel  erfindet  und  nicht  einmal  ihren  Namen  anzugeben 
weiss.  Und  ebenso  merkwürdig,  dass  keiner  der  Herausgeber  Strabons 
—  und  es  sind  doch  ganz  tüchtige  Leute  darunter,  die  ihren  Strabon  gründ- 


432  K(ui  JhUks  Bclddi, 

Hell  yvliannt  hüben  —  Aiistos.s  an  den  Worten  geuommen  Init.  Oiler  viel- 
mehr, es  ist  gar  nicht  merkwürdig ;  sie  haben  nur  Strabon  nicht  vor- 
schreiben wollen,  wie  er  sich  hätte  ausdrücken  sollen,  und  wussten  auch, 
dass  er  nicht  der  Pedant  war.  für  den  ihn  Kallenberg  hält. 

Also  Kallenbergs  Äthetese  ist  rein  willkürlich.  Sie  ist  aber  auch 
o-Awi  unzulässig.  Denn  Strabon  zählt  in  der  Strasse  von  Salamis  vier 
Inselo-ruppen  oder  Inseln  auf,  von  W.  nach  0. :  die  Pharmakussen,  Psyt- 
taleia,  Atalante  und  das  äk?M  vr^aiov.  Und  ebenso  viele  sind  wirklieh 
vorhanden  nämlich  1)  Nera  und  die  Kyrades.  2)  Hagios  Georgios.  3) 
Talandonisi,  4)  Lipsokutala.  Wenn  wir  also  bei  Strabon  eine  Insel  athe- 
tieren,  müssen  wir  annehmen,  dass  er  in  seiner  Beschreibung  eine  Insel  über- 
gangen hat,  gerade  die,  die  er  am  wenigsten  übergehen  durfte,  weil  sie 
unmittelbar  vor  der  Stadt  Salamis  liegt,  Hagios  Georgios.  Wir  haben 
nicht  den  geringsten  Grund.  Strabon  eine  solche  Nachlässigkeit  zu  impu- 
tieren, bloss  der  vorgefassten  Meinung  zu  liebe,  dass  Psyttaleia  =  Lipso- 
kutala ist.  Wohin  würden  wir  wohl  kommen,  wenn  wir  die  Texte  in  solch 
willkürlicher  Weise  zurechtschneidern  wollten?  Also  von  einer  Äthetese 
kann  keine  Rede  sein,  und  damit  ist  die  Sache  erledigt:  denn  es  gibt 
zwischen  Atalante  und  dem  Peiraeeus  keine  andere  Insel  als  Lipsokutala 
und  kann  auch  im  Altertum,  nach  den  Tiefenverhältnissen,  keine  andere 
gegeben  haben :  folglich  muss  Lipsokutala  das  tt'/io  vi]aiop  sein,  und 
Psyttaleia  ist  Hagios  Georgios.  Dass  Strabon  das  cüZo  vrjaiov  anonym 
gelassen  hat.  ist  seine  Sache;  er  kann  seinen  sehr  guten  Grund  dazu  ge- 
habt haben,  z.  B.  den,  dass  der  Name  in  seiner  Vorlage  unleserlich  war. 
Wer  aber  trotzdem  Anstoss  daran  nimmt,  dass  der  Name  fehlt,  wird, 
falls  er  seinen  Strabon  kennt,  nie  auf  den  Ged'anken  einer  Äthetese  ver- 
fallen, sondern  sich  vielmehr  erinnern,  dass  gerade  im  IX.  Buch  zahl- 
reiche Lücken  sind.  Mein  athenischer  Freund  Basilios  Leonardos  schlägt 
mir  vor,  xal  (^Keiög)  äÄXo  vr/aioi'  zu  lesen,  was  ja  paläographisch  sehr 
leicht  wäre;  nur  könnte  man  fragen,  warum  Strabon  die  Homonymie 
von  Atalante  mit  der  Insel  bei  Lokris  hervorgehoben  hat.  die  von  Keos 
mit  der  Kykladeninsel  nicht.  Es  können  aber,  hier  wie  so  oft.  mehr 
Worte  ausgefallen  sein,  und  Strabon  z.  B.  geschrieben  haben :  nlijaloi'  Sä 
y.al  i)  'AtuMviij,  öfttovvfiog  t*]  nsgl  Evßoiav  xal  AoxQovg,  xai  ü/^ko  vij- 
aiov  dfiotov  rfi  WmrakEia,  xai  jorro  (bfiöiv^iov  Keto  rtj  iv  talg  Kv-z-MaC) 
oder  etwas  ähnliches,  vgl.  Strab.  X  459  xal  nöXic,  'Aaraxöc,  dfiwrvftog 
xf]  nsQi  Nixo/i  t'/öeiar  xal  töv  'Aaiaxi]vbv  xöXnov  xal  >)  Kqi&cot?]  ö'  öfid)- 
vvfioQ  7io?J-/j'i]  T(öi>  ii>  ff]  ßQcexia  XEQQor/]ao).  Doch  ich  lege  auf  diesen  Vor- 
schlag weiter  keinen  Wert,  und  meine  vielmehr,  dass  gar  nichts  zu  ändern  ist. 
Hier  könnte  ich  schliessen;  denn  wenn  wir  das  äZXo  v>]aiov  bei 
Strabon  nicht  streichen,  bleibt  gar  kein  Zweifel,  dass  Psyttaleia  =  Hagios 
Georgios  ist.  Und  wer  ohne  zwingenden  Grund  athetieri.  zeigt  damit  nur. 
dass  er  mit  seinem  Latein  zu  Ende  ist.     Was  Kallenberg  sonst  vorbringt. 


'Am-   Kiidi    riiu  (iricrliciildiiil.  43y 

li:it  ilcnn  aucli  nicht  iliis  geriiiffstc  Gewiclit.  So  meint  er,  (h''noQUOQ.  das 
Beiwort,  das  Aeschylos  von  ['syttaleia  braucht,  bezeicline  „eine  Küste,  an 
der  sicli  schlecht  landen  lässt.  an  der  man  niclit  leicht  landen  kann" 
(hier  wäre  wegen  der  ganz  überfliLssigen  Wiederholung  wolil  eine  Athe- 
tese  am  Platze) ;  das  passe  auf  Lipsokutala,  nicht  auf  Hagios  Georgio.s. 
Aber  das  öi'aoQfiog  darf  nicht  gepresst  werden;  denn  Aeschylos  selbst 
erzählt  uns,  dass  die  Hellenen,   sobald  die  persische  Flotte  geschlagen  war, 

av9't]fie()öi'  q^QÜ^ai'iFg  F.vxdXxoic,  öefiag 

onkoiai.  rawi'  eH^Qiony.ov,  d/iq)}  dt 

y.vxkovvio  ndaav  vt]aov  {Fers.  4.54  ff.) 
sie    haben    also    ohne    Schwierigkeit    landen  können,    und  zwar    rings    um 
die   Insel;  das  passt  sehr  gut    auf  Hagios  Georgios.    aber    gar   nicht    auf 
Lipsokutala,  was  ich  übrigens  schon  Klio  VHI  483  hervorgehoben  hatte. 
Ebenso  falsch  ist  die  Behauptung,  dass  die  Worte  des  I)ichters 

rPiaög  rig  iari  jtQÖad-e  SaXa^ivog  rönojf 
nicht  auf  Hagios  Georgios  bezogen  werden  könnten.  Heute  geht  freilieh 
jeden  Morgen  vom  Peiraeeus  ein  Torpedoboot  nach  dem  Arsenal  von  Salamis, 
und  wer  kann,  benützt  diese  Gelegenheit.  Da  kommt  man  denn  freilich 
zuerst  bei  Lipsokutala  vorbei.  Dass  aber  eine  solche  regelmässige  Ver- 
bindung zur  See  —  es  braucht  ja  gerade  kein  Torpedoboot  gewesen  zu 
sein  —  schon  zu  Aeschylos'  Zeit  bestanden  hat,  wird  wohl  auch  Kallen- 
berg  nicht  behaupten  wollen;  wer  also  kein  eigenes  Schiff  hatte,  oder 
kein  Geld  eins  zu  mieten  —  und  das  war  natürlich  die  grosse  Mehrzahl  — 
ging  nach  dem  UfQa/ia  und  Hess  sich  dort  übersetzen  .  weshalb  denn 
Strabon  den  f/'c  ^aZa/uva  TroQ&fiög  ausdrücklich  erwähnt  (IX  395):  hätte 
Kallenbei"g  sich  dort  übersetzen  lassen,  statt  auf  dem  attischen  Ufer  zu 
bleiben,  würde  er  gesehen  haben,  dass  man  da  ganz  nahe  an  Hagios 
Georgios  vorbeikommt,  ehe  man  Salamis  erreicht,  ent.sprechend  den  Wor- 
ten des  Dichters.  Und  wenn  Strabon  sagt,  Psyttaleia  sei  von  „einigen" 
Zt'jfit]  Tov  ÜEiQaiwg  genannt  worden,  so  ist  das  verkehrt,  ganz  gleich, 
welche  Insel  wir  unter  Psyttaleia  verstehen  wollen.  Denn  keine  dieser 
Inseln  kann  dem  Peiraeeus  je  den  geringsten  Abbi-uch  getan  haben,  nicht 
einmal  als  Station  einer  feindlichen  Blokadeflotte,  am  wenigsten  Lipsoku- 
tala, das  wirklich  im  vollsten  Sinne  des  Wortes  övaoQfiog  ist.  Bekanntlich 
hat  Perikles  den  Ausdruck  von  Aegina  gebraucht,  auf  das  er  trefflich 
passt.  und  Strabon  hat  das  Apophthegnia,  das  ihm  noch  von  der  Schule  her 
geläufig  sein  mochte,  durch  einen  lapsKS  tiwmoriae  auf  Psyttaleia  bezogen. 
Weiteres  über  die  ganze  Frage  'Ecpij/i.  dgx  liUl  Sp.  383  f. 

2.  Dikte. 

Wie  fest  einmal  eingewurzelte  Irrtümer  in  der  Wissenschaft  haften, 
zeigt  i'echt  deutlich  die  Ansetzung  des  heiligen  Berges  Dikte  auf  Kreta  auf 
unseren  Karten  und  in  unseren  geographischen  Handbüchern.     Weil  nach 


434  KrtrI  Jidhis  Beloch. 

Staphylos  bei  Strab.  X  475  Praesos  im  Süden  der  Insel  lag.  und  zwar, 
nach  Strabons  eigener  Angabe  S.  478  in  der  Nähe  von  Leben,  180  Sta- 
dien von  Gortyn.  die  Dikte  aber  bei  Prae.sos.  identifizierte  man  dieses 
Gebirge  mit  den  Bergen  von  Lassithi.  (Hock,  Kreta  I  407)  deren  Kul- 
minationspunkt, der  Affendi  Cliristos.  zu  2155  m  emporsteigt,  also  nach  dem 
Ida  und  den  ,  Weissen  Bergen"  die  höchste  Spitze  der  Insel  bildet.  Frei- 
lich steht  diese  Ansetzung  im  Widerspruch  mit  einer  anderen  Angabe, 
die  sich  bei  Strabon  im  unmittelbaren  Anschluss  an  die  eben  erwähnte 
Angabe  findet,  wonach  die  Dikte  100  Stadien  vom  salmonischen  Vorge- 
birge, 1000  Stadien  vom  Ida  gelegen  hätte.  Ferner  setzt  Ptolemaeos 
(III  15,  3  und  6)  die  Dikte  auf  55»  30'  Länge  an,  Hierapytna  auf  55°  15'. 
das  Sabnonion  auf  50"  50'  ;  sodass  also  auch  nach  ihm  die  Dikte  östlich 
vom  Isthmos  von  Hierapytna  gelegen  hat.  Dass  man  diese  ganz  präzisen 
Angaben  ignorierte,  mochte  hingehen,  solange  man  zur  Bestimmung  der 
Lage  von  Praesos  ausschliesslich  auf  Strabon  angewiesen  war;  jetzt  aber 
haben  uns  die  Inschriften  gelehrt,  dass  Praesos  im  östlichsten  Teile  der 
Insel,  im  Herzen  der  Provinz  Sitia  gelegen  hat,  dass  Zeus  Diktaeos  dort 
Schwurgott  war  (DiaJ.-Lischy.  5058)  und  dass  der  Tempel  des  Gottes 
bei  Palaekastron  an  der  Ostküste  Kretas,  unweit  Itanos,  sich  erhob 
(Bosanquet,  Anniml  Br.  Srhool  Athens  XV,  1908/9).  Demnach  kann 
nicht  der  geringste  Zweifel  sein,  dass  die  Dikte  im  äussersten  Osten  der 
Insel  gelegen  hat.  und  mit  dem  Bergmassiv  identisch  ist.  das  östlich  von 
Praesos  im  Dryses  (830  m)  gipfelt.  Es  ist  W.  Alys  Verdienst,  das  zu- 
erst energisch  betont  zu  haben  (Der  hefische  Äpollonhdt,  Leipzig  1908, 
S.  46).  Denn  obgleich  die  wahre  Lage  von  Praesos  schon  längst  bekannt 
ist,  werden  noch  auf  H.  Kieperts  1897  erschienener  Spezialkarte  von 
Kreta  und  auf  M.  Kiesslings  1909  herausgekommenem  Blatt  21are  Aegaeum  in 
Sieglins  Atlns  Antiquus  die  Berge  von  Lassithi  als  Dikte  bezeichnet:  nicht 
minder  in  Bürchners  Art.  BMe  in  Pauly- VVissowa  V  1  (1903).  Ja 
Schoemann  ist  soweit  gegangen,  das  bei  Hesiod.  Theoy.  482  überlieferte 
AvxTov  in  AlxTTjv  zu  ändern,  eine  Konjektur,  die  Flach  sich  nicht  ge- 
scheut hat,  in  den  Text  seiner  Ausgabe  aufzunehmen.  Ebenso  gilt  bei 
Archäologen  und  Historikern  die  Höhle  bei  Psychro  in  Lassithi  allgemein 
als  die  diktaeische  Grotte.  Hock  suchte  sich  dadurch  zu  helfen,  dass  er 
nach  bekanntem  Rezept  zwei  Berge  Namens  Dikte  annahm,  was  noch 
ganz  kürzlich  von  Bosanquet  wiederholt  worden  ist  [Anmial  XV  351) ; 
aber  die  Alten  kennen  eben  nur  einen  Berg  Dikte.  und  dass  die  ale- 
xandrinischen  Dichter  über  dessen  Lage  nicht  genau  orientiert  waren,  wie 
schon  Strabon  hervorhebt  (X  478  f.).  tut  nichts  zur  Sache.  Und  wenn 
Bursian  meint  [Geoiiraphie  II  533  A).  Ptolemaeos  (III  15,  6)  nenne  als  öqti 
tn:iai]fta  auf  Kreta  nur  die  drei  Gruppen  Asv-y-ä  öqi],  "7(5>/  und  Aiy.T7],  die 
also  den  drei  höchsten  Bergen  der  Insel  entsprechen  müssten.  sodass  die 
Dikte   nur  der  Afi'endi  Christos  sein  könne,  so  legt  er  in  die  Stelle  etwas 


Änr   Knriv  nni    (iricchcnhtiKl.  435 

liini'iii  was  sie  keineswegs  besa.yt.  denn  firlaij/ia  oqij  siml  „hei-iilinitc".  niclit 
„hohe"  Berge.  Und  selbst  wenn  Ptolemaeos  den  Ansdruck  im  letzteren 
Sinne  gebrancht hätte,  würde  das  garniclits  beweisen:  denn  Polybios  (I  55,  7) 
nennt  den  Eryx  ßeye&ei  nagu  noZv  öiacptQov  lüv  xaiu  cijv  HixeAiav 
ÖQwr  7Tli]i>  Tijg  AiJvr]Q.  und  doch  ist  der  Eryx  nur  751  m  hocii  und  es 
gibt  in  Sicilien  unzählige  höhere  Berge.  Den  alten  Geographen  standen 
eben  nur  sehr  wenige  Höhenquoten  zu  Gebote,  und  auch  diese  waren  kei- 
neswegs immer  zuverlässig.  Uebrigens  ist  es  nicht  richtig,  was  Bursian 
sagt,  dass  die  Berge  von  Lassithi  „namenlos  bleiben  würden",  wenn  wir 
ihnen  den  Namen  Dikte  entziehen.  Denn  unter  dem  AiyaTov  ÖQog  bei 
Hesiod  Theog.  484,  das  im  Gebiete  von  Lyktos  lag,  können  nur  die  Berge 
von  Lassithi  verstanden  werden;  und  wenn  Ptolemaeos  in  der  Beschreibung 
der  Südküste  von  Kreta  zwischen  Inatos  und  Hierapytna  ein  'leqov  öqoq 
auftuhrt  (III  15.  o).  so  werden  wir  darin  eben  das  AiyaTor  OQog  Hesiods 
zu  erkennen  haben. 

Die  Insel  0  n  y  sia. 

Da  ich  gerade  beim  Osten  Kretas  liin.  noch  eins,  poiir  la  bonni; 
hoHchc.  Bei  Plinius  (IV  61)  wird  als  conini  Itainoii  pronumtunum  gelegen, 
eine  Insel  Onysia  aufgeführt,  die  sonst  nirgends  genannt  wird.  Dagegen 
kennt  der  Stadiasmus  Maris  Magni  (354.  355)  in  der  Nähe  des  salmonischen 
Vorgebirges  die  AiovvaiäÖEq,  zwei  kleine  Inseln,  die  auch  bei  Diod.  V 
75,  7  erwähnt  werden ;  heute  heissen  sie  Dragonara  und  Gianitsades.  Mir 
scheint  demnach  klar,  dass  bei  Plinius  Z)(onysia  zu  schreiben  ist.  Die 
Emendation  liegt  so  nahe,  dass  es  mich  wundern  sollte,  wenn  sie  nicht 
schon  einmal  gemacht  worden  wäre :  ich  habe  sie  aber  nicht  unterdrücken 
wollen,  da  Onysia  noch  in  Detlefsens  letzter  Ausgabe  (Berlin  1904)  para- 
diert und  die  Plinius-Stelle  auch  in  Bürcbners  Artikel  Dionysiadcs  hei 
Pauly-Wissowa  V  1,  881  nicht  erwähnt  wird. 

Beiläufig  will  ich  bemerken,  dass  der  Name  des  Vorgebirges  2al- 
fiönnov,  im  kretischen  Dialekt  später  Ha^i/novioi'  (vgl.  AÜTTTTa,  AvTTog, 
mit  Assimiliei-ung  der  Konsonanten  aus  Aüfiira,  Avy.Tog).  noch  später 
2a^icoi'iot>  geschrieben  (auch  in  Inschriften:  3Ion.  Anf.  XI,  536  n.  82 
'Ai>at'a  2afioyvia  eiyJiv),  den  Fick,  Otisiianien  S.  77,  für  lelegisch,  Ass- 
niann.  I'/iiloJ.  67,  1908.  S.  164.  gar  für  semitisch  hält,  gut  gi-iechisch  ist; 
er  steht  zu  SaAfto)V£vg  wie  IToaeiöioi'  zu  JToaeiöwv.  Salmoheus  aber  ist 
der  Gott  der  Salzflut,  von  der  Wurzel  sal,  äZ,  vgl.  2aXfio)via  (Diod.  IV 
68,  4)  oder  ^aZfiwvt]  (Strab.  VIII  356,  Steph.  Byz.),  älteste  Form  2aJla- 
fiibva  {Inscr.  c/r.  nnt.  121)  in  Elis  und  daneben  'AZ/ioivia  in  Thessalien 
(Steph.  Byz.  Mivva).  Zu  derselben  Wurzel  gehören  AZßOjrl'  (Sohn  des 
Poseidon,  Steph.  Byz.  s.  v. )  und  AZfiojjiia,  die  also  mit  Spiritus  asper  zu 
schreiben  sind,  HcUßog  oder  "AAfiog  (Steph.  Byz.  unter  den  beiden  Na- 
men), richtiger  "A^fiog  in  Boeotien,    und  wie  die  Form  2aZafitbva   zeigt, 


i:\Q  Karl  Julius   Bdwli. 

auch  iSalamis.  wüiaus  .sich  ilann  weiter  er<^iljt.  dass  dieser  Name  erst  mit 
den  Griechen  nach  Cypem  «fekonmien  ist  und  mit  den  Phuenikern  nicht 
das  geringste  zu  tun  hat. 

3.  E  1  e  u  t  h  e  r  a  e. 

Eleutherae  wird  auf  unseren  Karten  gleich  unterhalb  des  Passes  von 
AQvbg  KecfaZal  angesetzt,  da  wo  beim  Chani  von  Kaza  die  imposanten 
Ruinen  von  Gyphtokastro  aufragen.  ,Dass  die  Stadt  hier  gelegen  hat,  „ist 
nur  von  wenigen  verkannt  worden",  wie  Milchhöfer  sagt  {Karten  rnn 
Affiht.  Text  IX  37).  der  es  darum  für  überflüssig  gehalten  hat.  einen 
Beweis  zu  geben.  Und  doch  ist  klar,  dass  die  Lage  in  dem  einsamen 
ßergtal  für  eine  Stadt  ebenso  unpassend  wäre,  wie  sie  für  ein  Sperrfort 
ausgezeichnet  geeignet  ist.  Und  dass  es  sich  wirklich  nur  um  ein  Sperr- 
fort handelt,  zeigen  die  Ruinen  aufs  deutlichste.  Im  VI.  Jahrhundert 
stand  hier  auf  dem  Hügel  von  Gyphtokastro  nur  ein  einfacher  Wachtturm 
in  Polygonalbau :  die  später,  im  IV.  Jahrhundert  angelegten  Befestigungen 
haben  eine  Länge  von  etwa  300,  eine  Breite  im  Mittel  von  etwa  100  m, 
die  ummauerte  Fläche  entspricht  also  etwa  der  AJn-opolis  von  Athen 
und  umfasst  ungefähr  3  ha.  Spuren  von  Gebäuden  innerhalb  der  Mauern 
linden  sich  nicht,  abgesehen  von  dem  eben  erwähnten  alten  Wachtturm. 
Die  .schwachen  Spuren  einer  Unterstadt",  die  einzelne  Reisende  gesehen 
haben  wollen  (Milchhöfer.  Kaden  von  Attika  a.  a.  0.)  beschränken  sich 
auf  einige  Mauerreste,  die  längs  des  Südostabhanges  des  Hügels  herab- 
laufen. Leake  hat  darum  in  diesen  Ruinen  die  Grenzfestung  Oenoe  er- 
kennen wollen,  was  freilich  nicht  richtig  sein  kann,  da  Oenoe  als  attischer 
Demos  östlich  von  Eleutlierae  liegen  musste.  und  westlich  von  Gyphto- 
kastro für  Eleutherae  kein  Raum  ist.  Das  Wahre  erkannte  Otfried  Müller, 
der  auf  der  Karte  von  Boeotien  zu  seinem  Orchonitnos  unsere  Ruinen  als 
Panakton  bezeichnet,  ohne  übrigens,  soviel  ich  sehe,  diese  Ansicht  näher 
zu  begründen.  Das  würde  ibm  damals  auch  schwer  geworden  sein;  denn 
aus  den  literarischen  Quellen  ergibt  sich  nur,  dass  Panakton  an  der  boeo- 
tischen  Grenze  gelegen  hat  (Thuk.  V  3,5;  42.  1,  Demosth.  vdGes.  32(5. 
Harpokr.  ndrazTog),  und  erst  zwei  Inschriften,  die  ein  halbes  Jahrhundert 
nach  Otfried  Müllers  Tode  gefunden  sind,  haben  den  Beweis  für  die  Rich- 
tigkeit seines  Ansatzes  gegeben.  Es  sind  Ehrendekrete  der  in  Eleusis 
Panakton  und  Phyle  stehenden  athenischen  Bürgertruppen  für  die  aiga- 
ir^yol  in'  'EZevoTvog  Aristophanes  und  Demaenetos,  das  eine  CIA  IV  2, 
614  b  aus  der  Zeit  Demetrios'  des  Belagerers  (Gr.  Gesch.  IH  2,  37),  oder 
wie  Kolbe  will  (zuletzt  Ati.  ArcJi.  S.  62)  Demetrios'  IH,  das  andere  CIA 
IV  2,619  b  aus  dem  Ende  des  IH.  Jahrhunderts,  beide  also  aus  einer 
Zeit,  als  die  heut  erhaltenen  Befestigungen  von  G^-phtokastro  bereits  stan- 
den. Da  nur  drei  Garnisonen  erwähnt  werden,  hat  es  damals  im  Militär- 
bezirk Eleusis    eben  nur  di-ei  befestigte  Plätze    gegeben,    Eleutherae    und 


////•  Kurte  von  Grkchenhnxl.  437 

Oenoe  wsireii  also  in  dioser  Zeit  keine  Fcstuiifrcn  iiielir.  l);inn  üIht  ruuss 
Gyplitokastro  mit  Fanakton  identisch  sein.  Man  könnte  sich  diesem 
Schlüsse  nur  durch  die  Annahme  entzielien.  Gyphtokastro  habe  während 
des  ganzen  III.  Jahrhunderts,  oder  doch  während  dessen  zweiter  Hälfte 
zu  Boeotien  gehört,  eine  Annahme,  die  ganz  in  der  Luft  stehen,  und  auch 
aus  inneren  Gründen  sehr  unwahrscheinlich  sein  würde.  Dass  Panakton 
ein  strategisch  wichtiger  Platz  war.  zeigt  auch  seine  mehrfache  Erwäh- 
nung in  der  Kriegsgeschichte  dieser  Zeit,  trotz  unserer  dürftigen  Ueber- 
lieferiing  (Paus.  I  25,  6,  Plut.  Demetr.  23);  schon  das  würde  beweisen, 
dass  die  Festung  an  einer  grossen  Strasse  gelegen  hat,  und  nicht  da.  wo 
Milchhöfer   sie  hinsetzt,   bei   Kavasala  am  Südrande  der  Ebene  von  Skurta. 

AVenn  aber  Gyphtokastro  =  Panakton  ist,  dann  muss  Eleutherae  da 
gelegen  haben,  wo  schon  Leake  es  mit  richtigem  Blicke  angesetzt  hat,  bei 
Myupoiis,  an  der  Stelle,  wo  unsere  Karten  Oenoe  verzeichnen.  Die  er- 
haltenen Reste  zeigen,  dass  es  sich  hier  um  einen  ziemlicli  ansehnlichen, 
befestigten  Ort  handelt;  die  Lage  entspricht  der  Beschreibung  des  Pausa- 
nias  (I  38,  9) :  'E/^ev^eQÜv  de  fjv  fiev  fVt  tov  reiyovg,  ^v  ök  xal  oixiäv 
igeiTiia "  öi'jh]  öe  Toinoig  imi  nökig  öXlyov  {>7ieQ  tov  neöiov  ngög  tw  Ki- 
d-aigävi  oixia&eTaa.  Die  Befestigungen  müssen  schon  im  III.  Jahrhundert 
verfallen  gewesen  sein,  da.  wie  die  angeführten  Inschriften  zeigen,  da- 
mals keine  Garnison  hier  gelegen  hat.  Und  es  ist  doch  klar,  dass  die 
Stadt,  so  klein  sie  auch  sein  mochte,  ein  Gebiet  gehabt  haben  muss,  das 
kein  anderes  sein  konnte,  als  die  Ebene  am  oberen  Kokkini;  was  denn 
auch  durch  Pausanias  (38,  8)  ausdrücklich  bezeugt  wird,  der  hier,  iv  tovtco 
TW  Tteöi'o)  den  Tempel  der  Dionysos  Eleuthereus  erwähnt.  Dass  Eleutherae 
unmittelbar  an  der  Strasse  von  Eleusis  nach  Theben  gelegen  hat,  sagen 
unsere  Quellen  nicht,  und  wird  durch  die  oben  angeführte  Stelle  des 
Pausanias  geradezu  «ausgeschlossen;  wenn  Xenophon  diese  Strasse  als 
öl'  'EXevd-egöii'  öödg  bezeichnet  (Hell.  V  4,  14).  so  heisst  das  nur,  dass  sie 
durch  das  Gebiet  von  Eleutherae  ging.  Uebrigens  wissen  wir  nicht,  ob 
sie  dem  Tale  des  Kokkini  entlang  lief,  oder  quer  über  die  Berge  wie 
die  heutige  Fahrstrasse. 

Und  auch  ganz  abgesehen  davon  ist  es  evident,  dass  Oenoe  nicht  hier 
oben  gelegen  haben  kann.  Archidamos  begann  431  seinen  Feldzug  nach 
Attika  mit  einer  Belagerung  dieser  Festung,  die,  wde  Thukydides  aus- 
drücklich sagt,  an  seinem  Wege  lag  (II  18.  1  Ineg  ('fie?.Zov  kaßaXetv). 
Es  ist  also  ganz  ausgeschlossen,  dass  er  auf  seinem  Marsch  Mnipolis  be- 
rührt haben  könnte,  mag  er  nun  die  Küstenstrasse  gezogen  sein,  oder  über 
den  Pass  von  Kandili.  Dasselbe  ergibt  sich  aus  der  Erzählung,  dass  eine 
korinthische  Abteilung,  die  von  Dekeleia  nach  Hause  zog,  bei  Oenoe  von 
der  Besatzung  der  Festung  aufgerieben  wurde  (Thuk.  VIII  98, 2) ;  wir 
werden  doch  nicht  annehmen  wollen,  dass  sie  den  weiten  Umweg  über 
Myupoiis    gemacht    hat.      Vielmehr   muss    Oenoe .    nach    diesen  Angaben, 


438  Karl  Julius  BelocJi. 

in  der  eleusinischen  Ebene  «feieren  haben,  oder  auf  einer  der  diese  inn- 
«^ebenden  Höhen,  und  zwar,  da  es  iv  /is&OQioig  rjjg  'ATnyS^g  y.ai  Bono- 
Ti'ag  lag  (Thuk.  II  18.2  =  VIII  98,2.  Herod.  V  74),  und  an  Eleutberae 
grenzte  (Euripid.  Antiope  fr.  179),  in  deren  nördlichem  Teile,  an  der 
Strasse  nach  Theben  (Diod.  IV  60,  5).  Das  in  der  Nähe  gelegene  Pythion 
(Liban.  Declam.  16.  in  DemosfJi.  Ajiol.  I  p.  451)  bildete  nach  Philochoros 
die  Grenze  des  Reiches  des  Nisos  (bei  Strab.  IX  392).  Man  könnte  die 
Reste  eines  Demos  (nach  Milchhöfer  Oea).  da  wo  der  eleusinische  Kephi- 
sos  aus  den  Bergen  in  die  Ebene  tritt,  bei  Savani  Kalyvia,  die  von  einem 
Fort,  dem  Kastro  Plakoto,  überragt  werden  (Milchhöfer  a.  a.  0.  VIl  18) 
auf  Oenoe  beziehen:  hier  in  der  Nähe  muss  es  jedenfalls  gelegen  haben. 

Das  Gebiet  Ton  Eleutberae  hat  sich  also  von  der  megarischen  Grenze 
l)is  zum  3IeyüÄo  Bovvb  erstreckt  und  das  ganze  Tal  des  Kokkini  umfasst. 
bis  nahe  an  dessen  Zusammenfluss  mit  dem  zweiten  der  Quellbäche  des 
eleusinischen  Kephisos,  dem  Sarandapotamos.  Und  es  kann  sehr  wohl 
sein.;  dass  auch  das  Tal  dieses  letzteren  noch  dazu  gehört  hat.  Wenn 
freilich  San-is  mit  seiner  Vermutung  recht  haben  sollte,  dass  die  mega- 
rische  Kome  Erineia  (Paus.  I  44,  5)  bei  Kondura  am  Oberlauf  des  Saran- 
dapotamos gelegen  hat  {'Ecftjfi.  ägx-  1910  Sp.  151).  bliebe  diese  Mög- 
lichkeit ausgeschlossen.  Ich  halte  es  aber  schon  aus  geographischen 
Gründen  für  sehr  imwahrscheinlich.  dass  das  megarische  Gebiet  so  weit 
über  die  Wasserscheide  hinübergegriifen  haben  sollte,  da  die  Berge,  die 
das  Tal  des  Sarandapotamos  von  der  megarischen. Ebene  trennen,  bis  zu 
1000  m  und  darüber  aufsteigen  und  der  Kandilipass  die  einzige  bequeme 
Verbindung  mit  Megara  bildet,  der  wie  die  hier  auf  beiden  Seiten  befindlichen 
Befestigungen  zeigen  (Milchhöfer  a.  a.  0.  IX.  40).  offenbar  auf  der  Grenze 
zwischen  Athen  und  Megara  lag,  sodass  diese  Grenze  also  auch  weiter- 
hin der  Wasserscheide  gefolgt  sein  muss.  Und  noch  unwahrscheinlicher 
wä,re  es,  dass  Pausanias,  der  nach  seinem  eigenen  Zeugnis  in  Erineia 
gewesen  ist  (a.  a.  0.),  nach  dem  von  seiner  Reiseroute  so  weit  abliegen- 
den Kondura  gekommen  sein  sollte.  Da  sich  indes  auf  den  Höhen,  die 
das  Tal  des  Kokkini  von  dem  Tal  des  Sarandapotamos  trennen,  die  Reste 
einiger  Türme  finden,  so  wird  die  Grenze  zwisclien  Attika  und  Eleutberae 
wahrscheinlich  hier  anzusetzen  sein. 

Jedenfalls  hat  das  Gebiet  von  Eleutberae  mindestens  gegen  100  qkm 
umfasst,  die  allerdings  ohne  Zweifel  im  Altertum  wie  noch  heute,  zum 
weitaus  grössten  Teile  mit  Wald  bedeckt  waren,  sodass  die  Bevölkerung 
nur  verhältnismässig  gei'ing  sein  konnte. 

Aus  dem  Gesagten  ergeben  sich  einige  Folgerungen  für  die  Geschichte 
von  Eleutberae.  die  freilich  nur  bestätigen,  was  wir  schon  auf  anderem 
Wege  erschliessen  konnten.  Bei  den  Verhandlungen  über  die  Rückgabe 
von  Panakton  nach  dem  Nikiasfrieden  behaupteten  die  Boeoter  wg  fjoär 
noiE   'A^iivaiog    y.al  BoicoioTg    ix  öia(f.OQäg   negi    ainov    ögy.oi    Tca/.aioi 


Zur  Kurte  nm  (irirc/iciiliiiHl.  439 

fi)]öeTiQOvg  oixsTr  (Wilam.  Kiiduthiu  117.  :3(l  n'r/.Fiovv)  ih  /(ooior.  ukXu 
xorvfi  veftet}'  (Thiik.  V  42,  1).  Du  mm,  wie  wir  gesehen  hahen,  l^aiiakton 
=  Gyphtokastvo  ist.  so  muss  dieser  Vertrag  in  einer  Zeit  geschlossen 
worden  sein,  als  Plataeae  und  Hysiae  noch  politisch  zu  Rocotien  ge- 
hörten :  also  hat  Eieutherae,  in  dessen  Gebiete  Panakton  gelegen  war, 
sieh  vor  Plataeae.  d.  h.  vor  519  (Thuk.  III  55,  vgl.  Gr.  Gesrii.  I  1^0  A). 
an  Atlien  angeschlossen.  Dabei  ist  es  ganz  gleichgültig,  ob  die  Behauptung 
der  Boeoter  auf  Wahrheit  beruhte,  denn  sie  setzt  jedenfalls  voraus,  dass 
Elentherae  schon  unter  athenischer  Herrschaft  gestanden  hat,  als  Plataeae 
noch  selbständig  war.  Der  Anschluss  Plataeaes  machte  den  Vertrag 
hinfällig  und  die  Athener  konnten  nun  Panakton  befestigen ;  als  dann 
Plataeae  im  peloponnesischen  Kriege  an  Theben  gekommen  war,  haben  die 
Boeoter  den  alten  Vertrag  wieder  hervorgesucht.  Eieutherae  ist  also 
spätestens  unter  Peisistratos'  Herrschaft  athenisch  geworden,  worauf  ja 
auch  die  Uebertragung  des  Kultes  des  Dionysos  Eleuthereiis  nach  Athen 
führt.  Bei  den  freundschaftlichen  Beziehimgen  aber,  die  zwischen  Theben 
und  Peisistratos  herrschten  (Herod.  I  61,  Aristot.  All  15.  2).  werden  wir 
wahrscheinlich  noch  höher  hinaufgehen  müssen,  bis  an  den  Anfang  des 
VI.  oder  ins  VII.  Jahrhundert.  Dass  der  homerische  Schiffskatalog,  dessen 
Verfasser  in  Boeotien  so  genau  Bescheid  weiss.  Eieutherae  unter  den 
boeotischen  Städten  nicht  nennt,  könnte  als  weiteres  Argument  dafür  an- 
geführt werden.  Ob  freilich  das  Motiv,  das  Pausanias  (I  38.  8)  für  den 
Anschluss  von  Eleutlierae  an  Athen  angibt  (xöt'  f'xS'og  tö  @r]ßai(üv)  auf 
üeberlieferung  l)eruht,  oder  nur  von  Plataeae  auf  Eieutherae  übertragen 
ist.  mag  dahingestellt  bleiben  :  wahrscheinlich  ist  das  letztere,  es  ist  aber 
sehr  wohl  möglich,  dass  Pausanias  oder  vielmehr  seine  Quelle  doch  das 
richtige  getroffen  hat  und  der  Anschluss  in  die  Zeit  gehört,  als  Theben 
seine  Vorherrschaft  in  Boeotien  begründete. 

4.   D  a  p  h  n  u  s. 

Strabon  erzählt,  dass  Daphnus  „vor  alters"  (tö  naZaiöi')  zu  Phokis 
gehört  habe,  während  es  zu  seiner  Zeit  (vuv)  lokrisch  sei  (IX  416.  425). 
Wann  der  Besitzwechsel  erfolgt  ist,  wird  nicht  tiberliefert;  Schaefer 
{Deinosfli.  II  i  270)  und  Bursian  {Geogr.  I  156)  lassen  die  Stadt  den 
Phokern  am  Ende  des  heiligen  Krieges  entrissen  werden,  was  Philipp- 
son  (Art.  DapJnuts  in  Pauly-Wissowa)  wiederholt.  Das  ist  aber  höchst 
unwahrscheinlich,  denn  wir  hören  nicht,  dass  den  Phokern  damals  ein 
Teil  ihres  alten  Gebietes  entzogen  worden  wäre,  und  Pausanias  (X  3,  2) 
führt  die  damals  bestehenden  phokischen  Städte  namentlich  auf;  Daph- 
nus ist  nicht  darunter.  Nun  werden  allerdings  bei  Pausanias  nur  21 
Städte  aufgezählt,  während  es  nach  Demosthenes  udGes.  123)  22  ge- 
wesen sind,  aber  Demosthenes  hat  offenbar  Delphi  eingerechnet,  das  bei 
Pausanias  fehlt  (Schaefer,  Dcnwsth.  II  ^  268  A).     Sollte  aber  bei  Pausanias 


440  Karl  Jid/iis  Jlclach. 

wirklich  ein  Name  aiisgefiiUcn  sein,  was  Ja  an  sitli  möglich  genug  ist. 
da  er  keine  Gesamtsumme  gibt,  so  ist  doch  die  Wahrscheinlichkeit,  dass 
das  gerade  Daphnus  gewesen  sein  sollte,  verschwindend  gering.  Allerdings 
haben  die  Phoker  im  heiligen  Kriege  den  westlichen  Teil  des  epikne- 
midischen  Lokris,  die  Gegend  an  den  Thermopylen  und  Thronion  (Diod. 
XVI  33,3:  38.3,  Aesch.  vdGes.  132)  erobert,  und  auch  Daphnus  mag  da- 
mals von  den  Phokern  besetzt  worden  sein ;  hier  handelt  es  sich  aber  nur 
um  eine  vorübergehende  Okkupation. 

Ursprünglich  hat  Daphnus  jedenfalls  den  Lokrern  gehört;  denn  der 
Bergzug,  der  die  Wasserscheide  zwischen  dem  Tal  des  Kephisos  und  dem 
Sund  von  Euboea  bildet,  bildet  auch  die  natürliche  Grenze  zwischen  Lo- 
kris und  Phokis.  Demgemäss  zeigt  unsere  älteste  Quelle,  der  homerische 
Schifi'skatalog.  der  freilich  Daphnus  nicht  erwähnt,  die  ganze  Küste  von 
Opus  bis  zu  deu  Thei'mopylen  als  einheitliches  Gebiet  im  Besitze  der  Lo- 
krer.  Dass  Schedios  in  Daphnus  ein  Heiligtum  hatte  (das  ^xediEiov. 
Strab.  IX  425).  ist  kein  Gegengrund,  denn  er  'war  nicht  nur  ein  phoki- 
scher.  sondern  auch  ein  lokrischer  Heros,  wie  daraus  hervorgeht,  dass  er 
in  die  Gründungssage  von  Temesa  in  Italien  verflochten  war  (Lyko]ihr. 
1067  mit  den  Scholl,  und  Tzetzes),  wohin  er  doch  nur  vom  epizephyrischen 
Lokroi  aus  gekommen  sein  kann  (vgl.  Strab.  VI  2.55),  das  eine  Kolonie 
der  opuntischen  Lokrer  war.  Aber  es  liegt  in  der  Natur  der  Sache,  dass 
die  Phoker  danach  strebten,  das  schmale  lokrische  Gebiet  zu  durchbre- 
chen und  die  Küste  zu  gewinnen.  Schon  die  Sage  berichtet  von  Kämpfen 
der  Bewohner  des  phokischen  Hyampolis  mit  den  Lokrern  um  den  Besitz 
von  Daphnus,  in  denen  die  ersteren  Sieger  geblieben  sein  sollen  (Schol. 
Eurip.  Orest.  1094.  I  205  Schwartz.  vgl.  Schol.  B  517),  ein  Reflex  der 
Kämpfe,  die  in  historischer  Zeit  ausgefochten  worden  sind.  Weiterhin 
wurde  Lokris  in  die  Kriege  zwischen  Phokis  und  Thessalien  hineingezo- 
gen:  so  sollen  die  Phoker  zur  Abwehr  der  Thessaler  die  Thermopylen 
befestigt  haben  (Herod.  VII  176),  was,  falls  es  richtig  ist,  zur  Voraus- 
setzung haben  würde,  dass  der  westliche  Teil  des  epiknemidischen  Lo- 
kris von  ihnen  abhängig  war.  und  andererseits  sind  die  Thessaler  diä 
AoxQÖiv  gegen  Hyampolis  voi'gegangen  (Plut.  Mtd.  virt.  S.  244).  Offen- 
bar haben  die  Lokrer  in  diesen  Kämpfen  auf  thessalischer  Seite  gestan- 
den, und  da  die  Phoker  nur  mit  Mühe  ihre  L'nabhängigkeit  zu  behaupten 
vermochten,  werden  sie  damals  Daphnus  verloren  haben,  falls  sie  es  be- 
reits in  Besitz  genommen  hatten,  ebenso  wie  sie  von  den  Thermopylen 
abgedrängt  worden  sind.  Dagegen  scheint  Daphnus  am  Anfang  des  IV. 
Jahrhunderts  im  Besitz  der  Phoker  gewesen  sein.  Wenigstens  spricht 
Xenophon  von  einer  ä,uq)iaßi]Trjaif4og  yMQa,  in  welche  die  opuntischen  Lokrer 
auf  Anstiften  der  Thebaner  im  Jahr  395  einen  Einfall  machten,  die  also 
damals  im  Besitz  der  Phoker  gewesen  sein  muss.  ein  Einfall,  der  den  An- 
lass  zum  Ausbruch    des    korinthischen    Krieges    gab    (HeU.  III  5,  3),    und 

10 


Zur  Kntic  von  Griechenland.  441 

wenn  auch  niiliore  Angaben  fehlen,  liegt  es  doch  am  nächsten,  an  Daph- 
nus  zu  denken.  Allerdings  nennt  Kratippos  [Hell.  Oxyrii.  XIII  2  f.)  hier 
statt  der  opuntischen  die  westlichen  Lokrer,  und  verlegt  das  streitige  Ge- 
biet an  den  Parnasos :  ich  glaube  aber  mit  Ed.  Meyer  {Theopomps  Helle- 
niku  S.  85  iF.).  dass  Xenoplion  hier  das  richtige  gibt.  Wir  werden  dann 
anzunehmen  haben,  dass  die  Plioker  den  Erwerb  oder  VViedererwerb  von 
Daplmus.  wie  den  von  Delphi,  ihrem  Anschluss  an  die  Athener  nach  der 
Schlacht  bei  Oenophyta  zu  verdanken  hatten:  nach  der  Schlacht  bei  Ko- 
roneia  wäre  ihnen  dann  zwar  Delphi  entzogen,  Daphnus  aber  gelassen  worden. 
Im  korinthischen  Kriege,  nach  dem  Siege  über  die  Phoker  bei  Naryx  (Diod. 
XIV  82.  8)  und  detinitiv  nach  der  Schlacht  bei  Leuktra  werden  dann 
die  Boeoter  den  Lokrern  den  Besitz  der  Stadt  wieder  verschafft  haben. 
Doch  das  sind  Vermutungen.  Die  erste  Erwähnung  von  Daphnus 
als  phokischer  Stadt  findet  sich  in  einem  Fragment  des  Demetrios  aus 
Kallatis  bei  Strab.  I  60,  wo  erzählt  wird,  dass  bei  einem  Erdbeben  eine 
Anzahl  von  Städten  im  nördlichen  Euboea  und  an  der  Küste  des  gegen- 
überliegenden Festlandes  zerstört  wurden,  y.v^iü  ts  i^UQi^ev  TQixfi  tö  fih' 
TtQÖg  Tägcpr^v  iveyßrjrai  y.ai  (iQuriov,  tö  de  UQÖg  Seoftoni'Xag,  uXXo  61 
elg  TÖ  Jieöiov  fOJg  to?  'Ihoy.iy.oü  Aacfvovvrog.  Man  pflegt  das  Erdbeben 
mit  demjenigen  zu  identifizieren,  das  nach  Thuk.  III  87.  89  dieselbe  Ge- 
gend im  Jahr  426  verwüstete  (Bursian,  Geofjr.  I  188,  2,  Neumann-Partscb, 
Physische  Geoyr.  S.  321) ;  mit  unrecht,  wie  abgesehen  von  allem  anderen 
schon  die  Erwähnung  von  Herakleia  bei  Demeti'ios  beweist,  das  zwar  im 
Jahr  426.  aber  erst  einige  Zeit  nach  dem  Erdbeben  gegründet  worden  ist 
(Thuk.  in  92).  Wir  wissen  also  nicht,  wann  das  andere  Erdbeben  statt- 
gefunden hat ;  aber  das  tut  nichts  zur  Sache,  denn  es  ist  klar,  dass  De- 
metrios. wenn  er  von  dem  ^(oxiy.ög  Aafvovg  spricht,  die  Verhältnisse  sei- 
ner eigenen  Zeit  im  Auge  hat.  Demetrios  hat  etwa  um  200  v.  Chr.  ge- 
lebt, da  er  den  Tod  Hierons  von  Syrakus  erwähnte  und  von  Demetrios 
von  Skepsis  und  Agatharchides  zitiert  wird  (Schwartz  in  Pauly-Wissowa 
IV  2,2807):  damals  also  gehörte  Daphnus  wieder  zu  Phokis.  Da  die 
Zahl  der  phokischen  Stimmen  im  Amphiktyonenrat  bald  nach  270  von  2 
auf  3  steigt,  während  zugleich  die  lokrische  Stimme  verschwindet,  so  ist 
die  Annahme  kaum  abzuweisen,  dass  Lokris  damals  ganz  oder  zum  Teil 
phokisch  geworden  ist  (Gr.  Gesch.  III  2,  332).  Allerdings  nur  für  wenige 
Jahre,  denn  bald  darauf  führen  die  Phoker  wieder  zwei,  und  etwas  später 
nur  eine  Stimme,  bis  dann  nach  der  Schlacht  bei  Chaeroneia  ganz  Phokis 
in  den  aetolischen  Bund  aufgenommen  wurde,  ((rr.  Gesch.  III  2,  332 — 337). 
Bei  der  Befreiung  des  Landes  durch  Demetrios  muss  dann  Daphnus  wieder 
an  Phokis  gekommen  sein,  währeml  Opus  selbständig  wurde  (Polyb.  XI 
•5  (6),  4)  und  der  Strich  von  Thronion  bis  zu  den  Thermophylen  bei 
Aetolien  blieb  (Liv.  28,  7).  Danach  ist  Karte  V  zum  III  Bde.  der  Griech. 
Gesch.  zu  berichtigen. 

Klio,  Beiträge  znr  alten  Heschirlitc  XI  \.  29 

11 


442  KarJ  Julius  BeJoch. 

Infolge  der  Scblaclit  bei  Kynoskephalae  kamen  Pliokis  und  Lokris 
noch  einmal  unter  aetolisclie  Herrschaft.  Phokis  wurde  wenige  Jahre 
später,  im  aetolischen  Kriege,  wieder  selbständig:  dagegen  das  opuntische 
Lokris  blieb  auch  jetzt  bei  Aetolien.  wie  sich  aus  der  Araphiktyonenliste 
aus  dem  Jahre  des  delphischen  Archonten  Praxias  (178/7)  ergibt,  in  der 
beide  lokrische  Stimmen  von  den  Aetolern  geführt  werden  {Bull.  Corr. 
Hell.  VII  427,  und  dazu  De  Sanetis  in  meinen  Sti(cli  di  Sforia  antka  II 
131,  3).  Damals  haben  die  Römer,  um  den  territorialen  Zusammenhang 
des  aetolischen  ßimdes  nicht  zu  unterbrechen.  Daphnus  den  Aetolern  ge- 
lassen, und  so,  was  Phokis  anlangt,  den  Zustand  vor  dem  heiligen  Kiiege 
wieder  hergestellt.  Als  dann  nach  der  Schlacht  bei  Pydna  auch  die  Lo- 
krer  vrieder  selbständig  wurden  (Salvetti  in  meinen  Studi  di  Sforia  antica 
II  135,  und  die  Ampliiktyonenliste  von  130/29  bei  Pomtow  in  Pauly-Wis- 
sowa  IV  2,  2691),  ist  ihnen  der  Besitz  von  Daphnus  geblieljen.  wie  sich 
aus  dem  oben  angeführten  Zeugnisse  Strabons  (IX  425)  ergibt.  Wenig- 
stens ist  nicht  abzusehen,  bei  welcher  anderen  Gelegenheit  Daphnus  an 
die  Lokrer  zurückgekommen  sein  könnte.  Später  scheint  sich  in  diesen 
Verhältnissen  nichts  geändert  zu  haben,  denn  Ptolercaeos  kennt  kein  pho- 
kisches  Gebiet  am  Smid  von  Euboea  und  lässt  die  opuntischen  und  epi- 
knemidischen  Lokrer,  die  er  wie  Strabon  a.  a.  0.  als  zwei  verschiedene 
Stämme  betrachtet,  unmittelbar  aneinander  grenzen.  Auch  die  übrigen 
Geographen  aus  römischer  Zeit,  von  dem  sog.  Skymnos  angefangen,  nen- 
nen an  dieser  Küste  nur  die  Lokrer.  Eine  Ausnahme  bildet  allein  Pli- 
nius,  bei  dem  Daphnus  wieder  als  phokisch  erscheint  (IV  27).  Da  er 
aber  Eleutherae  zu  Boeotien ,  die  Megaris  zu  Attika  rechnet,  und  eine 
Menge  Orte  als  noch  bestehend  aufführt,  die  zu  seiner  Zeit  längst  ver- 
lassen waren,  so  hat  er  offenbar  neben  dem  Staatshandbuch  eine  Quelle 
vor  sich  gehabt,  die  Griechenland  nach  antiquarischen  Gesichtspunkten 
beschrieb,  und  sein  Zeugnis  beweist  also  hier  für  das  erste  Jahrhundert 
der  Kaiserzeit  gar  nichts. 

5.  D  e  m  e  t  r  i  a  s. 

Als  Stätte  von  Demetrias  gilt  heute  allgemein  der  Hügel  von  Goritza, 
etwa  eine  Viertelstunde  östlich  von  Volo.  Fredrich  hat  in  den  Athenischen 
Mitteilungen  (30.  1905.  S.  222  ff.)  eine  Beschreibung  der  Oertlichkeit  und 
der  dort  vorhandenen  Reste  gegeben,  mit  einem  Plan,  sodass  es  auch 
dem,  der  nie  dort  war,  jetzt  möglich  ist,  sich  von  der  Stadt,  die  hier  oben 
stand,  ein  Bild  zu  machen.  Die  Ringmauer  hat  2480  m  im  Umfang,  der 
umschlossene  Flächenraum  mag  etwa  25  km  betragen,  dabei  ist  der  Bo- 
den sehr  abschüssig.  Die  Bevölkerung  kann  sich  also  nur  auf  wenige 
tausende  belaufen  haben,  Arvanitopullos  schätzt  3—4000  {IlQay.Tixa  1908 
S.  219).  Ein  Hafen  ist  nicht  vorhanden,  und  der  Hügel  ist  so  steil, 
dass   ein  Lastwagen   nur  mit  grösster  Mühe  hinaufgelangen    könnte.     Die 

12 


Zin-  Karte  von  Griechoilaud.  443 

Ausgrabungen,  die  Arvanitopullos  liier  vorgenommen  hat  {IlQaxjixü  1907 
S.  171  ff.)  sind  ohne  Ergebnis  geblieben,  weder  öH'entliche  Bauten  noch 
Kunstwerke  sind  gefunden  worden. 

Es  ist  schwer  verständlieb,  wie  nach  dem  allem  noch  jemand  glauben 
kann,  hier  oben  habe  Demetrias  gestanden,  die  Stadt,  die  ihr  Gründer  zur 
Hauptstadt  seines  makedonisch-griechischen  IJeiches  bestimmt  hatte,  die 
mit  Lysimacheia  und  Alexandreia  wetteifern  sollte,  und  die  wirklich  eine 
der  wichtigsten  Städte  Griechenlands  geworden  ist.  Und  doch  ist  niemand 
ein  Zweifel  gekommen :  nur  Arvanitopullos  meint,  Demetrias  möge  wohl 
nur  das  aiQaTuorty.bv  y.iviQOV  gewesen  sein,  während  Handel  und  Verkehr 
und  überhaupt  das  städtische  Leben  ihren  Sitz  in  Pagasae  gehabt  hätten 
{IlQaxTty.ä  iy08  S.  219).  Der  so  nahe  liegende  Gedanke:  Demetrias  ist 
nichts  weiter  als  ein  neuer  Name  für  Pagasae,  ist  auch  ihm  nicht  ge- 
kommen, obgleich  die  Sache  bei  Plinius  sogar  ausdrücklich  bezeugt  ist; 
oppidum  Pagasd,-  klein  postm  Demetrias  dkta  (IV  29).  Und  doch  haben 
uns  die  Funde  der  letzten  Jahre  gelehrt,  dass  Pagasae  im  HL  und  IL 
Jahrhundert,  also  in  der  Zeit,  während  der  es  unter  diesem  Namen  niemals 
erwähnt  wird,  eine  grosse  und  blühende  Stadt  gewesen  ist;  die  gemalten 
Stelen,  die  hier  in  so  grosser  Zahl  zum  Vorschein  gekommen  sind,  würden 
allein  zum  Beweise  genügen.  Weiteres  bei  Arvanitopullos  a.  a.  0. 
S.  218  ff. 

