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KLIO
Beiträge zur alten Geschichte.
In Verbindung mit
Fachgcnossen des In- und Auslandes
herausgegeben von
C. F. Lehmann-Haupt, und E. Kornemann,
o. ö. Professor an der Universität o. ö. Professor an der Universität
Liverpool. Tübingen.
Elfter Band.
Mit 2 Karten, einer Abhilihiny, 11 Figuren.
Leipzig
Dieteiich'sche Verlagsbuchhandlu nj
Theodor Weicher
Inselstrasse lo
1911.
D
Druck von H. Laupp jr. in Tübingen.
Prfnted in Germany
Inhalt.
Seite
ALY. W., Delphinios, Beiträge zur Stadtgescliichte von Milet und Athen. 1—25
BELOCH. K. .1.. Zur Karte von Griechenland 431—449
COSTANZr. V.. n domino egiziano nelle Cicladi sotto Tolomeo Filopatore 277—283
FKROrSON, W. S.. TheLawsofDemetrius oi'Phaleruni and their Gurdians 265—276
FKAN'K. T.. On Rome's conquest of Sabiuum, Picenum and Ktruria . . 367—381
GRAFFUNDKR. F.. Das Alter der servianischen Mauer in Rom .... 83-123
HEINF.N, H., Zur Begründung des römischen Kaiserkultes. Chronologische
Uebersicht von 48 v. bis 14 n. Ohr 129—177
HOHL. E.. Vopiscus und die Biographie des Kaisers Tacitus. I. II. 178—229. 284—324
KAHRSTEDT, ü.. Zum Ausbruch des dritten römisch-makedonischen Krieges. 415—430
KANNENGIESSER. A.. Aegäische. besonders kretische Namen bei den
Etruskern 26—47
KORNEMANN. E.. Die älteste Form der Pontifikalannalen 245—2.57
Die 'Alliaschlacht und die ältesten Pontifikalannalen . 335—342
KUGLER. F. X.. Der Ursprung der babylonischen Zahlensymbole 15 =
imnu .rechts' und 150 = sumelu .links' in pythagorei-
scher Beleuchtung 481—496
LEHMANN. K., Die Schlacht am Granikos 230-244
PHILIPP, J.. Wie hat Hannibal die Elefanten über die Rhone gesetzt? . 343—3-54
PREMERSTEIN. A. v., Untersuchungen zur Geschichte des Kaisers Marcus. I. 3.55-366
SCHULZ, O. Th., Ueber die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse
bei den Germanen zur Zeit des C. lulius Caesar . . . 48—82
SOLCH, J., Ueber die Lage von Kaisareia in Bithynien 3'25— 334
Modrene, Modroi und Gallus 393—414
SUNDWALL, J., Zu den karischen Inschriften und den darin vorkommen-
den Namen 464—480
SWOBODA. H.. Studien zu den griechischen Bünden 4-50-468
MITTEILUNGEN UND NACHRICHTEN.
124—128: '258—264; 382—392: 497—511.
BANG. M.. Zu den Germani corpore custodes 497—499
BORCHARDT, Vorjährige amerikanische Ausgrabungen r24— 126
Die vorjährigen deutschen Ausgrabungen 2.58 — 264
HERMANN, M., Hekataios als mutmassliche Quelle Herodots in seiner Be-
schreibung des Xerxeszuges 382 — 384
KORNEMANN, E., Römische Kolonien ohne Autonomie 390—392
PROTASSOWA, S., Jfiy/narodfjzru 510—511
ROSTOWZEW, M., Definitio und defen.sio 387-388
SCHMIDT. E., Sarapis 127-1-28
TEGLAS. 6., Neue Beiträge zur Inschriftenkunde Dakiens 499—510
VULIC, N., Hasdrubals Marschziel im Metaurus-Feldzug 384—387
WILHELM, A.. Zur Grabschrift des Bischofs Eugenios von Laodikeia
Katakekaumene 388 — 390
Eine neue Zeitschrift 392
Personalien 1-28. 264. 39-2. 511
NAMEN- UND SACHVERZEICHNIS {R. BRÄUER) 512-522
Delpliiiiios.
Beiträge zur Stadtg-eschichte von Milet und Athen.
Von W. Aly.
Ais ich vor 3 Jahren das damals bekannte Matsrial für den Kult des
Gottes Delphinios durcharbeitete, um ein Verständnis für das Delphidion
der kretischen Hauptstadt Knosos ') zu gewinnen, konnte ich nur die Hoff-
nung aussprechen, dass das wiedererstehende Milet manches erklären werde,
was damals noch dunkel oder unbewiesen hatte bleiben müssen. Die z. T.
wenig verständnisvolle Aufnahme meiner damaligen Arbeit in der Kritik
veranlasst mich, noch einmal auf jenen Gott zurückzukommen und die
Zustände in Milet, wie sie sich allmählich dank der Arbeiten der Berliner
Museumsverwaltung so klar gestalten, zu besprechen, ohne jene erste
Arbeit, deren Resultate angefochten werden, vorauszusetzen.
Unmittelbar veranlasst wurde ich durch die Aeusserungen von Malten-),
der den Delphinios nun einmal von den Delphinen nicht trennen kann,
verbunden mit dem jüngsten lebendigen Bericht über Milet, den A. v. Sa-
lis in den Neuen Jahrbüchern 1910 S. 103 ff. gegeben hat. Letzterer be-
zeichnet S. 105 den Apollon Delphinios von Milet als Hafengott,
und ich mnsste nach einem Blick auf die Karte beschämt gestehen, dass
das milesische Delphinion allerdings im Mittelpunkt der Stadt unmittelbar am
Hafen, der sog. Löwenbucht, liegt, sodass es für sicher gelten kann, dass
jeder unbefangene Fremdling, der Milet besuchte, den Gott für den Herrn
der Delphine und Schützer der Seefahrt gehalten hat. Dass Griechen
einmal diese naheliegende Identifikation vollzogen haben, war überdies be-
kannt, da der delphische Hymnus auf ApoUon sie bereits für das Ende des 7. Jh.
voraussetzt. Wenn Malten seinen Respekt vor einem so beträchtlichen Alter
äussert, — auch das Pythion von Gortyn ist so alt, — so wäre vor Schliemann
nichts dagegen zu erwidern gewesen. Seit wir aber wissen, dass die gi'ie-
chische Geschichte fast ein Jahrtausend älter ist, und dass Milet nach Aus-
weis der Scherben bereits um 1200 bestanden haben muss, ist es voreilig,
aus Ansichten des 7. Jh. Rückschlüsse auf den Ausgang der mvkenischen
1) Der kretische ApollonkuU, Leipzig 1908 S. l-S ft'.
2) Berliner philologische Wochenschr., 1910 nr. 11, Sp. 331.
Klio, Beitrüge zur alten Geschichte XI 1.
1
2 W. All/,
Epoche zu machen. Es wäre ebenso berechtigt, christliche Dogmen des
17. Jh. in das 12. zurückzuversetzen. Nun halten sich i-eligiöse Ueberzeu-
gnngen allerdings mit wunderbarer Festigkeit; manche alt-heidnische An-
schauung scheint unausrottbar zu sein. Wie also die Milesier selbst in
späterer Zeit von ihrem Gotte gedacht haben, das lässt allerdings Rück-
schlüsse zu. Ich gebe, um dies festzustellen, zuerst eine Beschreibung des
Heiligtums, soweit wir Bescheid wissen ; in zweiter Linie interessiert uns
seine Lage in Beziehung zu AltmUet, das sich mit der hellenistischen
Stadt höchstens teilweise gedeckt hat.
Versetzen wir uns in die Zeit kurz, ehe der Mäander mit seinen leh-
migen Fluten den ganzen Golf von Milet zu einer sumpfigen, fieberver-
seuchten Ebene gestaltete, so lag Milet ') auf einer nach Nordosten vor-
springenden hügligen Halbinsel, die nicht nur an ihrer Wurzel 3 grosse
offene Buchten schuf, sondern vor allem durch eine enge von Norden ein-
schneidende Bucht fast in zwei Teile zerschnitten wurde, den zwar kleinen,
aber ausgezeichneten Hafen der Stadt, den wir nach den zwei hellenistischen
Wappenlöwen am Eingang die Löwenbucht zu nennen pflegen. Mit ca. 300 m
Länge und 150 m Breite erreicht er allerdings nicht einmal Athens Mi-
niaturhafen Munj'chia mit ca. 350 X 200 m ; eine deutliche Vorstellung
seiner Grösse gibt vielleicht die reizvolle Bucht von Porto Fino unweit
Genua, die ungefähr die gleichen Masse hat. Dafür führte aber die Löwen-
bucht bis in das Herz der Stadt ; denn unmittelbar am Südwestkai lag der
ältere, hellenistische Markt, an der Südspitze das, als Archiv dienende
Delphinion, dessen Lage und Benutzung schon für seine zentrale Bedeu-
tung spricht.
Das Heiligtum war ein Temenos von 50x61 m Grösse: innerhalb der
ringsum laufenden Säulenhallen befand sich ein freier Platz von ehemals
30X47, später 34X4:7 m Areal, auf dem sich kein Tempel, wie man er-
warten sollte, befundeu hat. Dagegen fand sich in der Mitte, ein wenig in
der Achse des Ganzen nach Ost-Süd-Ost verschoben, ein rundes Fundament,
das man anfangs für die Reste eines Hiesendreifusses hielt, wie ein solcher
in der Westecke des Hafens tatsächlich gestanden hat. Doch heisst es
im 5. Vorbericht S. 12: „Ferner ergab sich, dass die frühere Annahme.
1) Die beiden im gleichen Maßstab gehaltenen Skizzen werden das im Text Ge-
sagte veranschaulichen. Sie enthalten nur das zu diesem Zwecke Erforderliche.
Milet ist wiedergegeben nach der Wilskischen Karte, verbunden mit den Skizzen
in Wiegands sechstem Bericht Berlin 1908, S. 5 und Taf. EI. Das schraffierte Ge-
biet innerhalb des jetzigen Mäanderlaufes bezeichnet vermutungsweise die frühere
Ausdehnung des Meeres ; die ältere Stadtmauer ist verlängert, wie sie m. E. gelaufen
sein dürfte.
Für Athen (S. 21) ist die Kiepertsche Karte, nr. 14 der formae orhis aniiqui zu-
grunde gelegt. Nur der Deutlichkeit halber sind die im einzelnen ganz hypothetischen
Demengrenzen angedeutet, wie sie im Text angenommen sind. Manches Fragezeichen
musstc der Deutlichkeit zuliebe fortbleiben.
Delphinios. 3
auf dem kreisrunden Kundiimcnt in der Mitte des Delphinion.s habe ein
grosser Dreifuss gestünden, irrtümlich ist. Dieses Fundament ist nämlich
nicht, wie dann gefordert werden niüsste, gleichmässig durchgeschichtet,
sondern es ist nur ein Kingfundament, sodass angenommen werden muss,
dass ein regelrechter, innen zugänglicher Rundbau, den wir in seinem
Oberbau nicht kennen, auf dem Ring gestanden hat. Die Annahme, dass
es sich um einen vollen Kernbau handelte, war dadurch mit veranlasst
worden, dass der l?ing über dem Fundament einer älteren Exedra errichtet
ist, die jedoch nur halbkreisförmig war." Soweit der vorläufige Bericht,
der freilich mehr die Neugier reizt als unsem Wissensdurst befriedigt.
Hat der Oberbau wirklich existiert, so ist er, da sich keine Spur davon
gefunden hat, von Holz gewesen. Als Gebäude kann er mit der Tholos
von Epidauros, dei-jenigen von Delphi und dem von Pomtow entdeckten
Rundbau ebendort verglichen werden und kann die gleiche musikalische Be-
stimmung gehabt haben. Man hat vielfach die Deutung, die H. Thiersch
diesen Rundbauten gegeben hat. abgelehnt; und doch ist es merkwürdig,
gerade in dem Heiligtum wieder einen Rundbau von fast 10 m Dureh-
messer anzutreffen, zu dem die bekannte milesische Sängergilde
in einem ganz besonderen Verhältnis stand ^). Ein Kulttempel kann es
1) Vgl. jedoch die mindestens ebenso wahrscheinliche Vermutung, die S.
anderem Zusammenhang begründet werden wird.
1*
3
4 W. Ahj,
keinesfalls gewesen sein, zumnl fla sicli in einer älteren Epoclie etwas an-
deres dort befnnden hatte. Westlich vor dem Rundbau befindet sich in
der Achse des Tenienos der grosse Altar und zwischen beiden zwei
Exedren, endlich seitwärts drei kleinere Altäre, darunter einer für Zeus
Soter, einer für Artemis, vor dem grossen Altar ein solcher für Hekate ')
und östlich des Rundbaues ein rundes tiefes Mannorgefäss von 2 m Durch-
messer, fast ebensoviel Rätsel wie Gegenstände.
Heben wir das Wesentliche heraus, so haben wir einen ummauerten
Bezirk mit Altar vor uns, in den später ein Rundbau hineingebaut ist.
Für das Alter der Anlage ist entscheidend, dass die Ausgräber den grossen
Altar sowie den der Hekate dem 6. Jh. zuweisen. Falls diese Stücke
also nicht aus einem älteren Heiligtum dorthin übertragen sind, was mir
recht unwahrscheinlich vorkommt, ist das Heiligtum älter, als die Zer-
störung der Stadt von 494. Ueber die Lage von Altmilet lehren uns aber
die Funde, dass sich in spätmykenischer Zeit die Ansiedlung nicht am Del-
phinion, sondern an der nach Nordwesten geöffneten sog. Theater-Bucht
befunden hat, da ungefähr, wo später das Atheneheiligtum lag. Südwest-
lich davon liegt in einer Entfernung von ca. 1 km die alte Akropolis, die
im we.sentiichen erst in griecliisch-archaischer Zeit besiedelt gewesen zu
sein scheint. Später hat dann eine völlige Verschiebung des Zentrums
der Stadt nach der Löwenbucht hin stattgefunden. Wir zweifeln nicht,
dass nur die Zerstörung von 494 eine so starke Veränderung des Stadt-
bildes und des ganzen Stadtplanes hervorgerufen haben kann, wenn auch
die Tendenz dazu schon vorher vorhanden gewesen sein mag. Damit ist
zunächst ein fester Punkt gewonnen. Weiterführt folgende Beobachtung:
Die vorpersische Siedelung war zunächst unbefestigt, dann ward die Akro-
polis auf dem Kalabaktepe geschaffen; sie war zuerst kretisch"), dann
ionisch. Es liegt nahe, die unbefestigte Stadt, die etwas mehr als ein
Fischerdorf gewesen sein dürfte, mit der kretischen Siedelung, die Akro-
polis mit dem ionischen Milet zu identifizieren, da sich die Muster nach-
weisen lassen, die die Kolonisten jedesmal aus ihrer Heimat mitgebracht haben.
Zunächst ist oft mit dem Ausdrucke der Verwunderung betont, dass
die kretischen Städte, soweit sie altminoisch sind, keine Spur von Be-
festigung zeigen. Man hat wohl im Knosos von Bastionen gesprochen,
ohne indes ernst zu nehmende Festimgswerke gefunden zu haben. Nun
liegen diese Städte oder Paläste mitten im Lande, Milet am Meere ; aber
auch von kleinen Seestädten haben wir durch die Entdeckung von Gurnia
1) Hekate ist die Herrin Kariens. vgl. Röscher Lex. der Mythol. I. 2, 1885, wo
sie eine Menge altoriginaler Kulte hat. Man könnte ja auch so konstruieren: He-
kate nach Hesiod Theog. 4-39 Göttin des Fischfangs, gestellt zum Delphinsgott. Aber
der Delphin ist gerade der Fisch, den man nicht fängt, weil er zu nichts nütze
ist, daher seine Heiligkeit!
2) Vgl. das kretische Milatos.
Delphinios. 5
an der Küste, sowie von Ansiedelungen auf den kleinen Felsinseln Psyra
und Mochlos östlicli dei- Bai von Mirabello eine Anschauung bekommen, die
wii- auf Milet übertragen dürfen. Als Hafen diente eine offene Bucht, vom
Laude aus war ein Angriff nicht zu gewärtigen : so entl)ehrte man nicht,
was man nicht brauchte.
Und Milet ist nicht die einzige kretische Kolonie jener Zeit ; in
langer Reihe ziehen sich gleichartige Spuren von Ephesos südlich die
Küste entlang bis nach Kypros und Palästina, Kolonien, die nach dem
einmütigen Zeugnis der Funde sämtlich erst nach der Zerstörung der kre-
tischen Paläste, nacli 1400 gegründet sind. Weiter nördlich reichen die
Spuren, soweit wir bisher wissen, nicht, während die Besetzung von Ly-
kien mit in diese scheinbar systematische Kolonisation hineingehört, wenn
wir es dem Herodot wenigstens glauben, dass , die Lykier vor Alters aus
Kreta gekommen sind". Nehmen wir einmal die Hypothese an. dass es
Achäer waren, die um 1400 Zentralkreta besetzten und dort die zerstörten
Paläste zum Teil wieder bewohnten, so wäi-e es verständlich, in diesem
Yorstoss nach Osten das Ausweichen der altkretischen Bevölkerung zu
erkennen, die infolge von üebervölkerung ohne nachhaltigen Widerstand
den Eindringlingen Platz machte und sie z. T. nach sich zog. Dieses
neue Kolonialreich ist erst dem folgenden Schübe der griechischen Stämme
in der ionischen Wanderung unterlegen. So tritt v. Salis mit I{echt ent-
schieden dafür ein, dass sich in Milet (und nicht bloss da) die Lücke
schliesst, die für unser Wissen noch immer zwischen der mykenischen und
archaisch-griechischen Kultur klafft und durch die Forschungen von Fim-
men eher vergi'össert als verkleinert ist. Die grossen Veränderungen im
Inneren Kleinasiens, die sich im Vordringen der Karer. Lyder, Myser nach-
haltig der Küste mitteilen, helfen die Zeit zu füllen, während der wir ein
jahrhundertelanges Vegetieren der kretisclien Ansiedelungen, ein langsames
Ausleben ihrer Kultur in der Tat annehmen können. Geblieben sind sie:
denn das Delphinion ist, wenn schon das kretische Milatos^) denselben
Gott verehrte, nicht erst von den loniern gegründet. Die Einwohner müssen
sich sowohl mit den Karern wie mit den loniern gut vertragen haben,
denen beiden sie durch ihre Handelsbeziehungen wohl unentbehrlicli waren.
Die Hellenen sind den Wegen, wie die Kreter sie gewiesen, allenthalben
gefolgt. So folgt der Ostwanderung der Philister die teilweise Besetzung
von Kypros durch Achäer. so der von Herodot erzählten Westwanderung
die Besetzung Italiens und Siziliens, wenn auch geraume Zeit später; auch
den Weg nach Kyrene werden die Kreter schon gekannt haben, wie die
Kämpfe mit den Aegyptern und die Sage bei Herodot IV 151 zeigt. So
haben Griechen, die sich offenbar nicht bloss auf Kreta mit den alten Be-
wohnern eingelebt hatten, im allmählichen Zuzug neben die kretischen offenen
1) Der Kult ist nicht unmittelbar bezeugt, aber nach Eret. Ap. S. 15 f. mit Si-
cherheit zu erschliessen.
6 W. Ahj,
Flecken ihre Bergstädte gele^. Der Burgenliau war, wie die Praxis im
Mutteriande zeigt, dort eine altbewährte Kunst: und zwar zeigen die äl-
teren Burgen fast alle einen übereinstimmenden T\^us: der Burgberg ist
mäßig hoch, wie die Aspis in Ai'gos, wie Mykene. das Heraion und Athen
erkennen lassen, doch höher als die flachen Hügel der vorgriechischen
Siedlungen: erst Akrokorinth und die Kastelle von Argos und Orchomenos
sind Beispiele der späteren Hochburg. Nicht alles Volk wird auf der Burg
haben wohnen können : so bildet sich die Unterstadt, die wir deutlich in Athen
(vgl. S. 19) erkennen können. Auch Argos. Tiryns, Mykene sind so an-
gelegt, ebenso Megara, Aphidnai. Theben. Krisa u. a. m. Kommt das Meer
irgendwo in Frage, so wohnt man nicht unmittelbar am Wasser *), aus
Furcht vor der infolge mangelnder Seepolizei blühenden Seeräuberei, die
einen Hauptsitz in Karlen gehabt hat; eine leidlich geschützte Bucht wie
die von Phaleron bei Athen in nicht allzugrosser Entfernung gilt für ge-
nügend; erst später hat man die Vorzüge eines geschlossenen Hafens wie
des Piräus schätzen gelernt.
Bei Milet lag die Sache in.sofern anders, als bereits eine Xiederlas-
sung bestand. Man brauchte nur den nicht weit gelegenen Kalabaktepe
zu besetzen, um ganz in heimischer Weise leben und doch die Vorteile
des Seeverkehrs gemessen zu können. Seeräubereien waren in dem
Heimatlande dieses Handwerks nicht zu befürchten, da man entweder
selbst beteiligt war oder sieh wehren konnte. So hat das älteste grie-
chische Milet sich neben die alte Siedelung unter Benutzung der
Burg gelegt und nur den Markt in der Unterstadt am Atheneheilig-
tum -) an dem Punkte gehabt, auf den noch heute die Feststrasse von
Didyma her hinweist, ehe sie den Knick nach dem neuen Mai-kt macht.
Zwar lässt das erhaltene Stück Stadtmauer vermuten, dass sie nicht kreis-
förmig um die Akropolis lief, sondern als Sperrmauer die ganze Halbinsel
abschloss, so wie es um 540 die Knidier gegen Harpagos haben machen
wollen, und wie es nicht viel früher Miltiades auf dem Chersones nach
1) Die Hinunterveiiegung ans Meer ist von Paus. 3. 2. 7 auf Kreta ausdrücklich
unter König Alkamenes von Sparta kurz vor Ol. 1. 1 bezeugt.
2) Das Atheneheiligtum der kretischen Kolonie, das gleiche in Ephesos und Priene,
Athene im homerischen Troia, ihre häufige Verehrung auf Kreta gerade als Polisuchos
und in der singulären und altertümlichen Form der Muttergottheit (vgl. S. 17 Anm. 2).
an die auch das alte Kultbild auf der Burg von Athen erinnert, vgl. Frickenhaus A.
M. 1908. S. 17 ff. legen den Gedanken nahe, hier ursprüngliche Eigenschaften der
Göttin zu vermuten, deren Name mit den Mitteln der griechischen Sprache noch nicht
erklärt ist und auch wohl nie erklärt werden wird. Die un griechische Her-
kunft der Athene wird uns weiter noch beschäftigen. Wenn wir so gezwungen
werden, unsere bisherige Vorstellung von der lanzenschwingenden, aus dem Haupte
des Zeus geborenen Jungfrau erheblich zu reduzieren, so erfordert das eine gewisse
Bereitwilligkeit, um das Trägheitsmoment des Traditionellen zu überwinden. Aber
die Tatsachen sprechen zu deutlich und können eben aus der traditionellen Vor-
stellung heraus nicht erklärt werden.
JMplihiios. 7
Herodot VI 36 gemacht hat. Denn sie biegt an der Südostecke des Burg-
hügels nach aussen um. Aber Altmilet, aucli das griechische, ist nicht immer
so gross gewesen, wie die erhaltenen archaischen Heste vermuten lassen.
Bewohnt war zunächst nur der Streif von Kalabaktepe bis zur Theater-
bucht, sodass schon die ganze Situation aufs deutlichste zeigt, wie die
Löwenbucht erst in den reichsten Zeiten der Stadt liat als Hafen verwendet
werden können. Aber nicht als einziger Hafen, dazu ist sie zu klein.
Endlich zeigt die Benennung des Burghügels bei Strabo als Altmilet, dass
dort nicht bloss ein Vorwerk gelegen hat, das man später aufgab, son-
dern dass dort das eigentHche Zentrum der alten ionischen Stadt zu su-
chen ist. Doch das Delphiuion lag schon immer dort, wo es heute liegt,
also ausserhalb der Stadt.
Bis zur Zei'störung hat diese gewaltig an Umfang zugenommen.
Man wird den grossen Vorteil, den die Löwenbucht zumal als Schlecht-
wetterhafen bot, aihnählich erkannt haben; zum mindesten eine Vorstadt
nach Art des Athenischen Piräus können wir dort vermuten. Dann kam
die Zerstörung und mit ihr die Aufgabe, die Stadt neu zu gründen. Da
zeigt sich nun gerade im Gegensatz zu Athen die Natur des unternehmen-
den loniers. Auch Athen ist zerstört und zwar zu einer Zeit, als es be-
reits eine Flotte besass, und nichts hätte wohl näher gelegen, als die Stadt
nach dem Piräus zu verlegen, der in der Höhe von Munychia eine ver-
teidigungsfähige Burg besass und Athen erst zu einer richtigen Seestadt
gemacht hätte. Ich weiss nicht, ob man so etwas damals gedacht hat ;
E. Meyer nimmt es, wie ich nachträglich sehe, an. Aber es wäre undenk-
bar gewesen, dass die gottesfürchtigste Stadt von Hellas die Götter der
Heimat so im Stich Hess. Mag diese Erwägung auch noch so unpolitisch
klingen, für das Athen der Perserkriege war sie ausschlaggebend ; und noch
zu Nikias' Zeiten würde man sich nicht anders entschieden haben. In
Milet hat man anders gedacht. Eine Stadt, die so ausschliesslich auf das
Wasser angewiesen war wie Milet. musste sich den Hafen, der in Kriegs-
zeiten leicht zu sperren war, sichern. Und so wanderte der Markt an
den Kai der Löwenbucht, so riclitete sieh das ganze neue Stadtbild nach
einem neuen Zentrum. Eine kürzere Mauer schnitt die Halbinsel ab '), und
die alte Burg mit ihren Tempelruinen Hess man liegen.
So ist das Delphinion in den Mittelpunkt der Stadt gerückt, nachdem es
Jahrhunderte lang ausserhalb gelegen hatte. Eine fast unnötige Bestäti-
gung ist es, dass das südwestlich benachbarte Asklepieion, das wie viele
Heilorte des Altertums im Freien -) angelegt war, noch in römischer Zeit
1) Die erhaltene Mauer ist hellenistisoh. — 2) Vgl. nicht bloss Epidauros, son-
dern vor allem die beiden Asklepien des kretischen Gortyn, im Süden das Seebad
von Leben, im Norden der Luftkurort auf der Höhe, der in der Grenzbeschreibung
gegen Knosos C. B. .5016. 6 genannt ist: x>}:il rav Jivkav Tttv inl [rö >'] ^Aaxi.aniiv
iiyovauv. Mit dem Tor ist vermutlich die Stadt Arkades gemeint.
8 W. Ahj,
das Vor der Stadt genannt wird ').
Ich kehi-e nun endlich zum Delphinion zurück, dessen Lage fem von
der alten Ansiedelung und dem damaligen Hafen wohl nicht mit dem
Schlagwort Deiphinsgott wird erklärt werden können. Noch weniger wii-d
das möglich sein, wenn man die athenischen Verhältnisse zum Vergleich
heranzieht, dessen Delphinion südöstlich der Burg ganz am Rande, wenn
nicht ausserhalb der Themistokleischen Stadt, erst recht also ausserhalb
der Pisistratischen Stadt gelegen hat.
II.
Unabhängig von diesen Tatsachen, die durch keine Interpi-etation aus
der Welt geschafl't werden können, lässt die Beschaffenheit des Temeuos
Schlüsse auf die Eigenart des Gottes zu, die zwar an Zuverlässigkeit mit
den Ergebnissen der Grabung nicht wetteifern können, denen aber trotz-
dem innere Wahrscheinlichkeit nicht fehlt, wenn ich nur den Leser bitten
darf, den folgenden Gedankengängen ohne Vorurteil zu folgen.
Das Heiligtum hat keinen Tempel^).
Die Frage, was das Fehlen eines Tempels für den betreffenden Gott
bedeute, kann vollständig nur an der Hand einer Entstehungsgeschichte
des Tempels überhaupt beantwortet werden: ich muss mich hier auf An-
deutungen beschränken ^). Bereits E. Reisch weist in seinem Vortrag : Ent-
stehung und Wandel griechischer Göttergestalten darauf hin. dass der
Tempel ein Götterbild voraussetzt, so dass wi;- aus dem Vorhanden-
sein eines Agalma zum Mindesten auf das Vorhandensein einer Kapelle,
aus dem Fehlen eines solchen Raumes auf Bildlosigkeit des Kultes schliessen
können. Diese letztere Art der Verehrung ist ehemals allgemein ver-
breitet gewesen und hat sich in einer bestimmten Gruppe göttlicher Wesen
auch in Hellas dauernd gehalten.
Das typische Bild der mykenischen Ansiedelung hat sich von dem
einer griechischen Stadt wesentlich dadurch unterschieden, dass im grie-
chischen Stadtbild der eine oder andere Tempel kaum weniger in die
Augen fiel, als in einem deutschen Dorfe die Kirche, während für die
1) Wenn das inilesisehe Asklepieion bis in die Zeit vor der Zerstörung zurück-
reicht, so hat Asklepios einen älteren Inhaber verdrängt, vgl. S. 24 Anm. 1.
2) Im Gegensatz dazu erwähnt Pausanias 1. 19. 1 im Delphinion zu Athen einen
vaöq. Da er aber daneben nur ein aya/./.ta \-i7i6/./.coro£ üvl^iov kennt, während wir
aus Hesych iv llvfUw yiaai hören: IlfiaiazQazo: wxoSöi.ifi röv dv /7r9/w laöi; so
möchte ich beide Tempel für identisch halten und den Neubau mit der Gründung
des Pythions durch Peisistratos in Verbindung bringen. Vgl. Judeich 344. 4, der die
Pausaniasstelle unrichtig verwertet.
3) Man darf nach den Andeutungen Ath. Mitt. 1908 hoffen, dass uns die Ar-
beiten von Frickeuhaus über Tiryns und den argivischen Herakult in diesen jetzt
oft diskutierten Fragen fördern werden. Ich kann hier nur skizzieren, was sich mir
im Laufe mündlicher und schriftlicher Diskussion ergeben hat.
Belphinios. 9
Epoche vor der grossen Wanderung ein grosses Gotteshaus überhaupt
noch nicht nachgewiesen ist. Daran ist nicht etwa der schleclite Erhal-
tungszustand schuld, da auch Tempel, deren vergängliches Material fast
ganz verschwunden ist, wie etwa der des diktäischen Zeus, haben nach-
gewiesen werden können. Der Schluss ist nicht zu umgehen, dass ent-
weder Räume zu gottesdienstlichen Zwecken gedient haben, deren Bestim-
mung wir bisher verkennen, oder dass man überhaupt keine geschlossenen
Räume dazu benutzt hat; wahrscheinlicli war beides der Fall. Das letztere
ist altindogermanische Sitte ; so sagt Tacitus Germ. 9 ausdrücklich, dass
die Germanen weder Götterbilder noch Tempel kennten. Von den Kelten
bezeugt es u. a. schal. Lucan. 33 ed. Usener'), und dass die Italiker es
ursprünglich nicht anders gehalten haben, beweist nicht bloss die gestalt-
lose BegritHichkeit der altrömischen Götter, sondem auch die zahlreichen
Gründungsgeschichten der Tempel, die sich so und so oft an lieiiigo Haine
anschliessen.
Dem entspricht es vollkommen, dass wir in dem Griechenland vor
der Wanderung auch von Götterbildern so gut wie nichts hören. Denn
der Paladionraub in der Ilias ist junge Zutat, die nackte weibliche Göt-
tin, die uns das Bleiidol aus Troia ebenso wie das Goldblech aus My-
kene zeigen, sicher kleinasiatischer Import: und auch die Schlangen-
dame von Knosos ist, falls wirklich eine Göttin, nicht für Griechen ge-
macht. Noch erheblich später begnügen sich die letzteren mit formlosen,
fetischartigen Symbolen und primitiven Schnitzbildern, als bereits die Poesie
dank ihrer Ueherlegenheit über das technische Unvermögen der Bildschnitzer
eher und vollkommener einen Ausdruck für die neuen Göttermenschen ge-
funden hat, als die Plastik.
Einen Versuch, dem Gott ein Haus zu geben, [treffen wir auf Kreta
an, wenn wenigstens die von Evans gefundene und wieder aufgebaute
Hauskapelle Anspruch auf Realität machen darf, was ich keinen Grund
sehe zu bezweifeln, zumal da die Hauskapelle des Palastes uns einen Aus-
hlick eröffnet, die Entstehung des griechischen Monumentaltempels zu be-
greifen. Denn setzen wir einmal voraus, die HauskapeUe, die in der Ge-
schlossenheit des kretischen Vielzimmerhauses zu keinem Monumentalbau
erwachsen konnte, sei etwa in das grosse Megaron von Tiryns übertragen,
so bedurfte es nur des kleinen Schrittes, den ganzen Raum') für den
Kultus zu beanspruchen, und der mit den übrigen Gemächern nicht im
1) Tac. Germ. 9 ceterum nee cohibere parietihus deos neque in uUam humani oris
speciem adsimulare ex magnitudine caelestium arhitranttir : lucos ae nemoru consecratit
deorumqiie nominihus appellant secretum illud, quod sola reverentia i-ident. Schal. Lucan.
33 U. zu Lucan. I 453 von den Druiden: sine templis colebant deos in silvis, vgl.
P. W. V 1730.
2) Man denkt unwillkürlich an die römische aedes, die eigentlich , Zimmer" be-
deutet. Nicht viel anders ist vadg „Wohnung" zu verstehen. Der jüdische Tempel
ist aus einem Zelt hervorgegangen.
10 W. Äly,
Verbände stehende monumentale Tempel war da. So treten denn in Ti-
ryns, Athen, Phaistos Tempel als Fortsetzung der Hauskapelle anstelle von
Palästen, ohne dass darum das grosse Megaron von Tiryns von vornher-
ein für einen Kultbau gehalten werden miisste. Diese Entwicklung ist
aus einer Einwirkung der kretisch-minoischen Kultur auf die mykenische
zu begreifen, obgleich die kretischen Götter weder immer noch alle in
Tempeln oder Kapellen verehrt worden sind. Das Gegenteil lässt sich
geradezu beweisen.
1. Von den zahlreichen Hühlenkulten gehen wenigstens einige wie die
Höhle von Psychro in vorgriechische Zeit zurück.
2. Auch der berühmte Sarkophag von Hagia Triada zeigt nur einen
umfriedigten Raum, innerhalb dessen vor einem Altar, dem religiöse Sym-
bole zur Seite stehen, geopfert wird. Die Gestalt rechts vor dem Naiskos und
dieser selbst haben mit dieser Handlung offenbar nichts zu tun ; ich möchte
mit andern glauben, dass dort der Tote steht, der entweder durch Beerdigung
im Temenos heroisiert ist oder, da ja der Sarkophag nicht in einem solchen
Temenos gefunden wurde, nur bei dieser dauernden Opferbandlung mit samt
seinem Grabe anwesend gedacht ist. Ich komme auf die Szene noch zurück.
3. Die Herkunft des eigentlichen Tempelgedankens von auswärts wird
dadurch bestätigt, dass auch das altsemitische Heiligtum, wie die Urform
der Moschee, der umfriedigte Hof, ein Altar unter einem Baum, ohne
überdachten Raum gewesen ist^); ob Babylon oder Aegypten hier einge-
wirkt haben, oder ob hier eine spontane Entwicklung vorliegt, wage ich
nicht zu entscheiden. .Jedenfalls ist die Idee des griechischen Tempels
nicht urgriechisch, aber ebensowenig bei den Kleinasiaten und Semiten
original; wir können daher aus der Tempellosigkeit des Delphinions nur
auf sein Alter, nicht auf die ethnologische Zugehörigkeit seiner Gründer
schliessen. Aber etwas uraltes muss es sein, älter als die eigentliche ioni-
sche Kultur, die den Tempel bereits aus dem Mntterlande mitbringt, wenn
sie auch unter ägyptischem Einfluss einen nicht bloss ornamental selb-
ständigen Stil geschaffen hat.
Aber noch eins ist sicher. Die Eigenart des Gottes hat es mit sich
gebracht, dass er auch späterhin keinen Tempel erhalten hat. Unter den
grossen Heiligtümern gibt es dafür nur wenige Parallelen, ich nenne das
Lykaion, das Eleusinion in Athen und die Zeushöhle auf dem kretischen
Ida. Einige andere Heiligtümer wie das zu Eleusis ''), zu Dodona, und das
des Trophonios in Lebadeia muss ich bei Seite lassen, da sie zwar ihi-er
Eigenart nach ebenfalls hierhergehören, aber im Laufe der Entwickelung
nach bekannten Mustern ebenfalls, wenn auch spät erst, Tempel bekommen
haben. Diese erweisen sich als fremdartige Zutat dadurch, dass sie im Kult
1) S. J. Curtiss, ursemitische Religion im VoUcslehen des heutigen Orients, deutsch
von Wolf Wilh. Grafen Baudissin, Leipzig 1903, Kap. 14 und 15, besonders S. 149.
2) Das Telesterion ist kein Tempel, sondern eine Kirche.
10
Belphinios. 11
keine Rolle spielen. Die genannten Götter sind sämtlich von derart, wie
ich sie bereits im krct/srlioi Apollon S. 34 näher charakterisiert habe.
Am deutlichsten ist das bei Trophonios, der in seiner Höhle wohnt und
bei den eleusinischen Göttinnen, deren eine in der Erde gedacht wird,
wenn nicht geradezu in dem Heiligtum des Pluton in Eleusis mit seiner
Höhle eine Pfoi'te der Hölle erblickt werden muss. Auch der Gott vom
Ida, dessen eigenartige Physiognomie hier nur angedeutet werden kann,
da sie andern Orts ausführlich be.sprochen werden soll, besitzt eine Höhle
und wird in ihr vrenigstens zeitweise anwesend gedacht. Das zeigt das
Lichtwunder, von dem Antoninus Liberalis 19') erzählt, und das nach dem
Stande der Sonne möglicherweise wirklich um die Zeit der Frühlingstag-
undnachtgleiche eingetreten ist, indem minutenlang die sonst dunkle
Höhle bis in den tiefsten Winkel von der Sonne beleuchtet ward"). Es
mutet uns seltsam an, uns einen Lichtgott an die Erde, selbst wenn es
hoch auf einem Berge ist, gebunden zu denken, und doch hat der kreti-
sche Zeus sogar ein Grab gehabt. Dass aber ein Lichtgott auch ohne
Höhle an einen bestimmten Erdfleck gebunden sein kann, zeigt das Ly-
kaion, der Ort, wo kein Wesen Schatten wirft ^). Das kann kein Platz
unter der Sonne sein, denn selbst in den Tropen ist ein wenn auch mini-
maler Schatten bemerkbar. Nur da wo das Licht selbst zu Hause ist,
das von allen Seiten leuchtet, da, wo der strahlende Gott selbst sich auf-
hält, nur da kann es keinen Schatten geben, weil das eine Verneinung,
eine LTuvoUständigkeit des göttlichen Licbtkörpers bedeuten würde.
So glaube ich, dass alle die genannten Götter trotz ihrer verschie-
denen Eigenart den einen verwandten Zug gemeinsam haben, an einer be-
stimmten Stelle in freier Natur anwesend zu sein. Suchen wir in primi-
tiven Verhältnissen den Gegensatz dazu, so kann Kameios als Beispiel
dienen, der ebenfalls entsprechend der Altertümlichkeit seines Kultes wenn
überhaupt, erst spät einen Tempel in Sparta bekommen haben kann. Als Gott
eines wandernden Volkes ist er wie dieses selbst vom Orte losgelöst, und
dadurch, ähnlich dem Jahve der wandernden Israeliten, der sich vom Sinai
loslöst, einem natürlichen Vergeistigungsprozess unterworfen. So kann ich
mir auch die 12 01\Tnpier Homers nicht ohne die grosse Wanderung denken,
die vergeistigend, verschmelzend und vereinheitlichend gewirkt hat. Vor
allem für die Entwicklung des delphischen Apollon*) muss eine solche
1) 'Ev zpöi'w a^pwQiauivu) oQÜiai xaS^ exuaxov tzoq nlüarov ixi.dunov ix Tov otitj-
laloV TtVQ-
2) Ich verdanke diese Feststellung Herrn Professor Georg Meyer in Freiburg.
Sie ist nach der italienischen Aufnahme im Musen ital. II 689 S. gemacht und be-
ruht, solange nicht an Ort und Stelle nachgeprüft wird, auf der Zuverlässigkeit der
dortigen Angaben.
3) Vgl. Immerwahr, Arkadische Kulte, Leipzig 1891, S. 8 f.
4) Hier sei noch einmal mit aller Deutlichkeit ausgesprochen, dass Apollon des-
halb, weil sein Name ausnahmslos den Gesetzen der griechischen Dialekte gefolgt
11
12 TT'. Aly,
Loslösunff angenorunien werden, die ihn zu seiner ausgedehnten Mission
befähigt hat.
Das war das Widerspiel ; wir erkennen nun, dass bodenständige Götter
auch eine bodenständige Kultur voraussetzen, oder, um griechisch zu spre-
chen, autochthon sind. Für die Kolonie Milet kann das freilich nur
cum grano salis gelten, aber wir dürfen annehmen, dass die ersten Mi-
lesier anders als die späteren lonier die Verhältnisse ihrer Heimat ein-
fach übertragen haben. Vielleicht fanden sie das Zeichen wieder, das in
der Heimat die Anwesenheit des Gottes verriet, der so auch in der Kolonie
Wurzel schlagen konnte. Es fragt sich nur: Gibt es überhaupt eine autoch-
thone griechische Kultur oder sind wir nicht gezwungen, da auf die vor-
griechische Bevölkerung zurückzugreifen? Die Antwort wird verschieden
lauten, wie man sich das Verhältnis der beiden Bevölkerungsschichten zu
einander denkt. Die Namen der Götter Lykaios, Zeus, Demeter, Pherrephatta,
Trophonios sind mindestens zur Hälfte sicher indogermanisch. Und in
einem Falle, dem des idäischen Zeus, kommt der archäologische Befund zu
Hilfe, der uns lehrt, dass der Kult in der Höhle, obgleich er aus reingriechi-
schen Anschauungen allein nicht erklärt werden kann, um 1400 noch nicht be-
standen hat und seinen Höhepunkt erst in frühai'chaischer, d. h. griechischer
Zeit erlebt. Und doch sind alle Griechen, nicht bloss die Dorer von Norden
zugewandert und können solche Kulte nicht mitgebracht liaben, wie denn
die echtgriechischen Götter, der olympische Zeus, der Apollon Patroos. der
helikonisclie Poseidon ein ganz anderes Gesicht zeigen. Auch kann ein
Gott mit einem griechischen Namen sehr wohl nur die Uebersetzung eines
fremden Gottes sein ; gute Beispiele dafür sind Kallone und die unten zu
nennenden Meergötter. All diese Schwierigkeiten drängen hin zu der An-
nahme, dass das ausgehende mykenische Griechentum ganz so, wie die
Monumente lehren, eine Mischkultur besessen habe, deren Sprache zwar
im wesentlichen griechisch, deren Elemente aber zu einem mehr oder
weniger beträchtlichen Prozentsatz kretische oder, wie wir sie auch nennen
können . lelegische oder minyeische gewesen sind ')• Nur einer solchen
Kiüturschicht ist es zuzutrauen, dass sie mit dem Begriff des Autoch-
thonentums auch die genannten Gottheiten zum Teil unter griechischen
Namen, zum Teil unter volksetymologischer Anpassung, wohin Delphi-
nios zu rechnen ist, übernommen hat, ohne dass ein Bruch in der Tra-
ist, urgriecliisch sein muss. Die Erkläiung des Namens bei Prellwitz, eti/mol. Wörferb. -
S. 47 ist zum mindestens sachlich wie formell die einzige ganz korrekte. Dadurch
ist natürlich Beeinflussung der Vorstellung durch den Orient nicht ausgeschlossen.
1) Den Ausdruck ^kleinasiatisch" vermeide ich absichtlich, um nicht den An-
schein zu erwecken, als wenn es sich hier um eine üebertragung von aussen her
handele. Diese in Hellas heimischen Motive haben zwar ihre nächsten Verwandten
im Orient ; sie haben aber ihre eigene Geschichte und zeigen daher ein ganz an-
deres Gesicht als die von Osten hereinbrechende Flut des „orientalisierenden" Stils,
den es nicht bloss in der Vasenmalerei gibt.
12
Delpliinios. 13
dition einh-at. wie ihn vielfach die dorische ') Wanderung hervorgerufen hat.
Zum Schhiss nocli ein spezieller Beweis, dass wir in der Tat, ohne
eine solche Mischung nicht auskommen. Ihn liefert das arkadische Ly-
kaion, das uns Pausanias 8. 38. 7 sorgfilltig beschreibt. Wiihrend an der
griechischen Herkunft des Namens, mag man ihn nun richtig von Latei-
nisch Inx, Griechisch Zvxüßag oder falsch von Ävy.og ableiten, niemand
zweifelt, bietet das Heiligtum selbst folgenden seltsamen Anblick : In einem
terapeUosen Bezirk befindet sich nur ein Altar und Säulen mit vergoldeten
Adlern darauf-). Es ist meines Wissens noch nicht bemerkt, dass uns die
jüngsten Funde dazu eine Abbildung beschert haben, wie sie passender
nicht verlangt werden kann. Es ist der oben genannte Sarkophag von
Hagia Triada im südlichen Zentral-Kreta. dem entzückenden Sommersitze
der Heiren von Phaistos. Sehen wir von der schon erwähnten Darstel-
lung des Toten ab, so zeigen beide Langseiten je eine Szene in einem
von einer hohen weissen Mauer umgebenen Temenos. Durch eine Lücke
im Hintergrund sieht man den blauen Himmel. Eine Prozession mit Mu-
sik nähert sich einem Altar, vor dem das eine Mal eine Spende, das andere
Mal ein blutiges Opfer dargebracht wird : neben dem Altar stehen zwei
Säulen, auf denen über einem Doppelbeil ein schwarzer Vogel sitzt. Ist
es auch kein goldener Adler, sondern eher ein Kukuk. Rabe oder Taube,
so sind diese und andere Differenzen doch im ganzen unbedeutend. Den-
noch ist der Schluss v. Duhns^), der, ohne jene Pausaniasstelle zu
verwerten, aus der blossen Tatsache des Totenkultus schloss, „diese my-
kenischen Achäer noch für Nichtgriechen erklären zu wollen, gehe nicht
an", ganz gewiss irrtümlich. Wenn schon die Physiognomie der darge-
stellten Menschen und das Doppelbeil dagegen spricht, so sicher die Datierung.
Mit Recht setzt Fimmen'') den Sarkophag vor 1400, in die zweite spätminoi-
sche Periode, eine Zeit, in der von Achäern auf Kreta wohl noch keine Rede
sein kann. Ausserdem ist das Stück für die spätmykenische Periode, die
den oben geschilderten allgemeinen Ausgleich bringt, viel zu gut.
Nach alledem müssen wir den Sarkophag für ein Werk der echten
Kreter halten und können uns dem Scliluss nicht entziehen, dass die auf
dem Lykaion bezeugte Kultfoi-m nicht erst von den zugewanderten Griechen
1) Die , Achäer' haben sich auf den alten Stätten angesiedelt (Tirjns, Knosos),
die Dorer nicht; daher die Erhaltung der zerstörten Reste. Die Verfluchung des
äusseren Pelargikons in Athen gehört jedoch nicht hierher. Das war wohl das Gla-
cis um die Veste.
2) Die Mitteilungen des Pausanias haben sich an Ort und Stelle bestätigt, vgl.
die Funde s<prjß . äg-/. 1904, S. 1.53 S. Dass die Dimensionen auf dem Lj-kaion ge-
waltige sind, denn der ganze Gipfel des Berges ist Altar, ändert an dem Prinzip
der Anordnung nichts.
3) Archiv f. ReUgkmm: TU (1904) S. 273.
4) Zeit und Dauer der Iretisch-mi/ken. Kultur, Freib. Diss. 1909 S. 19 vgl. die
Zeittafel am Schluss.
13
14 W. AI,/.
<»escbaffen worden ist. Man werfe mir nicht ein. dass ich Mitteilungen
aus allen Zipfeln Gi'iechenlands unberechtigter Weise zu einem Gesamt-
bilde vereinigte. Gerade zwischen Arkadien, Kreta. Attika, Eleusis und
Milet besteht eine Verbindung. Das beweist die Stadt Arkades in Zen-
tralkreta, die den Enyalioskult mit Mantinea gemeinsam hat: die Be-
ziehungen Athens zu Knosos sind bekannt genug: dass Milet seinen Namen
ebenso wie seinen Delphinioskult aus dem nördlichen Zentralkreta be-
zogen hat. ist ebenfalls nicht neu, und dass Eleusis mitten zwischen
Megara und Athen, den beiden von Minos unterworfenen Städten, von
kretischem Einfluss frei geblieben sein sollte, widerlegt die bei Hesiod
TJien<). 971 erzählte Foi-m der Demetersage, der auf Kreta bezeugte Mo-
natsname Eleusinios und die antike Anschauung, Ki-eta sei das Land
aller Mysterien gewesen. Viel eher darf man das ganze Mysterienwesen,
die Orphiker eingeschlossen, für Reste vorgiüechischen Glaubenslebens
halten. Das sind also die Fäden, die das zerstreute Material verbinden.
Sind sie auch frühzeitig schon gerissen, so haben sie doch gerade in jener
Endperiode vor der grossen Wanderung bestanden. Von allen Seiten
werden wir immer wieder in dieselbe Zeit und Kulturperiode gewiesen, der
wir von vornherein das milesische Delphinion haben zusprechen müssen ').
Zugleich ergibt sich für die Eigenart des Gottes, dass sich der mile-
sische Delphinios eben wegen des Fehlens des Tempelhauses derselben
Gmppe von Göttern zuordnet, der der attischen Delphinios hatte zuge-
sprochen werden müssen. Welches bestimmte Zeichen freilieh in Milet
1) Die Kret. Ap. S. 32 zitierte Inschrift IG III 9.39 möchte ich jetzt nach der
Fourmontschen Abschrift etwa so ergänzen:
Ev]ßov).w [Tü)]t Je?.(p{i)p(i)a> [vac?
ftj J]s/.<plvi[ov av]Tljv i(p[evov-
a[av E]i!Hnv Xo/./.eiä[ov yvi^aixa
6 avijQ [a\yid^>jxc Ei9[inQ Ei&i-
Si'juov?] Xo'/./.eiSij: [vac.
Anfang erhalten . . POYAQ DIAEA<1>N0l): die Ergänzung '.-l.iö/./.<üi-i (so IG) ist ausge-
schlossen, wie ja auch sonst der Gott nur Delphinios heisst. Die erste Zeile ist als
Satz für sich zu fassen. tfp[f(C)'] (so IG) ist zu kurz ; die Lücke vorher füllt sich,
wenn das Objekt mit cid)»' wieder aufgenommen wird. Steht Delphinios in der er-
sten Zeile, so kann der Anfang der 2. nur den Namen des Hieron enthalten. Die
übrigen Ergänzungen von Boeckh CIG. Auch diese Weihung erlaubt einen Schluss
auf die Eigenart des Gottes. Mustern wir die gleichartigen Inschriften (Ehrendekrete
für Frauen und Mädchen in gottesdienstlichen Funktionen) IG II 1376 ff. und IG III
885 ff., so steht als Empfängerin an erster Stelle Athene Polias. Teils ist sie aus-
drücklich genannt, teils bandelt es sich um Kanephoren und Errephoren, teüs ist
der Fundort am Erechtheion; in zweiter Linie Demeter, meist weil der Fundort
Eleusis ist; vereinzelt finden sich Göttermutter, Isis. Eileithyia, die als Mysterien-
göttinnen von Demeter kaum zu trennen sind; endlich Asklepios. Die 3 bei Pana-
gia Pyrgiotissa gefundenen 897, 898, 910 (Südecke der Attalosstoa) gehören wohl in
das Heiligtum der Eileithyia, das Paus. 1. 18. 5 am Prytaneion nennt. In dieser Um-
gebung fällt Delphinios nur dann auf, wenn er als Delphinsgott erklärt wird. Da-
gegen gesellt er sich als Gott der Zeugung und Heilspender zu ihnen.
14
Delphinios. 15
vorhiiiiden gewesen ist, d.is die Anlai^e des Heiligtums so weit von der
Ansiedelung entfernt bedingte, vermögen wir heute nicht mehr mit Sicher-
heit zu erkennen. Wenn ich im Verlauf der Untersuchung eine be-
stimmte Vermutung aussprechen werde, so geschieht das mit allem Vor-
behalt ; wissen können wir nur, dass Delphinios an joner Stelle haftete ;
das verbürgt uns sein Charakter und die besprochenen Analogien. Mehr,
hoife ich, wird die definitive Publikation Wiegands lehren.
Anderen Einwänden zu begegnen, noch ein paar Worte. Jene Zeit,
die einst Delphinios nach Milet verpflanzte, hat allerdings ihren Meeres-
gott gehabt, der Herr der Delphine ist und späterhin (nicht vor dem 9. Jahrb.)
fischschwänzig gebildet wird. Es ist jener merkwürdige Geselle, der auf dem
archaischen Keller von Praisos bekämpft wird und seine Gestalt mit dem phi-
listäischen Dagon teilt. In Hellas heisst er entweder einfach der Meergreis
oder er führt verschiedene Namen : bald Glaukos, bald Enhalos, bald Proteus,
Phorkys, Nereus oder Olitos, bald Triton, letzteres an der tanagräischen Küste.
Von ihm ist Amphitrite wohl kaum zu trennen , ebensowenig aber seine
Tochter, die TQiioyereia Athene, deren Name ebenso ungriechisch ist, wie
der ihres Vaters. Letzterer weist insofern nach Kreta, als das seemächtige
Knosos auch Trito geheissen haben soll. Endlich verbirgt sich dieser Gott in
der Gestalt des mythischen Tauchers Skyllies, der nach Herod. 8, 8 vor der
Sehlacht beim Artemision von Aphetai nach Artemision hinübertauchte '). Er
wird kaum mehr Realität besitzen, als jener Heros Echetlos, der bei Marathon
die Perser niederschlug und alsbald verschwand. Sein Name ist nicht von
dem der Skylla zu trennen, die als menschenraubendes Meerungeheuer
ebensogut die Fortsetzung einer alten Göttin ist, wie als schöne Königs-
tochter. So wenig kann sie ihr Verhältnis zum Meere verleugnen, dass
sie schwimmend der Flotte des geliebten Minos folgt. Spätere Erotik
hat daraus die widersinnige Sage gemacht, Minos habe sich ihrer Liebe
zwar bedient, um Nisos zu stürzen, habe sie aber dann zur Strafe im
Meer nachschleifen lassen. Die seltsame Todesart verrät nur, welches ihr
eigentliches Element gewesen ist. Als göttliches Epitheton hat sich der
Name nur im kretiscben Gortyn gehalten, wo Zeus Skyllios (nicht
Skylios, wie man oft liest), auf dem Skyllion Oros verehrt wird, das wir
uns an der Küste denken können. Seine Funktionen werden die gewesen
sein, die mit durchsichtigem Namen Zeno-Poseidon, kariscli 0 sogo,
in Mylasa versieht. Das alles sollen nur Andeutungen sein, dass jene
Zeit Gottheiten des Meeres gekannt hat, die die zuwandernden Indogernni-
nen bereits vorfanden : mit welcher Zähigkeit sie sich an Ort und Stelle
gehalten haben, beweist der Umstand, dass der Meergreis noch heute in
der griechischen Sage lebt^).
Man hat ihn auch schlechtweg nach seiner Gestalt den Delphin ge-
1) Vgl. Hitzig-Blümner zu Paus. 10. 19. 1.
2) Vgl. Bernh. Schmidt, Volksleben der Neugriechen S. 135.
15
16 TF. .-1/^,
nannt, denn der Portus Delphini (vgl. P IT IV 2516), wie die oben bereits
angeführte Bucht von Portofino an der Riviera di Levante mit antikem
Namen hiess, enthält ebensogut wie der Portus Veneris (heute Spezia)
und der (PÖQy.vvoc, At/irjv auf Ithaka einen Gottesnamen in sich, nur nicht
etwa Delphinius, was bei dem adjektivischen Epitheton kaum zu erklären
wäre '). Auch auf das AVesen des Delphingottes lassen diese Parallelen einen
Schluss zu. Denn Phorkys ist sicher der Name eines Meergottes, und Aphro-
dite kann nur gemeint sein als Iloinia Ai/ieria, die Paus. 2. 34. 11 in Her-
mione kennt, oder als EiTcJ-oia. deren Tempel im Piräus Paus. 1. 1. 3, deren
Kult in Mylasa, Olbia (Weihung eines Rhodiers) und Kilikien die In-
schriften erweisen, vgl. PTFI 2773, 67 ^). Die Bucht ist jedesmal als Auf-
enthalt des Gottes gedacht, der die Seefahrenden schützend aufnimmt. Bei
allen ist die Beziehung zum Meere so deutlich, dass es höchst wunderbar
wäre, wenn der echte Delphinios, bei dem diese Beziehungen durch ver-
schiedene Anzeichen direkt ausgeschlossen sind, zu ihnen gehörte.
III.
Vermutungsweise und in der festen Ueberzeugung. einen vollen Be-
weis meiner Behauptungen noch nicht und bei der Beschaffenheit des Ma-
terials vielleicht nie geben zu können, möchte ich endlich meine früheren
Ausführungen über Gott Delphinios in einem Punkte ergänzen. Dass das
Heiligtum an ein bestimmtes Zeichen gebunden war, glaube ich gezeigt
zu haben; nur war an keiner der zahlreichen Kultstellen deutlich, welcher
Art dieses Zeichen gewesen sei, wie man ja selbst in Athen an Ort und
Stelle den Sinn des UeQkfQayiiov nicht mehr verstanden hat. Vielleicht
kann ims der Name des Gottes^) weiter führen.
Ich hatte bereits trühcr die delphische Quelle Delphussa mit der bö-
otisch-arkadischen Tilphosa zusammengebracht, ohne daran zu denken,
dass der Drachin von Pytho eine ebenfalls weibliche Gottheit an der bö-
otischen Quelle entspricht, die nach hyiiin. Apoll. 375 ff. von ApoUon,
1) Vgl. Buecheler-Windekilde, latein. DeMination, Bonn 1879, S. 71 £F. So bietet
Plinius, der den Portus Delphini nennt, zwar z. B. Fulvi, Corneli, Domiti, Aesculapi,
aber Posidonü, Pythii, Olympii. Sollte trotzdem der Delpbinios von Massalia mit-
hineinspielen, so liegt bier -wiederum die zu Anfang angeführte volksetymologische
Umdeutung vor. — 2) Limnesia heisst sie bei Serv. aä Aen. I 720.
3) Die grammatische Sicherheit Maltens ist nicht über jeden Zweifel erhaben.
Um Delphi, Tilphosa (mit ungriecbiscbem Suffix!) und Delphidios mit den Delphinen
unter einen Hut zu bringen, soll eine Wurzel delph-„ bohl' bedeuten. Gemeint ist
1/g°elbh in griech. deXcfvg, gall. Galba „Schmerbauch", nhd. Kalb, skr. gärbba, eine
Wurzel, die, wie es scheint, ausschliesslich, vom schwangeren Leibe und der Leibes-
frucht gebraucht wird. Davon TfXcpovar], Ti>.<pwaa. 6s?.novaa in Böotien, Thessalien,
Arkadien, obgleich der anlautende Labiovelar im Thesaalisch-Böotischen durch La-
bial vertreten wird ? Und wo kommt die Tenuis her ? Und Delphidios in Sparta
kann dann doch wohl nur , Bauchgott', nicht Delphinsgott bedeuten? Mit dieser
Methode kann man alles beweisen.
16
DelpJiinios. 17
den sie vergebens bat lietrügon wollen, unterdrückt wird. Danach wäre es
möglich, dass delph- überhaupt nur eine dialektische Nebenform zu tilph-
(aus *dhilph?) sei. freilich nicht nach den Ge.setzen der «^riecliischen Dia-
lekte ; aber es liegt sehr nah. zu vermuten, dass auch die Sprache der vor-
griechischen Bevölkerung , der ich zuversichtlieh Tilphosa und unbe-
denklich mm auch Delphos und die Minyer-Minos zuweise, dialektisch
differenziert gewesen sei. Dann würde sich das Bild etwa so gestalten:
Der ganze Süden und Osten hat das fremde Wort in der Form delph-
übernommen, der Norden und Westen dagegen die andere Lautierung bei-
behalten mit der einen Ausnahme, dass Delphussa und Delplivna dem
Namen Delphoi angeglichen wurde, der, wie der anlautende Labiovelar
zeigt, andern Urspi-ungs ist. Die gleiche Verteilung empfiehlt das Ge-
schlecht der Gottheit, die hier weiblich, dort männlich gedacht wird.
Unter diesen an und für sich möglichen Voraussetzungen ist in Athen
und Milet wenigstens weiter zu kommen, wälirend wir von Kreta bei dem
gänzlichen Mangel an einschlägigem Material vorläufig leider ganz absehen
müssen. Beide Städte zeigen in ihrer Siedlungsgeschichte so auifällige
Analogien, dass es sich lohnt, die Schichtenhildnng, die in Milet so klar
ist, auch in Athen zu verfolgen. Mit anderen Worten: Altmilet lag um
das Atheneheiligtum am Hafen, die ionische Akropolis unweit daneben, das
Delphinion neben der unbefestigten Stadt an ein^m durch die Natur an-
gewiesenen Platze. In Athen ist abgesehen davon, dass es von vornherein in
viel geringerem Grade als Milet Seestadt ist, das Bild im wesentlichen dasselbe.
Die Athener hielten sich für Autochthonen. Dieser Begriif ist hi-
storisch nicht ganz so unbrauchbar, wie man gewöhnlich annimmt. AVenn
daraus auch nichts weiter folgt, als dass die Bewohner des Landes so
hinge dort ansässig waren, dass auch nicht der fernste Anklang einer
alten Wandersage existierte, so ist das doch schon etwas. So war es
also in Athen; und doch hat hier ein W'echsel, wenn nicht der Be-
völkerung, so doch des Glaubens einmal stattgefunden, das zeigt der
G ö 1 1 e r k a m p f ^) a u f d e r B u r g : Athene und Poseidon -) haben sich
1) Denselben Schluss hat bereits v. Wilamowitz Arisioteles und Athen II S. 37. 5
gezogen, besonders unter Hinweis auf die Chronologie der Sage bei Euseb. ad a. Abr.
461 ff. ; und Dünimler bei PTT^II 1950. 42 hätte das nicht so rundweg ablehnen sollen.
Nur warum W. gerade an Pallene als Heimat Athenes denkt, verstehe ich nicht.
2) Anders stellt sich Hephäst, der Gott der ;ffpß.«frc am Dipylon zu Athene.
Auch er scheint zugewandert zu sein (ich denke an die ,tyrrhenischen Pelasger' aus
Lemnos, wo der Kult fest ist. und an die merkwürdig enge Verbindung Athens mit
dem Norden des ägäischen Meeres), aber als Nichtgrieche, als Gott eines den Ur-
athenern verwandten Stammes, wird er als Gatte Athenes gedacht. Freilich verzerrt
das spätere Dogma von der Jungfräulichkeit Athene diese alte Götterehe greulich ;
Athene als Mutter ist nur auf Kreta noch nachweisbar, vgl. Strabo 10 p. 472: Koqx-
ßavTfQ . . 'A&r/väg xai 'Hi.iov Tialötg in Hierapytna. Das ist dieselbe Göttin, der fol-
gende Weihung dargebracht wird C. B. 5145 A (aus Kreta, Gegend von Phaistos): vjieQ
zcxvtav 'Al^avä j:auu)riK evyäv. dieselbe wahrscheinlich, die Apollonios der Rhodier IV
Klio, Beiträge zur alten Geschichte XU. 2
17
18 H'. AJii.
einst den Platz streitig gemacht und. muss ich hinzusetzen. Athene siegt:
also ist Poseidon als Erechtheus der ältere auf der Burg von Athen. Der
griechische Gott, denn sowohl Erechtheus wie Poseidon sind gut grie-
chische Worte'), ist dort auf dem Berg alteingesessen, weil es Griechen
waren, die Burgen bauten. Es ist derselbe Gott, der in lonien der Herr
des Paniünions wird, natürlich nicht Poseidon als Meeresgott, wie er sich
erst verhältnismässig spät herausgebildet haben kann, sondern Poseidon,
der Er der schütterer^) oder, ^vie er eben in Athen heisst. der Erech-
theus oder E r i c h t h o n i o s.
Es wäre übereilt, zu glauben, die Verehrer der neuen Göttin seien
notwendig so wie diese zugewandert. Xur die Rezeption ihres Kultes in
der Polis. wie Thukydides und die Inschriften die Burg nennen, kann im
Götterkampf symbolisiert sein ; und schon der veränderte Typus beider
Götter zeigt, dass diese nicht sehr alt sein kann. Poseidon ist bereits der
Meeresgott geworden, und die blauäugige Tochter Tritons ^), des alten Meeres-
gottes, hat dieselbe Wandlung^) durchgemacht, wie ihre Verehrer, deren
binnenländiseher Sitz aus den Untertanen weiland König Minos' ein Bauem-
volk geschaffen hat. So erscheint Athene auf der Bui-g als Schützerin
des Oelbaumes ^). des Kulturgewächses, dessen Anbau eine jahrzehntelange
Pflege voraussetzt und so das Kennzeichen einer autochthonen Kultur wird.
Dieser Wandel ging vor sich, während die lonier. wie ich jetzt wohl sagen
darf, auf der Burg, die älteren Insassen in der Ebene nebeneinander her
lebten, so etwa, wie wir heute in Smyrna das Juden-, Türken-, Griechen-
1691 ausdrücklich MirwU nennt. Die Sage, die Erichthouios (wohl 'E^f/ß-6v-tOi) als
Sohn von Hephäst und Athene kennt (Apo)lodor 3. 14. 6), setzt bereits die Verschmel-
zung der Berg- und Talgemeinde voraus.
1) Sein Beiname ist \iaiffU.fioi:, vgl. Wide. Lakon. Kulte S. .36 .Gott der festen
Erde", Gruppe, Handhucli der griech. Mtiihohujie München 1906. S, 1157. Danach ist
die Inschrift aus Polyrrhen JHSi. 16, 178 nr. "2 zu korrigieren, wo der Herausgeber
fälschlich [z/iöc] ergänzt, Erechtheus von iofydiu „ zerreissen " vgl. Prellwitz. Etymol.
Lexikon- S. 1.55, Tloi-fiSaptov der Gott des Erdbebens, vgl. Fick-Beclitel. Griech. Per-
»onetmamen, Göttingen 1894, S. 461/2.
2) Als solcher besonders auf Kreta gut zu erkennen, wo seine Kultstätten mit
Vorliebe im Innern des Landes liegen, so das eben genannte Polyrrhen, so Rhaukos
vgl. die Münzen bei Svoronos Kumisniaiiqiie de la Crele, Macon 1890 Taf, 29, 6 ff., so
Vasos, vgL C.B. 5126 B.
3) Ich glaube allerdings kaum, dass Athene jemals eigentliche Göttin des Meeres
gewesen ist. Es bat den Anschein, als wenn sie als mütterliche Gottheit eines see-
fahrenden Volkes mit dem Herrn des Meeres verknüpft worden sei. Merkwürdig je-
doch sind die Beziehungen, an die Dümmler PW II 1994. 53 erinnert: , Einen Rest
ehemaliger Vogelgestalt oder wenigstens der Fähigkeit, solche anzunehmen, wie sie
in Hellas vornehmlich den Wasserdämonen . . . eignet, . . . könnte man versucht
sein, in der megarischen A. .\,ithyia zu erblicken,"
4) Für ihre spätere Geburt aus Zeus" Haupt vgl, PW II 1989.
5) Man denke an den kretischen Baumkult, Die Pflege der /loolai und der Kult
des Zeus Morios erinnern sehr stark daran. Letzterer wird von schol. Soph. Oid.
Kol. 705 mit Zeus Kataibates zusammengebracht, der am Delphinion wiederkehrt,
18
Tkipliiilios. 19
und Frankenviertel säuberlich nebeneinander finden, wir in lioni die Ge-
meinde vom Quirinal neben der des Palatin gesessen bat, und wie es ge-
raume Zeit auch in Milet gewesen ist. Als dann ein Ausgleich stattfand,
hat in lonien das griechische Element in höherem Grade die Oberhand
behalten als in Athen ; das beweist eben der Einzug Athenos auf der Burg ').
Eine letzte Frage bleibt noch zu beantworten. Wo hat jenes von
mir nicht vorausgesetzte, sondern durch die Kultustatsachen geforderte
Urathen gelegen? Schauen wir uns unter den benachbarten Demen um,
so trage ich kein Bedenken, des Namens halber Kydathen') dafür in
Anspruch zu nehmen, mag es gelegen haben, wo es will. Denn dass Ky-
dathen in der Urgeschichte der Stadt eine Holle gespielt hat, haben selbst
die nicht bezweifelt, die es im Norden der Burg gesucht haben.
Unzweifelhaft fest steht Folgendes : Die uralte Gemeinde mit dem
Dionysion im Sumpfe, dem Stadtbrunnen Enneakrunos und dem alten
Markte als Zentrum, die sich als Unterstadt vor den Eingang der Burg
gelegt hat, ist es nicht; die hiess Kollytos, und Melite grenzte so daran,
dass man auf der verbindenden Bazarstrasse die Grenze nicht konstatieren
konnte. Das Grenzviertel war belebt, aber nach Art der Altstadt schlecht
gebaut. So bleibt also der Norden, Osten und Süden für Kydathen übrig.
Wenn Judeich in seiner Topoijraphie von Athen S. 159 sagt, der Name
Ehrenathen lasse vermuten, dass er den Mittelpunkt der Stadt, die
Burg mit ihren Abhängen umfasste, so ist das nicht ganz richtig. Denn
erstens möchte ich aus dem speziellen Namen der Polis den Schluss
ziehen, dass sie als typischer Gegensatz der Demen unmöglich zu einem
solchen gehört haben kann ; die Stadt kann zwar mehrere Dorfgemeinden
umschliessen, das Dorf aber keine Stadt; zweitens heisst Kydathen nicht
so, wie man es gewöhnlich übersetzt; denn an der einzigen Stelle, wo
es im Verse erscheint, Wespen 895 und 902 ist das y kurz ; die Verse heissen :
itixav Kvöa&tjvaievg Adßi]T' Aigcovia
und 710V ö' ö öiMXCJV ö Kvöad'ijfaiEvg xvcov;
wo wir zu Anfang des Verses, wenn wir nicht mit Meineke das nov ver-
doppeln, jenen Choriambus anerkennen dürfen, den Aeschylus, Sophokles
und Herondas gelegentlich zu Anfang des Trimeters haben. Ist das y
aber kurz, so darf man den Namen mit der' Wurzel y.vö nicht unmittel-
bar zusammenbringen. Will man etymologisieren, so darf man nur xt5doc,
xvöd^cü, xvöÜTrco heranziehen, die etwa Schelten bedeuten und ein nicht
erhaltenes *icvöa^ „einer der zum Schelten neigt" voraussetzen. Zur Be-
deutung und Verbreitung vergl. (h Aeschi/U copia rerh. p. 102. Dass die
1) Der helikonische Poseidon ist für Athen auf dem Ardettos nachweisbar, vgl.
Judeich S. 42. 5 ; Athene und Poseidon werden auf dem Kolonos Hippios verehrt
(schol. Oid. EoL 74).
2) Nur eins könnte man in der Beweisführung vermissen, ein altes Athenaheilig-
tum in Kydathen. War es etwa das der Athena Itonia. das man aus dem Itoiii-
schen Tor in der Nähe des Delphinions erschlossen hat V
19
20 TF. Aly,
Bildung mit c nicht attisch sei. möchte ich aiuh jetzt noch aufrecht
halten : dagegen ist es doch wohl wahrscheinlich, wenn auch nicht absolut
sicher, dass diejenige mit tt dem attisch-höotischen Kreise angehört.
Also von Eiirenathen kann keine Rede sein ; selbst für den Fall, dass y.vö
und xvö nur verschiedene Stufen einer Wurzel neutraler Bedeutung „spre-
chen von jemand in gutem oder schlechten Sinne" sein sollten, sind die
Kydathener doch die S c h e 1 1 a t h e n e r ; oder hat sich Aristophanes durch
willkürliche Verkürzung der ersten Silbe einen besonderen Scherz erlaubt?
Ich glaube es nicht, trotzdem er gerade seinen Liebling Kleou meint, weil
die Bedeutung des Wortes wohl kaum zum Bewusstsein des Hörers ge-
kommen wäre. Wenn aber bereits ein antiker Gelehrter bei Hesycb er-
klärt: K. i'rSoiOQ 'Ad'7]raiog, so beweist das für ältere Zeit nichts.
Schwieriger ist es. sich über die Lage des Demos, von dem wir nur wissen,
dass er in der Stadt') gelegen hat, zu entscheiden; früher hat man ihn,
wohl auf Grund von Thuk. II 15. im Süden der Burg angenommen, wäh-
rend Judeich. der infolge seiner Ansetziing von Diomeia und Ankyle Kol-
Ij'tos bis zum Ilisos und zum Olympieion hinziehen muss, für Kydathen,
dessen Gerber doch Wasser brauchten, nur den Korden übrig behält, da
aber bis zum Eridanos gehen muss und infolgedessen Skambonidai etwas
sehr stark nach Norden abdrängt, obgleich es nach S. 160 unmittelbar
nördlich der Burg liegi.