Das  ganze  Unheil  hat  Strabon  angerichtet,  oder  vielmehr  der  blinde 
Glaube  an  Strabons  Unfehlbarkeit.  Dessen  Bericht  lautet  (IX  436)  txTiae 
öe  ArififjjQiog  ö  jto?jOQy.riTfjg  inwvvfiov  iavrov  Ti]v  AijirjiQidSa  fisra^v 
NijZeiag  xal  Uayaawi'  ini  d'aZdni]  rag  7ih]aiov  no?.iyvac,  eig  amijv 
avvoixiaag,  NrjAeiär  le  y.al  Ilayaaäg  y.r?..  Dem  gegenüber  pflegt  man 
Plinius'  entgegenstehendes  Zeugnis  unbeachtet  bei  Seite  zu  werfen,  wie 
ja  überhaupt  Plinius  als  Quelle  früher  sehr  unterschätzt  worden  ist.  Und 
doch  zeigt  Strabon  hier  recht  wenig  Sachkenntnis,  wenn  er  meint,  dass 
Pagasae  eine  noZixt'i]  gewesen  sei,  während  es  doch  im  IV.  Jahrhundert, 
wie  sein  aus  dieser  Zeit  stammender  Mauerring  zeigt,  eine  sehr  bedeutende 
Stadt  gewesen  ist.  Wie  er  diesen  Irrtum  begangen  hat.  werden  wir  ihm 
auch  den  weiteren  Irrtum  zutrauen  dürfen,  dass  er  als  Neugründung  an- 
gesehen hat.  was  nichts  weiter  war.  als  eine  Erteilung  von  Stadtrechten. 
Denn  Pagasae  war  bis  auf  Demetrios  eine  y.öjfir]  von  Pherae  gewesen, 
wie  das  Fehlen  eigener  Münzen  unwiderleglich  beweist,  es  stand  zu  die- 
sem ungefähr  in  demselben  Verhältnis,  wie  der  Peiraeeus  zu  Athen.  De- 
meh-ios  machte  Pagasae  zur  selbständigen  Gemeinde,  und  stattete  es  durch 
Einverleibung  der  Kleinstädte  im  südlichen  Magnesia  mit  einem  ansehn- 
lichen Gebiete  aus.  Die  neue  Gemeinde  erhielt,  wie  recht  und  billig,  den 
Namen  des  Königs,  dem  sie  die  Selbständigkeit  zu  danken  hatte,  und  der  sie 
jetzt  zu  seiner  Residenz  erhob.  Dass  die  Stadt  bei  dieser  Gelegenheit  ver- 
grössert  worden  ist,  ist  möglich  und  sogar  wahrscheinlich :  Arvanitopullos" 

29* 
13 


444  Karl  Julius  Bclorh, 

weitere  Untersuchungen  werden  uns  (l:irü})er  hott'entlicli  Aiit'schlnss  geben. 
Die  Vergrösserung  könnte  in  der  Kiclitung  nach  Neleia  hin  vorgenommen 
worden  sein.  Wo  dieses  gelegen  hat,  wissen  wir  allerdings  nicht.  Uebri- 
gens  hat  Pagasae  als  einer  der  städtischen  Demen  von  Demetrias  politi.scli 
weiter  bestanden  {Insn:   TliessnJ.  1109,  4  =  Ditt.  St/U.  ^  790). 

Allerdings  sagt  Strabon  weiter,  dass  lolkos  20  Studien  von  Pagasae 
entfernt  war  (IX  436).  und  nur  7  von  Demetrias  (IX  436,  438).  Beide 
Zahlen  kehren  bei  Herakleides  dem  Kritiker  (sog.  Dikaearchos)  wieder 
(Descr.  Gr.  fr.  B.  1,  Geogr.  Gr.  Min.  I  S.  106)  tov  6e  ÖQOvg  (des  Pelion) 
f]  iieylaTi]  xat  ?.aaioiTärr]  ^ita  T/}g  TiöÄeag  y.aju  fiev  nkovv  C  änexei 
ordöia.  neCi]  ös  x'.  Dazu  bemerkt  C.  Müller:  .sc.  a  Deniefriade  nrhe,  de 
q/t(i  in  antefcdentihus  sermonen  fiiisse  putet  e  fine  fragmenti.  Ceterum 
qnomodo  inteUigenda  sinf  rerha  xarä  fiti'  nXovv  xtK.  fafeor  me  non  asseqni. 
Wenn  Demetrias  bei  Goritza  lag.  sind  die  Worte  in  der  Tat  unverständlich. 
Ist  aber  Demetrias  ^  Pagasae,  so  wird  alles  klar:  die  Ueberfahrt  über  die 
Bucht,  die  Pagasae  von  den  äussersten  Vorhöhen  des  Pelion  trennt,  ist 
natürlich  kürzer,  als  der  Weg  längs  des  Ufers.  Wir  haben  also  hier  einen 
neuen  Bewei.*;  dafür,  das  Demetrias  an  der  W^estseite  der  Bucht  von  Volo 
lag.  folglich  mit  Pagasae  identisch  ist.  Wer  von  Demetrias  nach  dem  Pelion 
wollte.  Hess  sich  in  der  Regel  nach  lolkos  (Volo)  übersetzen,  und  be- 
gann von  dort  die  Besteigung.  Da  nun  Strabon  dieselben  Zahlen  bietet, 
liegt  die  Vermutung  nahe,  dass  sie  in  derselben  Weise  zu  verstehen  sind, 
also  das  eine  Mal  die  Distanz  zu  Lande,  das  andere  Mal  die  Distanz  zur 
See.  Das  letztere  könnte  in  den  erwähnten  Worten  stecken  (S.  436)  rfjg 
ÖS  A7]fit]TQidöog  imä  aradiovg  insQXEnai  t/]c  d-a/.mii]g  'IcoAxög.  An 
der  andern  Stelle  (S.  438)  wird  freilich  die  Entfernung  von  Demetrias 
nach  Ormenion  TTsCfj  auf  27  Stadien  angegeben,  wovon  7  bis  lolkos,  20 
von  dort  nach  Ormenion.  Wir  müssen  also  annehmen,  dass  Strabon  sich 
ungenau  ausgedrückt,  oder  seine  Quelle  niissverstanden  hat.  und  neCfj  sich 
nur  auf  die  Strecke  von  lolkos  nach  Ormenion  bezieht.  Jedenfalls  fallen  diese 
Distanzangaben  gegenüber  den  zwingenden  Beweisen  iür  die  Identität 
von  Demetrias  mit  Pagasae  nicht  ins  Gewicht,  und  ebensowenig  die  An- 
gabe des  Ptolemaeos.  der  Demetrias  20'  westlich  von  Pagasae  ansetzt. 
C.  Müller  meint,  dass  hier  eine  Verwechslung  mit  Demetrion-Pvrasos  vor- 
liegt, vielleicht  mit  Recht. 

Und  nun  zum  Schluss  einen  weitereu  Beweis  für  die  Identität  von 
Demetrias  und  Pagasae.  Die  Mauern  von  Demetrias  sind  uacb  der 
Schlacht  bei  Pydna  geschleift  worden  (Diod.  31,  8,  6):  davon  ist  an  den 
Befestigungen  auf  dem  Hügel  Goritza  nichts  zu  sehen,  sagt  Fredrich  a.  a.  0. 
S.  242.  Wohl  aber  sind  die  Mauern  von  „Pagasae"  niedergerissen,  und 
dann,  im  IL  oder  im  1.  Jahrhundert  neu  errichtet  worden  (Arvanitopullos 
a.  a.  0.  S.  203) ,  in  die  Türme  der  neuen  Mauer  waren  die  gemalten 
Grabstelen  verbaut.     Da  diese  Stelen  meist  nicht   älter  sind   als   das  III. 

14 


y.iif  Kititc  roll  (jr/crliciildi/il.  445 

.liiliiliuiidcrt  werden  wir  sie  fortan  als  Stelen  aus  Uenietrias  /.ii  in-zeielinen 
Ilaben.  Die  Hiiinen  auf  dem  Hügel  von  Goritza  dagegen  müssen  einer  der 
kleineren  Städte  von  Magnesia  angehören;  Namen  genug  stehen  ja  zur 
Auswahl. 

6.   0  e  n  i  a  d  a  e. 

Die  politischen  ürenzen  auf  Bl.  XVI  von  Hichard  Kieperts  Faniinr 
sind  fast  ganz  nach  Karte  III,  und  auf  der  Nebenkarte  nach  Karte  V 
des  III.  Bandes  meiner  griechischen  Geschichte  gezeichnet.  Das  ist  ge- 
wiss sehr  verständig,  nur  würde  es  nichts  geschadet  haben,  wenn  der 
Verfasser  es  ausdrücklich  gesagt  hätte,  statt  mich  nur  gelegentlich  zu 
zitieren.  Und  vor  allem,  er  hätte  besser  getan,  mir  in  einigen  Punkten  zu 
folgen,  wo  er  von  mir  abgewichen  ist.  So  zieht  er  das  Gebiet  von 
Oeniadae  im  Jahre  270  zu  Aetolien,  „was  in  Belochs  Karte  wohl  zu  be- 
richtigen wäre";  ich  habe  nämHch  die  Stadt  zu  Akarnanien  gezogen. 
Und  ich  hatte  dazu  natürlich  meinen  guten  Grund,  nämlich  die  Angabe 
Diodors  (XIX  67,  4),  wonach  Oeniadae  im  Jahr  314  zu  Akarnanien  ge- 
hört hat;  da  es  in  Alexanders  Zeit  von  den  Aetolern  erobert  worden  war, 
und  diese  es  noch  324  im  Besitz  hatten  (Diod.  XVIII  8.  6).  muss  es  ihnen 
in  der  Zwischenzeit  entrissen  worden  sein,  und  da  ist  kein  anderer  An- 
lass  denkbar  als  der  Feldzug  des  Antipatros  und  Krateros  nach  Aetolien 
im  Herbst  322.  Da  nun  von  einer  Wiederei-oberung  der  Stadt  durch  die 
Aetoler  in  unseren  Quellen  nichts  steht,  nahm  ich  an,  dass  sie  erst  zu- 
gleich mit  den  übrigen  akarnanischen  Städten  im  Acheloostale  an  die 
Aetoler  zurückgekommen  sei,  also  um  die  Mitte  des  III.  Jahrhunderts.  Die 
Richtigkeit  dieser  Vermutung  hat  der  Bundesvertrag  zwischen  Aetolien 
und  Akarnanien,  aus  der  Zeit  um  270,  ergeben,  den  Soteriades  in  Ther- 
mos  gefunden  und  'E(fi]fi.  dgx-  1905  Sp.  55  ff.  veröffentlicht  hat ') ;  einer  der 
akarnanischen  Strategen,  die  daiün  aufgeführt  werden,  ist  aus  Oeniadae. 
R.  Kiepert  zitiert  diese  Urkunde  zwar  (Text  S.  9).  hat  sie  aber  offenbar 
nicht  gelesen. 

Wenn  R.  Kiepert  dann  weiter  meint,  ich  hätte  auf  Karte  III  Phiga- 
leia  zum  makedonischen  Machtbereich  gezogen,  so  ist  das  nicht  richtig. 
Der  Maßstab  der  Karte  ist  so  klein,  dass  Phigaleia  darauf  überhaupt 
keinen  Platz  gefunden  hat.  Lepreon  aber  hat  allerdings  damals  zum 
makedonischen  Machtbereich  gehört,  da  es  noch  in  der  bekannten  Urkunde 
Ditt.  Syll- 106,  die  in  die  Zeit  um  250  zu  setzen  ist  (Gi:  Gesch.  II  2,  441), 
als  arkadische  Bundesstadt  erscheint.  Ja  wahrscheinlich  ist  überhaupt 
ganz  Triphylien  um  270  noch,  im  arkadischen  Besitze  gewesen,  denn  die 
Eleier  haben  es  mit  aetolisclier  Hilfe  erobert  (Paus.  V  (1.  1).   und  das  kann 


[1)  Vgl.  dazu  auch  H.  Swoboda,  KUo  X  S.  397  ff.     Die  Red.] 

15 


446  Karl  Jiilhix  BeJorh, 

nicht  wohl  vor  dem  Sturze  des  Aristotimos  geschehen  sein  (vgl.  Niese  II 
259). 

7.  Die  E  u  r  y  t  a  n  e  n. 

Die  Eurytauen  sind  zuerst  von  Salvetti  (in  meinen  StmVt  cli  Sforia 
antica  II,  1893,  S.  93  ff.),  und  in  der  Hauptsache  auch  von  Woodhouse 
{ÄetoUn  S.  84  f.  und  Karte  zu  S.  52)  richtig  angesetzt  worden.  Sieglin 
[SchuJatlas  S.  10—15)  und  W.  Kiessling  (in  Sieglins  Atlas  Antujims 
Bl.  XIV  und  XV)  haben  denn  auch  Salvettis  Ansatz  angenommen.  Da- 
gegen sieht  R.  Kiepert  {Formac,  Text  zu  Bl.  XVI  S.  8).  .,  durchaus  keinen 
Grund,  den  Hypothesen  Salvettis  (er  hätte  ruhig  Beloch  sagen  können, 
denn  ich  hatte  Salvetti  auf  die  Sache  hingewiesen)  und  Woodhouses 
zu  Liebe  die  bisherige  Ansetzung  der  Eurytanen  nördlich  vom  Panaetolius 
M.  (Arabokephalon)  und  am  Krikelopotamos  zu  ändern  und  sie  nach  Sü- 
den zu  verschieben".  Vielleicht  hätte  er  besser  getan,  sich  zu  fragen, 
worauf  denn  diese  bisherige  Ansetzung  beruht :  er  würde  gefunden  haben, 
dass  sie  auch  nur  eine  Hypothese  ist,  und  zwar  eine  Hypothese,  für  die 
es  selbst  an  dem  Schatten  einer  Begründung  fehlt.  Denn  dass  Neuere 
Oechalia.  die  Stadt  des  Eurytos  in  Karpenisi  am  Fuss  des  Tymphrestos 
angesetzt  haben,  ist  reine  Willkür,  da  an  der  einzigen  Stelle,  wo  dieses 
Oechalia  erwähnt  wird  (Strab.  IX  448).  über  die  Lage  nichts  steht,  als 
dass  es  im  Gebiete  der  Eurytanen  gelegen  hat.  Wir  vrissen  über  die 
Wohnsitze  der  Eurytanen  überhaupt  nur.  was  bei  Thukydides  (III  94)  an- 
gegeben ist.  Danach  wohnten  den  ozolischen  Lokrern  zunächst,  also  im 
Tale  des  Daphnus,  die  Apodoter.  an  diese  grenzten  die  Ophioneer.  die 
also  im  Tale  des  Euenos  gesessen  haben  müssen,  aber  mit  einem  ihrer 
Zweige,  den  KaPJueTg  (Thuk.  III  96.  3).  in  das  obere  Tal  des  Daphnus 
hinüberreichten.  An  die  Ophioneer  wieder  grenzten  die  Eurytanen,  önen 
/lEyiaior  fiegog  iarl  t€)v  ÄinoZcor.  W'enn  wir  nun  mit  Kiepert  die 
Eurytanen  nördlich  vom  Panaetolikon  ansetzen  wollten,  so  bliebe  die  Gegend 
am  See  Trichonis  leer,  also  gerade  das  Herz  Aetoliens.  sein  sakrales  und 
politisches  Zentrum,  die  fruchtbarste  Landschaft:  wir  vermöchten  nicht  zu 
sagen,  welcher  Stamm  dann  dort  gesessen  haben  sollte.  Andererseits 
wissen  wir,  dass  nördlich  vom  Panaetolikon  zwischen  Stratos  und  den  Do- 
lopern  die  Aperanter  gewohnt  haben,  so  dass  die  Eurytanen  hier  jeden- 
falls nicht  bis  an  den  Acheloos  reichen  konnten,  und  also  bestenfalls  auf 
das  Gebiet  des  Kampylos  und  seiner  beiden  Quellflüsse,  des  Karpenisi  und 
Krikelopotamos  beschränkt  gewesen  wären.  Das  ist  aber  ein  Gebiet  von 
höchstens  400  qkm,  ein  Gebirgsland,  das  unmöglich  eine  starke  Bevöl- 
kerung gehabt  haben  kann :  es  ist  nicht  abzusehen,  wie  hier  das  ^üyiarov 
fiEQog  Tü>v  Aix(a?MV  gesessen  haben  könnte.  Dagegen  kommt  alles  in 
Ordnung,  wenn  wir  die  Eurytanen  in  das  Becken  am  See  Trichonis  setzen, 
zwischen   dem   Panaetolikon   im    Norden   und  dem  Arakynthos  im  Süden, 

16 


7,\u-   Kurtv,  von  (ir'mUvnhmd.  447 

und  vom  Eiienus  l)is  zum  Aclieloos.  \Vir  verstehen  rlann.  warum  dit;  Er- 
oberung dieses  Gebietes,  das  das  Bundcsheiligtum  in  Thermos  unif'asste. 
Demostlienes.  wie  die  Naupalvtier  bei  Thukydides  sagen,  zum  Herrn  von 
ganz  Aetolien  machen  musste.  Wenn  VVoodhouse,  der  das  gleichfalls 
gesehen  hat.  die  Eurytanen  sich  von  hier  über  das  Panaetolikon  hinüber, 
in  das  Tal  des  Kampylos  ausdehnen  lässt.  weil  sie.  wie  schon  ihr  Name 
zeige,  ein  weites  Gebiet  gehabt  hätten,  so  ist  das  eine  unnötige  Konzes- 
sion an  die  früher  herrschende  Ansicht,  denn  das  Gebiet  an  der  Tricho- 
nis  hat.  wenn  ich  recht  schätze,  eine  Ausdehnung  von  etwa  800  qkni,  ist 
also  für  giiechische  Verhältnisse  recht  ansehnlich,  und  das  Panaetolikon 
hat  doch  offenbar  in  älterer  Zeit,  wie  die  natürliche,  so  auch  die  politische 
Nordgrenze  Aetoliens  gebildet.  Das  alles  aber  hat  für  R.  Kiepert  keine 
Beweiskraft,  denn  die  Eurytanen  sollen  das  Fleich  roh  gegessen  haben, 
und  so  etwas  hält  er  wohl  im  Tale  des  Kampylos  für  möglich,  aber  20  km 
weiter  südlich  im  Becken  der  Trichonis  nicht  mehr.  Nun.  Thukydides  sagt 
von  den  Eurytanen  xat  (bfiofäyoi,  ojg  Uyovicu .  er  hat  also  die  Sache 
nicht  geglaubt,  wie  sie  ja  ganz  offenbar  absurd  ist.  und  damit  ist  dieser 
Punkt  wohl  erledigt. 

Bleibt  der  „schwerverständliche  Dialekt"  {äyvoiruniaroi  yZcoatjuv):  auch 
das  soll  auf  die  Gegend  an  der  Trichonis  nicht  passen.  Hier  wird  es  gut 
sein,  sich  der  Beschreibung  zu  erinnern,  die  Polybios  von  diesem  Teile 
Aetoliens  gibt:  fitere  noXifuov  Tero/.ftrixf.vm  fitjösva  nünoxE  e/g  xovq 
rönovg  lovrovg  ifißaZelv,  slvat  le  t»]  <pvaei  xoioviovg  &a%E  vfig  avfindarjg 
AiiaXiag  otov  äxQonöZecog  rd^iv  i'xeiv  (V  8,  6).  Es  ist  doch  klar,  dass 
in  dieser  vom  Verkehr  abgeschlossenen  Gegend,  im  Herzen  Aetoliens.  der 
Dialekt  mehr  Besonderheiten  bewahrt  haben  musste,  als  z.  B.  bei  den 
Apodotern  an  der  lokrinchen  Grenze. 

9.  K  a  1  i  n  d  o  e  a. 

Da  ich  gerade  bei  Blatt  XVI  der  Formae  bin.  noch  eins.  K.  Kiepert 
setzt  Kalindoea  nach  der  ptolemaeischen  Position,  und  der  Namensähnlich- 
keit, Chrysochoos  folgend  bei  Kilindir,  7  km  südlich  vom  Doiran-See  an. 
Aber  dass  auf  die  Längen-  und  Breitenangaben  bei  Ptolemaeos  sehr  wenig 
Verlass  ist,  wissen  wir  alle,  und  bei  der  Verwendung  von  Namensähnlich- 
keiten soll  man  gerade  auf  der  Balkanhalbinsel,  wo  sich  im  ganzen  so 
wenige  antike  Ortsnamen  erhalten  haben,  doppelt  vorsichtig  sein.  Nun 
haben  wir  über  die  Lage  von  Kalindoea  eiu  epigi-aphisches  Zeugnis  in 
dem  von  LolUng  AsPa.  uqx-  1890  S.  38  (=  Ditt.  SijU.  ^  36)  veröffentlichten 
Bundesvertrage  zwischen  Athen  und  den  Bottiaeern  aus  der  Zeit  um 
420.  Dort  steht  am  Ende  ein  Verzeichnis  der  bottiaeischen  Städte,  für 
die  der  Vertrag  gelten  sollte,  darunter  KaZiröota.  Und  bekanntlich  sas- 
sen    die  Bottiaeer  in  der  Nähe    von  Olynthos,    das  ihnen    bis    480   gehört 

17 


448  A'((/7  .liiliiis  Bclocli, 

hatte  (Herod.  V'III  127)  ;  das  benachbarte  Spai-tolus  war  noch  zur  Zeit  des 
pcloponnesisehen  Krieges  in  ihrem  Besitz  (Thuk.  II  79, 2).  Kalindoeo 
muss  also  in  dieser  Gegend  gesucht  werden. 

Ueber  die  Topographie  von  Nieder-Makedonien  hätte  ich  noch  viel 
zu  sagen,  doch  das  mag  für  ein  andermal  bleiben. 

10.  D  e  r  Le  th  a  e  0  s. 

Zum  Schluss  noch  eine  Bemerkung  zur  Karte  von  Kreta,  zugleich 
als  Beitrag  zur  Würdigung  der  Akribie  Sti-abons.  Die  älteren  Topo- 
graphen sahen  den  Lethaeos  in  dem  Hieropotamos,  dem  wohl  grössten 
Flusse  der  Insel,  der  die  fruchtbare  Ebene  von  Gortyn  und  Phaestos  be- 
wässert, die  Mesara,  wie  sie  heute  genannt  wird.  Da  es  aber  bei  Stra- 
bon  von  der  Stadt  Gortyn  heisst  (X  478)  öiuqqsi  ö'  avTtjv  öZrjv  6  At]- 
d'atog  noTUßög.  sind  manche  von  diesem  Ansatz  zurückgekommen;  der 
Lethaeos  sei  vielmehr  der  Bach,  der  die  Ruinen  von  Gortyn  durchÖiesst 
und  einige  Kilometer  unterhalb  der  Stadt  in  den  Hieropotamos  mündet; 
dieser  letztere  sei  der  Elektras.  So  H.  Kiepert  auf  Blatt  XII  seiner  For- 
niae.  Aber  Ptolemaeos  verzeichnet,  wenn  auch  an  falscher  Stelle,  die 
Aij&a!ov  noTüftov  iy.ßoZai  (III  15).  und  der  einzige  Fluss  in  der  Nähe 
von  Gortyn,  der  in  das  Meer  mündet,  ist  der  Hieropotamos.  Bestätigt 
wird  das  durch  SoHn.  XI  9  S.  81  Momm. :  GoHynam  amnis  Lenaeus  (1.  Le- 
thaens)  jjracterfliät  quo  Europam  tiiiiri  clorso  Gortynii  feriint  vedifatam ; 
der  Hieropotamos  hat  Wasser  genug,  dass  der  Stier  allenfalls  darin  schwim- 
men konnte,  nicht  aber  der  Gebirgsbach,  der  bei  Kiepert  Lethaeos  heisst. 
L^nd  wir  sehen  ferner,  dass  der  Lethaeos  nicht  duixb  Gortyn  floss,  son- 
dern bei  Gortyn  vorbei.  Dazu  kommt  dann  das  Zeugnis  der  TJieognidea 
(1215  f.)  nöAtg  yi  /lir  iari  xai  ))fiiv  y.uh],  Arj&aio)  xey.Zifievi]  neöuo. 
Dass  es  sich  hier  um  den  Lethaeos  bei  Gortyn  handelt,  ist  klar;  denn  der 
Lethaeos  bei  Magnesia,  der  einzige  Fluss  dieses  Namens,  an  den  man 
sonst  denken  könnte,  strömte  durch  das  Muiüvöqov  neölov  (Xen.  Hell.  III 
2,  18),  und  niemand  würde  darauf  verfallen  sein,  diese  Ebene  als  A>]d^aioi' 
nediov  zu  bezeichnen.  Es  ist  denn  auch  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit 
vermutet  worden,  dass  die  angeführten  Verse  Thaies  aus  Gortyn  zum  Ver- 
fasser haben.  Hiess  aber  die  Ebene,  an  deren  Rande  Gortyn  liegt,  also 
die  Mesara,  Arßdiov  nediov,  so  kann  der  Lethaeos  nur  der  Hieropotamos 
sein.     Ich  denke,  diese  Beweise  sind  zwingend. 

Strabons  Angabe  ist  also  falsch,  oder  vielmehr,  sie  beruht  auf  einem 
Missverständnisse ;  er  sagt  von  der  Stadt,  was  in  seiner  Quelle  von  dem 
Gebiete  (ToQTvvia)  gesagt  war.  Das  zeigt  schon  der  Ausdruck:  öXriv 
wäre  überflüssig,  wann  es  sich  um  die  Stadt  handelte,  während  es  für 
das  Gebiet  aufs  beste  passt.  Und  wirklich  spricht  Strabon  iinmittelbar 
vorher  von  den  beiden  t-Ttveiu  von  Gortyn,  Leben  und  Matala. 

18 


'/,nf    Kiirh:   riitl    liticrhriilditil.  449 

Iler  Elektras.  dessen  Mündimjj;  Ptolfiiiiiios  etwa  lialbwegs  zwischen 
Matala  und  Psychion  setzt,  aber  etwas  nälu-r  an  letzteres,  ist  also  eines 
der  Flüsschen,  die  westlich  vom  Hierojiotamos  sich  ins  Meer  ergiessen, 
wahrscheinlich,  wie  schon  Biirsian  «gesehen  hat  (Gcof/r.  II  532),  der  Fluss, 
der  von  Sybrita  herabkonunt.  Kiepert  nennt  diesen  Fluss  Kedrios ;  dieser 
Name  ist  aber  nur  durch  Konjektur  (gewonnen,  denn  bei  Dionys.  Kalliph. 
128  (Geogr.  Gr.  Min.  I  242)  stellt  KetjQiaög,  auch  wissen  wir  nicht,  in 
welchem  Teile  der  Insel  wir  ihn  zu  suchen  haben.  Es  ist  reine  Willkür, 
ihn  in  die  Nähe  des  heut  Kedros  genannten  Berges  zu  setzen,  ganz  eben- 
solclie  Willkür,  wie  die  Aenderung  des  bei  Theophr.  F/hiDzoifitsrli.  III  ;:},4 
überlieferten   Kivdqtov  ÖQog  in  KiÖQiov. 

K  o  m. 


19 


450 


Studien  zu  den  griechischen  Bünden. 

Von  Heinrich  Swoboda. 

1.   Zur  Urkunde  I  r  M.  28. 

Das  Bruchstück  des  Beschlusses  einer  ätolischen  Stadt,  welches  Kern 
in  den  Inschriften  von  Magnesia  am  Mäander  n.  28  (S.  20  if.)  heraus- 
gegeben hat,  fordert  in  mancher  Hinsicht  die  Aufmerksamkeit  heraus. 
Obwohl  der  Anfang  und  der  grösste  Teil  der  Inschrift  verloren  gegangen 
sind,  erscheint  die  Beziehung  auf  ein  Glied  des  ätolischen  Bundes,  abge- 
sehen von  dem  Dialekt,  durch  das  am  Schlüsse  befindliche,  unten  zu  be- 
sprechende Verzeichnis  von  anderen  Städten  und  durch  die  Klausel  Z.  4  ff., 
durch  welche  dem  Psephisma  Gesetzeskraft  verliehen  wird  '),  als  gesichert. 
Kern  hat  die  etwaige  Vermutung,  dass  es  aus  Thermon  stamme,  abge- 
wiesen, weil  dieser  Ort  206  von  Philipp  V  zum  zweiten  Male  verwüstet 
wurde;  mit  mehr  Recht  wird  man  dagegen  einwenden,  dass.  wie  aus  Po- 
lybios'  Schilderung  ^)  und  den  von  Sotiriadis  an  Ort  xmi  Stelle  unternom- 
menen Ausgrabungen  erhellt  ^),  Thermon  niemals  eine  Stadt  in  rechtlichem 
Sinne  war  *),  sondern  ein  allerdings  befestigter  heiliger  Bezirk  ^).     Wenn 


1)  Richtig  hergestellt  von  A.  Wilhelm,  Wiener  Archäol.  Jahreshefte  IV  (Beiblatt). 
Sp.  25  ff.  Dazu  Boeseh  QfwQÖg  S.  92  ff.  und  Francotte,  Melanges  de  droit  imblic 
grec  33  ff.  Es  ist  nicht  zum  ersten  Male,  dass  das  nomographische  Verfahren  für 
einen  ätolischen  Gliedstaat  bezeugt  ist,  cf.  die  Inschrift  von  Amphissa.  Bull,  de  corr. 
hell  XXV  234  ff.,  besser  in  der  'E<p}i.u.  apx-  1908.  Sp.  1.59  ft"..  (z.  10  [?!]o/toyQn(pojv  xt?..), 
aus  der  Zeit,  da  Amphissa  ätolisch  -n-ar  (189 — 167):  allerdings  bandelt  es  sich  hier 
um  ein  Psephisma.  das  auf  Antrag  der  Nomograpben  gefasst  -wurde.  Für  den  Bund 
war  es  bereits  bekannt  durch  SGBI'lill  (=  Si/IL-  280),  z.  16 ff.,  wozu  das  gleich- 
lautende zweite  Exemplar  tritt,  das  in  Delphi  gefunden  wurde,  Bull,  de  corr.  hell. 
XXVI  281  ft'.  n.  23,  z.  23 ff;  ähnlich  SGDI  1413  (=  St/ll.''  295),  z.  26 ff. 

2)  Polyb.  V  7  ff.,  bes.  8, 4  ff.,  der  Thermon  wiederholt  (7,  2.  8,  5)  einen  totio? 
nennt.  Die  Bezeichnung  no)Jiviov  bei  Stepb.  Byz.  s.  u.  ßepfioc  soll,  wenn  überhaupt 
auf  sie  etwas  zu  geben  ist,  wohl  dasselbe  bedeuten,  umsomehr.  da  Poivbios  Stepha- 
nos'  Quelle  ist. 

3)  'E(prj/j.  apx  1900,  161  ff'.,  166  ff.,  dazu  dessen  spätere  Berichte  in  den  rfgayrixa 
von  1901,  1902,  1903  und  1906.  Der  ntQißo/.os  des  Heiligtums  des  Apollon  war  eine 
mit  Türmen  versehene  Festungsmauer. 

4)  Dieser  Irrtum  kehrt  jüngstens  wieder  in  der  Dissertation  von  J.  v.  Keitz. 
De  Aetolontm  et  Aearnamtm  sacris  (Halle  a.  S.  1911)  S.  19. 

5)  Schon  Brandstäter,  Die  Geschichten  des  ätol.  Landes,  Volkes  und  Bundes  (1844) 
S.  132  wies  darauf  hin ;  vgl.  ferner  Emil  Kuhn,    Ueber  die  Entstehung  der  Städte  der 

1 


Heinrich  Sirohmld .  Sfiidioi    -ii  diu  firirrliixchen  Biimhn.  451 

Kein  es  für  \valirscli(>iiili<li  lijilf.  dass  der  liescliliiss  von  K;ily(loii  her- 
i-ülire.  so  wird  man  ihm.  mit-  lüicksicht  darauf,  dass  dessen  Aiifstellun«^ 
im  Heiligtum  der  Artemis  ljai)liria  verordnet  wird  '),  gerne  beistimmen. 
Kern  hat  nun  unsere  Urkunde  zu  datieren  versucht  und  mit  Hück- 
sicht  auf  die  Angabe  Appians  MiiciiJ.  ;?,  dass  Ambrakia.  da.s  in  der  Sub- 
skription (fol.  II.  z.  9)  als  ätolische  Stadt  erscheint,  von  den  Aetolern  im 
Jahre  206  eingenommen,  kurz  darauf  aber  von  Philipp  V  von  Makedonien 
erobert  wurde,  sie  in  das  Jahr  20fi  gesetzt.  Allein  es  erscheint  in  hohem 
Masse  als  zweifelhaft,  ob  Appians  Angabe  für  eine  solche  Folgerung 
tragfähig  genug  ist;  wie  wenig  Glauben  sie  verdient,  hat  man  schon  längst 
erkannt ").  Vielmehr  wird  man  annehmen  müssen,  dass  Ambrakia.  wel- 
ches nach  Demetrios'  Tode  zum  Anschhiss  an  Aetolien  verhalten  wurde"), 
und  das  für  219  ^)  und  198/7  '*)  als  ätolisch  bezeugt  wird,  die  ganze  Zeit 
über  bis  189.  in  welchem  Jahre  es  sich  den  Römern  ergab  ^),  bei  Aeto- 
lien geblieben  ist.  In  welche  Schwierigkeiten  man  sich  verwickelt,  wenn 
man  Appians  Angabe  bevorzugt,  zeigt  am  besten,  wie  Obevhummer,  der 
dies  ebenfalls  tut,  die  Reihenfolge  der  Ereignisse  rekonstruiert'):  nach 
ihm  hätten  die  Epeiroten  219  Ambrakia  zurückgewonnen,  die  Aetoler  206 
die  Stadt  wiedererobert  und  sie  unmittelbar  darnach  an  Philipp  verloren; 
durch  den  Frieden  von  Phönike  (205)  erhielten  sie  die  Epeiroten,  worauf 
die  Aetoler,  vielleicht  vor  Anfang  des  zweiten  makedonischen  Krieges*), 
sie  ihnen  entrissen.  Aber  ganz  abgesehen  von  der  inneren  Unwahrschein- 
lichkeit  solcher  Annahmen  besitzen  wir  auch  urkundliche  Zeugnisse,  aus 
welchen  sich  die  enge  Verbindung  Ambrakias  mit  Aetolien  in  den  zwei 
letzten  Jahrzehnten  des  dritten  Jahrhunderts  ergibt:  in  dem  ohne  Archori 
überlieferten  Hieromnemonendekret  SGDI  2532  {CIG  1689) .  welches 
wahrscheinlich  in  das  Jahr  214/3  zu  setzen  ist '),  erscheint  unter  den  äto- 
lischen  Hieromnemonen  ein  Ambrakiote  (z.  3)  '")  und  in  einem  anderen  Be- 


Alten  93  ff.,  Lolling  in  Iw.  Müllers  Haiidh.  III  140.  Woodhouse,  AeioUa  281  tf.  Ditten- 
berger  ad  IG.  IX  1,  411.  Niese,  Gesch.  der  griecli.  und  makedoii.  Staaten  II  2Ui.  44.5. 
Beloch,  Griech.  Gesch.  lU  1.  627. 

1)  Vgl.  Pausan.  IV  31.  7;  dazu  von  Keitz  a.  a.  0.  29  tf. 

2)  Clementi  in  Beloelis  Stiidi  dt  sturia  antica  I  77  und  Salvetti  ebenda  II  11!1  ff. 

3)  Beloch  GG.  III  1,  660.  2.  321.  —  4)  Polyb.  IV  61,6  ff. 

5)  Polyb.  XVIII  10,9ff.  —  6)  Polyb.  XXI  29,  14.  Liv.  XXXVIII  19.  9. 
71  Akarnanien  im  Altertum  163  ff'.,  171  ff'. 

8)  Nach  S.  174  nicht  vor  199  v.  Chr. 

9)  Dazu  Poratow.  Jahrb.  f.  cl.  Philol.  1897.  806  und  in  Pauly-Wis.sowas  R.  E. 
IV  2629.  2689;  Beloch  a.  a.  O.  III  2,  345. 

lu)  In  Z.  3  derselben  Inschrift  möchte  ich  trotz  Dittenberger  (Syll.  -  924.  Anm.  4) 
doch  lieber  [At\).ados  lesen,  wie  Pomtow,  Jahrb.  f.  d.  Phil.  1894,  .5-50  früher  vor- 
schlug, statt  ^E]>.cufog,  was  er  später  bevorzugte  (Jahrb.  f.  cl.  Phil.  1897,  801,  30); 
Lilaia  ist  wahrscheinlich  zwischen  270  und  263  ätolisch  geworden  (Beloch  a.  a.  O. 
III  2,  334). 


452  Hehirit/i  Siiobodu, 

scblusse  der  Ampliiktioneu.  ilcr  iiacli  dem  ätolischen  Strategen  Lattaiuos 
datiert  ist  {BiiU.  de  con:  hell.  XXVI  273  ff.  n.  20)  —  aus  209/8  ■)  —  ein 
selbständiger  Hieromnemon  der  Stadt  (z.  10.  11)  -).  Man  müsste  also  an- 
nehmen, dass  Ambrakia  kurze  Zeit,  bevor  es  von  den  Aetolern  angeblich 
genommen  ward,  von  ihnen  abgefallen  sei:  am  besten  wird  man  aber  von 
Äppians  Angabe  ganz  absehen,  liesonders  wenn  man  sich  erinnert,  wie 
verdreht  dessen  ganze  Darstellung  in  den   May.eöoi'iy.ü  ist  ^). 

Erscheint  sonach  Kerns  Begründung  als  nicht  baltbar,  so  ist  trotz- 
dem zuzugeben,  dass  unser  Bruchstück  im  allgemeinen  in  die  von  ihm  an- 
genommene Zeit,  in  die  Jahre  20ß  oder  205.  fällt.  Dass  sich  die  Urkunde 
auf  die  Epangelie  des  Festes  der  Artemis  Leukophryene  durch  die  Ge- 
sandten von  Magnesia  a.  M.  bezieht,  ist  durch  ihren  Standort  und  den 
Vei-merk  z.  5  ^eagodöxog  aiQe\&i]  -  -  sicher:  und  anderseits  wissen  wir 
dm-ch  die  Stiftungsurkunde  des  Festes  der  Leukophryene,  Ii\3I.  16 
(=  Si/U.^  256),  z.  14 ff.,  24 ff.,  dass  die  magnetischen  Gesandten,  welche 
die  Einladung  zur  Beteiligung  an  dem  Feste  zu  überbringen  hatten.  207/6 
ausgezogen  sind  *).  Eine  genauere  Bestimmung,  wann  die  Antwortsbe- 
schlüsse gefasst  wurden,  ist  nur  bei  den  beiden  Schreiben  des  Königs 
Antiochos  UI  und  seines  Sohnes  Iv3L  18.  19  imd  dem  Psephisma  von 
Antiochia  in  Persis  ibid.  61  möglich  und  diese  führt  auf  das  Jahr  205  ^). 
Die  zeitliche  Bestimmung  unserer  Urkunde  ist  nun  nach  einer  anderen 
Hinsicht  von  Bedeutung,  mit  Rücksicht  auf  die  dem  Beschlüsse  beigefügte 
Subskription   (z.  8  ff.).     Es  wird   gut  sein,  dieselbe  hier  wiederzugeben: 

1)  Pomtow,  B.  E.  IV  2677/8.  2689.  Beloch  1.  1.  lU  2,  346. 

2)  Die  Schwierigkeit,  die  daraas  entsteht,  dass  der  Vertreter  von  Ambrakia  in 
dem  ersten  Dekrete  unter  den  Aetolern  auftritt,  in  dem  zweiten  selbständig,  ist  nicht 
leicht  zu  lösen.  Da  Ambrakia  jedesfalls  durch  Sjmpolitie  mit  dem  Aetolerbunde 
verbunden,  also  in  ihn  aufgegangen  war,  müsste  nach  dem  bekannten,  von  Pomtow 
(Jahrb.  f.  cl  Phil  1897,  743  ff. .  747)  und  Dittenberger  (Hermes  XXXH  161  ff.,  168  ff) 
erwiesenen  Grundsatze,  dass  die  Aetoler  die  Stimmen  der  mit  ihnen  vereinigten 
Landschaften  in  der  Amphiktionie  für  sieh  in  Anspruch  nahmen,  auch  in  dem  zweiten 
Falle  der  Ambrakiote  unter  den  ätolischen  Hieromnemonen  auftreten.  Entweder 
haben  die  Aetoler  in  Abweichung  von  diesem  Grundsatz  Ambrakia  eine  Konzession 
gemacht,  was  zu  ihrer  Politik  bei  ähnlichen  Gelegenheiten  stimmen  würde  (darüber 
Beloch,  GG.  1112,344);  oder,  was  allerdings  weniger  wahrscheinlich  ist,  liegt  ein 
Fehler  des  Steinschreibers  vor,  der  statt  den  Ambrakioten  Damokritos  unmittelbar 
hinter  die  ätolischen  Hieromnemonen  zu  stellen  (dass  z.  10  Auf.  das  unmögliche 
dfandot  zu  Bfa[x\iios  zu  verbessern  ist,  hat  Pomtow  BE.  IT  2689/90  erkannt),  ihm 
irrtümlich  den  Platz  hinter  dem  Athener  Eudamos  anwies,  und  es .  ist  darnach  die 
Reihenfolge  von  Eudamos  und  Damokritos  zu  vertauschen. 

3)  Darüber  Eduard  Schwartz  in  Pauly-Wissowas  BE.  H  219  ff. 

4)  Dazu  Kern,  Herrn.  XXXVI  494.  1. 

b)  Kern  zu  den  erwähnten  Inschriften  und  Herrn.  XXXVI  500;  Holleaux.  Bull, 
de  corr.  hell.  XXXII  269.  Dass  die  Reisen  der  Epangeliegesandten  sich  öfter  in  die 
Länge  zogen,  hat  Boesch  1.  1.  84  ff.  erwiesen. 


Studien  zu  den  (friechischen  Bünden.  453 

Kafä  lü  ai'iä  (U   htnicfioitrin  ■ 
llkextQMVioi  'A/iß()axio)rai  —y.<i\  ocfFig] 

10   T()txönoi  WQyfioi     o!  ' AiKfi/jv/oi       /\'«/|/'./f''cf':')] ') 

'ÄQOii'oeli  Stqüiioi  (I>vri\xüg\ 

'y\fi(piaaFic  Navndziioi  'Tna\'[aToi\ 

I/oAteig  'IfQCtxZeütai  ('')qö\  rtoi'] 

0VTaifig  Aafiieig  'A\riiy.vQ8Tg  ?] 

Kern  äussert  sieb  darüber:  „Der  aitolische  Bund  umfasste  nacb  der 
Subskription  dieser  Inscbrift  also  einen  Teil  von  Akarnanien ,  Arges 
Anipbiiocbikon.  Lokris.  Oitaia.  Malis.  Ainis".  Dies  ist  der  Hauptsache 
nacb  gewiss  richtig,  wenn  wir  aucb  nicht  vergessen  dürfen,  dass  für  die 
Nennung  der  hier  angeführten  Städte  der  Umstand  massgebend  war,  dass 
sie  von  der  Epangeliegesandtsebaft  der  Magneten  aufgesucht  wurden  *). 
Daraus  folgt,  dass  das  Verzeichnis  der  damals  zu  Aetolien  gehörenden 
Städte  nicht  von  absoluter  Vollständigkeit  sein  niuss.  wie  denn  auch  alt- 
ätolische,  bes.  in  den  delphischen  Inschriften  aufgeführte  Orte  hier  nicht 
vertreten  sind.  Vorauszusetzen  ist  aber,  dass  die  Tbeoven  die  wichtigsten 
Städte  der  dem  ursprünglichen  Aetolien  angegliederten  Landschaften  be- 
suchten und  diese  in  dem  Verzeichnis  nicht  fehlen  dürfen.  In  dieser  Be- 
ziehung lehrt  die  Inschrift  zunächst  nichts  Neues:  es  ist  ja  liekannt,  dass 
damals  —  wenn  wir  von  Ambrakia  absehen,  von  dem  schon  früher  ge- 
sprochen wurde  —  Amphilochien,  das  westliche  Lokris  (davon  werden 
genannt  Aniphissa,  Physkos,  die  IToheig  ^),  die  Malis  (Lamia),  ein  Teil  des 
östlichen  Lokris  (hier  Skarpheia,  Thronion),  die  Oetaea  mit  Herakleia ''), 
die  Aenianen  (Hypata)  zu  dem  ätolischen  Bunde  gehörten;  Lamia  blieb 
bis  zum  Jahre  189,  die  übrigen  Landschaften  bis  167  bei  Aetolien  ^). 
Wenn  aber  Kern  von  einem  „Teil  von  Akarnanien"  spricht,  so  meint  er  da- 
mit wohl  Stratos  und  dessen  Gebiet,  das  die  Aetoler  auch  nach  dem  Bundes- 
genossenkriege, durch  welchen  sie  die  übrigen  akarnanischen  Besitzungen 
verloren,  behaupteten^);  die  WvTatng  col.  I  z.  14  sind  natürlich  die  äto- 


1)  Dazu  Nachmanson,  Ath.  MM.  XXXII  M. 

2)  Dazu  Boescb  a.  a.  0.  40  ff. 

■i)  Dazu  Dittenberger,  Sylt.  =  927.  Note  9. 

4)  Die  Ergänzung  col.  III,  z.  14  ist  unsicher  und,  wenn  sie  das  Richtige  trifft, 
ungewiss,  ob  hier  Antikvra  im  Oetäerlande  (dazu  Kin.  Tliesritil.  Stuelien  3-5)  ge- 
meint ist. 

b)  Für  Lamia  vgl.  IG.  IX  2,  64,  dazu  Niese  a.  a.  0.  ÜI  19.  Kip  1. 1.  48  ff. ;  für 
Amphilochien  Diod.  XXXI  8,  6,  das  ozoli.sche  Lokris  besonders  Dittenberger,  Herrn. 
XXXII  177  ff..  181.  das  östliche  Lokris  Salvetti  1.  1.  135;  über  die  Oetaea  cf.  Pom- 
tow.  Julnb.  f.  cl.  Piniol.  1897,  762  und  Beloch,  Hermes  XXXII  668  gegen  Ditten- 
berger ebenda  XXXII  187,  2  (trotz  dessen  Entgegnung  Herrn.  XXXIII  324  ff.  und 
Syll.  -  293,  Anm.  12,  vgl.  auch  Kip  1.  1.  40  ft'.) ;  für  die  Aenianen  Dittenberger.  Herrn. 
XXXll  188,  1,  Pomtow  ebenda  XXXIII  331. 

6)  Polyb.  V  96.  3,  vgl.  Oberhummer  a.  a.  O.  166. 


454  Heinrich  Sicoboda, 

lische  Stadt  dieses  Namens  ').  nicht  das  an  Stratos  angrenzende  0otTiai ''). 
Dass  Oinadai  weder  hier,  nocli  aucli  in  der  Subskription  des  Beschlusses 
der  Akarnanen  IvM.  31  genannt  wird  ^).  ist  nur  damit  zu  erklären,  dass 
die  magnetischen  Gesandten  aus  irgend  einem,  uns  unbekannten  (trunde 
diese  Stadt  nicht  besuchten  *). 

Nicht  in  dem.  was  das  Verzeichnis  bringt,  sondern  darin,  was  in  ihm 
fehlt,  liegt,  wie  ich  glaube,  seine  Bedeutung:  dies  blossem  Zufall  oder 
der  Willkür  des  Schreibers  von  Magnesia  beizumessen,  ist  unmöglich  ^). 
Dass  unsere  Subskription  für  den  Umfang  des  ätolischen  Bundes  zu  da- 
maliger Zeit  herangezogen  werden  darf,  ergibt  sich  schon  daraus,  dass  es 
sonst  unbegreiflich  wäre,  warum  der  Schreiber  die  ausserhalb  des  eigent- 
lichen Aetoliens  gelegenen  Städte  in  sie  einbezog;  man  muss  die  Gegen- 
frage stellen :  von  welchem  anderen  Gesichtspunkt  soll  er  bei  der  Grup- 
pierung des  Verzeichnisses  geleitet  worden  sein  ?  Er  war  über  ihr  Verhält- 
nis zu  dem  Aetolerbunde  oifenbar  gut  unterrichtet.  Zunächst  kommt  in 
der  Subski'iption  kein  phokischer  Ort  vor;  und  dies  ist  ganz  passend, 
denn  Phokis  wurde  den  Aetolern  —  die  nordwestlichen  Bezirke  abgerech- 
net, welche  sie  von  früher  her  behaupteten  —  wahrscheinlich  erst  durch 
den  Frieden  von  Phönike  (205)  zugespi-ochen  ").  Damit  ist  in  Einklang, 
dass  ein  Beschluss  des  xoivöv  ribv  0(oxe(ov  in  gleicher  Angelegenheit 
vorliegt  (/eil/.  34),  der  also  nicht  lange  vor  dem  Veiduste  der  Selbstän- 
digkeit dieser  Landschaft  gefasst  wurde.  Dieser  Umstand  ist  geeignet,  der 
oben  vorgeschlagenen  Datierung  unseres  Fragments  auf  die  Jahre  206  und 
205  zur  Stütze  zu  dienen;  es  fällt  vor  die  durch  diesen  Frieden  vorge- 
genommene  Besitzregulierung').    Noch  bedeutsamer  ist  aber,  dass.  während 

1)  Polyb.  V  7,  7.  XI  7,  -5;  das  Ethnikon  '  E(p)ifi.  äp/.  190-5,  Sp.  .55  ff.,  n.  1.  z.  18. 
SGDI 1854.  25:^0  (=  Bull,  de  corr.  hell.  XXVI  284).  Biili.  de  corr.  hell.  XXVI  284,  z.  31. 

2)  Bei  Thuc.  III  106.  2  <}>vti'a;  'I-oiziai  bei  Polyb.  IV  63,  7.  10.  SGDI  2580,  col. 
IV,  z.  58  ;  das  Ethnikon  <PoiTiav,  ^E<p.  np/.  1905,  Sp.  55  ff.,  z.  21.  Bull,  de  corr.  hell. 
XXVI  266  ff',  n.  17  b,  z.  7.  267  fl'.  n.  18,'  z.  5.  Dazu  Oberhummer  1. 1.  38.  Kern  zu 
IvM.  31. 

.3)  Oiniadai  wurde  im  Jahre  211  durch  Laevinus  erobert  (Liv.  XXVI  24,  15.  2.5, 
10.  Polyb.  IX  39,  2)  und  den  Aetolern  zugeteilt. 

4)  Ob,  wie  Kern  (Anm.  zu  IvM.  31)  vermutet,  n.  30  ein  Rest  des  Beschlusses 
von  Oiniadai  ist,  steht  dahin. 

5)  Kern  {Hermes  XXXVI  .50.5)  bemerkt  zwar,  dass  es  verkehrt  sei,  aus  den  Sub- 
skriptionen irgend  welche  Schlüsse  auf  die  politische  Gliederung  Griechenlands  ziehen 
zu  wollen,  da  sie  von  dem  magnetischen  Schreiber  herrührten;  er  wird  dies  aber 
kaum  im  Widerspruch  zu  seiner  in  den  IrM.  geäusserten  Ansieht  auf  unsere  Ur- 
kunde anwenden  wollen,  wenn  auch  Nieses  Widerspruch  {Herrn.  XXXIV  549  ff.)  be- 
züglich der  Inschrift  IvM.  38  gewiss  berechtigt  ist.  Auf  die  lokale  Umgrenzung  in 
der  Gruppierung  der  Städte  weist  Boesch  a.  a.  0.  31  mit  Recht  hin. 

6)  Wie  Pomtow  {Jahrb.  /'.  clusf:.  Philol.  1897.  801)  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit 
annimmt. 

7)  Der  Frieden  von  Phönike  wurde  gegen  Ende  des  .Jahres  205  abgeschlossen 
(Clementi  a.  a.  0.  T7|. 


Studien   zu  (Jen  (/riecJiisrhen  Bümlen.  455 

alle  übrigen  im  Norden  gelegenen  Besitzungen  der  Aetoler  aufgezählt  sind, 
keine  einzige  thessalische  Stadt  genannt  wird.  Damit  ist.  wie  ich  meine, 
ein  Beitrag  zur  Entscheidung  über  die  schwebende  Streitfrage  geliefert, 
wann  der  ätolische  Bund  einen  Teil  Thessaliens  —  von  der  Landschaft 
in  weiterem  Umfang  (d.  i.  mit  den  Nebenländern)  gesprochen  —  an  sich 
brachte  und  zu  welchem  Zeitpunkt  er  ihn  wieder  verlor.  Bekanntlich 
haben  Joh.  Gust.  Droysen').  Pomtow -)  und  Beloch  ^)  die  Ansicht  auf- 
gestellt, dass  die  Aetoler  bei  dem  Aufstand,  der  in  Thessalien  nach  De- 
metrios'  Tode  ausbrach,  einfielen  und  schliesslicli  von  Antigonos  Doson 
vertragsmässig  die  südlichen  und  westlichen  Grenzstädte  und  damit  zugleich 
die  beiden  amphiktionischen  Stimmen  der  Thessaler  erhielten;  diese  Ge- 
biete sind  dann  nach  Beloch  im  hannibalischen  Kriege  verloren  gegangen. 
Dagegen  sprach  sich  Niese  dafür  au.s,  dass  die  Aetoler  die  Phthiotis  und 
Pharsalos  im  hannibalischen  Kriege  gewannen  und  ihnen  diese  Landstriche 
von  Philipp  V  erst  kurz  vor  Ausbruch  des  zweiten  makedonischen  Krieges 
abgenommen  wurden  *].  Diese  Ansicht  hat  dann  sein  Schüler  Edmund 
Bauer  ausführlich  zu  rechtfertigen  versucht  und  für  den  Beitritt  von 
Pharsalos  (ob  andere  Städte  sich  anschlössen,  sei  unsicher)  das  Jahr  212 
vermutet  *).  Es  ist  klar,  dass  unser  Verzeichnis  gegen  letztere  Ansicht 
spricht,  vorausgesetzt  natürlich,  dass  noch  andere  Gründe  vorhanden  sind, 
welche  für  Pomtows  und  Belochs  Anschauung  ins  Gewicht  fallen  '').  Wir 
besitzen  aber  dafür,  dass  den  Aetolern  ihre  thessalischen  Besitzungen  im 
letzten  .Jahrzehnt  des  dritten  .lahrhunderts  verloi'en  gingen,  Zeugnisse  an 
den  delphischen  Ampjiiktionendekreten ;  während  in  den  .Jahren  ca.  209/8 
und  208/7  unter  den  ätolischen  Hieromnemonen  noch  Thessaler  auftreten  '), 

1)  Gesch.  des  HeUenism.  -lll  2,  68. 

2)  Juhrh.  f.  d.  PhiM.  1897,  806  ff.,  839  ff.  —  3)  GG.  III  1,  661.  2,  339  ff. 

4)  Gexh.   der  griech.   und   makedon.  Staaten   II  273.  .5.  287,  5.  .503,  1.  .588.  589,  4. 

h)  Untersuchungen  zur  Geographie  und  Geschichte  der  nordwestlichen  Landschaften 

Griechenlands  nach  den  delphischen  Inschriften  (Dissertation  von  Halle  a.S.  1907)  .">9ff.  64ff. 

6)  Ich  kann  natürlich  an  dieser  Stelle  nicht  die  ganze  Kontroverse  behandeln, 
da  dies  über  den  Rahmen  dieser  Arbeit  hinausgehen  würde,  und  bemerke  nur  kurz, 
dass  für  die  Annexion  eines  Teiles  von  Thessalien  in  den  zwanziger  .lahren  des 
dritten  Jahrhunderts  sowohl  die  14  Stimmen  im  Hieromnemonenrate  während  der 
(iruppe  E  der  Amphiktionendekrete  —  deren  Erklärung  E.  Bauer  (S.  70)  ganz  miss- 
glückt ist  — ,  als  das  Vorkommen  eines  <I>ctffaähog  und  eines  [K]ti(^x^Qiev(;  (dazu 
Pomtow,  Herrn.  XXXIII  334)  unter  den  zwölf  ätolischen  Vertretern  im  Jahre  des 
Archen  Polykleitos  {SGDI  2.527,  z.  3.  6/7)  sprechen.  Polykleitos  fällt  nach  Pom- 
tow, Jahrb.  f.  cl.  Philol.  1897,  807  zwischen  21.5  und  212  (in  B.  E.  IV  2360.  2689 
setzt  er  ihn  in  das  Jahr  213/2),  nach  Beloch  (a.  a.  0.  IH  2,  345.  3.50)  in  die  Zeit 
zwischen  217  und  212;  E.  Bauers  Datierung  (S.  74)  nach  212/1  ist  nicht  haltbar,  da 
die  Boeoter,  welche  im  hannibalischen  Kriege  Verbündete  Philipps  waren,  unter 
Polykleitos  noch  im  Amphiktionenrate  vertreten  sind. 

7)  Unter  den  12  Aetolern  in  dem  Archontate  des  Babylos  {SGDI  2528)  sind  ein 
.tli]fi[vaioc,]  z.  4,  ein  [ro/j]<f.evc  z.  5  und  ein  '.4[()]/<fv/fi;;  z.  3  (zu  letzterem  Pom- 
tow, .Tahrb  f.  cl.  Philol.  1897,  807),  in  dem  nach  dem  ätolischen  Strategen  Lattamos 


456  Heinrich  S'icohorJa, 

fehlen  in  den  Dekreten  ans  dem  Ende  des  dritten  Jahrhunderts,  in  welchen 
die  Hieromnemonen  ebenfalls  mit  ihren  Ethnika  aufgeführt  werden,  Ver- 
treter aus  dem  eigentlichen  Thessalien  M.  Man  sieht,  wie  dies  zu  unserem 
Verzeichnis  stimmt:  Thessalien  ist  also  wahrscheinlich  den  Aetolern  zwi- 
schen 208/7  und  206  oder  205  von  Philipp  V  entrissen  worden. 

2.  Zur  ä  t  o  1  i  s  c  h  e  n  B  u  n  d  e  s  v  e  r  f  a  s  s  u  n  g. 

Die  Stelle  des  Livius  über  die  ätolischen  Bundesversammlungen  XXXI 
32,  3  ist  öfter  diskutiei't  worden:  der  Strateg  Damokritos  beantragt  bei 
den  Verhandlungen  in  den  Ilavainohy.ä  des  Jahres  199  über  das  römische 
Bündnis  und  den  Krieg  gegen  Philipp  V,  cum  hf/ihits  cnntiim  esset,  ne 
de  pace  belloqne  nisi  in  Panaetolico  et  PifJaico  concilio  ageretur.  clccerncrent 
extemplo,  tit  praetor  sine  framle,  cum  de  hello  et  pace  agere  velit,  adrocct 
concilium,  et  qxod  tum  referattir  decernaturqite  ttt  perinde  ins  ratnmcpic  sif, 
nc  si  in  Panaetolico  aut  Pylaico  concilio  actum  esset ,  welcher  Antrag 
auch  angenommen  ■  wird  ^).  Es  ist  bekannt,  dass  Holleaux  gegenüber  den 
früheren  unrichtigen  Annahmen  von  nur  einer  ätolischen  Bundesversamm- 
lung, die  im  Herbste  abgehalten  wurde,  entscheidend  nachgewiesen  hat. 
dass  die  ätolische  Bundesversammlung  ordentlicher  Weise  zweimal  im 
Jahre  zusammentrat,  im  Herbste  in  Thermen  (SeQfiixd)  und  im  Frühjahr 
zu  den  ITavaiTcoAixd,  die  sich  bald  in  der  einen,  bald  in  der  anderen 
Bundesstadt  versammelten  ').  Livius  hat  dabei,  wie  bereits  Nissen  er- 
kannte *),  die  Versammlung  in  Thernion  durch  ein  Missverständnis  an  die 


datierten  Dekret  (Bull,  de  corr.  hell.  XXVI  273  ft'.  n.  20)  von  11  oder  12  Aetolern  ein 
Pharsalier  (z.  8).  Babylos  gehört  nach  Pomtow  (Jahrb.  f.  d.  Philol.  1897,  807.  E.  E. 
IV  2630.  2689)  in  das  Jahr  208/7,  nach  Beloch  (1. 1.  III  2,  345.  350)  in  die  Zeit  von  217  bis 
212.  Allein  für  Belochs  Ansatz  ist  eben  seine  Ansicht  massgebend,  dass  Gomphoi  und 
Limnaia  im  hannibalischen  Kriege  an  Philipp  V  verloren  gingen;  in  dieser  Datie- 
rung verdient  Pomtow  den  Vorzug,  da  für  ihn  das  Vorkommen  eines  Hieromnemo- 
nen der  Athamanen  in  diesem  Jahre  (1.  1.  z.  8)  spricht  (E.  Bauers  Aeusserung  74,  2 
über  Limnaia  und  Gomphoi  ist  ganz  verkehrt).  Ueber  das  Jahr  das  Lattamos  vgl. 
oben  S.  452. 

1)  Es  sind  dies  die  Dekrete  aus  den  Jahren  der  Archouten  Megartas  (Bull,  de  curr. 
hell.  XXVI  284,  jetzt  Fouilles  de  Delphes  III  [tpigraphie\  F.  3,  n.  134  b,  nach  Pom- 
tow, R.  E.  IV  2631.  2690  aus  203/2,  nach  Beloch  GG.  III  2,  347  ff.  im  allgemeinen 
aus  den  letzten  Jahren  des  dritten  Jhd.).  Philaitolos  (SGI)J  2.529,  nach  Pomtow  1.  1. 
aus  202/1,  nach  Beloch  III  2,  347  ungefähr  dieselbe  Zeit,  nach  E.  Bauer  a.  a  O.  79 
aus  203  oder  202)  und  Damokrates  (Bun.  de  corr.  hell.  XXVI  269  ff.  n.  19,  dazu  Be- 
loch III  2,  346.  350). 

2)  Zum  Verständnis  der  Stelle  vgl.  Weisseuborns  Erklärung. 

3)  Bicll  de  corr.  hell.  XXIX  362  ff.  Die  von  Sokolotf  (Klw  VII  71  ff.)  dagegen 
erhobeneu  unklaren  Einwendungen  wurden  von  Holleaux  (ebenda  294  ff'.)  ebenso 
kurz  als  richtig  zurückgewiesen. 

4)  Krit.  Untersuchungen  über  die  Quellen  der  vierten  und  fiinften  Dekade  rff.«  Li- 
vius 29.  127:  cf  dazu  Holleaux  1.1.  364  ff. 


Studien  za  de»  <irinhi^<hen  Bünden.  457 

Thermopyleii  versetzt    und  ilir   dalier  die  Bezeichnnn<j  Pi/Iniriini  ronciliuni 
gegeben  *). 

Allein  in  der  zitierten  Steile  des  Livius  steckt  noch  ein  Fehler,  den 
ebenfalls  Nissen  zuerst  aufdeckte ").  Die  Angabe,  dass  es  den  ordent- 
lichen Bundesversammlungen  der  Aetoler  vorbehalten  gewesen  sei,  über 
Krieg  und  Frieden  zu  beschliessen,  ist  ganz  unmöglich.  Ich  würde  auf 
diesen  Punkt  nicht  zurückkommen,  wenn  nicht  merkwürdiger  Weise  Nis- 
sens  Beobachtung  von  denjenigen,  welche  sich  nach  ihm  mit  diesen  Dingen 
beschäftigten,  übersehen  worden  wäre ').  Sowohl  vor  als  nach  dem  .Jahre 
199  sehen  wir,  was  ebenfalls  Nissen  bereits  andeutete,  dass  nicht  bloss  die 
ordentlichen,  sondern  auch  ausserordentliche  Bundesversammlungen  über 
Krieg  und  Frieden  entschieden,  und  letztere  nicht  bloss  dann,  wenn  ihre 
Einberufung  von  einer  ordentlichen  Synode  verordnet  wurde  imd  sie  da- 
mit die  Vollmacht  erhielten,  über  die  erwähnte  Frage  zu  beschliessen^), 
sondern  auch  wenn  der  Strateg  und  die  Apokleten  spontan  ihre  Zusammen- 
kunft veranlassten  *). 


1)  Vgl.  auch  XXXIII  35,8ft'.  und  dazu  Polyb.  XVni  48,  '>S. 

2)  A.  a.  0.  127  ff. 

3)  Weder  Bury  in  der  Neuausgabe  von  Freemans  Historij  of  Federal  Govern- 
ment in  Greece  and  Italy  (Freeman  äussert  sich  über  die  Sache  S.  476,  7),  noch 
Busolt,  Griech.  Staats-  und  BecMsaltertiimer-  371  und  Francotte,  La  polü  grecque 
159  nehmen  Rücksicht  auf  Nissen  und  ^viederholen  die  alte  Lehre;  woher  Busolts 
Annahme  stammt,  dass  die  bei  Livius  erwähnte  gesetzliche  Bestimmung  etwa  seit 
dem  Jahre  205  galt,  -weiss  ich  nicht.  Ganz  unklar  ist  Dubois,  Leg  Ligues  etolienne 
et  acheenne  191. 

4)  Wie  in  dem  oben  erwähnten  Falle,  et".  Liv.  XXXI  40,  9. 

5)  Bei  der  Versammlung  von  Naupaktos.  welche  im  Jahre  212  (zur  Chronologie 
Niese,  Gesch.  der  griech.  und  makedon.  Staaten  11  476.  4)  den  Bündnisvertrag  Aetoliens 
mit  Rom  ratificierte  (Liv.  XXVI  24).  in  dem  ausdrücklich  bestimmt  war  (§  10)  Mluvi 
tit  extemplo  AetoU  cum  Philippo  terra  gererent,  bemerkt  Livius  (^  1)  ad  ind  i  et  um  ante 
id  ipsum  concilium  Aetolorum  classe  expedita  renit  (M.  Valerius  Laevinus). 
Ebenso  heisst  es  von  der  192  in  Lamia  abgehaltenen  Versammlung,  auf  der  Antio- 
chos  erschien  und  der  Krieg  mit  Rom  beschlossen  wurde  (Liv.  XXXV  43,  7  ff.  44.  4-5) 
Aetoli,  postquam  Deinetriadem  renisse  Anliochum  adlatum  est,  concilio  indicto 
decretum,  quo  accerserent  eum,  fecerunt  (c.  43,7).  Dass  in  diesen  Fällen  die  .Ansage' 
der  Versammlungen  durch  die  Bundesbehörden  erfolgte,  ist  klar  (cf.  XXXV  12.  3) ; 
ganz  den  gleichen  Terminus  gebraucht  Livius  für  die  von  den  Damiurgen  einberu- 
fenen achäischen  Bundesversammlungen  (XXX'STII  82. 1.  XXXIX  35  und  bes.  XXXIX 
33,7).  Im  Jahre  191  erklärt  Phaineas,  als  M.'  Acilius  ihm  die  Friedensbedingungen 
kundgibt,  die  Gesandten  und  die  Apokleten  bedürften  der  Zustimmung  der  Bundes- 
versammlung (Polyb.  XX  10,  11  =  Liv.  XXXVI  28.  7)  und  erwirkt  daher  einen  zehn- 
tägigen Stillstand;  die  Gesandtschaft  berichtet  nach  ihrer  Rückkehr  den  Apokleten, 
worauf  diese  die  Einberufung  einer  ausserordentlichen  Bundesversammlung  beschlies- 
sen (Polyb.  XX  10,  13 ff.  =  Liv.  XXXVI  28, 8 ff.);  auf  dieser  kommt  es  in  Folge  der 
Stimmung  der  Menge  gar  nicht  zur  Diskussion  der  römischen  Bedingungen.  Jedes- 
falls  wurde  auch  die  Bundesversammlung,  welche  im  Jahre  189  den  Frieden  mit 
Rom  genehmigte  (Polyb.  XXI  30. 13.  Liv.  XXX Vin  10,  2),  zu  diesem  Zwecke  einbe- 
rufen (cf.  Niese  a.  a.  0.  11  767). 

Klio,  Beiträge  zur  alten  Geschichte  XI  4.  30 


458  Heinrich  Swohoda, 

Aber  nicht  bloss  die  gesehichtliclieii  Zeugnisse  sprechen  für  diese 
Ordnung,  ■sondern  auch  praktische  Erwägungen  führen  zu  dem  gleichen 
Ergebnis.  Bedenkt  man.  dass  zwischen  den  beiden  ordentlichen  Bundes- 
versammlungen der  Aetoler  ungefähr  ein  halbes  Jahr  in  der  Mitte  lag 
und  vielleicht  während  dieser  Zeit  Umstände  eintreten  konnten,  die  einen 
raschen  Entschluss  darüber  ob  ein  Krieg  zu  beginnen  sei  oder  nicht  un- 
abweisbar machten,  so  würde  es  in  hohem  Masse  unvernünftig  gewesen 
sein,  wenn  die  Aetoler  in  ihre  Verfassung  eine  Bestimmung  aufgenommen 
hätten,  welche  ihrem  freien  Vorgehen  eine  Fessel  anlegte.  Wie  Livius  zu 
der  merkwürdigen  Angabe  kam  und  welche  Wendung  seiner  griechischen 
Vorlage  damit  wiedergegeben  sein  mag  *),  lässt  sich  leider  nicht  fest- 
stellen :  vielleicht  ist  der  begründende  Satz  {(um  bis  af/eretur)  nur  eine  will- 
kürliche Erweiterung,  die  er  selbst  einfügte  und  zu  welcher  er  durch  die 
der  ausserordentlichen  Versammlung  erteilte  Ermächtigung,  in  diesem 
Falle  an  Stelle  der  üavaiTto/.iy.ü  die  Entscheidung  zu  fällen,  verleitet 
wurde  ''). 

Was  für  die  Kenntnis  der  ätolischen  Einrichtungen  aus  unserer 
Stelle,  wenn  sie  richtig  verstanden  wird,  übrig  bleibt,  ist.  kombiniert  mit 
den  übrigen  Angaben,  dass  sowohl  die  ordentlichen  als  die  ausserordent- 
lichen Versammlungen  über  Krieg  und  Frieden  entscheiden  konnten.  Es 
ist  dies  interessant,  weil  in  diesem  Punkte  die  achäische  Bundesverfas- 
sung von  derjenigen  des  ätolischen  Bundes,  die  mit  ihr  sonst  manche  Be- 
rührungen aufweist,  abweichend  gestaltet  war:  über  Krieg.  Frieden.  Bünd- 
nisse und  Zuzug  durfte  nicht  die  Synodos.  sondern  nur  eine  ausserordent- 
liche Versammlung  (avyy.Ärjoc)  beschliessen  ^.  Der  Grund  für  die  ver- 
schiedene Ordnung  in  beiden  Staaten  dürfte  klar  sein:  während  die  äto- 
lischen Bundesversammlungen,  sowohl  die  ordentlichen  als  die  ausser- 
ordentlichen. Primärversammlungen  waren,  setzte  sich  die  achäische  Syn- 
ode aus  gewählten  Vertretern  zusammen  *)  und  nur  zur  Synkletos  hatten 
sämtliche  Bundesbürger,  die  über  dreissig  Jahre  alt  waren,  Zutritt;  es  er- 
schien daher  als  angemessen,  letzterer  die  Entscheidung  über  die  wichtig- 
sten Fragen  der  Bundespolitik  vorzubehalten. 

Auch  für  eine  andere,  nicht  unwichtige  Einzelheit  der  ätolischen  Ver- 
fassung, nämlich  das  Antragsrecht  des  Strategen,  kommt   eine    Stelle  des 


1)  Der  Ansicht  Nissans  (a.  a.  0.  128),  dass  mit  dem  concilium  in  §  4  [advocet 
conciliiim)  und  c.  40, 9  die  Apokleten  gemeint  seien  und  ihnen  die  Vollmacht  erteilt 
wurde,  über  den  Krieg  schlüssig  zu  werden,  kann  ich  nicht  beipflichten;  die  von 
ihm  dazu  angeführten  Stellen  liefern  nicht  den  Beweis  für  eine  so  weitgehende  Kom- 
petenz dieser  Behörde. 

2)  Nach  Nissens  Untersuchungen  darf  wohl  als  feststehend  gelten,  dass  mit  einer 
solchen  Vermutung  Livius  nicht  zu  nahe  getreten  wird. 

3)  Die  Hauptstelle  dafür  ist  Polyb.  XXIX  24,5.  6;  dazu  XXII  12,  6. 

4)  Ich  stelle  mich  in  dieser  Frage  auf  die  Seite  der  zuletzt  von  Beloeh,  GG.  lU 
2,  183 IF.  vertretenen  Anschauung. 


Studien  za  den  (/ricchisvhen  Bünden.  459 

Liviiis  in  Betracht.  Er  berichtet  (XXXV  25,  3  ff.),  dass  im  Jahre  192 
eine  achiiische  Bundesversanimhing  nach  Siiiyon  einberufen  ward,  um  über 
den  Krieg  mit  Nabis  von  Sparta  scbh'issig  zu  werden  :  Acliael  non  unten 
inifii  (apessere  bellum,  unmn  id/  Roma  revertisscnt  leyutj,  nt,  quid  senafiä 
ji/uceret,  sciretd,  post  irditmn  lrf/(dontm  et  Sieijoneni  concilium  edixerunt  et 
legatos  ad  T.  Qiiinctiian  niiserunf,  qni  consilium  ab  eo  peferent.  in  concilio 
onmimn  ad  bellum  extemplo  capessendmn  incUnatae  sententiae  erant ;  litterae 
T.  Quindi  cimdationem  iniecerunt,  quibus  auctor  erat  praetorem  classem- 
qiie  Romatiam,  expedandi.  cum  pincipum  alü  in  sententia  permanerent,  alii 
utendum  eitis,  quem  ipsi  canstduissent,  consilio  censerent,  multiludo  Philo- 
poemenis  senfentiam  expeduhat.  praetor  is  tum  erat  et  omnia  eo  tempore  et 
prudentia  et  auctor itate  anteibat.  is  praefntus  bene  comparatum  apud 
Actolos  esse,  ne  pr  a  eto  r,  c  u  m  de  hello  co  n  s  u  luis  se  t,  ip  s  e 
s  e  nt  e  n  t  i  a  m  d  icer  et,  statuere  quam  primum  ipsos,  quid  vellent,  iussit: 
prndorem  decreta  eorum  cum  flde  exsecuturum,  ut,  quantum  in  consilio  hu- 
mano  positum  esset,  nee  pacis  eos  paeniteret  nee  belli,  plus  ea  orcdio  momenti 
ad  incitandos  ad  bellum  habuit,  quam  si  aperte  suadendo  cupiditatem  res 
l/erendi  ostendisset.  itaque  inyenti  consensu  bellum  decrdum  est  etc.  Ge- 
wöhnlich wird  diese  Meklung  dahin  aufgefasst,  dass  es  dem  ätolischen 
Strategen,  wenn  in  der  Bundesversammlung  über  Krieg  oder  Frieden  de- 
battiert wurde,  nicht  gestattet  war.  das  Wort  zu  ergreifen  und  seine  An- 
sicht kundzugeben  ^) ;  nur  Brandstäter  ^)  und  Wilcken  *)  interpretieren  Li- 
vius  in  dem  Sinne,  dass  der  Strateg  nicht  von  der  Diskussion,  wohl  aber 
von  der  Abstimmung  ausgeschlossen  gewesen  sei. 

Die  Zwiespältigkeit  in  dem  Urteil  der  Neueren  und  die  Schwierig- 
keit, Livius'  Aeusserung  riclitig  zu  deuten*),  rührt  offenbar  daher,  dass  man 
darüber  unsicher  ist,  für  welchen  Terminus  des  griechischen  Staatsrechts  Li- 
vius das  römische  sententium  dicere  gesetzt  hat,  das  in  seiner  Besonderheit  *) 
in  der  uns  bekannten  Prozedur  der  griechischen  Staatsversammlungen 
nichts  Entsprechendes  findet.  Allerdings  es  mit  „abstimmen"  wiederzu- 
geben, wie   Brandstäter   und  Wilcken   wollen,    wird    am    wenigsten    ange- 

1)  So  Merleker,  Achaicorum  lihri  ires  79;  Freeman  1. 1.  264  {Jie  was  expressly  for- 
hidden  to  give  any  ojnnion  on  questions  of  peace  and  war);  Dubois  1.1.  196;  Gilbert, 
Hundt,  der  griech.  Staatsaltertümer  II  27;  Busolt  1.1.-  369;  Breen,  Mnemnsyne  N.  S. 
XXIX  401 ;  Schoemann-Lipsius.  Griech.  Altert.  II  122  {.wenn  es  sich  darum  handelte, 
ob  ein  Krieg  zu  unternehmen  sei  oder  nicht,  so  musste  er  nach  dem  Gesetz  sich  be- 
gnügen, bloss  die  Frage  zu  stellen,  ohne  selbst  seine  Meinung  auszusprechen  .  .  . 
In  anderen  Sachen  fand  eine  solche  Beschränkung  nicht  statt'). 

2)  Die  Geschichten  des  ätolischen  Landes.   Volkes  und  Bundes  310,   Anm.  241 . 

3)  In  Pauly-Wissowa's  B.  E.  I  1119. 

4)  Tittmann  {Darstellung  der  griechischen  Staalscerfassioigcn  726)  erklärte  daher 
nicht  zu  wissen,  wie  die  Behauptung  gemeint  sei,  dass  der  Strateg  selbst  nicht  seine 
Meinung  sagen  durfte. 

5)  Darüber  Mommsen.  Rom.  Staatsrecht  III  977  ft'..  der  es  mit  ,Beschluss- Vorschlag' 
wiedergibt. 

30* 
10 


460  Ilcimich  Sicohochi, 

bracht  sein,  da  scutenf/aiH  dircre  dies  eben  nicht  bedentet  ') :  auch  könnte 
man  einen  jiraktischen  Zweck  dafür,  dass  der  Strateg  seine  Stiniine  niclit 
abgab,  schwerlich  ausfindig  machen  ^  bei  den  Tai^seuden  von  Stimmen- 
den in  der  ätolischen  VersammUmg  fiel  doch  seine  einzige  Stimme  nicht 
ins  Gewicht.  Man  könnte  bei  einer  solchen  Auffassung  nur  an  die  Ver- 
wirklichung eines  rein  theoretischen  Postulates  denken,  was  aber  bei  der 
ganzen  Art  der  realdenkenden  Aetoler  wenig  wahrscheinlich  ist.  Aber 
auch  die  gangbare  Ansicht  verträgt  sich  nicht  mit  geschichtlichen  Bei- 
spielen 2),  die  zeigen,  dass  der  Strateg  an  der  Diskussion  über  Krieg  und 
Frieden  teilnahm.  Wenn  auch  Livius'  Erzählung  XXXI  32  dafür  keinen 
durchschlagenden  Beweis  abgibt  —  Damokritos  stellte  auf  den  Panaeto- 
lika  des  Jahres  199  bei  der  Verhandlung  über  den  Anschluss  an  Rom 
und  den  Krieg  mit  Philipp  den  oben  (S.  456)  besprochenen  aufschieben- 
den Antrag  — .  so  ist  doch  in  seiner  Ausdrucksweise  (§  1)  nihil  auf  Jniir 
(den  Freunden  Philipps)  ai(f  Uli  parfi  (der  römerfreundlichen  Partei)  arl- 
sensus  enthalten,  dass  der  Strateg  sich  in  dem  einen  oder  anderen  Sinne 
aussprechen  konnte.  AVohl  aber  fällt  ins  Gewicht,  dass  von  demselben 
Damokritos  sjiäter  gesagt  wird  (XXXI  40.  9)  Aetolos  Damocritus  praetor, 
qui  iHOrae  ad  decernenclum  beihon  ad  Naiqmchim  [attdor]  fuerat,  idem 
proximo  concilio  ad  arma  condverat,  und  besonders,  dass  auf  der  Bundes- 
versammlung in  Lamia  192,  auf  welcher  Antiochos  erschien,  nachdem  der 
König  sich  entfernt  hatte,  eine  erregte  Diskussion  zwischen  Thoas,  dem 
Führer  der  Kriegspartei,  und  dem  Strategen  Phaineas  entstand,  der  für 
(He  Aufrechterhaltung  des  Friedens  und  gegen  die  Wahl  des  Antiochos  zum 
Oberbefehlshaber  des  Bundes  eintrat  (Liv.  XXXV  45.  2  ff.). 

Mau  wird  vielleicht  dem.  was  Livius  gemeint  hat  —  oder  besser  ge- 
sagt, seine  griechische  Vorlage  (Polybios),  denn  es  ist  mehr  als  zweifel- 
haft, ob  Livius  selbst  über  diese  Dinge  eine  klare  Vorstellung  hatte  — 
näher  kommen,  wenn  man  die  Stellung  des  achäischen  Strategen  gegen- 
über der  Bundesversammlung  ins  Auge  fasst:  denn  gerade  ihr  wird  ja  an 
unserer  Stelle  diejenige  des  ätolischen  Strategen  entgegengesetzt.  Das 
ständige  Referat  über  die  Angelegenheiten,  welche  sowohl  in  der  Synode 
als  in  der  Synkletos  zur  Vorlage  kamen,  führten  bei  den  Achäern  die 
Damiurgen  ^).  Der  Strateg  scheint  an  dem  Probuleuma  der  Damiurgen 
nicht  Teil  genommen  zu  haben,  sondern  gab  sein  Votum  gesondert  und 
nach  ihnen  ab.  Dies  ersieht  man  aus  Livius'  Erzählung  über  den  Zwie- 
spalt unter  den  Damiurgen  im  Jahre  198  (XXXII  22,  2  S.) ;  da  die  Hälfte 
derselben  für  das  Bündnis  mit  Rom  war,  die  andere  dagegen,  so  würde 
der  Strateg,  wenn  er  bei  dem  Vorschlag  mitgestimmt  hätte,  den  Au.sschlag 


1)  Mommsen  a.  a.  O.  980. 

2)  Auf  welcbe  bereits  Tittmann  aufmerksam  machte :  cf.  auch  Wilcken  1. 1. 

3)  Polyb.  XXVIII  12.  2.  Liv.  XXXII  22.  2.  3.  5.  8. 


11 


Studien  zu  (Ich  fjr/crlii.srlii'ii    liiiixlcti.  461 

«fegeheii  haben  ').  (ii'rado  ilaniit  f;e\vaiin  er  eine  freiere  Stellim«^  luiil 
konnte  durch  die  von  ihm  selbst  gestellten  Antrage  wirksam  in  den  (iang 
der  Verhandlungen  eingreifen  ^).  Von  besonderem  Hewichte  war  natürlich 
sein  Votum,  wenn  die  Meinungen  in  der  Versammlung  geteilt  waren  und 
speziell  wenn  die  Damiurgen  sich  nicht  über  ein  Probuleuma  einigen  konn- 
ten, sondern  mit  Vorschlägen,  die  nicht  mit  einander  übereinstimmten, 
auftraten  —  wie  es  gerade  in  unserem  Falle  geschah  ^).  Auch  hier  wird 
erwartet,  dass  Philopoemen  einen  Antrag  einbringe,  welcher  die  Sache  der 
Entscheidung  zuführt,  aus  Gründen  parlamentarischer  Taktik  tut  er  es  aber 
nicht. 

Wenn  wir  uns  nun  der  Stellung  des  ätolischen  Strategen  zuwenden, 
so  muss  hervorgehoben  werden,  dass  das  Material  in  dieser  Beziehung 
im  Vergleich  zu  unserer  Kenntnis  der  achäischen  Einrichtungen  recht  düi'f- 
tig  ist.  Zunächst  ist  die  Frage  zu  beantworten,  wie  im  ätolischen  Bunde 
das  probuleumatische  Verfahren  überhaupt  geordnet  war.  Es  kann  dies 
kaum  anders  gewesen  sein,  als  dass  die  Vorlagen  für  die  beiden  ordent- 
lichen Synoden  von  dem  Rate  (avvEÖQiov)  vorbereitet  wurden,  diejenigen 
für  die  ausserordentlichen  Versammlungen,  deren  Einberufung  oft  rasch 
erfolgte,  sodass  der'  Rat  in  der  Zwischenzeit  bis  zu  ihrem  Zusammentritt 
nicht  in  Tätigkeit  treten  konnte,  von  den  Apokleten  ^).  Auch  bei  der 
Vorberatung  im  Synedrion  wird  ihnen  die  Hauptaufgabe  zugefallen  sein  '). 
Wenn  nun  der  Strateg  als  Referent  in  der  Bundesversammlung  auftritt ''), 

1)  Die  Zweifel,  welche  Sehorn,  Gesch.  Griechenlands  von  der  Etitstehnng  des  äto- 
lischen und  achäischen  Bundes  bis  auf  die  Zerstörung  Korinths  und  W.  Vischer, 
Kleine  Schriften  I  572  ff.  gegen  Livius'  durchaus  folgerichtige  Erzählung  äusserten, 
sind  sicherlich  unbegründet.  Dafür,  dass  der  Strateg  gewöhnlich  erst,  nachdem  die 
Damiurgen  ihr  Referat  erstattet  hatten,  das  Wort  ergriff,  kommt  ausser  unserer 
Stelle  (S.  459)  noch  Polyb.  SXVIII  7,  6  ff.  in  Betracht;  auch  Liv.  XXXII  20.  21  ist 
dies  der  Fall,  Aristainos  bemerkt  selbst,  dass  das  Probuleuma  bereits  erstattet  sei 
(c.  20,  4  cum  referant  magistratus). 

2)  Der  Strateg  als  hervorragender  Redner  in  der  Debatte  an  der  uns  beschäf- 
tigenden Stelle  des  Livius,  ferner  Polyb.  XXIII  17,  9  ff.  XXVIII  7,  6  ff.  Liv.  XXXII 
20, 3  ff.  21.  XXXVni  31,2.  XXXIX  36.  37.  Plut.  Arat.  35;  als  Antragsteller  Polyb. 
XXm  17,  9  ff.,  XXVni  7,  6  ff'.  Liv.  XXXVIII  31,2.  Plut  Arat.  45. 

3)  Die  Wendung  bei  Livius  multitudo  Philopoemenis  sententiam  expectabat  ent- 
spricht ganz  der  von  Polyb.  XXVIII  7,  6  gebrauchten  ixälfi  yÜQ  ra  ngay/nuta  t?/v 
TOü  atQartjyov  yvtoftrjv.  In  unserem  Falle  scheint  zuerst  das  Damiurgencolleg  den 
Vorschlag  gemacht  zu  haben,  den  Krieg  sogleich  zu  eröffnen,  ein  Teil  seiner  Mit- 
glieder wurde  aber  auf  den  Brief  des  Flamiuinus  hin  schwankend  und  trat  dafür 
ein,  zuerst  die  Ankunft  des  Atilius  mit  der  Flotte  zu  erwarten. 

4)  Cf.  Polyb.  XX  10,  11.  14  {=  Liv.  XXXVI  28.  7  ff'.).  Die  Apokleten  hatten  die 
ausserordentlichen  Versammlungen  zusamraenzuberufeii,  vgl.  meine  (Iriech.  Volksl>e- 
Schlüsse  173. 

5)  Ich  halte  die  Apokleten  für  eine  von  dem  Rate  aus  seiner  Mitte  gewählte 
permanente  Kommission;  dass  ihre  Zahl  nicht  gering  war,  ergibt  sich  aus  Polyb. 
XX  1  (=  Liv.  XXXV  45,  9). 

6)  So  Thoas  bei  Liv.  XXXV   12,  4  ff'. ;  ebenso  Skopas  ibid,  XXVI  24,  7. 

12 


462  Heinrich  Sicohoda. 

so  liegt  die  Annahme  nahe,  ilass  er  ilies  für  das  Kollegium  der  Apokleten 
tat,  dessen  Obmann  er  war ')  und  mit  dem  vereint  er  die  Bundespoiitik 
leitete  ^),  d.  h.  er  war  der  ständige  Referent  der  Regierung  in  der  Bundes- 
versammlung. TriiTt  diese  an  sich  wahrscheinliche  Ansicht  das  Richtige, 
so  wird  damit  eine  weitere  Verschiedenheit  der  ätolischen  Bnndesordnung 
von  derjenigen  der  Achäer  aufgedeckt :  dass  der  achäische  Strateg  an 
dem  Referat  der  Damiurgen  nicht  beteiligt  war,  sahen  wir  eben  (S.  460). 
Wie  fügt  .sich  nun  die  Stelle  des  Livius  in  diesen  Sachverhalt  ein?  Es 
ist  kaum  anderes  aus  ihr  zu  folgern ,  als  dass  der  ätolische  Strateg 
von  dem  Referat  über  den  Vorschlag  der  Apokleten,  das  er  sonst  inne 
hatte,  ausgeschlossen  war,  wenn  die  Frage  sich  um  die  Entscheidung  ob 
Krieg  oder  Frieden  dr-ehte  —  also  in  dieser  Hinsicht  eine  Einschränkung 
seiner  Tätigkeit  als  Berichterstatter  erfuhr.  Dafür  mag  noch  folgende 
Erwägung  sprechen,  mit  der  ich  auf  früher  Bemerktes  (S.  459ff.)  zurück- 
komme. Man  muss  doch  die  Frage  stellen,  welchen  Ausdruck  des  grie- 
chischen Originals  Livius  mit  seinem  sententiam  dicerc  wiedergegeben  — 
besser  gesagt,  übersetzt  —  hat;  meines  Erachtens  kann  dies  nichts  an- 
deres gewesen  sein,  als  y  v  (b  fi  i]  v  £  i  n  elv  (oder,  wenn  man  will,  yi>ä)fii]v 
TTQO&eTvai.  eigEveyy.eiv)  ^).  Dann  aber,  besonders  wenn  man  das  früher  über 
die  Redefreiheit  des  Strategen  Bemerkte  (S.  460)  hinzunimmt,  darf  yvcifir^ 
nur  in  der  technischen  Bedeutung  gefasst  werden,  welche  diesem  Wort  in 
dem  griechischen  Urkundenstil  zukam,  nämlich  als  .Autrag'  *),  sententiam 
dicerc  als  ,Antragstenen'.  Die  oben  angenommene  Vorschrift  wird  dahin 
zu  erweitern  sein,  dass  der  Strateg  zu  diesem  Funkte  der  Tagesordnung 
nicht  bloss  nicht  als  Referent  fungierte,  sondern    es  ihm    auch    nicht    er- 


1)  Liv.  XXXVIII  8,  2,  cf.  XXXV  3-5.  .5. 

2)  Polyb.  XX  9,  1.  XXI  28.  18  (=  Liv.  XXXVIII  8,  1).  SO,  fi.  Liv.  XXXVI  3.5,  3tf. 
Am  besten  erhält  man  darin  Einblick  durch  Polybios'  und  Livius"  Erzählung  über  die 
Verhandlungen  der  Apokleten  mit  M.'  Aeilius  und  P.  Cornelius  Scipio  in  den  Jahren 
191  und  190. 

3)  Allerdings  ist  yvä>fnjv  dncTv  im  griechischen  Amtsstil  bis  jetzt  nicht  nachzu- 
weisen, wie  mir  Otto  Schulthess  brieflich  bestätigt;  aber  gerade  im  SC.  für  Oropos 
(IG.  Vn  413  =  Syll.  -  384)  wird  z.  48  das  lateinische  sententiam  dixisse  griechisch 
mit  yvüjfirjv  (IgijxevaL  wiedergegeben. 

4)  So  wird  es  auch  bei  Polyb.  XXVIII  7,  6  (vgl.  S.  461.  Anm.  3  d.  A.)  zu  ver- 
stehen sein.  Ueber  yvüifit}  , Antrag'  vgl.  jetzt  Scliulthess  in  Pauly-Krolls  H.  E.  VII 
Sp-  1482  ff.  Die  Verba,  mit  welchen  yvu>fi>i  zum  Begrifl'  , Antragstellen'  verknüpft 
wird,  sind  gewöhnlich  ayoQiveiv  (Anaphe,  IG.  XII  8,  247  =  SGDI  3432,  z.  2,  cf. 
Schulthess  1. 1.  Sp.  1487),  AnotfalveoS^ui  (in  den  Dekreten  von  Olymos  Grievh.  Volksh. 
202  ff.,  das  Act.  ano<fmvciv  IG.  III  10,  z.  16  ff.,  cf.  Schulthess  Sp.  149-5).  (igiiyfZa9ai 
(Alabanda  OJG  21521' =  Lebas  lies  n.  1609,  reviAiert  ÄrcMol.  Am.  1890,  141),  zu 
letzterem  Gr.  Volksh.  204.  Auch  Schulthess  ist  der  Ansicht  (briefl.),  dass  trotz  des 
Fehlens  von  Belegen  angenommen  werden  darf,  yv(jo/A>]v  dnelv  könne  , Antrag- 
stellen' heissen,  da  das  («5  iura)  elnev  der  Psephismen  im  Grunde  nichts  anderes 
als  eine  Kürzung  von  yvüifiijv  tintv  ist. 

18 


SfiirlieH.  zu  den  (/riechisrlint   liiitnlrti.  463 

laubt  war.  im  liiiiite  iler  Debiitte  i'iiU'ii  Antrat^  dazu  /.ii  stellen  '),  oder 
doch  nur  dann,  wenn  sich  dieser  auf  die  tornielle  Heliandhin<:f  des  Gegen- 
standes bezog  '■*). 

Zunächst  ist  wohl  die  Besorgnis,  dass  der  Strateg  ilurcii  das  Streben 
nach  Auszeichnung  in  einem  Feldzuge  und  ki-iegerischem  Ruhm  nicht  un- 
parteiisch auftreten  und  seinen  Bericht  nicht  nach  olijektiven  Erwägungen 
vorbringen  werde,  für  diese  Einschränkung  massgebend  geworden  ^) ;  nicht 
minder,  dass  ihn  die  Aussicht  auf  seinen  Anteil  an  der  Beute  ^)  in  seinem 
Verhalten  beeinflussen  werde.  Im  ganzen  wird  man  nun  sagen  müssen, 
dass  auch  da  der  Satz  gegolten  hat,  dass  Persönlichkeiten  stärker  sind 
als  Gesetzesparagraphen,  und  es  ist  trotz  dieser  Vorsichtsmassregel  man- 
chem Strategen,  wie  gerade  Damokritos  °)  gelungen,  seine  Landsleute  zum 
kriegerischen  Eingi'eifen  zu  bestimmen,  zumal  da  man  ihm  das  Kederecht 
nicht  nehmen  konnte.  Auch  wird  der  Einfluss  des  Strategen  im  Kolle- 
gium der  Apokleten  sicherlich  oft  so  stark  gewesen  sein,  um  es  auf  seine 
Seite  herüberzuziehen.  Praktisch  genommen  war  der  Unterschied  in  der 
parlamentarischen  Stellung  (wenn  man  so  sagen  darf)  zwischen  dem  achäi- 
schen  und  dem  ätolischen  Strategen  nicht  so  tiefgreifend,  wie  Philopoemen 
es,  seinem  Zwecke  gemäss,  hinstellte :  und  dazu  hat  Livius  gewiss  den 
Bericht  seiner  Vorlasre  rhetorisch  gesteigert,    um  ihn  wirksamer  zu  machen. 


1)  Dass    er   sonst  dieses   Recht  besass,   ist  klar,   cf.  dazu    auch  Polyb.  II  2.  8  fl". 

2)  Wie  Liv.  XXXI  32. 

3)  Vgl.  Freeman  1. 1.  264.  Schoemann-Lipsius  a.  a.  0. 

4)  Polyb.  II  2,  8  ff.  —  .5)  Liv.  XXXI  40,  9  (vgl.  S.  460). 

Prag.  (Wird  fortgesetzt). 


14 


464 


Zu  den  karischen  Inschriften   und   den  darin  vorkommenden 

Namen. 

Von  Joh.  Smidwall. 

Karisch  ist  in  der  Forschung  ein  Schlagwort  geworden,  das  in  sich 
die  Lösung  der  Rätsel  der  kretisch-mykenischen  Kultur  zu  verbergen 
scheint.  Sowohl  in  der  Tradition  wie  in  der  neuesten  Forschung  ist  den 
Karern  eine  wichtige  Rolle  in  der  Vorgeschichte  der  Insel  des  Aegäischen 
Meeres  und  Griechenlands  zugewiesen  (vgl.  Fick.  Vorgriechische  Ortsnamen  u. 
Hattiden  inxl  Danuhier  in  GriechenhuuT).  Von  dem  lebhaften  Interesse, 
das  den  vorgeschichtlichen  Fragen  entgegengebracht  wird,  dürfen  die  Ka- 
rer, wie  die  Kleinasiaten  übei-haupt.  einen  bedeutenden  Teil  in  Anspruch 
nehmen,  denn  alles,  was  zur  Aufhellung  dieser  Stämme  dient,  kommt  auch 
den  vorgeschichtlichen  Problemen  zugute  ^).  Die  epichorischen  Denkmäler 
der  Karer  haben  jedoch  bis  jetzt  keine  grössere  Beachtung  gefunden ;  sie 
sind  vor  den  lykischen  in  den  Schatten  getreten,  schon  weil  sie  an  Zahl 
und  Umfang  nicht  so  reich  sind.  Auch  bieten  die  Ivkischen  Inschriften 
für  die  Lesung  der  Schrift  und  das  Verständnis  von  Wörtern  und  Formen 
ungleich  mehr  Anhaltspunkte  dar.  So  ist  es  wohl  gekommen,  dass  eigent- 
lich nur  ein  einziger  Gelehrter  sich  mit  den  karischen  Inschriften  näher 
abgegeben  hat.  nämlich  Sayce.  der  sie  auch  gi-össtenteils  veröffentlicht 
hat.  Leider  fehlt  die  Möglichkeit,  seine  Abschriften  nachzuprüfen,  was 
sehr  zu  bedauern  ist,  da  ja  mehrere  Paar  Augen  immer  besser  und  sicherer 
sehen  als  ein  Paar,  wie  jeder  Epigraphiker  zur  Genüge  hat  erfahren  müs- 
sen. Indessen  entbehren  die  karischen  Inschriften  gerade  wegen  ihrer 
Dürftigkeit  nicht  der  Anhaltspunkte  für  die  Forschung;  denn  die  Kritze- 
leien, die  den  Hauptbestandteil  derselben  bilden,  bestehen,  wie  schon 
Sayce  sah,  aus  Namen  und  Patronymika  der  karischen  Söldner  der  Phara- 
onen.   Wir  haben  hier  ein  einheimisches  Xamenmaterial.  das  zum  Vergleich 


1)  Daher  ist  mit  Lehmann-Haupt  {Sitsinigahfr.  Beil.  archäoL  Ges.  1907.  S.  58) 
nachdrücklich  daran  zu  erinnern,  dass  der  Ausdruck  .Karer,  , karisch'  —  in  Aus- 
fuhrungszeichen, wie  er  und  Andere  ihn  brauchen  —  lediglich  die  nichtindoger- 
manische und  nichtsemitische  vorgriechische  Bewohnerschaft  beider  Küsten  des  ägäi- 
schen  Meeres  (Kretschnier  :  .Kleinasiaten')  nach  dem  historisch  -«richtigsten  und  greif- 
barsten Volke  der  ganzen  Gruppe  bezeichnet,  dagegen  in  keiner  Weise  deren  Her- 
kunft aus  Karien  oder  selbst  aus  Kleinasien  andeuten  oder  überhaupt  der  Frage  nach 
der  Urheimat  dieses  Volks-  und  Sprachstammes  präjudizieren  will.  Vgl.  Ans  und 
uvi  Kreta,  Klio  IV.  bes.  S.  389  ff. 


Juli.   Siniilwiill.   Zu  (Im  ktnsr/ini    liisrln-iftcii  rfr.  4K5 

mit  den  in  L;ri(Hhisiliei'  'rriicht  ühcrliclerteii  kari.sclion  Xiiiiicii  aiitt'orilcrt. 
Wenn  man  aber  die  Umsclireilmnijiii  von  Sayce  ansiebt,  kommt  der  Ueber- 
Huss  an  Vokalen  nicht  unbedenklicli  vor.  In  der  Gestalt-  wie  Sayce  jene 
Namen  wiedei-gibt,  haben  sie  mit  den  griechisch  überlieferten  ziemlich 
wenig  Aehnlichkeit.  Es  soll  deshalb  hier  zuerst  der  Versuch  gemacht 
werden,  den  Lautwert  einiger  Zeichen  dieser  Iiischritti'n  festzustellen,  um 
dann  das  Namenraaterial  näher  zu  untersuchen. 

Die  karischen  einheimischen  Lischriften  sind  publiziert:  von  Sayce 
in  Transad.  of  the  Soc.  of  Bibl.  Archcul.  IX,  116  f.:  Proreed.  of  the  Soc. 
of  Bibl.  Arrh.  XVII  (1895),  S.  39—43  und  S.  207:  XXVII  (1905),  123 f.; 
XXVIII  (1906).  172  f.;  XXX  (1908).  28  f.:  Kretschmer,  Ehil  in  die 
Gesch.  d.  griech.  Sprache  S.  379  f.  (auch  bei  Sayce  XXVII,  125);  Babe- 
lon,  Leu  Fers.  AeJiem.  S.  CII;  Sitz.-Ber.  d.  Wiener  Ah.  Bd.  132  (1894), 
S.  10  (auch  bei  Sayce  XXVII,  125);  Bec.  d.  trav.  rrl.  ä  la  phil.  Egupt. 
XII,  214;  XVII,  120  (auch  bei  Sayce  XXVII,  124);  Kontoleon,  Athen. 
Mitt.  XV,  337  (auch  bei  Sayce  XXVII,  126)  ;  TiMi  Adac  Minoris  I  (Tit. 
Lyc.)  Nr.  151  (auch  bei  Sayce  IX).  Da  Sayce  alle  in  anderen  Publika- 
tionen veröffentlichten  Inschriften  in  seine  Abhandlungen  aufgenommen 
hat,  verweise  ich  nur  auf  diese  mit  Angabe  der  Bändezahlen  der  Trnns- 
act.  oder  Procecd. 

In  Bezug  auf  das  Zeichen  9  l^at  Sayce  ohne  Zweifel  (IX,  130  f.)  den 
Wert  dieses  Zeichens  richtig  angegeben,  wenn  er  es  als  einen  Vokal  be- 
zeichnet, der  sich  a  und  e  näherte.  Folgende  verschiedene  Schreibungen 
desselben  Namens  beweisen  es: 

j  9ku9WB 

I  Dku9>^ 
r(a)rav[o]ss[y]B 
I  (a)ravoss[y]  9 
i  ^waw(a)se}£ 
I  9waw(a)ssa}« 
I  aw(a)nokhe 
I  9  w(a)nose 
I  mak|    ^ss(i) 
lm9k[n]ss(i) 

Es  tritt  also  9  sowohl  für  9  sils  für  a  ein  und  es  ist  wohl  mit  Sayce 
anzunehmen,  dass  9  einen  oflfenen  E-Laut  bezeichnete.  Ich  gebe  es,  wie 
Sayce.  mit  ä  wieder.  Dass  ^  auch  ein  E-Laut  war,  hat  nämlich  Kretsch- 
mer (Einl.  S.  381)  nach  Sayce  als  sicher  anerkannt,  und  zwar  ist  es  wohl 
ein  mehr  geschlossener,  weshalb  ich  es  mit  e  bezeichne.  Eine  seltene 
Variante  dieses  Zeichens  ist  wohl  B  ,  das  auch  mit  a  wechseln  kann,  wie 
in  niawaQin(e)  u.  mawBnin(e)  (vgl.  auch  Sayce  IX).     Die  Bedeutung  von 


466  -/"//.   S/in(hrall, 

E  ist  dagegen  meiner  Ansicht  nach  nicht  e.  wie  Sayce  meint  (IX),  sondern  i. 
Es  wäi-e  ja  auffallend,  wenn  wir  kein  Zeichen  für  diesen  Vokal  hätten ; 
ausserdem  hat  dieser  Buchstabe  auch  im  Lykischen  denselben  Lautwert. 
Am  nächsten  steht  ihm  ^  (e).  mit  dem  es  mal  auch  wechseln  kann,  wie 
in  folgenden  Fällen: 

j  m(e)ssEwe 

I  mes  ^  we 

I  [m]Es(a)näK[av]a 

jmBs(a)[n]a4y] 
Damit    ist    zu    vergleichen    die    Schreibung   EÖQtevg-IÖQievg,  Eövfiog-Iöv- 
fiog  auf  karischen  Münzen  (Babelon,   Traifc  P.  II.  998). 

Ein  wichtiges  Zeichen  ist  o,  denn  die  meisten  Patronymika  gehen  dar- 
auf aus,  bisweilen  mit  he  verlängert,  wie  Kretschmer  hervorhebt  (Ehil. 
S.  382).  Mit  schwachen  Gründen  hat  Sayce  demselben  die  Bedeutung  ü 
(w)  beigelegt  (IX,  131  f.  :  vgl.  dazu  Kretschmer,  E/nl.  S.  381  f.).  Die 
Richtigkeit  dieser  Annahme  hat  Kretschmer  in  Zweifel  gezogen,  oline  etwas 
anderes  als  ein  unbestimmtes  ö  (0)  dafür  zu  setzen,  also  auch  einen  Vokal 
(a.  0.).  Ich  glaube  aber,  dass  dieses  Zeichen  einen  gänzlich  anderen  Laut 
bezeichnet  hat.  Folgende  Ausnahmen  von  dem  allgemeinen  Genetivaus- 
gang verdienen  Beachtung: 

k©  (wo[s](e)ka)) 

k  (aweth(e)k) 
khe  (aw(a)nokhe) 

g  ( aw(e)[th]eg 
I  uakäw(e)m(e)g 
Ist  es  schon  an  und  für  sich  weniger  wahrscheinlich,  dass  cD  einen 
Vokal  bezeichnete,  da  es  schon  deren  genug  gab.  so  deuten  die  oben  an- 
geführten Varianten  auf  einen  Konsonanten,  und  zwar  auf  einen  Guttural- 
laut. Auch  andere  Umstände  sprechen  dafür.  Zu  demselben  Stamme, 
wie  m(i)gula,  m(e)gäovex,  ra(e)gk[3ss(i) .  mäku  — .  gehört  wohl  auch 
m(e)cDU — .  Anders  liegt  die  Sache  bei  m(e)s(a)nab[[^]  und  m(e)s(a)na(Dy. 
da  wir  hier  zwei  verschiedene  Suffixe  haben  (vgl.  näher  unten).  Es  kom- 
men ferner  auch  in  den  lykischen  Inschriften  einige  Genetiv-Endungen  vor. 
die  auf  einen  Gutturallaut  ausgehen  .  nämlich  <^.  welches  Arkwright 
{Oest.  Jahresh.  II,  68)  als  ein  nicht  spezifisch  lykisches.  dem  lykischen  K 
verwandtes  Zeichen  erklärt  hat.  Dieses  Zeichen  entspricht  wohl  dem  kari- 
schen (D-  Ich  schreibe  es  hier  mit  demselben  Buchstaben,  mit  dem  Tfifuli) 
Afsiae)  M(inoris)  I  das  lykische  <3>  wiedergibt,  nämlich  x.  um.  Die  Gene- 
tiv-Endungen ahx.  ehx.  ax,  ex  in  den  lykischen  Inschriften  TAM.  I,  54. 
69.  149:  muräzah/J .  kudali[je]h;<,  terssiklehx.  ahn  .  .  .  w[ete]hx.  armpajc, 
tuburex.  ipresidax  entsprechen  somit  den  karischen.  Die  echt-lykische 
Genetiv-Endung  ist    indessen    ah.    eh    und    vokalisch  auslautend  ahe,  ehe 


Zu  ih'H  li((r/sclicii   Iiisr/iriflni   und  drn  diirni   riithoinnirmhn   Xonicii.    4R7 

(vgl.  TAM.  I  S.  8).  weleliP  k'tzti  re  Formen  in  den  kmisclien  azbc  axxht'. 
oKhe  okhe  ein  Gegenstück  liaben.  Namen  karischer  Öertlichkeiten  wie  Ko- 
dovcoy.a  (Le  Bas.  Nr.  327.  338\  ÄQiioy.oöoyy.a  (BCH.  V.  108).  Oq^ov- 
öov(oy.a  {BCH.  V.  108),  Ovioycrz  (Demot.  BGH.  XII.  27  f.)  lassen 
sich  als  Personaladjektiva  erklären,  die  den  lykischen  analog  mit  dem 
(jenetivsaffix  gebildet  sind  (vgl.  TAH.  T,  S.  8  XII).  Koöovojxa  würde 
also  lykisch  etwa  *kudawaha  oder  *kutawaha  heissen  (vgl.  über  den 
Wechsel  zwischen  t  und  d  im  Lykischen  Kluge.  Sfud.  z.  vergleich.  Sprach- 
iciss.  d.  iauJc.  Sprache»,  die  Li/I:.  Litichr..  Miff.  d.  vorderasiat.  Ges.  1910. 
1.  S.  116  f.;  über  den  Wechsel  zwischen  a-  u.  u-Laiit  in  Namen 
Arkwi-ight.  Oest.  Jahrcsh.  II.  59  f. :  über  den  häufigen  o-Laut  im  Karischen 
auch  im  Genetiv-SufFi.x  gegen  a-laut  im  Lykischen  weiter  unten).  Die 
letztere  Form  ''  kutawaha  begegnet  als  das  zweite  Glied  des  zu- 
sammengesetzten Namens  [erjmakut  [a]  w[a]  {TA  31.  I.  6-\.  1).  Eine 
kürzere  Form  desselben  Namens  ist  EQuay.orag.  das  in  griechischen 
Inschriften  aus  Lykien  mehrfach  belegt  ist  {CIG  III.  4255,  add.  4240s 
4278.  add.  4300°).  Demselben  Namen  mit  Genetiv-Suffix,  lykisch  also 
*ermakutaha  (*ermakudaha).  entspricht  das  karische  Afjfioxoöcoy.a  (vgl. 
über  den  Stamm  e  r  ra  a  lykisch  ermmeneni  und  Aquaig,  Agfiag,  EQfiag. 
Agfiaöamiiig,  Eo^adaitmig,  AQuaniac,  Egfcaniag  usw.  bei  Kretschmer, 
EinJ.  S.  361;  über  den  Stamm  kuta,  k  uda  lyk.  eudala.  kudali,  kudara,  und 
KoTtjg,  KoTTOvt]g,  Koivaig,  KotvXcov,  Maaaay.vjog.  KoToga/^r^uig  usw.). 
ÖQd-oröovioy.a  wieder  wäre  lykisch  etwa  *urttätuwehe  (vgl.  über  das 
erstere  Glied  urtta  lykisch  urtaqija.  urto.  urtto,  und  Ogitjaig,  Ogd'coaia. 
On^or^g.  Saronroc.  Kt/JMQiag:  über  den  Stamm  tu we  weiter  unten:  über 
die  häufige  Nasalierung  von  dem  letzten  Vokale  des  ersten  Gliedes  in  zu- 
sammengesetzten Namen,  wenn  das  zweite  Glied  mit  t.  p  oder  k  anfängt, 
Arkwright.  Oesi.  Jahnsh.  II.  61).  Schliesslicii  ist  Ovcoy.Evg  (Demot)  das 
lykische  uwehi  (vgl.  TAM.  I  22,  29.  92  und  weiter  unten).  Die  oben  an- 
geführten karischen  Öertlichkeiten  haben  wohl  ihre  Namen  nach  irgend 
einer  Person  erhalten,  einem  ehemaligen  Besitzer  oder  dergl.,  weshalb  sie 
als  Personaladjektiva  gebildet  sind.  So  wird  auch  das  Suffix  (a)za.  (e)zi. 
(a)sa,  (e)se.  das  im  „  Milvischen "  das  Genetivsuftix  vertritt  (vgl.  z.  B.  kerigasa 
TAM.  I  44  d  8  gegen  kerigahe  a.  0.  44  a  10  usw.  )  und  eine  ähnliche 
Bedeutung,  wie  das  ahe-Suffix.  gehabt  haben  wird  (beide  werden  zur  Bil- 
dung von  Demotika  verwendet),  zur  Bildung  einer  gi'ossen  Gruppe  von 
kleinasiatischen  Ortsnamen  verwendet  (vgl.  Meyer.  Die  Kurier,  Beszenh. 
Beitr.  X.  173). 

Den  Lautwert  von  H  hat  Sayce  (IX.  116  f.)  so  ziemlich  richtig  ange- 
geben. Es  ist  mit  dem  Ivkisch-milyischen  M/*  und  pamphylisehen  H  iden- 
tisch ;  das  letztere  ist  ein  W-Laut  {Joiirn.  of  Hell.  Sind.  1,  247),  das  erstere 
wird  mit  ß  transkribiert  und  ist  wohl  ein  schwaches  b  (vgl.  Arkwright. 
Oest.  Jahresh.  11,  70).     Ich  gebe  es  hier  mit  v  wieder,    zum   Unterschied 


468  Juli-  SiDidiidll. 

von  F.  (las  mit  W  Ijezeiilniet  wird.  Die  beiden  Laute  standen  offenbar 
einander  sehr  nahe,  sie  wechsein  z.  B.  in  (a)ravoss(y)e  und  (a)raw(a)ssy 
(über  den  syllabaren  Charaliter  der  Zeichen  siebe  weiter  unten). 