Zweierlei darf man heutzutage für die Lokalisierung der städtischen
Demen voraussetzen, den lokalen Zusammenhang der einzelnen Trittys und
das Vorhandensein einer auf tatsächlicher Nachbarschaft beruhender Reihen-
folge der Phylen. Dabei ist noch nicht beachtet, dass die 1., 2. vmd 3.
Phyle imd auch nur diese nach Lage ihrer Kultzentren am Fusse der Burg ge-
legen haben müssen, ich meine die Erechtheis mit dem Erechtheion. die Aigeis
mit dem Aigeu.sgrab ') und die Pandionis mit dem Heiligtum des Pan-
dion ^) auf der Burg. Da nun die Zählung der 4. — 7. und 8. — 10. Phyle
im entgegengesetzten Sinne des Uhrzeigers läuft und die Aigeis durch Kol-
lytos im Westen festgelegt ist. so kann die Erechtheis nur nördlich
der Pandionis*), der Kydathen angehört, gesucht werden.
Der Plan bei Judeich S. 160 bietet noch zwei Schwierigkeiten: man
fragt sich vergebens, weshalb die Zählung gerade bei dem Vorstadt-Demos
Agryle beginnt, und die Ansetzung von Diomeia jenseits des Ilisos ist
nicht weniger unwahrscheinlich. Die Trittys der ersten Phyle, deren übrige
Demen wir nicht kennen, muss sich wohl sehr energisch in die Stadt
1) Hesych: KvdnS)jrcäo:' d'7.«o; tj/c {a)(fvXr/g xT/s tlccvöioriSos iv aaxfi, Kvöaf^or
6/Aoiaiq.
2) Jahn-Michaelis, Arx Athomrum tab. XVII h.. p. 44.
3) Ebenda p. 86 s. v. Tlctvdiwv ; Lage unbekannt, aber wahrscheinlich entspre-
chend der Lage der Pandionis auf der Südseite des Parthenon.
4) Die Stellen dazu bei Judeich S. 158; dazu S. 372 über das K_ynosarges, S, 365
über das Lj'keion, S. 374. 14 über Pausanias.
20
Ddphhüos.
21
hinein erstreckt uml dort irj^en'! einen wichtigen l'unkt uinfasst haben,
der es gerechtfertigt erscheinen liess, die Zählung mit ihr zn beginnen,
etwa das Prytaneion. Wir müssen uns die 10 städtischen Trittyen spei-
chenförmig um einen gewissen Mittelpunkt herum gruppiert denken, an
den sie freilich aus naheliegenden Gründen nicht alle unmittelbar iieran-
reichen konnten. Das wird der Zentralmeilenstein, der Z w ü 1 f-
g ö 1 1 e r a 1 1 ar (nach Herod. 11 7) in der Südwestecke ') des neuen Marktes
gewesen sein, mit dessen Gründung l'eisistratos den Plan der Stadter-
weiterung nach Nordosten begonnen hat.
So nehme ich an, dass der Norden der Burg einem unbekannten De-
mos der Erechtheis gehörte ; denn die erste Phjle muss bis ins Zentrum
der Stadt gereicht haben. Diomeia wird von Judeich S. 158 gegen die
geltende Ansicht richtig in den Süden der Stadt verlegt, doch schliesst
m. E. der Pausaniasgiro die Ansetzung jenseits des Ilisos aus. Man kann
den Weg des antiken Bädeker 1. 19. 1 etwa mit folgenden Stich Worten
kennzeichnen ^) : „ Nach dem Tempel des olympischen Zeus in der Nähe
1) Robert, Pausanias (Berlin 1909) S. 330.
2) Hhzä äs rov vubv xov Jibq tov ''OXvfinlov nhplov aytO.fxd iativ ' Anö>.>.u>rog
Ilvdiov. sszi 6e y.al aV.o lufbv ' AnoV.wvoq inixhiaiv Athptviov . . . it; <Jt tö -/wqIov ö
Ki^novg ovoßä^ovai . . . iazi dt- ' H(iax?.tovg u()bv xai.oi/itfvnv Kvvoanpyfg . . . .li'xetov
ÖS . . . saxi ÖS uJuaD-sv xov Avxsiov Ntaov /ivr/fia . . . nota.uoi äs ' Ai^r/vuioti; Qhovoiv
D.iaöq TS xal 'Hi)iäcivög . . . äslxvviai äs xai »itci Tls'/.OTiovvijatoi KoSqov xov MshivSov
21
22 W. All/.
das Bild des pythischen Apollon. Es gibt noch ein anderes Heiligtum des
Apollon mit Beinamen Delphinios ... die sog. Gärten . . . das Herakle.sheilig-
tum, das Kynosarges heisst (derselbe Weg wird im Axiochos geschildert) . . .
das Lykeion . . . hinter dem Lykeion das Grab des Nisos . . . Flüsse gibt
es in Athen den Ilisos und Eridanos . . . Grab des Kodros. Wenn man
den Ilisos überschreitet ... Artemistempel . . . Stadion ... es
gibt aber auch eine Strasse vom Prytaneion. die rginodec, heisst ..."
Daraus folgt meiner Ansicht nach notwendig, dass, wenn Pausanias die
TJeberschreitung des Ilisos so ausdrücklich nennt, er ihn vorher nicht
überschritten hat, sondern vom Delphinion aus erst das rechte Ufer ab-
wärts bis zum K}Tiosarges, dann aufwärts bis zum Lykeion, dann den
Ilisos an der Uebergangsstelle und endlich das linke Ufer beschreibt.
Dann beginnt er seinen Giro von neuem am Prytaneion. Wir gewinnen
dadurch die Möglichkeit, all die in Betracht kommenden Punkte, Diomeia,
Kynosarges, Grab des Anchimolos und des Isoki-ates befriedigender an-
setzen zu können, als es Judeich gelungen ist.
So reicht also Kollytos nicht über die Linie Akropolis-Philopappos
hinaus. Südlieh schliesst sich zwischen Mauer und Ilisos unmittelbar vor
dem diomeischen Thore Diomeia an; jenseits des Baches folgt Ankyle.
Dann lag das Kynosarges, dessen strategische Bedeutung schon Judeich
betont, an dem südwestlichen Vorsprunge des Pnyxgcbirges da, wo man
den freien Blick bis zur Bucht des Phaleron hat, und das Grab des Iso-
krates in der Niederung, die zum melitischen Thor hinaufführt. Dort gibt
es tatsächlich einen „Hügel zur Linken", an dem es nach der Ueberlieferung
gelegen hat^). Unterhalb des Kynosarges folgte auf der Grenze gegen
Alopeke das Grab des Anchimolos, das Herodot V 63 mit der etwa dort
beginnenden phalerischen Ebene in Verbindung nennt.
Es liegen also im Umkreise der Burg die Trittyen der ersten, zweiten
und dritten Phyle, die erste im Norden und Westen, die zweite im Osten
und Südosten ; so bleibt für die dritte nur der Süden, eine Lage, die noch
dazu den Vorzug gewährt, dass sie uns Platz lässt, weitere Demen
der Trittys zwischen Ankyle und Agryle anzusetzen. Wenn ich dabei mit
Kydathen wieder auf die alte Stelle zurückgekommen bin, wo man es
immer vermutet hat. so ist das völlig unbeabsichtigt geschehen, so brauch-
bar auch das Resultat in anderer Beziehung ist; es sind nur aus den
deutlich erkennbaren Prinzipien der kleisthenischen Phylenordnung die
Konsequenzen gezogen, sodass das Resultat weder von Thukydides noch
von der gleiclizunennenden Schuchardt'schen Hypothese oder religionsge-
schichtlichen Spekulationen beeinflusst ist.
ßaaO.tvovta 'A&rjvalwv xzfivovat. Aiaßäat öl ruv 'Ihahv . . ritbc \4{)rf',«(t(oc . . .
aräiiov . . . dazi Si ö6og anb rov Upviaveiov xa>.ov/iiv>j r^lnoöfs ■ ■ ■
1) Vgl. Judeich a. a. 0. S. 361 nach Plutarch, 10 Bdn. p. 838 B (V 18 Bernad.)
izäipti 6i n'/.tjaiov Kvvoaägyovq inl jov }.o(pov tv npiazfpä.
22
Delphinios. 23
Idi habe auf eine Nebenfrage so •:fenau einteilen müssen, um einen
wichtigen Punkt der Stadtgeschichte ohne Voreingenommenheit zu fixieren.
Erst jetzt dürfen wir an weitere Zeugnisse lierantreten. die für sich
vieldeutig, nur vereinigt ein erkennbares Bild geben : ich meine die be-
rüchtigte Thukvdidesstelle II l.'>, die Heiligtümer vom Asklepieion bis zum
Olympieion. die Schuchardt'sclie Hypothese u. a. m. Letzterer M hat im
Anschluss an die Herausbildung der deutsehen Siedelung aus dem Bauern-
hof eine ähnliche Entwicklung für Hellas angenommen. Geleitet durch
eine nicht unbedingt zuverlässige Tradition, dass das Haus des Aigeus
unten am Ilisos gelegen habe, glaubte er hierin eine Erinnerung an den
ältesten Hof dort in der Nähe der Gärten sehen zu dürfen. Mag auch
hinter den Alyeoig nvlai etwas anderes stecken (aber selbst als Stadttor
konnte es den Namen des alten Hofbauem bewahren), so haben doch
Fluss und Feld die richtige Stelle bewiesen. Diejenigen, die sich zuerst
Athener nannten und später den oben erwähnten, wenig ehrenvollen Spitz-
namen der Kydathener erhielten, haben hier unter der Burg am Ilisos
gesessen, da wo die Quelle Kallirrhoe ihnen als Dorfbrunnen dienen konnte.
Dass wir uns letztere darum nicht als Mittelpunkt der Siedelung zu denken
brauchen, beweisen die zahlreichen Darstellungen der Troilossage. die Troilos
auf dem Wege ausserhalb der Stadt zeigen. Auch Thebens Dirke lag am
Rande, die Arethusa von Chalkis {FW IM 2079) ausserhalb der Stadt. Wann
das gewesen ist, entzieht sich völlig unserer Kenntnis, da wir in mykeni-
scher Zeit die Burg bereits besiedelt finden. Diese ist jedoch von Ilisos
aus nie zugänglich gewesen, sodass ihre Besiedlung von dort aus nicht
erfolgt sein kann.
Nachgetragen sei eine Notiz, die das Gesagte zu bestätigen scheint.
Haben wir das älteste Athen mit Recht einer nichtgriechischen Bevölke-
iimg zugesprochen, so müssen Beziehungen zu Kreta vorhanden sein, wie
sie sich in den Geschichten von König Minos niedergeschlagen haben. Von
den wenigen Spuren, die gerade in Athen lokalisiert sind, befindet sich
das Grab des Kalos, der trotz der singulären Lautveränderung dem kreti-
schen Talos entspricht, auf der Südseite der Burg in der Gegend des
grossen Theaters. Von den Kulten der alten Gemeinde scheinen sich einige
an Ort und Stelle gehalten zu haben, als die Gegend schon längst an den
Rand der Stadt gerückt war. Welche Gottheiten freilich sich insbesondere
durch ihren Namen als Barbaren verraten, ist nicht leicht zu sagen. Von
Kodros sagt das Strabo 321^) ausdrücklich, von Kronos wage ich
1) Verh. der 49. Philologenvers. L. 1908, S. .36.
21 'Exax alo s fiiv ovy 6 Mth'iaioe Tti^l Tr,g TJfÄOTiovvr'jOOV (fija'iv, on ngo tCov
'EU.ijvtav wxr,aav uvtIjv BäoßtiQOt. ^/fdov dh xal t/ avfinaaa '' EV.ni; xatoixi'a BaQßagwv
vnTiQ^t To na}.aiov An avtSiv ).oyitoftti'oi(; Tüiv fiitj/joi'fvo/Aivwv ' Tlilonoi fiev ix xTff
4>Qvyittq inayoftivov P.«6v il<; xf/V nn avxoO xh)SHauv Ile).onövvtjaov, Javaov de i§
AlyvTixov, AQvdntov xe xal Kavxwvwv xal Ihf.nayibv xal Ac>.sy(uv xal äiJ.wv xoiovxmv,
xaxavsiixaniviov xa ivxdg 'la9ftov, xal xä ixxbq 6L xfjv /jhv yag 'Axxixfjv oi fiixa Et-
23
24 W. Äh/,
niclits zu liehaupteu, obwohl sein Kult durchaus kleinasiatischen Typus
zeigt; Deukalion <rehört sicher nicht her, aber sein Grab schliesst sich
eng an den Erdspalt der Ge an, deren Kultname verloren ist. Desto zu-
versichtlicher möchte ich jetzt das Delphinion aus diesen Zusammenhängen
heraus erklären, zumal nach dem, was vorher über Delphi bemerkt wurde,
möglicherweise ein Zusammenhang zwischen ihm und der Quelle KaliiThoe
angenommen werden darf, die einstmals Stadtbrunuen gewesen war und
im Kultus noch immer eine Rolle spielte, vgl. Thuk. II 15 '). War etwa
das jifo'KfQuy.iov ein Laufbrunnen, in den Aigeus das Gift schüttete, um
es zu beseitigen V Während ich die Ansetzung von Altatheu mit seinen
Kulten für sicher halte, dürfte hier vorsichtigste Zurückhaltung des Ur-
teils am Platze sein.
Zum Schluss nur wenige Worte über Thukydides -), der nur eine
einzige Voraussetzung zum Verständnis erfordert; er verquickt das durch
Kydathen repräsentierte Urathen mit der ionischen Burg und der vor-
pisistratischen Unterstadt KoUytos und setzt es im Gegensatz zu der
Neustadt am Neumarkt. Von seinem Standpunkt aus hat Thukydides
ganz recht; insbesondere der Name des Demos Kydathen wird ihn zu
seiner Hypothese geführt haben, den Südosten mit dem Südwesten zu ver-
binden. Sondern wir darin die beiden Schichten, wie oben geschehen, so
ergibt sich ein Bild der athenischen Urgeschichte, das die Erscheinungen
der historischen Zeit hinreichend erklärt.
Sollte sich der Zusammenhang des Delphinios mit dem Stadtbrunnen
bestätigen, so wäre das ein Gedanke, der sich wohl auf Milet anwenden
lässt, um die Lokalisation des dortigen Heiligtums zu verstehen. Natür-
HÖXnov OpKxig ta/ov tTjq Sh 4'(oxlöoq xljV Javcildn Tijqsvq ' ri/v 6s I{ad,ue!((y o! /^fr«
Käönov <Poirixfg' ai-r^iv <Jf zifV Boiwtiav I^oi'f? aal Ttfifiixsg xal YnvTfQ. tu? 6h niv6ap6i;
<prjoiV 'Hv i'/ts vag Boiüiztov s&vog h'enov. Kai imö tibv uvoudrojv 6'e ivlior ro ßä^ßa-
^ov fß(palvfTC!i KixQOV! xal Kö6^og xal Aixi.oq xal Kö9og xal J()i\uaQ xal KqhovÖc-
1) Stammte vielleicht die Gesundheit spendende Kraft des Delphinios (vgl. IG IH
138) aus der Quelle als Heilquelle? Man würde dann die Nachbarschaft des As-
klepios in Milet verstehen. Ebenso könnte seine Beziehung zum Geschlechtsleben
(vgl. Kret. Ap. S. 32 f.) eine Erklärung dafür abgeben, warum man nach Thukydides
das Wasser der Kallirhoe später noch gerade zu Hochzeitsbräuchen verwendete.
2) Tö jipö TOi'tov ij nxQÖnohq ij i'iv ovaa nöXiq i^r xal z b vTi avz 1/ r n p 6 c
V ÖT o V ixahaxa ttxQafißsvov " zexßr/Qiov 6s " T« yäp Isffä iv avifj zjj h.xQonö).fi xal
aU.wv öfüjv iazi xal zä s^o nQog zovzo zu nSQOq zT/g nölttog fiäl?.ov 'i6(>vTai, z 6 z s
zov dibg zov 'OXv fXTil o V xal z b IIv 9 lov xal zb i Tj g r y g xal zb iv
Xi/xvaic dioviaov. q zä agyaiötepa Jiovvaia z^ 6w6sxäz^ noiilzai iv fitjvl \4v-
&€azti(>iü)vc loaTifQ xal oi ein' 'A3->jvai(ov "Itovsg szt xnl vvv i'OfttZovotv. 'idgvzui 6's xal
aX/.a (ap« z a i z ?j lipyata. Kai zjj XQi'jVtj zy vvv ,«sv zvov zvQavvwv oviio axfva-
aitvxaiv 'Ei'vsaxpovviu xa/.ovßsi'ij, zb 6h naXai (pave(>ibv zü>v nr/yöiv ovaütv Ka).-
XiQQÖ7j wvofiaofiiv^ ixslvoi zs iyyvg ovay za nXtlazov a^ia ixQÖ>yzo xal vvv
tu aito zov ä^yalov tcqö zs ya^iixwv xal ig a).'f.a züjv Is^üjv roftiXszat zw v6azi yjjTfi-
ftai. xalslzai 6h 6ta ziiv nclaiär zuvztj xraolxijaiv xal ij äxQonohg ßiyQi zov6f szt
VTi" 'A^tjvaiwv nö'/.ig.
24
Delphinios. 25
lit-ii wird man heute in dem völlig veränderten Boden wenig mehr davon
erkennen können ; iiber wozu sollte sonst das runde tiefe Marmorbassin
von 2 Meter Durchmesser, das noch heute im Delphinion liegt, gedient
haben, wenn nicht zu irgend einer Brunnenanlage *). Von befreundeter
Seite werde ich dai-an erinnert, dass auch der Rundbau in der Mitte eine
ähnliehe Bestimmung gehabt haben kann ; doch darüber lässt sich vom
Schreibtisch aus nichts sagen.
Ich fasse zusammen : Wir können heutzutage die Frühzeit der Helle-
neu in Hellas nicht, mehr verstehen, ohne in weitestem Umfange auf die
Bevölkerung Rücksicht zu nehmen, die vor ihnen dort gesessen hat und
nicht verdrängt, sondern aufgesogen ist, so dass wir ihre Spuren allent-
halben innerhalb der griechischen Welt erkennen können. Das zeigen uns
die Stadtgeschichten von Athen und Milet, die eine gewisse Aehnlichkeit
in der Schichtenbildung miteinander haben. An beiden Stellen erst eine
unbefestigte „kretische" Siedelung, die in Athen uralt ist, in Milet seit
frühestens 1400 angenommen werden kann; daneben die jüngere Burg
eines Volkes griecliischer Abstammimg. in Athen seit mykenischer Zeit,
in Milet seit spätestens 800. Beide verschmelzen miteinander, wenn auch
in verschiedenartiger Weise. Sowohl Athen wie Müet ist von den Persem
gründlich zerstört : die wiedererbauten Städte zeigen ein etwas verändertes
Bild. Athen rückt langsam am Fasse der Burg aus dem Süden über
Westen nach Norden, Milet wird hinunter zum Hafen verlegt.
Wir haben dann einen Blick auf die beiden gemeinsamen Kulte der
Athene und des Delphinios geworfen, zwei Götter, die auch auf Kreta
wiederholt verbunden auftreten, und haben aufs neue den Eindruck ge-
wonnen, dass Delphinios mit dem Delphin des Meeres nichts gemein haben
kann. Es schien sich die Möglichkeit zu eröffnen, seinen Namen mit dem
Quellnamen Tilphosa zusammenzubringen und ihn als Gott des Stadt-
brunnens in dessen Nachbarschaft lokalisiert zu denken. Mit aller Ent-
schiedenheit konnte ausgesprochen werden, dass es nicht bloss sprachliche,
sondern vor allem topographische imd kultliche Tatsachen sind, die beide
Götter der nichtgriechisehen Bevölkerung zusprechen. War der Nachweis
auch lückenhaft, so bedingte das einerseits die Spärlichkeit des Materials,
andererseits cUe Kürze des hier gegebenen Abrisses. Manches wird im
Laufe der Diskussion klarer herauskommen, wie es überhaupt vieler Hände
bedarf, um ein Problem so mannigfacher Beziehungen durchzuarbeiten.
In diesem Punkte soUen meine Ausführungen nur andeutend und program-
matisch verstanden werden, und jede Ergänzung und Berichtigung soll
willkommen sein.
Freiburg i. Br.
1) Wiegand, Vierter Vorlauf. Bericht (190.5) S. 10. Der Wilskischen Karte ent-
nehme ich, dass eine römische Wasserleitung in die Gegend des Delphinions, d. h.
des Marktes führte; von einer griechischen Leitung ist mir nichts bekannt.
25
26
Aegäische. besonders kretische Namen bei den Etruskern.
Von A. Kannengiesser.
Für die Herkunft der Etrusker aus dem kretiscli-kai-iscten oder, wie
ich nach Ficks Vorgänge ihn lieber nennen will, hattidischen Völkerkreise
mehren sich von Tag zu Tage die Beweise, besonders arebäologische und
mythologische. Ein genügender, linguistischer Beweis steht aber immer
noch aus und kann m. E. nach dem heutigen Stande unserer Kenntnis der
eti-uskischen und der hattidischen Sprachen vorerst auch nur an der Hand
der uns vorliegenden einerseits etruskischen bezw. etruskisch-lateinischen und
andererseits hattidischen EigennameTi erbracht werden. Einen Beitrag hierzu
soll die vorliegende Arbeit liefern. Als Gebiete, welche von vorgiüechischer
Bevölkening bewohnt waren, kommen als Heimat der Etrusker die Länder
am ägäischen Meere und unter diesen in erster Linie die Insel Kreta in
Betracht. Fick^) hat das Xamenmaterial, das in kretischen Ortsnamen
vorliegt, eingehend untersucht und das Giüechische vom Vorgriechischen
scharf gesondert: die Ergebnisse, zu denen er gelangt ist, sind im allge-
meinen anerkannt worden. Sehr zweifelhaft aber ist es. ob die Kydonen.
wie Fick meint, thrakisch-phrvgischen LTrsprimgs sind oder auch zu der
urkretisclien Bevölkerung gehören, ferner, ob eine strenge Unterscheidung
von pelasgischer. lelegischer und urkretischer Bevölkerung sich im ein-
zelnen durchführen lässt oder ob wir uns in der Hegel damit begnügen
müssen, nur im allgemeinen von den Völkern, die am ägäischen Meer
wohnten, als hattidischen d. h. weder indogermanischen noch semitischen
Völkern zu sprechen.
Füi" unseren Zweck genügt jedenfalls das letztere. Auch die Frage,
ob ein Teil der alten Bevölkerung Kretas thrakisch-phrygisch war oder
nicht, will ich vorläufig auf sich beruhen lassen und mich damit begnügen
zu beweisen, dass das nicht griechische oder vorgriechi-
sche Namenmaterial Kretas zu einem sehr grossen
Teile in Etrurien wiederkehrt-).
Ehe wir in die Untersuchung eintreten, bedarf es einiger Worte über
1) Die griechischen Ortsnamen ah Quelle der Vorgeschichte Griechenlands, Göt-
tingen 1905, und Hattiden und Danubier, Göttingen 1909.
2) Dass der Name Kvöovia nicht thrakisch ist, soll unten S. 38 gezeigt werden.
A. KiwnoKjksser, Acgüischc, besonders Irretisehe Ndnini h. d. Kiriiskeni. 27
die Grundsätze, welclu' für dio Vergleichung der aiif beiden Gebieten vor-
kommenden Namen, soweit sie für die Frage nach der Herkunft der Etriis-
ker in Betracht kommen . massgebend sein müssen. Selbstverständlich
müssen die etruskischen Namen wirklich etruskisches Sprachgut und nicht
etwa mit etruskischen Suffixen versehene Namen von Italikern oder illyrisch-
venetischen Völkern sein. Ob ein Name etruskischer Herkunft ist, lässt
sich häufig schwer oder gar nicht bestimmen ; es bleiben daher besser alle
Namen fort, deren etruskische Herkunft nicht wenigstens im höchsten
Grade wahrscheinlich ist. Als Merkmale für einen solchen Ursprung gelten:
erstens das Vorkommen eines Namens in einer alten Inschrift etruskischer
Sprache, zweitens häufiges Vorkommen des Namens auf etruskischem Ge-
biet, drittens die Zugehörigkeit desselben zu einer grösseren spezifisch
etruskischen Namengruppe, viertens das sonstige Fehlen des Namensstam-
mes bei den nichtetruskischen Völkern Italiens, wenn die Namensform
etruskisch ist. Ferner müssen die zum Vergleich herangezogenen Namen
beider Gebiete alt sein ; insbesondere dürfen sie nicht erst von Inschriften
aus der Zeit des römischen Weltreichs stammen, in welcher Leute aus
allen Gegenden in Italien zusammenströmten und Römer draussen als Be-
amte oder Kaufleute wohnten i). Es ist nicht meine Aufgabe, alle Namen,
die möglicherweise denselben Ursprang haben können, zusammenzustellen,
sondern nur das soll hier herangezogen werden, was für die Herkunft
etruskischer Namen wirklich beweisend ist.
In dem Gange meiner Untersuchung folge ich im allgemeinen Ficks
Schrift über die Vorgriechi sehen Ortsnamen, die ich mit F. zitiere, und
füge dann ein paar von diesem nicht behandelte Ortsnamen sowie einige kre-
tische Personennamen hinzu. Das Material für die etruskischen und sonstigen
italischen Namen entnehme ich in der Regel, auch wenn dies nicht be-
sonders bemerkt ist, W. Schulzes Werk Zur Geschichte lateinischer Eigen-
namen, das ich mit Seh. zitiere.
Ueber den Namen der Kydonen handle ich unten bei Kvia, ich be-
ginne mit F. S. 17:
'ÄTtTaga, gleichnamig mit einer lykischen Stadt. St. Byz. hat die
Form "ÄTtrega. die lykischen Inschriften Uj Tuqa. Die Einwohner heissen
inschriftlich 'AnTSQaloi und IL^rraQuioi ; die letztere Fonn ist die der ein-
heimischen Inschrift Smly. Nr. 4942.
Den Namen von "ÄTiraga vermute ich in den Apfronii. die nach Seh.
S. 111 , auf den alten Grabinschriften Praenestes. CIL XIV 3063 ff. auftau-
chen, um dann ganz aus der Ueberlieferung zu verschwinden"'. Praeneste ist
die Fimdgrube von zahlreichen etruskischen Namen, Schulze meint geradezu,
es mit etr. presntc verbinden zu können -).
1) Ausnahmsweise wird indes auch ein solcher Name berücksichtigt werden können.
2) Fick vergleicht zur Endung zwei andere lykische Städte, nämlich ndxuQa und
nivaQct, die wir auch in etruskischen bezw. römischen Namen wiederfinden, nämlich
28 -•!• Kannengiesser,
F. S. 18: nvKvoQ. Den Namen dieses bei Kydonia fliessenden Ba-
ches verbinde ich mit noiy.i/.a(j{a)6Q. Dieses bringt Fick S. 24 mit Ilsiye-
Jlaaög in Karien und JIvyeÄa in Lydien in Verbindung. IIvyEXa stimmt
jedenfalls zu Puctdeius, Buculeius, Bnclcius, etr. puclii und in letzter Linie
zu etr. puce [CIE 1639, 2609 Clusium). Hierzu gehört das Gentiliciura
imcna [CIE 2610, ebenfalls Clusium), dessen Käme in Kreta in dem
Flussnamen Hvxvog wiederkehrt, der demnach der Bach des Geschlechtes der
pKcna sein wird, wie der Sarniis des Geschlechtes der Sarii (cf. Seh. S. 571).
Zu Käinavoc, oder Kaviavia vgl. Canienius CIL V 8355 (Aquileia)
8651 (lulium Carnicum), canüni CIE 4204 (Perusia). can&usa 902, 1257
(Clusium) etc., m. 0. Cantininno in Toscana etc. '). Oestlich von Kan-
tanos lag "EXvqoq. Vermutlich ist am Anfang ein /" ausgefallen, sodass
der Name zu dem etr. Vornamen rchi gehört, dieser ist wiederum eine Er-
weiterung des Vornamens vel, der im Etr. ebenso häufig ist wie (Talus
im Lateinisclien. Zu "EÄ.vQOg ist speziell auf VeJinius (Pompeii) und etr.
relnuil CIE 3402 zu verweisen -).
Der Hafen von Elyros hiess —via, wir haben den dazu gehörigen Gentil-
namen in etr. suie, lat. Soiiis und Suius, dazu gehören femer svea, Soenüts,
Siicliis etc. {Seh. 233). Die von Fick herangezogenen Namen, die mit dem-
selben Stamm gebildet sind, finden wir sämtlich genau in Italien wieder:
Sveaaa (lykisch) in Sucssa 1. in Latium, 2. im Aurunkerland ; dazu
das Diminutiv Suessnla 1. im Sabinerland, 2. in Kampanien ; Svaaaoc,
in Phrygien = Suasa in der gallischen Mark. Zu derselben Gruppe ge-
hört noch in Kleinasien Soavöoc, (Varianten ^löavdov, Soanda, Siienda),
welches mit seiner kleinasiatischen Diminutivendung ^) genau dem itali-
schen Siiessida entspricht.
TÜQQa, welches nach St. Byz. auch im Pontus und in Lydien vor-
kommt, gehört zu farna, Tarius, Taronius, Tarronius, Taniüus etc. [Seh.
S. 96 f.), und wahrscheinlich hängen hiermit auch Tarraeo und Tarraehut
in der weit verbreiteten Sippe der patruni oder petnoii. sowie in dem, wiederum
auch pränestinischen, Patronius [CIL XIV, 2878), IlivuQa ist u. a. in der Familie der
Piiiarii vertreten, auf deren asiatis-cben Ursprung schon Hommel hingewiesen hat
{Gnindriss S. 65).
1) Fick vergleicht zur Endung "Avdaroi;, KävöaQa und Aß>'d«ö«. Das erste ge-
hört zu der grossen Sippe der antni, zu KävöctQa vgl. üantrius (häufig) und Canihc-
rius Berg im Sabinerland, zu Kdvdaaa Cantasius.
2) Zur Endung von Elyros vergleicht Fick eine Reihe von Namen, von denen
AaßVQK unten behandelt wird, zu den übrigen hier kurz wuge Parallelen : A}'avQO(;
— etr. ais = Gott, Aesernia, Aeserius (Aesius Aesontus). "Aaxvga — Astur, Astura,
Aslurius, Astrius, Asturnius, Astranius. LifiVQu — limurce; limrce-, hmrecna, lem-
rcna, Limbrichts {Seh. S, 180 n. 1). KißvQu — Ciprinius, cipiru, cipirunia (Seh.
S. 271).
3) Dass die mit r&-Suffix gebildeten Wörter im Griechischen sowohl wie im
Etruskischen Dimiuutiva sind, suchte ich in der Abhandlung Ist das Etiusl;ische eine
hettitisehe Sprache? I- TJeher das vl^-Suffix etc. (Gelsenkirchen 1909) darzutun.
Aegäische, besonders kretische Namen bei de» FArnslern. 29
zusammen: „schon ^sicbiihr hat", wie Schulze S. ")73 bemerkh .Tarraco
mit den Etruskern in Verbiniiung gebracht".
Wir kommen zu Ficks Kapitel „Pelasgor in Kreta" und wenden uns
zuerst zu dem ausser Kreta auch sonst vielt'acli Ijegoijrnenden Stadtnajnen
AäQiaa (F. S. 20).
Nacli St. Byz. wurde Föqxvi' auch LÜQiaa genannt, dazu bemerkt
Fick: „Vermutlich war es die Burg, die den Namen /-rrm-c» trag, wie die
Burg von Arges ebenfalls hiess". Es liegt nahe den Namen mit dem etr.
Vornamen lar und der ungeheuren Masse von Namen, die von ihm abge-
leitet sind, in Beziehung zu setzen ; so könnte der Name zu dem Vornamen
Iuris gezogen w^erden; aber wegen des häufigen Vorkommens von Larisa
in allen Gebieten vorgriechisch- hattidischer Bevölkerung erscheint es mir
noch wahrscheinlicher, dass ein etruslrisches Appellativum: lar = Fürst,
Herrscher zugrunde liegt, Larisa demnach etwa Herrschersifs, Fiirsten-
sits bedeutet. Eine passendere Bezeichnung kann schwerlich für diese
Orte gefunden werden ; denn es handelt sich bei ihnen durchweg um solche,
die eine zentrale Lage hatten und von denen aus man die Gegend beherr-
schen konnte. In Campanien gab es übrigens auch ein Larisa, sodass also
auch der Stadtname in Italien wiederkehrt.
Leßriv oder AEßi'p't], Hafenort von Gortjni, hielt man früher für phö-
nizisch und brachte es mit 'sb zusammen. Dagegen hält Fick es für pelas-
gisch und stellt es zu Adßa, nöhq ijiö Ogaxwv (Hes.). wo er ein Wort
wie „zerstört" ergänzt'). Aißsöog, das nach Pausanias früher den Karcm
gehörte, Aeßäöi]. ebenfalls in lydien, Aeßdösicc in Boiotien und Afßivd-og.
Für die Richtigkeit dieser Auffassung spricht der Umstand, dass Aäßrjg
der Vater des kretischen Wahrsagers Bcixiog, der eine kretische Expedi-
tion nach Asien führte und dessen Name sicher zur Stadt Pavy.oc gehört
(s. unten S. 39). geheissen haben soll (Schot, zu ApoU. Bhod. I. 308). Für den
hattidischen Charakter dieser Namen spricht ferner der Name des Gebirges
AEnsTVfwoQ {F. 62) dessen eponymer „Heros als Gemahl der Heroine Me-
thymna galt", eine Anschauung, die insofern richtig ist, als beide Namen
dasselbe Suffix fivog und iira haben, das Fick mit Recht als hattidisch be-
trachtet, insofern aber unrichtig ist, als, wie wir später sehen werden.
Md&v^iva genau einem etruskischen männlichen Gentilnamen entspricht.
Der Stamm Lep{e)t- steckt nun in dem lateinischen Cognomen Lepta. das.
ausser in der Weiterbildiuig Lepfinii. zweimal vorkommt und wohl sicher
etruskisch ist ; denn es erscheint einmal in Verbindung mit dem Gentil-
namen Paconius, der offenbar zu einer etr. Namengruppe gehört (.SV/(. 203 f.).
Zu der Form des Wortes Lepta vergleiche man noch KoQVJira (genet.) in
der Inschrift S»dg. 5075. das ich nicht mit Bechtel, Spitznamen S. 65,
1) Da indessen Ifßu nur einmal in einem thrakisehen Ortsnamen, 'Aßgo>.eßa, vor-
kommt, oft dagegen äeßa, so ist Thomaschecks Vermutung, dass nur ein Scbreib-
fehler bei Hesych vorliegt und 6ißa zu lesen ist, wohl wahrscheinlicher.
30 A. Knnnengiesser,
für einen Spitznamen halte, sondern zu KoQÖnij. St. in Thessalien; und
KoQOJiaaaög, Flecken in Lykaonien, stelle.
F. S. 21. Der Hauptort der Pelasger in Kreta war FÖQTv(r)g, Föq-
Tvv oder FoQtvva. Der mittleren Form entspricht genau etr. * curtun,
der letzteren lat. Corfona. Schulze S. 78 sagt: „Der etr. Stadtname Cor-
tonu wird in der Folge seine Identität mit dem erschlossenen cmiii {ciir&u,
cur^una) enthüllen" und S. 573 f.: „Das Verhältnis von Cremona: Cre-
iiiiifhts wiederholt sich genau zwischen dem Stadtnamen Cortona und dem
Gentilnamen cio-d-itfc, in der Inschrift CIE 2470 (Clusium) Jard-i. nünati
cnr^ntcs. So wird deutlich, dass auch der Name Cotiona uns einen sonst
verschollenen Geschlechtsnamen ('««»•5'(( oder «tr^m?« vertreten muss". Auf
einer Inschrift aus Cortona, CIE 471, finden wir den Namen ciirtiui-.
Leider ist der Sinn der Inschrift mi unia{l\ curtun nicht sicher gedeutet,
vielleicht handelt es sich um ein Weihgeschenk {tinscril steht auf dem
manubrium) einer uni airtnnei ').
Es verdient nun besondere Beachtung, dass der von Schulze erschlos-
sene aber etruskisch nicht bezeugte Name cmiH oder rurd'M sich direkt
noch inschriftlich in Kreta findet, und zwar zunächst noch in Gortyn selber.