Besondere  Schwierigkeit  bereiten  die  Buchstaben  Q  und  p.  Sayce 
fasst  sie  als  „  vowel-sounds "  auf,  weil  sie  zwischen  Konsonanten  oder  am 
Ende  eines  Wortes  nach  einem  Konsonanten  stehen  (IX.  131).  Völlig 
unhaltbar  ist  die  Annahme,  dass  Q  mit  cd  wechseln  könnte  (vgl.  darüber 
schon  oben).  Indessen  ist  auch  Sayce  der  Richtigkeit  seiner  Bestimmung 
Q  =  ä,  Cj]  =  ai  nicht  ganz  sicher  imd  er  hat  sie  in  den  späteren  Auf- 
sätzen in  ö  bezw.  &  modifiziert.  Es  würde  nahe  liegen  v  als  eine  Vari- 
ante von  Q,  Y  von  !^  zu  betrachten,  aber  das  Vorkommen  von  Y  und 
P  in  derselben  Inschrift  (z.  B.  XXVII.  III)  zeigt,  dass  es  sich  um  ver- 
schiedene Zeichen  handelt,  andererseits  sind  auch  Q.  ^.  V  verschieden 
(vgl.  XXVIII,  Vni).  Ich  halte  nun  \'.  Y-  X-  f"^"  Varianten  desselben 
Zeichens,  das  einen  verschärften  TJ-Laut  bezeichnet,  das  ich  mit  y  umschreibe 
(denselben  Wert  gibt  auch  Sayce  in  seinen  letzten  Aufsätzen  diesem  Zei- 
chen). Nach  (a)raw(a)ssv  (XXVIII,  VIII)  ist  wohl  auch  in  IX,  IV,  24— 
25  (a)ravoss  ve.  (a)ravoss  VA  zu  lesen,  obwohl  Sayce  hier  A  gibt,  was  ja 
eine  leicht  zii  erkläi-ende  Fehlschreibung  sein  kann.  Augenscheinlich  ist 
nämlich  aravossve  mit  dem  lykischen  arawazija  identisch  und  da  schon 
der  I-laut  ein  besonderes  Zeichen  hat  (vgl.  oben),  liegt  es  sehr  nahe  an- 
zunehmen, dass  es  ein  ähnlicher  Laut  war.  etwa  y,  weil  es  wohl  im  An- 
fang von  Namen,  (va,  vo)  mit  Yf ,  Ya  übereinstimmt  (vgl.  näheres  unten). 
Die  Frage  von  Q  und  P  ist  damit  noch  nicht  entschieden.  Unzweifel- 
haft sind  beide  vokalischer  Natur.  Auf  Q  endigen  wenigstens  drei  Na- 
men und  in  einigen  Fällen  scheint  P  mit  einem  einfachen  Vokal  wechseln 
zu  können  : 

j  ätCpwexhe 

j  ath(e)w(e)}« 

iyassäPvrez 
yoss(e)wek 
j  lere;£dQn(a)sa 
jigrnn  (IX,  1,7) 

Ganz  sicher  lassen  sich  diese  Zeichen  nicht  bestimmen.  Ich  glaube  in- 
dessen, dass  Q  ein  Diphtong.  etwa  eu,  sein  könnte,  was  z.  B.  in  der 
Xanthos-Stele  vorkommen  kann  (vgl.  ijaeusas  = /«ctoc  ?  T^M  I,  44  a  52), 
offenbar  eine  dialektische  Unregelmässigkeit  (vgl.  noch  weiter  unten).  Für 
I  I  würde  ich  wieder  einen  nasalierten  Vokal,  ähnlich  den  lykischen  ä, 
e,  annehmen  (vgl.  weiter  unten). 

Die  Dentallaute  repräsentiert  ©.  das  ich  mit  t  transkribiere  (vgl. 
Sayce  IX) :  einmal  kommt  auch  T  vor.  Ferner  ist  A=(l,  und  )(  offenbar 
dem  lykischen  Zeichen  entsprechend,  etwa  mit  ^  wiederzugeben  (vgl.  TAMl). 


7ai  (Ich  karisc/icn  Inschriften  nnd  dm  darin  vorkommenden  Nnmcn.    469 

Kiiieii  iihnlictiiii  Laut  bezeichnet  auch  6.  worüber  Sajces  Meinung 
schwankt,  aber  Nanienähnlichkeiten  wie  ätpwe;«he  nnd  aS(e)w(e)z  schei- 
nen mir  entscheidend  zu  sein.     Ich  gebe  es  hier  mit  tli   wieder. 

Schliesslich  will  ich  noch  auf  einen  Umstand  hinweisen,  den  Sayce 
nicht  genügend  berücksichtigt  hat,  nämlich  auf  den  sylla  bischen  Charakter 
mehrerer  Konsonanten.  Für  M  erkennt  er  ihn  wohl  an  und  gewisser- 
massen  auch  für  r.  1.  n  (IX.  137):  „a  comparison  of  the  inscripfions,  mo- 
reoiver,  will  show  that  the  other  lahiah  also  r,  l,  hesidcs  n,  can  he  Sionnded 
irith  an  hilierent  short  vowel".  Aber  auch  andere  konsonantische  Zeichen 
sind  syllabisch  verwendet  worden ,  so  w  (z.  B.  ewaw(a)sex  —  ew(a)w(a)- 
sox.  (a)raw(a)ssy — (a)ravoss(y]ä),  s  (mes(a)nab[Q]] — MaaavtOQaöa  und  wei- 
ter unten),  z,  tli,  v  (vgl.  den  Genetivausgang  ex,  ox,  der  mehrfach  be- 
legt, z.  B.  thu[gu]zex,  auch  für  z.  B.  kuoz(e)xhe,  aweth(e)k,  [u]wov(e)x 
zu  entnehmen  ist).  Wir  haben  keinen  Grund  anzunehmen,  dass  nicht 
gleichfalls  t  syllabisch  sein  könnte.  Der  angegliederte  Vokal  ist  wohl 
meistenteils  a,  e,  auch  bei  M  und  M,  nicht  wie  Sayce  meint  i  bez.  u 
(mi.  vu).  Aus  Identifizierungen  zwischen  epichorischen  und  griechisch 
überlieferten  Namen  geht  hervor,  dass  das  Zeichen  für  r  im  Anfang  eines 
Wortes  für  (a)r  steht  (vgl.  unten). 

Ich  will  nun  meine  zweite  Aufgabe  erledigen,  nämlich  die  Namen 
untersuchen,  und  zwar  gebe  ich  sie  in  Transkription  mit  Ausnahme  von 
den  Zeichen  Q  und  Q:  die  Vokale  in  Parentese  gehören  den  syllabisch 
verwendeten  Zeichen  an ;  (N)  bezeichnet  den  Nominativ,  (G)  den  Genetiv; 
wo  Wort-Anfang  und  -Ende  deutlich  festzustellen  sind,  bezeichne  ich  sie 
durch  Striche;  die  Namen  mit  vokalischen  Anfangsbuchstaben  werden  zu- 
erst aufgezählt : 

akserea{N?)  |  gänemaux(G  ?)  |  magsath  |  ? 

(XXVII.   VIII)  (Lokal-Alphab). 
I  uKoz(e)  (N)  I  uehxtLU-e(?)sex  (G)  |     (IX,  IV,  37) 
J  I  ukowe  (N)  I  uakäw(e)m(e)g  (G)  |    (IX,  IV.  11) 
\  I  uk[o]we  (N)  I  uakäw(e)m[ah]x  (G)  |     (IX.  IV.  20) 

I  I  ekuäx  (G)  |  Vgl.  äw(e)nose  e.  und  ma  e. 
[      äkuä[x]e  (G)     Vgl.  äw(e)nos[u]  ä. 
I  I  hekuä  (N)  I  äw(e)nosex  (G)  |     (IX.  IV.   18) 
akyw[y]e     Vgl.  m(e)gäov(e)x 
äx(e)v(e)?     Vgl.  (a)raw(a)ssy 
alw(e)th(e)  (N?)  |     (IX,  IV,"  12) 
I  emvh(e)  (N?)  |     (XXVIII,  V) 
I  umQ  (N)  1  kuoz(e)xhe  (G)  |    (IX,  II.  2) 

ana[go]re  (N?)     (IX,  I,  2) 
I  (a)ral^ge[t]e5£  (G)  |     Vgl.  lerexdnn(a)sa 


470 


Jiih.   Sidiilicall, 


(a)raw(e)raäx(Gy)  |  iiHejzulyJ  (NV)  |    (IX.  IV.  35:    Patronym. 

vor  dem  Namen) 
(a)rav[o].ssry]e  (N)  awet.h(e)k  (G)     (IX,  IV.  24) 
(a)ravoss[y]ä  (N)  awe—  (G)     (IX.  IV,  25) 
(a)raw(a)ssy  (N)  |  ssa  äx(e)v(e)  (N?)  skowex  (G)  |  (XXVIII,  VIII) 

erw(a)xoz(e)  (N)  g  w(a)s(a)in  (N  ?)  '  m(i)guleH(6)  |  (IX.  IV.  5 ) 

esow(e)xlie  (G)  |  Vgl.  to\v(e)l(e)  e. 

ätgiweKhe  (G)  |  \^gl.  m(e)gknss(i)  ä. 

ath(e)w(e)x  (G?)  Vgl.  mad(a)month(e)  a. 

ewaw(a)sex  (G)     Vgl.  mäk[[2]lss(i)  e. 
äwaw(a)ssaJ«  (G)      Vgl.  mak[^ss(i)  ä. 
ew(a)w(a)sex  (G)     Vgl.  m(a)s(a)naK(a)v(e)  e. 
awaw[e]so[>«]  |  ?  (G?)     (XXX,  28-29) 
ewasja]  (N?)  |     (XVII.  II.  2) 
awetli(e)k  (G)     Vgl.  ai-aY[o]ss[y]e  a. 
awe —  (G)     Vgl.   (a)ravoss[y]ä  a. 
aw(e)[thjeg  (G)     Vgl.   [b]un[a]lkas(i)m(i)  a. 
äweto  (NV)  I  maw(a)naKxhe  (G)  |     (IX,  II.  1) 

aw(a)nokbe  (G  y)  |     V'gl.  mawa[^ine  a. 
I  awaä[?]  nok[?]  (G?)  |     (XXVII,  IX) 
äw(e)nose  (N)  |  ekuäx  (G)  |    (IX,  IV.  16) 
äw(e)nos[u]  (N)  äkuä[z]e  (G)  |     (IX.  IV.  17.  19) 
ä\v(e)noseK  (G)  |     Vgl.  liekuä  ä. 
I  ow(e)z  (G)  1     Vgl.  meunP9'(i)  o. 
[u]wov(e)K  (Gy)  I     Vgl.  m(e)gäov(e)x 
1 


!  Vijl.  ukowe 


uakäw(e)m(e')g  (G)  ] 
uakäw(e)m[ali]x  (G)  |       | 

yassägweK(G)     Vgl.   ääula5-e  y. 

yoss(e)wek[k]  (Gy)  |    (XVII.  II,"  1  und  S.  207;  wohl:  N  (n)  | 
ssa  I  m(e)s(a)a/«yx(e)  (N?)  \  ?  —  y.) 
ääula5-e(N?)  yassägwe;«  (G)     (IX,  IV.  26) 
[ä]äla&e[K]  (G  y)  |     (XXVIII,  VII) 
[;]w(a)s(a)in  i     Vgl.  erw(a);<oz(e)  p. 

[by]im[ay]lkas(i)m(i)  (N)  |  aw(e)[th]eg(G?)  j  m(e)gäov|e)x  (G) 

i  usw.     (XVII.  I.  1) 
gänemauz  (G  ?)  \     Vgl.  akserea  g. 
—  mau>:  —     (XXVII,  IX) 

ha[w]n(Ny)  ;    (IX.   IV,  33:  Sayce  wohl  unrichtig:    haE^ 

statt  haFn) 
haw(e)x  (G  y)  I     (IX.  IV.  34) 


Zu  ilcti  harischcH  Insdiriften  mid  (Jeu  lUtrin  rorkommenden  Nimeii.   471 


k(a)m(i)  (N)  I  y  wü[s|(e)kx  (G)  |     (IX.  IV,   14) 
I  kiioz(e)zhe  (U)  I     Vjil.  umn  k. 

I  IL'^Jj^Lolzli)'"  t     Vgl.    lerezdnii(a)sii    usw.    und    über  die  Le- 
.-«ung  hier  IX,  IV.  32  und  XVII.  207.     Die.ser  Name  bleibt 

unsicher. 
lerezdnn(si)sa  (X)  ?  |  (:i)ra  |  1|  a|>floJz(i)  |  (a)raggeth(e)x(G?)  | 
—  ad(a)za  |  Ises  |  (IX,  IV,  32) 
ma(N)  I  y  ek[u]äK  (G)  |     (IX,  IV,  15) 
I  mad(a)month(e)  (N?)  |  ath(e)w(e)x  (GV)  |  —  k[k]he 

(XVII,  L  2) 
I  mad(a)s(a)>c  (G)  |     Vgl.  m(i)z:iii   ni. 

magsath(e)  |  ?     Vgl.  akserea 
I  maknss(i)  (N)  |  äwaw(a)ssaH  (G)  |    \IX,  IV,  2) 
I  mäkLD]ss(i)  (N)  i  evvaw(a)seK  (G)  |     (IX,  IV,  3) 
I  m(e)gkass(i)  (N)  |  ät^we^he  (G)  |    (XXVII,  IV) 
I  m(e);£uf  ?]  (N  ?)     Vgl.  (a)raw(e)mäx  m. 

— m(e)we  (N)  |  mäku[?]r(e)  >     (IX,  IV.  27) 
I  m(i)gulte)z  (G)  |     Vgl.  erw(a)Koz(i) 
I  m(i)gula  (N)  I     (XXVII,  VI) 
m(e)gäov(e)x  (G?)  |  [u]wov(e);«  (G?)  |  akyw[y]e      (XVII,  I,    1 
vorher  [b]un[a]lkas(i)m(i)  u.sw. ;  vgl.) 
I  maw(a)na;«xhe  (G)  |     Vgl.  äweto  m. 
I  mawanm(e)  (N)  |  aw(a)nokhe  (G?)  |     (IX.  II.  3) 
I  maweDin(e)  (N)  j     (IX,  II,  3) 

I  meung&(i)  (N)  |  tuw(e)lox  (G)  |     (IX,  IV,  7) 

meung*(i)  (N)  ow(e)z  (G)  |     (IX.  IV,  13) 
I  mes(a)nab[nj  (N  ?)  |     (IX,  I,  1) 
I  ni(e)s(a)nab[n]  (N?)  —  Jw  (G)  |    (IX,  II,  4) 
i  m[e]s(a)na[— J     (IX,  I,  4) 

[m]is(a)näK[y]a  (N  ?)     (IX,  IV,  28) 
I  ra(e)s(a)ua;«(a)v(e)  (N)  |  ?  ew(a)w(a)se;<  (G)  |     (XVII,  I,  4) 
I  m(e)s(a)nax(a)v(e)  (N)  i     (XVII,  I,  5) 

m(e)s(a)naxy)£(e)  (N  ?)  |  ?     Vgl.  yoss(e)wek[k] 
I  m(e)s(a)naKy  (N)  |     (XXVIll,  II)' 
I  mes(a)[n]a;«[y]  (N?)  |     (IX,  I.  7) 
I  m(e)ssiwe  (N?)     (IX,  I,  3) 
I  mesewe  (N)  |     (IX,  IV,  1) 

m(i)zaä[?]  (N)  I  srag;«he  (G)  |     (IX,  I,  5) 
m(i)zaä  (N)  I  mad(a)s(a);<  (G)  |     (IX,  IV,  6.  9.   10) 
nehzture(?)se>«  (G)  |     Vgl.  uxoz(e)  n. 
p(a)nubl[o?]s(i)(N)  I     (XXVIll,  VI,  lydisch?) 


472  Joli-  SiimhcüU, 

?  I  skowe>«  (G)  I     Vgl.  (a)raw(a)ssy 
I  sraÜKhe  (G)  |    Vgl.  ni(i)zaä[y]  s. 
I  tii[gu]zex  (G)  I    Vgl.  tow(e)l(e);  vgl.  auch  IX,  II,  4 
I  Lt]osinv(e)^(i)  (N)  \  swäok  —  ugo  (G?)     (IX,  IV.  29) 
I  tow(e)l(e)  (N)  I  esow(e)xhe  (G)  |  tufgulzeH  (G)  |     (IX.  III) 
I  tuw(e)loz  (G)  I    Vgl.  meung»(i)  t. 
?  I  wo[s](e)k5«  (6)  I    Vgl.  k(a)m(i)  w. 
Einen  Stamm  iik(e)  zeigen  uns  die  Namen  ukowe  und  u;«oz(e).     Der- 
selbe Stamm  kommt  im  Lykischen  in  der  Dialektinschrift  TAM.  I,  55  vor 
(uki  Z.  3.  5).     In  der  Xanthos-Stele  im  milyischen  Text  (44  d.  10)  findet 
sich  ein  Wort  uguwämn,    das   eine  verlängerte  Form  von  unserem  ukowe 
ist  (ukowe-uguwämä  analog  mit  lyk.  icuwe-ic[u]wem[i],   29,  1  und  32,  1, 
uwe-uwemi,  29  und  109).     In  Tyaaaoc.  (karische  Stadt  nach  Steph.  Byz.) 
kehrt  uzoz(e)  wieder    (siehe  über  den  o-Laut  im  Karischen  weiter  unten). 
Ohne  Zweifel   ist  ukowe   im  zweiten  Teil  des  Namens  Oaoycoa  (karische 
Gottheit,  vgl.  bei  Röscher,  Lexik. ;   die  Lesung    bei  Sayce  IX,  VI  scheint 
unsicher  zu  sein)  enthalten,  dessen  erster  Bestandteil  Oa{e)  in  einer  Menge 
von  Namen    belegt   ist,    wie    lyk.    uzebe    (33,  1),   kar.  Taatg  {BCH.  IV, 
296  f.),   pis.  Oaaag  (J.  of  Hell.  Stucl  15.  129),  Oaaetg.  Oaaig  (CIG  4366", 
4367)  usw.     Der  Grundstamm  uke  steht  wahrscheinlich  in  OyorSa  |kari- 
scher    Ort,    BCH.  XII,    22,30,    etwa  lykisch  *ukäta),    OßQciovyeQig  (kil.. 
CIG    4406—7,    lykisch    etwa    *upre+uke-ri),    Oxag  (isaur-kil.,    Sterrett. 
The  Wolfe  E.xpecl.  S.  90),  Anov/Mg  (karisch,  BCH.  IV.  296  f..  etwa  *ap(a)- 
uke).     Unsere  zwei  Namen  sind    mit  den  Suffixen  (a)wa,  (alza  abgeleitet, 
die    auch   in    den   lykischen    Namen    zur    Namenbildung    sehr   häufig  ver- 
wendet werden. 

Den  Stamm  ek(e)  (ak(e))  gibt  ekuä  (gen.  ekuäz).  Auf  Grund  von 
unten  näher  auszuführenden  Erwägungen  bin  ich  geneigt  in  ua.  uä,  ue, 
ye,  yo  ein  Suffix  zu  sehen,  das  dem  lykischen  Suffix  ija,  ije  entspricht. 
Dann  wäre  ekuä  lykisch  etwa  *  ekija  (*  akija).  Diese  Form  liegt  in  der 
Tat  einigen  kleinasiatischen  Namen  zu  Grunde,  die  mit  anderen  Suffixen 
noch  erweitert  sind,  wie  Axia^iog  (1yd.  König,  Steph.  Byz.,  *akija-ma) 
Ay.ieQovg  (lyk.,  Heberdey-Kalinka,  Reisen  im  südwestl.  Kleinas.  S.  54, 
*  akije-re).  Ohne  ija-Suffix  kommt  der  Stamm  aka,  eke  häufig  vor  (vgl. 
Kretschmer,  Einleit.  S.  351),  z.  B.  in  der  Xanthosstele  (44  a.  34.  35  c.  15: 
aka,  akä),  weiter  in  Axavöa  (lykischer  Ortsname,  vgl.  Kretschmer,  EinJ. 
308,  lykisch  *akä-ta,  vgl.  akätaza  TAM.  I,  149,  akäti,  30,  92,  128),  Ax- 
xa  (lydisch  und  phryg,  vgl.  Kretschmer  a.  a.  0.  351),  Axaxig  (Smyrna, 
Ath.  Mitt.  XIV,  93f.),  Axxiatg  (isaur.  Sterrett,  Wolfe  Expedition  165), 
A%a?.i]aaog  (lyk.  Ortsname,  Steph.  Byz.  etwa  *aka-la-za  lykisch),  Axa- 
qaaoog  (lykische  Stadt,  Steph.  Byz.,  etwa  *  aka-ra-za),  AxaQCixa  (kar. -1yd. 
Burg.  BCH.  XIV,  233,  lykisch  etwa  *  aka-ra-he).  Interessant  ist  der 
Spii-itus  in    einer  Form,    hekuä.    denn    auch    hkische   Wörter   und  Namen 

9 


Zu  den  harischen  Inschriften  und  den  darin  rorkonwienden  Namen.  473 

können  in  dieser  Beziehung  wechseln,  und  sowohl  mit  als  ohne  Spiritus 
geschrieben  werden  (vgl.  uwedri — huwedri,  unirggazn — humrkka,  die  Belege 
in  TÄM.  I,  Index).  Von  diesem  Stamme  scheinen  auch  akyw[y]e  und 
ilx(e)v(e)  gebildet  zu  sein,  mit  dem  w-Suffix.  Die  Lesungen  dieser  Namen 
stehen  jedoch  nicht  ganz  fest. 

Gleichfalls  unsicher  sind  alw(e)th(e)  und  emvh(e).  Diese  als  Ge- 
netiva  zu  betrachten  (also  etwa  alw(e)t(e)h,  emv(e)h  zu  lesen)  verbietet 
ihre  Stellung,  da  sie  ganz  allein,  ohne  Vornamen,  vorkommen.  Vielleicht 
dient  h  hier  zur  Venstärkung  des  vorhergehenden  Konsonanten,  ähnlich 
wie  bisweilen  im  Genetiv  (ax-a^he).  Es  wäre  nicht  ausgeschlossen,  dass 
der  erstere  Name  alw(e)th(e)  mit  dem  lykischen  elpeti  {TA3J.  I,  23)  iden- 
tifiziert werden  könnte.  Der  Stamm  *  elpe  auch  elbbe.  alba,  ali3a,  55,  6. 
■44  c  60.  d  42).  der  wohl  im  Karischen  *alwa  heissen  könnte  (vgl.  über 
die  Schwächung  der  Labiale  näheres  unten),  ist  sonst  auch  in  Namen  be- 
legt z.  B.  Eß.ßo}.  Helbo  (lykische  Insel,  Plin.  5,  35,  131).  O^aZßio:  (Kiby- 
ratis,  BCH.  24.  342).  In  unserem  Namen  wie  im  lykischen  elpeti  wäre 
der  Stamm  mit  t-Suffix  erweitert. 

Für  umD  ist  der  entsprechende  Name  in  Hymos  (karische  Insel,  Plin. 
5,  133)  überliefert.  Der  Stamm  u  m  e  (hume)  kommt  auch  in  folgenden 
Namen  vor:  lykisch  humelije  (85,  2),  Homana  (pis.  Stadt,  Plin.  5,  94), 
Ovfiavaöa  (pisid.  Phyle,  An.  of  the  Brii.  School  IX.  268.  Plin.  a.  a.  0.), 
EÖQit]  rfn]aai]  (kar.  Ort,  IG  I,  37). 

Zu  den  gewöhnlichsten  Stämmen  in  den  kleinasiatischen  Xamen  ge- 
hört ara,  das  auch  in  mehreren  von  unseren  Namen  vorkommt.  Schon 
Sayce  hat  vermutet,  dass  (a)ravoss[y]ä,  (a)raw(a)ssy  dem  karischen  AQvaa- 
aig  entspreche,  obwohl  in  seiner  Lesung  diese  Namen.  Ravuüsh(y),  Rawssy 
ganz  ft-emdartig  vorkommen.  In  der  Tat  entspricht  die  längere  Form 
(a)ravoss[y]ä  dem  lykischen  Worte  arawazija,  erawazija,  das  eine  mit  ija- 
Suffix  erweiterte  Form  von  einem  *arawaza,  *arawazi  ist.  Dieser  kürze- 
ren Form  entspricht  das  karische  (a)raw(a)ssy,  AQvaaaig  (*arawazi,  (a)ra- 
w(a)ssy  —  A^vaaaiQ.  dem  kadawäti  —  Kaövavöa  analog;  vgl.  übrigens  Ärk- 
wright,  Oesf.  Jahresheffe  II,  52  f.).  Dem  lykischen  Worte  arawazija  kommt 
wohl  die  Bedeutung  fiQOJov  zu  (vgl.  Kluge.  Studien.  Die  hjk.  Insehr. 
S.  54  f.),  und  da  das  Suffix  ja  die  Bedeutung  nicht  erheblich  zu  modifizieren 
scheint  (vgh  Modifikationen  desselben  Namens  wie  kudali-kudalije.  sbicaza- 
sbicezijei,  TA3I.  I.  Index),  wird  *arawazi  dieselbe  Bedeutung  haben.  Dass 
solche  Namen  Personen  gegeben  worden  sind,  braucht  uns  nicht  weiter  zu 
befremden,  wenn  wir  folgendes  in  Erwägung  ziehen.  Die  Formen  arawazija, 
*arawazi  sind  nämlich  mit  dem  (a)za,  (a)sa-Suffixe  von  *arawa  gebildet,  das 
im  epichorischen  Text  belegt  ist  (TAM.  I,  135,  2,  wo  arawä  sich  ganz 
deutlich  auf  arawazija  bezieht)  und  auch  in  dem  lykischen  Ortsnamen  Egeva 
sich  wiederfindet.  Stefanos  Byz.  hat  Egeva  ij  y.ai  'EZevS-ega,  was  wohl 
keine  wörtliche  Uebersetzung  des  Namens  ist.   aber  sicher  denselben  Sinn 

Klio,  Beitiäge  zur  alten  Geschichte  XI  4.  31 

10 


474  'T'>^>-  Sioultrall. 

hat.  Also  würde  arawa  einen  freien  Platz  bedeuten,  oder  etwas  derglei- 
chen und  *arawazi  somit  etwas,  das  zu  einem  freien  Platz  gehört,  was 
sowohl  ein  fjQc^ov,  als  ein  Name  sein  kann  (über  die  Bedeutung  des 
Suffixes  (a)za  vgl.  Kretschmer,  EhiJ.  S.  313).  Wir  würden  jetzt  auch  die 
Erklärung  haben,  warum  die  Wurzel  *ara  so  allgemein  in  den  kleinasia- 
tischen Namen  auftritt:  weil  sie  nämlich  mit  der  Bedeutung  frei  ver- 
knüpft ist  (vgl.  z.  B.  AQig,  Idlik.  J.  of.  H.  Stiul  XH,  249;  Agiog.  kil. 
a.  0.  228;  äqiwv,  kU.  a.  0.  2ib :  Agiavoc,  kar.  BCH.  IV,  29ßf.;AQiaa- 
aog,  pamphyl.  Stadt.  Hierokles  Synekd. ;  Agafioag.  lykaon.  Sterrett,  Wolfe 
Exped.  S.  284;  AQUcpsia,  karische  Insel,  Stepb.  Byz. ;  AQajieiag.  lykisch, 
Reisen  in  Li/liien  U,  167  usw.).  Von  dem  Stamme  *arawa  haben  wir 
einen  mit  dem  auch  im  Lykischen  so  häufigen  m(i)-Suffixe  abgeleiteten 
Namen  in  (a)raw(e)mäx  (g)  (lykisch  etwa  *arawemi.  (G)  *arawemeh;  vgl. 
uwemi  TAM.  I,  109).  Der  zweite  Teil  von  (a)ra[;]ge[t]ex  (G)  ist  nicht 
sicher  zu  ermitteln,  wenn  wir  nicht  etwa  hier  dasselbe  Wort  haben  wie  in 
Z>iviy.eTijg.  kil.  Strabo  14.  671.  Moaysrtjg.  Tyrann  vonKibyra.  Strabo  13,  631. 

In  erw(a)xoz(e)  möchte  ich  einen  Stamm  erbbe  erkennen,  der  in  dem 
lykischen  erbbina  (^4^,.3n'«'ac.  vgl.  TAM.  I.  Index:  über  den  Stamm  erbbe 
ebenda  29,  3;  44  d.  1:3.  b.  3-5:  .55.  6;  über  die  Schwächung  der  Labiale 
weiter  unten),  und  auch  in  folgenden  Namen  steht:  AQßtjaaig  (kar..  BCH. 
IV,  296  f.).  TQoy.oaQßaaig  (kil.  J.  of.  H.  Stud.  XII,  247).  PoaQßaaig  (k-il. 
a.  0.  271).  Ko/MQßaaig  (kil..  Heberdey- Wilhelm,  Beisen  in  Kilik.  13), 
TaQßeavjai  (karische  Phvle,  Aih.  Miü.  XV.  269).  AQßv/.i,g  (kar.,  BCH. 
XV,  186.  189).  Das  zweite  Kompositionsglied  xoz(e)  wäre  in  folgenden 
Namen  wiederzufinden :  lyk.  telekuzi  {TA3I.  I.  4.  2),  Koaeig  (lykaon..- 
Sterrett,  Wolfe  E.rped.  24).  Kovaearog  (lykaon.  Demot..  Sterrett,  a.  0.  271), 
Kovaiwv  (pisid.  Lanckoronski.  Städte  PcmphyJ.  und  Pisid.  II.  216),  Kv- 
ai]Qsvg  (kar.  Demot.  Le  Bas  No.  512).  Der  Anklang  an  arppakus  (lyldsche 
Schreibung  für  Agnayog  vgl.  TAJI.  I,  Index)  ist  wohl  nur  zufällig,  weil 
der  persische  Name  erst  später  aufgekommen  sein  kann  (vgl.  üljer  die 
Zeitbestimmung  der  karischen  Inschriften  Sayce  IX,  116  f.). 

Für  esow(e)Khe(G)  liegt  ein  Stamm  a  s  a  ,  e  s  e  zu  Grunde,  der  hier  mit 
wa-Suffix  erweitert  ist  (also  *esowe  (N)) ;  dieselbe  Form  finden  wir  in  dem 
lykaonischen  Ortsnamen  Eaova  (Eaova-y.o)ft>'iTijg,  Sterrett,  Wolfe  Exped. 
S.  271  f.).  Von  demselben  Stamme  haben  wir  ferner  lyk.  esete  (TAM. 
I.  105.  2)  und  Aaaa  (pisid.,  Lanckoronski.  Städte  Pamphyl.  und  Pisid. 
II  Nr.  244),  Aaiig  (kilik.  CIG  UI,  4402),  Aaaog  (Stadt  und  Wiese  in  Ly- 
dien,  Steph.  Byz.),  Atav  (kar. -lyk.  Fluss,  vgl.  Pape-Benseler.  Wörtvrl.  d. 
griech.  Eigenn.).  ACiog  (lykaon.  BCH.  X.  501  f.).  Aaai]aog  (kaiisehe  Stadt, 
vgL  Pape-Benseler)  usw.  Ob  dieser  Stamm  mit  der  lykischen  Präpo- 
sition ese.  der  die  Bedeixtung  avv  zukommt,  zusammenhängt,  (vgl.  Thom- 
sen.  £fudes  li/cie>i>ies.  Orcrsigt  over  dct  Dansle  Vid.  Selsl:  Forh.  1899, 
S.  58).  kann  ich  nicht  beurteilen. 

11 


7,i(  äai  kdrhclim  Lisclnifliii  inid  <Jin  darin  rorhimmcndcn  Namen.    475 

Die  Leiden  Namen  ilt[PweJ«l)e  (G)  und  atli(e)w(e);<  (G)  —  im  Noni.  also 
*ät!ipwe  und  *atli(e)w{e)  —  sind  mit  dem  wa-SufKx  aus  dem  Stamme  ata 
(e  t  e)  gebildet,  der  in  kleinasiatisclien  Namen  liiiufig  vorkommt  (vgl.  über 
Ant]g,  A'tvg  und  damit  zusamniMiiiängcnde  Namenbildungen  Kretsclimer. 
Einl.  349  f.). 

Höchst  wichtig  ist  ewaw(a)se>£  (G)  mit  Varianten  (Nom.  etwa  *ewa- 
w(a)s(s)i),  weil  wir  diesen  Namen  mit  Sicherheit  mit  lyk.  apuwazahi  (G. 
TA3L  I,  28,  5),  kar.  A(pvaaig  (Newton,  A  Just,  of  disc.  at  Halik.  p.  671). 
pisid.  Anoaaig  (Ditt.  Or.  inscr.  Graer.  86),  und  wohl  auch  kilik.  Eniov- 
aaig  {CIG  III  4410;  Heberdey- Wilhelm,  Beiden  in  Kilik.  138  f.)  identifi- 
zieren können.  Dieselbe  Lauterscheinung,  nämlich  die  Schwächung  der 
Labiale  in  w-Laut,  die  aus  der  Schreibung  A(p(fa.  Aqxpt},  Aq)(pia.  Aoa- 
cpeia,  Avaq>ij  hervorgeht,  sehen  wir  hier  auch  bezeugt.  Diese  Eigentüm- 
lichkeit scheint  jedoch  nicht  regelmässig,  oder  auf  das  karische  Gebiet  allein 
beschränkt  zu  sein;  denn  wir  haben  in  kar.  Auovxiog  (BCH.  IV.  296  f.)  die- 
sen selben  Stamm  apa  mit  beibehaltenem  Labiale.  Ausserdem  kommen 
die  Formen  Acpcpa,  Aqxpia  nicht  nur  in  Karien  vor  (vgl.  die  Belege  bei 
Kretschmer,  EinJ.  S.  346  f. ;  zu  beachten  auch  lyk.  0eMog,  0£Qvig).  Der 
Stamm  a  p  a,  ab  a,  von  dem  alle  diese  Namen  abgeleitet  sind  und  der  zu 
den  beliebtesten  Stämmen  der  kleinasiatischen  Namengebung  gehört  (vgl. 
Kretschmer,  Einl.  S.  386.  346  f.  über  diese),  scheint  auch  in  ha[w]e 
vorzuliegen,  das  wohl  mit  Aßa,  Aßag  gleichzusetzen  ist,  welche  für  Ka- 
rien mehrmals  bezeugt  sind  (vgl.  Kretsclimer  a.  0. ;  kar.  BCH.  XXII,  385, 
XXVIIl,  30  ;  kar.  Ortsn.  bei  Steph.  Byz. ;  eine  aspirierte  Form  auch  lyk. 
habudah,  TAM.  I,  8,  2).  Mit  (a)sa-Suffix  ist  wieder  ewas[a]  abgeleitet, 
das  Aßaaig  (lyk.  CIG.  4315  ä,  kilik..  Heberdey-Wilhelm,  Bei.sen  in  KU. 
S.  123).  Habesos  Qyk.  Stadt,  Plin.  5,  100),  ATtnijaiavr]  (phryg.  CIG  III, 
add  3846°)  entspricht;  mit  t-Suffix  äweto,  *aweth(e)  (g.  aweth(e)k).  die 
eine  ähnliche  Bildung  vielleicht  in  lyk.  Annaöig  aufweisen  (Eeisen  in  Li/k. 
II,  22).  Auch  in  aw(a)nokhe  (G?)  (N.  *aw(a)n(e))  und  äw(e)nose(N)  ist 
derselbe  Stamm  zu  finden;  dem  letzteren  entspricht  isaur.  Ajtivi]aig  (Ram- 
say,  Sfudies  in  fhe  Easteni  Boman  pror.  S.  170),  die  erstere,  die  sonst 
nicht  sicher  belegt  ist  (vgl.  vom  Stamme  upa  Ocpai'vag,  lyk.,  Heberdey- 
Kalinka,  Beiscn  S.  16).  scheint  mit  na-Suffix  abgeleitet  zu  sein  (vgl.  über 
dieses  Suffix  Kretschmer  a.  0.  S.  329). 

Entweder  mit  upa  oder  u  w  a  gehören  unsere  ow(e)x  (G)  (N.  *owe) 
und  uwov(e)K  (G)  (N.  *uwove)  zusammen.  Beide  Stämme  sind  häufig  im 
Lykischen  belegt  (vgl.  TAM.  I,  Index)  und  uwa  besonders  in  den  klein- 
asiatischen Namen  (vgl.  Kretschmer  a.  0.  S.  365).  Der  letztere  Name 
*uwov(e)  ist  durch  Reduplikation  des  Stammes  gebildet,  ähnlich  wie  Aßt]- 
ßag  (west.-kilik..  ./.  of  Hell.  Stud.  XII.  268). 

Ganz  besondei'es  Interesse  beanspruchen  auch  uakäw(e)m(e)g  (6)  (N. 
*uakäw(e)m(i))  und  yassäC^  wex  (G),  yoss(e)wek[k]  (G),  weil  wir  hier  die  Vor- 

31" 
12 


476  Joh.  SundiraU. 

silbe  iia.  ya  finden,  die  auch  in  kaiisch-griecliisclien  Namen  bezeugt  ist. 
(Ya/.öei^iii.  Rcr.  Et.  Gr.  1904,  211:  laQßeavmi,  Athen.  Mitt.  XV,  269; 
IsaxvQeßog,  BCH.  IV.  296  f.  und  522,  2  ;  leTovaaa,  kar.  Insel,  Plin.  5. 
133:  Tsjic,  ion.  Quelle,  Tlieocr.  7.  115  schol).  Diese  Silbe  uai  _ya  findet 
sich  sowobl  im  Anfang  als  am  Ende  unserer  Namen  (vgl.  oben)  und  hat 
einen  ausgeprägt  suffixalen  Charakter,  so  dass  wir  sie  mit  grosser  Wahr- 
scheinlichkeit mit  lyk.  ija  gleichsetzen  können,  das  ebenfalls  in  Namen 
dieselbe  Stellung  einnehmen  kann  (vgl.  über  ija  als  Vorsilbe  lyk,  ijama- 
ra,  TÄ3L  I.  149:  lorgaatg.  lykaon.,  Sterrett.  Wolfe  E.rp.  137,  u.  a,  vgl. 
Kretschmer,  Eiiil.  369).  Der  letztere  Teil  von  *uakäw(e)m(i)  (lyk.  etwa 
*ijakawemi)  ist  der  Stamm  k  a  w  a  (vgl.  das  lykische  Wort  kawä  TAM.  I, 
149.  10)  mit  mi-Suffix.  der  auch  in  folgenden  Namen  belegt  ist:  Kevaqog  (kar. 
Ortsname,  BCH.  IV,  296  f.);  Aa?My.aov  (vgl.  Kretschmer.  Einl  S.  352). 
Der  zweite  Teil  von  *yoss(e)we  ist  *ssewe.  das  augenscheinlich  mit  dem  lyk. 
sse%va,  ssewe  identisch  ist  (vgl.  TAM.  I,  32,  34). 

Wenn  Sayce  uns  die  Namen  ääula^e  und  [ä]äla^e[;c]  (G)  richtig  wie- 
dergegeben hat,  hätten  wir  hier  zwei  verschiedene  Schreibungen  desselben 
Namens,  also  äu  =  ä.  Es  ist  vielleicht  nicht  ausgeschlossen,  dass  ein  ähn- 
licher Diphtong  dialektisch  vorkommen  könnte,  darauf  deuten  Namen  wie 
kar.  EvfioUov  {BCH.  XI,  12):  lyk.  AvZavic  {Reisen  in  Lyl:  II,  190); 
Evvai.  kar.  Ort.  (Steph.  Byz.);  Eunias  nemus,  lyk.  Ort.  (Plin.  5,  101), 
Ev&)]vai,,  Eutane,  kar.  Ort.  (Steph.  Byz.  und  Plin.  5.  107) ;  ijaeusas 
{TA 31.  1,  44,  a  52  = /aaoc  ?).  An  unseren  Namen  erinnert  kar.  OZerag 
{BCH.  VI,  192). 

In  gänemaux  (G  ?)  haben  wir  den  Stamm  k  a  n  a,  der  auch  sonst  viel- 
fach belegt  ist,  vgl.  Canas  (lyk.  Stadt,  Plin.  5,  101):  Kava,  Karva  (lykaon. 
Stadt,  Sfitdies  hi  the  eastern  Boman  prov.  S.  162) ;  Karovg  (pisid.  IG.  XII, 
1,685) ;  Kaveig  (kil.  CIG  III,  440-5);  Kevixog  (\ar.  Fluss,  Ath.  Mitl.  XIV, 
370  f.):  KEverötü/.aßa  (kar.  Stadt.  Afli.  Jlitf.  XI.  327):  Kaviißiov  (kar.  Ortsn. 
St.  Byz.):  Kavvor/.og  (Beiname  des  Zeus  in  kar.  Stratonikeia.  BCH.  XII, 
261  f.).  Da  wohl  a  u  dialektisch  für  a,  e  stehen  kann,  wäre  gänemauz  also 
eine  Erweiterung  des  soeben  erwähnten  Stammes  mit  mi-Suffix  (lyk.  etwa 
*känamah  (G)).  Ziemlich  häufig  kommt  ein  Stamm  k  a  m  i  in  Eigennamen 
vor  (vgl.  Kretschmer,  Ehü.  344.  365),  unserem  k(a)m(i)  entspricht  lykaon. 
Kafifia  {Ath.  Mitt.  XIII,  244  f,  vgl.  auch  das  1yd.  Demot.  Kafttjvog, 
Keil-Premerstein,  Reisen  in  Lydien  S.  48  und  lyk.  cmmi,  TAM.  I  Index). 
Ob  mit  *kuoz(i)  lyk.  cijeze  zu  vergleichen.  TAM.  1  44b  22,  ist,  kann  ich 
nicht  entscheiden :  jedenfalls  ist  es  ja  denkbar,  dass  ein  Demotikon  auch 
als  Name  verwendet  werden  könnte. 

Die  Lesung  l[a];ioz(i)  ist  zwar  sehr  unsicher,  aber  die  Vergleichung  mit 
Aoiyaaig  (pamphyl.  Lauckoronski,  Die  Städte  Bamph.  und  Bis.  I,  Nr.  100).  .1«- 
yovaaa  (lyk.  Insel.  Pape-Benseler,  Griech.  Eigenn.)  ist  ansprechend.  W'enn 
lere/{dnn(a)sa  ein  Name  ist,  haben  wir  hier  erstens  den  Stamm  lara,  lere, 

13 


Zu  (Ich  Icanschcu   I lisch ri ff eii  und  den  (Jarin  vorl'otiimcruleu  Ndiiien.     477 

iler  in  folgeiulen  Namen  hezfiigt  ist:  Arooc  (rhod.  Koine,  /fr  XII  1,  701. 
12):  AeQtog  (Milet.  Demot,  Her.  ,1.  Phil.  22,45);  AaQccvöa  (lykaon.  Ort., 
vgl.  Pape-Bens.) ;  AaQaato(^  (kar.  Beiname  des  Zeus,  vgl.  Rosclier,  Lr.ril;.). 
Der  zweite  Teil  -xdnn(a)sa  hätten  wir  in  Oimydartatc,  (kil.  -isaur., 
Sterret,  Wolfe  E.cp.  S.  69),  dessen  erster  Teil  Ova  mit  lyk.  uwa  identisch 
ist  (vgl.  über  diesen  Stamm  oben). 

Identisch  mit  Mag  ist  ma  (vgl.  Kretschmer,  Einl.  S.  :<38;  vgl.  auch 
Hel)erdey-Kalinka,  Bciscii  in  siidircstl.  Klrinns.  S.  37).  Den  Stamm  ma- 
da  (mede)  haben  wir  in  mad(a)sa  und  mad(a)month(e).  Dieser  Stamm,  den 
wir  in  dem  lykischen  Namen  mede  (TAM.  I,  29,  7)  vorfinden,  kommt  auch 
in  dem  zusammengesetzten  lykischen  Namen  medemudi  vor  {TAM.  I, 
110,  1).  Nim  erinnert  das  lyk.  medemudi  stark  an  kar.  mad(a)month(e). 
Es  wäre  wohl  nicht  undenkbar,  dass  der  letztere  Name  eine  Variante  des  lyki- 
schen wäre  und  dass  der  zweite  Teil  -moGthfe)  mit  einem  Stamme*munte 
identisch  wäre,  der  in  folgenden  Namen  bezeugt  ist:  Mvvdoc,  (kar.  Ortsn., 
vgl.  Pape-Benseler;  lyk.  Name,  CIG  III,  4302);  Movvöio)v  (pisid.  GIG  III, 
4366"),  Aemyndus  (kar.  Insel.  Plin.  5.  134),  Kaiivvöoc,  (rhod.  Ortsn.). 
Der  karische  Name  würde  dann  griechisch  etwa  *Msöefivvöig  wiederzu- 
geben sein  (vgl.  Mevs/ivöig,  phryg.  CIG  III,  add.  3827',  das  wohl  das 
lykische  medemudi  wiedergeben  soll)  und  der  nasalische  Charakter  des 
Zeichens  D  hätte  sich  damit  ergeben.  Wie  Sayce  bemerkt,  erinnert  mag- 
sath(e)  an  lyk.  makzza,  kar.  Mo^og,  ohne  dass  wir  jedoch  etwas  bestimmtes 
hierüber  sagen  könnten,  weil  wir  nicht  einmal  sicher  wissen,  ob  wir  in 
dem  karischen  Text  mit  Namen  zu  tun  haben.  Einen  Stamm  m  a  k  a 
geben  maknss(i),  m(e)Ku-.  mäku-.  Derselbe  steckt  im  lyk.  makah  (G) 
{TA3I.  I,  78) :  Mayag  (lyk.  Heberdey- Kaiinka.  Reisen  im  siidwestl.  Kleinas. 
S.  39;  aus  der  Kibyratis.  Beisen  in  Lijk.  II,  192)  ;  Ma^a  (lyk.  CIG  III, 
add  4300''):  MsyeaaaQog  (kilik.  König,  Äpollodoros  III,  14.3);  Meya- 
avatoQ  (lyk.  BCH.  XIV,  171) ;  MayuQaog,  MsyaQOOQ  (kil.  Ortsn..  Heber- 
dey-Kalinka,  Beisen  in  Kil.  9).  Diesen  Stamm  mit  s- Suffix  haben  wir 
also  in  maknss(i)  imd  wenn  D  wirklich  einen  nasalierten  Vokal  bezeich- 
net, wäre  hier  eine  Nasalierung  vor  dem  s-Suffix  eingetreten,  was  selten 
bezeugt  ist,  aber  jedoch  vorkommen  kann,  vgl.  z.  B.  lyk.  ahamäsi  {TAM. 
1,  14),  telezi  (Stamm  tele.  vgl.  TAM.  I,  Index),  SuQavaog,  ^Qavaog  (kar. 
Ort,  BCH.  IV.  196  f.)  u.  a.  Mit  anderer  Vokalisation  scheint  dieser  Stamm 
in  m(i)gula  vorzuliegen,  das  an  lykaon.  Mf/.ikog  erinnert  {Ath.  Mitt.  XIII, 
244  f.  :  vgl.  ferner  Mr/.Mi.  Mr/.xog,  lykaon.  Ath.  Miü.  XIII,  244  f.  ;  Mixv- 
Qog.  kil.,  Heberdey-Wilhelm,  Brisen  in  Kil.  S.  76  ;  Mr/ufvoK,  kar.,  BCH. 
IV,  304;  MiyMvianjg,  lykaon.  Dem,  Sterret,  Wolfe  Exp.  S.  271  f.;  Mixv- 
d-og,  kar.  BCH.  IV,  304).  Schliesslich  ist  *m(e)gäove  ein  Kompositum 
mit  ove  (vgl.  über  diesen  Stamm  oben). 

Zwei  verschiedene  Schreibungen  desselben  Namens  sind  vielleicht  ma- 
w(a)na>cxhe  und  mawanin(e),  der  mit  na-Suffix  vom  Stamme  m  a  w  a  ge- 

14 


478  Joh.  SttmhvaU, 

bildet  ist  und  sich  in  dem  karischen  Demos-namen  Mavi'va  wiederfindet 
(Demot.  MavvviTijg,  Muivwit^jq  BCH.  V,  108;  Ath.  Mitt.  XV,  261).  Per- 
sonen und  Ortsnamen  sind  bei  den  Kleinasiaten  bisweilen  identisch.  Vielleicht 
ist  ma\v(a)na/£Hhe  Demotikon.  nicht  Patronymikon,  in  Analogie  mit  z.  B. 
lyk.  arfmahe  (vgl.  kerei  arnnahe,  Brit.  Mus.  Caf.  Lycia),  also  würde  ma- 
w(a)naxxhe  etwa  lykischem  *niawännahe  entsprechen.  Der  Stamm  mawa 
(mewe),  der  in  mehreren  lykischen  Wörtern  belegt  ist  (vgl.  TAM.  I,  In- 
dex), kommt  auch  in  folgenden  Namen  vor:  lyk.  merimawa  (TA3I.  I.  27); 
MeQiuavaaa  (lyk.  CIG  III  add.  4216) ;  Mava  (Inschr.  von  Telos,  IG 
Xin,  3).  Der  "karische  Name  Mor,vro<;  (BCH.  IV,  296  f.)  ist  von  dem 
entsprechenden  u-Stamme  m  u  w  a  abgeleitet,  der  in  der  kleinasiatischen 
Namengebung  eine  so  wichtige  Kolle  spielt  (vgl.  Kretsehmer,  EM. 
S.  332  f).  Dem  griechisch  überlieferten  ^lavirag  (kar.,  Le  Bas -Wad- 
dington Nr.  879;  1yd.  Ditt.  Si/IL'-  95)  entspricht  wohl  meunC]9-(i).  mit 
t-Suffix  vom  Stamme  m  a  n  a  (mene)  gebildet  (vgl.  Mai'oaoc  lykaon.  Ath. 
Mitt.  XIII,  244  ;  Marova.  pis.  Ortsn..  vgl.  Kretsehmer,  Eiiil.  399.  1:  über  eu 
für  a,  e  vgl.  oben).  Den  häufig  bezeugten  Stamm  m  a  s  a  (vgl.  lyk.  masasi, 
masasa  =  Maaa,  TAM.  I.  99.  118. 134;  3JaaaQig,  karische  Gottheit,  Steph. 
Byz.  bei  MaaravQa;  TeQße/iaaig,  kil.,  J.  ofHell.  Sfud.  XII,  266  ;  Maaoay.v- 
TOg,  MaaixvTog,  lyk.  Vorgeb.,  vgl.  Pape-Bens.)  haben  wir  in  mesewe,  das 
sich  ofl'enbar  mit  isaur.  Macova  deckt  {BCH.  1902,  225  f.)  und  mit  dem 
wa- Suffix  abgeleitet  ist.  Von  einem  mit  na-Suffix  erweiterten  Stamme  m  a- 
sana  (lyk.  masänna)  sind  mes(a)nab[n],  m(e)s(,a)na;£y  gebildet.  Dieser 
Stamm  liegt  bei  dem  kar.  Demot.  Maaacövevg  vor  (Le  Bas,  Nr.  415)  und 
mit  demselben  ist  auch  der  kai-ische  Stadtnarae  MaaaroiQadu  (Steph.  Byz.) 
zusammengesetzt  (etwa  masana  und  arada).  Mit  b-Suffix  ist  nun  nies(a)- 
nabn  davon  abgeleitet,  analog  dem  Meaaaßa  (kar.  Stadt,  Steph.  Byz.) 
vom  unerweiterten  masa-Stamme:  mit  Guttural-Suffix  wieder  mes(a)nxay, 
analog  dem  3Ieao)yic.  Meaawyig  (1yd.  Gebirge)  vom  unerweiterten  Stamme. 
In  m(e)s(a)nax(a)v(e)  könnte  der  zweite  Teil  der  oben  erwähnte  Stamm 
kawa  sein  (vgl.  AaZay.aot'),  in  m(e)s(a)naxy;«(e),  wenn  hier  ein  Nomina- 
tiv vorliegt,  ein  Stamm  k  u  k  a.  der  vielfach  belegt  ist  (z.  B.  Idayvyog,  kar. 
BCH.  IV,  296  f.).  Was  schliesslich  m(i)zaä  betrifft,  so  ist  dessen  Äehnlich- 
keit  mit  lyk.  miza  {Menog)  unverkennbar.  Dem  Nominativ-Ausgang  ist 
hier  ein  zweiter  Vokal  zugefügt,  wie  bisweilen  auch  in  den  lykischen  Na- 
men, z.  B.  uhacee,.  tewinezei  (vgl.  TAM.  I.  Index),  wo  dann  der  erstere 
Vokal  nasaliert  wird.  Die  Stammform  m  i  s  a  ist  auch  in  kil.  Miaig  (He- 
berdey- Wilhelm.  Be.isen  in  KU.  S.  77)  und  lykaon.  Dem.  Mi[^a']v?.iaTi]g 
(Ramsay,  Stuä.  in  the  eastcrn  Born.  prov.   Xenoi  Tel-nior.)  bezeugt. 

Die  Lesung  von  tu[gu]zex  (G)  ud  [t]osuw(e)5-i  ist  sehr  unsicher.  Im 
ersteren  Namen  ist  der  Wert  von  X  noch  nicht  sicher  festgestellt,  im 
letzteren  nicht  der  Anfangsbuchstabe.  Jedenfalls  endigt  dieser  Name  auf 
w  e  t  i ,  welcher  Namenausgang  auch  bei  lykischen  Namen  vorkommt  (vgl. 

15 


Zu  den  hari.fdien  IttxrlnijhH  iiiiil  ilrii  iliiihi  rnrlcitmiiictulcti  Natiwu.     479 

huittuweti).  Identisch  mit  tuw{e)l(e),  tüw(e)l(e)  ist  kibyrat.  ToaXXic,  (He- 
bordcy-Kalinka.  fxcisen  im  siUlwesfl.  Klelnas.  S.  10)  und  mit  ija-Suffix 
kibyrat.  ToaZioc  {BGH.  X,  234).  Der  Stamm  t  u  w  a,  von  welchem  diese 
abgeleitet  sind,  ist  auch  sonst  bezeugt,  z.  B.  lyk.  tuwada  {TAM.  I,  42; 
vgl.  Index).  Und  schlie.'islich  ist  wo[s](e)kK  (G)  (N.  *wos(i))  mit  Ovaaig 
(kil..  .7.  of  Hell.  Stml.  XII,  238).  Ovaaaog  (lyk.  Oesfi:  Jhr/i.  V,  200;  kar. 
Ortsn.  BGH.  IV,  296  f.)  identisch,  das  auch  im  lykischen  vorkommt  (vgl. 
wasala  und  übei-haupt  TAM.  I,  Index).  In  mehreren  Namen  ist  indessen 
w  a  z  i  kein  selbständiges  Wort,  sondern  suffixal  (vgl.  oben). 

Es  erübrigt  uns  noch  einige  allgemeine  Bemerkungen  zu  machen. 
Nach  der  Bildung  der  Namen  und  deren  Flexion  zu  urteilen,  ist  die 
nahe  Verwandtschaft  der  karisehen  und  lykischen 
Sprache  unleugbar.  Ich  glaube  die  Verwandtschaft  über  Kret- 
schmers  Darlegungen  hinaus  {Eiiil.  S.  382  f.)  begründet  zu  haben.  Der 
Nomin.  sing,  geht  bei  den  karischen  Namen  auf  Vokale  aus  (e,  ä,  a,  Di 
y,  o),  wie  bei  den  lykischen  (a,  e.  i),  der  Genet.  sing,  auf  ax,  ex,  äx,  ox, 
eg,  exhe.  okhe,  aux,  axxhe,  a^xhe  bei  den  karischen,  auf  ah,  eh,  ahe, 
ehe  bei  den  lykischen  Namen,  also  eine  augenscheinliche  Uebereinstim- 
mung,  nur  das  dem  h-Laut  ein  Gutturallaut  im  karischen  entspricht.  So- 
dann haben  wir  ausser  übereinstimmenden  Namen  und  Namenstämmen  auch 
dieselben  Ableitungsendungen ;  das  lykische  Suffix  ija  ist  karisch  ya;  fer- 
ner kommen  in  beiden  Sprachen  (a)sa-.  b-,  we-,  t-,  na-,  1-Suffixe  sowie 
-wemi-,  -weti-,  -waza- Ausgänge  vor.  Dieselbe  Schwankung  zwischen  a- 
und  e-Laut,  die  für  das  Lykische  eigentümlich  ist  (vgl.  Kluge  a.  0. 
S.  116  f),  finden  wir  im  Karischen  wieder.  Schliesslich  glaube  ich  im 
Karischen  dasselbe  Wort  für  und  wie  im  Lykischen  (s  e  =  und,  vgl. 
TAM.  I.  S.  8)  zu  finden,  nämlich  s  s  a :  XX\^II  (a)raw(a)ssy  |  ssa  äx(e)v(e) 
skovex,  wohl  =  a.  und  ä.  Söhne  d.  s. ;  XVII.  11.  1  N  |  ssa  |  m(e)s(a)na- 
xyx(e)  —  =   N.  und  m. 