SmJf/. Nr. 5032 : „ [ol abv KÖQd-^v'i tw KÖQ^vog, wo der Dativ allerdings
auf Konjektur beruht, der Genetiv aber sicher ist; sodann in einer In-
schrift aus Latos SmJg. 5079, wo ebenfalls der Genetiv KoqQ^voc, vor-
kommt. Da es sich in beiden Fällen um jüngere Inschriften handelt, kann
der Konsonantenwechsel von y. und ^ gegenüber der offiziellen Schreibung
mit y und t nicht befremden, um so weniger, als St. Byz. von dem gleich-
namigen FÖQxvg in Arkadien berichtet, dass es auch Kögjvg und danach
die Arkader auch Koqtvvioi genannt wurden, und die Neigung der Etrusker
zur Aspiration der Mutae sattsam bekannt ist, wie ebenso die Griechen
bei Fremdwörtern gern die Aspirata setzen. Der Name Köqi^vg ist iden-
tisch mit dem des Heros FÖQivg, nach welchem St. Byz. zufolge der Oi-t
benannt sein soU und auch tatsächlich benannt worden sein wird, abge-
sehen davon, dass ihm das griechische Nominativ-g fehlte ; KÖQ^vg wird
also nicht, wie Bechtel (1. c. S. 40) meint, ein Spitzname sein; dasselbe
gilt auch von dem gleich zu behandelnden KvÄ/.og.
Die Inschriften von Gortyn bieten noch mehrere andere Namen, die
zu spezifisch etruskischen zu gehören scheinen:
Der Name KÜQavog (Smlg. 5016) kehrt wieder in Curanius, das aber
auch keltisch sein könnte (s. Seh. S. 415). Küqtwv {Smlg. 5024) fügt
sich einer etruskischen von Seh. unter Gardenus aufgeführten Gruppe or-
ganisch ein. Smlg. 5028 B wird em Aiabg Avöäfuog aus Halikarnass zum
Proxenos von Gortyn erklärt, er dürfte zu Disins, Bisiiiius, l'isenius,
etc. gehören. In der Inschrift 4991 finden wir eine Gottheit Toxaia, sie
1) Vgl. Seh. S. 364.
Äegäisclie, hc.souders kretische Namen hei den Etruslcern. 31
erinnert an I'ncca, Titccius, Tueasius tuctmtual (Seh. S. 375), einen KvZZog
cf. Citlliits, Cullonius etc., cnlni (Seh. S. 306); zu Kdoigiog in Nr. 5007 vgl.
Castrius, Castricius, Castronitis etc. (Seh. S. 271). Zu 'Eqüomp Smly. 5008
gehört wohl Eniseuus CIL VI 20938 (Seh. 344); da der Name ziemlich
vereinzelt dasteht und es zweifelhaft ist, ob die von Schiil/.e mit ihm zu-
sammengestellten wirklich zu ihm gehören, so kann es sich natürlich um
einen vereinzelten Kreter handeln, der in Rom eingewandert ist. Smh/.
5030 (vom Pythion in Gortyn) lehrt uns einen KäZaßtg kennen. Bechtel
stellt den Namen zu Ka/.aßoyi t]ig. In Etrurien haben wir denselben Namen
als cahqii, er gehört der zweifellos altetr. Familie der petru ealapi in CIu-
sium an. Schulze (S. 1:38) erklärt es für zweifelhaft, ob ealapi verwandt
ist mit Calpennia, Calpenius. Calpurniits etc., hält es dagegen für wahr-
scheinlich, dass Calabius = Caliiriii.s, wie eine Familie in Capua hiess;
jedenfalls gibt es im Griechischen von dem oben erwähnten y.aXaßcbrrjg
abgesehen nichts, was mit dem Namen in Verbindung gebracht werden
könnte, ausser xäÄaßig = tö TtEQianüv r« iayia etc. Hes. und xaÄaßoiöia
= ^»' TCO rijc Aegeäitöog l£Q(^ 'Agrifiiöog dööuevoi ijfivoi Hes. Diese
beiden Wörter scheinen aber nur Vaiianten gleichbedeutender Wörter
mit 0 statt a in der ersten Silbe zu sein und zu y.o?M " eIöoq öqxijoscoq etc.
Hes. zu gehören, das Thomaschek ') von der Wurzel ,'/V'/: (jol- sich drehen,
sich bewegen" ableitet.
In der Nähe von Gortyn lag MvQiva; der Ort „stellt sich als dritter
im Bunde zu MvQiva auf Lemnos und in der Aeolis". Der Name er-
scheint auch in der vorgriechischen Inschrift von Lemnos in der Form
morinaiJ. In MvQiva haben wir direkt ein etriiskisches Gentilicium vor
uns, das vielfach im CIE als murina oder Mitrina oder in lateinischer
Uebertragung als Mitrrenius im 11. Bande des CIL vorkommt. Daneben
gibt es nutria. lat. Miitrhius oder Murrius. murunial = lat. Mitrimiiis nebst
zahlreichen anderen Verwandten. Schulze vermutet (S. 195). dass auch
lat. jMurena nur eine Variante von murina sei und mit dem Fisch murena
nichts zu tun habe.
F. S. 22: „Nordwestlich von Gortyn lag 2vß()iTa (Münzen ^rßgi-
TioV"). das nicht bloss in Attika, sondern auch in Illyrien Vei-wandte hat.
Die Form SvßQiriov ist gräzisiert, die einheimische Form wird —rß^iia
gewesen sein, das eine vollständig etruskische Gentiücialform trägt. Das
Suffix id-a. ita oder id^e. itc ist in etruskischen Namen sehr häufig, ich
stelle aus dem etruskischen Index bei Schulze folgende i'ormen zusammen:
cisuita cisvite, sveital (gen.), i^i<])ites. lelxite velcife, vcJ^ritial (gen.) nisid-r.
titistid'e, larQ-ite. latid'c lutite. amid-e. Die etraskische Parallele zu Sybrita
ist das forum Suhertanum in Etrurien ; die Form, aus der sich mit obigem
Suffix Syhrita entwickelt hat, liegt vor in sitpre CIE 2251 (Clusium).
supri CIE 53 (Volaterrae) = lat. Suhrius CIL V 7917 u. ö. und Sobrins.
1) Die alten Tlimler II. U.
32 A. Kannengiesser,
mit gentiliziscbem n : Suhrriiins. Die aucli vorkommende Nebenform ^or-
ßqna zeigt, dass gr. v = lat. n zu spi'eclien ist.
„Wiederum nordwestlich von Sybrita wird die Lage der alten Stadt
B/jvri durch das heutige Dorf Vcni verbürgt. " Durch Vergleicbung von
Bevva an der thrakischen Küste und Bivva bezw. Beivri, Phyle von
Ephesos, kommt Fick zu dem Schluss, dass Bävfog die ursprüngliche
Form sei. Dazu werden gehören Benus CIL VI 18961 {Seh. 133 unter
Biennius), Be{ii)iiii(s. das häufig vorkommt (Srh. 423). Pcinuts (Konsul 167,
Seh. 365). ferner die nur in Etrurien inschriftlich erscheinenden Pcnnasius
{CIL XI 5115), PetHisius (5053 Mevania). Pcnsius (XI 5386 Asisium) und
pen^E [CIL 3048 Clusium).
Aus Bt)vri stammt der Dichter 'Piavög, auf dessen nicht griechische
Endung Fick S. 23 hinweist. Den Namen dieses Dichters haben wir
jetzt inschriftlich in doppelter Fonn, imd zwar auf einer Stele Smlff. 5124,
wo ein 2(baog 'Piavß» genannt wird, und auf einer Platte in Suia Sml(i.
4961 i : 'Peiavög Tar.ewvog (ef. Wilamowitz, Lit. Centralhl. 1903, 1483).
Genau dieselbe Form wie die letztere, lieianus, finden wir CIL Yl 25391 ff.,
ferner reistii CIE 342, Raius {CIL XI 4914 Spoletium) sowie Paieniis und
Beius. Auch zu Tay.scöi'og haben wir lat.-etr. Formen: Taganhis, Tac-
cianorum etc.
Von den Orten, die Fick den Eteolcretern zuweist (S. 23 f.), ist oben S. 27
"Ajiraga schon besprochen worden, ebenso (S. 28) Ilor/.ilaaaög. Ob der Fluss
Meaaäniog kretisch ist, wage ich nicht zu entscheiden, dagegen muss ich
im Gegensatz zu Fick (S. 8) Ldnna als urkretisch erachten. Der Ort heisst
bei St. Byz. auch Adfini], und dies hält Fick für die ursprüngliche und
damit griechische Form. Dafür spricht allerdings, dass gleichnamige Städte
in Arkarnanien und in der Argolis existierten; dagegen zeigen die In-
schriften durchweg Lünna und Lannaloi [Smlg. 5018, ebenso der Ver-
trag der Kreter mit Eumenes, ferner SmJg. 5075 a).
Sehr merkv\'ürdig ist nun, dass wir in Italien den Namen Lcqipa als
Cognomen finden und eine Reihe von Weiterbildungen desselben Namens
{Seh. 358). Daneben aber findet sich auch Jamxfie {CIE 1111 ff.) und Janqje
imd la(pe, lat. Lamponius. Es scheint mir wahrscheinlich, dass wir die
ursprüngliche Form in Lappa zu suchen haben, welches sowohl Stadtname
als Familienname war, und dass der Name aut kretischem und ebenso auf
italienischem Boden auch nasaliert wurde.
Für den Wechsel von fin und nn vergleicht Fick S. 9 Xänri = /.ü^imi
„Schimmel, Kahm" bei Hes. ; als Beispiel dafür, dass die Griechen sich
doppelten Dental fremder Sprache durch Verwandlung des ersten in [i
muudgereeht machten, verweise ich auf aaiißvy.y], das aus dem aramäischen
subbeJca stammt.
Zum Namen Köqlov {F. S. 24) gehört der in der Nähe gelegene
See KoQijaia, femer die Sporadengruppe der Koqaaiai, KoQ)]aög oder
Aegäische, besonders kretische Namen hei den FJrusl-eni. 33
KoQr^olu auf Keos. der Borif KoQijOÖg oder Kortr^naög bei Ephesus. des-
sen eponymor Heros als Autochtbon bezeichnet wird: weiter rechne ich
hierher KoQvvti in Elis, Koovvu. Stadt der erythriiischen Halbinsel, Vor-
geb. KoQvvvaiov, die wohl mit <jr. xoqvvij = Keule nichts zu tun
haben, sowie auch Kögtrd'og, dHS sowohl Personen- als auch Stadtname ist.
Diese ganze Gruppe kehrt in Etrurien und in lateinischen Namen wieder,
zu KÖQiov ist etr. curial, lat. Ciirius; zu KoQtjaög etc. Corisiiis und Cu-
risitts. zu Koqvvij etr. CKruiiu, zu dem Deminutiv K6()ir9-og Corioli die
entsprechende Form. Auch die Curirttii sowie die volskischen Städte Com
und CoreUa dürften hierher gehören. Eine Nebenform v(jn h'oovvi] ist
KoQTjvtj, vgl. Corenits CIL VI 10407.
Zu dieser Gruppe gehören auch die Gentilnamen Corona und C'oronius
= etr. cttruna und x'O'i'«- Auch diese Formen finden ihre Analogie in Kreta
und zwar in der Inschrift Snilg. 5015, wo es heisst: „Kvotnoi öh etc. nqb
rag KoQoiviag vefiovi'jviag (:= veofit]viag) ". Es gab also in Kvojaög einen
Monat KoQÜviog '), er entspricht, wie aus dem in der Inschrift vorher-
gehenden Texte hervorgeht, dem Monat Aea%av6Qtog in Gortyn ; über
diesen Monat KoQwviog ist mir nichts weiter bekannt, es liegt jedoch die
Vermutung nahe, dass er mit der Göttin Koqmvi] oder Kogcovig in Zu-
sammenhang steht, die zum Stamme der Fhleyyer gehört, der wahrscheinlich
hattidisch ist. Dass in der Sage von den KoQOiviöeg bei Ovid zwei männ-
liche Coronae auftreten statt weiblicher, hat man als arge Verwirrung bei
ihm bezeichnet: es erklärt sich, wenn wir wissen, dass Corona eben ein
männlicher Gentilname ist, die KoQÖivi] wird Gottheit dieser Gens ge-
wesen sein, wie Voltumna und Verfiiminis etruskische Gentil-Gütter waren.
Da bei den Etruskern sehr häufig eine männliche und eine weibliche Gott-
heit neben einander standen, wie Cariis und Cura. so wird es vielleicht auch
eine männliche und eine weibliche Gottheit Corona gegeben haben. So müssen
uns die etruskischen Namen die gi-iechische Mythologie erklären helfen.
Zu der von Fick (S. 24) ferner behandelten Namengruppe vom Stamm
Ärb- stelle ich folgende vorgriechisclie und etr. bezw. lateinische Xamen
gegenüber:
"ÄQßtor, Bei-g in Kreta iZevg "ÄQßiog) ' Arpiiis, Fl. Arhia
'Agßa, Ort in Achaia i ^»7;« in Apulien. ArlKÜanus
"Aqtiivu in Elis \Arpinum im Volskerland. Arpiniiis,
Arpinianiis
'Agßlvvac P.N. Lykien | Arbenins
'Agßi'h/g P.N. Karlen Arbula, Vater des Vinius Etruseus
Bia-ägßaaig. TQOxo-dQßaaig, "Aq- Arhiissoniiis
ßr^aoog P.N. (letzterer vom Orts-
namen 'Aqßrjaaög) Karlen
1) Derselbe Monat heisst allerding.s in einer Inschrift von Delos, Smlg. .5149,
Kc^üivtog, doch wird jene Form wohl die richtige sein.
Klio, Beiträge zur alte« Geschichte XI ). 3
34 -■!• Knnncngiesser.
Tni Gebiete von Ai-pinum lag Sora, das ebenfalls etruskisch ist und
zu ki-etisch 2vQivd^og gehört, worüber unten S. 36 ; und der Fluss Aina-
senits. noch heute Amaseno. gehört zu Amntins Amantius in Clusium.
ÄmantiuiKS in Florenz (Seh. S. 345, 121 und besonders 572). In Brut-
tium gab es eine Stadt Amant/a. welche wohl der epirotischen Landschaft
'A^iafTia bezw. den "AuaineQ ihren Namen verdankt. Diese wurden mit den
"AßavTEQ auf Euboea identifiziert und Fiek hält diese für Leleger: aber nach
dem Zeugnis des Thukydides sind die Abanten Thraker, es bleibt daher
das bruttische Anianfia hier lieber ausser Betracht, da vieUeicht nm- ein
zufälliger Gleichklang mit Namen etruskischen Ursprungs vorliegt, auch
dürfte der Amasenus mit 'Atiüaeia. Stadt in Pontos. verwandt sein. Im
Gebiete von Arpinum lag ferner Cercatae (Marianae), dies ist. wie auch weiter
unten (S. 35 f.) erhärtet werden soll, ebenfalls etruskisch und mit Kuigarog
in Kreta verwandt. Ich führe alles dies schon hier an. um jeden Zweifel
an dem etr. Ursprünge von Arpinum zu beseitigen. Die Könige, die dort
einst geherrscht haben soUen. sind ein etruskisches Adelsgeschlecht, das
auf einen Gott, der später als "Aq^ioc, mit Zevq identifiziert wurde, seinen
Ursprung zurückfühi-te.
F. S. 25. Der Fluss- und Stadtname 'Ativiaöc gehört zu etr. amni
amnei. Zu dieser Namengrappe gehört ferner 'Auviac noTafiög, Appian,
Mithr. 18 und Suid., 'Atirsiög TTOiauöc in Paphlagonien. Strab. 12, 562, und
die EiZeid'via 'Äftvidg. Merkwürdigerweise ist das lat. Appellativ niunis =
Strom ganz arm an Weiterbildungen. Es Hegt daher die Vermutung nahe.
dass aninis ein etruskisches Lehnwort ist, in welchem zugleich der Xame
einer Gottheit steckt, die mit der Eileithyia verbunden wui'de, weil sie
eine Gottheit der Zeugungskraft und der Fruchtbarkeit war.
ßi]Qiji', ein Bach, von Fick mit der Insel f)i]Qtt zusammengestellt, sehe
ich als gentilizisches Adjektiv an wie Saniiis. das den Bach als der gens
* Ot'jQa oder * 0/;()j;ra angehörig bezeichnet, dann haben wir diese gens
vieUeicht in etr. »mi.^ {Seh. S. 373). lat. Teriiis {Seh. S. 68) u. a.
Den Fluss Maaaa/Jag bringt Fick mit 2IassaUa (Marseille) in Ver-
bindung, ferner mit ildatjg. auch könne, wenn aa = r sei. ^Iütiov imd
MÜTa?M{ov) dazu gehören. Kreter würden Massalia schon vor den Phokäern
kolonisiert haben.
Für die vom Stamme Mas- bezw. Mass- gebildeten Namen tritt
allerdings keltische KonkuiTenz ein. aber es gab in Etrurien mehrere Orte,
die Ma.ssa Hessen ') und die jedenfalls etruskisch sind : auch der Mons
Masskus im Aurunkerlande wird einen etruskischen Namen haben, ebenso
die mO Massiguauo bei Ancona imd Masskino bei Perusia. Zahlreiche
Personennamen von diesem Stamme haben wir in etr. sowohl wie in lat. In-
schi'iften; sie bieten die Formen masni. masnial. masit, masui. Masoniiis.
Masiiis, Maskliiis, Maskliauus, 3Iassidius, Masuriiis, und was für unsere
1) Nissen, It. L. n, 306.
Aefßischc, lirsiin<]ers l-retische Ncuticn hei den Efriislccni. 35
Form MuooaAiag besonders in Frage kommt, Mdssellius Cli'. 17G(>, Mds-
siUiiis CIL XI 4758 (Tuder), nishici CIE 3570. 3789 ff., inushii 4394
(Seh. 68 n, 278, 373).
Scliliessen wir hier gleich Mätiov, Küstenort westlich von Knosos,
und MdraP-a, Hafenplatz von Phaistos an, so sind auch hier zweifellos die
etruskischen Parallelen vorhanden und kaum Zweifel möglich, dass die
entsprechenden Namen altetruskisches Sprachgut sind, das Material ist bei
Schulze, S. 274 f.; es sind: Maünlus, Matetikmus, Matho, mntuna, Mato-
nius, fundus Matieianus, Maticius, verbreitet sind Matius (mit Matidius,
Matienus und Matt'ms), nur vereinzelt begegnen Maüanins und Matisius,
dazu [Seh. S. 563) Timqci ij xalovfiEvi] MaTiijvi] im Sabinerland bei (Dionys.
Hai. aiitiqx. I, 14), dessen „Beiname offenbar mit der gcvs Mntiena zu-
sammenhängt". Für MäTa?M kommen besonders in Betracht: fmuliis
Matellianns in Veleia, „MnteUius ist selten", Matl/a, nur in Praeneste,
matuhia (Tarquinii). nuid-l- (Clusium) ; dazu kommt der Ort MatÜiea in
Umbrien [Seh. S. 552). Auch Mdd-vftva auf Lesbos dürfte dieser Gruppe
nicht fremd sein, da, wie wir gleich sehen werden, die Endung nrna ebenso
gut etruskischen wie vorgriechischen Namen eigen ist. Auf die merk-
würdige Tatsache, dass der Name des römischen Konsuls Matienus wieder-
kehrt in den Namen zweier asiatischer Volksstämme, der Maxnjvoi in
Kajipadokien und in Medien, hat Wirth schon hingewiesen '). Es ist kaum
zu bezweifeln, dass diese Stämme auch hattidisch sind ; die ersteren ge-
hören zu den Bewohnern Kappadokiens, die vor der phrygischen und ga-
latischen Einwanderung sclion doi-t ansässig waren, die letzteren nennt
Herodot III, 94 mit Saspiren und Alarodiern zusammen als dem 17. Kreise
des persischen Reiches angehörig.
F. S. 26. „'AAZaQi'a stimmt zu 'AlsQta, der Niederlassung der Pho-
käer in Corsica". Es ist bekannt, dass die Etrusker Niederlassungen auf
Corsica hatten, sie werden dort wie in Massilia den Phokäem vorange-
gangen sein, bezw. eben Kreter den Ort gegründet haben. Auf italischem
Boden begegnen wir sowohl Ähirius als Älal/us, doch stammen beide In-
schriften nicht aus Etrurien.
Der Fluss 'Ayxaiag bei Priansos und der Name des Lelegerkönigs
'Ayxalog kann zu Anciis gehören und der Gruppe Arnjinriimins bei Schulze
S. 122.
Kaigcerog, der alte Name für Knossos, wohl mit dem etr. Suffix ata
gebildet, gehört zu Caere. „Der maskulinische Nominativ zu xaireah kann
'/,aire gelautet haben, das ist zugleich der Name der Stadt Caere", sagt
Schulze S. 567, und S. 354 sagt er: „In Etrurien hat es ein Geschlecht
der ;^«»"e oder '/airea gegeben". Danach ist KaiQuiog der Ort, der der
Familie Kuire gehört, KaiQCtrog auch der ihr gehöiige Fluss wie Surnus
1) Polüisch-anthrop. Kerne, VI S. 200.
10
36 ^- Kunnengiesser,
der Fluss der Saril ist. Zu Caere gebort das Geschlecht der y/ritna. das
in Saena und Clusiwm vorkommt {Seh. S. 529).
Wie hier altes ai (über ei) zu e geworden ist, darf der gleiche Vorgang
auch bei Cereatae angenommen werden, das oben (S. 34) schon erwähnt ist.
Das vor dem Suffix at vorgeschlagene e hat sein Analogon in Gereoiihmi
= Gerunium.
F. S. 27. J\[ivo)Q, Mivqja und pisidisch Mifctaaög etc. haben einen
in Etmrien mehrfach vorkommenden Stamm, zahlreich ist die Familie der
nihiafe, lat. Minatius, ferner Minacitis, Minasius. Miiiiiis. Minid'nts ; etrus-
kisch ist auch Minturnae in Auninkerland.
Zu Mäyo)g Smlg. 5023 vgl. macimki CIE 2355 (Chisium). Mariovius.
macutia, Maguclius etc. Zu UvQwq s. unten (S. 43) IJvQat'öog.
F. S. 28. 2ÖQivd-og gehört zu SvQog und deckt sieh mit Siirrentnm.
Der Name gehört einer sehr weit verzweigten etruskischen Namengruppe
an, die bei Schulze S. 235 und 271 verzeichnet ist: die einfachste Form
ist siirc, welches gr. SvQog entspricht (Kyklade und Insel bei Akarnanien).
Das in Etrurien mehrfach vorkommende surna entspricht genau 2vQva,
Stadt in Karlen. Diese Stadt wird auch SvQVog genannt, genau wie eine
der Kykladen heisst : die lateinische Form des Gentiliciums snnia ist Sor-
nius. Diese Namengruppe lebt fort in mehreren Ortsnamen: Sora im
Volk.skerlande. das schon oben (S. 34) als etruskisch genannt wurde, Sofffiumo
{fundKs Sorniamis in Veleia). Soriano, Sorciano.
'Piivfira wechselt mit 'PiS-vftfa ganz, wie irii Etruskischen Tenuis und
Aspirata unzähligemal wechseln, z. B. in rahtmsnu neben rad-innsunl. Die
in Kleinasien häufige Endung fii'a kommt auch in etruskischen Namen
vielfach vor, bisweilen steht noch ein e zwischen »in, dies ist nur ein ein-
geschobener Vokal, die richtige etruskische Form wird vokallos gewesen
sein. Bisweilen wird auch ein s eingeschoben, so steht neben obigem
ratumsna: Batumennia, neben arcumsnei: Arcumenna. Für die Häufigkeit
solcher Namen im Etruskischen genügt folgende Zusammenstellimg von
rein eti-uskischen Formen aus dem Index bei Schulze: arcumsnei, clunmei,
Lumina, lauxmnsnei, luxii»inl, poTurnsna, 2)ersunisna, rat(&)mnsna, recimna,
restumnd, rems{s)na, ucnmzna, f{h)ehnmnati [heisumnatiaJ) , malamenas,
sehtinnal, velinma, j^xsfmhias, tiicmenas, sesumsnei, sefunniei, farchumenam.
uUiinne, idimnaJ.
Dem Namen 'Phvfiva entspricht nun genau etr. ritiniienns. Wir haben
es hier mit einem so eigenartigen Lautgebilde zu tun, dass seine Wieder-
kehr auf zwei verschiedenen Gebieten kaum als Zufall angesehen werden
kann, umsoweniger als noch eine zweite kretische Stadt von dem näm-
lichen Stamme einem etruskischen Gentilicium entspricht: 'Pmijv (= 'P/t-
Ti]va wie A&j3i']v = Asßt'^va, Pöqtvv = Poqtvvo) ; es gehört zu ritnei CIE
1616 (Clusium), es stimmt dazu auch lat. Eklanius. Zweifelhaft ist. ob auch
Eeihüiis, Retiliits und Retonhis etruskisch sind (s. Seh. 278 n. 1).
11
Acjjäisclif, Ix'sitndi'rti /üctisr/n: Namen hei den Etriislcni. 37
Diese Namen setzen eine Grundform rite voraus, welche wir in Fahr.
802 und 803 finden; da indessen der Sinn dieser Inschriften nicht klar
ist, ist es nicht unmöglich, darin mit Bugge, Fo. und Sind. IV, 44 f. ein
Verbum zu sehen. Bugge betrachtet auch rid-cc (Fahr. 2596) als Verbal-
fomi. es kann jedoch auch ein Name sein, gebildet wie larce.
Was nun die Form 'PitTi'jv betrifft, so gibt St. Byz. dieselbe als
Titiivta, und Blass (in SmJf/. S. 213) weist darauf hin, dass tt in attische.s
a. aber nicht in t umgesetzt werden müsste. Es wird daher wohl 'Pn-
Ti'iv nicht einfach := etr. * riteu bezw. * ritenna sein, sondern eine .s- Bil-
dung wie rersena vorKegen. so dass * 'Firar'jv die Ausgangsform ist, aus
der teils 'Fmrjv teils 'Pi^ijv wurde. Der Stamm des Wortes ist rit, da-
her auch 'Piivfiva nicht, wie Fick tut, in 'Fi -[- rv/iva zu zerlegen ist.
sondern in ' Fi r -\- n -{- fi ra oder, da R/ta ein fertiges etr. Gentilicium dar-
stellen würde, in 'Fitv-\- /iiva. 'Fvfit'og und Tvfivtjaaög in Karien, welche
Fick zum zweiten Teil von Bi-ti/mna vergleicht, haben Tv/i- als Stamm
und das etr. gentiliciabildende v. Sie gehören zu dem kretischen P.N. Tv-
ficov, der bei dieser Gelegenheit gleich mitbehandelt werden mag. Der
Name kommt mehrere Male inschriftlicli vor : Siidc/. 5056. 5076 und 5078.
Er entspricht genau etruskisch tiiiiiK ClE 2997 — 3000 (Clusium). Das
karische Tv/ivog entspricht genau etr. tumunias CIE 2600. Obwohl nun
von dem Stamme tum- weitere etruskische oder lateinische Namen nicht vor-
kommen als die genannten, so ist der etruskische Ursprung derselben doch
um so sichei'er, als lateinische oder den Italikem angehörige Namen, die nach
Etrurien gewandert sein könnten, nicht vorhanden zu sein scheinen und der
Sohn jener Tumauia, der Träger der eben genannten Inschrift, ein prcsnto
ist und zu der an Hgalaog sich anschliessenden Gruppe gehört (s. u. S. 44).
Von den andern hattidischen Namen mit dem Element tiva. welche Fick
anführt, gehört Mdx)-vfiva zw. Math), das oben (S. 35 1 erwähnt ist, Kü?a^!.ivu
kehrt wieder in chimnei CIE 4305 (Perusia). das wohl zu caliimi (welches
ausser den von Schulze S. 171 angeführten Inschriften von Clusium auch
in Perusia VIE 4305 bezeugt ist), ebenso wie auch Klitm. in der oski-
sehen Inschrift Conway Nr. 121 gehören wird. Calumcins, Calmeius, Cal-
maens entsprechen etr. * caJumna, wir sehen also in Käkvjiva direkt die
Form eines etr. Gentiliciums. Die ganze etruskische Namengruppe (zu der
auch der Gott calu gehört), sehe man bei Schulze S. 251/2.
-läxQa. Genau denselben Namen Satra finden wir CIL VI 1812 3.
satriul in Clusium {('IE 2395), die zugehörige Namengruppe ist in Italien
weit verbreitet; Schulze bemerkt S. 225, wo sie eingehend behandelt ist.
dass Saf remis, Satrenius., Satr/nius, Satroniuf! ,etruskischer Herkunft einiger-
massen verdächtig sind, da das freilich auch sonst in Italien häufige Sa-
trius in Etrurien ganz eingebürgert ist". Auch die Verbreitung der ii-
Formen sei der Annahme nicht ungünstig, dass ein etr. safrna zugrunde
liege, wie denn auch saternas aus Volsinii belegt sei. Im modernen Orts-
12
38 Ä. Kdnnciujiexser.
namen Satrinno lebt diese Namengruppe fort, zu der vielleicht auch Sa-
tricum gehört. Fiele vermutet, dass 2äTQa = üdfaTQa sei und sich mit
2avaTQa, 2dßaTQa in Isaurien decke. Merkwürdigerweise haben wir in
Etrurien neben safure CIE 2736 (Clusium) und saturinies, Fabr. s. 3, Garn.
745 (Viterbo), auch sauturine, satititrini. sanfiirinial, sautri, sauturia, so dass
diese etruskischen Formen aus den kretisch-kleinasiatischen Namensformen
ihi-e Erklärung finden : hierin darf gewiss wieder ein imumstösslicher Beweis
für die kretisch-kleinasiatische Herkunft der Etrusker gesehen werden.
Ein Digamma. das hier in kretisch 2c'tTQa verloren gegangen ist. hat sich
in /"«coc (andere Formen favtixoi', ^Oaiog. "A^oc) besser erhalten und wurde
von den Vaxiern in ihren Inschriften bis in späte Zeit hinein treu festgehalten.
Den nichtgriechischen Charakter des Namens zeigt schon die Vielheit der
Transskription an. Der Name kann in Bn.riiis, (pacsneal, pacsniaJ, pac^inkd
wiederkehren und in der dazu gehörigen Namengruppe {Seh. S. 213).
Der Hafen von fä^og war wahrscheinlich 'AaTäP.ij. einen Aminnas
Asthts haben wir CIL Y[ 647 ; doch ist die Ueberlieferung nicht sicher
imd vielleicht Ascias zu lesen, jedenfalls kann 'AaTCc/.r] zu astne/ {('IE .52)
imd zu dem öfter vorkommenden Asfius gehören {ScJi. S. 131).
-F. S. 29. Kvra oder Kviaiov. Die zweite Form ist Adjektiv der
ersteren. In Kvra steckt wahrscheinlich schon ein Gentilname . und
es widerstrebte den Griechen, diesen direkt als Ortsnamen zu gebrauchen.
Der Name fügt sich der unter Cofinna bei Schulze S. 78 f. zusammenge-
stellten Gruppe organisch ein: in ciiüis ist die «-Form des Gentilnamens
vorhanden, zu welcher cutnvns, cidimial, Cotonia (Perusia) gehören, aber
wir haben auch Cotena in Falerii, Cotinius CIL IH 5625, Ciitinu im Ve-
stinerlande und endlich cutanasa, welches die Form ciifa zur Voraus-
setzung hat, wofern nicht das a eingeschoben ist und die richtige etr.
Form vokallos war wie cutni, cutna, oi&nai. Jedenfalls könnte cida ohne
weiteres als etr. Gentilname fungieren; die modernen Ortsnamen Cotlignola
bei Faventia und Cnf/gnano bei Nola sind Ueberbleibsel dieser Namen-
gruppe, zu der mir auch Kvötovia zu gehören scheint, das sich mit Co-
tonia genau deckt. Von dem Geschlechte der cidinia = KvÖMVsg erhielt
zuerst die Stadt, dann die Landschaft ihren Namen. Die Schwierigkeit.
Kma mit Kvöcovla zusammenzubringen, die in in der Lautstufe des Den-
tals steckt, darf nicht zu sehr ins Gewicht fallen. Die Etrusker sprachen
wie noch heute die Kaukasier alle Laute möglichst hinten in der Kehle,
wodurch die L^nterscheidung der Lautstufen erschwert wurde ; dass die
Kreter ebenso sprachen, geht daraus hervor, dass in mehreren Namen sich
ein Schwanken zwischen Tenuis und Media oder Aspirata zeigt: oben (S. 30)
wurde schon KÖQ&rg neben FdoTVC, Rid-vfd'a neben Blrv/wa erwähnt.
s. auch unten (S. 42) Kavdog neben Favöog etc. Ich setze Kvdwvia gleich mit
KvTwviov, St. auf der Grenze von Lydien und Mysien. Es gab auch ein
Kvra im Kolcherland. Zu Kvra gehört zweifellos auch KvTivog, das
13
Aef/äische, besonders kretische Xaiiitn hei den ElnisJceni. 39
iiuf einem Stein in Itanos steht (Halbhen- Nr. 19 1; mit Cntiva im Ve-
stinerland deckt sich Kt'iivn in Thessalien, zu Cotiniits vergl. Kviiriov
in Doris.
Tv/u(j6q verhält sich zu etr. title wie Afiinaög zu amne ; tiih: steht
CIE 376 und 433; dass die letztere Inschrift alt ist, lehrt die dort vor-
kommende Form cnvinei (Frau des fide) für späteres cainai. tide ist =
TidliKS, welches auf etruskischem Gebiete in Faesulae. Volsinii, Viterbo
und Falerii begegnet. Ttdlenns kommt CIL VI 66.58, Tidlnnins in Bene-
veut und TuUienus in Cupi-a Montana und Cupra Maritima vor. Es kann
kein Zweifel sein, dass wir es in TuUius mit einem Gentilnamen etrus-
kischer Herkunft zu tun haben, und den M. Tidlius Cicero wird man um
so eher als Etrusker ansehen, als auch seine Heimat, wie wir oben (S. 33)
sahen, einen etruskischen Namen trägt imd auch sein Cognoraen nichts anderes
als eine latinisierte Form eines etr. * cicrit zu sein scheint, auf welches
die Formen cicu, Cicrii<s, Cicereius führen und auf dessen mögliche Gleich-
setzung mit Cicero Schulze zweimal (S. 273 und 315) hingewiesen hat. Es
gab allerdings auch noch eine dem Cicero nicht verwandte (illyrisch-veneti-
sche) gens Tullia (Seh. S. 30 n), wie Cicero selbst gelegentlich erwähnt.
Für die Sicherheit des etr. Ursprungs von tide darf noch auf das in
den Agramer Mumienbinden vielfach vorkommende Wort tul, auch auf
tidar hingewiesen werden. Tvh]aaög heisst auch ein Vorgebirge Bruttiums,
Tv/.o)v ein alter lydischer König bei Nie. Dam.
Den Namen 'Pavxog bringt Fick mit dem des Dichters 'PäxiOQ in Ver-
bindung unter Berufung darauf, dass neben fdtoc, auch favc.ioiv, karisch
AäßQUvvda neben Aci^Qavöa stehe. Wir können noch einen Schritt weiter
gehen: in der Inschrift Sndij. 5167 steht neben 'Pav/.ion' auch 'Pcoxiovg
für die Bewohner von 'Pavy.og. Damit ist eine vollständige Parallele für
die etruskische Vokalisation gegeben ; dass o und au nebeneinander vor-
kommen, ist sehr häufig, wie wir oben (S. 38) schon saturine neben sauturine
notiert haben; für den nämlichen Vokal tritt aber auch i( = gr. o) ein;
dies ist z. B. der Fall bei der Familie Bafia in Perasia, deren Mitglieder
in derselben Grabkammer bald ruft, bald raiifi. bald rufi genannt werden.
Wenn man hüben in Perusia ebenso wie drüben in Kreta bei der
schriftlichen Fixierung der Laute in gleicher Weise schwankte, so müssen
die Organe, mit welchen dieselben gesprochen wurden, auch die gleiche
Struktur gehabt haben. Da die Kreter, wie schon oben gesagt, die Laut-
stufen der Mutae fast gar nicht unterscheiden konnten, werden wir kein
Bedenken tragen, neben kretisch 'Pdy.iog etr.-lat. Euf/iKS CIL 5915 (Anag-
nia). Eagaieiia (VI 25352) imd Rac/oniiis (V 3725 Verona) zu stellen; über
den letzteren, der L. Bac/oniits Üriiiatius Larciiis Qi(intiaiiits heisst, be-
merkt Schulze S. 87 n. dass ihn, wenigstens in ethnographischem Sinne,
das Zusammentreffen von Larcixs und üriuatius lokalisiert ; wir haben in
ihm einen echten Etrusker vor uns.