Andererseits  können  wir  auch  gewisse  Eigentümlichkeiten  des  Kari- 
schen beobachten,  z.  B.  einen  häufigen  LTebergang  des  a-  und  e-Lautes 
in  o-Laut.  Schon  aus  den  griechisch  überlieferten  karischen  Namen  kann 
eine  gewisse  Vorliebe  für  a>,  o  erschlossen  werden.  So  haben  wir  z.  B. 
neben  kar.  AxTCtvaaaig  auch  Axzcoaaaig  {BGH.  IV,  .523);  kil.-isaur.  Av- 
tanoag  (Sterrett.  WoJfe  Exp.  S.  65)  —  kar.  Qrtioaavaaaog  (Ditt.  SijU.  - 
11);  kil.  KaaiaßaZa  (vgl.  Pape-Bens).  —  kar.  EcoaroßccÄnv  (Kontoleon, 
'Ai'Exö.  inty.  S.  22) ;  lyk.  pikedere  ( TAM.  I.  4.5,  1 )  —  kar.  ni^ioöo}(jog 
(vgl.  Pape-Benseler) ;  Ij'k.  ecatamla  {TAM.  l,  22")  —  kar.  F.y.uioiiviog 
(Fape-Benseler) ;  kil. -isaur.  ila,MOS  (Pape-Benseler)  —  kar.  ^Iw/terc  (^1//'. 
Mitt.  XI.  203 f.).  kil.  Kaaiaha  (Steph.  Byz.)  und  lyk.  KaaroiUog  (Steph. 
Byz.)  —  kar.  KoaraUiog  (BGH.  XIL  23  f.) ;  pamphyl.  Keaßeöiov  (Polyb. 
5.  75)  —  kar.  KaaßaUig  (Newton,  A.  hist.  of  cliscov.  at  Halil:  p.  671, 
1.  12,  vgL  Xaaßco  —  kar.  Ortsn.  Le  Bas.  425);  lyk.  kbada  {TAM.  I,  In- 

16 


480  Joh.  Siimhrall.  Zu  den  karischeji  Inschriften  etr. 

dex),  pisid.  Kßt]öaaig  (Lanckoronski.  Die  Städte  Pdinph.  tind  Pis.  II,  203), 
k-il.  Kßeöiaaig  [J.  of  Hell.  Stiid.  XII.  247)  —  kar.  Kßwötjg  {BQM.  IV, 
296  f.)  und  Kßovöiaaaig  (BGH.  IV,  296  f.)  us-sv.  Was  diese  Beispiele 
uns  zeigen,  bestätigen  die  einheimischen  Denkmäler.  Neben  lyk.  arawa- 
zija  steht  kar.  (a)ravossyä,  das  Genetiv-Suffix  geht  bisweilen  auf  ox,  okhe 
aus  statt  auf  &'/..  er.,  lyk.  ah,  eh.  der  Nominativ  bisweilen  auf  o  statt  a, 
e,  das  Suffix  ya,  yä  wechselt  mit  yo.  Es  geht  auch  hervoi",  dass  die 
o-VokaHsation  nicht  regelmässig  ist,  aber  durchaus  häufiger  als  im  Lyki- 
schen.  in  welchem  z.  B.  nur  einmal  u  h  als  Genetivsuf'fix  sicher  belegt  ist. 
Ueberhaupt  ist  die  karische  Sprache  reicher  an  Vokalen  als  die  lykische 
(zwei  e-  und  u-Laute  und  wohl  ein  Diphtong).  Eine  Eigentümlichkeit 
ist  auch  die  Schwächung  eines  Labiallautes  in  w.  v,  ein  Vorgang,  wovon 
schon  oben  die  Rede  war,  und  der  weder  regelmässig  im  Karischen,  noch 
auf  das  karische  Gebiet  beschränkt  ist.  Schliesslich  will  ich  noch  auf 
eine  für  die  karischen  Namen  eigentümliche  Erscheinung  hinweisen,  ob- 
wohl ich  mich  allerdings  nur  auf  das  giüechisch  überlieferte  Namenmate- 
rial berufen  kann.  Es  ist  dies  eine  Parallele  11:  Id,  die  schon  Kretsch- 
mer  erkannt  hatte  [Einl.  327)  und  die  folgende  Beispiele  zeigen :  Taaoik- 
dog  (BCH.  IV,  296  f.),  naqavaawkdog,  nuQvaaoyUog  {BGH.  IV.  296  f. ; 
Reisen  in  LyMen  I,  11),  TooeZöo/iog,  TaaaÄöcouog  (Herod.  VII.  98), 
IfißaQf]Mog  {BGH.  IV,  296  f),  KoZcoZöog  {BGH.  iV.  296  f).  neZöefwg 
Ditt.  Si/tl.^  95),  AyMQfWfiEZöwv  {Reisen  in  Li/Men  I,  11)  usw.  Weil  wir 
sonst  keine  Namenstämme  kennen,  die  mit  einer  derartigen  Lautverbindung 
Id  stimmen,  dagegen  ähnliche  Namen  mit  nur  1-Laut,  wie  laaio/J.og  {BGH. 
IV.  296  f.),  nuQavaaco/J.og  {BGH.  IV,  296  f.).  HeUemg  (lyk.  BGH.  X, 
41)  vorkommen  sowie  das  1-Suftix  (-o/iog,  -a/.og).  halte  ich  mit  Kretsch- 
mer  Id  für  eine  sekundäre  Lauterscheinung,  die  für  das  Karische  spezifisch 
ist,  ohne  indessen  eine  Regel  zu  sein. 
Helsinsffors. 


17 


481 


Der  Ursprung  der  Zahleiisymbole 

<(W  (15)  =  imnu  ,rechts'  und   p^  (150)   =  sumelu  ,links- 

in  pythagoreischer  Beleuchtung. 

Von  F.  X.  Klistier. 

Die  Zahlensymbolik  war  bekanntlich  ein  Lieblingsthema  vieler  füliren- 
den  Geister  der  antiken  Welt.  Während  A  u  g  u  s  t  i  n  u  s .  der  grosse  Bi- 
schof von  Hippo,  mit  scharfen  Waffen  gegen  jede  Art  von  Aberglaube, 
insbesondere  gegen  die  Astrologen  (die  malhemalici)  zu  Felde  zieht^) 
ist  ihm  die  Deutung  der  Zahlen  etwas  höchst  Würdiges.  Denn  die  Ger 
setze  der  Zahlen  sind  nicht  —  wie  so  vieles  andere  —  dem  Schwanken 
und  Wechsel  menschlicher  Meinung  unterworfen,  sondern  in  sich  fest  be- 
gründet und  unwandelbar  -).  Sie  fühi-en  sich  demnach  auf  Gott,  die  Quelle 
jeglicher  Wahrheit  zurück,  und  die  Offenbarungen  Gottes  im  Reiche  der 
Gnade  ebensowohl  wie  in  der  natürlichen  Ordnung  erscheinen  im  Gewände 
der  Zahl').  Augustinus  tritt  hier  bis  zu  einem  gewissen  Grade  in  die 
FulJstapfen  eines  Plato  und  Pythagoras.  welch  letzteren  man  ge- 
wöhnlich als  eigentlichen  Vater  der  Zahlensymbolik  ansieht.  Aber  auch 
er  ist  nur  der  Erbe  einer  Lehre,  deren  Wurzeln  bis  in  das  III.  Jahrtau- 
send zui'ückgehen  :  ihre  eigentliche  Heimat  ist  S  ti  d  b  a  by  1  o  n  i  en  ,  das 
als  eine  der  ältesten  Pflegestätten  der  Mathematik  bezeichnet  werden  darf^). 

Die  praktischen  Bedürfnisse  eines  ausgedehnten  Landhaus  und  der 
damit    verbundenen    Verwaltungsgeschäfte    gaben    den    Hauptanstoss    zur 

1)  Sancti  Äureli  Augustini  opera  omnia,  ed.  Migne  (1841),  tom.  III  col.  .51. 

2)  Jamvero  numeri  di.sciplina  cuilibet  tardissimo  darum  est  quod  non  sit  ab 
hominibus  instituta,  sed  potius  indagata  atque  inventa  Non  enim  sicut  primam 
syllabam  Italiae,  quam  brevem  pronuntiaverunt  veteres,  voluit  Virgilius,  et  longa 
facta  est ;  ita  quisquam  potest  efficere  cum  voluerit,  ut  ter  terna  non  sit  noveni,  aut 

non  possint  efficere  quadratem  flguram Sive  ergo  in  seipsis  considerentur, 

sivc  ad  flgurarum  aut  ad  sonorum  aliarum  motionum  leges  numeri  adhibeantur,  im- 
mutabiles  regulas  habent,  neque  ullo  modo  ab  hominibus  institutas,  sed  ingeniosorum 
sagacitate  compertas. 

3)  Siehe  besonders  das  weiter  unten  p.  488.  erwähnte  klassische  Beispiel. 

4)  Mehr  lässt  sich  hierüber  zurzeit  nicht  sagen.  Denn  das  Rechenbuch  des  Ahmes, 
dessen  Abfassung  zwischen  2000  und  1700  v.  Ch.  fällt  und  nach  älteren  Vorlagen 
abgefasst  ist,  bezeugt  sowohl  das  hohe  Alter  als  auch  eine  vom  babylonischen  Geiste 
unabhängige  Entwicklung  der  ägyptischen  Rechenkunst. 


482  F.  X.  Kufjlci\ 

Entwicklung  der  sumerisclion  Arithmetik  und  Geometrie.  Das  Bau-  und 
Kunstgewerbe,  besonders  im  Dienste  der  Religion,  führte  notwendig  zu 
einer  genaueren  Kenntnis  stereometrischer  Massverhältnisse  und  Raumbe- 
rechnungen. Endlicli  entdeckte  man  —  wenn  auch  wohl  viel  später  — . 
dass  auch  die  Akustik  von  Zahlengesetzen  beherrscht  ist,  indem  man  ge- 
wahrte, dass  die  Harmonie  der  Töne  an  ein  bestimmtes  Verhältnis  der 
Saitenlängen  gebunden  ist').  Schon  erheblieh  früher,  weil  unmittelbarer, 
drängte  sich  der  sinnigen  Naturbeobachtung  der  Sumerer  und  der  babyloni- 
schen Semiten  die  Wahrnehmung  auf.  dass  auch  die  Gottheit  selbst  auf 
mannigfache  Weise  durch  Mass  und  Zahl  sich  offenbart.  Die  gesetzmässi- 
gen  Formen  der  mineralischen  Kristalle,  die  Eci.  der  göttliche  Künstler,  im 
Schosse  der  Erde  bildet,  die  Harmonie  im  Bau  des  tierischen  und  mensch- 
lichen Körpers,  vor  allem  aber  die  räumlich  oder  zeitlich  konstanten  Er- 
scheinungen am  gestirnten  Himmel  führten  gewiss  schon  früh  zu  der 
Ueberzeugung,  dass  die  Zahl  der  prägnanteste  Ausdruck  des  göttlichen 
Wesens  und  Wirkens  ist  ^).  Nur  so  erklärt  es  sich,  warum  man  jedem 
der  grossen  Götter  seine  eigene  Zahl  beilegte,  warum  im  Kult  gewisse 
Zahlen  eine  wesentliche  Rolle  spielen,  warum  Heil  und  Unheil  in  Ver- 
bindung mit  gewissen  Zahlen  erscheint. 

So  klar  indes  die  Tatsache  einer  ausgedehnten  Zahlensymbolik  der 
Babylonier  und  der  von  ihnen  abhängigen  Assyrer  vor  uns  liegt,  so  schwie- 
rig ist  es.  den  Zusammenhang  im  Einzelnen  nachzuweisen.  Manche  sind 
sogar  sehr  geneigt,  jeden  derartigen  Versuch  als  ein  müssiges  Spiel  der 
Phantasie  a  limine  abzuweisen.  Aus  diesem  Verhalten  spricht  aber  nur 
die  Scheu  vor  der  Mühe,  sich  in  eine  uns  ganz  fremde  und  chimärisch 
anmutende  Geisteswelt  zu  versenken.  Freilich  liegt  die  Gefahr  nahe,  dass 
man  bei  ihrer  Erforschung  eigene  Phantasien  in  das  antike  Zahlenspiel 
hineinträgt.  Lässt  man  indes  nur  die  Tatsachen  sprechen  und  beschränkt 
man  sich  auf  Schlussfolgerungen,  die  sich  mit  Notwendigkeit  aus  jenen 
ergeben,    so-  bleibt   auch  hier    der  wissenschaftliche  Charakter  der  Unter- 


1)  Nach  Jamblichus  (T/fpi  t//?  Nixo/xri/oi>  aQt&ftt]Xtxr/g  etanywyiji;  =  In  Nicomachi 
nrithmeticam  introdudionem  über,  ed.  Pistelli.  Bibl.  Teubn..  p.  118,  20  sq.)  ist  die 
.musikalische  Proportion',  die  sich  aus  zwei  Zahlen  (a  und  b),  deren  arith- 
metischem ('- „     )  und  harmonischem  Mittel  ( — ~-A  bildet,  also  die  Form 

■     2     -'  'a  -|-  b 

a  -I-  b         2  a  b       , 
2  a  -|-  b 

hat,  von  den  Babyloniern  erfunden  und  von  Pythagoras  aus  Babylon  zu  den  Hel- 
lenen gebracht  worden.  —  Die  Musik  stand  bekanntlich  in  Babylonien  in  hoher 
Blüte,  wie  die  verschiedensten  Blas-,  Saiten-  und  Schlaginstrumente  beweisen,  die 
teils  in  den  Texten  erwähnt,  teils  auch  bildlich  dargestellt  sind  (vgl.  die  Zusammen- 
stellung bei  Frank.  Studien  z.  Bah.  Bei.  p.  229  ff.). 

2)  Vgl.  bes.  meine  Abhandlung  Die  Symbolik  der  Neunsahl  in  Sternkunde  II,  192  ff. 


Der  UrsiHUDij  huh;//.  /uMiDsf/nilxjIc  in  /ii/t/iKtfinrisrlirr  H,lr„rl,/,i,i;/.      483 

suchiing  und  deren  kulturliisturisilier  Wert  gesichert.  Wenn  der  l'svehiii- 
ter  die  krankhalten  Aeusserungen  eines  umnac-hteten  Geistes  in  ihrem  ur- 
sächlichen Zusammenhang  mit  organischen  Störungen  erforscht,  so  wird 
kein  Vierstündiger  darüber  läclieln.  Nicht  minder  würdig  ist  aber  die 
Aufgabe,  den  verschhmgenen  Irrpfaden  nachzuspüren,  auf  denen  einst  die 
Besten  ihrer  Zeit  nach  dem  Lichte  einer  höheren  Erkenntnis  strebten. 
Und  so  paradox  es  klingen  mag:  je  fremdartiger  und  bizarrer  die  Ideen 
der  Vorzeit  sind,  um  so  wiclitiger  sind  sie  oft  für  die  Kulturgeschichte. 
Denn  dieser  liegt  es  vor  allem  ol),  den  geistigen  Zusammenhang  verschie- 
dener Völker  und  Zeiten  nachzuweisen.  Dieser  Zusammenhang  tritt  aber 
nirgends  mit  solcher  Evidenz  hervor  wie  in  der  Gemeinsamkeit  von  ab- 
sonderlichen Anschauungen.  Damit  ist  zugleich  das  Hauptziel  dieser  Unter- 
suchung angedeutet:  sie  soll  —  soweit  dies  heute  möglich  ist  —  den  Be- 
weis erbringen,  dass  die  pythagoreische  Schule  ihre  Zahlensymbolik  im 
wesentlichen  aus  babylonischer  (bzw.  assyrischer)  Quelle  geschöpft  und  als 
anscheinend  kostbares  Erbe  den  kommenden  Jahrhunderten  und  selbst  dem 
christlichen  Altertum  hinterlassen  hat. 

Das  nächste  Ziel  dieser  Arbeit  hat  anscheinend  mit  jener  Abhängig- 
keitsfrage   nichts    zu    tun:    es   gilt  nämlich    zuerst,    das   Rätsel    zu    lösen, 

warum    die  Assyrer   den   Begrifl'   .rechts'    durch    <<pp  (1.5) 

und  den  Begriff  .links'  durch  J^<^  (150)  ausgedrückt 
haben').     Die  Beweismomente,    die  hierbei    zur  Geltung    kommen,    sind 


1)  Daran   dass  auch    ]T<lJ8C    fi"«  Zahl  tlaistelU.    ist  nicht    zu    zweifeln.     Hatten 

die  Babylonier  .rechts-  und  .links'  astronomisch  ausdrücken  wollen,  so  hätte 
dies  auf  Grund  der  Gleichungen  rechts  =  westlich,  links  =  östlich  geschehen 
können.  Viel  näher  lag  jedoch  die  Verwendung  der  symmetrischen  Bilder  der 
rechten  und  linken  Hand  —  oder  was  noch  sicherer  war  —  die  der  beiden  Arme 
einschliesslich    eines    Teiles    des    Oberschenkels.     In     der    Tat    stellt     bekanntlich 

die  archäische  Form  ^       "^  von  ijiih  =  sumeli(  =   .links'    einen    linken  Arm  dar. 

Hiernach  sollte  man  erwarten,  dass  da,  dessen  ursprüngliche  Form  ^  ,^  einen 
rechten  Arm  darstellt,  als  Ideogramm  für  , rechts'  verwendet  worden  wäre;  aber  statt 
dessen  hat  man  qß^* ,  arch.  /\ ^  (zid)  und  ßM,  arch.  ^3  (^ag)  gewählt,  ob- 
wohl keines  der  beiden  Zeichen  den  Begritt  .rechts'  direkt  zum  Ausdruck  bringt. 
Allem  Anschein  nach  ist  die  Bedeutung  lul  =  .rechts'  die  ältere;  aber  auch  sie  ist 
erst  aus  zid  =  kenn  ,recht,  normal,  günstig'  hervorgegangen.  Im  Bewusstsein  des 
übertragenen  Sinnes  hat  man  es  auch  —  so  viel  ich  sehe  —  in  der  ältesten  Zeit  ver- 
mieden, zid  für  sich  allein  zur  Bezeichnung  von  ,rechts'  zu  verwenden;   vielmehr 


484  F.  X.  Kugler, 

aber  unseres  Erachtens  auch    für  die  Hauptfrage    von  entscheidender  Be- 
deutung. 

Zunächst  muss  festgestellt  werden,  dass  an  eine  irgendwie  lokale 
Bedeutung  dieser  Symbole  nicht  zu  denken  ist.  Denn  es  gibt  keine 
zwei  auffallende  Naturerscheinungen,  von  welchen  die  eine  rechts  (bzw. 
westlich)'),   die  andere  links  (bzw.  östlich)  auftritt   und   die  zugleich  zeit- 


kommt die  lokale  Bedeutung  entweder  durch  vorangestelltes  g^jljT  •  iirrli.  ^  "^'fflJS^^  (»)■ 

, Seite'  oder  durch  die  Yerbinduug  mit  dem  entgegesetzteu  giih  (liuks)  zum  Ausdruck 
(vgl.  Thureau-Dangin  8^^92,3, 16;  94, -5, 10;  100,11,2  (d-zifd)-da).  92,4.19;  94,5,16 
(^id-da  güh-na).  Freilich  hätte  d  allein  schon  zur  Bezeichnung  von  .rechts'  genügt; 
denn  gleich  da  stellt  es  ursprünglich  einen  rechten  Arm  dar.  ( Die  geknickten  oder 
auch  sich  kreuzenden  Linien  auf  dem  Vorderarm  von  d  sind  meines  Erachtens  weder 
eine  Gunierung  (Delitzch)  noch  eine  Tättowierung  (Hilprecht),  sondern  eine  B  e- 
wehrung  Daher  d  =  .Kraft',  vor  allem  im  physischen,  aber  auch  im  intellek- 
tuellen und  ethischen  Sinne.)  Merkwürdig  ist  die  Gleichung  sag  =  rechts.  Das  ur- 
sprüngliche Zeichen  {REC  176)  drückt  irgendwie  eine  feste  Umschliessung  aus;  dar- 
aus ergeben  sieh  die  Bedeutungen  Band.  Grenze,  Seite,  Kraft.  Die  Bedeutung  ,rechts' 
aber  kommt  daher,  dass  die  rechte  Seite  die  bevorzugte,  kräftigste  ist  (vgl.  dazu  die 
ideogr.  Bezeichnung  5  7.  BI  von  ütänu,  Norden  als  die  Richtung,  d.  h.  die  Haupt- 
oder Normalrichtung).  Es  scheint  rair  indes  sehr  zweifelhaft,  ob  zag  schon  in  den 
ältesten  Texten  speziell  die  rechte  Seite  bezeichnet;  denn  die  Stelle  SAK  92,3  11 
za^-mu  mu-us  muss  nicht  unbedingt :  ,zu  meiner  Rechten  habe  ich  hingestellt'  über- 
setzt werden. 

1)  Vgl.  m.  Sternkunde  H,  1  p.  60  und  Eet:  d'Ass.  Till,  p.  111  n.  1.  Auch  bei  Pli- 
nius  (so  in  Eist.  nat.  II,  8  (6))  ist  laeva  pars,  laevum  latus  =  Osten.  Es  ist  aber 
doch  schwerlich  richtig,  wenn  Grünbaum  (ZDGM  XXI,  604)  meint;  .Der  Osten,  die 
glückverheissende  Lichtseite,  war  durch  die  Auguren  die  linke  Seite  geworden".  Viel- 
mehr war  gerade  diese  Identifizierung  ganz  natürlich.  Denn  von  den  geographischen 
Breiten  aus.  die  hier  in  Betracht  kommen  (30"  und  mehr),  erscheint  die  östliche  Seite 
von  Mond  und  Sonne  links,  die  westliche  rechts ;  ebenso  vollzieht  sich  die  scheinbare 
ost-westliche  Bewegung  derselben  sowie  die  der  Planeten  von  links  nach  rechts. 
Darauf  beruhen  auch  die  Gleichungen  ina  päni  ,auf  der  Vorderseite'  =  westlich  und 
ina  arki  ,auf  der  Rückseite'  =  östlich  (so  in  den  astronomischen  Tafeln  der  Spät- 
zeit). Bei  der  Becherwahrsagung  war  die  Orientierung  eine  andere.  Der  barü  (Wahr- 
sagepriester), der  den  Becher  vor  sich  hatte,  schaute  nach  Osten,  der  aufgehenden 
Sonne.  Der  Sonnengott  Samas  war  eben  die  oberste  Instanz  und  er  fällte  sein  Ur- 
teil bei  seinem  Aufgang.  Diese  Anschauung  tritt  auch  bei  andern  Wahrsageriten 
der  Babylonier  hervor  (vgl.  Zimmern,  Beitr.  z.  Kenntn.  d.  Bah.  Bei  89  f.  u.  83 ;  Hunger, 
liecherwahrsagimg  bei  den  Bahyloniern,  10).  Damit  sind  auch  die  Gleichungen  hinten 
=  westlich,  links  =  nördlich,  rechts  =  südlich  gegeben  (vgl.  Hunger,  1.  c.  Text  Ä, 
4-5  und  B.  1-5 — 18).  Die  gleiche  Orientierung,  wenn  auch  aus  anderem  Grunde,  findet 
sich  auch  im  Hebräischen:  hier  ist  die  linke  Seite,  bsa™  =  Norden,  die  rechte 
pa^  =  Süden,  weil  die  Vorderseite  n~p  =  Osten,  die  Rückseite  i'-HK  =  Westen  ist. 
Bei  den  Griechen  ist  der  Osten  =  rechte  Seite.  Nach  Aristoteles  {de  caelo 
n,  2)  kommt  dies  daher,  dass  der  Anfang  der  Bewegung  im  Osten  liegt.  Wahr- 
scheinlicher ist  es  jedoch,  dass  man  sich  —  besonders  auf  dem  Meere  des  Nachts  — 
nach  dem  Nordpol  bzw.  Polargestirn  richtete,  wodurch  natürlich  der  Osten  zur  rech- 
ten, der  Westen  zur  linken  Seite  wurde. 


Der  Urspnnit/  Imhi/I.  Ziililrusi/iiihnlr  in  /ii/l/iiiiiiirrisr/nr  Bchiif/if/nif/.      485 

lieh  oder  räumlich  an  die  Zahlengrüssen  15  und  150  <?ebunden  sind.  Wohl 
ist  15  das  Symbol  der  Istar- Venus;  dies  hängt  aber  mit  den  Bewegungs- 
verhältnissen des  Venus-Planeten  gewiss  in  keiner  Weise  zusammen.  Ebenso- 
wenig steht  150  mit  astronomischen  Vorgängen  in  irgend  welcher  Ver- 
bindung. Das  Studium  des  menscblichen  (bzw.  tierischen)  Organismus 
konnte  erst  recht  keine  Veranlassung  zu  den  l)eidon  Zahlensymbolen  werden. 
Deshalb  muss  es  als  ausgemacht  gelten,  dass  iliese  Syml)ole  die  Begriffe 
.rechts'  und  .links'  nicht  unmittelbar  zum  Ausdruck  bringen  k  ö  n- 
11  e  u.  Wir  haben  demnach  für  diese  beiden  Begriffe  solche  zu  substi- 
tuieren, die  nacli  allgemein  semitischer  und  speziell  babylonisch-assy- 
rischer Auffassung  mit  den  ersteren  synonym  sind  und  die  zugleich  eine 
zahleusymbolische  Darstellung  gestatten.  Bekanntlich  sind  nun  .rechts,  recht, 
bevorzugt,  günstig'  im  Semitischen  Synonyma,  ebenso  , links,  verkeiirt.  min- 
derwertig, ungünstig ').  Dies  tritt  auch  insbesondere  im  Babylonischen 
hervor.  Sowolil  in  der  Astrologie  als  auch  in  der  Leberschau  repräsen- 
tiert die  rechte  Seite  den  König  des  Landes,  die  linke  dagegen  den  Feind  ^). 
Ferner  ist  die  rechte  Seite  die  wahre,  bevorzugte  Seite').  Endlich  ist  die 
linke  Seite  durch  die  Gleichung  .<i(iiielu  =  niii-r/iii-ga  ausdrücklich  als  die 
, widrige,   unheilvolle'  bezeugt*). 

1)  Vgl.  Grünbaum,  ZDMG  XXI,  601  fi'. 

2)  Nach  Thomps.  Bep.  Text  XXX,  b  S.  und  XLI,  ö  tf.  wird  dev  König  durch  das 
rechte  Hörn  des  Mondes,  der  Feind  durch  das  linlie  Hern  symbolisiert.  Ebenso  ist 
die  rechte  (und  obere)  Seite  der  Leber  die  des  Herrschers,  die  linke  (und  untere)  die 
des  Feindes  (A.  Boissier,  Choix  de  Textes  relatifs  ä  la  Divination  ttssyro-hahßonienne 
p.  39  SS.;  Jastrow  Bei.  Bah.  Ass.  p.  354). 

3)  Delitzsch,  Assyrisches  Handwörterbuch  [BW]  p.  307,  6;  vgl.  oben  .S.  483  Anm.  1. 

4)  Lotz.  Die  Inschriften  Ti/f/uthpilcsers  I,  p.  87  Anm.  2;  Zimmern.  Bah.  Busspsal- 
men p.  40;  Del.  HW  668,  a.  An  der  Tatsache,  dass  rechts  :=  günstig,  links  =  un- 
günstig, vermögen  gewisse  Wetter-,  Leber-  und  Oelomina,  die  man  dagegen  ins 
Feld  führen  könnte,  nichts  zu  ändern.  Dahin  gehört  z.  B.  die  günstige  Vorbedeutung 
des  Blitzes  im  Osten  (bzw.  zur  Linken),  der  wir  sowohl  in  babylonischen  Texten  als 
auch  bei  Plinius  begegnen  (Hi.^t.  mit.  U,  .54  (55).  Es  kommt  nämlich  nicht  nur  die 
Seite,  sondern  auch  der  Charakter  der  Erscheinung  in  Betracht.  Bezeichnet  die  linke 
Seite  den  Feind,  so  ist  ein  daselbst  auftretendes  ungünstiges,  drohendes  Zeichen  für 
diesen  ungünstig,  also  günstig  für  den  Inhaber  der  rechten  Seite.  Dies  tritt 
insbesondere  bei  der  Leber  schau  klar  zutage,  wo  das  ungünstige  Zeichen  in  der 
Regel  in  einem  Defekt  besteht,  der  übrigens  durch  gewisse  Begleitumstände  zu  einem 
Glüokszeichen  werden  kann.  Gleicherweise  kann  ein  an  sich  günstiges  Zeichen  zu 
einem  ungünstigen  werden.  Ein  derartiger  Wechsel  tritt  auch  bei  der  Schalen- 
(Becher-)  Wahrsagung  hervor.  Hier  nur  einige  Belege.  Giesst  man  Wasser 
auf  Oel  und  geht  dieses,  ohne  Blase  zu  bilden,  nach  rechts  weg  (ana  imittim  ipdur), 
so  ist  das  ein  günstiges  Vorzeichen  (Genesung).  Es  wird  aber  ein  ungün- 
stiges (Bosheit  des  Herzens),  wenn  zugleich  eine  Blase  auftritt.  Bleibt  endlich  die 
letztere  am  Rande  des  Oeles  stehen,  so  haben  wir  wieder  ein  günstiges  Omen 
(guter  Genius).  So  nach  Text  B  25.  43,  49  bei  Hunger  1.  c.  Dass  aber  an  sich  auch 
hier  die  rechte  Seite  als  die  günstige,  die  linke  als  die  ungünstige  galt,  scheint  be- 
sonders aus  B  16,  17    hervorzugehen:    Wenn    der   Rand    des  Oeles   nach   rechts  er- 


486  F.  X.  KiKßer, 

Da  ausser  diesen  Synonyma  keine  anderen  in  Frage  kommen,  so  sind 
wir  jetzt  vollständig  zu  der  Annahme  berechtigt,  dass  die  1 5  zunächst 
.recht,  günstig',  die  150  dagegen  .verkehrt,  ungünstig"  bedeutet. 

Wie  kam  man  aber  gerade  zu  diesen  Zahlen?  Gewiss  nicht  durch 
willküi-liche  Festsetzung,  sondern  atif  dem  Wege  einer  irgendwie  logischen 
Deduktion. 

Ein  Volk,  dessen  Sinn  durch  die  klimatischen  Verhältnisse  und  vor 
allem  durch  seine  Religion  auf  Zustände  und  Vorgänge  nicht  nur  der  ir- 
dischen, sondern  auch  der  kosmischen  Natur  gerichtet  ist.  wird  auch  die 
Elemente  seiner  Zahlensymbolik  grösstenteils  der  Katur  entlehnen.  Dabei 
kommen  zwei  Momente  zur  Geltung:  das  häufige  Auftreten  einer  bestimmten 
Zahl  bei  verschiedenen  Erscheinungen  und  das  konstante  Auftreten  hei 
Phänomenen  von  besonderer  Wichtigkeit.  In  dem  uns  beschäftigenden 
Fall  reichen  aber  die  natiü-lichen  Elemente  nicht  aus.  Denn  weder  1.5 
noch  150  steht  mit  Xatui-ereignissen  in  greifbarem  Zusammenhang  und 
noch  weniger  lässt  sich  ihr  Gegensatz:  .günstig-ungünstig'  auf  jene  zu- 
rückführen. Wir  haben  es  daher  hier  mit  einem  Produkt  der  den  Alten 
so  geläufigen  Zahlenspekulation  zu  tun,  die  zwar  auch  natürliche 
Elemente  benützt,  aber  wesentlich  auf  zahlentheoretischen  Er- 
wägungen beruht.  Von  der  Zahlentheorie  der  Babylonier  und  Assyrer 
wissen  wir  indes  bis  jetzt  so  wenig,  dass  jeder  Versuch,  das  vorliegende 
Problem  auf  sie  allein  gestützt  zu  lösen,  als  rein  hypothetisch  bezeich- 
net werden  müsste.  Glücklicherweise  kommt  uns  jedoch  eine  merkwürdige 
Tatsache  zu  Hilfe.  Die  Zahlensymbolik  der  P  y  t  h  a  g  o  r  e  e  r  veiTät  in 
mehreren  Punkten  eine  so  auffallende  Aehnlichkeit  mit  jener  der  Baby- 
lonier (bez.  Assyrer),  dass  wir  an  der  Annahme  einer  Entlehnung  nicht 
vorbeikommen.  Dies  um  so  weniger,  als  auch  zahlreiche  antike  Zeug- 
nissefür eine  babylonische  Beeinflussung  der  pythagoreischen  Schule  sprechen. 
Unter  solchen  Umständen  liegt  aber  die  Vermutung  nahe,  daß  auch  die 
Zahlenspekulation  der  Pythagoreer  wenigstens  in  ihren  Grund- 
linien auf  die  der  Babylonier  zurückgeht.  Diese  Annahme  muss  natürlich 
auch  ihre  Probe  bestehen,  d.  h.  es  muss  der  Nachweis  erbracht  werden, 
dass  die  Anwendimg  der  pythagoreischen  Zahlentheorie  und  Zahlenmystik 
zu  Ergebnissen  führt,  die  sich  mit  inschriftlich  bezeugten  zahlensymbo- 
lischen Auffassungen  der  Babylonier  (bzw.  Assyrer)  decken. 

Unsere  nächste  Aufgabe  ist  es  daher,  auf  diejenigen  Tatsachen  der 
pythagoreischen  Lehre  hinzuweisen,  die  unserem  Zwecke  dienlich  sind. 

Für  Pvthagoras  bestand  das  Wesen  der  Dinge  und  zwar  der  gött- 
lichen und  himmlischen  ebenso  wie  der  menschlichen  und  irdischen  in  der 


glänzt,  der  gute  Genius;  der  Kranke  wird  gesund.  Wenn  er  nach  links  erglänzt, 
der  böse  Genius;  der  Kranke  stirbt.  AehnlicK  lauten  die  Deutungen  für  das  Ent- 
zweigehen des  Oeles  nach  der  rechten  und  der  linken  Seite  (B  20,  21). 


Der  ürspnoifi  hnhi/l.  Zdlilriisi/iiihitlc  iii  jit/tlitii/orrischcr  Beleuchtiiu</.     487 

Z  a  h  1.  Die  Gesetze  der  Arithmetik  waren  dalier  für  ihn  der  Scliliissel  zum 
Verständnis  aller  irdischen  und  iiimralischen  Erscheinunjfen. 

Besonders  wichtig  erschienen  ihm  die  Reihen  der  natUrliclien,  der 
geraden  und  der  ungeraden  Zahlen  nebst  den  aus  ihnen  hervorgehenden 
Summen.  Von  geradezu  fundamentaler  Bedeutung  aber  war  die  Reihe  der 
ersten  vier  natürlichen  Zahlen,  durch  deren  Addition  die  vollkommene 
Zahl  10  entsteht  (1  -(-2  -)-  3  +  4  =  10).  Sehr  bemerkenswert  ist  hierbei,  dass 
man  die  V  i  e  r  z  a h  1  {reTQaxzvg)  als  dv  va/iig  der  Z  e  ii  n  z  a  h  1  {ösxdg) 
ansah.  Drastisch  lehrt  dies  eine  Stelle  bei  Lucian').  P^'thagoras  lässt 
einen  Schüler  zählen:  „  1,  2.  3,  4".  Da  fährt  der  Meister  dazwischen  :  „Siehst 
du?  Was  du  für  4  hältst  das  ist  10,  ein  vollständiges  Dreieck^),  und 
unser  Eidschwur".  Dieser  lautet:  „Ich  schwöre  es  bei  dem,  der  unserer 
Seele  die  Vier  zahl  einpflanzte,  welche  die  Quelle  der  ewig  rinnenden 
Natur  >md  ihre  Wurzel  enthält"^).  Die  Zeh  n  zahl  galt  ilinen  als  „gross, 
allvollbringend,  allwirkend  und  Anfang  und  Leiterin  des  göttlichen,  himm- 
lischen und  menschlichen  Lebens"  *).  Die  Bedeutung  der  V'  i  e  r  zahl  be- 
steht aber  nicht  nur  darin,  dass  sie  potentiell  die  Zehnzahl  darstellt,  son- 
dern auch  darin,  dass  sie  K  ö  r  p  e  r  z  a  h  1 ,  also  das  Prinzip  aller  körper- 
lichen Gestaltung  ist  (1  =  Punkt,  2  =  Linie,  3  =  Fläche,  4  =  Körper). 

Die  Fünf  zahl  dagegen  bezeichnet  die  physikalische  Bescliafi'enheit 
der  irdischen  Körper'^).  Ebenso  ist  5  die  Zahl  der  kosmischen  bzw.  ele- 
mentaren Körper  (Kubus  ^  Erde,  Tetraeder  ^=  Feuer ,  Oktaeder  =  Luft, 
Ikosaeder  =  Wasser,  während  das  Pentagondodekaeder  alle  übrigen  um- 
fasst)  *).  Ferner  oö'enbart  sich  die  Bedeutung  der  5  im  Sternfünfeck, 
dem  Erkennungszeichen  des  pythagoreischen  Bundes,  das  auch  .Heil,  Ge- 
sundheit' darstellt ').  Endlich  ist  nach  einer*)  Lehrmeinung  die  5  als 
Summe  von  3  (=  männlich)  +  2  {=  weiblich)  die  Ehe-   oder  Zeugungszahl. 

Nächst  der  4  und  der  10  spielte  somit  die  5  die  bedeutendste  Rolle 
in  der  pythagoreischen  Kosmologie. 

Auch  die  einzelnen  Götter  hatten  ihre  besonderen  heiligen  Zahlen,  so 
ApoUon  1,  Artemis  2,  Aphrodite  6.  Athene  7,  Poseidon  8  u.  s.  f.  ^).  Wie 
sich  alle  diese  Zahlen  in  das  ganze  System  fügen,  ist  mehrfach  unklar. 
Ebenso    ist    es    sehr  gut    möglich,   ja  wahrscheinlich,   dass  den  nämlichen 


1)  Bicuv  ngäaiq,  4r;  vgl.  AUman,  Greeh  Geometry  from  Thaies  to  Euclid  p.  28. 

2)  Man  dachte  sieh  die  aufeinanderfolgenden  Zahlen  durch  gleich  weit  von  ein- 
ander getrennte  Einheitspunkte  dargestellt  und  unter  einander  geschrieben,  wodurch 
ein  .Dreieck'  entsteht : 

1 

_     2 

.       ~     3 

.  •      .         .  4 

3)  Zeller,  Die  Phitoaophie  der  Griechen '"  I,  a  p.  398  Anm.  5. 

•1)  Zeller,  1.  c.  p.  :M5  Anm.  1.  —  5)  Zeller,  1.  c.  p.  443.  —  6)  Ders.,  1.  c.  p.  406  f. 

7)  Cantor,   VorJes.  über  Gesch.  der  Mathematik^  I,  178. 

8)  Zeller,  1.  c.  p.  390.  —  9)  Willmann,  Geschichte  des  Idealismus''  I,  276  f. 


488  F.  X.  Kuffler, 

Göttei-n  auch  andere  Zahlen  als  die  obigen  zukamen.  So  ist  z.  B.  nicht 
einzusehen,  warum  Aphrodite  statt  durch  6  nicht  auch  durch  5  bezeichnet 
worden  sein  konnte.  Denn  die  Zahl  der  Liebesgöttin  ist  identisch  mit  der 
ydfiog-,  der  Ehe-Zahl.  Als  solche  gilt  aber  nicht  nur  die  6  (=  2  X  3).  son- 
dern auch  die  5  (=2  +  3)  und  sogar  die  3  (=2  +  1)*). 

Mutatis  mutandis  haben  derartige  Zahlenspekulationen  selbst  noch  im 
christlichen  Altertum  eine  hervorragende  Rolle  gespielt,  wie  besonders  die 
Schriften  des  Ambrosius  und  des  A  ugustinus  beweisen.  Das 
interessanteste  Beispiel  dieser  Art  bietet  letzterer  in  seiner  Erklärung  von 
Joh.  XXI,  1 — 11  {Sandi  Aureli  Angnstinl  opera  omnia,  ed.  Migne,  tom. 
III  Col.  1950  sqq.,  besonders  1963  sq.).  Es  handelt  sich  um  den  reichen 
Fischfang,  bei  dem  158  grosse  Fische  erbeutet  werden. 

Für  Augustinus  ist  diese  Zahl  nicht  ein  zufälliges  Ergebnis:  sie  hat 
vielmehr  eine  gesetzmässige  Entstehung  und  einen  tiefen  Sinn.  Die  Sache 
verhält  sieh  nach  ihm  folgendermassen : 

Zum  , Gesetz',  das  für  sich  allein  ein  tötender  Buchstabe  wäre  (II  Cor. 
III,  6),  muss  die  .Gnade',  der  lebendigmachende  Geist,  hinzukommen,  da- 
mit die  Menschen  zum  Heil  gelangen.  Nun  wird  das  Gesetz,  der  Deka- 
log, durch  die  10,  der  Geist  durch  die  7  dargestellt.  Also  ist  10  +  7  =  17 
der  numerische  Ausdruck  für  das  Prinzip  der  Heiligung.  Aus  ihm  gehen 
die  Heiligen  hervor,  deren  Sinnbild  die  153  Fische  sind.  Dieser  Prozess 
vollzieht  sich,  indem  alle  Zahlen  von  1   bis  17  zu  einer  Summe  vereinigt 

werden.    In  der  Tat  Ist  1+2+3+4 +  14  +  15  +  16  +  17=153. 

Die  17,  das  Heiligungsprinzip,  erscheint  also  hier  als  övrafug  der  Zahl  153, 
welche  die  Auserwählten  vorstellt^). 

Dieses  Beispiel  habe  ich  nicht  nur  eruditionis  gratia  hierhergesetzt: 
es  soll  vielmehr  zeigen,  1.  dass  der  Begriff  der  öv}'af.iig  in  der  Sphäre  des 
pythagoreischen  Einflusses  eine  weitgehende  symbolische  Verwendung  fand 


1)  Zeller,  1.  c.  p.  395,  Anm.  2. 

2)  Welches  Gewicht  Augustinus  dieser  Berechnung  beilegte,  lehren  am  besten 
seine  eigenen  Worte  (1.  c.  Sp.  1963  f.):  Cum  itaque  Legis  denario  Spiritus  sanc- 
tus  per  sep  tenenarium  numerum  aocedit,  fiunt  Septem  et  decem:  qui 
numerus  ab  uno  usqueadseipsum,  computatisomnibuscres- 
cens,  ad  centum  quinquaginta  tres  pervenit.  Ad  unum  si  adiicias 
duo,  fiunt  utique  tres:  bis  si  adiicias  tres  et  quatuor,  fiunt  omnes  decem;  deinde  si 
adiicias  omnes  numeros  qui  sequuntur  usque  ad  decem  et  Septem,  ad  supradictum 
nuraerum  summa  perducitur ;  id  est,  si  ad  decem,  quo  ab  uno  usque  ad  quatuor  per- 
veneras,  addas  quinque,  fiunt  quindecim:  his  addas  sex,  et  fiunt  viginti  unum;  his 
addas  Septem,  et  fiunt  viginti  oeto ;  his  addas  octo  et  novem  et  decem,  et  fiunt 
quinquaginta  quinque ;  his  addas  undecim  et  duodecim  et  tredecim,  et  fiunt  nonaginta 
unum;  his  rursum  quatordecim  et  quindecim  et  sexdecim.  et  fiunt  centum  triginta 
sex:    huic   numero   adde  illum  qui  restat  de  quo  agitur,   id  est  decem  et  septem,   et 

piscium  numerus  ille  complebitur Omnes  ergo   ad  istam  gratiam  perti- 

nentes,    hoc   numero   figurantur,    hoc    est  figurata   significantur.     Augustinus  erweist 
sich  hierin  als  getreuer  Schüler  des  Pythagoras. 


Di:r  IJrapruiiii  Ixibi/t.  Xit/ileiisipithulc  in  p//tli(((joiTisi/iir  Bckxrhtumj.      489 

(also  nicht  etwa  auf  die  4  als  (h'Tauig  der  10  beschränkt  hlieh)  und  2.  dass 
die  öi'ra/iig  als  \\'irkungsiiriiizi|i  und  s{)e7,iell  als  heillirinirendes  Pinnzip 
aiit'gel'asst  wurde. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  den  B  a  b  y  1  o  n  i  e  r  n. 

Merkwürdigerweise  legen  auch  sie  der  lO-Zahl  eine  grosse  Bedeutung 
bei.  Sie  kommt  nicht  nur  im  Zahlensystem  (vgl.  die  sumerischen  Zahl- 
zeichen für  10,  600  (—  60X10),  36  000  (60  X  60  X  10)  und  die  besonderen 
semitisch-babylonischen  Zeichen    für  100  und  1000)  zur  Geltung,   sondern 

auch  in  der  Symbolik.  4^  (10)  mit  dem  Lautwert  u  bedeutet:  .iakn  ,hoch', 
le'li  , stark",  idlu  ,Herr.   Mann',  kabru  , gross',  l-i.isatu  , Totalität'.    Ferner  ist 

M^<^das  gemeinsame  Symbol  der  grossen  Götter  jhiii,  Bei,   Belif,  Utät\ 

iMar  k((kkabe,  Shi,  Sinnci.i,  Adad,  Girru,  NusJai ;  ja  <C  bedeutet  sogar  ilu 
,Gott'  einfachhin.  Endlich  wird  in  K  170  die  10-Zahl  speziell  dem  Licht- 
und  Feuergott  Niisku  zugeschrieben,  und  die  Zahlen  der  oberen  Götter 
SamaS  (20).  Sin  (30),  Ea  (40).  Bei  (50),  Auk  (60)  sind  wenigstens  aus  der 
10  hervorgegangen.  Zweifellos  hat  daher  die  10  im  Babj'lonischen  eine 
ganz  ähnliche  Bedeutung  wie  bei  den  Pythagoräern.  Schon  dieser  Um- 
stand beruht  schwerlich  auf  einem  Zufall,  wie  es  auch  gewiss  kein  Zu- 
fall ist,  dass  die  Pythagoreer  ihren  Göttern  gleichfalls  Zahlen  beilegen, 
wenn  schon  diese  von  den  babylonischen  sich  unterscheiden. 

Eine  weitere  Verwandtschaft    offenbart    sich    in   der    Auffassung    der 

Fünf  zahl.      t^cz    (5)  ist  Ideogramm  für  nädii^)  , erheben,  verherrlichen', 

nä'idu^)  , erhaben,  hehr',  faiii'aff/i  ^)  .Erhabenheit.  Majestät'.  Die  5  ist  in 
erster  Linie  das  Symbol  der  überirdischen,  göttlichen  Würde  und  Voll- 
kommenheit, der  gloria  divina;  erst  an  zweiter  Stelle  bezeichnet  sie  die 
königliche  Majestät*).  Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  diese  Bedeutung 
der  5  sich  von  den  5  Planeten  ableitet,  zumal  dieselben  nach  babylo- 
nischer Ansicht  über  der  Fixsternsphäre  ihre  Bahnen  gehen  und  die  vor- 
züglichsten Verkündiger  des  göttlichen  Willens  sind  *).  Wie  5,  so  bedeutet 
auch  das  Ideogramm  ÜB :  na'ädu,  fanattu,  drückt  also  gleichfalls  den  Be- 
griff , Erhabenheit'  aus.     Und    merkwürdigerweise  ist  die  archaische  Form 

von  ÜB :  Öl^     dem  pythagoreischen  Pentagramm  ganz  ähnlich.    Ausser- 


1)  Brünnow,  Classified  List  [CL]  3980. 

2)  Vgl.  z.  B.  die  häufige  Schreibung  Nabu  —   P^  (Nabü-na'id). 

3)  Meissner,  Seltene  assyrische  Ideogramme  [SAI]  2680. 

4)  Der  König  ist  irdischer  Stellvertreter  der  Gottheit. 

b)  Diodor,  II,  30.     Seine  Angaben  werden  durch  die  keilinschriftliche  Astrologie 
im  wesentlichen  bestätigt. 

Klio,  Beitrage  2ur  alten  Geschichte  XI  4.  32 

9 


490  F.  X.  Kugler, 

dem  bezeichnet  ÜB  auch  tupkn.  kibratu,  ursprünglich  =  kosmischer  Raum 
(vgl.  ub-(la  tab-tab-ba  ,vier  Himmelsgegenden").  Dies  alles  legt  den  Ge- 
danken nahe,  dass  die  kosmische  Zahl  5  des  Pythagoräer  mit  der  baby- 
lonischen Auffassung  der  ">  nahe  verwandt  ist. 

Gehen  wir  nun  über  zur  <f  Kft^  (15)  !    Sie    ist    das  Symbol    der  Göttin 

Istär.  der  brdit  ile  .Götterherrin'  und  bänat  iläni  .Erschafferin  der  Götter', 
die  zugleich  auch  bänat  teniseti  , Schöpferin  der  Menschen"  und  musteserat 
gimir  nabnitu  , Lenkerin  jeglicher  Geburt"  —  ^)  also  die  Quelle  des  ge- 
samten Lebens  ist.  Man  kann  daher  im  vollen  Umfang  von  der  baby- 
lonischen 15  sagen,  was  von  der  pythagoreischen  10  gilt:  sie  ist  „gross, 
allvollbringend,  allwirkend,  Anfang  und  Leiterin  des  göttlichen,  himm- 
lischen und  menschlichen  Lebens".  Ist  es  angesichts  dieser  Tatsache  nicht 
höchst  wahrscheinlich,  dass  die  Pythagoreer,  mittelbar  oder  unmittelbar 
aus  babylonischer  Quelle  schöpfend,  die  10  im  Sinne  der  babylonischen 
15  auffassten  und  zwar  um  so  mehr,  als  auch  die  babylonische  10  —  wie 
wir  oben  sahen  —  das  göttliche  Wesen  und  Wirken  offenbart V 

Wie  aber  haben  wir  uns  die  Entstehung  der  15  als  Symbol  der  Istär 
zu  denken?  Es  bieten  sich  uns  zwei  Möglichkeiten  dar:  entweder  ist  15 
als  3X5  oder  als  Summe  von  1+2  +  3-1-4  +  5  =  15  zu  fassen.  Im 
ersteren  Fall  hätten  wir  die  Vollendung,  das  Höchstmass  der  Entfaltung 
(3)  der  göttlichen  Würde  (5) ;  im  letzteren  dagegen  würde  15  aus  der  5 
als  övrafitQ  im  pythagoreischen  Sinn  liervorgehen.  Da  im  babylonischen 
Kult  gerade  die  di'eimalige  Wiederholung  besonders  beliebt  und  wirkungs- 
voll ist,  so  hat  wohl  die  erstere  Auslegung  am  meisten  für  sich.  Wie 
dem  aber  auch  sei,  jedenfalls  stellt  die  aus  der  5  hervorgehende  15  pas- 
send Istär  als  Prinzip  alles  göttlichen  Seins  und  Werdens  und  damit  zu- 
gleich des  gottgewollten  menschlichen  Heiles  dar.  Dass  die  15  als  Symbol 
des  göttlichen  Segens  und  damit  des  G  1  ü  c  k  e  s  galt,  ist  demnach  leicht 
begreiflich. 

Wie  aber  soll  150  das  Gegenteil  hievon,  die  göttliche  Ungunst, 
das  Unglück  ausdrücken 'r*  150  enthält  ja  nicht  etwa  —  im  Gegensatz 
zu  15  —  Faktoren,  deren  ungünstiger  Charakter  schon  anderswoher  be- 
kannt wäre.  Die  Zerlegung  in  Faktoren  ist  deshalb  aussichtslos.  Eben- 
sowenig lässt  .sich  durch  Darstellung  der  150  in  einer  der  folgenden  Formen 
3(2  +  6+10  +  14  +  18),  3(4-^7  +  10  +  13  +  16),  3(6  +  8  +  10  + 
12  +  14),  3  (8  +  9  +  10  +  11  +  12)  oder  5  (1  + 10  +  19),  3  (2  +  10  +  18) 
etc.  ein  solcher  Gegensatz  zu  15  als  3  (1  +  1  +  1  +  1  +  1)  oder  5  (1  +1  +  1) 
erreichen,  bei  dem  die  Zahlensymbolik  —  sei  es  die  der  Babylonier  oder 
der  Pythagoreer  —  zur  Geltung  käme. 

Hiernach    und    mit   Rücksicht    auf  die    grosse   numerische   Kluft    der 


1)  Vgl.  Zimmern.  Die  Keiliii Schriften  und  das  Alte  Testament^  [KAT^],  428  f. 

10 


Der  Urspndii/  /i,ih//l.  Zn/ilnisi/mbole  in  piithagoreisclicr  BelcitrJituufj.      491 

beiden  Zahlen  kann  icli  mir  ihren  syniholischen  Gegensatz  nur  so  erklären: 
150  ist  das  Ergebnis  einer  symbolisch  fassbaren  Störung  einer  an 
die  15  geknüpften  gesetzmässigen  Zahlenoperation. 

Diese  letztere  ist  aber  keine  andere  als  diejenige,  welche  mit  dem 
Begriff  der  pythagoreischen  ötn'auig  gegeben  ist.  Kommt  die  15  als 
övvafug  ungestört  zur  Entfaltung,  so  entsteht  die  Summe  1  +  2  + 
3  -t-.  .  .  +  13  +  144-  15  =  120.  .  Bildet  man  nun  abermals  eine  Reihe 
von  15  Gliedern,  aber  so,  dass  durch  Ueberspringen  aller  V  i  e  r  zahlen 
(4,8,12,16)  die  natürliche  Folge  gestört  ist.  so  hat  man 

14-2  4-3  I  +5  +  6  +  7  I  +9  +  10  +  11  I  +1:^  +  14  +  15  I  +17-+- 
18  +  19  =  150. 
Die  Zahlen  allein  liefern  natürlich  noch  keine  befriedigende  Erklä- 
rung; wir  haben  auch  noch  zu  beweisen,  dass  unsere  Operationen  mit  den 
babylonischen  Anschauungen  im  Einklang  stehen.  Dies  soll  jetzt  ge- 
schehen. 

1.  Wir  nahmen  an,  dass  ein  ordnungs-  und  gesetzmässiger  Vorgang 
und  sein  Ergebnis  als  günstig,  dagegen  die  Störung  als  ungünstig 
zu  gelten  hat.  Das  ist  naturgemäss  und  daher  stets  und  überall  gültig; 
das  kommt  auch  im  Besonderen  in  der  babylonischen  Astrologie  zum  Aus- 
druck. Sie  lehrt,  dass  im  allgemeinen  jede  zeitlich  oder  räumlich  ord- 
nungs gemässe  Himmelserscheinung  glückverheissend,  jede 
Störung  der  Ordnung  u  n  g  1  ü  c  k  b  r  i  n  g  e  n  d  ist.  So  entsprach  es 
der  „Ordnung",  dass  das  Neulicht  des  Mondes  am  1.  Tag  des  Kalender- 
monats erschien  und  dass  Sonne  und  Mond  am  14.  Tag  einander  am  Hori- 
zont gegenüberstanden;  in  diesen  Fällen  waren  daher  die  Omina  für  das 
Heimatland  günstig.  Erschien  dagegen  das  Xeulieht  am  30.  oder  am 
2.  Tag  oder  fand  die  Opposition  am  12.  13.  oder  am  LJ.  16.  Tag  statt, 
so  war  das  Vorzeichen  ungünstig. 

2.  Was  die  numerische  övvccfiiQ  betrifft,  so  stützen  wir  uns  aller- 
dings zunächst  auf  deren  Gebrauch  bei  den  Pythagoreern.  Aber  unsere 
Annahme,  dass  sie  auch  bereits  den  Babyloniern  bekannt  war,  beruht  nicht 
nur  auf  der  sonstigen  Verwandschaft  der  beiderseitigen  Zahlensymbolik  und 
der  anscheinenden  gänzlichen  Aussichtlosigkeit  einer  anderen  Lösung  des  Pro- 
blems ;  es  liegen  auch  direkte  Anzeichen  vor,  dass  die  Babylonier  ihre  heilige 
15    als  dvvafiig  von  120  angesehen  haben.     Dies  ergibt  sich  aus  Folgendem. 

|f  (höchstwahrscheinlich  =  120)  ist  das  Ideagramni  für  ilcini  ,die  Göt- 
ter' ').     An    sich   freilich   könnte  ||    auch    der   Plural  von   |    sein,   so  dass 

1)  Hierauf  wies  mich  U  n  g  n  a  d  unter  Berufung  auf  Vurderasiat.  Schriftdenkmäler 
der  kgh  Museen  zu  Berlin  [ VS]  I  37  Col  II,  2 :  |r  E-saggil  =  iläni  Esaggil)  bei  einer 
andern  Gelegenheit  hin.  —  Meissner  SAI  11414  muss  demnach  Bäb-iläni  (statt 
Babilu)  gelesen  werden ;   vgl.  z.  B.  KA.  ANp'  in  Sternkunde  I,  263  f. 

32* 
11 


492  F.  X.  Kngler, 

7  =  //)/  .Gott"  einfacbhin  wäre  (vgl.  oben  <C  =  ''")•  F"'"  diese  Gleichung 
fehlt  jedoch  jeder  inscliriftliche  Beleg:  wir  kennen  nur  T  =  ähh  und 
r-+^[  =:  E-a').  wo  im  ersteren  Fall  f  ^=  60.  im  letzteren  J  höchstwahr- 
scheinlich ^  A'/ =  ?7.7.77/«  ist^).  Dafür,  dass  auch  W  ein  Zahlzeiclien  ist. 
spricht  der  Umstand,  dass  das  Gottesdeterminativ  (-t-f  fehlt:  denn  vor  der 

eine  Gottheit  darstellenden  heiligen  Zahl  fehlt  t^  in  der  HegeP)  —  im  Ge- 
gensatz zu  den  andern  Götterideogrammen.  Der  Annahme,  dass  der  senk- 
rechte Keil  in  unsei'em  Fall  =  1  bzw.  .der  Eine'  sei,  würde  zwar  zu  einer 
weiteren  Parallele  mit  der  pythagoreischen  Lehre  *)  führen :  damit  stände 
aber  gerade  die  Schreibung  \\  im  Widerspruch.  Weitaus  am  wahrschein- 
lichsten ist  es  daher,  dass  man  —  wie  man  Ämi,  dem  höchsten  Gott,  die 
Zahl  60  beilegte  —  die  Gesamtheit  der  Götter  mit  120  bezeichnete. 

Der  symbolische  Zusammenhang  ist  nun  meines  Erachtens  dieser: 
Die  Gottesmutter  Istär  bringt  —  natürlich  auf  die  vollkommenste  W^eise 
—  die  Götter  hervor  und  in  analoger  Weise  ist  die  heilige  Zahl  15  der 
ersteren  die  gesetzmässige  dvvafitg  der  die  Götter  darstellenden  Zahl  120. 
Hat  aber  die  15  wirklich  diese  symbolische  Rolle,  so  muss  man  erwarten, 
dass  auch  in  Bezug  auf  das  menschliche  Dasein  die  Leben  und  Heil  spen- 
dende Ki-aft  der  Istär  sich  in  ähnlicher  Weise  äaissert.  Nun  wissen  wir 
freilich  nichts  von  einem  Ideogramm  Jf  für  ,Heil.  Glück' :  aber  daraus  folgt 
nichts  gegen  unsere  Auffassung:  denn  auch  die  mit  Notwendigkeit  vor- 
auszusetzende Gleichung  4W  =  , günstig,  glückbringend'  lässt  sich  nur  in- 
direkt erschliessen.  Ausserdem  ist  es  unwahrscheinlich,  dass  man  TT  im 
obigen  Sinne  je  verwandt  hat:  denn  man  bedurfte  dieses  Ideogramms  zu 
häufig  für  andere  Zwecke,  insbesondere  als  Repititionszeichen.  Schon  dar- 
aus erklärt  sich  auch  die  sehr  seltene  Anwendung  des  Zeichens  für  iläni. 
Der  praktische  Nutzen,  die  Vermeidung  unnötiger  Vieldeutigkeit  fallen 
eben  mehr  ins  Gewicht  als  das  Bedürfnis  nach  einer  konsequenten  Aus- 
di-ucksweise. 

Wir  haben  15  als  övvafiig  von  120  betrachtet.  Es  wäre  nun  aber 
in  Anbetracht  der  noch  bestehenden  Unsicherheit  sehr  wünschenswert,  dass 


1)  Brünnow,  CL  10067  f.  —  2)  Vgl.  mein  ,Im  BamiTcreis  Babels'  p.  85. 

3)  Man  ersieht  daraus,  welch  inniger  Zusammenhang  nach  babylonischer  An- 
schauung zwischen  der  ,Zahl'  und  dem  Wesen  der  Gottheit  besteht. 

4)  Vgl.  die  Bedeutung  der  .Eins'  (bzw.  der  Monas)  als  Wesen  der  Gottheit  im 
Gegensatz  zur  ,Zwei',  welche  die  Materie  bezeichnet,  und  Eins  (bzw.  Monas)  als  Zentral- 
feuer (=  erster  Weltkörper,  Göttermutter,  Thron  des  Zeus)  bei  Zeller,  1.  c.  p.  360  ff. 
und  412. 

12 


Urspnoi;/  hahi/l.  Zahlensymbole  in  pythagoreischer  Beleitchfioif/.     493 

auch  noch  in  anderen  Fällen  eine  symbolische  Zahl  als  potentiell  gleich- 
wertig nachgewiesen  werden  könnte.  Ein  solcher  Fall  scheint  in  der  Tat 
in  dem  Ideogramm  -^  (20)  für  .König'  vorzuliegen.  In  VR  30  werden 
für  hii/(t/  {sarn()  ?,1  Ideogramme  aufgeführt.  Darunter  befindet  sich  aber 
<^  nicht.     Dies    mag    daher    rühren,    dass  dieses  Ideogramm   zu  bekannt 

war.     Es  konnte  aber  auch  sein,  dass  das  Zeichen   T|^^    (210 1.   welclies 

Z.  5  mit  der  Glosse  is-si'-h/pn^)  steht,  das  Zeichen"^  vertritt.     Wie  dem 

auch  sei  —  auffallend  ist,  dass  die  Summe  der  ersten  20  Zahlen  wirklich 
210  beträgt,  dass  also  20  die  övvafitg  von  210  ist. 

3.  Das  üeberspringen  der  Vierer  zahlen.  Das  schöpferische  und 
segensreiche  Wirken  der  Göttermutter  Istär  kommt  in  der  ungestörten  dy- 
namischen Entfaltiing  der  15  zum  Ausdruck.  Eine  Störung  dieser  Ent- 
faltung weist  demnach  auf  die  göttliche  Ungnade  und  das  Unheil  als  ihre 
notwendige  Folge.  Um  dies  recht  zu  würdigen,  muss  man  sich  vor  Augen 
halten,  dass  nach  babylonischer  Anschauung  das  Unheil  nicht  nur  von  an 
sich  bösai'tigen  Gewalten,  dem  Reiche  der  Dämonen  und  ihrem  Beherrscher 
Nergal  herrührt,  sondern  auch  von  Gottheiten,  die  an  sich  gütig  sind.  Dies 
zeigt  sich  am  deutlichsten  in  den  bekannten  Fluchformeln,  wo  die  gütigen 
Gottheiten  aufgefordeii  werden,  ihre  besondere  Heilspendung  in  das  gerade 
Gegenteil  zu  verkehren.  Mit  den  Dämonenzahlen  7.  14.  21,  23  hängt  ausser- 
dem unsere  150  in  keiner  Weise  zusammen  und  wir  sind  daher  genötigt, 
die  150  als  die  Wirkung  einer  arithmetischen  Störung  der  durch  die  15 
imj)licite  gegebenen  Zahlenordnung  anzusehen. 

1)  Was  bedeutet  is-se-b/pu?  Hommel,  OLZ  1907  Sp.  381,  deutet  es  als  3  (X  60) 
-|-30,  d.  i.  is  aus  gus  drei  und  sehtt  aus  issib  30.  Dies  ist  mir  jedoch  nicht  recht 
verständlich,  da  ich  nur  sumer.  ei  =  S  und  usü  [es-u)  =  30  kenne.  Möglicherweise 
ist  is-se-h/pu  nicht  einmal  ein  Zahlwort,  sondern  ein  Berufsname,  dem  .das  Symbol 
210  zukommt.  Lautlich  erinnert  es  an  den  eisepü  und  den  isippu,  zwei  Priester- 
klassen, die  einander  sehr  nahezustehen  scheinen.  Dazu  würde  auch  die  Tatsache 
stimmen,  dass  gei'ade  die  Könige  die  Würde  eines  isippu  innehatten.  So  schon  alt- 
babylonische Herrscher  (vgl.  Sternkunde  II.  140)  und  später  Tiglathpileser  I.  Assar- 
hadon,  Asurbanipal  u.  a.  (vgl.  die  Zusammenstellung  bei  Frank,  Sind.  --.  Bab.  Rel. 
S.  9).  Wahrscheinlich  weist  auch  die  Zahl  210  auf  eine  priesterliche  Funktion  hin, 
sei  es  als  7  X30  (wodurch  eine  alltägliche  7malige  Reinigung  angedeutet  sein  könnte) 
oder  als  Summe  der  heiligen  Zahlen  10  -1-  20  -|-  30  -f-  40  -|-  50  -f  60  (insofern  das  prie- 
sterliche Amt  mit  den  göttlichen  Inhabern  derselben  in  Beziehung  steht).  —  Mög- 
licherweise ist  das  ganz  ähnliche  Ideogramm  |p^ .  welches  in  den  assj'rischen  Omina- 

texten  für  sarru  steht,  durch  Wegfall  eines  Winkelhakens  aus  fPoJ^  entstanden.   Ueber 

Vermutungen  kommen  wir  bei  allen  derartigen  Fragen  freilich  nicht  hinaus ;  immer- 
hin können  erstere  gelegentlich  nützlich  werden. 

13 


494  F.  X.  Kuglet; 

Wir  haben  diese  Störung  darin  gesucht,  dass  alle  Vier  e  r  zahlen  der 
natürlichen  Zahlenreihe  ausfallen.  Das  ist  aber  keineswegs  eine  willkür- 
liche Wahl;  im  Gegenteil  erweist  sich  —  wovon  man  sich  leicht  durch 
wiederholte  Experimente  überzeugen  kann  —  jedes  andere  Mittel  als  völlig 
unzureichend,  weil  höchst  gekünstelt  und  im  Widerspruch  mit  der  baby- 
lonischen Zahlensymbolik.  Andererseits  hat  gerade  die  Rücksicht  auf  letz- 
tere die  von  mir  getroffene  Wahl  bestimmt.  Die  nächste  ^'eranlassung 
bot  die  4  als  Prinzip  aller  körperlicher  Gestaltung  im  pythagoreischen 
System.  Nun  ist  die  wichtigste  Gestaltung,  die  des  Menschenleibes, 
das  Werk  der  Istär.  Sie  ist  die  .Töpferin",  die  den  ersten  Menschen  ge- 
foiTut,  das  Kind  im  Mutterschoss  bildet,  Kraft  und  Gesundheit  verleiht. 
Wandelt  sie  also  ihren  Segen  in  Fluch,  so  versagt  sie  ihre  gestaltende 
Kraft:  die  Zeugung  wird  vereitelt,  die  Körperkräfte  schwinden;  es  tritt 
Zerfall,  Tod  ein.  Das  wäre  nun  ganz  hübsch,  wenn  sich  die  in  An.spruch 
genommene  Bedeutung  der  4  auch  im  Babylonischen  nachweisen  Hesse; 
dies  ist  aber  bislang  nicht  möglich  gewesen.  Es  ist  daher  ratsam,  auf  4 
als  Körperzahl  keine  weiteren  Schlüsse  zu  bauen  und  lieber  die  Baby- 
lonier  selbst  zu  ßate  zu  ziehen.  Die  4  drückt  als  Zahl  der  natürlichen 
Himmelsrichtungen  und  damit  zugleich  der  Himmelsgegenden  die  allseitige 
Ausdehnung  der  Erdoberfläche  und  folglich  auch  die  Gesamtheit  aller  Länder 
aus.  Die  Herrschaft  über  die  4  kibräti  .Weltteüe'.  die  4  kippäti  .Enden' 
bezeichnet  daher  die  Universalherrschaft ').  Zur  Zeit  Sargons  und  seines 
Nachfolgers  Naräm-Sin  umfasste  dieselben  die  4  Grossstaaten  Akkad.  Eiam. 
Subartu  uudAmurru.  eine  politische  Gruppierung,  die  sich  auch  in  der  astro- 
logischen Literatur  aufs  Deutlichste  wiederspiegelt.  So  besonders  in  der 
Einteilung  der  Mondscheibe  in  Quadranten,  von  welchen  ein  jeder  eines 
der  genannten  Länder  repräsentierte  -).  Eine  Verfinsterung  der  linken 
Seite  betraf  Elam  usw..  während  eine  Verfinsterung  aller  4  Quadranten 
eine  Finsternis  der  Länder  (atal  matäti)  d.  h.  aller  Länder  war.  Die 
4  kommt  auch  bei  der  DarsteUnng  eines  allseitigen  göttlichen  Schutzes 
zur  Verwendung.  So  in  der  3.  Tafel  des  Werkes  ,Die  böseti  Geister' 
(CT  XYl  pl.  4,  143  ff.):  ,Samas  vor  mir.  Sin  hinter  mir,  Nergal  zu  meiner 
Rechten,  Ninib  zu  meiner  Linken " ').  EndKch  geht  von  der  Gottheit  und 
insbesondere  von  Istär  ein  vier  facher  Segen  in  Gestalt  von  vier  guten 
Genien  aus,  die  dem  Menschen  beigesellt  werden  und  sein  Heil  bedingen. 
Besonders  bemerkenswert  ist  es,  dass  zwei  dieser  Genien  geradezu  Per- 
sonifikationen  des    menschlichen  Glückes   sind*).     Das  Fehlen    oder 


1)  Vgl.  Hehn.  Sielx-iizuhl  und  Sabbat  13  ff.  und  76  f. 

2)  Ausführlich  hierüber  handelt  m.  Sternhunde  II,  1,  60:  dazu  Taf.  I. 

3)  Näheres  in  m.  Im  Bannkreis  Babels,  68  ff. 

4)  Zimmern,    KAI  ^  iö6,  1    (Erklärung   zu  King,   Bab.  Magic  and  Sorcerij,    Text 
Nr.  8,  12—13). 

14 


Der  Ursprim;/  lidhi/l.  Zdlilciisi/iiilinlc  in  i)i/thatforeisrJier  Beknchlinif).      495 

Entweichen  derselben  weist  somit  auf  göttliche  U  n  g  n  a  d  e  und  Ije- 
wirkt  ü  n  g  1  ü  c  k. 

Wenn  aber  die  4  die  Zahl  iler  göttlichen  Segnungen  ist,  so  werden 
auch  diejenigen  Multipla  von  4,  die  keinen  , bösen"  Faktor  (71)  enthalten, 
der  gleichen  Natur  sein.  Dass  dies  ganz  der  babylonisclien  Anschauung 
entspräche,  beweist  allein  schon  die  Tatsache,  dass  nicht  nur  der  7.,  son- 
dern auch  der  14.,  21.  und  28.  Tag  des  Monats  als  „böse"  galt  (siehe 
unten).  Demnach  müsste  das  Ausscheiden  der  Zahlen  4,  8,  12,  16 
aus  der  natürlichen  Zahlenreihe  verhängnisvoll  sein. 

4.  Das  Endglied  19  der  gestörten  Reihe.  Ist  unsere  Auffassung  we- 
nigstens im  wesentlichen  richtig,  so  nmss  —  wie  15.  das  Endglied  der 
normalen  Reihe  Gnade  und  Heil  —  das  Endglied  der  gestörten  Reihe  im- 
plicite  oder  explicito  Ungnade.  Unheil  bedeuten.    Dem  ist  nun  wirklich  so. 

In  der  bekannten  Hemerologie  (IV  R  22  f.  und  33*)  werden  nicht  nur 
die  Siebentage  (7..  14.,  21..  28.).  sondern  auch  der  19.  Tag  als  amii  Umnu 
, böser  Tag'  bezeichnet.  Obendrein  wird  der  19.  noch  als  ih-hu-u  Sa  Gu-la, 
d.  h.  als  „Zornestag  der  Göttin  Gula"  angesehen.  Diese  ist  bekannt- 
lich die  azugaUain  , grosse  Aerztin',  welche  „die  Toten  lebendig  macht", 
d.  h.  die  tödlichen  Krankheiten  heilt.  Man  hat  versucht,  den  bösen  Cha- 
rakter des  19.  Tages  auf  den  der  7-Tage  zurückzuführen,  indem  man  die 
30  Tage  des  vorausgehenden  Monats  dazu  zählte  und  so  49=7^  erhielt. 
Das  scheint  mir  jedoch  sehr  gekünstelt.  Denn  jeder  Monat  ist  ein  für 
sich  abgeschlossenes  Ganzes  und  ein  anderer  terminus  a  quo  der  Zählung 
als  der  1.  Tag  des  gleichen  Monats  ist  danim  unstatthaft.  Der  Zorn  der 
Heilgöttin  am  19.  Tag  kann  daher  nur  darauf  beruhen,  dass  19  symbolisch 
eine  Störung  jener  segensreichen  Ordnung  ausdrückt,  die  durch  15  darge- 
stellt wird.  Die  Beweiskraft  unserer  Darlegung  wird  durch  die  Einführung 
einer  neuen  Gottheit  (Gula)  nicht  beeinträchtigt.  Denn  es  kommt  hier 
nicht  auf  den  Namen,  sondern  das  Wesen  der  vergöttlichten  Naturkräfte 
an.  Ist  Gula  die  spezielle  Heilgöttin,  so  ist  es  Istär  in  den  babylonischen 
Zaubertexten  im  eminenten  Sinn ;  denn  an  sie  vor  allem  wendet  sich  der 
Kranke.  Und  beide  Gottheiten  verstehen  nicht  nur  zu  heilen,  sondern  auch 
mit  verheerender  Krankheit  zu  schlagen.  Dazu  kommt,  dass  Istär  (die 
Ninnl  z.  Z.  Gudeas)  im  Laufe  der  Zeit  bedeutende  Wandlungen  durcii- 
machte.  indem,  besonders  in  der  späteren  assjTischen  Zeit,  mehr  und  mehr 
ihr  kriegerischer  Charakter  in  den  Vordergrund  trat. 

Dass  die  obige  Charakteristik  des  19.  Tages  nicht  auf  einer  willkür- 
lichen Annahme  beruht,  zeigt  die  ganze  wohldurchdachte  Anlage  der  He- 
merologie. Wie  zu  erwarten,  kommt  Istär  —  sie  wird  hier  Xin  e-an-na 
genannt  —  der  15.  Tag  zu. 

Man  könnte  nun  aber  den  naheliegenden  Einwand  erheben,  dass  die 
Babylonier  —  die  Richtigkeit  unserer  Auffassung  vorausgesetzt  —  den 
Gegensatz    von    Heil    und    Unheil    doch    naturgemässer    durch:    15  ?='  19 

15 


496  F.  X.  KugJcr.   Urspriou/  Ixihi/l.  Zahleiisipiihole. 

statt  durch  15  ?=»  150  ausgedrückt  hätten.  Das  ist  jedoch  nicht  zu- 
treffend. 15  hat  die  Bedeutung  ,Heil'  als  övrafiig  einer  höheren  Zahl. 
19  dagegen  ist  in  unserem  Falle  keine  dt'i'a/<«g;  sie  ist  vielmehr  die  nächste 
Wirkung  einer  Störung,  die  sich  im  Zorn  der  sonst  heilspendendeu  Gott- 
heit offenbai-t.  Die  Yolhvirkung  der  Störung  kommt  erst  in  150  zum  Aus- 
druck. An  sich  hätte  es  nahegelegen.  120  in  Gegensatz  zur  150  zu  setzen; 
dadurch  wäre  aber  ihr  zahlensjniibolischer  Zusammenhang  völlig  ver- 
schleiert  worden.     Ausserdem    bedurfte  man   —  wie  schon    oben  bemerkt 

—  das  Ideogramm  TT  für  andere  Zwecke. 

Damit  beschliesse  ich  meinen  Versuch,  die  merkwürdigen  Zahlensymbole 
für  -Rechts,  Glück"  und  „Links,  Unglück"  zu  erklären.  Trotz  mehrerer  gün- 
stiger Anzeichen  und  der  anscheinenden  Aussichtslosigkeit  jeder  andern 
Lösung  sehe  ich  selbst  dai'in  nichts  weiter  als  eine  wohlbegründete  Hypo- 
these. Bestätigt  sie  sich,  so  ist  der  babylonische  ürspnmg  der  pytha- 
goreischen Zahlenspekulation  und  damit  ein  bedeutsamer  Zusammenhang 
griechischer  und  babylonisclier  „Weisheit"  völlig  sicher  gestellt.  Ihn  als 
sehr  wahrscheinlich  dargetau  zu  iiaben.  darf  die  voi-liegende  Arbeit  wohl 
beanspruchen  und  selbst  dann,  wenn  sie  zuweüen  in  die  Irre  geht.  An 
den  von  den  griechischen  Schriftstellern  uns  überlieferten  Beziehungen  des 
Pythagoras  zu  Babylon M  mag  ja  die  Sage  einen  guten  Anteilhaben:  aber 
ohne  festen  historischen  Kern  sind  sie  gewiss  nicht.  In  zahlreichen  Fäl- 
len haben  die  antiken  Berichte  über  babylonische  Verhältnisse  —  aller 
Skepsis  zum  Trotz  —  durch  die  Keilschriftforschung  eine  glänzende  Be- 
stätigung erfahren.  Und  die  Zeugnisse  mehren  sich  noch  immer'-).  Diese 
Tatsachen  sollten  endlich  auch  den  übereinstimmenden  Angaben  der  Alten 
über  die  Abhängigkeit  des  Altmeisters  der  Mathematik  von  der  Schul- 
weisheit der  babylonischen  Priester  ein  grösseres  Gewicht  verleihen. 

Valkenburg  i.  Holland. 


1)  Die  Literatur  hierüber  bei  Zeller,  1.  c.  p.  300,  4. 

2)  So  erweisen  sich  auch  die  Angaben  Diodors  von  Sizilien  über  die  Astronomie 
und  Astrologie  der  Chaldäer  als  völlig  zutreffend.  Vgl.  meinen  Artikel  Some  new 
liljhis  on  Sdbyloninn  Astronom^/  in  Zeitsch.  f.  Assi/r.  XXV.  310  ff. 


16 


497 


Mitteilungen  und  Nachrichten. 


Zu  den  Germani  corpore  custodes. 


Auf  dem  Boden    des  niauretaiiisnhen  Caesarea,    des   heutigen   Scherschel   in   der 
französiscben  Provinz  Oran.  sind  zu  verschiedenen  Zeiten,  oü'enVjar  aber  an  derselben 
Stelle,  in  der  alten  Nekropole  von  El-Kantara,  zwei  Inschriftfragmente  zu  Tage  ge- 
kommen, deren  Zusammengehörigkeit  alsbald   nach   der  Auffindung   des   zweiten  er- 
kannt worden  ist').     Sie  ergeben  zusammen  folgenden  Text 2): 
(Yh)resius  decurio  cnrpor.  c. 
Aide  uxor  pos(it)it  oh 
meeritis  (so)  eins. 

Der  hier  genannte  decurio  CORPOR  •  C  •  ist  von  Mowat')  mit  Beziehung  auf  die 
bekannten  Leibwächter  der  ersten  römischen  Kaiser  als  decurio  corpor(e)  c/ustodum) 
gedeutet  und  diese  Deutung  auch  von  dem  letzten  Herausgeber  akzeptiert  worden. 
Es  ist  ohne  weiteres  zuzugeben,  dass  diese  Auflösung  der  Abkürzungen  möglich,  ja 
naheliegend  ist^).  Aber  sie  hat  doch  andererseits  auch  ihre  Bedenken*),  so  nament- 
lich das,  dass  ein  kaiserlicher  Leibwächter  auf  afrikanischem  Boden  eine  höchst 
merkwürdige,  wenn  nicht  unmögliche  Erscheinung  bildet.  Diese  Haustruppe  der 
julisch-claudischen  Dvnastie  ist  an  die  Person  des  Herrschers  gebunden  und  kann 
daher  das  kaiserliche  Hauptquartier  nicht  verlassen').  Mit  besserem  Rechte  Hesse 
sich,  wenn  man  schon  an  der  Mowatschen  Interpretation  festhält,  an  einen  Leib- 
wächter eines  der  letzten  mauretanischen  Könige,  des  Juba  (11)  oder  des  Ptolemäus, 
denken,  aus  deren  Zeit  eine  ganze  Anzahl  inschriftlicher  Denkmäler,  zumeist  Freige- 
lassene und  Sklaven  von  ihnen  betreffend,  sich  in  Caesarea  erhalten  haben ').  Dass 
es  an  den  Höfen  der  Klientelkönige  von  Kaisers  Gnaden,  wo  die  in  Rom  am  kaiser- 


1)  Schmitter  Bxdl.  epigr.  de  In   Gaule  IV  (1884)  S.  65  n.  142. 

2)  CIL  VIII  21068  (der  linke,  die  Zeilenanfänge  enthaltende  Teil  schon  von 
Wilmanns  im  Scherscheler  Museum  gesehen :  CIL  VIII  9459). 

3)  Bei  Schmitter  a.  a.  0. 

4)  Ihr  Urheber  ist  augenscheinlich  durch  die  Lektüre  von  Jullians  unmittelbar 
vorher  (in  derselben  Zeitschrift  IH,  61  ff.)  erschienener  Abhandlung  über  die  germa- 
nischen Leibwächter  darauf  geführt  worden. 

5)  Anstössig  oder  zum  mindesten  ungewöhnlich  ist  das  Fehlen  der  Bezeichnung 
des  kaiserlichen  Dienstes,  ferner  die  Dienstbezeichnung  decurio  corpor(e)  austodum), 
wo  doch  sonst  dieser  Chargierte  sich  decurio  Germanorum  nennt  (CIL  VI  4345. 
8811)  und  überhaupt  die  kaiserlichen  Leibwächter  in  ihrer  Gesamtheit  auf  den  In- 
schriften immer  Germani,  nie  corpore  custodes  heissen  (vgl.  CIL  VI  43Ü5.  20216  m. 
Add.  34  128  ».  8802—8805.  8807—8809) ;  doch  möchte  ich  darauf  weiter  kein  Gewicht 
legen. 

6)  Ein  tatsächlich  vorgekommener  Ausnahmefall  (Tac.  aiiii.  I  24)  rechtfertigt  sich 
durch  die  besonderen  Umstände. 

7)  CIL  Vni  9342—9351.  20  977.  21  085—21  096.  21  439. 


498  Mitteilungen  timl  Nachrichten. 

liehen  Hoflager  herrschenden  Sitten  und  Einrichtungen  vorbildÜL-h  und  tonangebend 
waren,  Leibwachen  nach  Art  der  corpore  custodes  gegeben  hat,  darf  als  sicher  gelten  '), 
und  es  hindert  nichts  anzunehmen,  dass  für  manche  von  ihnen,  wie  vielleicht  eben 
die  der  Maurenkönige,  die  germanische  Leibwächtertruppe  der  Cäsaren  geradezu  als 
Muster  gedient  hat.  Nach  den  dürftigen  Angaben,  die  über  den  Stein  vorliegen, 
könnte  er  aus  so  früher  Zeit  herrühren')  und  damit  die  Annahme,  dass  er  einem 
königlich  mauretanischen  Leibwächter  gehöre,  zutreffen. 

Es  ist  aber  trotzdem  zu  erwägen,  ob  die  fraglichen  Worte  CORPOR  •  C  •  nicht 
etwa  noch  eine  andere  Auslegung  zulassen.  Wenn  man  sich  ei'innert.  dass  in  einer 
am  gleichen  Orte  gefundenen  Inschrift^)  ein  conlegium  Caesariensium  cre^cenUium) 
erscheint,  so  könnte  man  versucht  sein,  den  Decurio  unseres  Steines  auf  dieses  Col- 
legium  zu  beziehen  und  demgemäss  zu  lesen  decurio  corporfis)  Cfaesariensitiml*).  — 
Mag  man  sich  nun  aber  für  die  eine  oder  für  die  andere  Möglichkeit  entscheiden, 
sovier  erscheint  sicher,  dass  dieser  mauretanische  Decurio  mit  den  kaiserlichen 
Germani  corpore  custodes  in  Rom  nichts  zu  tun  hat,  der  von  ihm  hinterlassene  Stein 
also  aus  dem  Denkmälerbestande  dieser  Truppe  auszuscheiden  ist. 

II. 

Anders  steht  es  mit  einer  unlängst  in  Rom  gefundenen  Grabschrift,  deren  Be- 
deutung freilich,  da  sie  arg  verstümmelt,  in  der  ersten  Publikation  ■'^)  nicht  erkannt 
ist.  Sie  entstammt  dem  Gelände  der  Villa  Abameiek  an  der  Via  Aurelia,  also  genau 
derselben  Gegend,  wo  zu  Beginn  des  17.  und  wiederum  um  die  Mitte  des  19.  Jahr- 
hunderts eine  ganze  Reihe  von  Grabeippen  kaiserlicher  corpore  custodes  zum  Vor- 
schein gekommen  ist*).  Mit  ihnen  stimmt  auch  in  Material  (Travertin),  Form  (Cip- 
pus)  und  Schriftanordnung  unser  Stein  aufs  genaueste  überein,  sodass  die  Ergänzung 
der  Inschrift  —  der  untere  Teil  ist  weggebrochen  —   auf  der  Hand  liegt: 

SILVA 

NERON  •  CLAVDI 
CAESARIS  •  AVG 
corpor.  CH  STOS 
dee.  (illius) 

tmt 

rix.  ann 

h.  s.  e.  postiit  (iUe) 
dec.  (iJUvs)  her.  eius 
ex  colhg.  German. 

1)  Ich  erinnere  an  die  400  von  dem  siegreichen  Octavian  dem  Herodes  von 
Judaea  npö?  cpvXaxljV  rov  awftuToq  geschenkten  Gallier  (Joseph,  bell.  Ind.  I  397)  und 
die  neben  diesen  (und  thrakischen  und  germanischen  Abteilungen)  erwähnten  be- 
sonderen öoQvcpÖQOt  desselben  Fürsten  (ebd.  I  672  =  ani.  lud.  XVII  198). 

2)  Die  geringe  Buchstabenhöhe  (1 — IV2  cm)  und  ebenso  die  Punkte  am  Ende 
der  Zeilen,  beides  sonst  Indizien  nicht  gerade  sehr  früher  Entstehung,  finden  sich 
auch  auf  sicher  datierten  Steinen  dieser  Epoche  und  Umgebung  (CIL  VIII  934.3. 
9345.  9350.  9351.  2108.5.  21086),  würden  also  keinen  Hinderungsgrund  für  eine  solche 
Ansetzung  bilden.  Doch  lässt  sich  natürlich  ein  einigermassen  sicheres  Urteil  ohne 
Kenntnis  des  Originales  nicht  fallen. 

3)  CIL  Vin  21  106. 

4)  Der  Stadtname  in  dieser  Abkürzung  CIL  VIII  9400.  21073. 

5)  Vaglieri,  Notigie  degli  scavi  1908  S.  386  n.  1. 

6)  CIL  VI  8802-8805.  8806—8809. 


Mi(teilitn()Ln  und  Narluklitcn.  499 

Von  den  von  früher  her  inschriftlich  bekannten  Leibwächtern  dienten  vier ')  eben- 
fiiUs  dem  Nero,  nach  dessen  Tode  die  Truppe  bekanntlich  definitiv  aufgelöst  vi-orden 
ist.  Bei  dem  lebhaften  Interesse,  das  die  Forschung  dieser  in  mehr  als  einer  Hin- 
sicht merkwürdigen  Institution  von  Henzens  erster  grundlegender  Behandlung  (1856) 
an  bis  in  die  neueste  Zeit ')  entgegengebracht  hat,  schien  es  nicht  unangebracht,  ein 
weiteres  Denkmal  der  Art  hier  zur  Sprache  zu  bringen.  M.  Bang. 


Neue  Beiträge  zur  Inschriftenkunde   Dakiens. 
Von  Gabriel  Tegliis. 
Zweiter  Teil.*) 

X  J.  M  i  h  II  1  y  f  a  1  V  a  im  G  r  o  s  s  k  o  k  e  1  1  e  r  C  o  m  i  t  a  t  beim  A  1  e  x  i  u  s  F  i  1  e  p 

pens.  Comitatsbeamten  aus  Torda. 

Retrograd      V  Ml 

XII.  B  r  a  s  s  ü  (Kronstadt)    beim    ev.  Obergymnasium  auf  einem  runden  Ziegel 

eingepresst.    Allerdings  aus  Potaissa. 

LEGVM 

XIII.  Sepsiszentgqörgy  im  .Szeklermu.-ieu  m. 

1.  Aus  Apulum :  Geschenk  des  Herrn  Julius  v.  Zaturecky 

a)   LEGXIIIG  b)  Ebenda    LEGXIIIG 

c)  Schönes  Exemplar.  Ebenda  Geschenk  des  Herrn  Ober-Baurats  Victor  von 
Gyärfäs 

LEGXIIIGC 

2.  Bereczek  Harömszeker  Comitat  am  Ojtozer  Pass. 

a)  COHIIIIHIS  =  Coh{ors)  IUI  Hisfpanonim  equitata),  welche  zu  Enlaka 
(üdvarhelyer  Comitat)  stationiert  war.  Im  J.  1.58  diente  sie,  nach  dem  Diplom  von 
Maroskeresztur  in  Daeia  superior.  siib  Sialio  Prisco  legato.  Aus  Bereck  besitzt  das 
Szeklermuseum  noch  COHHIS  (Goos,  Archiv  für  Laudeskimde  Siebenbürgens  43  p.  266, 
Arch.  epiijr.  MM.  I  p.  113,  CIL  HI  8074  17.  Ephem.  IV  n.  207).  COHBRAC  und 
COH  ■  I  ■  BRAC  =  Coh{ors)  I  Br(n(ai(gu!(tfin(>rum).  Orbän  Bulars  Szekelyföld  leirdsa 
Häromszek.     Goos,  Arch.  epigr.  Mitt.  I  p.  33  und  113.     CIL  III  8074  a.  h. 

b)  Ebenda  auf  einem  grossen  Dachziegel  LEG  IUI  iVrf.  ilfjt^.  XIX.  p. 38  n.  94. 
Dieser  Stempel  steht  in  Beziehung  zu  dem  Markomanenkriege,  während  dessen  aus 
Moesia  inferior  gegen  die  dakischen  Gebirgspässe,  wie  es  Tocilescu  bei  Drasna  nörd- 
lich von  Ploesti  bewies,  Vexillationen  vormarschierten.  Er  fand  nämlich  dort  Ziegel 
vom:  LEG  ITAL,  LEG  IV  MAC,  LEGXICL,  LEG  XI  CL  P  F.  und  COH  CoM.  (Tocilescu. 
Arch.  epigr.  Mitt.  XIV  p.  15.     CIL  HI  n.  12530). 

XIV.    Baläzsfalva  (Unteralbenser  Comitat)  in  der  Sammlung  des 

erzbischöflichen  gr. -kath.  Gymnasiums. 

Aus  Apulum. 

1.  LEGX"iGE  2.  AVRDIONISI 

AELIO  LEG   XIII   GEM 

3.  LEG   XIII  G  4.  LEG  XIII    G 

AEL(io) 

1)  CIL  VI  8802.  8803.  8806.  8808. 

2)  Ich  erwähne  Paribenis  fördernden  Aufsatz  in  den  Rom.  Mitt.  20  S.  321  ff. 
*)  Siehe  ersten  Teil  Band  X  Heft  4  1910,  S.  495—505. 


500  Miüeilmuien  und  Nachridden. 

5.  LEGXIIIGEM  6.  LEG   XIII 

LVCRET  AgVILA  FLAVITA 

7.  LE  XIII  GEM 
AVR  GODES 

8.  Der  bekannte  Stempel  in  verwischtem  Zustande  {CIL  III  8065.  •2-2  =  1629.  17  cf.) 

3GIIIXGEL 
NEM 
ED 

9.  Unbeschädigt  Retrograd 

G 1 1 1 X  G  E  L     lefl.  XIII  Ge(mina) 
NEMRVA        Amielius)  Meii- 
6  R  E  D  N  A        (Inder.    Vgl.  unten  XXIII  b  1. 
10.  LEGXIIIGE 
IVLMARCIANV 
S 
Aus  Apulum.  Torma  Arch.   epigr.  Mitt.  VI  p.  112  n.  6,   und  Tegläs  XXIII  p.  55 
n.  11  Micia  Tegläs  IX  p.  224  n.  15,   Erd.  Muzeum  V  1888  p.  245.     CIL  III  p.  1431 
n.  8065.  30  a,  b,  e. 

11.  Fingerstriche  auf  dem  Dachziegel  u.  8.  auf  welchem  auch  vier  Quadrate 
grundrissartig  sichtbar  sind 

M   I 
Der  im  CIL  III  7685  nach  Torma  Arch.  epigr.  Mitt.  III,  p.  100  n.  34  aus  Szind, 
bei  Torda  publizierte  Mithrasaltar  jetzt  in  Baläzsfalva. 

XV.  Nagyvärad  im  Biharer  Museum. 

1.  Potaissa.  Als  Geschenk  im  Biharer  Museum:  Fragment  einer  schönen 
Marmorplatte 

....  ITVS  HI 

FN   Tegläs  Erd.  3Im.  XIX  1902  n.  38. 

2.  Wahrscheinlich  Apulum. 

1.  Ziegelstempel  P  S  I N I  =  Pivdite»)  Siii(gulares).  Erd.  Miiz.  p.  26  n.  34.  Den- 
selben Stempel  fand  Dr.  Cerni  in  Apulum.  Alsöfejermegyei  tört  rcgeseeti  termeszettu 
doimmdnyi  Tärsulat  III  JS^vköm/ve  p.  39  und  IV  p.  22.  =  Jahrbuch  des  arch.  Vereins 
III  u.  IV.     Jung,  Arch.  epigr.  Mitt.  XIV  p.  99  CIL  III  n.  12631  a— h. 

2.  DVAPC  3.  VINI    Fragment:  Vielleicht  [(FJ(?K»(a)]...OTm 

4.  Mit  schönen  Buchstaben  gepresst :   D  N  R  H  Erd.  Muz.  p.  26  n.  38. 

5.  Dasselbe  in  einfacherer  Form  ausgeführt : 

Vielleicht    retrograd    und   N(umerus)   B{aetorum)   N(umeriis) 
3 NRN.     Qi^ggsatorum?)     Erd.  Muz.  p.  26  n.  39. 

6.  Fragment:     PA  Erd.  Mus.  p.  27  n.  4. 

7.  Vorderer  Teil  abgebrochen:  AI  Erd.  Muz.  XIX  1902,  Sond.-Abdr.  p.  27  n.  41. 

8.  LS  CIL  III  1629.26  8075c  aus  dem  Bruckental  Museum.  Im  Devaer  Mu- 
seum aus  Micia. 

9.  Schönes  Exemplar : 

LEG  XIIIGEM 
AVR  GODES 

10.  Dasselbe  fragmentiert  in  anderer  Ausführung  und  mit  schönerer  Einrahmung. 
Die  Zeilen  auch  durch  Rahmen  getrennt. 

XIIIGEM 
«^ODES 


Mitfeil tnujcn  und  Nncli richten.  501 

11.  rOXIIIG  12.  LEXIIIG 

13.  LGXIII  14.  Fragment  mit  runder  Einralimmi»:   XIIIG 

15.  Nach  einer  anderen  Variante:   LEG 

Ifi.  LEGXIIIGEM 
17.  LEGXIIIG 
AXNEISAT 
RNINI 
18.  LEGXIIIGEM 

AVREL    ACAiys    Erd.  Mu^.  XIX  1902,  Sond.-Abdr.  p.  28  n.  52. 
Stempelvarianten  der  legio  V  Macedonica  retrograd  aus  Potaissa. 

a)  M  V  J  d)  V  M  V 

b)  W  A  L  e)  Z  A  W 

c)  V  M  L     Vom  a— e  Erd.  Muz.  XIX  n.  74—78. 

XVI.  In  der  Sammlung  des  p  e  n  s.  S  e  h  u  1  i  n  .« p  e  k  t  o  r  s  S  t  e  f  a n  T  e  g  1  ä  s 

Tor  da. 
1.  T  0  r  d  a  =  Potaissa. 

A.  I  n  s  c  h  r  i  f  t  e  n. 
Stefan  Tegläs  Schulinspektor  a.  D.  in  Torda.  der  im  letzten  Dezennium  aus  Po- 
taissa eine    hübsche  Sammlung    zusammenstellte,    fand    im  J.   1909   nordöstlich  vom 
Castrum  am  „Szindi  völgytetö"  (=  Szinder-Hügel)   genannten  Weinberge  ein  Stadt- 
viertel mit  gepflasterten  Gassen,  Wasserleitungsresten  etc. 

a)  In  der  Nähe  von  diesen  Häusern  traf  er  ein  grobes  Grabmonument  aus  Kalk- 
mergel 1.35  h..  0.95  br.  und  0.68  dick.  Auf  einer  Seite  sieht  man  zwischen  Wein- 
rebeguirlanden  eine  Amphora,  auf  der  anderen  eine  stehende  Frau,  und  im  1.04  h., 
0.7  br.  Schriftfelde  mit  primitiven  Buchstaben  ist  zu  lesen : 

D  ^  M 

V.1.ER(I)A  MAAAX,M(I)L 
LA  YiX  ■  AN    XXiX  M  •  VI 
V^ALMAXiMVSVeT 
L  PATER(E)TVALeR(I)A 
MARCeLL{I)NA  MATER 
EIL  PIENTISSiM/E  ET 
P^L  ■  TERT(I)  VS  VET  EX  DeC 
COXIVCiüPTIMAE 

etpientissimae 
etterf:nt(I)YS  tvaler{I)a 

MAXiMIANVS  EIL 
MATRi  CARISSIMAe 
FEC 
Ein   -svirkliches   Familienmonument.      D{is)    31( anibiia)  |   Valer(i)a   Mamaxim(i)Uu 
rix(it)  an(ms)  XXIX  m(ensis)    VI  |  Val(erms)   Maximus  vet(eramis)  |  l(egioms)   [  V] 
pater  (e)t    Vakria  |  Marcell(i)na  mater  |  fil(iae)  pientissinme  \  et  \  P.  Ael(ius)  Tert(i)us 
vet(eranus)  ex  dee(urio)  |  conixigi  optimae  \  et  pientissimae  |  et   Terent(i)us  T(ertius)  Va- 
ler(i)a(nus)  |  Maximianus  film)  matri  carii^simae  fec(erunt).    Die  Weinrebe,  die  heute 
so  beliebt  ist.  scheint  auch  damals  mit  grosser  Freude  kultiviert  zu  sein. 

b)  Beim  Bau  des  neuen  Comitatshauses  sind  verschiedene  römische  Denare,  Ziegel 
und  zwar  auch  Inschriftenfragmente,  zu  Tage  gekommen.  Leider  war  nur  ein  ein- 
ziges lesbar  mit  O.Ol  m  hohen  Buchstaben  aus  Grobkalk : 


502  Mitteilungen  und  Nac/irirhten. 

AVRE(Uus) 
CRESicens) 

c)  Ära  aus  Kalkmergel  neben  dem  Castrura  h.  0.92  br.  0.24.  Stliriftfeld  0.14  br. 
Die  Buchstaben  sind  stark  verwischt  und  nur  sporadisch  lesbar 

A  /  /  / 
N/// 

/  /  /  / 

EX  VOT  ex  voi{o) 

P  SILVA/  p(osuit)  Silvan- 

NO   LIBER  no  Uber(o)  (patri) 

d)  Auf  einem  anderen  Bruchstück :   I  '  O  '  M  I(ovi)  Oiptimo)  Mlaximo) 

e)  Auf  einem    anderen:    [1.  n.  m.    h](imim(mii?)  A  MM 

[et  diis  deohusque]  omn(ibus  ?)  O  M  N 

f )  Auf  einem  Randstücke :  IT   yEL 

g)  Au  dem  unteren  Rande :  Vi  P  L  Sämtliche  Stücke  sind  von  Stefan  Tegläs, 
Archaeol  trtesitö  1904.     V.  Heft  S.  910—912  publiziert. 

Marraorfragment. 

B.  Ziegelstempel. 

a)  Aus  dem  Castrum ') 

VEX  ■  D  •  P 
Vex{illatio)  D{aeoruvi)  P(arthica).  Wie  ich  im  Hermes  XLIV  Bd.  p.  153  unlängst 
erklärte,  musste  die  Vexillation  unter  den  Torbereitungsübuugen  und  der  Ausrüstung 
in  Potaissa  auch  Bauunternehmungen  beiwohnen.  Nach  CIL  III  1193  war  Corin- 
thianus  Befehlshaber  dieses  gegen  die  Parther  detachierten  Truppenkorps ;  nach  dem 
Abmärsche  von  Potaissa  vereinigte  es  sich  mit  der  niedermoesischen  Vexillation, 
vgl.  Dessau  I  2723  praef.  i-e.villafia)i(is)  eq(uitatae)  Moesiae  iiifer(ioris)  et  Daciae  euiiti 
(sie)  in  expeditione  Paiihic{a).  Corinthianus  kehrte  im  J.  191  mit  grosser  Auszeich- 
nung (Corona  miiralis  hista  pur»  et  rex[H]lum  argent(o)  insigite)  laut  seinem  Grab- 
denkmal in  Micia  [CIL  III  1193)  zurück  und  starb  als  39jähriger  Mann  und  2"de(7ec- 
tus)  der  ebendort  stationierenden  nlue  ( Hispanorum)  Campagoinim  (miliariae)  auch 
in  Micia.  Den  vollen  Titel  dieser  Ala  liest  man  im  CIL  III  1342  aus  Micia.  Die 
Ala  stand  laut  Dipl.  LXVI  und  LXVI  in  den  Jahren  1-57  und  158  in  Daeia  sup.. 
laut  CIL  III  1343  unter  Severus  et  Antoninus  et  Geta  immer  in  Micia. 

b)  Vom  neuen  Comitatshause    L  '  V  '  M 

c)  Aus  dem  Castrum  LVMP  l{egio)  V  M(acedonica)  p(ia)  CIL  III  8066  h.  eine 
halbe  Stunde  von  Torda.  und  in  der  ref.  Kirche:  Torma  Anh.  epigr.  Mitt.  III  p.  113 
n.  10. 

d)  LVMP  FI  l(egioJ  V  M(acedonica) p(ia)  n{deUs)  C7Z  III  8066  h.  iu  der  Nach- 
bargemeinde Koppand  amFussboden  der  ref.  Kirche:  Torma  ^4)c7i.  epigr.  Mitt.  III  p. 
113  n.  10. 

2  Mikes,  Torda-aranyoscher  Comitat    nordwestlich  von  Torda. 

Auf  der  Wasserscheide  zwischen  der  Aranyos  und  Kleinsramos  an  einem  Kloster 
:=  Monastire)  genannten  Ruine,  wo  ein  Wachturm  existierte,  fand  Stefan  Tegläs 
mit  vielen  Quadern  Scherben  und  Dachziegeln  auch  gestempelte  Ziegeln  mit  LVM. 
Wegen  der  vielen  Ziegeln  heisst  das  Volk  diesen  Fundort  auch  Ziegelei  (La  Caramid). 

3.  Puszta  Csän  (Torda  aranyoscher  Comitat)  in  der  griech.-kath.  Kirche  im 
Fussboden  eingelassen  fand  Stefan  Tegläs  die  folgenden  Stempel : 


1)  G.  Tegläs,  ÜJabb  adalekok  Dada  felirattandhoz.  Erdelys  Museum  1902  n.  34—52. 

6 


Mitteilungen  und  Nachrir/ifeti.  503 

a)    L  V  M  k  E  l(e(jio)  V  M{acedmica)  le{gio)  ? 
h)  Noch  eigentümlicher  und  retrograd:  -IHMV  J  L{egii))  V  M(ace(lonictt)  p(ia)  f\i(idix) 
c)  Die  normale  Form  :   I^  V  M 
Die  Stempel  können  aus  Potaissa  herkommen. 

4.  Szekely  kocsärd  bei  Salinao.  An  d(M  bekannten  Bahnstation,  wo  die  römische 
Strasse  nebst  der  Bahn  gegen  Napoed  (Kolozsvar)  und  nach  Marosväsärkely  ab- 
zweigt, soll  ein  Wachturm  liegen. 

a)  Aus  diesen  Ruinen  sammelte  Stefan  Tegläs  mehrere  Ziegel  mit;   LVM 

b)  Fragment :    L  E 

5.  S  0  o  s  s  z  e  n  t  ui  a  r  t  o  n  Tordaaranyoser  Comitat. 

Bei  der  Aranyosmündung,  wo  die  Römerstrasse  über  die  Aranyos  hinüber- 
führt, vom  Brückenkopfe  oder  einem  Wachturm :  W  V  L.  L(egio)  V  M(acedonica). 
Stefan  Tegläs,  Archaeologiai  Aiesitö  1898  p.  432. 

XVII.  Im  Hausmuseum  des  Grafen  Dominik  'l'eleky  in  lieruyeszeg 
bei  Marosvusärkely  (Marostordaer  Comitat.) 
Graf  Teleky  Dominik  stellte  in  seinem  Castell  in  den  letzten  Jahren  ein  hüb- 
sches Museum  zusammen,  wo  ich  im  J.  1907  mehrere  neue  Inschriften  und  Skulp- 
turen als  Resultate  seiner  Ausgrabungen  und  Forschungsreisen  vorfand.  Sein  Haupt- 
arbeitsfeld bildet  eben  Maroskeresztur  südlich  von  Marosvärhely. 

1.  Maroskeresztur  (Marostordaer  Comitat.) 
A.  I  ns  chrif  t  e  n. 
Ära  aus  grauem  Trachyt,  eingemauert. 

MART  'E  V   Marti  et   V(wtoriae) 
O   CAECI       Q(iii>itns)  Caeci 
VS   CAE  ug  Cae- 

LIANVS  Uanus 

P  R  A  E  F  A  praef{ectus)  a(Ue] 
POS  VIT  posHit 
Diese  Ala  kann  entweder  die  al[a)  Bos(poranorum)  sein,  deren  Ziegel  CII^  III 
8074=  schon  a)  Torma  Arch.  epigr.  Mitt.  VI  p.  141  n.  15.  b)  Tegläs  XI  p.  239  n.  20 
Eid.  Muz.  1888  p.  242  n.  8  bekannt  sind,  oder  die  ala  Batarorum.  die.  wie  sich  im 
folgenden  zeigt,  auch  in  diesem  durch  das  Dipl.  LXVII  a  158  berühmten  Castell 
gestanden  hat. 

B.  Z  i  e  g  e  1  s  t  e  m  p  e  1. 

1.  Neu  mit  schönen  grossen  Buchstaben 

]\       / 
ALEBoSPo       /\0    Ale  (sie!)  Bospo(ranorum)  miliaria 
/      \ 
Die   Ala  konstatierte    ich    zum   ersten    Male  in   Szekelyföldvär  (Salinae)  in  dem 
Hausmuseum    des    Grafen   Stephan   Zichy.    Arch.  epigr.  Mitt.  XI    p.  213   n.  17.   Erd. 
Mus.  V  188  p.  246. 

2.  Untere  Hälfte  verwischt  A  T  F  R  o  S  P  o  Ale  (sie !)  Bospo{r(inorum)  CIL  III 
80743  a  (Torma  Arch.  epigr.  Mitt.  VI  p.  141  n.  15)  G.  Tegläs,  Archaeol.  epigr.  Mitt.  XI 


p.  239  n.  20,  Erd.  Mus.  1888  V  p.  242). 

3.  Fragment  mit  klei 

Bospo{ranorum)  milia ria. 

4.  An  einem  Dachziegelfragment :    P  O 


o  / 


/      \ 


(«)/« 
[ale  Bos]po(ranorum)  (miliaria). 


504  Mittcihtmicn  loid  Nachrichten. 

5.  Hier  zum  erstenmal.  Auf  einem  Dachziegel  reliefartig  gepresst:  A  LI  B  =  tiha) 
I.  B{atavoruin). 

6.  Von  hier  schon  bekannt  nach  Torma  {Ärch.  epigr.  Mitt.  VI  p.  141  n.  15)  und 
meinem  Berichte  {Arch.  M.  IX  p.  239  n.  20).  Der  jetzige  Fund  ist  aber  ganz  anders 
ausgeführt. 

[0   AL   B  O  S  Li!     <il(n)  ]ios{poraiionim)  miUai-ia 

7.  Neu.     An  einem  mit  Fingerzeichen  gezierten  Dachziegel  reliefartig: 

( )OIATA 

8.  Auch  neu  in  zwei  gleichen  Exemplaren :  A  P  A  E  =  -4  (lae)  P(annoniae)  v(e- 
a'illatio))iuin  E{Jectorum).  Laut  CIL  III  1464  aus  Sarmizegetusa  war  Ulpius  im  Anfang 
des  III.  Jahrhunderts  praepositus  re.rin(at)o>iibus)  auxiliariorum  Patm(oniae)  infe- 
(rioris). 

9.  Mit  Reliefdruck,  zweiter  Teil  abgebrochen:  COS\  co(lMr)s  ?  S(a(iittcirinr»m?) 
(müiaria  ?) 

Dass  eine  coh.  I.  Sag.  unter  Gordian  in  Drobetae  stand,  geht  aus  der  Weihinschrift 
CIL  ni  6279  hervor,  die  sie  dem  Mars  Gradiriiit  dort  errichtet  hat.  Siehe  Ziegel 
CIL  III  Suppl.  8074.  23  und  den  imaginifer  der  Cohorte  CIL  Hl  1583  =  Suppl.  8018 
ebendort. 

2.  P  o  t  a  i  s  s  a  (T  o  r  d  a). 

a)  Auf  einem  Dachziegel:  LEGvD 

b)  Auf  einem  Dachziegel  mit  schlechtem  Druck  und  primitiv  gepresst: 

LEGvQ 
Die  beiden  Stempel  lassen  sich  vielleicht  auch  leg(io)  V  D{acica)  lesen.  Hermes 
LXIV  p.  1.52.  Nach  Ausweis  des  Altars  aus  KudikOi  CIL  III  14433:  NEPT  •  AVG  . 
SAG  ;  VEXIL  ■  LEG  .  I  •  ITAL  1  M  ET  V  ■  M  •  D  ■  TROP  A(e)L  behauptet  Tocileseu ')  ganz 
richtig,  dass  die  Legio  quiuta  kurz  nach  ihrer  Versetzung  nach  Dakien  im  Jahre 
167/8')  sich  doppelt:  V  M{acedomca)  D(ae(ca)  titulierte. 

3.  Mezö  Szäbed  (Marostordaer  Comitat)  im  sogenannten  Mezöseg     (Die  Flur). 
Fragment  eines  Türsturzes  aus  Kalkmergel  mit  grossen  Buchstaben: 

HERMEROS ' LAI 

4.  Särd  bei  Apulum.  L'nteralbenser  Oomitat. 

a)  Fragment  aus  Kalkmergel,  oben  Kranzteil  und  Reste  eines  Brustbildes 

[diisl]  M  (anibus) 
SELI    V  (ixit)  A(nins  ?  ..  .) 
A(/myi)NDER   pro  [f(«rafoi-)  Aug.\ 
I 

b)  Marmorfragment  mit  schönen  Buchstaben 

iBi 
[V]iCTO»-(««e 

N  ■  IUI  {a,))n{is)  IUI 

E  ■  FIL  ■  PI  fi(Uae)  pi{entissimae) 

P  ATFR  =  pater 

5.  Sarmizegetusa  (Värhely  Hunyader  Comitat.) 

Grosse  Platte  aus  Bukovaer  Marmor  h.  0.05  m,  br.  1.8  m,  dick  0.18  ni.  Schrift- 
fliiche  h.  0.4,  1.  1.06  m.  Die  Buchstaben  in  den  zwei  ersten  Zeilen  0.055  m  vom  drit- 
ten angefangen  0.045  m.  Die  rechte  abgebrochene  Ecke  Hess  Graf  D.  Telekj'  mit 
Cement  ausfüllen. 


1)  Stefan  Tegläs,  Archaeol.  EHesitö  1904  V  p.  412. 

2)  Tocileseu,  Fouilles  et  recherclies  archeologiques  en  lioumanie  1900  p.  202. 


Mitfcihou/cu  und  Nuchrkhtm.  505 

PRO  SAi^VTEIMP  •  M  •  AVR 
lll/lll/ll  PH  AVG- 
M  ■  POMPON  SEVERVS  •  DEC  •  COL  •  QVEST  •  FAT  •  COLL  •  FABJi 
ET  M  ■  VRBIVS  VALERIANVS  PATR  •  COLL  •  EIVSD 
AEDEM  PECVNIA  SVA         FECERVNT 

Pro  sahite  iinp{eratnris)  M{arci)  Aur{elii)  \  Antonini  Pii  Aiig{iisl{)  |  M.  I'ompon(ius) 
üererus  deciiirio)  col(oniae)  qu{a)est(or)  pat(roiius)  coll(egii)  fabr{tim)  |  et  M.  ürbius  Va- 
lerianus  patr{07iu!i)  coU(eyii)  eiusd(em)  \  uedem  pecunia  mia  fecerunt. 
Diese  Aedes  stand  vielleicht  in  der  Nähe  jenes  Nemesistempels,  welchen  wir 
im  Jahre  1890  und  1892  in  Varhely  am  östlichen  Tor  des  Amphitheaters  ausgegraben 
haben  {CIL  TU  n.  13775—13791).  Der  Bau  ist  nach  dem  Text  (laut  Analogien  CIL 
ITI  8243,  1070)  im  Jahre  216  oder  {CIL  111  7Ö20.  10306)  im  J.  217  entstanden. 

X  V 1 1 1.  S  z  a  m  0  s  u  j  v  ä  r  (S  ?,  o  1  n  o  k  -  d  o  b  o  k  a  c  r  ('  o  m  i  t  a  t ). 
Im  Besitze  des  Staatsgymnasiums  sah  ich  im  J.   1903  ein  (irabdenkmalt'ragment 
aus  groben  Dacittnf 

(inniS    XLV 
NIV 

XIX.  Magyar  E  g  r  e  g  y  S  z  i  1  a  g  y  e  r  C  o  m  i  t  a  t,  b  e  i  m  p  e  n  s i  o  n  i  e  rte  n  P r  ä- 
p  a  r  a  n  d  e  n  s  c  h  u  1  d  i  r  e  k  t  o  r    Samuel    B  o  r  b  e  1  y     in     S  z  e  k  e  1  y  k  e  r  e  s  z  t  u  r. 