14
40 ^4- KnnneiKjiesser,
Qevai bei Lyktos ist zwar in altetruskisclien Namen nicht vertreten,
aber Tenetiiis und Tcnatius tragen ein durchaus etr. Gepräge, einer des
letzteren Namens stammt aus Ateste, ein anderer aus Verona, aus letzterer
Stadt auch ein Tcmufmo ; Tcnadns begegnet dreimal, Tenatknuts und Tcu-
neiiis je einmal.
Li/ktos liiess nach Hesych. früher KaQ)'ijaa<'>no?,.ig und dieses nach Fick
ursprünglich KaQvaanöc. gleichlautend mit 'Ah-y.ciQvaaaög. Dies gehört
zu der Gruppe etr. cnrnü. die man bei Schulze S. 146 und 306 zusammen-
gestellt findet.
Mika%oc, ist = MUasiuR CIL VI 2662 u. ö., Miliaslus XI 1878 (Pi-
sae), Milassius XI 6683 (Umhrien) : vgl. milaei CIE 234 (Saena) : SJilomns,
Mülenius, Milkn'ms xmd besonders das bekannte Cognomen Milo ').
„AqVjQOc, ist eigenartig gebildet", doch entspricht ihm genau der Fluss
Trent.s fl. Sacco oder Tolero im Hernikerlande. das ebenso wie das Vols-
kerland von etniskischen Namen wimmelt. Nissen, Ital. L. S. 647, tritt
allerdings für Nibbys Vermutung ein, dass Treriis nur für Tokrits ver-
schrieben sei : da indessen l imd n ebenso im Etruskischen häufig wechselt
(vgl. mze neben nu.zlxne in den Mumienbinden VIII 14, axmcmrnn =
'Aycq(ifiPO)v), ebenso vde in den griechischen Namen hattidischen Ursprungs
(z. B. TsP.fUjaaöc = TeQfiijaaöc), so kann Tolerus mit eingeschobenem o
sehr wohl eine — vielleicht auch infolge von Dissimilation eingetretene
— jüngere und Trcnis die echt etruskische Form sein. Nicht unerwähnt
darf indessen bleiben, dass es auch ein thrakisclies Volk Tq)]qoi gab und
die Frage, ob Thraker nicht auch früh nach Kreta gekommen sind, noch
nicht entschieden ist.
AÜTcog, Bewohner Adriot. Dass die Lathü von hier stammen, hat
schon Wirth vermutet {PulU.-Anthrop. Herta' VI 207); es erscheint aber
im höchsten Grade wahrscheinlich, dass wir auch den Hafen von Latos
KafidQCC in Italien wiederfinden und zwar mehrfach, zunächst in dem alten
Namen von Clusium, der Canutrs lautete, auf Münzen Cha abgekürzt ist.
Derselbe Name kehrt wieder in Cameria in Latium. Cauier/)iiiiii in Um-
brien und der gens der Camerfes. Dass diese Namen zu Ea^iÜQU ge-
hören, wird auch dadurch bestätigt, dass sie im Griechischen mittleres n
statt lat. e bezw. auch n statt e haben: KaficiQia neben KafiEQia und
KafiaQlfor. Wenn es nun in Kreta einen Hafen Kctfiäga von Latos gab
und die Bewohner desselben Adnoi. oi ngög 7i'a//«^a/ heissen, so haben
wir darin einen unverkennbaren Fingerzeig für den Ursprung von La-
tium und Camars, Cameria etc. Dass beide Namen sich in engster Ver-
bindung in Etrurien und Latium wiederholen, kann doch kaum mehr als
Zufall angesehen werden, lässt vielmehr nur die eine Deutung zu, dass
die Aäiioi von Latos und Ka^idga in Kreta aus auf italischem Boden
1) Für die Endung atos zieht Fick auch t| '0();«irov (Kalymna"! heran: vgl. Orca,
Orcius, Orcinius, Orchifius etc. Schulze S. 68 und 364.
15
Aci/iiischi'. hcsomlers JcrcfiscJic Xitiiien hei <lcii Etrtiskcrn. 41
kolonisiert lialien. Die Laiini sind also Söline oder Verehrer der Lato ;
denn der inschriftliche Genetiv des Hafens Latos heisst Aaiü. der Dativ
Aaxibi etc. (Fick 1. c. S. 29); die Aaxö) oder ^'1»;tw ist eine Hauptgott-
heit der älteren Bevölkerung Griechenlands gewesen, sie besass die älte-
sten Orakelstätten. Zu der nämlichen Sippe gehört ferner Camcre ager
in Bruttium (Ovid, Fast. III, 582). Auf Sizilien haben wir Ka/iÜQtva,
in Hispania Tarrac. KafiÜQxa. In der weiteren Verfolgung dieser Kette
treffen wir die KufiaQhai in Albanien zwischen dem Kaspischen und dem
Schwarzen Meere, sie heissen genau ebenso wie die Bewohner von Ka-
ficcQa auf Kreta. Eine Gruppe arabischer Inseln heisst Kafiagtivoi. die
man als „Mondinsebi" gedeutet hat: denn kamar heisst arabisch „der
Mdtul" : auch in Indien heisst eine Stadt Ka/MQa an der Mündung des
XäßijQog. Aber auch in Chaldäa haben wir eine Stadt Ka/^aQiri], so
nennt Eupolemos Abrahams Vaterstadt Ur bei Euseb. praep. ev. 9. 17
(Hommel, Gnindr. S. 383). Diese Bezeichnung der Stadt Ur rührt offen-
bar daher, dass sie eine Hauptstätte des Mondkults war. Es ist nicht
unmöglich, dass auch den kretisch-etruskischen Namen desselben Stammes
ein alter Mondgott zu Grunde liegt.
Kehren wir noch einmal nach Italien zurück, so hatte Nissen aus
der Uebereinstimmung des Namens Camars von Clusium mit demjenigen
der Caniertes etc. den Schluss gezogen, dass jener umbrischen Ursprungs
sei ; dass das Verhältnis gerade umgekehrt liegt, erscheint mir wahrschein-
licher auf Grund des ganzen bei Schulze S. 139 ff. dargebotenen Materials.
wenn auch nicht zu leugnen ist. dass auch umbrische und lateinische An-
sprüche an diese Gruppe vorhanden sind.
Eine weitere Bestätigung für die Herkunft des Latinernamens aus
Latos geben die Inschriften dieser Stadt, die verhältnismässig viel Namen
bieten, die in Etrurien Verwandte haben :
KÖQd-vg Smig. 5079 ist oben (S. 30) schon erwähnt. Die hexametrische
Inschrift Smic/. 5083 rührt von einem Aviiwv her, vgl. etr. auta CLE 369.
ait^nal 384 (Arretium), autnl 4304 (Perusia), untti 4250 ft'.. aidks 1276
(Clusium). lat. Aidius, Ätid-ius, Aufoiiiiis etc.
In der Inschrift Sndfj. 5080 heisst es: Atayecov y.oafiiövroji' iwv ahv
ndvd-ai T(b Aeiiikw. Der Name dieser Phyle der Aia^siS ist offenbar
in etruskisch es^xna, Aesdonius, Escionia, ferner vielleicht in Acschiones,
fundiis AcscJänianus in Veleia und Rom, Esquilius vertreten; der Name
LIävd-oyv gehört zu pantna, pand-(v)cnisu, panUsil (Fabretti 803) etc., und
AeiTi?.OQ zu Ddelius, Detellius. In derselben Inschrift findet sich ein MeÄcc-
VOQ, möglich dass er zu griechisch filÄag gehört, wahrsclieinlicher zu etr.
mehieaJ, melida.
Und der Avaaofiivrjg derselben Inschrift wird wieder einen etr. Namen
mit tun enthalten und zu der in Etr. zahlreich vertretenen Gruppe der
Lnseni, Lusins, Lussius etc. (Schulze 184), vielleicht auch zu hisce, hiscni,
16
Aäfi(üP St. Kreta —
Adfiog Ort und Fluss Kilikien —
AdfivQog P. N. Latos Snilg. 5076
AdfivQog Fl. Lykien und Böotien
42 ^1- Kannen giesser,
Luscenius (Scluilze 1. c.) gehören. Bei Ephesus »ab es ein Avaaov öqo:.
eine Stadt Lvaivia in Pisidien. eine Stadt Aoraoi oder Aovaaoi in Ar-
kadien, einen Demos Aovatd in Attika.
Smig. Nr. 5075 enthält auch manches Vorgriechische, einiges wird im An-
schluss an Fick besprochen: ich hebe ausserdem hervor ig Svdcfvag und vgl.
damit Suavithus, Siiavettiits, Siiavitius, Suavitfi mit dem etr. Suffix i^i{e).
Fick S. 30 : Der Fluss 'EAZrjv wird wohl ursprünglich ein -F ge-
habt haben , wie die Helena etruskisch auch Velena genannt wurde.
Dann ist die bei Schulze S. 99 zusammengestellte Gruppe „ Velina " her-
anzuziehen, die in ihren überaus zahlreichen Mitgliedern auch VeJlemis,
VeleniKS. VeUenhis, VeUiniits zählt und schliesslich ebenso wie "EkvQog
Velurius zum Vornamen vel gehört.
Fick S. 31 : Zu Adtiav stelle ich nur folgendes gegenüber:
ad Lamnas b. Tibur
Lametus Fl. Bruttium
Lamyrus, Rutuler bei Vergil
Lamyrus und LmngrinnHS. Etrusker
Schulze S. 87
AdfuiQa Stadt Lykien
Adfiia St. Thessalien Aa/üi'iov St. Hisp. Tarr.
Aa^uiaQ Athener Lamia Cognomen der gens Aelia
Adftog König der Lästrygonen AdfiOQ, Rutuler bei Vergil.
2ov/.ia stimmt zu Sulenius, SuUenius, etr. suliis und st(I{ii)nia (Clu-
sium), fundtis Solonianus und Solianus (Veleia). Eine Solonia Sahina ist
Gattin eines JidnisjK.i- Tiiccius, „der Beruf ihres Mannes legt den Gedanken
an etruskische Herkunft nahe" (Schulze S. 239). Solloniiis begegnet in
Verona und Mailand. SoUo ClE XI 6700 ess, Solonius und SüIUks öfter.
"ÄZaaaa hatte ursprünglich wahrscheinlich ein ■/" und ist abgeleitet
von etr. vala, Vala und hat selbst Weiterbildungen in Valasenins, Vala-
siniiis, Valasennus (Schulze S. 376). Ohne Digamma reüit es sich einer
andern, wie es scheint, auch etruskischen Gnippe ein, die bei Schulze
S. 345 verzeichnet ist und u. a. einen AJasiniiis aufweist.
Ki]ay.(bQa SmJg. 5000 11 stellt Fick zu Kiay.og. Hafenstadt in Pamphy-
lien. Dazu wird die bei Schulze S. 353 gegebene Gruppe gehören : Casca,
Casdns, CasceUiiis, Gasciis, und was besonders zu beachten ist, das Cog-
nomen Casco und Casconia. „Dass die Römer Casca zu cascus gedeutet
haben, sagt Schulze 1. c, ist selbstverständlich, ob sie richtig gedeutet
haben, ist eine andere Frage. "
Die Insel Kavöog hat eine Nebenform Favöog (ausserdem auch Klav-
dog), ebenso wechseln in Italien (Seh. 148) Caudius, CandelUus, Caudina,
Caiiden- mit Gaitdienns, GandeUiiis und weiter mit Caiitius, CatiUmis,
Gautius, cantias, cau^ial, Cauthia. Diese Gruppe ist wieder ein schlagen-
der Beweis für die Unfähigkeit der Etrusker bezw. Kreter die Lautstufen
17
Aegüische, hesomlers hrdische Nniiini hei flau Etniskcni. 43
fler Mutae zu unterst-lioiden. Zur <?ens Caiidia geliört das l>eriihmte Caii-
(Jiiim im Hirpinerland (s. Schulze 560).
Fick S. 32 : Der Name ITQiai'aog hat keinerlei nahe Verwandte in
Etrurien, wohl aber gibt es eine etr. Göttin Fri, die besonders in der In-
schrift von S. Maria di Capua mehrfach vorkommt, vielleicht leiten sich
Privernum und Prifernum von ihr ab, denn die Namen auf fer sind etrus-
kisches Sprachgut, cf. Caefer (Schulze 297A Mefcnia und Trifenm (Schulze
107 n. 1 u. 378), Volferna, velfems, veJfrei (Schulze 103 f.). Auch prkesa
(Schulze 134), Briafia CIL XI 1865 u. a. mögen zu dieser Gottheit in Be-
ziehung stehen.
JIi'Qavd'0(^ und karisch Ili'(}tvöog gehören zu etr. j)iire und seiner
zahlreichen Familie (Schulze S. 217). In den kretischen Inschriften finden
wir häufig den Namen IIvQcog. Wenn ITvQavd'og eine diminuierte Form
ist. entspricht ihr PitreUhis CIL 2368; die Inschrift ist aus Allifae, wo
auch sonst etruskisch-lateinische Inschriften mehrfach vorkommen. Nahe
bei Orvieto liegt (mO) Pornno (Schulze 1. c).
Für "Ivarog ist die Giimdform fivaTog. Hesj'ch nennt den Ort Eiva-
Tov. ebenso kennt er ein E'ivaiov in Lykien. Es ist klar, dass fivaxog
der Personenname ist, der dem Ort den Namen gab, wir treffen ihn wieder
in V/nafius CIL XI 6712 484; er gehört zu der weit verzweigten Sippe,
deren Stammvater vina hiess (Schulze 380).
Zu 'Pvtiov und 'PvTiaaaög haben wir die Personennamen ebenfalls
in Etrurien, und zwar in ridia CIE 2697 sqq. (Clusium), latinisiert Rutiits
CIL V 932, ferner ri(fsnei CIE 4083 ff. (Perusia) u. a. (s. Schulze S. 222).
„Die Nachbarstadt von .Fivarog gegen Osten nennt Stephanos Biev-
rog, sie hiess in Wahrheit Biavvög. die Einwohner Biürrtoi, wie die
Inschriften zeigen, womit der heutige Name Viano übereinstimmt". Hier-
nach erklärt Fick es für fraglich, ob der Anlaut ursprünglich B oder J'
ist. In Italien haben wir entsprechende Formen mit h und e, und zwar
Bienus. BiemiKS CIL XI 972 (Regium Lepiduml. Bknm VI 10006. 13584,
Biennius CIL VI 13584. Schulze S. 133 hat mit diesen Namen auch Benus
verbunden, das wir oben (S. 32) zu Bi]vrj oder Bivva gezogen haben. Die
Namen mit und ohne i sind mit Rücksicht auf die beiden kretischen Orte
wohl zu sondern. Bkihia, den inschriftlichen Namen des Chaldenlandes am
Van-See ^) hätte Wirth -) mit Bkvvög nicht mit Byv?] vergleichen sollen ;
in der Tat ist ein Zusammenhang zwischen beiden nicht unwahi'scheinlich.
da nach Lehmann-Haupt ■') die Biainier aus dem Westen Kleinasiens nach
Armenien gewandert sein sollen.
1) [S. dazu besonders die grosse Inschrift König Kusas' II Z. 41. und die Bemer-
kungen dazu ZDMG -56 (1902), S. 114, vgl. Bd. .58 (1904). S. 8.31. C. F. L.-H.]
2) PoUtisch-Antkrop. Revue. 1. c. S. 233.
3) Materialien zur älteren Geschichte Anneniens, Göttingen 1907, S. 120 ff. und
Sitzungsber. der Berliner archäol. Ges. Nov. 1907 Nr. 32, S. .56 ff.
18
44 A. Kannengiesser,
Md?JM, vermutlich unweit Biawög (kilikisch Ma/Üög), hat in Italien
eine grosse Sippe maahms ClE 4083, mahutienas ClE 177 (Sena), malavi-
sina CIE 2570 (Clusium) sind etruskische, Mallins, MaJaniiis, Malinins.
Mafetini, Malisini , Malonil latinisierte Formen, vielleicht gehört auch
MaJo CIL 3924 dazu (s. Schulze S. 313).
Fick S. 33: KvQßa (auch in Karlen und Pamphylien) alter Name für
'JeQCtTivTva, ist wohl die Heimat des Kiirpenns oder Kurrenas, CIE 383
(Aretium), der Ciirpenü und der Curpennii. Wahrscheinlich ist KvQßa
direkt identisch mit curre CIE 1797, 2060 sq. (Clusium), und es gehören
dazu auch die Curvinii \md Ciinni. Die Formen citrifpena CIE 1458 (Clu-
sium) und curspia 4311 (Perusia) gehören nach Schulzes Vermutung viel-
leicht auch hierher, ähnliche Beispiele eines eingeschobenen s. dessen
Funktion ims einstweilen dunkel bleibt, hat Schulze S. 156 mehrere ange-
führt. KvQßa lebt weiter im modernen Ortsnamen Corhignano bei Florenz.
In dem Haaptorte am Ostende Kretas, „wo sich die Urkreter am
längsten erhalten haben", in IlQaiaüc, haben wir sicher einen Ausgangs-
punkt für zahlreiche etruskische Geschlechter. In Clusium haben wir die
einfachste Form presii. dessen e wie häutig im Etruskischen über (/ aus
ai entstanden ist, was durch die Formen preisnte (neben presnte) und die
lateinischen Formen Praesidiiis (neben PresicUus), Praesenfes und das ge-
rade auf etr. Gebiet sehr oft vorkommende Praesentius erwiesen wird. Die
Form preisnd'e, die bei Schulze S. 210 Anm. 6, wo die übrigen zu finden
sind, noch fehlt, steht jetzt CIE 5102 (Orvieto).
Aus dem Vertrage zwischen Itanos und Praisos seien erwähnt: lg
AoQ&öt'vag, dieses eigentümliche Lautgebilde scheint in Ditnliiis, Dio-dcn/is.
Dnrdenius, Tmiellius, Titrtiirius. etr. titrte {CIE 3007) und imiia 2975
(Clusium) seine Verwandten zu haben. — ig löv Mö/./.oi> vgl. Molo. MoJ-
lius, MoUetiiis, Mollifius, MolUrii(S (Schulze S. 428). — öi' Argüra vgl.
ntru, atrioiias, Ätronius (Schulze S. 269).
Fick S. 34 : ^i]tüi]. Sr/TÖg Kilik., 2i]Toi Bithyu. vgl. Sctia im Volsker-
lande, Setiiis (gr. 3/)t/oc). etr. .'ie&na, lehut, Setinius, Setonius etc. (Schulze
S. 231 und 560).
'^'Iffog. Dazu gehört wohl nicht etr. asi, da es nach Schulze S. 214
aus axsi entstanden ist, wohl aber asna, asati, osk. Asis, Asinias etc.
(Schulze 129).
Niu- inschriftlich bezeugt sind 'Efjiovioi, Nebenform ^Egäwioi. Das
letztere veranlasste mich, den Namen im heutigen Veran Episcopi zu
suchen, das seinen Beinamen vielleicht führt zur Unterscheidung von dem
nicht gar weit entfernten Veriana. Dann hat der Name ein Digamma.
und es scheint höchst wahrscheinlich, dass er mit Verona, das eine Etrus-
kerstadt war, identisch ist, obwohl das e in Verona lang ist. Dieses ist
„direkt identisch mit etr. veru^ {Seh. S. 574), das zu einer sehr verbrei-
teten Sippe gehört, vgl. VcroniKs CIL XI 3943 (Capena). X 4890 (Vena-
19
Aegäische, besonders kretische Niuiien hei den FJntsliern. 45
fluni), auch Verro)iiiis IX 362, 407 (Cauusium). Docli kommt auch L'ro-
niiis CIL XI, 6045 vor.
Kavpoc, St. hl Kreta und in Kurien, wohl entstanden ans Ka.Frn:.
gehört zu Caxniiis. Gaiiiüa, cavinei (Volaterrae). Carinius, Gavinins etc.
(Schulze S. 76). Der Name cavinei wird später zu cainei, wie schon ohen
erwähnt ; dies bringt uns auch Aufklärung über den Namen des Lapithen-
königs EaivEvg, der aus * Kafivevi; entstanden sein wird.
'Okovg hält Fick S. 13 für gi-iechisch und bringt es zu .FöP.og, das wohl
„Rundstein" heisse. in Beziehung; er nimmt zwei ursprüngliche Diganima
in dem Worte an : * foP.d.FEvg : ich leite den Namen von etr. rehid- ab und
glaube unter Berufung auf die Wiedergabe dieses Namens in pränestinisch
VolntiUiis, Volentiliiis und Volunfilins, dass sich hierauf sämtliche über-
lieferte gi-iechisehe Fonnen des Namens der Stadt und ihrer Bewohner
zurückführen lassen. Wir besitzen aus Olus ein paar Inschriften, die
mehrere vorgriechische Namen enthalten. So finden wir Smlg. 5107
einen Tv/äaiog, der einen Namensvetter aus Mallos in Smig. 4941 (Ap-
tara) hat. Die ungriechische Endung -daiog legt die Vermutung nahe,
dass der Name nur gräzisiert ist und mit Ti'xt] nichts zu tun hat ; dann
gehört er zur Gruppe Ducenius (Schulze S. 160), zu etr. tucmenas, und es
liegt die Vermutung ebenfalls nahe, dass Tvxcc/ih'rjg Smlg. 4948 b und
4951 (in letzter sogar ein TvxafiEvijg, Tv/aj^ihnog) auch nur gräzisierte
Formen eines ungrieehischen Namens mit -^iva sind, so dass sogar die
direkte genaue Entsprechung dafür in tucmenas vorliegt, wofür wieder
das oben zitierte tucmnsna nur eine Variante ist. Eine andere Inschrift
aus Olus [Smlg. 5104) lehrt uns einen Damiurgen 'ÄQoiag kennen, vgl.
Silva Arsia, Arseniiis, Arsellins, Arsnins, Arsiiis, Arsina, arzni, Arsuniuciis.
Genau so wie der Damiurg aus Olus heisst griechisch der Fluss Arsia.
der Grenzfluss von Oberitalien und Illyrien. 'Agata heisst aucli die Um-
gegend vom See 'Agarjau (Van-See). wo die hattidischen Biainier oder
Chalden wohnten, AQOijZig ein König der Myleer in Karlen.
Dieselbe Inschrift Sndg. 5107 macht uns auch mit einem Damiur-
gen AoxQirojv bekannt. Stammt der ausLokris? Vielleicht. Aber die
L 0 k r e r waren nach der Ansicht der Alten L e 1 e g e r, und derselbe
Name kann sich auch anderswo bei stammverwandter Bevölkerung ent-
wickelt haben. Zu der lelegischen Namengruppe, zu der die Loxqoi ge-
hören, stellen die Etrusker ein grosses Kontingent: Im^qe (Luceres), Locritis^
Lucernius Lucretins (gr. AoxQiiJiog), Loccr{iiis?), Liicrianns, Lucrinius,
fitndus Locresianus in Veleia.
Ein Grabstein aus Olus, Sndg. 5108, trägt die Inschrift : (I>i/.tg Kij-
Kijvog. Die zahlreichen Verwandten dieses KrjXrjV haben wir bei Schulze
S. 273: Cccanias CIL XI 6712 mg, Geganius 6223, Gigennius (das Schulze
S. 220 einen „ganz etr. Namen" nennt) CIL VI 2379a. zahlreich in Sas-
20
46 -i- Kannengiesser,
sina, ferner vielfach etr. cku und äcunia, Gigennaus CIL VIII s. 18065,
das Quartier der Ciciiicnses in Hom etc.
Eine Inschrift von Elyros Smlg. 4960 macht uns mit einem Kosmen
TvQßaaog bekannt; der Name hat besonderes Interesse; da er nicht grie-
chisch ist, so ist auch das Fest TvQßi], das auf dem Chaongebirge zwi-
schen Arges und Tegea dem Dionysos gefeiert wurde (Paus. II, 24. 6). nicht
etwa ein d-ögvßoc. auch "Ajiö/.äiov TvQß>]vög (Hes.) kein Gott des Win--
warrs, sondern wir haben in diesem Namen einen alten Gott zu suchen,
an dessen Stelle in ArgoHs der Dionysos getreten und der anderswo mit
ApoUo identifiziert ist. Hesychs Glosse ivQßaaia yoQÜv äytayi] rig öid^v-
QUfißixwv bezieht sich jedenfalls auf die Aufführang am Feste zu Ehren
dieses Gottes Tvgß- und wird auch mit ivQßt] ■= avQßij nichts zu tun
haben. Ein Verehrer oder Nachkomme dieses Gottes steckt im Namen
Tvgßaaog. Jenen Apollo finden wir in Turpenus pater in Praeneste in-
schriftlich wieder, also in einer etruskischen oder halbetruskischen Stadt:
seine Nachkommen oder Verehrer finden wir an vielen Orten als Turpilii,
einen Tnrpüimts in Falerii, einen TitrpiUenus CIL VI 27774, etr. turpli
in Perusia, auch je zwei Tiopkiii und Tnrpedii und zweimal das Cognomen
Turpio (bei einem Ambivius und einem Antistius). s. Schulze S. 246 und 308.
In Kreta begegnet von demselben Stamme noch ein TvQßatog in der In-
schrift aus ÜATtakina 5055 a.
Zwischen Kreta und dem Peloponnes lag eine kleine Insel namens
"Qyv/.OQ ; Fick hält den Namen für griechisch und leitet ihn von einem
Adjektiv cbyv^.og = krumm, gebogen ab, das in (hyv?J.oi<TO = avvey.aj.i7i-
lOVTO (Hes.) stecke. Aber der Name müsste dann m. E. 'Qyv/.t] lauten:
der Name wird vielmehr vorgriechisch sein ; dann haben wir in dieser
Insel wahrscheinlich die Heimat der plebeischen gern Ogulnia, wie aus
folgenden Inschriften klar erhellt (Schulze 150 f.):' Ocidmiis CIL 2097
(Clusium), 4901 (Spoletium) VI 23 427, ferner Ocuhihis ani Münzen, Ogiil-
iiius CIL 6064 (Minturnae). XIV 1423 Ostia. 3979 f. Nomentum, L. Ogithii
V 8112 62, OyUnia CIE 2075 = CIL XI 2479 (Clusium), mlina CIE
4502 (Perusia), uclnial 2571 (Clusium), Oc(ii)Jatius (c. 12 mal) und Oda-
tinius cons. 218. Ob die übrigen Formen, die Schulze S. 150 n. 4 heranzieht,
a{u)cilnia, audina, adiiie. und der oskische Vorname AuJcil nebst Ocellius,
Aucilius, sowie Aiicideni imd Auceius auch hierher gehören, ist leider nicht
zu entscheiden. Die Formen mit au führten Schulze zu der Vermutung,
dass es möglicherweise zwei verschiedene Ogidnü gegeben habe, einen mit
kurzem und einen mit langem o. Da wir das Analogon von Bavy.og, Rä-
y.og, Röjy.og haben sowie von rafi, raitfi, rufi, so können sämtliche obige
Formen mit / auf das dem griechischen "QyvZog entsprechende vorgrie-
chische Wort zurückgehen, die Quantität düi'fte bei der Uebertraguug des
fremden Wortes ins Lateinische kaum ins Gewicht fallen. Wenn aber Ogid-
nius zu Auddiiis gehört, dann kann eine erst auf italischem Boden vorge-
21
Aef/äisrhc. hcfioitdcrs Irdische Namen hei den Efnislieni. 47
gan^ene Nanienbihlung aus ilcin Stamme Aiir- unter anderem auch zu
dem Namen Oeulniiis gefulirt haben, so dass wir in der Insel "üyvXoq nicht
die Heimat aller jener Etriisker zu sehen hätten, sondern nur dieselbe
Namenentwicklung. Allerdings wäre ja auch eine Rückkehr zu einfacherer
Namensform wieder denkliar, so dass alle Träger obiger Namen doch aus
'QyvAog stammten. Solche Fragen müssen leider unbeantwortet bleiben ;
sicher ist, dass die Ogulnier, wie schon Schulze ausdrücklich feststellte,
etruskisch und, wie ich nunmehr hinzufügen darf, hattidisch sind.
Das Ergebnis imserer Untersuchung lässt sich in wenige Worte zu-
sammenfassen :
Die altkretischen Ortsnamen scheinen durchweg
mit Personennamen in Zusammenhang zu stehe n. D i e
grosse Masse dieser Ortsnamen, insbesondere die Na-
men fast aller (vielleicht aller!) an der See liegenden
Orte Kretas kehren in i t a 1 i s c li e n Orts- und Personen-
namen wieder, die e t r u s k i s c h e n Ursprungs sind, ebenso
ein grosser Teil gelegentlich vorkommender kreti-
scher Personennamen. Es m u s s daher eine a u s s e r-
ordentlich starke Einwanderung in Italien aus Kreta
oder aus Ländern erfolgt sein, die eine mit der alt-
kretischen stammverwandte Bevölkerung hatten. Es
bedarf nur noch einer genaueren l'^ststellung des An-
teils, den die übrigen Länder und Inseln des ägäischen
Meeres an der Besiedeln ng Italiens gehabt haben.
Gelsenkirchen.
22
48
Ueber die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse bei den
Germanen zur Zeit des C. Julius Caesar.
Von Otto Th, Schulz.
In der Einhititnci in das Studium der Alten Geschichte vom Jahre 1895
findet sich folgender Satz aus der Feder Kurt Wachsmuths:
„Natürlich waren es politische Zwecke, die ihn (Caesar) veranlassten,
die 7 Bücher .Comiiientarii de hello Gcdlico'. d. h. die Memoü-en seiner
eigenen Taten in Gallien während der letzten sieben Jahre (58 — 52 ; je ein
Jahr in einem Buche) im Winter 52/51 auszuarbeiten und Frühjahr 51
herauszugeben" (Seite 662).
VVachsmuth stellte sich damit also dm-chaus auf die Seite Theodor
Mommsens, der im dritten Bande seiner Ttömischen Geschichte (Seite 615 f.,
8. Aufl.) den Beweis für seine Behauptung liefero zu können geglaubt hatte
„Das Bellum Gallicum ward geschrieben und bekannt gemacht im Jahre
703. als in Rom der Sturm gegen Caesar losbrach und er aufgefordert
wurde, sein Heer zu entlassen und sich zur Verantwortung zu stellen."
Ganz anders war die Auffassung der Frage von selten Wachsmuths bis
zu dem Wintersemester 1900/01 geworden, in dem er in seinem althisto-
rischen Seminar Caesars Feldzüge behandelte, üeber den beweisenden Satz
des Bellum Gallicum I 28. 5. auf den sich Mommsen stützte, urteilte er
jetzt folgendermassen '):
„Der Satz beweist nichts: denn der Relativsatz qxosqiic ist unmöglich
angeknüpft und ersichtlich von einem eingeschoben, der seine Kenntnisse
damit dokumentieren wollte."
Und er fügte zu dem zweiten Passus, den man besonders als Beweis
für die Abfassung der Kommentarien in einem Zuge anzuführen liebte,
lY 21. 7 hinzu:
„Noch schlimmer steht es mit dem anderen Satz. Vier miteinander
verbundene Relativsätze gibt es im ganzen Caesar nicht und dann schleppt
1) Aus dem eigenen Leipziger Kolleghefte des Verfassers dieser Zeilen. Thema
Die UeherUeferuiig des Bellum Gallicum, behandelt im Februar 1901.
(). Th. Schill.;-, Ucher dir ir/rfsclKif'tl. II. /ml/t. l'i rliiiltii/ssihridcn (Irnmiiieii. 49
tliis iiüttif so nngl;iul)licli iKii'li I Nur ein Spraclistiiiupcu' konnte einen .sol-
chen Satz verbrechen, ein Caesar f^ewiss nicht" ').
Daran an schloss dann der aiisfilhrliche Nachweis der sukzessiven
Entstehung der Bücher des gallischen Krieges, den in ähnlicher Weise
Verfasser seit 1905 in seinen einschlägigen Kollegs oder im Seniinarvor-
kurs zu führen pflegte.
Er braucht in seinen Einzelheiten hier nicht wiederiioit zu werden;
denn in der Zwischenzeit ist die Dissertation von Christian Ebert Ueber
die Entstelmmj von Caesars ,BeUnm Gallicinir (1909) erschienen, die vor-
sichtig und klar, erschöpfend und restlos überzeugend den gleichen Beweis
erbracht hat ^).
Wir haben uns heute eine weitere Aufgabe gestellt, deren Notwendig-
keit an seinem Teile im übrigen bereits Felix Jacoby erkannt hat, wenn
er in No. 8 der Berliner P/iilitlof/tselieti Wochensehrift (1910) schreibt:
„Weil ich von der Lektüre (Eberts) einen so seltenen Genuss gehabt
habe, möchte ich auch nicht mit Polemik schliessen. Sie würde sich gegen
das zu richten haben, was Ebert S. 74 f. über die Frage der Edition der
Kommentarien . . . sagt. Nicht als ob der Verfasser hier falsch urteilte. Aber
er hat diese Fragen zu flüchtig gestreift, wohl um die einleuchtend rich-
tigen Ergebnisse nicht zum Schlüsse durch Hypothesen abzuschwächen.
Dennoch werden wir uns der Forderung nicht entziehen können, nun
weiter zu untersuchen, ob die Kommentarien auch einzeln publiziert
sind — ".
Die Erkenntnis von der sukzessiven Entstehung des Bellum Gallicum,
erweitert dui"ch eine derartige Fragestellung, muss nämlich an einem spe-
ziellen Punkte zu einem Resultate führen, das in der Tat den Anspruch
auf hohe geschichtliche Bedeutung wird erheben können : in den beiden
Exkursen Caesars über Uermanien und Germanen.
Es kommen in Betracht Buch IV. Kajiitel 1, :? ff. und Buch VI. Ka-
1) JB. G. I 28, 5 : Boios pdentihux Haediiis, quod ryregia virtutc erant coi/niti, ut
in finibus suis eonlocarent concesxit : fiuihus Uli agros dederunt ißwsque postea in parem
iuris libertatisque condicionem atque ipsi erant receperimt. B. G. IV 21,7: eos dotnum
remittit et cum iis una Commium, quem ipse Atrehatibus superatis regem ibi constituerat,
cuius et virtuiem et consilium probabat et quem sibi fidelem esse arbitrabatur cuiusque
auctoritas in his regionibus mnijni habehatur, mittit. Man beachte, dass jedesmal am
Satzscbluss zwei Verben sich unmittelbar folgen, eine kaum erträgliche Härte !
2) Anerkannt bereits in Nordens Römischer Literaturgeschichte bei Gercke-Norden,
Einleitung in die Altertumsivissenschaft I 1910 S. 486 f., deren Bespreclmng vonseiten
des Verfassers in nächster Zeit in Seeligers Historischer Vierteljahrssclirift erfolgen
soll, und im Grzmdriss der Geschichte der riimischen Literatur von Max Zoeller, neu
bearbeitet von Edgar Martini 1910, S. 213 f., wo sich die widerlegbare Behauptung
findet: „Wurden also die Commentarü einzeln abgefasst, so wurden sie aber ge-
wiss nicht einzeln veröiFentlicht, sondern alle auf einmal, und zwar vermutlich bald
nach 52". — Irrig gegen Ebert nochmals A. Klotz, Caesarstudien. S. 17 ft'., unmittel-
bar vor Drucklegung dieses Aufsatzes (November 1910) veröffentlicht.
Klio, Beiträge zur alten Geschichte XI 1. 4
2
50 <»f(> Th. Siliiih,
pitel 21 tf. Das erstemal handelt es sich um die Sueben (Schwaben), denen
der Feldherr im Kriege begegnet, das zweitemal um die Germanen über-
haupt, und zwar mit einer ausdrücklichen Betonung ihrer ethnischen Ver-
schiedenheit von den Galliern, mit denen er sich Kapitel 11. 2 ff. befasst,
nämlich Kapitel 11, 1 quoniam ad hitnc locum perventum est, non alkmtni
esse vidctur de Galliae Germaniaeqite »loribus et, quo differant hac nationcs
inter sese, proponere und 21, 1 am Anfang und gleichsam als Ueberschrift
der germanischen Digression Gcrmani imdtum ah hac constietudine diffeninf:
nam neqiie dnddcs hahent, qid rebus divinis p)-aesivt, neque sacrificiis stii-
dent usf. Darauf wird im sechsten Buche teilweise dasselbe ausgeführt,
was sich schon im vierten findet, wie sogleich in den uns hier interessie-
renden Partien nachzuweisen sein wird.