Fragment. 

^p  B  T  p  r  B  c 

Allerdings  identisch  mit  CIHISP  BTPriBc  CIL  III  8074 18  =  6283.  Torma 
Arch.  epigr.  Mitt.  111  p.  114  n.  14  C(oliors)  I  Hisp((tnoncm  (luingenariu).  Ritterling 
(Jahresh.  des  öster.  arch.  Instituts  1895  Heft  1)  rectifiziert  das  g  auf  niiliaria.  Der 
Ziegel  lautet  also  folgenderweise:  Cfohors)  I His\p.  milario.  Am  Ende  C  =  C(ohor- 
tis):  aber  die  vier  Buchstaben  FPT  B  lassen  sich  nicht  erklären:  denn  weder  trih- 
(itnus)  c(ohortis),  noch  primipilus  passt  hier  hinein. 

X  X.  M  e  z  ö  t  u  r  (S  z  o  1  n  o  k  e  r    C  o  m  i  t  a  t)    in    d  e  r   S  a  m  ra  1  u  n  g   d  e  s   r  c  f  o  r- 
m  i  e  r  t  e  n  Gymnasiums  aus  T  o  r  d  a  (P  o  t  a  i  s  s  a.) 
Obwohl  der  Fundort  dieser  Stempel   im  Inventar   der  Sammlung   nicht  bemerkt 
war,  konnte  ich  im  J.  1904  gleich  Potaissa  als  solchen  bestimmen. 

a)  An  einem  Dachziegel:      L    V    M 

b)  Dasselbe  nur  primitiver  ausgeführt:    I.VM 

c)  In  grösserer  lapidarer  Form :      L  V  RI 

d)  Retrograd:  MVJ 

XXI.  Csanäd  (Csanäder  Comitat)  CIL  III  p.  1418  XXXIV  (XXVlIIa). 
Herr  Güterverwalter  Ludwig  Nagy  de  Kislegh   am  Budowilla  puszta   bei   Nagy- 
szentmiklos  (Torontaler  Comitat)  sandte  mir  noch  im  J.  1902  einen  grossen  Bauziegel 
mit  diesem  schönen  Stempel: 

LEGXIIIGEM 
AVR  CODES 
Romer  vom  Kirchhof  aus  Csanäd  Arch.  Ködk.  Vll  1866  p.  191  ein  Fragment 
I  E  C  X  •  •  •  C  E  N  .  CIL  III  6271  a'  =  8064i  b'  und  c".  Desjardins  aus  dem  Nat. 
Museum  in  Budapest  n.  273  aber  SO  DES:  Ephem.  epigr.  II  n.  454  was  Romer 
Eph.  II  447  c  rectifizierte,  CIL  Hl  8065  20  e.  In  Csanäd  auch  LEGXIIIG: 
Tegläs,  Arch.  epigr.  Mitt.  XIII  p.  198.  Erd.  Mm.  1890  p.  396.  CIL  111  Suppl.  12608 
f  ad  u.  8064i  b.  c. 

Klio,  Beiträge  zur  alten  Geschichte  XI  4  33 

9 


506  Mitteilungen  und  Naehrirlden. 

XXII.  Berzovia  =  Zsidovin  Krasso-szörenyer  Comitat. 
Das  Dorf  Zsidoviu  steht  auf  dem  römischen  Castell  und  erhielt  seinen  eigent- 
lich Zidova  (=:  Mauerreste)  lautenden  Namen  von  den  erhaltenen  römischen  Sub- 
struktionen.  Zigismund  Borlea  Hess  durch  den  ehemaligen  Architekten  Adrian  Dia- 
conovich  dort  für  die  Akademie  der  Wiss.  in  Bukarest  Ausgrabungen  vornehmen. 
Unter  den  Resultaten  dieser  Grabung  notierte  ich  im  J.  1894  folgenden  Ziegelstenipel : 

1.  LEGIIIIJJ 

2.  Kin  Fragment  derselben  Form  aber  ohne  Epitethon  : 
GIIII  [le[ff{io)  IUI 

X  LEGIIIIFF 
4.  Im  Temesvarer  Museum  dieselbe  Form,  aber  rahmenlos 
LEGIIIIFF 
CIL  III   8070  =  1631  ef.  p.  1019   et    Eph.  II  n.  463.    b.  Hoffinger,    Neiicf  ung.  Ma- 
gazin 2  (1792)  p.  104.  107.     e.  Torma  vielleicht  eben  von  diesem  Exemplar  ArchaeoL 
epigr.  Mitt.  VI  p.  138  n.  1.     Tegläs  G.  A    Tuh.   Peiding.    Lederata-   ti  biscinni  iitora- 
naln.     (Die  Linie  Lederata- Tibisum   der    Tab.  Peuting.)     Arcli.   Mitt.  Arch.  Kbzlk  XX 
1899,  Sonderabdruck  p.  21—22  a— d  und  Erd.  Miiz.  XIX  1902,  Sonderabdruck  43—44 
n.  100  a-d. 

XXII I.  Aus  den  Notizbüchern  Dr.  Florian  Romers. 

a.  A  p  u  1  u  m  im  Nr.  XXV  betitelten  Notizbuch  im  Archiv  der  C.  C.  für  Bau- 
und  Denkmäler  in  Ungarn. 

1.  Das  Original  sah  er  bei  Prof.  Carl  P.  Szathmäry  in  Nag3euyed: 

LEGXIIIGEM 

AVR  CODES  Erd.  Muz.  p.  32  n.  68. 

2.  L  SIN  Es  kann  nur  P{edites)  Sin{gidares)  bedeuten,  laut  Jung.  Arch.  epigr. 
Mitt.  XIV  p.  99  und  Adalb.  Cserni,  Jahrb.  des  arch.  Vereins  III  p.  39  in  IV  p.  22  CIL 
m  12  633  ad  =  8075  ss  c. 

b.  Ompolyicza,  westlich  von  Apulum  in  dem  Ompoly  {Ampelum)-Tal  gegen 
Zalatna. 

1.  Retrograd   GXIIIGEL  Jeg(io)  XIII  G(emi)ia) 

NEMRVA  Aiir{eUtt.<)  Meii- 

RED  NA  ander  Erd.  Muz.  p.  33  u.  70.  Vgl.  oben  XIV,  9. 

2.  LEGXIIIGEM 
AVR  ENTHIM 

A      Erd.  Muz.  p.  33  n.  71. 

3.  LE     IIIGE 

AVR   CALLISTR    Erd.  Muz.  p.  33  n.  72. 

XXIV.  S  z  e  r  b  P  o  s  e  s  e  n  a  (K  r  a  s  s  o  s  z  ö  r  e  n  y  e  r  Comitat.  Moldauer  Be- 
zirk) CIL  III  6275,  8006—8008. 
1.  Aus  Chloritschiefer  sehr  roh  gearbeitetes  Grabdenkmal,  h.  0.9,  br.  0.95.  d.  03. 
Die  eingekratzten  Buchstaben  sind  unregelmässig  und  in  verschiedener  (0.05—0.07  m) 
Grösse  gesehrieben : 

D  M 

GLAVICIDA 
AA/     XXX     \A 
VELL     A 
VIA    CON 
A/    BE    MER 

10 


MitteilntH/ot  inuJ  Nachrichten.  507 

B(is)  M(amhus)  \  Glaiicida  \  (rixit)  «»»(is)  XXX   Va(leri(t)  \  Vella'via  coniu{gi)  be{ne) 

mer(enti). 
2.  Fragment  einer  Mithrastafel  ans  Bukovaer  Marmor  sah  ich  im  .T.  1903  bei  dem 
dortigen  gr.-orientalischen  serhisohen  Dortl'ahrer.  Teghis  Arch.  Et.  1904. 

X  X  ^^  F  e  h  e  r  t  e  m  p  1  o  ni  b  e  i  ni  ji  e  n  s.  Bürgermeister  L  e  n  a  r  t  B  ö  h  ni. 
Der  pens.  Bürgermeister  Lenart  Bölmi  in  Feh('rtemidom  (Ungarisch- Wei.sskirchen) 
sammelt  seit  Jahrzehnten  und  besitzt  eine  hübsche  Kollektion,  in  welcher  durch 
jMUnzen,  Ziegelsterapel  und  prähistorische  Gegenstande  die  Kultur  der  Gegend  ziem- 
lieh gut  repräsentiert  wird.  Zuletzt  sah  ich  im  .1.  1903  diese  Sammlung,  und  machte 
folgende  Notizen: 

1.  O.  Palänka  (Temeser  Comitat)  gegenüber  von  Räma  (Lederatii). 
Aus  den  Donauuferruinen  an  einem  Dachziegel  in  schönem  Druck: 

COH  •  I  ■  CRT:  Coh(ürs)  I  Cret(um) 
Die  Lesung  ist  durch  das  neue  Diplom  von  Obermoesien  (Jahresh.  d.  öster.  archäol. 
Itist.  I  170),  nach  dem  sie  93  n.  Chr.  in  dieser  Provinz  gestanden  hat,  gesichert.  Da- 
durch sind  auch  die  verwischten  Ziegel  (co)HICRK  CIL  III  1703»,  die  Aschbach 
{Mitt.  der  Zentr.  Komm.  III  1858  p.  215  n.  20),  dann  Ackner-Müller  Die  rdin.  In- 
schriften aus  Dacien  n.  13),  zuletzt  Tocilescu  {Arch.  epigr.  Mitt.  XIX  219)  aus  Traians 
steinerner  Brücke  zwischen  Turnu  Severin  und  Kladova  publizierten,  erklärbar.  Die 
Ziegel  wurden  bisher  coh.  I  cinmn  Bomanorum  equitata  gelesen  und  auf  Germania  sup. 
(116  D.  XL  134  D.  L)  bezogen.  Cichorius  hat  die  Frage  in  seinem  Artikel  Cohors 
Paulv-Wissowa  IV  p.  276  glücklich  gelöst,  und  die  richtige  Beziehung  der  Inschrift 
aus  Apulum  CII^  III  1163  erkannt,  wo  im  Cursus  bonorum  eines  trib.  leg.  XIII 
P  R[rte/'  coh]  I  ■  C  R  E  T  V  (m)  vorkommt.  Diese  Cohors  konnte  auch  auf  der  Donau- 
seite gegenüber  von  Lederata  wie  bei  der  Drobetaer  Brücke  tätig  gewesen  sein. 

2.  Räma  (Lederata)  am  rechten  Donauufer  schon  Moesia  superior. 

a)  Auf  einem  Dachziegel  sehr  schön  ausgeführt: 

LEGVIICPF  =  leg{io)  VII  ü(lai(dia)  p{ia)  {{idelis) 
Die  beiden  dalmatinischen  Legionen  VII  und  XI  erhielten  im  J.  42  (Dio  LV  28,  4; 
LX  15,  4)  vom  Kaiser  Claudius  den  Ehrenbeinamen  Claudia  pia  fidelis,  weil  sie  bei 
Erbebung  des  Statthalters  M.  Purins  Camillus  Scribonianus,  zwar  anfangs  für  diesen 
gewesen,  schliesslich  aber  zu  ihren  Fahnen  zurückkehrend,  ihre  Verführer  getötet 
hatten.  Als  die  Leg.  V  Maced.  nach  Syrien  marschierte,  trat,  wie  Filow')  dartut, 
im  J.  62  die  leg.  VII  Ol.  an  ihre  Stelle  in  Moesien  ein.  Da  von  55  moesischen 
Inschriften  40  die  Bezeichnung  leg.  VII  Claud.  und  nur  15  leg.  VII  Claud.  p.  f.  auf- 
weisen, so  ergibt  sich  daraus,  dass  die  Bezeichnung  leg.  VII  Claudia  p.  f.  die  ältere 
ist.     Unser  Ziegelstempel  in  Opalänka  gehört  also  der  älteren  Epoche  an. 

Aus  den  späteren  Zeiten  stammen  die  folgenden  Stempel,  die  nach  Typ  und  Ein- 
rahmung sämtlich  verschieden  sind. 

b)  Fragment  an  einem  Dachziegel  oVIICL   =  [le]g(io)   VII  Cl(audia) 

c)LEGVII  d)LEGVIIC=  lcg(io)  VII  C{laudia) 

e)  Einfacher  ECVIIC   =  [l]eg(io)   VII  Cijaudia) 

f)  In  lapidarer  Form   lEGVuLl 

g)  /ILEG  VIICI.  =  /.  ?e(7.  VII  Cl{nudia) 

h)  LEGIVIICLc  =  legi(o)  VII  Cl(audia)  C(mistans?),  wie  es  bei  der  leg.  V: 
Mac.  p(ia)  C(onstans)  laut  CIL  III  8781,  4811.  7699,  7764  und  der  leg.  III  Fl(avia) 
p(ia)  C(onstaits)  laut  CIL  III  1U664"?  auch  vorkommt. 


1)  Bogdan  Filow,  Die  Legionen  der  Proi-inz  Moesia,  Klio,  6.  Beüieft  S.  81  u.  89 

88* 
11 


508  3Iitfe/hiiic/en  und  Naciniciden. 

XXVI.  0  r  s  0  V  a  im  Besitze  des  B  ü  r  g  e  r  s  e  h  ii  1  e ,  <1  ii  r  o  li  Herrn  Direk- 
tor Alexander  M  i  h  a  1  i  k  gesammelt. 
Orsova  (Dierna). 

A.  Inschriften. 
Grabdenkmal  aus  grobem  Kalkkonglomerat  mit  grossen  Quarzkörnchen  h.  0.84  m. 
hv.  0.44  m,  dick  0.11  m.     Nur  die  rechte  Seite  unbeschädigt.    Die  Buchstaben  O.OG  m 
hoch.     Im  J.  1906  in  der  Baziaser  Hauptgasse  beim  Graben  eines  Brunnens  zu  Tage 
gekommen : 

vIXIT 
NNXVETIV 
I.E  PROV 
NC  VIX/VXX 
ROVIN 
rixit  I  [ä]n>i(is)  XV  et  Iii  [l]iae  Prov  [i\nc[iae)  vix(it)  an(iiis)  XX  |  [P]ran'>i  [da  miitei-y] 

B.  Z  i  e  g  e  I  s  t  e  m  p  e  1. 

1.  Orsova. 

a)  Auf  1.J  Bauziegeln  (0.2.3  X  0.23  m),  scheinen  mir  aber  verdächtig  zu  sein: 
XIII 

2.  Tekia  gegenüber  von  Ürsova  auf  dem  serbischen  Ufer: 

a)  Als  Geschenk  des  Herrn  Paul  Novakovic  pens.  k.  u.  k.  Obrist  auf  einem 
0.29  X  013..5  X  0.07  m  Bauziegel  in  0.105  X  0.02.5  m  Druck: 

DARDIANA 
D{e)  A{rpii>i)  r{epnhlica)  Diana;  nach  Tocilescus  Bestimmung  aus  Pravo  =  Acjuis 
Anh.  epigr.  Mut.  XIX  p.  220  n.  83  u.  84,  CIL  III  p.  2316^°  w.  14215"  in  diesen 
Varianten:  a)  A  •  R  ■  P  •  AQVIS.  b)  D  ■  R  •  P  •  AQVIS  und  14215 >2:  wie  hier  D  •  A  • 
R  •  DIANA.  Aquae  lag  an  der  Strasse  Vimriiacium-Eotiaria  laut  Tab.  Peut.  als 
Station  und  war  auch  Heilquelle. 

b)  Auf  einem  Dachziegel  fand  ich  selbst 

DRP  DIERNA 
D{e)  r{e)p(uhlica)  Dierna  CIL  III  8277  2  a.  im  Belgrader  Museum.     Aus  Negotin  CIL 
IH  8277  2  b   und   westlich  von  Tekia    oberhalb   der   Kazanenge   bei   Mala   Golubinje 
CIL  HI  8277»  a. 

c)  Am  linken  Donauufer  Veteranihöhle,  zwischen  den  Gemeinden  OGradina  und 
Dubova,  im  Kazanpass  von  Herrn  Landesmuseumsinspektor  Josef  Mihalik  gefunden. 
Muzeumi  es  l-öiigoiäri  Ertesitu  II  1908  p.  18  Fig.  40. 

XXVII.  In  meinem  Privatbesitze. 
Tekia.  Nach  meiner  Beobachtung  lag  Dierna  an  beiden  Ufern  der  Donau.  Als 
ich  im  August  des  Jahres  1895  die  Substruktionen  beim  serbischen  Grenzdorf  Tekia 
gegenüber  von  Orsova  mit  dem  ehemaligen  Bezirksarzt  H.  Joseph  v.  Homoki  unter- 
suchte, sammelte  ich  eigenhändig  die  folgenden  Ziegelstempel,  die  sich  jetzt  in  mei- 
nem Besitze  befinden: 

1.   dIERNA 
2.  Auf  einem  0.09  m  dicken  Bauziegel    D  I  E  R  H  A 

3.   rflERNA 

4.    COH  H.{ispanonim)  in  meinem  Besitze.     Eine  Coli.  I  Hispanoruvi  veterana 

stand  laut  Dipl.  XXXI  im  J.  99  in  Moesia  inf.,  laut  D.  XLVI  im  J.  129  in  Dacia 

inf.,  Coli.  Hispanorum  pia  fidelis  im  J.  110  in  Dacia  {D.  XXXVII)  und  Coh.  I  Fla- 

via  Ulpia  Hispanorum  miliarium  civium  Momanorum  arbeitete  im  J.  110  zwischen  Po- 

12 


MiUeiliinfjen  mid  Nnrhrichten.  509 

taissa   und  Napoca  an  der  Militärstrasse  CIL  III  1627  und  gehörte  zu   dem  exercilus 
Dacicux  D.  XXXVII.     Auch  im  J.  145/6  stand  sie  hiut  D.  LXX  in  Dakien. 

XX  V II  [.  Deva  (Hunqad  er  Conii  t  at)  i  m  V  e  r  e  i  n  sm  u  s  e  u  m  aus  Ge  r  nii  zara. 

1,  Das  auf  der  Grenze  zwischen  Algyogy  und  Csigmo  liegende  römisclie  Castell 
Gerniizara  (Törökvär  =  Turjakvär)  lieferte  aus  den  Ausgrabungen  von  19U1  meines 
verewigten  Freundes  königl.  Tafelrichters  Julius  v.  Konez,  zu  dem  Singularienstempel 
noch  eine  sorgfältig  eingerahmte  Variante: 

I  -S  •  N 
Die  retrograd  angeordneten  Buchstaben  sind  zu  lesen :  Nfumerusj  Si(ngularium). 
Jetzt  im  Devaer  Museum.     Tegläs  Eid.  Muz.  XIX  1902  Sond.-Abdr.  p.'^r,  n.  31. 

2.  Noch  ein  Exemplar  des  früher  durch  H.  Ludwig  v.  Sändor  de  Kenos  und 
Lud.  Burduzaz  erworbenen  Typus:  S  '  P  N  N(umerus)  P(editum) S(ingulanum):  Klio 
X  4  p.  503  n.  5. 

Bis  heute  sind  also  die  Singulares  von  Germizara  durch  die  folgenden  Stempel  re- 
präsentiert: a)  N  ■  S  ■  B  Ackner-MüUer  und  Alfr.  v.  Domaszewski  CIL  III  8075  s2  a.  c. 
b)  SB-B-  Ackner-Müller  CIL  III  8 075 3.  b.  c)  S  •  P  B  ■  Torma  aus  dem  Erdelgi 
Muzain  Kolowias,  Arch.  epigr.  Mitt.  III  p.  116  n.  24.  Fragment  S  •  P  und  f  S  •  P  •  B 
S(ingulare,<!) pfeditum)  Biritannicorum  ':').  —  d)  N  •  S  •  B  =:  N(uinenis)  Sßtu/idarium)  B(ri- 
tannorum).  —  e)  S  •  P  •  N  Siinguhtrium)  Pfeditum)  N(umcrus).  —  f)  N  ■  S  •  P  N(umerus) 
S(ingularium)  P(editum),  und  mit  dem  jetzigen:  g)  1-S' fi  =  K(u'merus)  Si(ngi(lariiim). 

XXIX.  Lampenstempel  in   verschiedenen  Museen   befindlich. 

1.  Aus  Apulum  in  Nagyszeben  im  Staatsgymnasium: 

OPTATI   Erd.  Mus.  XIX  p.  45  n.  1. 

2.  In  Balazsfalva  im  erzbischöflichen  Gymnasium  : 

V  lAN    r(alerius)  lan- 

V  A  RI    uari{ns)  Erd.  Muz.  p.  46  n.  4. 

a)    C  ASSI   Erd.  M,i-.  p.  45  n.  2  und  b)  F  ORTIS   Erd.   Muz.  p.  46  n.  3. 

3.  Nyiregyhäza  im  Comitatsmuseum  als  Geschenk  des  Herrn  Comitatsarztes  und 
wegen  seiner  Völkerwanderungssammlung  sehr  verdienten  Museumsdirektors  Andreas 
V.  Jözsa  :  offenbar  aus  Apulum  : 

CRESCE 

S  Erd.  Muz.  p.  46  n.  5. 

4.  Szamosujvär  beim  Herrn  Professor  Dr.  Johann  Tömösvary  wieder  aus  Apulum : 

FÜRTIS 

5.  Ebenso  iu  Segesvär  (Schäsburg)  im  ev.  Obergymnasium  aus  Szekelyadnar- 
hcly,  wo  wir  1894  das  Limeskastell  und  das  Militärbad  am  Viehmarkt  entdeckten. 
Diese  Lampe  stammt  aus  dem  Bade. 

6.  Temesvar  im  südungarischen  Museum  unbekannten  Fundortes : 

CRESCE   Erd.  Muz.  p.  48  n.  12. 

7.  Zalatna  (Ampeluiii)  beim  ehemaligen  Dr.  Adolf  v.  Szontag,  Montagnephysikus : 

FORT  IS   Erd.  Muz.  p.  47  n.  7. 

8.  Nugyalmäs  bei  Zalatna  (Hunyader  Comitat)  aus  einer  römischen  Grube  am  Czu- 
czuman-Berg  beim  ehemaligen  Bergverwalter  v.  Hesky: 

OCTAVI   Erd.  Muz.  p.  47  n.  8. 

9.  Verespatak  (Älburnus  maior)  am  Gauriberg  beim  Herrn  Präparandenschuldi- 
rektor  a.  D.  Samuel  Borbely  in  Szekelykeresztur 

CODES   Erd.  Muz.  p.  48  n.  9. 

13 


510  Mitteilungen  um!  Nachrichten. 

10.  Aus  Zsidoviu  (Berzovia)  im  Krassoszören3'er  Comitat,  beim  ehemaligen  Ar- 
chitekten Adrian  Diaconovich  in  Bogsän  im  Jahre  1895  gesehen : 

FORT  IS   Erd.  Mm.  p.  48  n.  10. 

11.  Aus  Orsova  {=  Dierna)  im  Temesvarer  Museum: 

IE  Gl  DI   Erd.  Muz.  p.  48  n.  11. 

12.  Aus  dem  Mala-Tal  bei  Orsova  eine  stempellose  Lampe  ebenfalls  im  Temes- 
varer Museum;  offenbar  Lokal-Fabrikat. 

13.  Bei  Bogsän  (Krassoszörenyer  Comitat)  am  Berge  Cracu  cu  Aur  (Goldberg) 
aus  einem  römischen  Stollen  eine  mit  Strahlbiinderu  verzierte  Grubenlampe  ohne 
Stempel ;  ebenfalls  im  Temesvarer  Museum. 

14.  Szekelyföldvär  (Torda  aran3-oser  Comitat)  =  Salinae: 

Auf  einem  Lampenfragment  in  Nagyenyed  im  ref.  Bethlenkollegium.  Die  Buch- 
staben verwischt;  nur  aus  der  Stelle  des  P  können  wir  die  Ergänzung  versuchen. 

[o]?{tati) 

XXX.  Stampiglie. 
Apulum  im  Besitze  des  üntergymuasiums  in  Szäszsebes  (Mühlbach),  aus  Ton  ge- 
brannt und  an  jeder  Ecke  mit  einem  Loche: 

Avers:  C  Revers:  ebenso. 

Budapest. 


i8iyuaroaorai. 


P.  Oxy.  I,  63  Z.  8 — 9  enthält  eine  nicht  ganz  klare  Verfügung  über  Beamte,  die 
das  Abwägen  einer  Kornladung  vorzunehmen  haben.  Diese  Beamten  werden  hier 
als  (Jf(j',«f;ToapTf«')  bezeichnet.  Die  Yergleichung  dieses  T«xtes  mit  P.  Oxy.  IV.  708 
(zwei  Verordnungen  enthaltend)  gibt  die  Möglichkeit,  uns  eine  gewisse  Ansicht 
darüber  zu  bilden,  wer  diese  öfiyfinToagxni  waren  und  worin  ihre  wesentlichen  Funk- 
tionen bestanden.  Ant.  Aelianus  (Epistratege)  schreibt  dem  Strategen  des  diospoliti- 
schen  Gaues :  [rov]  xazaySh'xO!;  yofiov  ix  zov  inö  aoi  roftov  \  .  .  .  .  iv  (nvpov)  («prä- 
ßaic)  '5  I  [iv  Tf]  t[0>]v  öiiyfidxtuv  aQGfi  oh  xuBagov  (pavivzo?  |  [ix]e>.evatt  tjfiiagzdßiot' 
XQiSo'/.oyriüTjvru  \  \xai\  ß(u?.o'/.oy>jSr/i'ai,  xal  i§ißij  i'/.aaaov  \  [;f(»]Äi/c  so  und  so  viel.  Weiter 
folgt  die  Verfügung,  dass  der  Stratege  das  fehlende  Quantum  Weizen  von  den  Sito- 
logen  nachliefern  lassen  solle.  Der  folgende  Brief  (von  demselben  Mann  an  densel- 
ben Adressaten)  enthält  eine  ähnliche  Verfügung  in  ähnlicher  Form.  Es  handelt  sich 
ottenbar  um  die  Erhebung  einer  Probe  des  Weizens,  welche  sowohl  bei  der  Absen- 
dung, wie  bei  der  Empfangnahme  des  Korntransports  stattzufinden  hatte.  Die  6fiy- 
fjunongzai  waren  folglich  die  Beamten,  denen  es  oblag  diese  Probe  vorzunehmen, 
d.  h.  die  Qualität  des  zu  transportierenden  Korns  fe.stzustellen.  Das  Öely/ia  bestimmte 
also,  genau  so,  wie  zu  unseren  Zeiten  die  sogenannte  Probe  der  Getreidearten  (engl. 
Standard)  das  relative  Gewicht'),  damit  auch  die  Qualität  des  Getreides,  da  das  rela- 
tiv schwerere  Getreide  für  besser  gilt,  als  das  relativ  leichtere.  Die  auf  diese  Weise 
festgestellte  Probe  des  Getreides  pflegte  verschlossen  zum  Bestimmungsort  des  Trans- 
ports geschickt  zu  werden  ^). 


1)  P.  Land  III,  112—114  Sfiyuazocigz>i<;. 

2)  Deshalb  P.  O.ry.  I.  63  Z.  9  ti^o?  L,vyoazci[a]!cn: 

3)  P.  Hibeh  I,  39.  15  [x]ai  Seiy.ua  a(pQftyiaäa  [B](v.  xal  '(«['"]''  drutyxazf-  P-  Loiid. 
II,  256  S.  97  r'(xo/.ov9ws  zote  ....  ineazaXfievoig  xal  infaifQCiyiaßbvoiq  ä!y,uaai  (Wikkeu, 
Arch.  III,  236  ßöyfiaat)  vgl.  P.  Land  n,  98,  99.  P.  Oxy.  VII,  1024. 


14 


MUieiiungen  und  Ndchrichtc».  511 

P.  Hibeh  T.  39  und  98  liefern  den  Beweis,  dass  ein  derartiges  Vorgehen  in  der 
Getreidewirtscliaft  Aegyptens  bereits  seit  der  Zeit  der  Ptolemäer  üblich  war.  Doch  be- 
zeichnete das  Wort  ÖHyfttt,  wie  bekannt,  in  Athen  und  auf  Rhodos  die  öft'entlichen 
Stapelplätze,  wo  die  Kaufleute  ihre  Ware  zur  Schau  zu  stellen  pflegten  ').  In  dem 
technischen  Sinne  aber  einer  offiziellen  Festlegung  der  Qualität  und  der  Sorte  des 
Korns,  wie  es  in  den  obengenannten  Texten  der  Fall  ist,  wird  das  äflytia,  unseres 
Wissens,  in  anderen  Urkunden  nicht  erwähnt  '■').  S.  P  r  o  t  a  s  s  o  w  a. 

St.  Petersburg. 

1)  A.  Boeckh.  Die  Staatshaush.  d.  Athener  FS.  75. 

2)  [Zu  demselben  Thema  vgl.  jetzt  auch  U.  Wilcken,  Chresiom.  Kinl.  zu  Nr.  432 
=   P.  Oxy.  IV  708).     Die  Red.]. 


Personalien. 


A.  T.  0  1  m  s  t  e  a  d ,  Leiter  der  Cornell-Expedition  nach  Kleinasien  und  Verfas- 
ser des  auf  sie  gegründeten  Werkes  Travels  an  Sliidies  in  Ute  Nearer  East,  ist  zum 
Assistent  Professor  der  alten  Geschichte  an  der  University  of  Missouri  (Columbia  Mo.) 
ernannt  worden. 

Pierre  Jouguet  ist  zum  ordentlichen  Professor  für  alte  Geschichte  und 
Papyrologie  an  der  Universität  Lille  ernannt  worden. 

Wilhelm  Weber  hat  sich  an  der  Universität  Heidelberg  als  Privat- 
dozent für  alte  Geschichte  niedergelassen. 

Anton  von  Premerstein,  seither  1.  Sekretär  des  österreichischen  archäo- 
log.  Instituts  zu  Athen,  wird  einem  Rufe  an  die  Deutsche  L'niversität  zu  Prag  als 
Nachfolger  von  Julius  .Jung  (f  21.  VI.  1910;  s.  Klio  X  S.  396)  zum  Frühjahr 
1912  Folge  leisten. 

U.  Wilcken  in  Leipzig  hat  einen  Ruf  nach  Bonn  als  Nachfolger  H.  N  i  s  - 
s  e  n  s  angenommen. 

M.  L.  Strack  in  6  i  e  s  s  e  n  ist  als  Nachfolger  Chr.  V  o  1  <!  u  a  r  d  s  e  n  s  nach 
Kiel  berufen  worden  und  wird  dem  Rufe  Folge  leisten. 

E.  Ritterling,  Direktor  des  Landesmuseums  nassauischer  Altertümer  zu 
Wiesbaden,  wurde  als  H.  D  r  a  g  e  n  d  o  r  f  f  s  Nachfolger  (s.  o.  S.  392)  zum  Direk- 
tor der  röm.-germ.  Kommission  in  Frankfurt  a.  M.  ernannt. 

F.  M  ü  n  z  e  r  in  Basel  wurde,  nachdem  W.  J  u  d  e  i  c  h  in  .Jena  den  Ruf  ab- 
gelehnt hat,  als  Nachfolger  F.  R  ü  h  1  s  nach  Königsberg  berufen. 

Der  englische  Numismatiker  W.  Wroth  vom  British  Museum  ist  -53 
Jahre  alt  gestorben. 

Ernst  von  Herzog,  o.  Prof.  a.  D.  an  der  Universität  Tübingen,  ist  am 
16.  November,  76  Jahre  alt,  in  Degerloch  bei  Stuttgart  gestorben.  Ein  Schüler 
Albert  Schweglers  vertrat  er  seit  A.  von  Gutschmids  Tod  (1887)  neben  seinem  Haupt- 
fach, der  klassischen  Philologie,  bis  1901  auch  alte  Geschichte.  Sein  zweibändiges 
Hauptwerk  Geschichte  und  System  der  Bömischen  Staatsverfassting  (Leipzig  1884  — 188Tj 
ist  neben  Th.  Mommsens  Meisterschöpfung  im  Böin.  Staatsrecht  durch  die  Verbin- 
dung historischer  und  systematischer  Darstellung  von  Bedeutung  geworden.  Durch 
seine  epigraphischen  Studien  und  sein  Interesse  für  die  Provinzialgeschiehte  [Gallin 
Narbonnensis,  Leipzig  1864,  preisgekrönt  von  der  Ak.  des  inscr.  1866)  ist  er  früh- 
zeitig zu  fruchtbringender  Mitarbeit  an  der  römisch-germanischen  Forschung  geführt 
worden  und  hat  der  Reichslimeskommission  seit  ihrer  Begründung  angehört. 

Johannes  Vahlen  in  Berlin  ist  am  30.  November,  81  Jahre  alt,  gestorben. 


15 


512 


Namen-  und  Sachverzeichnis. 


Nicht  aufgenommen  sind  Gegenstande,  die  nur  gestreift,  nicht  neu  behandelt  wurden.  —  Die 
hochgestellten  Zahlen  bezeichnen  die  Anmerkungen.  Das  lateinische  Alphabet  ist  auch  für  gnechische 
usw.  Namen  massgebend  gewesen.     Inschriften,  Älllnzen,  Papjri  s.  unter  diesen  Stichwörtern. 


Seite 

"  AßayrfQ-'4,ucirT8<; 34 

Abusir.  deutsche  Ausgrabungen  1910  264 
Achaeer  mykenische.  Nichtgriecheu  ?  13 
Achaeischer  Bund,  Beschlüsse  über  Krieg 
u.  Frieden  458;  Stellung  der  Strategen 
460 
Ackerbau  bei  den  Germanen  52/61.  77.  80f. 
Ackergesetze    vorgraccbische,    ihr    Zweck 

380' 
Adoptionstheorie      .     .     .     293.  293».  31P 
Aegypten.    Herrschaft   im   ägiüsch.  Meere 
277;  dieselbe  unter  Ptolemaeus  Philopa- 
tor 278/83;  Verhältnisse  nach  d.  Schlacht 
V.  Raphia  280;     Veterauenansiedlungen 
390/1:     Pagusordnung    i.   4.   Jhrh.    392; 
araerik.  Ausgrabungen    124/6;    deutsche 
Ausgrabungen  1909/10       .     .     .     258/64 
Aegypter,    Gepflogenheit  Dinge   nach  ihr. 
Herrschern  zu  benennen       .     .     .     142- 
Aelius  Cesettianus.  Stadtpräfekt?  293.  293^ 
Aemilianus,  Quellen  über  s.  Tod      .     223 
Aetolischer  Bund.   s.  Umfang  453/6;    Auf- 
nahme von  Phokis  454 ;  Aufnahme  u.  Ver- 
lust V.  Thessalien  455.  455*:  Verfassung 
456/63 ;     Bundesversammlungen    456/8 ; 
Beschlüsse   über   Krieg   u.  Frieden  457. 
457°.    458;    Antragsrecht    d.    Strategen 
458/63;    Apokleten  461.  461*.  461^  462: 
probuleumatisches  Verfahren     .     461/62 
ager  Galliens,  Eroberung  durch  d.  Römer 

371 
ager  quaestorms  in  Sabinum       .     .     371/2 

ager  Sabimis 372' 

kj'za/as-Ancus-Anquirinnius     ....     35 
ayuiyöf,  Gemeiudediener       .     .     .     359/60 

Ahmes,  s.  Rechenbuch 481* 

Ahudagh 398/9 

AiyaTov  opo?  =  Berge  v.  Lassithi     .     435 

x4(ö/frc-esxuna-Escionia 41 

Aizanoi  in  Phrygien.  Stellung  einer  Hilfs- 
truppe zu  Verus'  Partherzug     .     .     365 
Akklamationen   in   Senatsprotokollen  291. 

29P 
Akten,  Aufzeichnung  auf  Holztafeln  u.  Auf- 
bewahrung im  Archiv    251/3.  253'.  254' 
Alanen.  Unruhen  im  Kaukasus      .     .     358 

I-l/.ßööK-vala-Alasinius 42 

albton  =   '/.iixwtui.  s.  das 254 

IV.djia  auf  Korsika,  Gründung  der  Kreter  35 

Alexander  d.  Grosse,  in  d.  Schlacht  b.  Is- 

sus  237 ;  am  Granikos  234/5.  287/8.  239. 

242/3 

Alexandria.     Einführung     d.   Sarapiskults 

127/8;  Tempel  d.  M.  Antonius  138.  141/2. 

142';    Augustus    am    Grabe    .-Vlexanders 

143.    143';    Einweihung    d.    Tempels    d. 

Augustus       161 


'AV.uoia-ji).SQta-k\?LxiMS 35 

Allia"  Schlacht.  Topographie  337/40;  In- 
tervall bis  zur  Einnahme  Roms  336; 
Quellenuntersuchungen      .     .     .     335/42 

Alutus.  Fluss 357 

.^/<«öf(ß-Amasenus 34 

Ambrakia.  ätol.  Stadt  .  .  .  451/2.  452- 
Ambrosius,  s.  Zahlenspekulation  .  .  488 
Ammianus  Marcellinus  u.  d.  Epit.  de  Caes. 
227/9 
Amatius.    Altar   für   Cäsar   auf  d.  Forum 

133/4;  s    Ermordung 134' 

amnis,  etruskisches  Lehnwort  ...  34 
.4«)'(ööc-amni-amnei    .......     34 

.\morgos 278.  278- 

Amyntas  i.  d.  Schlacht  am  Granikos  242 
Anachronismen  in  Münzbenennungen  184- 
nvayQcift)  s.  u.  Demetrios  v.  Phaleron 

aiuyQa<pfvq,  s.  Tätigkeit 275 

Anathyrosis 98.  107.  108 

Anazarbus.  umgetauft  in  Caesarea    .     156 
Andros      ........     277/8.  278« 

Annales  maximi,  Zeit  ihrer  Abfassung  247. 
247'.  253/4;  ihr  Verhältnis  zu  den  Pon- 

tifikalannalen 248.  255 

Anonymus  Argentinensis       ....     271 

Apokleten  d.  ätol.  Bundes  461.  461'' ^  462 

Apollo;    -Actius    145';     -Delphinios    s.    u. 

Delphinios:  delphischer  11.  ll*.  12;  -Eri- 

thimios.  Sonnenfest  427';  -Tvpßipd:  46; 

-Tempel  auf  d.  Marsfelde     .     .     .     87/8 

Apollonopolites  Heptakomias,   Veteranen- 

ansiedlung 391 

Appian,   Quelle  für  Hasdrubals  Metaurus- 

feldzug 385/7 

".47rr«()a-Aptronii 27 

Ai-a  pacis  Augustae  160.  160':  Einweihung 
164.  164' 
Arb. -Stamm  einer  etrusk.  u.  vorgr.  Namen- 
gruppe   33 

Arpinum,  etruskischer  Ursprung  .     33.  34 

Arrianus.  Auifassungen  s  Berichts  über  d. 

Schlacht  am  Granikos  230/5;  d.  Bericht 

im   Vergleich    mit    d.    anderen  Quellen 

235/9.  241.  243/4 

'AgalciQ-Arsemus 45 

Arsinoites,  Veteranenansiedlung  .  390/1 
Artemis  Leukophryne.    Fest  in  Magnesia 

452 

Asculum       374 

Asia,  röm.  Prov  .  Kalenderrefonn  164.  164* 

Askanischer  See 396/7 

Asklepiosheiligtümer,  Anlage  im  Freien  7' 

.4aoc-asna-Asis       44 

Assyrer,  Zahlensymbolik    .     482/6.  489/96 

Zahlenspekulation 486 

Atalante 431/2 


Namen-  und  Sdchverzck-Iinis. 


513 


Athen,  Dclphinion  8.  24;  Siedelungsschich- 

ten  17:  Lage  Uiathens  19.24:  Unithen 

=  Kvdiithen  19:  Lokalisierung  der  De- 

men  20/23:  Anschlusa  v.  Eleuthenie  438/9 

Athena,  ungriech.  Herkunft  6'.  15:   Kampf 

mit  Poseidon   17,18:    Verhältnis   zu  He- 

phästos  17-:  Meeresgöttin?  18';  Schütze- 

riii  des  Oelbaums  18/19;  Verlobung  mit 

M.  Antonius  138:  -Itonia        ...     19- 

Augustin,  Zahlenspekulation  481.  488.  488» 

Augustus   Soter,    Knlt   in   Aegypten     142'' 

u.  s.  Octavianus  Augustus. 
Aurelianus,  Mauerbau 214/6.  215-;  s.  Bon- 
mot über  Tetricus  221 ;  Quellenberichte 
über  s.  Charakteristik  288/9 ;  über  s.  Tod 
285/8.  307 ;  gold.  Statue  a.  d.  Kapitol  297 
Aurelius  Victor.   Verhältnis  zur  Kaiserge- 
schichte  193/206;  zur  Epit.  de  Caes.  210/2 : 
s.  Arbeitsweise  ....     209.  219.  22b 
Ausgrabungen  in  Aegypten..  amerikanische 
124/6;  deutsche  19Ö9/10    .     .     .     2-58/64 
.4ir/(ui-autaauS^ual-Antius-Antonius  .    41 
Avidius   Cassius.    Spielerei   mit   s.  Namen 
292 :  s.  Biographie  d.  Vulcacius  Gallica- 
nus  319;  deren  Autor  Vopiscus      320/1 

(i^oris 2.52 

Babylonien,  Heimat  d.Zahlensymbolik  481/2. 

49\i;2:    Zahlenspekulation  "486.    489  ff.; 

musikalische  Proportion        .     .     .     482' 

Biibylos,  s.  -Archontatsjahr       .     .     .     455' 

Baxius-/«ioc 38 

Beamtenwechsel  in  Rhodos  .  .  .  426 
Becherwahrsagung  ....  484'  485* 
Begräbniskosten,  ihre  Verminderung    269 

JS»>;/-Benus-pen9^e 32.  43 

Bestattungsverbot   innerhalb   Roms  116/7. 

120 
Bethramphtha  im  Ostjordanland       .     175 

Bewirtung,  öffentliche 145'^ 

hihlioüteca   riina 294.  294^ 

Bistümer,  bithynische       ....     409/13 

Bithynien,    Grenzen   gegen  Phrygia  Epik- 

tetos  397/401 ;  Bistümer  409/13  :  Lage  v. 

Kaisareia      , 32,5/34 

Bleigeschosse  mit  Aufschrift  Divom  Julium 

137 
Bonosus,  gallischer  Gegenkaiser  204/5. 204^ 
Booskoete.   alter  Name  v.  Kaisareia  Ger- 

manike 326.  332 

Brunnenhaus  auf  d.  Cermalus  ,  .  86/87 
Bryaxis,  Kultbild  d,  Sarapis     ,     .     .     128 

Buccheroscherben 121.  122 

Buchformen,  älteste  in  Rom      .     .     251/3 

Budalia,  Geburtsort  d.  Kaisers  Decius  204 

Bürgerrecht  römisches,  Verleihung  an  un- 

terworf  Völkerschaften  369/70. 372. 375/6. 

378 

Burgenbau  d.  Griechen 6.  7 

Caere,  civitas  sine  sufragio  .     .    377.  379 

Caesar,    Abfassung   des   Bellum   Gallicum 

48/50,  bes.  IV  u.  VI  58/59.  61/62.  63.  64'. 

65.  74.  75.  76 ;    Benutzung    griech.  geo- 

graph.AVerke7.5. 76;  S.Kult  129/1.37. 176/7 

Callaecia,  Einführung  des  Kaiserkults  158' 


Canopus,  Stern  umgetauft  in  h'((loa(tog  &p6- 

voc 142!  142- 

Caracalla,   Aushebung  spart.  Hilfstruppen 
360.  363.  364 
Carinus,  Quellen  über  s.  Tod     210.  218/9 
lastreiiges  ,Praetorianer'  bei  Vopiscus  296 
cera  .Seite'  im  Buch  ....     2-52.  252' 
Chaf-re,  Torbau  s.  Totentempels   .     261/3 
Chi,    Formveränderungen   auf  ital.  Boden 
113/4 
Chronica  d.  De.tippos    ....     189.  191 
Chronograph  vom  Jahre  354  195.223.315 
Claudius  II,  Opfertod  202'^  210.  228;  gol- 
dene Statue  auf  d.  Kapitol  297;  fälsch- 
lich für  Quintillus 202- 

Clementia,  Tempel  m.  Cäsar      .     133.  133" 
Cn.  Fulvius.    Verbannung   nach  Tarquinii 
377/8 
codex,  Wortbedeutung  249'.  251 ;  Beschaf- 
fenheit U.Vorkommen  251 :  —  ansatiis  2Ö2: 

—  i.  d.  Regia 253.  2-54 

Coelius.   Quelle  für  Hannibals  Uebergang 
über  die  Rhone      ......     350/1 

colerc,  Bedeutung  bei  Caesar      54-.  54/55 

lohmiae,   ohne   Autonomie.     Veteranenan- 

siedlungen  in  Aegypten  390/1  ;  innerhalb 

der  gallo-röm.  Civitäten     .     ,     .     391/2 

Commentarii  de  Bello  Gallico,  Abfassung 

48/50,  bes.  IV  u.  VI  58/59.  61/62.  63.  64. 

64'.  74.  75.  76 

Concordia,  Tempel   zu  Ehren  Cäsars  132; 

z.  E.  d.  Augustus  Statue  u.  Altar  in  Rom 

163 ;  Tempel  d.  Conc.  Augusta  173.  173' 

Conlegium  Caesariensium  crescentium  498 

consuUs  svffecii,  ihre  Bestellung    .     .     297 

Constantin,  Bonmot  über  Traianus    228/9 

Corinthianus.  Befehlshab.  d.  Vexillatio  Da- 

corum  Parthica 502 

Cumae.  Tempel  d.  Augustus  .     .     171 

Curia  Pompiliana 289 

Cykladen  unter   ptolemäischer  Herrschaft 

277/83 

Cypern,  röm.  Prov..  Kalender  164*;  Reform 

desselben 170.  170' 

Damokritos,  ätol.  Stratege    .     .     460.  463 

Daphnus   im    Besitz   d,   Phoker   u.  Lokrer 

439/42 

Daskylitissee      .     .     .     328.  331.  331'^.  334 

Decius,  Geburtsort 204 

defensio  s.  definitio. 

definitio  =  defensio  387/8;  im  Liban     388 

Selyutt,  Bedeutung 510/11 

SiiyuazoÜQZut 510/11 

Jf('r(/o;-Detelius 41 

Delos       278.  278' 

delph,  tilph,  gleicher  Wortstamm      .     17 
Delphinios,    Name    16';    Hafengott    1.    2; 
Gott  der  Delphine  1.  2.  4'.   16;   Heilig- 
tum in  Milet  2  ff.;   in  Athen  8;  Kult  8. 
10/11.  14.  16:  Deutung  12.  14/1-5.  16.  24'. 
24/25 
Delphinion,  in  Athen  8.  24 ;  in  Milet,  Lage 
2.  4.  7.  8.  24/25 ;  ohne  Tempel  2 ;  kreis- 


514 


Namen-  itml  Sachverzeichnis. 


Seite 
ruudes  Fundanient  2.  3.  -t.  25:  Altar  4; 

Gründungszeit 5.  10 

Delphinsgott 1.  2.  16 

Delphussa,  delphische  Quelle      .     .     16/17 
(ft'/.Toc,  Wortbedeutung  u.  Verwendung  250. 

251/2 

Demen  athenische,  ihre  Lokalisierung  20  22 

öijuöaioi,     Verwendung   zum    Kriegsdienst 

363.  365.  366' 

Demetrias  =  Pagasae  442/5 ;  Stadtrecht  443 

Demetrios  v.  Kallatis 441 

Demetrios  v.  Phaleron,  s.  Gesetzgebung 
265/76 ;  Zeit  derselb.  265/6 ;  Gesetz  über 
Datierung  d.  Grenzsteine  265/6;  Benen- 
nung eines  Gewährsmannes  auf  ihnen 
266/7 :  Ausdehnung  der  Bestimmungen 
auf  Testamente  u.  Schenkungen  267/0: 
ävayQCHf^tj  twv  xi>/urlz(oi'  xcil  ovußoi.altov 
270.  27.5/6:  Einfluss  Theoprasts  268/70 
Dental,  doppelter  einer  fremd.  Sprache  im 

Griech 32 

deputfire   cum  dat.,    bestimmen    bei  Vop. 

304.  304'.  314 

Depotfunde  in  Deutschland     .     .     69.  69- 

äsa/ico(pv>.a!!Sc 272 

Desippos,  Chronica 189.  191 

J((7Öc-Disius-Tisenius 30 

Dikte,  Berg  auf  Kreta  =  Dryses      433/35 
Dirne,    deutsch.  Ausgrabungen  2.58/9:    Pa- 
pyrusfunde 258/9 :  Hausbau  .     .     .     259 
Dinarchus.  Reden  gegen  Pvtheas   .     273/4 
Diodor.  Quelle  für  Alliaschiacht  337.  337-*. 
337*.  338.  338' ;  Scheidung  in  griech.  u. 
lat.  Quelle  339';  Bericht  über  d.  Schlacht 

am  Granikos 239/44 

Dionysios  v.  Halikarnass.  s.  Quellen  246*. 
249;  Monographie  nfol  yoövwv  ■  246* 
6m?S/  <pä/MYi  .  ■  .  .\'.  .  232.  232^ 
Dolionen,  ihre  Wohnsitze  ....  401 
Donauprovinzen,  Einführung  des  Kaiser- 
kults      168.  168' 

JopSörißc-Durdius 44 

Joijooc-Trerus 40 

Dryses,  Berg  auf  Kreta  =  Dikte  .  433'5 
Dubletten  in  d.  Gesch.  d.  röm.  Kaiser,  Ende 
d.  Carinus  u.  Victorinus  218/9:  Verbot 
Traians  u.  Maximinus  Daja  üb.  Ausfüh- 
rung V.  Befehlen  219;  omina  219;  Aus- 
spruch Domitians 219/20 

Duenosvase.  Datierung  ....  11.5/6 
Dumanitsch,  Gebirge  .  .  .  398/9.  400 
dvvauig  bei  Zahlenreihen  487.  488/9.  490. 
491/3.  496 
Eidesleistung  von  Gangra  auf  Zeus  u.  Au- 

gustus 167.  167* 

Einhundertundfünfzig,  Zahlensymbol.490/1. 

495/6 

Elbe.  Kaiseraltar  des  Ahenobarbus  170. 170* 

Elefanten,  ihr  Uebersetzen  über  die  Rhone 

durch  Hannibal 343/54 

Elektras,  Fluss  in  Kreta  ...     448.  449 
Eleusa  in  CiL,    Sebaste    getauft  156;    Be- 
ginn der  Aera  der  Stadt      .     .     .     156- 


Eleusis,  Telesterion  10'';  Plutoheiligtum  11; 

kretischer  Einfluss 14 

Eleutherae,  Lage  436/8 ;  Anschluss  an  Athen 

438/9 

Elfenbein.  Material  für  Bücher     .     .     295 

'iT/././Ji'-Velina 42 

"E/rpoc-Velurius 28 

"Erösxa,  oi.  athenisches  Beamtenkollegium 

272.  272' 

Epangeliegesandtschaften     .     .     452.  452" 

Ephesos  unter  ptol.  Herrschaft       .     278'° 

Epitorae  de  Caesaribus  186/7:    Verhältnis 

zur  .  Kaisergeschichte "  193/206.  206/10: 

zu  Eutrop  193/206:  zu  Aur.  Victor  210/2: 

zu  Ammianus  Marcellinus  227/9 :  Sprache 

207/8;  Arbeitsweise  des  Epitomators  203. 

223 

Eponymenliste,  Verwendung  durch  d.  Pon- 

tifices  255 ;  =  legol  ze  xcu  äjidS^sroi  ßißXoi 

=  libri  lintei  ad  Monetae     .     .     .     255 

i'jjßötui'-Erasenus        31 

'EQfxf^fic,   Namenerklärung     .     .     18.  18' 
Erineia,  megarisches  Dorf    ....     438 

"£()cui'(Oi-Verona-veru 44/45 

Eros,  Geheimsekretär  des  Aurelianus  286. 
288.  288' 

Eskisehehir 399 

Etrurien.  L'nterwerfung  durch  Rom  376/81 
Etrusker.  Herkunft  26:  ägäische  u.  kreti- 
sche Namen  bei  ihnen  26/47;  Aufnahme 
des   solonischeu  Fusses  86;   Einführung 

des  Quaderbaus 106 

Eunap  V.  Sardes    189/90.    191.    227:    riUte 

sophistarum       190 

Eurytanen,  ihre  Wohnsitze   .     .     .     446/7 

Eutrop,  Verhältnis  zur  , Kaisergeschichte' 
u.  d.  Epitome  193/206;  Arbeitsweise  209; 

Quelle  für  Festus .209 

exempla,  ihr  Gebrauch  in  d.  .Kaiserge- 
schichte"     221/2 

Fabier,  Untergang  am  Cremera  339'.  341- 
Fabius,  Benutzung  der  Pontifikalannalen 
2.5.5/6.  255= 
Fabius  Marcellinus  .  .  .  301.  301«.  302 
Falerii  380.  380- ;  civitas  foederata  378;  Fo- 
rum Subertanum 379 

Familiengruppe  aus  d.  Torbau  des  Toten- 
tempels des  Men-ken-re      .     .     .     125/6 
Feralia.  zu  d.  feriae  piihlicae     .     .     .     341 
Festkalender,  Zusammenhang  mit  ältesten 

Pontifikalannalen 342 

Festus  benützt  Eutrop 209 

Firmum,  Kolonie  in  Picenum   .     .     .     374 
Flavius   Claudius   Constantinus  III,    galli- 
scher Usurpator 320' 

Florianus.  Bruder  u.  Nachfolger  d.  Tacitus 
310/1.  311-;  Antritt  der  Herrschaft  31 1 : 
Orakel    der   Haruspices   312/3;    Quellen 

über  s.  Tod 200 

foediis  Cassianum 369.  369* 

Fortuna  Augusta.  Tempel  in  Pompei  157. 

157":  ministri  Fort.  Aug 171 

Fortuna    redux,    Altar   in  Rom  156.    156°; 


Xioxcii-  und  SaclifcrzKivlnÜK. 


515 


Seile 
in    Aiiiitfiiimu    l.")7;     Weihinsclirit't    in 

Praeneste 157 

Frauenpesetze 269 

Künfzahl  bei  Pytliagoreern  487/8;  bei  Ba- 

byloniern     .' 489/90 

Fünfzehn,  Zahlensymbolbei  d.Babyl.-Assyr. 
490.  495/0 
Furius  Placidius,  röm.  Konsul    .     .     182/3 
Puss.    oskisclier   84;    s.    Verwendung 
86/87.   90.  94.   95.   96.   98.  99.  102.  103. 
104.  106:  römischer  84t  s.  Verwen- 
dung 88.    91.   95.   96.   98.   99.  102.  104; 
solo  nischer   84/85 ;    Flinführung   in 
Rom  84/85.  86.  88:  bei  den  Ktruskern  86 
G.,  Buchstabe  des  Uit.  Alphabets,   s.  Auf- 
kommen     114 

Galatien.    Einführung  d.  Kai.serkults  1.54'. 
167*;    Umtaufuag    d.    Hauptstädte    154; 

Gallica 394.  407/9 

Galliea  in  Galatien     ....     394.  407/9 
Gallicanus,  Name  bei  Vopisc.  296.  319.  320 
Gallien.    Einführung   des  Kaiserkults   1.58' 
Gallier.  Einnahme  Roms  10-5.  335;  Quellen- 
Untersuchungen  darüber  335  ff. ;    Dauer 
der  Belagerung  Roms     ...     .     340/2 
Gallos,  Bistum  in  Bithynien,  s.  Lage  410/14; 
Vereinigung  mit  Kadosia      .     .     .     409 
Gallus.  Fluss  in  Galatien     ....    394 
Gallus,  Fluss  in  Bithynien  393.  394. 399/400; 
Identifizierung    mit    Göktsche-su     400. 
406;  mit  Mudurnutschai     .     403.  405  ff. 
Gangra  in  Paphlag.,  Eidesleistung  auf  Zeus 

u.  Augustus 167.  167* 

Gangra-Germanicopolis,  polit.  Einheit  334 
Gargilius  (Martialis)    .     .     301.  30P.  301* 
Geburtstag  des  Augustus,  öffentlicher  Fest- 
tag 132.  145.  145=,  monatliche  Feier  146 
Genius  A  u  g  u  s  t  i ,  Aufnahme  i.  d.  Staats- 
kult 160.  160'-;  Einrichtung  d.  1.  stadt- 
röm.  Distrikts  163;  Einführung  des  Kults 
in  vicus  Honoris  et  Virtutis  164:    Tem- 
pel in  Pompei  167 ;  Einführung  im  pagus 
Augustus   felix   suburbanus     167.    167=; 

Caesaris 132'° 

Geographische  Bestimmung:  v.  Modroi 
405  ff. ;  Gallica  407/9;  des  antiken  Gal- 
lus 405  ff.;  V.  Psyttaleia  431/33;  des  Ber- 
ges Dikte  43.3/5;  des  AiyaTov  oqoq  435: 
der  Insel  Onysia  435 :  v.  Eleutherae  '436/8 ; 
V.  Panakton  436/7:  v.  Oenoe  436/8;  v. 
Demetrias  442/5 ;  der  Eurytanen  446/7 ; 
V.  Oechalia  446;  v.  Kalindoea  447/8;  des 
Lethaeos  448;  v.  Kaisareia  in  Bithyn. 
325/34 
Germanen  zur  Zeit  Caesars,  Quellstel- 
len 49/50.  51 ;  ethnische  Verschiedenheit 
von  Kelten  50.  60'61.  74.  75;  wirtschaft- 
liche Verhältnisse  52/53.  54.  55.  56/.58. 
61.  66  ff.  76;  jährl.  Flur-  u.  Wohnungs- 
wechsel 54/55.  62.  62'.  63.  64.  66.  78.  78'. 
81 ;  Privatbesitz  54.  61.  69.  70/71 ;  Gleich- 
heit 66/67.  70:  , Mächtigere  u.  Geringere" 

66.  70/71.  78;  politische  Verhältnisse  66. 

67.  68.  69.  71.  72.  78  ff".;   Handel  69/70; 


Seile 

Sicdelungsform    79.  79';    keine   Tempel 
u.  Göttei-bilder  9;    zur  Zeit   des  Taci- 
t  u  8 :  wirtschaftliche  Verhältnisse  .     66 
Germanicopolis-Gangra,  polit.  Einheit  334 
Germani  corpore  custodef!      .     .     .    497/99 
Germanicus  in  Germanien     ....     73' 
Gise,  deutsche  Ausgrabungen  201/4;  Toten- 
tempel des  Chaf-re  261/3;   s.  Frau  263; 
Mastaba   des  Seschem-nefer  263 :    Frag- 
ment kleiner  Königsstatue    .     .     .     263 
Gleichheit,  allgemeine  b.  Germanen  66/67 

yvüjfoj.  Antrag 462.  462* 

Göktsche-sü,     Nebenfluss     des    Sangarius 
393.  399.   400.  407;    Identifizierung   mit 

d.  Gallus 400.  406 

Götterbilder,  Voraussetzung  für  Tempel  8. 9 
Göttei'kampf  zw.  Athene  u.  Poseidon  17/18 
Gordiane,    2    oder    3?    194/6:    Herleitung 

ihres  Geschlechts 195' 

Goritza,  Hügel 442.  444/5 

PöpTVc-curtun-Cortona 30 

Gothicus  Maximus,  Beiname  d.  Tacitus  307 
Gräber  in  Rom  innerhalb  d.  Serv.  Mauer 
116/120 
yjiH^/iiazfvi;  inl  toi'C  vöftovg  ■     .     ■     274/5 
Granikos.  Schlacht:  Arrians  Bericht  u.  des- 
sen Auffassungen   230/5,    Wertung   des- 
selben 2-35/9.241.  243/4;  Bericht  Diodors 
239/44;  Notiz  Polyäns    .     .     .     242.  244 
Grenzsteine  attische,  Gesetz  über  ihre  Da- 
tierung 265/6 ;  Benennung  eines  Gewährs- 
mannes auf  ihnen       .     .     .     .     .     266/7 
Griechenland :  vorgriechische  Bevölkerung 
17.  19.  25;  ihre  Mythen     .     .     .     23/24 
Gyijhtokastro.  das  alte  Panakton  .     436/7 
Hadrian,  s.  Agrargesetz  im  Liban    .     388 
Hadrianopolis.    Lage  325;    früherer  Name 

Kaisareia      .     .  ' 325.  325* 

Hagia  Triada,  Sarkophag  von      .     10.  13 
Hagios  Georgios  =  Psyttaleia       .    431/3 
Handel  bei  d.  Germanen  ....     69/70 
Hannibal  vor  Rom  106;  Hinübersetzen  der 
Elefanten  über  d.  Rhone  343/.54;    Quel- 
lenuntersuchung darüber       .     .     348/54 
Hasdrubal,  Marschziel  imMetaurusfeldzuge 
384/7 

Häuserbau  in  Dime 2-59 

Heiligtum,  altsemitisches 10 

Hekahiios,  genaue  Küstenbeschreibung 382: 

Quelle  für  Herodots  geograph.  Angaben 

382/4;  für  Stephanus  v.  Byzanz      382/4 

Hekate,  Göttin  des  Fischfangs    .     .     4.  4' 

Helgas,   alter  Name  für  Kaisareia-Germa- 

nike 332 

Hephaestos,  s.  Verhältnis  zu  Athene     17' 

Heraklea,  Gründung 441 

Herodot,  s.  geographischen  Angaben  stam- 
men aus  Hekataios 382/4 

Hilarien 181 

Himeraeus,  Bruder  des  Demetrios  v.  Pha- 

leron 271.  273 

Höhlenkulte       10 

Holztafcln,  griechische  ....  249/50 
Hostilianus  Perpenna  ....     196.  196* 


516 


Namen-  und  Sacliverzdchnis. 


Seite 

Hunneu,  Vorstösse  auf  Alanen     .     .     358 

Hyampolis.  phok.  Stadt 440 

.lenisehehir  399  u.  s.  Otroia 
imnn  s.  rechts 

"/varoc-Venatius 43 

inäe,  Verknüpfung  bei  d.  Script,  bist.  Aug. 

296 
Indogermanen.    asiatischer   Ursprung  76': 

Kulturzustand 77 

Inegöl  mit  d.  Quellflüssen  d.  Göktsche-su 
399.  400/1 
Inscbriften.  k  arische:    464/80 ;    grie- 
chische: CIG  12.53  359  ff. :  1495  3.59  ff. : 
1689  451'»:   4443  1.56':   IG  H.  .584  265: 
III,  939  14':   XII,  2.  n.  25  15P;  Xn,  3. 
n.  466/7  278 :  Ditteuberger  SIG-  36  447/ 
48;  I  334  251/2:    OGI  -54  lin.  5  277:  I. 
V.  Magnesia  a.  M.   n.   28    450/6:     BCH 
XXVI,  273  n.  20  452.  452^ :  JHSt  XVI. 
178.  n.  2  18';  ZKo  X,  232  388/90:  Orab- 
relief  aus  Spai-ta  (Dessau  n.  8878)  358  ff.: 
Tod  and  Wace.  Cat.  of  tlie  Sparta  Mus. 
p.'48  n.  245   (Le  Bas-Foucart   n.  183  b') 
379  ff. :    lateinische:    CIL  III.   775 
3.55/7:  VI,  872  136«;    Vin.  21068  497/8: 
21106   498:    IX,    5136  136";    XIII,    8213 
357/8 :  I.  aus  Dakien  499/510 ;  aus  Rom 
Notizie  1908  S.  386  n.  1  498/9;  aus  dem 
Liban  Melanges  d.  !.  Faciilti-  Orient,   de 
rUnivers  de Bei/routhlY mQS.209  387/8 
Interregnum  nach  AureUansTode  284/5.  312 
ioci,   Vorkommen  i.  d.  , Kaisergeschichte  ■* 
220/1 
Isis,  Kolossalrelief  mit  Horus  aus  Medinet 

Madi 260 

is-se-b/pu  (babyl.),  Bedeutung      .     .     493' 

Issus.  Schlacht' 237 

Istar 490.  494.  495 

Italiker,  keine  Götterbilder  u.  Tempel  9 
Italogriechische  Vasen      .     .     117/18.  123 

Julia,  ihr  Kult 176 

Juliopolis  in  Bithvnien 402 

Juuius  Tiberianus'.  Stadtpräfekt  181.  183 
Jupitertempel,  kapitolinischer  .  87.  103 
Kadosia.  Bistum  in  Bithynien  .  .  .  409 
A'ßdfi'v,  Lapithenkönig, Namenerklärung 45 

7fc«io;-Caunius-Gaunia 45 

/r«/p«ro?-Cereatae-Caere    ...     34   35/6 
Kaisareia,  alter  Name  für  Hadrianopolis  325 
Kaisareia-Germanike    in   Bithynien.    Lage 
325/34:    Nachrichten    aus    d.    Altertum 
326/7:  letztes  Auftauchen  in  d.  Literatur 
329 ;  —  Ulubad  328/9 :  Name  Germauike 
329.  832:  Lage  am  Daskylitissee  331/34: 
am  Apolloniasee  331^:    Name   Kaisareia 
332:  s.  Münzen  325.  325».  327/8.  .329.  332: 
==  dem  mod.  Tschekirge?.     .     333.  334 
Kaiser   römische,   Dubletten    in    ihr.    Ge- 
schichte s.  Dubletten. 
Kaisergeschichte,  verlorene  186.  187/8. 191. 
192.  211:  Zeit  der  Abfassung  286« :  Ver- 
hältnis  zu   Sueton  188.    201.    22.5/7:    zu 
Eutrop  193/206;  zu  Lactanz.  Aur.  Viktor 
u.  Gros.  198/206;  zur  Epitome  de  Caes. 


Seile 

193/206.  206/10;  Versuch  einer  Restitu- 
ierung   212/7 :    [Münzeraufstand    212/4. 
Vergrösserung    der  röm.    Mauer   214/6 : 
Tod  des  Numerianus  216/7.  Tod  des  Ca- 
rinus  218/9];    Vorliebe  für  ioei  220/21: 
e.rempla  221/2;  historisches  Detail  in  d. 
Epitome  222/5:  Tendenzen  des  Verf.  225 ; 
biographischer  Charakter  22.5/7:  Formel 
der  .K."  308:  Quelle  für  Vop.  v.  Taciti 
284/324 
Kaiserkult  römischer,  Begründung  129/177: 
Einführung  in  Callaecia  1-58' ;  in  Donau- 
provinzen  168.  168' ;    in   Galatien   154'. 
167*;  in  Gallien  158';  in  Spanien  157/8. 
158' 
Kalabaktepe  mit  d.  AkropoHs  v.  Milet  4.  6 

Ä«/.K/?(;-calapi-Calpenius 31 

Kalender  d.  Prov.  Cypern  164*;  s.  Reform 
170.  170':  der  Prov.  Asia      .     164.  164* 

Kaliudoea.  Lage 447/48 

Kalirrhoe.  athenische  Quelle      23.  24.  24' 

Kalos  =  kret.  Talos 23 

Kalvdon,  Bruchstück  eines  Beschlusses  ders. 

451/6 

ifä/.i'.uiß-caluma-Calumeius   ....     37 

/la^uäpa-Camars-Cameria    ....     40/41 

Kanon  von  Halbgöttern       ....     155- 

KarruroQ-KnrTca'la     ......     28 

Kappadokien,  Hauptstadt  in  Caesarea  um- 
getauft      155 

/ifäpavoc-Caranius       30 

Karisch,  Schlagwort  404;  Inschriften  464/ 
80 ;  Literatur  465 ;  Lautwert  der  Zeichen 
46.5/9:  Namen  469/79;  Sprachverwandt- 
schaft mit  der  Ivkischen  479:  Eigentüm- 
lichkeiten    .     ." 479/80 

Karneios 11 

/i«f)iv;ö(;Ö7ro//c-carna 40 

ÄccpTtui-Cardenus 30 

Ä^äarpioc-Castrius 31 

Kastortempel  auf  d.  Forum  in  Rom  .     87 

A'ßifioc-Aarfoc-Caudius-Gaudienus       42/43 

Kaukasus,  Kämpfe  gegen  Alanen  u.  Hunnen 

367/8 

Kedrios.  Fluss  in  Kreta 449 

/l;/z//>-Cecanias-Gigennius      .     .     .     45/46 

Kelten.  Unterscheidung  v.  Germanen  60/61. 

74.  75;  keine  Götterbilder  u.  Tempel   9 

Keos  ^  Lipsokutala 431/2 

KtjGxijoQa-Ktaxog-CAsca 42 

Keule,  als  Bewaffnung  .  .  .  364.  366 
Kios  a.  d.  Propontis  ....  281.  28P 
Kleinasiatische  Städte,  Aufgebot  zum  Par- 
therzuge des  Marcus  u.  Verus  .  .  364 
Kleopatra.  Tempel  für  M.  Antonius  in  Ale- 
sandria       138.  141/2.  142' 

Kodros.  nicbtgriech.  Gott       ....     23 

Köln.  Kaiseraltar 172.  172' 

Äopior-curial-Curius 32/33 

Kornprobe  in  Aegypten   ....     510/11 

Kogwrlöfi  bei  Ovid 33 

Koijvnio.;-lioiH'or>i-I{oowi'i<;       ....     33 

K6(j9^v;.  nicht  Spitzname 30 

/fopi'ivj-curuna-Corona 33 


Abdulen-  11)1(1  Sachvcrseicimis. 


517 


Heito 
KoQvnTct.  nicht  Spitziiiimo  .  .  .  29/30 
Kos    278.    278*;    Niederlage     d.    Ptolema. 

Philadelphus 277 

Kovßoixlfta  =  Kuvuklia  333 ;  s.  Lage  333/4 
Kreta  278.  278* ;  Heimat  der  Etnisker  20  fl'.; 
Versuch  eine.s  Gotteshauses  .  .  .  0 
Kreter,  Kultformeii  ihrer  Götter  .  .  10 
Kretische  Städte  ohne  Befestigung  4/.") ; 
-Kolonien  5;  -Namen  bei  Ltruskern 

26/47;  -Zeus 11 

Kronos,  nicht  griech.  Gott    .     .     .     23/24 
Kuladja-tschai,    Grenzfluss  d.  Göktsche-su 
399.  411 
Kult,  des  Caesar  129/137.  176/7;    des  Au- 
gustus  139/175;  der  Julia  176;  der  Livia 
175/6;    des  M.  Antonius    137/8;    des   S. 
Pompeius  138;  des  M.  Agrippa  176;  des 
C.    u.    L.    Caesar   176/7;     des   T.    Clau- 
dius Nero  177;  des  Delphinios  8.  10/11. 
14.  16;  der  Lares     ....     166.  166' 
Kultur  griechische,  autochthone     .     .     12 
Kydathen,  Ableitung   des   Namens    19/20; 
=  Urathen  19.  24;  Lage  des  Demos  20. 
22.  23 
K3-dathener-.Scheltathener      .     .     .     20/21 

Kydonen,  Ursprung 38 

KvlXoQ,  nicht  Spitzname    ....     30/31 

Kv(ißa-cuTve       44 

Äi'ra-Ä'iSrcaoi'-Cotinua-cutus    .     .     .     38/39 

Kythnos 278.  278» 

Äi'T(v«-Cutina 39 

livTlviov-Cotinins 39 

Lactanz  de  mort.  persecut 199 

Lade,   Niederlage  der  Rhodier  gegen  Phi- 
lipp       279 

Läufer-Bindersystem      ....     103.  107 

Lakedaemonier,  Svmmachie  im  Partherzuge 

d.  Marcus   u.   Verus    362.    364/6;    im  P. 

des  Caracalla  360.  363.  364 :  Bewaffnung 

364.  365/6 

Aäfxiuv 42 

Laodikeia,  Inschrift  des  Bischofs  Eugenius 

.  '"^89/90 

Aanxa,  urkretisch  -lamy e-Lamponius .     32 

Larenkult,  Reorganisation  durch  Augustus 

166.  1663 

Larisa-lar 29 

Lassithi  Berge  =r  AlyaXov  ('!()og  435 ;  nicht 

=  Dikte 433/4 

Lateae       408/9 

Latein.  Schrift,   Rechts-  u.  LinksUiufigkeit 

110/11;  auf  Münzen     ....     111/112 

.läiioi   V.   Kreta,    Kolonisatoren  auf   ital. 

Boden 40/41 

.l«T<y;-/l«r(0(-Latini 40/41 

Lattamos,  ätol.  Stratege       .     .     452.  455' 

Aißa  bei  Hesych 29.  29' 

Afßi'/vtj-Atßeäog-hepta, 29 

Lebedos  unter  ptol.  Herrschaft  .     .     278'" 
Leberschau  485*  u.   s.  Wahrsagung. 
Legio,  I  Minervia,  Teilnahme  am  Parther- 
kriege 357/8;  V  Macedonica,  ihre  Stand- 
quartiere       356.  356^ 


Leibwachen  an  von  Hom  abliängigen  Höfen 
497/8.  498' 

Lepreon 445 

Lethaeos.  Fluss  in  Kreta  =  Hieropotamos 

448 

i.tjl^aioy  ntdiov 448 

Lex  Flaminia,  ihr  Titel  373:  -Rufrena  136. 

).iixu)i.ia.  geweisste  Holztafel.  Verwendung 

250/1.   253;    verwandte   Ausdrücke  250; 

=  album,  Einzeltafel 254 

Liban,  Felsinschrift  387/88 ;  defeyinones  u. 

definUiones 388 

lihri  lintei  ad  Monetae,  Vorgänger  der  /i7>n' 
via(ßistratuum  255;   ^=  ifpo/  Tf    xri)  r'aö- 

,9fro(  ßlßlot 255 

Lichtgötter 11 

Lilaia,  ätol.  Stadt       451'" 

links,  Ausdruck  durch  sumelu  bei  Assyrern 

483.  490/6 

Linksläufigkeit  d.  lat.  Schrift      .     110/111 

Lipsokutala ".     431/3 

Literatur,    moderne    über  Scriptores    bist. 

Aug 178/80.  183/4 

Livia,  1.  Priesterin  d.  Divus  Augustus  174 ; 

ihr  Kult 175/6 

Livius,  als  Quelle  für  Gallierkatastrophe 
335  tf. ;  für  Hannibals  Uebergang  über 
d.  Rhone  343/4.  348/54;  für  Hasdrubals 
Metaurusfeldzug  385/7 ;  für  Ausbruch  des 
3.  mak.  Krieges   415/30;    seine  Art   der 

Quellenbenutzung 353/4 

Löwenbucht  von  Milet 2.  7 

.lo;f(«'c(üi--luy_re-Locrius 45 

Lokris,  Kämpfe  mit  Phokern  440,  Gebiets- 
veränderungen        440/2 

Lopadion  =  Ulubad  328;     Gründung  329. 

333/4 

Lophoi,  bithvnisches  Bistum      .     409.  414 

;.o§;;  zäiig     '. 231/2 

L.  Caesar,  s.  Kult 176/7 

L.  Ragonius  Urinatius,  Etrusker     .     .     39 

Lucaria,  Fest 336.  336^  336" 

hicus  permagnus  h.  Rom,  s.  Lage  336.  336-. 

336' 
bidi  s.  Spiele. 

Lukuli  am  Daskylitissee  ....  331- 
Luperci  Juliaui,  Gründung  .  132.  132" 
Lykaion  in  Arkadien  .  .  .  10.  11.  13 
lykische  Sprache,  Verwandtschaft  mit  der 

karischen 479 

Avnaoftivijg-hnsem 41/42 

Märtyierakte,  heidnische.   Papyrusfund  in 

Dirne 289 

magistratus    u.     principes    in    Germanien 
64/65.  71.  81/82 

M«j'(«s-macunia 36 

Makedonien,  3.  Krieg  gegen  Rom  s.  Römer: 
Herrschaft   über  Cykladen  s.  Cykladen. 

;1/äAA«-maalnas  etc 44 

M'.  Curius  Dentatus  .  .  .  370/71.  372 
Marcus,  röm.  Kais.  Aushebungen  in  Sparta 

zum  Partherbriege 364/6 

M.  Antonius,  s.  Kult  187/8;  s.  Todestag 
Staatsfesttag 143 


518 


Namen-  und  Sackmrzekhnis. 


Seite 

M.  Agrippa,  s.  Kult 176 

M.  Aurelius  Alexys,  Grabrelief  359.  3G4.  366 
M.  Tiillius  Cicero,  Etrusker  ....  39 
MariiisMaximus  320/1;  Spezialist  für  ioci'2'20 
Mai's  u.  Venus.  Doppelstatue  .  .  169' 
Massalia  kolonisiert  durch  Kreter       .     34 

.iy«öö«//«s-Massalia 34.  35 

Massstab  von  Ushak 84 

iWöTß/.fcMatellianus-ma&l 35 

Mfirn/i'Oi-Matienus 35 

il/«T/ovMatinius-Matius 35 

Maximiauai,  bithyn.  Bistum      .     .     .     412 

Medinet    Madi,     deutsche    Ausgrabungen 

260/1 

/V7t'A«vos-melueal-meluta 41 

Men-kew-re,   Totentempel,   Torbau     124/6 

Menschenalter 313.  313' 

Meotidae,  Namenerklärung  .  .  .  307/8 
Meeresgott,  Name,  bildlicheDarstellung  15 
meritorifi  u.  Prostitution     ....     302/3 

Metaurirs,  Fluss 384/7 

iV//.ßroc-Milasius 40 

Milet,  Topographie  2  ff .  7  ;  Altmilet  4.  6/7 ; 
kretische  Siedelung  4.  5.  17 ;  grie- 
chische 4.  6;  Anlegung  der  Burg  6/7; 
Vorstadt  an  d.  Löwenbucht  7 ;  Askle- 
pieion   7/8.   8';    Delphinioskult    14.    15; 

Name 14 

Mivwt;- Mivaaadg-mma,te 36 

/tva .    Endung    in    kleinasiat.    u.    etrusk. 

Namen 36.  37 

Mnesteus,     intellektueller     Urheber     am 

Morde  Aurelians 286/7 

Modrene  s.  Modroi. 

Modroi   393.    394.   399.    411;    =   Modrene 

=  Mudurnu 403.  405  ff. 

Moesius   Gallicanus,   praef.  praet.     .     296 

MöAAoi-Molo 44 

Mons  Massicus,  etruskisch      ....     34 

Mucapor,  Mörder  Aurelians       .     .     .     286 

Mucius    Scaevola.    Zeit    des    Erscheinens 

der  Annales  maximi      .     .     .     247.  247' 

Mudurnu -tschai  =  Gallus     393.    403.   404 

Münzen   d.  Julius   Caesar  mit  Venus  129. 

129*;    mit    s.    eigenen    Bilde     132;     d. 

Sepullius  Macer  m.  Tempel  d.  dementia 

133^;    d.  M.  Antonius  138;    d.  Augustus 

mit  eigenem  Bilde  139.  139";  mit  Aeneas 

u.   Auchises    139.    139*;    d.   C.  Antistius 

Vetus  145' ;  Jubas  II.  v.  Mauretanien  154'. 

154^  155';    der  august .   claud.,    neroni- 

scben   Zeit  m.  Arae   Augustae  in  Lyon 

162'-;    von   Kaisareia   i.    Bithynien    325. 

325*.   327.    329.   332;    von  Gangra   334; 

von  Germanikopolis 334 

Münzbenennungen,  Anachronismen  184- 
Münzeraufstand,  s.  Quellen  .  .  .  212  4 
Münzlegenden,    altrömische    u.    römisili- 

kampanische 111/2.  11:'. 

Musikalische  Proportion      ....     482' 

Mygdonen,  Wohnsitze 401 

Mykenisches     Griechentum ,     Mischkultur 

12/13 
it/öptva-morinail-murina 31 


Mysien,  Grenzen 400 

Mysterienvi'esen  in  Griechenland  .  .  14 
N.  Buchstabe  d.  lat.  Alphabets,   Formvei-- 

änderungen 111/12 

Namen,     karische    469/79:     kretische    in 

Italien 26/47 

Namenspielereien  .  .  .  292.  292^.  313 
Nebenpyramiden  m.  eig.  Totentempel  126 
Neugrihidungen  v.  Städten  nach  ihrer  Zer- 
störung, Athen  7;  Milet  ....  7. 
Neunzehn ,   Zahlensymbol    b.    d.    Babylon. 

495 
Nikaia,    Geltungsbereich    d.    Metropoliten 
411/12 
Nikomedia,    Geltungsbereich   d    Metropo- 
liten   411/12;    Tempel    der   Roma    u.  d. 

Augustus 147/8 

Nisyros 278.  278^ 

vo/jio(fv>.u>cHor     ........     273' 

voiJiO(fvXaxfc ,  athen.  Beamtenkollegium 
171/6.  272'.  275*;  priesterliche  Tätigkeit 

275;  in  Aegypten 276 

Numerianus,  s.  Tod 216/7 

Numerika,  bithynisches  Bistum     .     .     412 

Nursia 368.  372' 

Obstbau  in  Europa 78.  78' 

Octavianus  Augustus.  KaiauQ  142';  s.  Kult 
139/175 

Oechalia,  Lage 446 

Oeniadae ,  Zugehörigkeit  zu  Akarnanien 
i.  J.  270.  445;  Fehlen  in  d.  Subskrip- 
tionen d.  ätol.  Bundes       ....     454 

Oenoe,  Lage 436.  437/8 

'JQ/f^os-Oculnius-Ogulnius  .  .  .  46/47 
Oktovirat  in  sabinischen  Städten  .     368/9 

'OAoüc- Volutilius-velud 45 

Olymp    (mysischer)    328.    330.    333.    398/9 

400 
Omina,  ihre  Deutung  .  .  484'.  485*.  491 
Onysia,  Insel  b.  Kreta  ^  Dionysia  .  435 
opes,  Bedeutung  bei  Cäsar,  6f  ff.  (/((//.  67'.  70 
Opferstier  auf  Münzen  v.  Kaisareia  i.  Bithyn. 
327/28.  332. 
Oratio  Constantini  ad  sanctum  coetum  199' 
Orosius  adv.  paff.,  s.  Quellen  .  .  .  199 
Orientierung  bei  Wahrsagungen  .  484' 
Oskischer,    altitalischer    Fuss    s.    Fuss. 

Osogo 15 

Ostraka,  aus  der  Zeit  d.  Kaisers  Tacitus 
324;  spätptolemäische  aus  Dime  259; 
deraotische  des  2.  Jahrb.  259 ;  griechische 

aus  Dime 259 

Otroia  ^  Jenischehir 397 

Oxyrhynchites,  Veteranenansiedlung  390/1 
P.  Buchstabe  des  lat.  Alphabets,  Formver- 
änderungen        113 

l'.iü-asae   =   Demetrias 443/5 

jhi^iiK  .  Kiuführung  in  Aegypten  .  .  392 
l'aiiakton  =  Gyphtokastro  .  .  .  486/7 
Pandionis,  athenisch.  Phyle  ....  20 
Piqn/rus  Oxij.  I,  63  Z.  8-9  .  .  510/11 
Papyrusfunde  in  Dime  258,9 ;   in  Medinet 

Madi 260 

Parentalia,  Fest 341 


Namen-  und  Sucliirr^eiclinis. 


519 


Panncnion,    in    d.    Sclilacht.    am  üi-anikos 
237.  239.  243 

Faros       278.  278" 

Piirther,  Bezeichnung  als  Perser  3r,0.  300' 
Pentagramm  d.  Pythagoreer  .  4x7.  \-<'.i 
Pergamum,  Tempel  d.  Roma  u.  d.  .\ii_Mi-in- 

147.    147\    Spirlr    1I7' 

Perser,    Aufstellung    in    d.    Schlacht   am 

Granikos 241/2 

Perseus    s.   Römer,    Ausbruch    d.   3.  mak. 

Krieges. 

ifä/.ayi  6in).Ti  232,  232*;   -afttpiaTO/itog  232-; 

Wiederaufkommen  in  hadrianischer  Zeit 

364' 

Pharsalus.    Anschluss  an    ätol,  Bund   4.55. 

4.55« 

Phigalia       44.5 

Philippos  V.  Makedonien,  Zug  gegen  d. 
Besitzungen  d.  Ptolemäer      ,     .     .     281 

Phoenike,  Frieden 4.")-t.  454' 

Phokis,  Kämpfe  mit  Lokrern  440 ;  Herr- 
schafts- u.  Gebietsveränderungen  440/2; 

im  ätol,  Bunde 454 

Phrygia  Epiktetos,  393/4;  Vorkommen  bei 

Strabo    39.5/6;    Lage   u.  Grenzen    gegen 

Bithynien  397/402;  Modroi    ...     403 

Phrygien,  Grenzen     .     .     .     400.  401.  403 

Phylen,  athenische,  ihre  Lage  .     .     20/22 

Picenum,   Unterwerfg  durch  d.  Römer  373 

niva§,  Verwendung  u.  Wortbedeutung  250 ; 

—    6    na^ix     Totg     aQ/iepivat      xfi/xevoc 

245  Ö'. ;  ^  tabula  apud  pontificem  ma.ri- 

mum  246.  254.  254'^;    Holzcodex,  älteste 

Redaktion  derPontifikalannalen  249,  254 

Piso,  Quelle  für  Dionys.  v.  Hai,  246*,  246 

247 ;    Erscheinungszeit     d,     Pisoniscben 

Annalen    247';     Benutzung    der    Ponti- 

fikalannalen 255,  255'' 

Placentia,   Schlacht  eine  Niederlage     207' 

Plutarch ,     Quelle   für   ßallierkatastrophe 

335  ft'. 

Plutoheiligtum  in  Eleusis       .     .     .     .     11 

Plynteria,  athen.  Fest 275 

Polybius ,  Quelle  für  Gallierkatastrophe 
336  ft',;  für  Hannibals  Uebergaug  über 
d,  Rhone  343  ff,;  für  Hasdrubals  Me- 
taurusfeldzug  38-5/87;  für  d,  Ausbruch 
d.  3,   mak.   Krieges    415/30;    s.  Art   der 

Quellenbenützung 352/54 

Pomerium  d.  Servianischen  Stadt     .     120 

Pompei,  Tempel  d,  Fortuna  Augusta    157 

157=:  Tempel  d.  Genius  Augusti   .     167 

Pomponios  Alkastos  u.  s.  Verwandtschaft 

in  Sparta 359.  361/3 

Pontificalannalen.  Zeit  ihrer  Rückführung 
bis  zur  Stadtgründung  248 ;  Redaktion 
d.  3.  Jahrh.  254;  ihre  Abfassung  258. 
253'.  2.54;  Zeit  der  ältesten  Redaktion 
256/7;  Verhältnis  zu  Annales  maximi 
248.  255;  Zusammenhänge  mit  d.  Fest- 
kalender 342;  Benutzung  durch  d.  Privat- 
annalistik  25-5/6;  Quelle  für  Gallierkata- 
strophe      335/42 

Porsena,  Einnahme  Roms     ....     105 


Seite 

Poseidon,   Kampf  mit  Athene  17/18;    Erd- 
erschütterer 18.  18';  Meergott    .     18/19 

Präf'ekturen 368/9 

Praesos  auf  Kreta,  Lage  ....  434 
//(/'(/öog-presu-Praesentius      ....     44 

//;(/(aoc-Pri 43 

l'iiiicipes  bei  d.  Germanen  72.  73/74.  81/82 
Privatbesitz  bei  d.  Germanen  .54.  61.  69 
Proculus,  gallischer  Gegenkaiser  204,  204-, 

205 
Psychro,  Höhlenkult  10;  Lage  ,  .  434 
Psyttaleia  =  Hagios  Georgios  .  431/33 
Ptolemaeus  Philopator  u.  s.  Herrschaft  im 

äg,  Meer 278/83 

Ptolemaeus  Philadelphus,    Niederlage    b. 

Kos 277 

Ptolemais,  Kult  des  deös  Suizr/p  .  142* 
P.  Furius  Saturninus,  cons,  suffectus  355 
P.  Martins  Verus,  Legat  d.  V.  Legion  356 

/fci'o^-pucna 28 

77i;((fa'9oc-pure 43 

Pythagoras,  Vater  d.  Zahlensymbolik  481 ; 
Beziehungen  s.  Zahlenlehre  zu  d.  Babj'- 

loniern 496 

Pythagoreer,  Zahlensymbolik  481/83;  Zah- 
lenspekulation      486/9.  490 

Pytheas 273/74 

Quaderbau  in  Etrurien  106;  in  Latium 
106;  and.  Serviani.sche  Mauer  106/7.  108 
Quellenuntersuchuugen :  Zur  Gallierkata- 
strophe 335/42 ;  zu  Hannibals  Ueber- 
gang  über  d.  Rhone  348/54;  zu  Herodots 
geographischen  Angaben  382/4:  zu  Has- 
drubals Metaurusfeldzug  384/7;  zur 
Schlacht  am  Granikos  230  iF. ;  zu  Dionys. 
V.  Hai.  246^  249;  zum  Ausbruch  des  3. 
mak.  Krieges  415/30;  zu  Pontifikal- 
annalen  248  ff,;  zur  Lage  von  Kaisareia 
Germanike    325/34;    zu    den    Scriptores 

Histor.  August 178/229 

Quintilis,  umgetauft  in  .Tunius      ,     ,     133 
Quintillus,  s.  Tod  200;  Claudius  geschrie- 
ben für  Q 202* 

Q.    Pompeius    Senecius     Sosius     Priscus, 

cons 356*. 

Q,  Sulpicius,  s,  Opfer  vor  d.  AUiaschlacht 

337,  337' 

'Päxwg-'PavxOQ,  kret,  Wahrsager       29,  39 

Raubritterwesen,  Ursprung       .     .     73.  73* 

Reate       368.  372* 

rechts,  Ausdruck   durch  imnu  bei  Babyl.- 
Assyr.  483/6.  490/6;  —  u.  links  bei  Bab.- 

Assyr 483'.  485.  485* 

Rechtsläufigkeit  d.  lat.  Schrift      .     110/11 
Rhodier,    Vorherrschaft   im  ägäisch,  Meer 
279/80.  280';  Niederlage  bei  Lade     279 
Rhodos,    Sonnenfest   426.   426».   427;    Be- 
amtenwechsel    426 

Rhone,  ihre  Ueberquerung  durch  Hannibal 

u.  s.  Elefanten 343/54 

Rhotazismus 115 

Rhyndakos,  Fluss 326.  328 

Viavög-'Petttvög-Reia.nus        32 

'PiTrjJi'-ritnei-Ridanius 36/37 


520 


Namen-  und  Sachverzciclmis. 


'Wru/oft-'P/ai/oK-ritumenas  ....  36 
Kümer:  ihr.  Fluchtort  nach  der  Allia- 
schlacht  336.  336';  3  Krieg  gegen  Make- 
ifonien  415/30  [Quelleimntersuchuugen 
über  Gesandtschaft  d.  C.  Valerius  416/17; 
Mobilmachung  417/20;  Antrag  auf  Krieg 
421/2;  Gesandtschaft  des  Marcius  424/5. 
480]  Rekonstruktion  der  Vorgänge  beim 
Ausbruch  d.  Krieges  427/30;  Methode 
bei  d.  Unterwerfung  einer  Völkerschaft 
369/70.  375/6;  Unterwerfung  der  Sabiner 
367/73 ;  von  Picenum  373/6 ;  von  Etrurien 
376/81;  Vertrag  mit  Umbrien  .  .  375 
Römischer  Fuss  s.  u.  Fuss. 
Rom,  Einnahme  durch  d.  Gallier  s.  u. 
Gallier:  Servianische  Mauer  s.  u.  Serv. 
Mauer:  Brunnenhaus  auf  d.  Cermalus 
86/87;  kapitolinischer  Jupitertempel  87. 
103 ;  Kastortempel  auf  d.  Forum  87 ; 
Apollotempel  auf  d.  Marsfelde  87/88; 
Einführung  des  solonischen  Fusses  84/85. 
86.  88;  Eroberungen  der  Stadt  105; 
Hannibal  vor  Rom  ]  06 ;  Einführung  des 
Quaderbaus  106;  Poraerium  derserviani- 
schen  Stadt  120:  Bestattuugsverbot 
innerhalb  des  Stadtinnern  116/17.  120; 
Gräber  innerhalb  des  Mauerringes  116/20 
Roma,  Kult  u.  Tempel;  inPergamum  147. 
147^;  in  Nikomedia  148;  in  Nikaia  u. 
Ephesus  137;  in  Epidaurus  152;  in  Cä- 
sarea  155.  164;  in  Lyon  162.  162- ;  in 
Mylasa  i.  Karlen  163;  in  Pola  170;  in 
Ankyra  172;    in    anderen  Städten     148' 

Rufrena,  lex 136.  136^ 

Rumitalka,  Kriegstribnn 404 

Rundbauten,  Deutung 3 

'Pi'T/o)'-'Pi'r(ßöööcrutia         ....     43 

Sabiner,    Unterwerfung    durch    d.    Römer 

367/73;   polit.   Organisation    368/9.  372; 

ager  quaestoriux 371/2 

Sängergilde,  milesische 3 

Saliarisches  Lied,    Aufnahme  des  Namens 

des  Augustus 149.   149' 

.^«AiMtbvtov ,   Vorgebirge    in    Kreta,   Name 

griechisch 435/6 

Samaria,  nach  Augustus  Sebaste  getauft  1-52 
Samos  unter  ptolem.  Herrschaft  .  278'° 
Sangarius,  Pluss  in  Bithynien  393.  394,  401 

aavig .     252.  253 

Sarapis,  Herkunft  127;  Einführung  in 
Alexandria  127.  128 ;  Ableitung  des 
Namens  von  sar  apsil27;  Kritik  d.  Ueber- 
lieferung  127/8 ;  künstliche  Neuschöpfung 
128;  S.-Isis  128;  Kultbilder  .  .  .  128 
Sarkophag  v.  Hagia  Triada  .  .  10.  13 
Sarymeschedagh    od.    Gürlügdagh     .     397 

.Särpa-Satra-satrial 37/38 

Saturninus,  röm.  Befehlshaber  im  Parther- 
krieg =  Vigellius  Saturninus     .     355/7 
Satzschluss  bei  Vopiscus  .     .     .     303.  312 
ixf'rffo;,  lokrischer  u.  phokiseher  Heros  440 
Sehwanken    zwischen    Media.     Tennis    u. 
Aspirata   bei    Kretern    u.   Etruskern  38 
42/43 


Scriptores  historiae  Augustae,  Besprechung 

moderner   Literatur     über     sie    178/80 

183/4;   Quellenuntersuchungen     178/229 

Seid-su,  Hauptquellfluss  d.  Sangarius  401 ; 

alter  Name  Parthenius      ....     401 

Semiten,  altsemitisches  Heiligtum       .     10 

Sempronius  Asellio,   Historien   unter  Ein- 

fluss  d.  Polybios  geschrieben     .     .     256 

Senat,   römischer,  Einfluss  auf  Provinzial- 

kulte  147^;    Münzprägung  unter  Kaiser 

Tacitus ".....     297 

senientiam  dicere  d.  Liv.  =:  yiw/ur/v  clntlv 

d.  Griechen 459.  462 

Septimius,  Gegenkaiser  des  Aurelian  204 
Servianische  Mauer  in  Rom,  Masse  u. 
Messungen  83/84.  88/92.  93/94:  Material 
92.  93.  98.  101.  108;  Verwendung  v. 
Bindemitteln  92;  Zeitstufen  d.  Baus  93. 
95.  96.  97.  98.  99.  100/1.  104.  10.5.  106. 
108.  116/7  ff.:  Steinmetzzeichen  93.  95. 
98.  109/16;  Befestigungsgraben  94; 
Bruchstück  auf  Piazza  Fanti  94/95;  am 
Zentralbahnhof  95 ;  an  d.  Porta  Viminalis 
95/96;  an  d.  Nordgrenze  der  Dogana 
96/97;  in  d.  Via  Volturno  97/98;  Bö- 
schungsmauer 98/99;  beim  Bau  des 
Museo  agrario  100/1;  b.  Palazzo  Anto- 
nelli  101/3;  im  Gärtchen  auf  Piazza 
Magnanapoli  103 ;  im  Garten  Colonna 
103/7 ;  römische  üeberlieferung  104/5. 
123;  Läufer-Bindersystem  103.  107; 
Quaderbau  106/7.  108;  Gräber  innerhalb 
des  Mauerringes  116/20:  Funde  im  Wall 
120/23 
Seschem-nefer,  Ausgrabung  s.  Mastaba  263 

3;Tß;/Setia 44 

Sextilis.  umgetauft  in  Augustus   .     .     166 
S.  Pompeius,    s.  Kult  138.  138»;    Abstam- 
mung von  Neptun 138 

Shira-tepe 408/9 

Sicinius,  beim  Ausbruch  d.  3.  mak.  Kriegs 

415/29  bes.  426 

Silenus,    Quelle  für  Hannibals  Uebergang 

über  d.  Rhone 350/2 

Skylla 15 

Skyllies,  Taucher 15 

Sf.ivQ).favr,  =  ,>yi'p;.£«vr/ 326. 332/3;  328.  331 

sodales  Augustales 174.  174' 

Sögut  =  Gordoserba?     ....     411/12 
Soknopaios,  Gebete  an  ihn  ....     259 

.^oD>l/«-Sulenius 42 

Spanien.  Einführung  d.  Kaiserkults  157/8. 
Spiele:  zu  Ehren  d.  Venus  Genetrix  in 
Rom  130.  130^  130*.  134^:  d.  Critonius 
134.  134^;  ludi  qitinquemiales  144';  pro 
reditn  145':  zu  Ehren  d.  Augustus  145^^; 
'Pwfirüa  ^fßttOTa  in  Pergamum  147^: 
zu  Ehren  d.  Victoria  d.  Augustus  149"; 
4jährige  zu  Ehren  d.  Augustus  in  Myti- 
lene  151^;  Augustus  Spiele  in  Epidaurus 
152';  in  Mauretanien  154'-';  „Augustalia" 
157^;  Kaiser- Spiele  in  Cäsarea  164.  164'-: 
an  d.  Festtagen  d.  Larenkults  166^; 
hidi  Martiaks  169' ;  in  Neapel  zu  Ehren 


Ntoiicn-  und  Surhve.rzeicinih 


521 


des  Augiistus  170.  170^;  4jiihrige  in 
Ankyra  172.  172-;  zu  Ehren  d.  verstorb. 
Augustus  auf  d.  Palatin  175;  zu  Kliren 
d.  M.  Agrippa  in  Kos  176;  zu  Ehren  d. 
C.  Cäsar  in  Kos 177 

Sprache  der  v  o  r  g  r  i  e  c  b  i  s  <■  h  e  n  Be- 
völkerung Griechenhinds  17;  kariscbe 
4G9/80;  lykische,  Verwandtschaft 
mit  der  karischen 479 

Stadtbild,    mykenisches  8/9;   griechisches 

8/9 

Stadtpräfektur,  Bedeutung  um  d.  Wende 
d.  4.  Jahrh 293 

Stare  =  esse  in  Gallien 319 

Steinmetzzeichen  an  d.  Servianischen  Mauer 


bei  d.  Wahl  293/4;  Senatskonsult  auf 
Elfenbein  in  d.  Bibliotheca  L'lpia  294,'.'j; 
prima  oratio  ad  neiiatiim  296/8;  Abstam- 
mung d.  Kaisers  303.  306;  Korrupte! 
eiiicos  arcliiis  in  c.  10.  304;  Sklaven- 
verkauf 304/5;  Privatleben  298/300. 
SO-VO;  Senatsherrschaft  u.  Senatoren- 
briefe 306/7.  3IÖ/6;  Bestrafung  d.  Mör- 
der Aurelians  307  ;  Kämpfe  in  d.  Maeotis 
307/8;  Tod  308;  Umnennung  des  Sep- 
tember in  Tacitus  309/llJ:  Klorianus 
Nachfolger  310/11.  31 1'^:  Orakel  d.  Ha- 
ruspice8312/3;  Gemälde  d.  Tacitus  3U0. 313 
Tagebücher.  Benützung  für  antike  Historio- 
graphie    ■  .     .     .     189' 


in  Rom 93.  95.  98.  109/16    Tarpeja.  Opfer  an  ihr.  Grabe  ...     341 

Stephanus  v.  Byzanz,  Benutzung  d.  Heka-    Tarquinii 377/8.  379 

taios 383/84    7«{)pa-tarna 28/29 

Strabo;  Kritik  d.  riuiyyuifixd  .  .  .  50'  Tarraco.  Altar  d.  Augustus  .  153.  158' 
Strategen,  im  ätol.  Bunde:  ihr  Antrags-    Telesterion  in  Eleiisis 10" 

recht  458/63;  Lattamos  452.  455';  Damo-    Tembrogius,  Nebentluss  d.  Sangarius  394; 

kritos     460.    463;     im     achäischen        s.  Gebiet  phrvgisch 401/2 

Bunde,  ihre  Stellung  .  .  460/1.  461-  Tempel,  Entstehungsgeschichte  8.  9.  9'. 
Subskriptionen,    des  ätol.  Bundes    4.53  ff. ;'  10.  11 

ihre    Wertung   für   d.  polit.  Gliederung  |  Tetricus,  Aurelians  Bonmot  über  ihn    221 

Griechenlands 454'  i  ©faraZ-Tenetius-Tenatius 40 

Sueton,  Quelle  der  „Kaisergeschichte"  188.  i  Theoprast,  Einfluss  auf  Uemetrios  Gesetz- 


201.  225/7;  Gattungsbegritl'  ,Kaiser- 
scbriftsteller'  226.  306;  S.  auctus  188. 
226;  —  spezifische  Ausdrücke:  venas 
incichre  201/2;  taxare  =  sticheln  205; 
nota  im  Sinne  von  Gepräge  213;  am- 
pliare  216;  ioculariter 221' 


gebung  268/70;    Verminderung  der  Be- 
gräbniskosten 269;  Fragmente  s.  Buches 

nfQi  lö.uiur 268/70 

6föc  —ujn'iy,  Kult  in  Ptolemais  .     .     142^ 

©j/ojjy-iferas-Terius 34 

Thermon,  ätol.  Stadt 4.50 


Suetonius  Optatianus      .     .     .    301/2.  306  I  Thessalien,  iia  ätol.  Bunde  455.  4.55'.  456 
sumelu  s.  links ;  =  nin-gig-ga  .     .     485/0  1  P.  Claudius  Nero,  s.  Kult     ....     177 

2'f«yi«c-Sua  vithusSuavettius   .     .     .     42  |  tilph-delph 17 

S'/JpfTK-zupre-supri 31  |  Tilphosa.  böotisch-arkadische  Quelle  16/17 

S'fööK-Suessa 28    tocharische  Sprache  in  Ost-Turkestan  76' 

Zt'/ß-Soius-Suius-suie 28    7'o/rö/«-Tueca 30/31 

aiußtt/oi.    d.  "Römer,     Kriegsdienst    als    Totenopfer,  Vertrag  auf  Denkstein  .     263 

Leichtbewaffnete    ....     365/6    365'  |  Trebellius  Pollio  ....     202.  211.  3J4' 

Äpiröoj-Sora  34 ;  Surentum      ...     36  :  Triphylien  in  arkad.  Besitz  .     .     .     445/6 

.Tiviiw-^ri'äjroj-surna 36  |  Trittyen,  athenische,  ihre  Lage      .     20/22 

Syi-os       . 278.  278^  i  Troesmis,  Standquartier  d.  Legio  V  Mace- 

donica 356 

tabula,    Wortbedeutung    251/2;    =   corfe.r  |  Tschekirge,  das  alte  Kaisareia  .     333.  334 
254;  —  apud  pontiiicem   maximum  254;  i  Turpenus  pater  =  'Anö'/J.oiv  Tv^ßr/vög  46 

=  mvaS  o  nuQä  xoig  ntjyi((>fi<ji  xflfiiroc  i  riycuf'i'j/c-tucmenas 45 

246  ;   Holzeodex,    älteste  Redaktion  der  i  Tv/«(;(o?-Ducenius 45 

Pontifikalannalen 249.  2.54  j  TuÄioö^-tule 39 

tabulae  Caeiites 377-  j  Tvp/Jaöoti-Turpilinus 46 

tabidarium.  Staatsarchiv 252  ,  Tvpßtj,  Fest 46 

Tacitus,   Vervielfältigung   s.    Schrift  304;  !  Üb,  babylon.  Ideogramm.  Bedeutung  489/90 

s.  Germania  Sittenspiegel       .     .     .     73'.  Umbrien,    Bund  mit  Rom      ....     375 

Tacitus.  röm.  Kaiser;  s.  vita  d.  Vopiscus;    Valens  in  Kappadokien      ....     403/6 

ihre  Quellen:  lat.  186/8,  griech.  189/92;    Valerianus.  Ueberl.  über   s.  Ende  196/200 

Aufbau    d.  Tita   317/18;    Wertung    der-    Veidius    Pollio,    Tempel    für  Augustus   in 

selben    318:    Datierung   d.   Regierungs-       Benevent 159.  159' 

zeit  323/4:    rita    selbst  mit  Kommentar  !  Veii 380 

Quellenkritik    284/324   [Interregnum  1  Velius   Cornificius  Gordianus,   röm.  Kons. 


nach  Aurelians  Tode  284/5.  312;  Aure- 
lians Tod  28-5/88:  Senatsverhandlung 
289/91;  T.  consul  290;  Rede  d.  Maecius 
Fallonius  Nicomachus  292/3;   Verfahren 

Klio,  Beiträge  zur  alten  Geschiebte  XI  4. 


290 

Venus,  —  Genetrix,   Tempel  in  Rom  130. 
130«;  jährliche  Spiele    zu   ihren  Ehren 
130.  130«.    134^;   Weihinschrift  in  Prae- 
34 


10 


Xdiiirii-  II ml  S(ii]irfr,:rirli)iis. 


neste  157:  —  Victrix,  Feldgeschrei  129. 
129=;  Bild  auf  Münzen  Cäsärs  129;  Bild 
als  Siegel  Cäsars  129.  129^        u.  Mars 
169' 
Vergil,    1.    Ekloge    140.    140';    Octavians 
Apotheose  iu  d.  Georgica     .     141.  141' 
Verus,  Aushebungen  in  Sparta  zum  Parther- 
kriege   364.  365 

Veteranenansiedlungen  in  Aegypten  390/91; 
Aehnlichkeit  mit  coloniae  innerhalb  der 
gallo-römisch.  Civitäten     ....     391 

Victorinus,  s.  Ende 218/9 

Viehzucht  bei  d.  Germanen  66/67.  70/71.  80 

Vierzahl  bei  Pythagoreern  487;  bei  Baby- 

loniern    494/5:     ihr    Ueberspringen    in 

Zalilenreihen   ....     491.  493/4.  495 

Vigellius   Saturninus,   Legat  der  Legio  V 

355/7 

Vokalisation,  etruskische 39 

Volsci 379 

Volsinii 379 

Vopiscus,  Zeit  s.  schriftstellerischen  Tätig- 
keit 180/5.  192.  209.  320;  Art  der  Ab- 
fassung 185.  209/10.  285.  314;  Redaktor 
des  Corpus  d.  Script,  bist.  Aug.  186; 
i-ita  Tucilt  s.  u.  Tacitus;  Tendenz  290/1; 
Anklänge  u.  Zitate  des  Schriftstellers 
Tacitus  290.  290*  314';  als  Rhetor 
Ciceronianer  292.  292-;  s.  angeblichen 
Vorbilder  .301/2;  Nationalität  319/20; 
V.  Tac.  im  Vergleich  mit  i\  Ser.  Alex. 
u.  r.  Hei.  298/302.  322-;  Satzschluss  bei 
Vop.  303.  312;  mutmasslich.  Autor  der 
Biographie  d.  Avidius  Cassius  320/2; 
=  theodosianischer  Fälscher  321-.  322 
rata  in  Rom:  pro  solide  principis,  Tag 
ihrer  Abhaltung  143^;  pi-o  imperatore 
Ciiesaris     143/4.     144'  ;    pro   valetudine, 

pro  reditu 145' 

Vulcacius    Gallicanus,    Autor   der   vita  d. 

Avidius  Cassius 319 

Wagen  als  Ackerbaugerät  ....  77= 
Wahrsagungen.  Orientierung  dabei  484' 
Wanderungen,  kretische  5 ;  griechische  5/6 
Wirtschaftsverhältnisse    bei    Germanen   s. 

Germauen. 
Wohnungswechsel,  jährl.  bei  d.  Germanen 
s.  Germanen. 

Y.,  Aussprache 32 

zag  (babyl.)  =  rechts 483' 

Zablenlehre    der  Pythagoreer   486/9;    der 

Babylonier 489 

Zahlenspekulation  bei  Babylonier- Assyrern 

486.  489;  bei  Pythagoreern    .     .     486/9 

Zahlensymbole    imnu     u.    sumelu    483/6. 

490/6 

Zahlensymbolik ,     geschichtlicher     Uebei'- 


Sfite 

blick  481/3;    u.  Naturereignisse  486;   s. 
Babylonier;  s.  Pythagoreer. 
Zehnzahl  bei  Pythagoreern       .     .     .     487 

Zeno-Poseidon 15 

Zeta,  Buchstabe  des  altlateinischen  Alpha- 
bets       114/5 

Zeus,  idäischer,  Kultus  12 ;  —  Kataibates 
18=;  —  Morios  18°;  —  Skyllios      .     15 

Zwblfgötteraltar 21 

zid  (babyl.)  —  rechts 483' 

Ziegel,     ägj'ptiscbe     aus     weisslichgrauer 

toniger  Erde 259 

Ziegelstempel  aus  Dakien  .  .  .  499/510 
Zitate:  Aeschylos,  Perser  4-54  fl'.  433; 
Aristophanes.  We.ip.  195  u.  902  19  f.; 
Diodor  c.  19  u.  20  239  «. ;  Dionys.  v.  Hai. 
1,  73.  1  249;  1,  74,3  245  ff.  246*;  Heraclei- 
des  d.  Krit.  {Gcoqr.  Gr.  Min.  1  S.  106 
444/5;  Herodian  IV,  8.  3.  9,  4  360.  863. 
364:  Luk.  nüis  äft  iar.  avyyo.  21  355/7; 
Paus.  1.  19,  l'  21  f. :  Plutarch,  Garn.  c. 
22  ff.  335/42;  Pollux  VIII,  102.  272.  276; 
Polvän  IV,  3,  8  242;  Polyb.  U,  21,  7 
373';  III,  2,  8  281.  281'.  282.  283;  111,  46 
343/4.  348/54;  V,  33  256.  256';  35,  11 
279..  280;  37,  7  279;  Strabo  V,  228  368; 
V,  251  874;  VH,  1  851/52;  IX,  395 
431/33;  IX,  436  443/5;  X,  478  448; 
Demetrios  v.  Kaliatis  bei  Strabo  I,  60 
441:  Thukyd.  II,  15  23/24;  V,  42.  1 
438/9;  Zon.  XII,  26,  1  201;  Aur.  Vict. 
Caes.  31,  1  223/5;  32,  5  198/200;  34,  8 
200/1;  3.5.  6  212/4;  35,  7  214/6;  88,  6 
216/7;  Caesar,  Ml.  Gull.  YV,  1,  3  ff. 
58  fl'.;  IV;  10  75;  VI.  11,  1  21,  3,  22, 
1—3,  23.  1—8.  24,  2  56  ff.;  Catofragm. 
aus  Origines  IV  bei  Gellius  N.  A.  II, 
28.  6  =  Fragm.  77  bei  Peter  Bell.  I 
S.  73  246  ff'. ;  Chronograph  v.  CCCLIV 
S.  148  Z.  3  223;  Cicero,  de  orat.  II,  52 
248  ff'.;    Epitome    de    Caes.  31,  1    223/5; 

31,  2  223;  82.  5—6  197/200;  84,  8  210/1; 
3.5,4  212/4;  36,2  200:  38.4  216/7; 
Eutrop  IX,  5  223/5;  IX,  7  197/200;  IX. 
14  212/4;  IX,  15  214/6;  IX,  18,2  216/7; 
Festus  ep.  p.  119  336:  Lact,  dt  mar. 
perseciit.  5,  2  198/200:  Livius  XXI,  28 
842/4.  348/54;  XXVI,  3,  12  377/8; 
XXVin,   45.  14  377;  45,  19  368;  XXXI, 

32.  3  4.56/8;  XXXU,  22,  2  460/1.  461'; 
XXXV,  25,  3  459/63;  Gros.  adv.  pag.  VII, 
22,  4.  198/200;  Vop.  A.  38,  2  212/4; 
39,  2  214/0;  Gar.  12.  216/7;  Velleius  I,  14 

367 

Zosimos,  historianova  1%;  s.  Quellen  191. 

227;     lat.    Epitome     d.     Zosimosquelle 

192  f.  197. 


11 


D 
51 
E6 
Bd.n 


Klio 


PLEASE  DO  NOT  REMOVE 
SLIPS  FROM  THIS  POCKET 


UNfVERSITY  OF  TORONTO 
LIBRARY 


4-^  -  :-> 


/  ^-O  • 


,C3for 


«^^  ,^ 


i^^'-r'J^:'^-''^ 


i-^i' 


V  *rf  s  -/