An einem sehr wichtigen Punkte aber findet sich eine Behauptung,
mit der man sich bisher absolut nicht auseinanderzusetzen vermochte, so
dass schliesslich 0. S c h r a d e r in seinem ausgezeichneten Werke Sprarh-
vergleicJuDi;/ und UrgeschicJde IL 2 S. 212 f. (1906) den Verzicht auf Er-
kenntnis hier überhaupt aussprach: -So glaubte Caesar. . . . dass die Ger-
manen jährlich nicht nur ihre Aecker. sondern auch ihre
Wohnungen wechselten und eine ausserordentlich lebhafte, noch heute
nicht geschlichtete Streitfrage hat sich darüber entsponnen, ob Caesar in
dieser Auffassung geirrt habe '), oder wie, wenn dies nicht der Fall sein
sollte, dieser ganz ausserordentliche Mangel an Sesshaftigkeit zu erklären
sei "). Wir verzicliten darauf auf diese, wie es scheint, niemals
ganz zu erklärenden Verhältnisse näher einzugehen — ".
Es soll nun im folgenden nach einer generellen Norm verfahren
werden, deren Anwendung sich dem Verfasser in mehr als einem Falle
bisher empfohlen hat und die er so präzisieren möchte:
„Bei viel verhandelten Problemen ist zunächst gar keine Rücksicht
auf das vorher Geschriebene zu nehmen, sondern lediglich das QueUen-
material genau zu interpretieren. Sow^eit dasselbe literarischen Charakter
trägt, ist schai-f zu unterscheiden, was in ihm tatsächlicher Bericht, was
reflektierender Zusatz — in wie cachierter Form auch immer dies sein
möge — ist; denn letzterer hat an sich für den Forseher keinen originalen
Wert."
Im vorliegenden Falle ist Caesar der literarische Zeuge: unmittelbar
heranzuziehen ist nur noch Strabo in den GrogmpJiica VII 1, 3 Cas. 291
von den Worten xoivöv S'iaiiv äjtaai . . . an'). Sie geben uns alles, was
1) Vgl. zuletzt R. Much. Zt>:chr. für Beul t'clieif Altertum 36, 102 tf.
2) Vgl. zuletzt J. Hoops, Waldbäume und Kulturpflanzen im germanischen Alter-
tum, 1905. S. .511 ff.
3) Strabo aus Araaseia (ca. 65 vor bis 20 nach Chr. Geb.) ist ein Menschenalter
jünger als Caesar, hat ihn aber um zwei Menschenalter überlebt. Die raoyywfixä
sind erst am Schlüsse des Lebens ihres Autors veröffentlicht worden (vielleicht erst
Ueber die ivirfschaffl/rhr» und politischen Verhältnisse hei den Geniinnen. 51
wir fliiekt sclirit'tlich über ilie wirtscliaftliclien be/.w. poHtisclien Verhält-
nisse unserer Vorfahren um die Mitte des ersten Jahrhunderts vor Christus
erhalten besitzen: im übrigen kommen in Betracht die Ergebnisse der
linguistisclien und sogenannten praehistorischen Forschung. Wenn die
Tatsachen der literarischen Berichte, das heisst in erster Linie die des
Caesar, vor dieser sonst möglichen Kritik standhalten, so sind sie unbedingt
bindend, weil er Augenzeuge, wissenschaftlich interessiert und. wie wir aus
allem übrigen sonst tausendfach wissen, von höchster Intelligenz, einer der
schärfsten und kühlsten Köpfe des Altertums überhaupt war und nicht der
geringste Grund vorliegt noch irgend ein Anzeichen sich finden liisst, dass
er bei den ethnogi-aphischen Untersuchungen über die Germanen habe
täuschen wollen ^l.
Endlich kann, um das, was Caesar berichtet, geschichtlich in einem
weiteren Umfange zu verstehen, als Hilfsmittel unsere sonstige Kenntnis
der späteren Zeiten des germanischen Volkstums herangezogen werden.
Hierhin gehört auch des Tacitus Germania. Aber es darf nicht verkannt
werden, dass mau sich dabei der Gefahr aussetzt, die dazwischen liegende
Entwicklung zu übersehen : denn selbst zwisclien den Darstellungen von
Caesar und Tacitus klafl't eine Zeitspalte von 150 .Tahren. die insofern für
die germanische Entwicklung vielleicht am bedeutungsvollsten von allen
übrigen gleichgTOssen Zeitspannen gewesen sind, als imsere Vorfahren in
ihnen überhaupt erst so recht eigentlich mit einer fremden, höheren Kultur in
Berührung und Beziehung getreten sind. Und hier Hessen sich, weit hinaus-
greifend über den Kahmen dieser Untersuchung, zahlreiche und teilweise
einschneidende Veränderungen nachweisen.
Doch wir geben jetzt am besten gleich dem Berichte das Wort, der
die uns interessierenden Verhältnisse am kürzesten behandelt. Das ist
Strabo an dem soeben angeführten Orte. Die Rede ist von den Schwaben.
Strabo. Geogr. VU, 1, 3 p. 291 C:
xoivöv ö'eaTiv änaai ToTg taurrj .Gemeinsam aber ist allen denen.
TÖ Ttegl xäg fiETapaardasig eifiagag die hier wohnen, die Leichtigkeit von
öiü Ttjv hiöxrjia %ov ßiov y.al Siä Umsiedelungen wegen der Einfach-
unmittelbar nach diesem ?). Caesar kann also sehr wohl an unserer Stelle Quelle
sein. In der Tat werden die Cominentarii p. 177 C. von Strabo angeführt; indessen
ist sein Urteil über die römischen Schriftsteller wenig günstig (p. 166 C). Für un-
sere Zwecke kommt die Frage nach der Bewertung des strabonischen Berichtes
kaum in Betracht, bieten uns doch Caesar und Strabo (ohne sich dabei zu wider-
sprechen, wie gezeigt werden wird) alles, was wir literarisch besitzen: Wenn sich
erweisen Hesse, dass Strabo selbständig sei, so bedeutete das freilich eine Unter-
stützung der Mitteilungen Caesars, aber keine von weiterer Bedeutung, da diese,
richtig angeschaut, wie sich ergeben wird, für sich selbst sprechen und keiner son-
stigen Unterstützung bedürfen.
1) Caesar konnte freilich noch nicht wissen, welch unvergleichliche Bedeutung
das germanische Volkstum in der Zukunft für Rom haben würde! Er war rein
wissenschaftlich interessiert ; vgl. auch Ebert 1. c. Seite 58 tf. und unten S. 61 f., 74 ff.
4*
4
52 Otto Th. Schul".
TÖ Uli yaojQyeir ftijöf d^ijaavQiTeir, heit ihrer Lebensweise und deswegen,
ttM' Iv xa/.vßioig oixelv iq)ijfiSQOV j weil sie kein Ackerland besitzen (kei-
txoi'oi naQaay.evt'iv ' TQOfpij <5'<i?iö I nen Ackerbau betreiben?) noch etwas
TÜv d'QEftfidTiov t) nZeimi] xa&dnsQ aufspeichern, sondern in Hütten hau-
TOlg voßdai • war' ixelvovg fti/iiov- j sen und nur das haben, was sie täg-
ftevoi rä oixeia -laTg ägfia/iiäimg lieh brauchen: ihr Unterhalt aber
indgavTcg, önoi äv ööii], iQinovim stammt meist vom Vieh, so wie bei
fiEtä iwv ßoax't]fidTiov. den Nomaden, derart, dass sie jene
nachahmend, ihren Hausrat auf die
Wagen laden und sich mit ihren
Viehherden hinwenden, wohin es ihnen
gerade gut dünkt. "
Aus diesen Worten geht mit Sicherheit hervor:
1. Die Leichtigkeit der Umsiedlung bei den Schwaben.
2. die Einfachheit ihrer Lebensführung.
3. das Wohnen in Hütten, die sich leicht abbrechen lassen,
4. die Wichtigkeit der Viehzucht, die die hauptsächliche Nahrung liefert.
Nicht mit Sicherheit vermögen wir dagegen aus Strabo zu erkennen,
wie es um den Ackerbau bei den Schwaben gestanden hat: denn die Worte
fiij yEiogyEiv können an sich nur bedeuten „keinen Ackerbau treiben" und,
übertragen, ev. noch „kein Ackerland besitzen". Heissen sie das erstere,
so sind zwei Möglichkeiten denkbar: entweder meint Strabo, sie treiben
überhaupt keinen Ackerbau, oder sie betreiben keinen Ackerbau, das
würde heissen, die Schwaben treiben — vom Standpunkte des hochkulti-
vierten Griechen aus gesprochen — keinerlei nennenswerten oder auch nur
etwas raticmelleren Ackerbau, so dass ihnen eigentlich der Charakter als
ackerbautreibendes Volk fehlt. Hiessen die Worte das letztere, so böten
sie, wie wir noch sehen werden, eine direkte Bestätigung zu einer ana-
logen wichtigen Mitteilung Caesars.
Zunächst spricht jedenfalls, wie der unbefangene Leser zugeben wird,
alle Wahrscheinlichkeit für die zweite Möglichkeit des ersten Falles: denn
sonst wären die Schwaben seiner Zeit in den Augen Strabos eben Nomaden
und er hätte nicht nötig, sie nur mit diesen zu vergleichen (^xad'dirsQ
TOig V. ■ — ixEirovg ftifioi'fievoi"). sondern müsste beide identifizieren. Da-
für lässt sich schliesslich auch seine Mitteilung heranziehen, ihre TQoqjij —
f} nÄEiati] stamme vom Vieh, nicht aber ausschliesslich. Was assen sie
denn sonst noch? Die Antwort werden vms Caesars ausführliche Berichte
geben.
Wir wenden uns ihnen zu.
Zunächst untersuchen wir die betrefl'enden Stellen im vierten Buche
seines BeUuni Gallicitm ').
1) Im wesentlichen ist zu Grunde gelegt der Text der H. Meuselschen Ausgabe
(1894). Vgl. jedoch jetzt dazu noch die ausgezeichnete Abhandlung von A. Klotz im
Ueber die ir'niscluiftl'nhcn und jmI/I /sehen VerhäUnissc bei den Geniiaiien. 53
Caesar, B. G. IV, 1,3 ff.:
Sueborum gen.s est lonye maxima et \ -Der Stamm der Schwaben ist bei
belUcosissima Gernianorum omninni ; 1 weitem der grösste und kriejrerischste
4) hi eentum pagos habere dicnntur,
ex quibiis qiiotannis singula milia ar-
matorum beUandi causa ex fitiibus
educimt; reliqui, qiii domi manserunt,
se afque illos ahmt; 5) hi rursits in
vicem anno post in armis sunt, Uli
domi remanent; 6) sie neqtie agri-
ctdtura nee ratio atqite usus belli inter-
mittitur. 7) sed privati ac separati
von allen Germanen. Die Schwaben
sollen hundert Gaue haben, aiis denen
sie jähi-lich je eintausend Bewaffnete,
um Krieg zu führen, aus ihrem Ge-
biet ausziehen lassen. Die übrigen,
die zu Hause geblieben sind, schaffen
den Untei'halt für sich und jene. Diese
sind wiederum ihrerseits ein Jahr spä-
ter unter Waffen, und jene bleiben
Ackerbau noch die Kriegskunst und
-Uebung eine Unterbrechung. .Jedoch
agri apud eos nihil est, neque longius \ daheim zurück. So erleidet weder der
anno remanere uno in loco incolendi
causa licet. 8) neque multum fnanento,
sed maximam patiem lade atqiie pe- ' gibt es bei ihnen keinerlei privates
core vivunt »iidtuinque sunt in venatio- Sondereigentum an Ackerland noch
nibus; !)) quae res et cibi genere et dürfen sie länger als ein Jahr an
cotidiana exercitatione et libetiate vitac, ' einem Orte des Wohnens halber ver-
quod a piietis nidlo officio aut dis- bleiben. Sie leben nicht viel von Ge-
ciplina assuefacti nihil omnino contra treide, sondern meistens von Milch
vohintatem faciunt, et vires alit et im- und Fleisch ihres Viehes und befin-
mani corporuni niagiiifudinc honiincs den sich viel auf Jagd: das stärkt
effcit.
Kap. 3, 1: publice maximam ptdant
sowohl durch die Art ihrer Nahiimg
wie durch die tätliche Uebung und
die Freiheit ihrer Lebensweise, da sie
von Kindheit auf an keine Pflicht oder
Disziplin gewöhnt, überhaupt nichts
gegen ihren Willen tun, sowohl ihre
Kräfte als auch macht es sie zu Men-
sehen von ungeheuerer Körpergrösse".
„Sie glauben, es sei der Staaten
esse laudem, quam latissime a suis grösstes Lob, wenn soweit als mög-
fmibus vacare agros: hac re significari lieh von ihren Grenzen die Aecker
magnum numerum civitatum suam rim unbewohnt seien; dadurch werde (so
sustinere non posse. recht eigentlicli) zu erkennen gegeben,
dass eine grosse Zahl von Stämmen
ihrer Macht nicht standhalten könne. "
Die erste Behauptung in § 3 lassen wir auf sich beruhen; es ist
natürlich, dass der Feldherr Caesar den mächtigen Stamm, den er besiegt
hat, als den grössten und kriegerischsten von allen germanischen Stämmen
Rheinischen Museum 1909, S. 224 ff. sowie H. Meusel Caesar in den Jahresberichten
des Philologischen Vereins, Zeitschrift für das (rymnasialwesen, Januar bis März 1910.
54 (Mo Th. Schids,
seinen Landslcuten vorführt. Könnten wir die Anj^aben des i; 4 als ricliti<;'
anneliraon, so würde sich eine Zahl von 200000 waffenfähigen Männern,
das hiesse von 8 — 900000 Seelen überhaupt für die Schwaben ergeben,
nebenbei bemerkt, an sich nicht unmöglich, aber mit äusserster Vorsicht
zu betrachten, da Cäsar seine Mitteilungen als keineswegs bindend selbst
schon verklausuliert hat [clkimtur). Auch auf die eigentümliche Rollen-
verteilung unter den Volksgenossen, ein Jahr um das andere draussen im
Kriege oder daheim zu Zwecken des Unterhaltes des Ganzen zu verbringen,
brauchen wir hier nicht näher einzugehen ; aber nun kommen war zu dem.
was ims eigentlich interessiert, den Mitteilungen über die wirtschaftlichen
Verhältnisse bei den Schwaben.
In dieser Hinsicht ist der Inhalt von i^ 5 und 6. der unmöglich ver-
kannt werden kann, der, dass dieser germanische Stamm Ackerbau treibt,
doch so, wie ein Blick in S ^ lehrt, dass der Ackerbau zwar nicht un-
wichtig für die Art ihrer Wirtschaft, aber immerhin nicht die Hauptsache
ist. "Wir erinnei-n uns unmittelbar an die Auffassung des strabonischen
/<»/ yE(i)QyEiv, die unter Berücksichtigung des ganzen Habitus seines Be-
richtes als besonders wahrscheinlich angesehen werden musste: die Germa-
nen sind noch keine rationellen Ackerbauei'. ihre Wirtschaftsform ist in
mancher Beziehung nomadenälmlich, jedoch nicht nomadenhaft ').
Zu dem gleichen Ergebnis würden wir auch gelangen, wollten wir der
früher als wenigstens möglich bezeichneten Annalime stattgeben, Strabo
habe ganz kurz andeuten wollen, dass es bei derl Germanen keinen Acker-
besitz gäbe, das wäre dasselbe, was Caesar in § 7a mitteilt. Aus ihm geht
hervor, dass das Ackerland der Schwaben Gemeindebesitz war, mithin zu
folgern ist, dass die einzelnen Stammesgenossen jährlich ihren bestimmten
Anteil an dem gemeinsamen Ackerland zur Xutzniessung erhielten. Also
ein jährlicher Flurwechsel ist danach zweifellos.
Ist jährlicher Wohnungswechsel nach Caesars Meinung damit Hand in
Hand gegangen? § 7b behauptet das allem Anscheine nach.
Xeqiie lonyixs anno rcnianere iino in loco hicohndi causa Uccf lieisst
wörtlich nichts anderes. Auch dann nicht, wenn wirklieh colendi caiisu zu
lesen wäre, das der eine Teil der Codices (Familie ß. danach M e u s e 1) bietet,
und colere nicht mit incolcrc zu gleichen wäre -). Denn unverkennbar hat
1) Cf. B. G. YI 29. 1. wo es ausdrücklich heisst: quod ■ . . minime liomines Ger-
mnni agrieulturae Student „sehr wenig betreiben die Germanen den Ackerbau" . . .
wir können das als die fast wörtliche Bestätigung unserer Auffassung in Anspruch
nehmen. In den Augen des Griechen und Römers fehlt ihnen eigentlich „der Cha-
rakter als ackerbautreibendes Volk" : vgl. oben S. .')2.
2) Wie häufig eins für das andere gebraucht wird. Vgl. z. B. unten S. 79 Anm. 1.
— In dem oben angedeuteten Falle wäre coleiidi cat(^(t entweder absolut zu fassen
(.der Bebauung halber") — allerdings kommt es so nirgends sonst bei Caesar vor
— oder man müsste sich aus dem Vorhergehenden als Objekt agri ergänzt denken ;
— V 12, 2 findet sich übrigens einmal bei Caesar agros cohre.
Uehcr die iviiisrhdfflic/icii und iiolilisrhen Verliüllnissc bei den Germanen. 55
der Alltor den Xarlulnick auf lemtmcrr ii n o in loco geleimt: er «lenkt
also an durchgreifenden Wohnunffswechsel. Es Hesse sich daran vielleicht
noch die Fraoe knüpfen, ob man nicht nach dem Inhalt von S 4— ß auch
daran denken könnte, der Stamm sei alle zwei Jahre erst umgesiedelt
und das wolle {in)colendi ransd, das sonst überhaupt nicht unbedingt nötig
wäre, besagen. Nämlich so: Es heisst vorher, dass der eine Teil der
Volksgenossen zum Unterlialte des Ganzen zu Hause bliebe, der andere
draussen im Kriege wäre und im nächsten Jahre umgekehrt: wenn ergo
der gesamte Stamm alle zwei Jahre umsiedelt, so ist jeder einzelne Mann
(und von ihnen ist bisher immer nur die Rede) gleichwohl nur ein einziges
Jahr MIO in loco (in)colewli causa verblieben, weil er ja eines von den zwei
Jahren draiissen im Kriege verbrachte. Man möchte sich fast dieser An-
nahme zuneigen, wenn man schärfer hinsieht: es würde so auch erst voll
das domi remanere des § 5 verständlich, weil es bei einjäiirigeni Wohnungs-
wechsel ein örtliches zu Hause eigentlich überhaupt nicht gibt, zum min-
desten nicht für diejenigen, die draussen kämpfen, da ihr Daheim im ver-
gangenen Jahre ganz wo anders lag, als in diesem und in dem. das folgen
wirtl. Man raüsste denn nur an den Winter denken, den sie bei den Ihren
an dem für sie neuen Orte zubringen werden, bis das zeitige Frühjahr ')
sie in eine andere Gegend führt usf. Fürwahr, ein etwas sehr reges
Fluktuieren eines sich doch ebenfalls mit Ackerbau beschäftigenden Volkes!
Jedoch es kommt auf diese Frage, wie sich sogleich zeigen wird, ge-
schichtlich so gut wie garnichts an. Wir wollten nur einmal an einem
speziellen Falle erläutern, wie sich, um den Sinn von Caesars Mitteilungen
zu erschöpfen, an seine Worte philologische Erörterungen anfügen hissen,
die im allgemeinen nicht in den Kreis der Betrachtung gezogen zu werden
pflegen und die doch nicht bedeutungslos sind.
S 8 beschäftigt sich mit der Lebensführung der Sciiwaben. Das Ge-
treide spielt entsprechend allem, was wir bereits ausführen konnten, nur
eine untergeordnete Rolle, man lebt meist von Milch, folglich auch von
Käse und Fleisch, weil die Männer häufig leidenschaftliche Jäger sind,
natürlich nicht nur von dem erwähnten pecas. sondern auch von dem Fleisch
des erlegten Wildes. Soweit ist alles klar und dient in willkommener
Weise dazu, Strabos kurzen Bericht von ihrer TQoqi] äjib jwi' d-Qfuuä-
Tcov f] Ji Z E I a T 1] zu bestätigen und zu ergänzen. § 9 zieht aus dem
V'orhergehenden die Folgerung in Verbindung mit einem Hinweis auf
die Ungebundenheit des ganzen Lebens von Jugend auf; es ist ein
Raisonnement des antiken Autors, der sich und seinen Landsleuten die
auffallende imponierende äussei-e Erscheinung jener Reckengestalten er-
klären will.
Wir berücksichtigen vorläufig Kap. 3, 1 niclit und gehen sogleich
1) Was notwendig aus dem Ackerbau hervorgeht : das Getreide würde sonst hier
im Norden einfach nicht reif geworden sein.
56
Oifo Th. Schith
zu dem sechsten Buche des Belhim Gallicum über und werden hier schliess-
lich zu einem umfassenderen Bilde mit klarer Lmienführung gelangen-
Caesar, B. G. VI:
Kap. 11, 1 : quoniam ad hunc locutn „Da wir zu diesem Punkte gekom-
pervenücni est, iion aJieninn esse vide- \ men sind, erscheint es nicht unan-
tur de Galliac Gennaniaeque nioribus gemessen zu sein, über den Charakter
et, quo differatit hae nationes inter von Gallien und Germanien und den
sese, proponere. Unterschied dieser Völker von einander
Kap. 11,2—20. 3 folgt die Öchil- zu beriL-hten.'^
derung der Gallier.
Kap. 21, la: Gerimini iiiultiim ab
hac consiictudine (sc. Gallorum) diffe-
riiuf.
Kap. 21, 3: vita omnis in venatio-
nibus atque in studiis rei militaris
consistit : ab parmdis ') tabori ac du-
ritiae student.
Kap. 22, 1 : agriculturae non Stu-
dent, maiorque pars eorum victns in
lade, caseo, carne coiisistit. 2) neque
quisquam agri modum ccrtum aut fincs
habet proprios; sed magistratus ac
prindpes in annos singulos gentibus
„Die Germanen weichen sehr von
dieser Gewohnheit (der Gallier) ab. "
, Ihr ganzes Leben besteht aus Jagd
und eifriger Pflege des Kriegshand-
werks: von Kindesbeinen an widmen
sie sich der Strapaze und Abhärtung. "
,üm den Ackerbau kümmern sie
sich nicht (besonders) und der grössere
Teil ihres Lebensunterhaltes besteht
aus Milch. Käse und Fleisch. Auch
besitzt niemand ein bestimmt abge-
cfi-enztes Mass an Acker oder eigene
cognationibusqiie hoinlnum, qui tum -) Feldfluren, sondern die Behörden und
tinu coierunt, quantuni et quo loco vi- die Ersten teilen auf je ein .Jahr hin
sunt est agri attribuunt atque anno j den Geschlechtsverbänden und Sipp-
jyost alio transire cogunt. 3) eius rei schaften der Mannen, die da zusam-
muUas afferunt causas : ne assidua • mengetreten sind, soviel und an der
consuetudine capti Studium belli gerendi Stelle Ackerland aus, wie es ihnen
agricultura commutent ; ne latos fines gut dünkt, und zwingen sie ein Jahr
parare studeant potcntioresque humi- \ später, anderswohin überzugehen. Da-
liores jwssessionibus expellant ^) ; ne
accuratius ad frigora atque aestus vi-
tandos aedificent; ne qua oriatur pe-
cuniae cupiditas, qua ex re factiones
dissensionesque nascuntur; ut animi
aequiiate plebem contineant, cum suas
für biingen sie viele Gründe bei :
erstens sagen sie, es wäre deshalb,
damit sie nicht durch die ununter-
brochene Gewohnheit befangen den
Kriegseifer mit dem Ackerbau ver-
tauschten: zweitens, damit sie nicht
1) A parvis Handschriftengruppe ß\ Mensel.
2) In dem einen Teil der Codices qui cum (Gruppe «); qui tum Heller, auch C.
Wachsmuth; quique ß, wonach Meusel.
3) So die Handschriften: X Meusel; potentiores atque humiliores H. J. Müller, pu-
tentiores humilioresque Paul, was, wenn man überhaupt ändern will, das einfachste
wäre. Meusel schliesst sich H. J, Müller an.
Ueber die nirtscJiaßlichen iimi polifisrhoi Vcf/iültiiissc bei den GeniKtiieii.
qiiisqite opes cinii pofenfissimis ucqnari
rideat.
Kap. 28, 1: ririt(dibifs ma.iinui Jaus
est quam hUissime eircuni se vastatis
finibus solitudines habere. 2) hoc pro-
prium virtutis existimant expidsos agris
finitimos cedere neque quemquam
prope ') andere consistere. 8) simnl
hoc se fore tutiores arbitrantur repen-
titiae incursionis timore suMato. 4) cum
bellum civitas aut iUntmn defendit auf
infert, magistratus, qui ei bello prae-
sint, ut -) litae necisque habeaut po-
testafem, deUguntnr. 5) in pace nuUus
est communis magistratus, sed prin-
cipes regiontim atque pagorum inter
suos ius dicunt controversiasque minii-
tint. 6) latrocinia ntdlam habent in-
famiam, quae extra fines cuiusque ci-
vitatis fiunt atque ea hiventiitis exer-
cendae ac desidiae minuendae causa
fieri praedicant. 7) atque tibi quis ex
principibus in concilio dixit se ducem
fore, qui sequi velint, profiteantur, con-
surgunt ii, qui et causam et hominem
probant, suumque auxilium poUicentur
atque a multitudine collaudantur : 8)
qui ex his sectcti non sunt, in deser-
torum ac proditorum numero ducuntur
omniumque his rertim postea fides dero-
gatur.
Kap. 23, 9—24, 1 beliandelt Dinge,
die gänzlich ausserhalb unseres The-
mas liegen.
darauf ausgingen, weite Fluren zu
erwerben und die Mächtigeren nicht
die Geringeren aus ihrem Besitz ver-
trieben; drittens, damit sie keine
Häuser bauten, die besser geeignet
wären, Kälte und Hitze zu entgehen;
viertens, damit keine Begierde nach
Geld entstehe, woraus nur Parteiungen
und Zwistigkeiteu erzeugt würden und
fünftens, um das Volk durch Zufrie-
denheit in Ordnung zu ei-halten. da
jeder sehe, dass seine Mittel mit den
Mächtigsten gleichgestellt seien. Es
gereicht den Stämmen zum grössten
Lobe, soweit als möglich um sich
hervim Einöden zu haben, nachdem
die Grenzgebiete verwüstet worden
sind. Dies erachten sie als das eigent-
liche Zeichen von Mannhaftigkeit,
wenn die Benachbarten (die angren-
zenden Stämme) weichen müssen, aus
ihren Aeckern vertrieben, imd nie-
mand mehr wagt, in der Nähe zu
verweilen ; zugleich fühlen sie sich
dann sicherer und der Furcht vor
einem plötzlichen Einfalle überhoben.
Wenn ein Stamm einen Verteidigungs-
oder einen Angriffskrieg zu führen
hat, so wählen sie Beamte zur Lei-
tung dieses Krieges, damit sie Ge-
walt über Leben und Tod haben.
Im Frieden dagegen gibt es über-
haupt keinen gemeinsamen Beamten,
sondern die Ersten der Gegenden
(Bezirke) und Gaue sprechen unter
den Ihren recht und suchen die Strei-
tigkeiten zu schlichten. Räubereien
gelten keineswegs als Schmach, so-
weit sie ausserhalb des Gebietes eines
jeden Stammes geschehen und sie
wollen ausdrücklich, dass diese ge-
schehen, um die Jugend zu üben und
1) prope se ß, Meusel. — 2) ut X, et Meusel.
10
58
Otto n. SrliuU:
den Müssigiiiing zu veniiiii(lern. Uml
zwar wenn einer von den Ersten in
der Volksversammlung gesagt bat, er
wolle Führer sein und. die gewillt
seien zu folgen, möchten es öffent-
lich erklären, so erheben sich die. die
Sache und Mann gutheissen, ver-
sprechen ihm iliren Beistand und wer-
den von der Menge gepriesen : die
aber aus ihrer Zahl nicht Gefolg-
schaft geleistet haben, rechnet man
unter Deserteure und Verräter und
versagt ihnen all und jeden Glauben. "
Kap. 24, 2: Haqtic ca. quae ferii-l „Und so haben die fruchtbarsten
Ussima Germaniae sunt, loca circnni Gegenden von Germanien um den
Hercyniam silvam, quam Erutostheni Wald Hercynia, der wie ich sehe.
et quihusdani Gracc/.'s fama notam esse , dem Eratosthenes und einigen anderen
Video, quinii ilU Orryniam appellayit. Giiechen schon vom Hörensagen be-
Volcae Tectosagcs occupat'eriint atque kannt ist, nur dass sie ihn Orcynia
ibi consederunt: 3) quae yens ad hoc nennen, die Volker- Tektosageu iu
tenqms his sedihus sese eontinet siim- Besitz genommen und sicli darin
niedergelassen : ein Volk, das bis auf
I den heutigen Tag sich auf diese
1 Sitze beschränkt und den höchsten
Ruf der Gerechtigkeit und kriege-
rischen Trefflichkeit geniesst."
,Wir haben bis jetzt die Frage der Edition der Kommentare gar nicht
berührt und uns damit begnügt, festzustellen, wann die einzelnen Bücher
abgefasst sind. — Auch jetzt wollen wir über die Herausgabe keine An-
sicht aufstellen; aus dem einfachen Grund, weil das unmöglich
ist'). — Alle die Dinge, die wir behandelt haben, schliessen zwar die
Abfassung in einem Zuge vollständig aus, setzen sich aber der Veröffent-
lichung in einem Zeitpunkt keineswegs entgegen, wenn wir nur anneh-
men, dass diese schnell und ohne tiefgreifende Ueberarbeitung vor sich
gegangen ist. — Jeder kommt leicht auf den Gedanken, die Digi-ession
über Germanien und Gallien im sechsten Buche sei ein späterer Bestand-
teil ; man kann mit Hecker -) vermuten, dass sie aus Privatbriefen Caesars
eingeschoben sei, oder mit anderen, dass sie eine Sonderschrift gewesen sei.
Bewiesen ist das alles nicht. Es ist gerade so gut denkbar, dass sie
zugleich mit dem ganzen sechsten Kommentar geschrieben ist; die Quellen-
benUtzung, die in der Digi-ession besonders stark an den Tag tritt, hat
mumque habet iustitiae et hcUicae lan-
dis op'niioncm.
1) Bei Ebert 1. c. S. 74 nicht gesperrt.
2) Hecker, Quaestiones de commentariis Caefaris de Bello GalUco, Groningen
11
Ueher die iciyfscliaftl/c/ioi toxi politisrlicn Vcrhnitni.tse bei ihn (icnnoiie». 59
aiicli sonst im .sechsten Koninicntar wie ini l'üiitten nml siebenten ihre
Spuren liinterhissen. Eine Naclirieiit aus dem Altertum scheint sogar
darauf liinzudeuten. dass überhaupt nichts an der ursprünglichen Gestalt
der Kommentarien geändert war : Sueton [Div. InJ. 56) : Pollio Asiniiis
pnrmn (lilicjoifer parumqiie infej/ra vcritate compositos putat (commentarios)
— existimcdqite rescr/ptiirum et eorrecturum fnisse" ').
Diese Worte Eberts fordern gerade, nachileni wir ilic beiden Schil-
derungen Caesars von germanischen Zustünden in I!u( h IV unil \'I gelesen
haben, unseren Widerspruch heraus.
Zunächst lässt sich, ganz allgemein gesprochen, niciit in Abrede stellen,
dass die von uns gesperrt gedruckte Behauptung von der Unlösbarkeit des
Problems der Edition der Kommentare von Ebert zum mindesten nicht
erwiesen, sondern eben nur beiläufig gemacht worden ist; dann wäre doch
wohl die Frage aufzuwerfen, was Ebert unter einer .tiefgreifenden Ueber-
arbeitung" versteht und wie weit er eine „oberflächliche" Bearbeitung vor
der Publikation in einem Zeitpunkt anzunehmen geneigt ist, deren Vor-
handensein seine Worte andeuten. Warum soll endlich die Digression
über Gallien und Germanien im sechsten Buch eventuell ein späterer Be-
standteil sein, wenn sich keinerlei irgendwie verbindliche Indizien dafür
auffinden lassen und sogar eine wohlverbürgte Nachricht bei Sueton
(Div. lul. 56) die Annahme solcher späterer Zutaten zu dem ursprüng-
lichen Inhalt der Kommentarien direkt auszuschliessen scheint?
Doch sehen wir von der Unwahrscheinlichkeit ab, zu der diese allge-
meinen Erwägungen führen, und bemühen wir uns, aus dem sechsten Buche
des Bellum Gallicimi selbst mit zwingender Verbindlichkeit zu erschliessen.
ob der gallisch-germanische Exkurs integrierender Bestandteil in ihm ist
oder nicht. Das ist gewiss der sicherste Weg, den wir einschlagen können.
Fällt nun der ganze Exkurs Kap. 11 — 28 aus, so hat Kap. 29 un-
mittelbar an das Ende von Kap. 10 zu treten. Und in der Tat setzt es
die Erzählung des zehnten Kapitels unmittelbar fort. Aber worum handelt
es sich bei dieser?
Kap. 9 und 10: Caesar hat, nachdem er den Rhein überschritten, an
dem Trevererufer an der Brücke eine starke Besatzung zurückgelassen, die
Unterwerfung der germanischen Ubier angenommen und Zugänge und
Wege ins Gebiet der Schwaben erkundet hat. alles vorbereitet, in das-
selbe einzufallen und den Feind zu stellen. Er sucht natüidich zvi be-
wirken, dass das an einem möglichst günstigen Ort geschieht; daher
§ 2 b f . :
übiis imperat, ut pecora dedneant suaque oninia ex agris in oppida
confermvt, sperans barbaros atque imperitos Jtomines inopüi cibarionim
addudos ad iniquam pugnandi eondieionem posse deduci, mandat, ut
1) Ebert, 1. c. S. 74 f. v<;l. auch oben S. 49.
12
60 Otto Th. Schuh,
crebros exploratores in Siii-hos niitf<uii qinteqiie (tpnd cos gcranfiir rognos-
cant.
Caesars HofFniing erweist sich bald als trügerisch, — kennt er doch die
wirtschaftlichen Zustände der Germanen noch nicht genauer — die Kund-
schafter melden das Gegenteil, die Feinde haben sich auf die Nachricht
vom Anrücken der Römer § i peiütus ad extremes fiiies se recepisse zum
ungeheuer grossen Wald Bacetiis. Dort wollen sie den Gegner erwarten.
Kap. 29 : Caesar kann ihnen nicht dahin folgen, warum ? inopiam
fr H m e n t i v er i tu s , q ti od, u t s up r a d e m o n st r u v i m t( s , m i-
n i m e ho m ine s'^) G e r m an i a g r icult u r a e s t u d c ii 1 ! Jedoch er
will den Feinden nicht ganz die Furcht vor seiner Küclikehr benehmen,
daher bricht er die Rbeinbrücke nur zum Teil am jenseitigen (ubischen)
Ufer ab, befestigt und besetzt das Uebrige mit 12 Kohorten unter dem
Kommando des jungen C. Volcacius Tullus. Er selbst geht durch den
Ardennenwald nach Gallien zurück usw.
Wer wollte hiernach noch behaupten, dass der grosse Exkurs Kap.
11 — 28 mit seiner fesselnden Schilderung nicht unmittelbar in den Text
des ursprünglichen Kommentars gehöre ? Dass nicht speziell die Darstellung
der Zustände in Germanien, und zwar ganz speziell die der wirtschaft-
lichen Verhältnisse, die unser vornehmliches Interesse hier gefesselt haben,
von allem anderen abgesehen, einen ganz bestimmten Zweck für Caesar
erfüllen sollen ? Den nämlich, abzulenken von dem Rückzug aus Deutsch-
land und gleichzeitig augenfällig zu begründen, warum er erfolgen musste.
Es bedurfte freüich einer so souveränen, sprachlichen und sachlichen Mei-
sterschaft wie die, über welche dieser wundervolle Genius verfügte, um
beides zu erreichen, von denen das eine das andere gleichwohl direkt aus-
zuschliessen schien!
Dass Caesar ausserdem ein ausgesprochenes wissenschaftliches Interesse
bei seiner Digression leitete und er es gewesen ist, dessen klarer Blick
zuerst die Erkenntnis von der Verschiedenheit der Kelten und der Ger-
manen gewonnen und erwiesen hat, gilt uns als eine wissenschaftliche
Grosstat allerersten Ranges, die in dem immerhin prekären äusseren Zu-
sammenhange, in dem sie steht, nur um so höhere Bewunderung abnötigt^).
Wir wenden uns damit bereits der Einzeluntersuchung der oben mit-
geteilten und übersetzten Aeusserungen Caesars über die wirtschaftlichen
und politischen Verhältnisse bei den Germanen zu. Sie soll auch die
Antwort auf die Frage nach der Zeit der Veröffentlichung zum mindesten
von Buch IV'' und VI erteilen.
Kap. 11, 1: gleichsam die Ueberschrift des Exkurses: auffallende, aus-
1) Davis., Meusel; omnes X.
2) Sie bezeichnet eine geographische und ethnographische „Entdeckung" folgen-
schwerster Bedeutung ; vgl. ausführlich unten S. 74 ff.
13
Ucher die u'irtsc/iaftlichen Hud politischen Vcr/iäJinissc hei den Gcrnniiicn. 61
drüc'kliclie Betonung des Unterscliiedes des Charakters von Gallien und
Germanien und seiner Bewohner. Dementsprechend
Kap. 21. 1: Als programmatische Ueberschrift des zweiten Teiles des
Exkurses. Germanien und Germanen betreffend, nochmals pointiert heraus-
gestellt: „Die Germanen sind ganz anders als die Gallier". Die Bespre-
chung von Kap. 24, 2 wird vielleicht, nachdem die Einzeluntersuchung eine
breitere Grundlage geschaffen hat, seinei-zeit erkläi-en, aus welchem Grunde ').
Kap. 21, 3: Dasselbe in anderer Ausführung wie in IV 1, S-b, was die
Vorliebe für die Jagd anbetrifft; stadia rei militaris gleich IV 1, 6 ratio
atque iisHs belli. Zu der geübten Abhärtung kann im übrigen noch -)
IV 1. 10 herangezogen werden: atque in eam sc consi(eti(dinem adduxeritnt,
i(t locis frigidissimis neqiie vestitus praeter pclles haherent quicquam, qitarmn
proptcr exifiuitatem magna est corporis pars aperta, et lararentiir in fln-
minihiis. Zu der Art der Jagden vgl. auch VI 27 f.
Kap. 22, 1 : Die für Caesars politischen Zweck so wichtige Betonung
des agricidtitrac n on st u der e cf. IV 29, 1 inopiam frmnenti verifns. quod,
ut sitpra dcnioiistrarinms, inininie homines Germani agricidtiirae student.
Der Mangel an Zerealien will ja für den Südländer etwas völlig anderes
besagen als für den Germanen — bekanntlich auch heutigentages noch ! — .
dessen abweichende Ernährangsweise 22, Ib angibt: Milch, Käse, Fleisch.
Das ist das gleiche, was bereits IV 1, 8 von den Schwaben aussagte [maxi-
mam partcm lacte atque pecore vivunt und Erwähnung der Jagd ohne Schluss-
folgerung für die Nahrung) und auch ganz kui-z aus Strabo VII 1. 1:5 zu
erkennen war ^).
Kap. 22, 2 f. : Eine der wichtigsten Stellen des ganzen Berichtes, wenn
nicht die wichtigste überhaupt. Es handelt sich um dasselbe, was IV
1, 7 a kurz mitgeteilt war scd prirati ac separati agri apnd nihil est, nur
dass entsprechend der Absonderlichkeit der für Caesar ebenso wie für uns
heutigentages noch gleich auffallenden Institution im sechsten Buch sich
die ausführliche Darlegung derselben findet, der dann noch im Paragraphen 3
ein langes Raisonnement über ihre möglichen oder angeblichen Ursachen
bei den Germanen folgt. Schon daraus ist ersichtUch, dass Caesar in der
Zwischenzeit, die die Abfassung von Buch IV und VI von einander trennt,
sich mit den Xachrichten über die ihm (wde jedem Angehöi'igen eines voll
entwickelten Kulturkreises, in dem der Grundsatz des Privateigentums
prinzipiell durchgeführt ist) besonders befremdliche Erscheinung näher
befasst hat, so dass seine Kenntnis in Buch VI bedeutend erweitert er-
scheint. Man sieht zugleich, welch vortreffliche Erklärung der quantita-
tiven Verschiedenheit der beiden Berichte die Lehre von der sukzessiven
Entstehung der Kommentaiien de hello GaUico uns an die Hand gibt, und
mit welcher Lebendigkeit sie das Bild des stets i-egen Geistes des Feld-
1) S. 74 f. — 2) S. 53 fortgelassen als nicht eigentlich zum Thema gehörig.
3) Vgl. oben S. 52.
14
62 Otto Th. Schuh.
heiren, der bei allen seinen umfassenden politischen Unteraehnuinixen und
(Geschäften die Zeit findet, seinen ethnoiirajihischen Interessen nachzusehen,
vor unser geistiges Auge zaubert.
In der Tat: ,Sü ist die Lehre von der sukzessiven Entstehung des
Werkes nichts weniger als bedeutungslos in ihren unmittelbaren imd mit-
telbaren Folgen: an die Stelle eines Buches mit einer unpraktisch ge-
wählten und schlecht durchgeführten Tendenz tritt ein anderes voll per-
sönlichen Erlebens, voll innerer Wandlungen. Für einen konstruierten
Helden, der den Verlauf des Bürgerkrieges schon im Kopfe trug, als er
sich ilim noch mit allen Mitteln zu entziehen suchte, tausehen wir einen
lebendigen Menschen ein. dessen wunderbare Entwicklung während sieben
wichtiger Jahre seines Lebens offen vor unseren Augen liegt " ').
Doch wir gewinnen, quellenkritisch betrachtet, durch den Vergleich
von IV 1, 7 und VI 22, 2 f. für unseren speziellen Zweck noch mehr: denn
an die Seite des quantitativen Unterschiedes der beiden Berichte tritt so-
gleich ein hochbedeutsamer qualitativer, mit einem anderen
Worte: Caesar widerspricht an der zweiten Stelle einer Nachricht, die er
selbst vorher gegeben, indem er sie — wie das unter den obwaltenden
L'mständen auch ein moderner Schriftsteller kaum anders getan haben
würde. — stillschweigend korrigiert. Damit wird der betreffende Absatz
in Buch IV einfach kassiert und alles, was über ihn und sein Verhältnis
zu Buch VI geschrieben worden ist. das heisst viele hundert Seiten oft
sehr scharfsinniger Erwägungen, ein für allemal ungültig. Es ist die an-
gebliche Verwechslung von seilen Caesars in der Frage des jährlichen
Flurwechsels und des Wohnungswechsels bei den Germanen -). IV 1,7 b
1) Ebert 1. c. S. 80.
2) Wie sie zum Beispiele R. Much dem Römer vorgeworfen hat in seinem Auf-
satz Waren die Germanen Wanderhiiien? — eine übrigens nunmehr an sich unmög-
liche Fragestellung — im 36. Bande der Zeitschrift für Deutsclies Altertum (NF. 24
= 1892) S. 97 tf. Vgl. schon oben S. -50, Anm. 1. Der jährliche Wohnungswechsel hätte
überhaupt nie ernstlich diskutiert werden sollen; er ist aus allgemeinen einfachen
Erwägungen heraus wie auch den Ergebnissen der modernen prähistorischen For-
schung gegenüber a priori ein Unding. — Die neuesten Erscheinungen hierzu sind
R. Gradmann. Getreidehau im deutschen und romischen Altertum 1909, wo in der Ein-
leitung kurz die -Nomadentheorie" der Germanen zurückgewiesen wird, und von
fundamentalem Interesse Ed. Hahn, Die Entstehung der Pflugkultur 1909, der auch
seinerseits S. 4 in der Einleitung die frühere Annahme zurückweist .als müsste
überall dem sesshaften Ackerbau eine Stufe schweifenden Hirtentums vorangegangen
sein" ; musste dieselbe doch .noch vor gar nicht lauger Zeit die Disposition für
Roschers grundlegendes Werk über unsern Ackerbau" hergeben (Nationalökonomilc
des Äelerbaus. fünfte Auflage 1867, S. 49). Vgl. auch Ed. Hahn 1. c. S. 24 ff. — Es
trennen uns heute erst 55 — 60 Generationen von den Germanen Caesars; haben in
dieser geringen Zahl der Geschlechtsfolgen wirklich grundlegende Aenderungen des
Körpers und des Geistes der Hassen vollendet werden können '? ! — Der Histo-
riker ist freilich im allgemeinen nicht geneigt, unter diesem physiologischen Ge-
sichtsivinkel zu betrachten.
15
l'chcr die irirtsrliaftliclu'ii iiiid jxilif/sriien Verhältnisse bei den Germanen. 63
hiess es, wie wir S. 'A f. sahen. allenlin<;s «'v//«' h^njins anno reniancre tino
in hco ineolendi eausa licet von den Schwaben, was eventuell auch auf
einen Wohnungswechsel des ganzen Stammes alle zwei Jahre hinweisen
konnte. VI 22, 2 jedoch steht kein Wort von einer solchen Gepflogenheit,
liat'ür aber heisst es ganz ausführlich, nachdem die Worte ne(iHe (pt/s(jiunn
fif/ri modnm eertuni auf fines /lafjet proprios denen sed privati ae .separati
ar/ri apiid nihil est, man kann nicht anders sagen, als direkt entsprochen
haben, sed magistndas ac principcs i n anno s s i n yulo s yentihus eoij-
nationdmsque hominitm, qiii tum nna eoierunt, quuntum et quo Inen risnm
est agri attrihmtnt atqiie n n n o p o s t alio transire cotjunt. Und darauf
folgt das weitläufige Kaisonnement.
Was bedeutet das anders als die stillschweigende Kon-ektur der in (hm
früheren Kommentar gegebenen Nachricht von dem jährliclien Wohnungs-
wechsel der Germanen ? Dabei lässt der Wortlaut der Stelle noch durch-
schimmern, dass Gaesar die frühere irrige Mitteilung vor Augen hatte, als
er das Spätere niederschrieb. Warum also kassierte er nicht einfach die
falsche Nachricht IV 1, 7b und liess nur den ersten Teil 7a stehen, indem
er die ausführlichere Mitteilung dem sechsten Kommentare vorbehielt y
Warum?
Weil er das früher Geschriebene nicht mehr kassieren k o n n t e, oder
anders ausgedrückt, weil Buch IV bereits veröffentlicht war. als
Buch VI niedergescli rieben wurde.
Daher hat Caesar seinen anfänglichen Irrtum an dieser ihn so stark
beschäftigenden imd überhaupt so allgemein interessierenden Stelle still-
schweigend verbessert als Meister der Sprache in einer wundervollen Form,
auf deren stilistische Feinheit wir aufmerksam machen zu müssen glaubten.
Man mag sich wenden, wie man will, es findet sich an diesem Punkte
keine andere Erklärung; sie erbringt gleichzeitig den Nachweis, dass zum
mindesten Buch IV bereits in der Oefifentlichkeit verbreitet war, als
Buch VI. in dem die gallisch-germanische Digression als integrierender
Bestandteil erwiesen ist, erst geschrieben wurde.
Wir haben im Rahmen unseres Aufsatzes nicht erschöpfend nachzu-
weisen, dass überhaupt jeder einzelne Kommentar am Ende oder am An-
fang jedes einzelnen Jahres publiziert worden ist. Innerlich wahrschein-
lich ist es in hohem Masse. Verfasser sieht im übrigen soeben, dass die
gleiche Auffassung von H. Walt her in No. 13 der Detdschen Literatur-
zeitung 1910 anlässlich seiner Besprechung von Eberts Buch geteilt wird :
„Allerdings lassen sich (für die jährliche Veröffentlichung) bestimmte
Beweise nicht beibringen ^). aber sollte Caesar sich begnügt haben, nur
durch kurze Berichte an den Senat seine Kriegstaten in das richtige Licht
zu setzen? Sollte er wirklich die Papvrusrollen, die seinen Ruhm ver-
1) Das ist nicht mehr haltbar und ersichtlich geschrieben unter dem Plinfluss
von Eberts unerwiesener Behauptung S. 74. vgl. dazu oben S. -59.
16
64 Ofh Th. Sr/iiiL-.
künden und seine Autorität stützen mussten. auf seinen oft beschwerlichen
Kriegszügen lange Jahre hindurch gleichsam als Ballast mit sieh geschleppt
haben, während, wie wir wissen, in Rom seine Gegner durch böswillige
Ausstreuungen ihm auf jede Weise zu schaden suchten?"
Es gibt in der Tat wohl nichts, was dieser Annahme an innerer Un-
wahrscheinlichkeit gleichkäme, zumal wir uns nicht erklären könnten,
warum dieser hervorragende Schriftsteller nicht wenigstens einige der auf-
fallendsten Unebenheiten und Diskrepanzen hätte verbessern sollen, wenn
er die Kommentare so lange bei sich führte und gewiss doch hier und da
wieder überlas oder in ihnen, die eigene Erinnerung wachzuhalten und zu
unterstützen, nachblätterte ').
Also: nur die Institution des jähi-lichen Flurwechsels ist nach Caesar
germanisch : er erfolgt so. dass jedesmal die einzelnen Geschleehtsverbände
und Sippschaften zusammentreten und dann von den magistrafus ac prin-
cipes nach deren, wie wir wohl hinzufügen dürfen, durch Sitte und Her-
kommen geregeltem Belieben ihren Anteil am Ackerland erhalten, den sie
im nächsten Jahr mit einem anderen vertauschen müssen. Magisfratiis ac
principes gibt es, jedoch nach Kap. 23. 5 nur für die örtlich enger um-
grenzten regiones ntque ])agL nicht aber gemeinsamme Stammesbehörden,
die erst in Kriegszeiten in Aktion treten. Man hat öfters beliebt, die
Worte Caesars so zu übersetzen, als ob er von -Häuptlingen" bei den
Germanen spräche. Das ist ganz und garuicht der Fall.
Denn es ist wohl nicht abzustreiten, dass die Bezeichnung .Häupt-
ling" dem herrschenden deutschen Sprachgebrauch zufolge die Vor.stellung
auslöst, dass die betreffende Person mit ausserordentlicher, wenn nicht
unumschränkter Machtbefugnis ausgestattet sei und diese jederzeit gegen-
über ihren .Untertanen" anwenden könne, wie das bei dem Kegerhäupt-
ling ganz despotisch, bei dem Indianerhäuptling in milderer Form der Fall
ist. Immer aber steht der Häuptling hoch über .seinem" Stamm. Beide
verbindet kein gemeinsames Gesetz, nur bisweilen Sitte und Herkommen.
Der Römer nun spricht von »lagisfmtus ac p)-hici2)es der einzelnen Bezirke
des Stammes, das heisst in dem Sprachgebrauch der klassischen Latinität
.Behörden (Beamte) und Erste", weiter nichts. Die magisiratiis der Ger-
manen sind mithin diejenigen, denen in den Bezirken ein ge'W'isser behörd-
licher oder, wir- können auch sagen amtlicher, obrigkeitlicher Charakter
zukommt, ad hoc : zur Verteilung des Ackerlandes und, wie ein Blick in
1) So beispielsweise gleich Kap. 29, 4 im sechsten Buche : per Arduennam silvam,
quae est totius GalUne maxima atque ab ripis Rheni finibusque Treverorum ad Nemos
pertinet milibusque amplius D in longitudinem patet, während V 3, 4 es noch unbe-
stimmt heisst: in silram Arduennam abditis. quae ingenti magnitudine per medios fines
Trererorum a flumine Rheno ad iniiiiim Eemorum (!) pertinet. Caesar hat eben erst
die genauere Kenntnis erworben, nachdem Buch V veröffentlicht worden war, sonst
würde er die frühere Angabe doch höchstwahrscheinlich korrigiert haben. Vgl. auch
Ebert 1. c. S. 61 f.
17
l'chcr die u-irfscliaftlirhen und polifisrlini Verhältnisse hei dev fierwone». 65
Kap. 23, 5 zeigt, wohl auch zu Zwecken der Rechtspiecliung und zur
Schlichtung von Streitigkeiten. Ihnen zur Seite und der ganzen Natur
der Sache nach zu einem guten Teile, vielleicht vorwiegend mit ihnen
identisch stehen die prineipes, die „Ersten", das sind die Miinuor. die als
die hervorragendsten ihres Gaues sich bewährt haben und an Ansehen
allen Uebrigen voranstehen, aber keine „Häuptlinge" mit diski-etionärer
Gewalt über die Ihrigen, sind doch gerade die Germanen „von Kindheit auf
an keine Pflicht oder Disziplin ') gewöhnt und tun überhaupt nichts gegen
ihren Willen' (IV 1, 9: quod a piieris vnlln offirio auf disrip/iiid fissxefacii
nihil nmnino contra roJitntntem facinnt).
Man bemühe sich nur, die Worte Caesars nach Möglichkeit genau zu
interpretieren, der Lohn dafür wird nicht ausbleiben. Denn e r hat, wie
kaum ein Zweiter, gewusst, was er sagen will und wie er die Worte
wählen soll, um die interessanten germanischen Zustände seinen Lands-
leuten in Rom zu verdeutlichen, immer bestrebt, streng sich an das zu
halten, was er auf dem Grund der ihm vorliegenden Berichte für wahr
erkannt.
„Er beginnt den Entdecker mit derselben Genialität zu verkörpern
wie den Feldherrn, ja er scheint über jenem diesen zu vergessen; — mit
einer gewandten Redensart, mit einer eleganten Handbewegung wendet sich
der Führer Dingen zu. die unser ganzes Interesse in Anspruch nehmen;
wie lauschen wir ihm und wie bewundern wir ihn, der über das Dasein
eines fremden Volkes, über eine akademische Frage mit derselben Klar-
heit, mit demselben Interesse zu sprechen weiss wie über seine grossen
Taten. Doch vergessen vfir darüber ganz, dass er eigentlich unsere Blicke
abzieht von einem Punkt, über den wir gern etwas hören wollen, den er
aber verschweigen will? Nein. Aber wir sind nicht gekommen mit der
vorgefassten Meinung, eine rein tendenziöse Erzählung zu hören, und hüten
uns jenes Negative an die erste Stelle zu setzen ; denn wir kennen den Mann
genau genug, um zu wissen, dass er trotz gelegentlicher diplomatischer Ab-
weichungen vom Wege der Rechtlichkeit im Innern — wie jede Grösse —
wahrhaftig ist: . . . geniessen wir den grossen Eindruck, wie hier das Genie
auf seine besondere Art dem Geiste eines starken und gesunden Volkes
den Tribut seiner Bewunderung zollt und zugleich das Wesen dieses Volkes
klarer erfasst hat als die ganze Gelehrsamkeit seiner Zeit" -).
Caesar hat sich seine selbst gewählte Aufgabe in Buch VI wirklich
nicht leicht gemacht. Das zeigt schon die präzise Ausdrucksweise von
Kap. 22, 2, dass er bemüht ist. Missverständnisse von dem Leser fernzu-
halten, wir werden jetzt wohl sagen dürfen, nicht zuletzt auch deswegen.
1) Das einzig bezeichnende Fremdwort ist mit Absicht stehen gelassen.
2) Warme Worte der Bewunderung für Caesar von Ebert 1. c. S. 79 f. ; vgl. das
oben S. -59 f. Ausgeführte über die ursprüngliche Zugehörigkeit des Exkurses zu Buch VI,
die Ebert indessen nicht unter Beweis gestellt hatte.
Klio, Beiträge zur alten Geschichte XI 1. 5
18
66 Otto Th. Schulz,
weil ihm selbst ja früher in der Frage des jährlichen Wohnungswechsels ein
solcher L-rtum passiert war : agri modiini cerium auf fines — proprios ; magi-
atratns ac principes in annos singulos gentihus cognationihusque hominum,
qiii tum utm coierunt, quantum et quo — anno post. Es ist das erstemal
überhaupt, dass mr von der Bedeutung von Familie (Geschlechtsverband)
und Sippschaft bei den Germanen, die sich bis auf ihre Siedelungsform er-
streckt, reden hören.
Die eigenartige germanische Institution interessiert und befremdet den
Römer zu gleicher Zeit : ausführlich versucht er daher, sie sich und seinen
Landsleuten zu erklären, indem er nach bekannter antiker Schriftsteller-
sitte diese Erklärungen den Germanen selbst in den Mund legt. Es ist
dabei folgende einfache Erwägung anzustellen: Unmöglich haben die
Gei-manen der Zeit Caesars ihre agrarischen Gepflogenheiten in der Weise
zu rationalisieren gesucht, wie das Caesar hier tut. ja es ist in hohem
Masse unwahrscheinlich, dass sie überhaupt über die Entstehung und Be-
gründung der ihnen natürlich als selbstverständlich vorkommenden Sitte
damals schon nachgedacht und die Resultate ihres Nachdenkens in irgend-
welche »udfae caitsae für dieselbe formuliert haben sollten, die sie nun
etwa dem sie interviewenden Römer vortrugen. Kap. 23. 3 bietet somit
lediglich fünf Auslegungen Caesars, unter denen er noch dazu dem Leser
die Wahl lässt : sie sind an sich für ims unverbindlich, dennoch von Wichtig-
keit und wert, im einzelnen geprüft zu werden, weil sie sich stützen auf
geschichtliche. tatsächUche Verhältnisse, über die sich ein Augenzeuge der-
selben Gedanken macht. Daher lassen sich verschiedene Folgerungen aus
ihnen ziehen, von denen wir einige verweilten können.
1. Die ununterbrochene Gewohnheit der Sesshaftigkeit solle sie nicht
dazu bringen, den Kriegseifer mit dem Ackerbau zu vertauschen: nahe-
liegende Folgerung Caesars aus dem IV 1, 4 ff.. VI 21, 3 und 22, 1 Mit-
geteilten ').
2. Damit sie nicht darauf ausgingen, weite Fluren zu erwerben und die
Mächtigeren nicht die Geringeren aus ihrem Besitz vertrieben: Die pos-
sessiones können natürlich nur der zugewiesene Ackerbe.sitz sein, so dass
die Geringeren ihren Anteil daran schliesslich verlören. Es interessiert in
diesem Zusammenhange aus Tacitus Germania Kap. 26 zu ersehen, dass
fünf Menschenalter später die Ackerverteilung schon secinifhtm dignationem,
mithin nicht mehr ex aequo vor sich ging.
Es gibt also Mächtigere und Geringere: potentiores — humiliores auch
nach Caesar, keine , allgemeine iu"sprüngliche Gleichheit", wie sie in den
Köpfen der sozialdemokratischen „Historiker" spukt. Wir werden bald
1) Man beachte, dass auch daraus hervorgeht, dass der gegenwärtige Zustand
der Germanen ein Mangel an Sesshaftigkeit ist, was nach dem bisher Gehörten voll-
kommen korrekt ist. Nur hat man hierbei nicht mehr an jährlichen Wohnungs-
wechsel zu denken!
19
Uchcr die irhisc/iitffl/r/irii und iwliti.sclicn Vcf/iältiiissc hii den Genitftneii. 67
Gelegenheit lüiben, zu sehen, worin der Unterschied zwischen beiden be-
stand, wie er sich begründen und befestigen mnsste selbst unter den primi-
tiven Verhältnissen der frühen Zeit.
3. Damit sie keine Häuser bauten, die besser geeignet wären. Kälte
und Hitze zu entgehen: Es spricht der Augenzeuge Caesar, der die primi-
tiven VVohnstätten der Germanen gesehen und sie als Südländer doppelt
unzureichend zum Schutze gegen die Unbilden der nordischen Witterung
empfunden hat. Zur Abhärtung vergleiche VI 21, 3 b sowie IV 1, 10: (deine
in eam se consudmlinem adänxerunt, ut loris frif/id/ssim/s ueipie ecstitus
praeter pelhs haherent quicquam etc.
4. Damit keine Begierde nach Geld entstehe, woraus nur Parteiungen
und Zwistigkeiten erzeugt wUi'den: Wenn irgendwo, so tritt hier deutlich
zutage, dass der Römer, nicht ein Germane rationalisiert. .Jedes weitere
Wort erübrigt sich hierzu.
5. Um das Volk durch Zufriedenheit in Ordnung zu erhalten, da jeder
sehe, dass seine Mittel mit den Mächtigsten gleichgestellt seien: Ein
höchst wichtiger Passus, dem die Tatsache zugrunde liegt, dass bei den
Germanen jedes Mannes 02}es denen auch des Mächtigsten gleichkomme.
Was heisst opes? Ganz allgemein „Mittel" und nichts weiter; worin diese
Mittel bestehen, geht jeweils aus dem Zusammenhange und der Färbung
des betreffenden Berichts oder der Erzählung hervor '). So kann es an
1) Das Wort opes lässt sich mit Sicherheit an 12 Stellen bei Caesar nachweisen:
Im Bell. Civ. I 8-5, 5 neque nunc se . . . postulare, quihus rebus opes augeanlur suae,
II 5, 5 ut si . . . superavissent vel domesticis opibus vel exteriiis auxiliis de salute urbis
confiderent (besonders lehrreiche Stelle), III 3.5, 2 summae nobilitaiis adulescens suis
ac suorum opibus Caesarem enixe iurnbat, III 103, 3 «f . . . illius opibus iti calaniitale
tegeretur.
Im Bell. Gull. VI "21. 2. wo es besser nicht mit H. Mensel im Lcxicon Caesdria-
mim II Sp. 9.52 nu.viliuni gleichzusetzen ist, da man es ebenso gut seiner folgenden
Rubrik, die vielleicht nur mit facultaies zu überschreiben gewesen wäre, zuweisen
kann: deorum numero eos solos ducuirt, quos cennint et ijuorum apertc opibus iuvantur ;
VI 1.4 et celeritate et copiis docuit, quid poptdi Rotnani disciplina atque opes jiossent,
wiederum höchst lehrreich : die disciplina bezieht sich auf die Schnelligkeit, mit der
der militärische Apparat funktionierte, die opes auf die Stärke der Truppen, die
-Machtmittel' des popidus Romanus, dann VII 39. 2 in illa magistratnum controversia
alter pro Convicfolituvc, alter pro Coto suminis opibus pugnuvcrant sowie VII 14, 6 harum
ipsis reniin copiam sujijietere, quod, quorum in fiiiibus bellum gerutur, eorum opibus sub-
leventur; II 14, 6 quorum au.Tdiis atque opibus, si qua bella inciderint. sustenfare con-
suerint, das ist ganz entsprechend BC II -5,5, wo es noch genauer hiess rel dome-
sticis opibus vel e xternis auxiliis (vgl. oben); weiter I 20,3 quibus opibus ac
nervis non solum ad minuendam gratiam, serf paene ad perniciem suam uteretur, ct. Ci-
cero ad Att. IX 16,3 tu relim mihi ad urbeti^ praesto sis, ut tuis cousiliis atque opibus,
ut consuevi, in omnibus rebus utar („Mittel des Geistes, Fähigkeiten', sicher nicht
.Geld' !), und endlich gerade das Gegenteil bei Caesar B. (lall. VII Tii, 2 tania tarnen
universae Galliae consensio fuit libertatis rindicandae et 2>ristinae belli laudis recupe-
randae, ut . . . . omnesque et unimo et opilnis in id bellum incmnberent, das heisst .mit
ihrem ganzen Sinnen und Trachten und all ihren (Macht)initteln (,mit Blut und Gut'),
5*
20
68 Otfo Th. Schuh.
dieser Stelle nur verstaiulen werden als die Mittel, die nian für den
Lebensunterhalt aus der Bebauung des Ackerlandes erwirbt, als die Erträg-
nisse aus der Bebauung des Ackers, an dem niemand privates Sonder-
eigentum besitzt, an dem alle Mannen gleichen Anteil haben.
Wir stehen damit an einer Stelle von fundamentaler Wichtigkeit.
Mit der richtigen Auslegung des Wörtchens opes, das Caesar sehr
wohlweislich wählte, weil es eben erst durch die Verbindung, in die es
ti-itt, Leben und Farbe gewinnt, an sich jedoch weder „Reichtum" noch
„Macht" noch „Eigentum" schlechthin bezeichnet, ist ähnlich viel gewon-
nen wie mit der des Wortes princeps. Jedesmal stürzt eine ganze Reihe
von Hypothesen zusammen, die von einer inügen Interpretation ausgingen.
Die Latinität eines Caesar ist nun einmal so klar und präzis und steht in
so hellem Lichte der Wissenschaft, dass es einen unverantwortlichen Ver-
zicht auf Erkenntnis leisten hiesse, wollten wir nicht endlich einmal ebenso
klar und scharf fassen, w a s e r sagen wollte und wie er es sagte. Der
Stein des Anstosses. die Falschmeldung des jährlichen Wohnungswechsels,
die so bequem herangezogen werden konnte, um auch andere Teile seines
Berichtes über die wirtschaftlichen und politischen Zustände bei den Ger-
manen verdächtig zu machen, ist ja ein für allemal hinweggeräumt.
Immer klarer vrbrd das Bild, das Caesar auf Grund eigener Erfahrung
und Erkundung mit ruhigen, la-äftigen Strichen zeichnet.
Es gibt Mächtige und Geringe, aber das. was besonders
dem wenig Fleisch konsumierenden Südländer so einzigartig und erstaun-
lich scheint, ist. dass allen der gleiche Anteil am Ackerland zukommt
imd damit die gleiche Höhe des Ertrages an Feldfrüchten. Xiir die Ein-
fachheit der gesamten Lebensführung, der Mangel an jeglichem Luxus, wie
ihn Caesar auch noch im zweiten Kapitel des vierten Buches schilderte,
kann das einigermassen verständlich machen ').
Man fragt jetzt un^vdllkürlich. wie ist unter solchen Verhältnissen die
Existenz von potentiores, ja potentissimi und humUiores eigentlich denkbar?
Caesar gibt selbst wieder, wenn auch indirekt, die sichere Antwort darauf,
die mit allem, was sich sonst noch auf dem Wege der Praehistorie und
Linffuistik erschliesst. übereinkommt.
folglich auch mit ihrem .Geld und Gut'. Das Wort opes der klassischen Latinität
ist in der Tat der farblose Kristall, der wechselnd in den Farben erstralilt. die von
seiner Umgebung aus sich in ihm brechen. Es ist ein besonders glücklicher Um-
stand, dass die deutsche Sprache ein an sich gleich neutrales Wort aufweist Mittel:
„Das setzt der mit allen Mitteln durch! Aber hat er die Mittel dazu? Nun, er
wird schon Mittel und Wege finden, ■ Und so fort!
Vi IV 2, 1 mercatoribits esl orfifu.« maffis eo, iit qicae hello ceperint quihiis teiidant
habeaiit. quam quo tiUam rem ad .«<> importari desidereiit. Was zahlten wohl die Kauf-
leute dafür? Etwa Geld? Und in wessen Besitz kam das Zahlmittel ? Tgl. oben
S, 70 f. Vielleicht auch IV 2, 6 viitum onmino ad se im})0}iari iion paiiuntur, quod ea
re ad laborem ferendum retttoUescere homines atque effeminari arhitrantur.
21
Ucher die irnisc/iiiftl/clici/ mnl politisc/icii Vcrhiiltnissc hei de». (IniiMUcn. 69
Bei alloilein, was wir in Kiip. 21. 2 hörten, iiiindelt es sich ledifflich
um ein w i r t s c h a f U i ch e s Moment. Es ist ein grosser Fehler ge-
wesen, wenn man versucht hat, dariui politische Erwägungen mitanzu-
knüpfen. Nein, von politischer Gleichstellung der Stammesgenossen ist
bei Caesar nirgends die Kede. Gleichheit herrscht allein nach zwei Rich-
tungen: in der Verteilung der AckerUlndereien und teilweise im Zusam-
menhang hiermit: in der Einfachheit der Lebenshaltung. Wir dürfen ruhig
behaupten, dass ebenso wie 150 Jahre später zur Zeit des Tacitus. so auch
damals schon — vielleicht sogar in noch höherem Masse — Luxus direkt
als des Mannes unwürdig, wenn nicht schimpflich galt^).
Gleichwohl existiert Privateigentum, und zwar in sehr verschiedenem Um-
fang. Worauf gründen wir unsere Behauptung und worin hat es bestanden ?
Wir können da einmal verweisen auf die p r a e h i s t o r i s c h e n
F u n d e, die tausendfache Belege dafür erbracht haben, dass ein stark
differenziertes Privateigentum schon zur Zeit des Ueberganges von der
neolithischen zur Bronzekultur (das bedeutet etwa 20 Jahrhunderte vor
Caesar, als das indogermanische Urvolk sich eben zu spalten begann) in
Mitteleuropa bestand, und zwar zunächst an allen solchen Gegenständen,
die für den persönlichen Gebrauch und den persönliclien primitiven Schmuck
dienten.
Dass mit ihnen ein verhältnismässig ausgebreiteter Handel getrieben
worden ist. beweisen im übrigen die vielfachen Depotfunde, die be-
kanntlich sich meist nur so erklären lassen, dass ihre Materialien zurück-
weisen auf Händler, die in Gefahr oder irgendwelche Misshelligkeit ge-
rieten und ihr Gut durch Vergraben oder Verstecken für später zu retten
hofften. Die Depotfunde häufen sich in der weiteren LTmgebung Leipzigs
zum Beispiel meist um die Salzstadt Halle herum, deren natürliches Er-
zeugnis schon in der Vorzeit ein ebenso wichtiges Handelsobjekt war, wie
es heutigentages das fast unentbehrliche Salz etwa im Innern Afrikas dar-
stellt. Es veranschaulicht in lehrreicher Weise den Umfang dieses prae-
historischen Handels, wenn wir hören, dass hier einmal in 1200 Stück
volle 7 Zentner Bronze sich gefunden haben oder aber 120 Bernstein-
perlen aneinandergereiht, mithin eben noch nicht zum Schmucke ver-
wandt, jedoch ersichtlich zum Tausch oder Verkauf für ihn bestimmt^).
1) Z. B. GerTOOxia Kap. h; l.")Ende; auch i'i (nur der alte deutsche Durst ist es
hier, der zu ausschweifenden Gelagen führt !); 26. — Zur Einfachheit der Lebensweise
der Germanen vgl. auch noch Caesar selbst im B. G. VI 24, 4fl'. : nunc, quod in ea-
dem inopia, erjestate, patientia, qua {ante}, Germani permanent, endem victu et cultu
corporis utiintiir, Oallis autem provinciarum iinipiniinitns et Irnnsmariiiarum rerum no-
tititia multa ad lopiam atqne usus laryitur, paulatim assuefacti superari multisque vidi
proeliis ne se quidein ipsi cum Ulis virlute comparant. Man bemerke wiederum die
starke Betonung des Unterschiedes zwischen beiden Völkern.
2) So die Depotfunde von Gröbers, Dieskau, Karsdorf- Pegau ! — Die Bronze-
ware ist schon ganz frühzeitig im Lande selbst bei Leipzig gegossen worden ; bei
22
70 Otto Th. Schuh,
Was gewann nun der Händler bei diesen beiden ? Was war bei
„Arm" und , Reich", wenn auch, ciuantitativ in verschiedenem Masse zu
holen? An Geld, ungemünzt oder gar gemünzt, kann selbstverständlich
nicht gedacht werden, ganz abgesehen von dem direkten Zeugnis des Cae-
sar Yl 22, 3 '). Es ist der Besitz von Vieh, der den Umfang des Privat-
eigentums so recht eigentlich bezeichnet, der die „Vermögens Verhältnisse"
der potentissimi über die der humiJiores und letzthin über diese selbst er-
hebt -). Wir werden noch sehen, aus welchem einfachen Grunde.
Die vergleichende Sprachwissenschaft hat uns längst darüber belehrt,
dass diese Entwicklung bei den Germanen nicht isoliert dasteht, dass
vielmehr die Begriffe -Geld" und „Vieh" überall bei den Ariern ursprüng-
lich miteinander identischen Ausdruck durch die Sprache fanden; vgl.
beispielsweise Alois Walde, Lateinisches EtijmoJogisches Wörterhuch, 1906,
S. 455:
„pecu, -iis, pecus, -oris und -udis „Vieh", pecfdiitm „Vermögen", pe-
cünia „Geld": u. pequo „peciia", got. failix „Vermögen. Geld", ahd. usw.
fihu „Vieh": ai. pä-rx, pacü, parii-s, av. juisii „Vieh" : lit. (mit abweichen-
dem Gutt.) 2)(%iis. apr. pechi „Vieh" etc. etc.
Es hiesse. Eulen nach Athen tragen, wollten wir liier altbekannte
Dinge näher detaDlieren.
Denn jetzt ist Wichtigeres zu tun.
Der Historiker hat sich hineinzudenken in die einfachen Verhältnisse
der frühen Zeit und da. wo die direkte Ueberlieferung versagt, zu der be-
rechtigten Konstruktion selbstredend mit aller gebührenden Vorsicht zu
schreiten.
Knüpfen wir au das farblose Wort opcs an: Gleichheit hat es nur
gegeben in den ojks, das heisst den Mitteln zum Lebensunterhalt, die man
aus der gleichmässig verteilten Ackerflur gewann; dafür ist Caesar aus-
drücklicher Zeuge; nicht jedoch existierte Gleichheit in all den andern
opes, die im Menschenleben wirksam werden. Konkret ausgedrückt: Un-
gleichheit heiTSchte einmal in den Mitteln, die man gewaun aus dem ver-
Amruendorf. unweit südlieli von Halle, sind z. B. 50 Gussformen dafür gefunden
worden, teilweise auseinander gebrochen und den fertigen Bronzeguss somit heute
noch aufweisend. Also praehistorische Fabrikation auch bei uns. im übrigen schon
in der jüngeren Steinzeit, wie der Depotfund von Kleindölzig bei Leipzig zeigt, ab-
gebildet und besprochen von F. Max Nabe 1908 Die steimeitliche Besiedehmg der
Leipziger Gegend S. 4 fl'.
1) Anders bereits l'/? Jahrhunderte später laut Tacitus. Germania Kap. -5: pe-
cuniam probant veterem et diu notam. serratos bigatosque. argentum qitoque viagis quam
aurum sequuutur. nulla adfectione animi (sie!), sed quia numerus argciiteitrum facilior
iisui est promiscua ac vilia mercantibus. Das hat also die Berührung mit den Römern
in der Zwischenzeit schon bewirkt. Man erinnere sich an S. 51 '.
2) Cf. Strabos kurzen Bericht (oben S. 52), der vortrefflich mit Caesar zusam-
menstimmt, und auch noch Tacitus, Germania Kap. 5 : tiumero {armeniorum) gattdent
eaeque solae et gratissimae opes sunt.
23
i'cber die wirfsc/inftl/i/icii itnd jmlitisclicn VcrliäUnisse hei den Germanen. 71
schieden gestalteten I'riviitljcsitz von Vieh (und Waffen, wie sich «gleich
zeigen soll), Ungleichlieit dann natürlicherweise von jeher in den Mitteln
des Intellekts und der Stärke und Gewandtheit des Körpers des Kriegers.
Und das musste unter den lierrschenden Verliältnissen, wie sie uns Oaesar
schildert, wo der Krieg fast die Hegel, der Friede fast Ausnahme war.
wo freier, durch keinerlei „Hänptlingswesen" eingeengter Wettbewerb aller
Kräfte aller Volksgenossen sich im Kampfe betätigte, im Grunde einander
gegenseitig bedingen. W^ir meinen so: Persönliche Tapferkeit eignete allen
in ähnlichem Masse zu ; sie ist für diese Zustände einfach Voraussetzung
des Mannes {i:ir-(usf); indessen wer an Verstand, Kraft und Gewandtheit
die anderen übertraf, musste bald zu grösserem Ansehen gelangen als
diese, zumal wenn sich beides mit Wohlhabenheit, das bedeutet gi-össerem
Viehbesitz, verband. Dies letztere aber war wieder die von der Natur der
Dinge selbst gegebene Folge der hervorragenderen Mittel des Intellekts
und der körperlichen Tüchtigkeit. Denn wer mehr und ausgezeichnetere
Feinde als die anderen besiegte, gewann damit mehr und bessere Waifen,
als diese besassen. und das führte selbstverständlich wiederum dazu, dass
der. der im Besitze der besseren Waffen war, es verhältnismässig leichter
hatte, den Sieg zu erringen '), den Sieg, an den sich bald auch direkte
materielle Vorteile anschlössen, mag nun das Vieh der Gegner nach dem
Malsstab der persönlich erworbenen Vorteile verteilt worden sein, das wäre
quantitativ und vielleicht auch qualitativ verschieden insofern, als der, der
das Hervorragendste geleistet, den grössten und besten Beuteanteil erhielt,
mag auch nur zunächst daran gedacht werden, dass der, der allmählich
in den Besitz von soviel Waffen gekommen war, dass er und die Seinen
nicht mehr benötigten, die, welche er weiter im Kampfe von dem besiegten
Feinde gewann, gegen Vieh der Stammesgenossen austauschte: auf alle
Fälle ist grösserer Besitz ursprünglich durch grössere Tüchtigkeit,
grösseren Erfolg bedingt, und dieser dann zu einem guten Teile durch
den ersteren.
Und damit kommen wir so recht eigentlich zu der politischen
Kehrseite der Dinge. Freiheitlich ist alles geordnet, aber es ist g e o r d-
net, Caesar sagte es uns selbst; zwar herrscht keine römische „Diszip-
lin", keine Unterwürfigkeit überhaupt, gleichwohl eine feste Sitte, ein be-
stimmtes Herkommen, eine Ueberlegenheit derer, die das meiste „Ansehn"
haben, die die „Ersten" in den einzelnen Bezii-ken und Gauen sind, von
einer Art. die der Römer mit der der maijistmtiis, der „Behöi'den" glich.
Wir greifen immer mehr mit Händen, wie töricht es war, hier das Wort
„Häuptling" je zu gebrauchen.
Doch wir eilen zu weit voraus; zurück zu der Interpretation des Bd-
liim GaJlicuml
1) Man erinnere sich, welch unvergleichliche Rolle die gute ,Wehr miil Watlun'
noch im Nibelungenliede spielt!
24
72 Otto Tli. Schuh,
Kap. 23, 1 f. : Dasselbe in nur wenig veränderter Ausfübriing. was
Caesar bereits IV 3, 1 gebracht hat. Vhins ist einfach mit .Mannhaftig-
keit" zu übersetzen (rir-tus) ').
Kap. 23, 3 : stellt keinen tatsächlichen Bericht, sondern ein Raisorme-
ment des liömers dar, das er ganz ebenso wie in Kap. 22, 3 den Germanen
in den Mund legt : es erscheint völlig ungermanisch gedacht, das Verwüsten
des angrenzenden Gebietes als , Vorsichtsmassregel ' gegen plötzliche feind-
liche Einfälle in der Weise zu bezeichnen, dass man sagt : , Ja. so fühlen
wir uns dann übrigens auch sicherer und sind der Furcht (!) vor einem
plötzlichen Einhruche überhoben".
Kap. 23. 1 f. : Die erste rein politische Mitteilung. Aus ihr geht
hervor, dass die Zusammengehörigkeit des Stammes erst in Kriegszeiten
in äussere Erscheinung tritt. Nur dann, wenn es sich darum iiandelt. einen
Verteidigungs- oder einen Angrifiskrieg von Stammeswegen zu führen,
werden Männer als gemeinsame Kriegsbehörde zur Leitung des Feldzuges
gewählt. Diese haben für Kriegszeit dann natürKch auch Gewalt über
Leben und Tod. weil die Notwendigkeit von jeher erheischt hat. dass die
Befehlgewalt im Kriege eine unbedingte sei, um überhaupt erfolgreich
werden zu können. Das bekannte Wort hifer anna silent hujes gilt mutatis
mutandis schon im alten Germanien: denn im Frieden ist alles ganz
partikularistisch und ganz freiheitlich geordnet, so nämlich, dass dann
überhaupt keine gemeinsame Stammesbehörde existiert, sondern die
Ersten der Gegenden und Gaue (die . Gauvorsteher ') unter den Ihren
Recht sprechen und die Streitigkeiten, an denen es unter so leidenschaft-
lichen Naturen gewiss nicht gefehlt haben wird, zu schlichten suchen -).
Das ist also eine der praktisch wichtigsten Aufgaben, die im Frieden den
Bewährtesten und Vornehmsten zufällt und ihnen in gewissem Sinne die
Eigenschaft von Beamteten — wir sagen vielleicht besser: Beauftragten
— ihi'er näheren Stammesgenossen beilegt. Noch lange in historischer
1) Es könnte an dieser Stelle vielleicht der Einwand erhoben werden, dass ähn-
lich wie § 3 (vgl. oben im Text) anch § 2 schon ein Raisonnement des Autors wie-
dergibt ; dem steht unserer Auifassung nach entgegen, dass IV 3, 1 dasselbe eben-
falls in tatsächlicher Form berichtet sowie die innere Verknüpfung von § 2 mit § 1
(maxima laus — hoc proprium virtutis e.ristimanf). Caesar hörte eben von dieser eigen-
artigen und für ihn (wie noch für uns !) befremdlichen Autfassung des Begriffes
, Stammesruhm ' bei den Germanen und teilt sie daher mit: was er selbst dazu noch
zu bemerken hat. spiegelt im übrigen recht charakteristisch für die römische Auf-
fassung § 3 wieder. Im übrigen mag noch darauf aufmerksam gemacht werden,
dass Caesar im sechsten Kommentar nicht mehr von der eigenartigen Weise (der
Schwaben), rursus in ricem jährlich Krieg zu führen, spricht, ohne dass wir für un-
sere Zwecke daran weitere Erörterungen zu knüpfen brauchten.
2) Worin die Busse bestanden haben muss. ist nach dem vorher Ausgeführten
ohne weiteres klar : in Vieh. Die unmittelbare Bestätigung dafür findet sich noch
in der Zeit des Tacitus, cf. Cermania Kap. 21 luitur cnim etiam homicidium certo ar-
mentorum ac pecorum numero etc.
25
lieber die whisclKiftlicIioi und politisrltcn Verhältnisse hei den frcnnancn. 73
Zeit ernennt die Gauvorstilndt' die Volksversiimmlung. Von , Hilu})tliii'2;.s-
wesen" keine Spur!
Kap. 23, 6: Als kraftstrotzende, leidenschaftliche Männer, mit jeder
Faser des Herzens auf Wahrunfj; der persönlichen Freiheit und Ehre be-
dacht, treten uns die Germanen in der Geschichte des Altertums entgegen.
Es ist ein Ueberschuss an Kraft und Tatendurst in Friedenszeiten vor-
handen, der, nach innen gewandt, dem eigenen Stamm höchst gefährlich
werden kann, in der Tat ja auch des öfteren geworden ist'). Dazu kommt
die Neigung der Mannen, die Caesar hier andeutet und Tacitus in seiner
Germania -) mit Ausdrücken höchster persönlicher Verwunderung gänz-
lich unverdächtig schildert'^), im Frieden nur dem Müssiggang zu leben
und Trinkgelage Trinkgelagen folgen zu lassen, wobei der Xatur der
Sache gemäss die Gemüter sich des öfteren gefährlich zu erhitzen pflegen.
Deswegen also werden Raubzüge in die umliegenden Gebiete nicht
nur erlaubt, sondern direkt gewünscht ^), und sie erfolgen gewöhnlich laut
Kap. 23, 7 f. : unter der P^ührung eines der erprobten Ersten der
Gegend, der in der Volksversammlung sich zum Führer des Zuges erboten
und bald hier Gefolgschaft gefunden hat, die als unbedingt verpflichtend
für den gilt, der sich zu ihr einmal erklärt hat. Wir greifen mit Händen,
dass die politische und wirtschaftliche Stellung der 7)»7nr/^;e.5 infolge dieser
eigenartigen Gepflogenheit nur gewinnen konnte, einmal durch den direkten
Einfluss, den sie durch diese Züge auf ihre Gefolgsleute erhielten, dann
durch das Imponderabile der Gemeinsamkeit der Erinnerungen an Kampf
und Sieg mit diesen, das auch in sonstigen politischen Fragen zusammen-
führen konnte und musste, endlich durch die materiellen Vorteile, die sich
1) Man denke nur an die furchtbaren Tragödien, die sich innerhalh des Stammes
der Cherusker anschliessend an die Ermordung des vere liberutor Germaniae Arminius
abgespielt und in wenig Jahrzehnten den mächtigen Stamm aus dem Buche der Ge-
schichte gestrichen haben. — Es war (in Parenthesi bemerkt) fürwahr eine tiefe
Staatsklugheit des Tiberius. nach dem Jahre 11 die Germanen sich selbst zu über-
lassen, damit sie sich gegenseitig zerfleischen, — vielleicht wären sie als reife
Frucht dereinst doch Rom noch in den Schoss gefallen, wenn nicht Germanicus mit
seinen durch die vorhergegangene Meuterei der Legionen gewiss nicht etwa als Si-
cherheitsventil zu rechtfertigenden Kriegszügen den langsamen deutschen Michel
rechtzeitig gewarnt hätte. Eindringende Forschung wird je länger, je mehr zeigen,
wie verwerflich und töricht der kaiserliche Prinz gehandelt hat.
2) Z.B. Kap. 1.5 und 22 f. — Vgl. auch noch Caesar VI 28, 6b: atque in amplis-
üimis epulis pro poculis ntuntiir („Trinkhörner").
3) Die Züge der Trunksucht und Trägheit der Germanen in Friedenszeit sind
es vor allem, die nicht zu der bekannten Auffassung passen, Tacitus habe seinen
Römern einen germanischen , Sittenspiegel " vor die Augen halten wollen. Es Hesse
sich im übrigen bequem zeigen, dass die Germania einfach ein ethnographisches
Essai im Geiste der zeitgenössischen Schriftstellermode ist (Seneca !) und weiter nichts.
Doch das würde hier zu weit führen.
4) Ein nicht unwichtiger Vorläufer des Raubritterwesens, dessen letzte geschicht-
liche Verankerung unseres Erachtens bis hierher reicht.
26
74 Otto Tli. Schuh,
aus dem geglückten Haubzug am meisten selbstverständlich für den An-
führer ergaben. So liegen an diesem Punkte in der germanischen Vorzeit
bereits deutlich erkennbar — dank Caesar — die Keime zu der späteren,
frühmittelalterlichen Entwickelung.
Kap. 24, 2 f.: Wir wenden unseren Blick zurück zu der lieber-
schritt, die Caesar in pointierter Weise seiner germanischen Digression
gab „Unterschied der Gallier und der Germanen" und wir erinnern uns
noch einmal der so reiche Frucht bringenden Lehre von der sukzessiven
Entstehung der Koramentarien, die vermutlich überhaupt in die der suk-
zessiven Veröffentlichung auszubauen sein wird, wie sich ja schon
für uns hier zeigte, dass Buch IV wenigstens bereits veröffentlicht war,
als Buch VI erst geschrieben wurde.
Kein Geringerer als Karl M ü 1 1 e n h o f f in .seiner klassischen
Deutschen Altertum sliimde (II S. 154) hat bekanntlich erwiesen, dass Caesar
überhaupt der erste antike Autor ist, der mit seinem scharf und klar
blickenden Auge den Unterschied zwischen den Kelten und den Germanen
erkannt und herausgehoben hat. im Gegensatz zu den früheren Gewährs-
männern, mithin vor allem den Griechen, denen Germanen und Gallier eins
waren '), und im übrigen selbst in der Folge noch häufig genug eins ge-
blieben sind (Strabo VII 1, 2 p. 290 C. typisch!), bis zur Zeit des Cassius
Dio die alte Konfusion wieder das Normale ist '').
Betrachten wir nun den Bericht des Römers in dem vierten Buche
mit ruhigem BKcke. so tritt uns an dieser Stelle einfach die Erzählung
eines Augenzeugen entgegen, der nach seinen persönlichen Eindrücken und
Erkundigungen von den Schwaben als einem Volke erzählt, das seine eigene
Art hat, in unbefangener, selbstverständlicher Weise, ohne Betonung der
Differenz gerade zu den Galliern, die ohnehin sinnfällig ist.
Ganz anders VI 11, 1 non alienimi esse videtur de Galliae Germaniae-
que moribus et quo differant hae nationes inter sese ^^roponere und Yl 21,
nochmals Germani niultum ab hac consueiudine (sc. Gallorum) differimt^).
Ebert hat (a. a. 0. Seite 59) darauf hingewiesen, dass mit diesen Wor-
ten das „Leitmotiv für die ganze Abliandlung über die Gallier und Ger-
manen angegeben" sei und er fragt, woher diese „ausserordentlich nach-
drückliche Betonung des Unterschiedes" nun mit einemmale komme, wäh-
rend sie doch früher im viei"ten Buch ganz fehlte.
Ebert hat auch schon so ziemlich die richtige Antwort gefunden,
wenn er es ausspricht :
1) Poseidouios-Strabo ! — Schade, dass das, was lange vorher der erste Nord-
polarforscher, den die Geschichte kennt, P y t h e a s über die Gutonen und Teutonen
zu berichten gewusst hat, nicht mehr erhalten ist. Vgl. unter anderem des Ver-
fassers Entwicklung und Untergang des kopernikaniscken Weltsi/stems bei den Alten
Stuttgart 1909. S. 107 S.
2) Z. B. Buch 78 (Boissevain), Kap. 13. — 3) Vgl. oben S. .^)6. 60 f.
27
Ueher die wirtschafVirhc» umJ poJUisrhm Vr.rhnUninsc hei den Germanen. 75
„Caesar hatte, wie gesagt, von jeher die Ueberzeugung. — aber er
hatte nicht gewnsst. dass man in wissenschaftlichen Werken die entgegen-
gesetzte, falsche Ansicht aufgestellt hatte. Erst in diesem Jahre {sie!)
hatte er sich mit griechischen Geographen abgegeben, dort die falsche
Ansicht gefunden und sofort Anlalä genommen, sie zu bekämpfen. Er
hätte sicher Gelegenheit genommen, dies schon im vierten Buch zu tun,
wenn er damals jene griechischen Quellen so lebendig vor Augen ge-
habt hätte '). Darum dürfen wir es ruhig aussprechen : In die Zeit zwi-
-schen die Abfassung des vierten und sechsten Buches fällt die erste Be-
schäftigung Caesars mit griechischen geographischen Werken. (Das einzige
Kapitel, das dem widerspricht, ist IV 10. Es ist aus den verschiedensten
Gründen verdächtig) " -).
In der Tat erwähnt Caesar an unserer Stelle VI 24. 2 giiechische Geo-
graphen in einer Weise, die deutlich zeigt, dass ihm die betreffenden Au-
toren direkt vorlagen, als er seine Auseinandersetzung des Unterschiedes
zwischen Galliern und Germanen niederschrieb : circam Hercyniam silvam,
quam Eratostheni et (jidhiisdam Graecis^) fama not am esse video.
quam Uli Orcyniam appeUant. und noch ist die leichte Spitze erkennbar,
die Caesar in seine Worte hineinlegte: die Griechen kennen die Verhält-
nisse nur vom Hörensagen, er der Römer, hat sie zu einem grossen
Teile persönlich studiert *).
Wenn nun aber als erwiesen gelten darf, dass die „erste Beschäf-
tigung Caesars mit griechischen geogi'aphischen Werken" in die Zeit zwi-
schen die Abfassung des vierten und fünften bezw. sechsten Buches lallt,
so hat Ebert sich zum mindesten schief ausgedrückt, wenn er meint, der
Römer habe zur Zeit der Abfassung des vierten Buches jene Griechen
noch nicht „so lebendig" vor Augen gehabt. Was soll man sich eigent-
lich dabei denken? Nein, er hat sie bis damals überhaupt nicht vor Augen
gehabt, sondern ist eben erst dann, nachdem ihm die eigenartigen Zu-
stände bei den Germanen ein regeres Interesse abgewonnen hatten, zum
Studium der (giiechischen) wissenschaftlichen Literatur geschritten, bei dem
er auf die falsche gi-uudlegende Lehre von der Gleichheit der Gallier und
Germanen stiess, deren sein scharfer Kopf sich schon in Buch IV hätte er-
innern müssen, wenn er früher jemals sich mit diesen Dingen literarisch
beschäftigt hätte. Zugleich wird uns auch von dieser Seite her wieder
1) Sic' Bei Ebert nicht gesperrt.
2) Schon der Umstand, dass es völlig aus dem Zusammenhang herausfällt und
zwischen Kap. 9 und 11 stilistisch betrachtet in der Luft schwebt, zeigt nach un-
serer Meinung den späteren Einschub. — Irrig übrigens Klotz a. a. 0. S. 89 tt'.
31 Darunter Poseidonios!
4) Den ausführlichen Beweis, dass Caesar bei der Abfassung der vier ersten
Kommentarien noch keine geographischen Studien gemacht hatte, findet man bei
Ebert a. a. 0. S. .59 ff. Die Nachrichten über Britannien in Buch IV bezw. V spielen
hier eine wichtige Rolle. Vgl. S. 63 ft'.
28
76 Ofto Th. Schuh,
klai-, dass Buch IV. auf das Caesar so deutlich in Buch VI zurückgreift.
schon veröfi'entlicht war, als das letztere geschrieben wurde : sonst wäre
es doch das natürlichste gewesen, an der ersten Stelle die Polemik gegen
die herrschende irrige Ansicht einzufügen, anstatt die Auseinandersetzung
derartig zu verzetteln. Aber der Autor konnte nicht mehr in das
frühere Buch hineinkorrigieren: schon über ein Jahr war es seinen Hän-
den entglitten, schon hatte es seinen Weg in Rom gemacht, seine Wirkung
für ihn dort getan, wo der Mann selbst nicht zu weilen vermochte.
Wir stehen am Ende unserer Untersuchungen. Nur wenige Worte sind
noch zu VI 24, 2 f. zu äussern. Diese Sätze zeigen nochmals, wie vor-
züglich Caesar unterrichtet war und sie warnen nochmals den Historiker,
sich nicht leicht über den Wortlaut einer derartigen Quelle hinwegzu-
setzen. Der Römer spricht davon, dass es in Germanien fruchtbare Gegen-
den gibt, dass die .fruchtbarsten" um den Wald Hercynin liegen. Damit
hat schon Caesar das richtige Bild des damaligen Germanien angedeutet,
wie es dem modernen Forscher sich aus den praehistorischen Funden er-
geben hat; das grosse Land ist nicht lediglich oder auch nur vornehmlich
Waldwildnis und Morast gewesen, sondern hat ausgedehnte weide- und
anbaufähige Strecken besessen, die einzig imd allein das Anwachsen einer
starken und zahlreichen Bevölkerung ermöglicht und damit die Grundbe-
dingung ihrer weltgeschichtlichen Wirksamkeit erfüllt haben.
Das Kulturbild des alten Germanien nach der wirtschaftlichen Seite
hin, das uns Caesar entwirft, steht in Einklang rait Strabos kargen Worten
und mit den leider viel zu wenigen gesicherten Resultaten der ver-
gleichenden Sprachforschung und der Praehistorie und vermag beide in
glücklicher Weise zu ergänzen; daher dürfen wir ruhig annehmen, dass
sich die Verhältnisse hier seit der Zeit, da die Indogennanen noch zusam-
men sasseu. nicht wesentlich geändert haben, sondern in der Hauptsache
stabil geblieben sind '). Und wenn die Nachrichten unseres Autors nach
1) Die Kulturentwicklung der frühesten Zeiten ist bekanntlich allerorten eine
sehr langsame gewesen. — Verfasser glaubt im übrigen nicht, .dass die Auffindung
der tocbarischen Sprache (in Ostturkestan) doch wieder eine mächtige Stütze für
die asiatische Herkunft der Indogennanen bilden kann', wie soeben noch auf S. 45
S. Feist Eduard Meyers Ausführungen in seiner Geschichte des Altertums I "2. zweite
Auflage, S. 799 S. glaubt nachgeben zu müssen. Vgl. den lebendig geschriebenen
Aufsatz von S. Feist in SiegJiiis Quellen und Forschungen zur alten Geschichte und
Geographie, Heft 19, Europa im Lichte der Vorgeschichte und die Ergehnisse der ver-
gleichenden Sprachwissenschaft, 1910. Auch die kurze, aber präzise Besprechung von
M. Hoernes in Nr. 17 der Deutschen Literaturzeitung (1910): Es fehlt in der Tat .an
einer erfolgreichen Verschmelzung der gesicherten Daten. Denn wie
wenig zu solcher Verknüpfung Brauchbares ist in jenen drei Fächern (Linguistik.
Anthropologie, prähistorische Archäologie) als gesichert anzusehen! Und wie vor-
schnell werden von allen Seiten die zweifelhaftesten Resultate kombiniert!" — Um
so erfreulicher, dass die Quellenkritik Caesars uns sicheren Boden gab, der auch
für .jene drei Fächer- fruchtbar wird.
29
Uehcr die irhisrlinffUchrn kikI polifisrlin) Verliällniase hei (hn (hrwmioi. 77
der einen Kichtnni,' hin sieh bewährt haben, so ist methodisch (bis einzig
Zulässige, ihnen auch in der anderen Itichtung zu folgen, die sich mit den
politischen Zuständen der Germanen befasst. da sie denselben Charakter
wie die erstere aufweist: Klarheit im Denken und in der Darstellung,
wissenschaftliches Interesse für den Gegenstand selbst und Aufbauen auf
Autopsie und zuverlässige Nachrichten, von denen nur eine nicht Stich
hielt und deswegen von dem Römer selbst fallen gelassen ist.
Wir fassen zusammen:
Trotz aller Divergenzen in Einzelheiten kommt ])raehistorische und
linguistische Forschung jetzt darin zusammen, dass das indogermanische
Urvolk zur Zeit seiner Trennung und Spaltung, das ist, wenn wir die
beiden äussersten Ansetzungen, die Anspruch auf ernsthafte Beachtung
haben, mitteilen, zwischen 2500 und 1800—1600 vor Christus, die Kultur
des ausgehenden Neolithikum im Uebergang zur Metallzeit (Kupfer- Bronze-
zeit) besessen hat '). Zahllose Funde haben uns über die Waffen, Werk-
zeuge und Geräte jener Periode bis ins Detail informiert; sie haben auch
gezeigt, das damals bereits ein primitiver Ackerbau bestand von Weizen,
Gerste, Hafer, Leindotter. Spelt und Hirse und es ist durch die neuere
Forschung überhaupt wahrscheinlich geworden, dass nicht das Nomaden-
tum, sondern die relative Sesshaftigkeit verbunden mit rohem Hackbavi
die ursprünglichere Wirtschaftsform des jungen Menschengeschlechtes ge-
wesen ist, da sie ja auch die grössere persönliche Sicherheit gewährleistet-).
Sei dem nun, wie ihm sei. das eine steht für die germanische Vorzeit
jedenfalls fest, dass damals ein irrationeller Ackerbau, und zwar nicht nur
in der Form des Hackbaues, sondern bereits mit Benutzung des Haken-
pfluges '), getrieben wurde, irrationell schon deshalb, weil die regelmässige
Düngung des Landes noch unbekannt ist und infolgedessen die Tragfähig-
keit des Ackers, so kräftig und jungfräulich wir ihn uns auch sonst vor-
1) Eduard Meyer 1. c. S. 721. "i&h bezw. Hermann Hirt. Die Indiniermanen I S. 22.
Die Wahrheit liegt nicht immer, aber wahrscheinlich hier in der Mitte. Der Nach-
weis wird sich allerdings kaum je bindend erbringen lassen.
2) Wir können im Rahmen dieses Aufsatzes nicht näher auf diese eben recht ak-
tuell gewordenen hochinteressanten Fragen eingehen. Den wichtigsten Anstoss gab
hier wohl das interessante Buch von Karl von Steinen Uitter den Naturvölker)!
Zeniralhrasiliens 1894, das auch für diese Fragen direkt den Wert des originalen
Zeugnisses besitzt. H. Hirt hat mit Recht so stark die Bedeutung des Werkes in
seinen „Indogermanen" betont. Das eine gibt jedenfalls dem Historiker besonders
zu denken, dass ihm der Wagen im Altertum in dem konservativsten von allem,
was es gibt, dem religiösen Kulte, als der Gottheit des Ackerbaues geweiht entgegen-
tritt; er kann füglich ursprünglich nicht Verkehrsmittel gewesen sein, sondern war
Ackerbaugeriit !
3) Vgl. z. B. 0, .Schrader 1. c. II 2. 208 ft'. und J. Hoops 1. c. S. 499 Vi., wo sich
die vorzügliche Reproduktion des bronzezeitlichen Felsenbildes von Bohusliin : von
Rindern gezogener Hakenpflug mit Pflüger findet.
30
78 Otto Th. SrJnth,
stellen mögen, sich in nicht allzulanger Zeit erschöpfen niuss. was not-
gedrungen den Flurwechsel veranlasst ').
Bekannt ist am Ausgange des Neolithikums im mittleren und südlichen
Europa weiter die Kultur einiger Obstarten und überall die Zucht der
Haustiere, die den eigentlichen privaten , Reichtum" ausmachen ^). Geübt
wird ferner, wie der gemeinsame Sprachschatz beweist, Jagd und Fischerei.
Die Wohnungen der Menschen ähneln in ihrer runden Form dem Zelte
und sind wie jenes leicht abbrech- und aufrichtbar: über einer Höhlung
des Erdbodens geflochtene, mit Lehm gedichtete Wände. Sorgfältig werden
die Toten bestattet, schon greifen religiöse und ethische Vorstellungen tief
in das Leben selbst hinein . . . Doch d a s fällt bereits ausserhalb des Rah-
mens dieser Abhandlung. —
Wir deuteten schon einmal an, dass auch die Funde gelehrt haben,
dass es Arm und Reich gab ; die Sprachvergleichung führt hier viel weiter.
Die Worte für König und Königin, für den Herrn des Hauses und die
Hausfrau sind gemeinsames arisches Sprachgnt. übei-kommen aus der Ur-
zeit. Dem widerspricht nicht, was uns Caesar über die freiheitlichen In-
stitutionen speziell der Germanen erzählt hat; denn auch er kennt hoch
und niedrig, wohlhabender und ärmer und wir wissen aus unserer sonstigen
literarischen Ueberlieferung zur Genüge, dass es auch in Deutschland Fa-
milien gab, die sich königlichen Ansehens erfreuten, ohne die Königsge-
walt allerdings selbst auszuüben : Julius Civilis stammte aus einer solchen,
ein Marobod aber war direkt , König" seines Stammes ^).
1) So fällt auch von dieser Seite her ein Streiflicht eigener Art auf die Jlethüde
des jährlichen Flurweehsels bei den Germanen, den für Tacitus' Zeit noch die Ger-
mania Kap. 26 unmittelbar bestätigt agri pro nnmero cultorum ab universis {cices) oc-
cupantur, quos niox inter se secuudum dignationem (Fortschritt der Entwickelung vgl.
schon oben S. 66, 70, Anm. 1) partiitntur ; facilitatem parlkndi camporum spatia prae-
stant. arva per annos mutant, et superest ager. nee enim cum iibertate et amplitudine
$oU lahore coutendunt — sola tenae sege/> imperatur.
2) Vgl. oben S. 70 f. ausführlicher. Wie gefährlich Schlüsse e silentio der Funde
auch in der praehistorischen Archaeologie sein können, zeigt übrigens vielleicht die
Ende 1909 erfolgte Entdeckung eines steinzeitlichen Pfahlbaues in der Nähe der
Bahnstation Alvastra am Wetternsee in Schweden. Hier fanden sich neben Weizen-
körnern auch Aepfel und Haselnüsse ! (Korrespondenz der Vossischen Zeitwuj aus
Stockholm unterm 3. XH. 1909). Danach müsste Obstbau doch auch im nördlichen
Europa existiert haben.
.S) Cf Tacitus, Bistor. IV 13; — (jcrmania Kap. 7: reges ex nohilitate, duces ex
riritite sunnint. nee regibus infinita aiit libera potestas, et duces exemplo potius quam
imperio, si prompti, si conspicui, si ante aciem agant, admiratione praesimt. Das stimmt
ganz vortrefflich mit Caesar zusammen, nur dass sich natürlich in der Zwischenzeit
die nobilitas noch mehr konsolidiert hat. Folglich ist der Vorschlag, den J. J. Hart-
mann in der Mnemosyne 1910, S. 1-5.5 gemacht hat, exempli — imperii statt des Ab-
latives zu schreiben, hinfällig. — König und Königin heissen übrigens altindisch
räjan, rät und räjnl, lateinisch lea' und rep?Ha, König gallisch : -rix, Königin altirisch:
rigan, rigain ; Hausherr und Hausfrau altindisch daynpdtis, vt<;pdtis und vi^pdtnl, grie-
chisch öeonÖTtjQ und äfOTioiva, Hausherr litauisch reszpats. Vgl. S. Feist 1. c. S. 36.
31
Uchcr die iriiisilidftl/clirif itiid jiolit/schen VerliäUnissc lici den Germanen. 79
So ist denn das Bild, das Caesar von den iiolitischen Verhältnissen
bei den Germanen entwirft, besonders wertvoll und in den Einzelheiten
vmersetzbar für unsere Erkenntnis.
Wir sehliessen damit, dass wir es im gekennzeichneten weiteren litera-
rischen Zusammenhange und nach den in Betracht kommenden Ergebnissen
der Linguistik und Praehistorie niederzeichnen. Da Caesar es aber selbst
mit der Schilderung der agrarischen und wirtschaftlichen Verhältnisse inner-
lich verbunden hat, so haben wir zugleich auch diese nach dem Stande
seiner Kenntnis zur Zeit der Abfassung des sechsten Kommentars mit in
Betracht zu ziehen. So entsteht für ims ein, wenn auch nicht ganz voll-
ständiges, so doch recht umfassendes und klares Gemälde von noch allge-
meinerer kultureller Bedeutung, gegründet auf solider Basis.
Das bedeutet zwar bis zu einem gewissen Grade eine Wiederholung
des bisher im einzelnen Besprochenen, ist indessen immer wieder lehrreich
und wird hoffentlich nicht der Form nach als lästige Rekapitulation emp-
funden werden.
Zur Zeit Caesars wohnen die Germanen in leicht gebauten Rundhütten,
die nur einen spärlichen Schutz gegen die Unbilden der Witterung ge-
währen und ebenso rasch abgebrochen und auf die Wagen verladen, als
wieder aufgerichtet werden können. Diese Hütten sind häufig zu Sippen-
dörfern vereinigt, häufig liegen sie auch ganz vereinzelt und zerstreut in
der Landschaft umher ^). Denn der Germane will Bewegungsfreiheit nach
allen Seiten hin : wie jeder Stamm meint, es gereiche ihm zum besonderen
Ruhme, soweit als möglich um sein jeweiliges Gebiet herum Einöde und
Verwüstung zu haben, nachdem man die Grenznachbarn aus ihren Fluren
vertrieben hat, so baut im Kleinen der Einzelne sich so an. dass Raum
bleibt zwischen seiner Hütte und der des Nachbarn, — weit und frei!
•Ja, es ist ein freiheitsstolzes, rauhes, kriegerisches Volk, das dem Römer
da im Norden entgegentritt. Ganz eigenartig sind seine Sitten und Gebräuche,
grundverschieden von denen der keltischen Gallier. Unverständlich ist es.
1) Caesar äussert sich über die Siedlungsform der Germanen zwar selbst nicht
genauer, doch scheint er schon Nachricht vom , Sippendorf ^ gehabt zu haben, cf.
VI 22, 2 : auch ist hier der Rückschluss aus Tacitus erlaubt, da gewiss nicht ange-
nommen werden kann, dass die den Germanen eigentümliche Siedlungsart in den
l'l2 Jahrhunderten, die ihn von Caesar trennen, sich wesentlich geändert hat; Ger-
mania Kap. 16: rmllas Germanorum jwpulis tirlies habitari satis notum est, ne pati
quidem inter se iunctas sedes. cohmt (gleich incolunt.'] discreti ac diversi, ut fons, ut
Campus, ut itemus placuit. vicos locant non in nostrum morem conexis et cohaerentibus
aedifieiis: suam quisque domum spatio eircttmdat sive adversus casus ignis remedium
sice inscitia aedificandi. Das letztere ist mm freilich ganz vom Standpunkte des
Römers gesprochen, der vergeblich nach der richtigen Erklärung der befremdlichen
Erscheinung sucht. — Das Bild hat sich übrigens bis heute noch nicht verschoben ;
denn die Siedlungsart ist mit das konservativste von allem: die dumpfen, engen
Steinklumpen der italienischen Dörfer sind andererseits noch heute für den Deutschen,
der von den Alpen nach Süden herabsteigt, der erste Gegenstand des Befremdens
32
80 Otto Tli. Schul-.
dass man <iie beiden bisher für die echten und rechten Brüder gehalten.
Der germanischen Männer liebste Beschäftigung ist Jagd und kriege-
risches Treiben jeder Art sowohl im eigentlichen Kriege, den Stamm gegen
Stamm führt, als im selbsterwählten Kaub- und Freibeuterzug in stamm-
fremdes Land, das man als rechtloses , Ausland" empfindet; keine Spur
deutet auf das Bewusstsein gemeinsamer nationaler Zusammengehörigkeit.
Von frühester Kindheit an härtet man sich ab in allen Arten von Leibes-
übung, in der Ertragung von Mühen und Beschwerden. Und dies geschieht
freiwillig und gern, gemäss der herrschenden Sitte. So wachsen die Jüng-
linge fern von Zwang oder gar „Disziplin", aber auch fern von jeder
Verweichlichung zu jenen Hünengestalten heran, die seit den Tagen der
Kimbern und Teutonen noch so oft den Schrecken der Südländer bilden sollten.
Der Ackerbau wird im allgemeinen nur lässig getrieben, und zwar
in der Fonn des Raubbaues, so dass es die an rationelle Bodenwirtschaft
gewöhnten Römer und Griechen bisweilen bedünken will, als wenn den
Germanen eigentlich der Charakter des landbautreibenden Volkes fehle und
nomadenhafte Züge in seinem Vordergrund stünden. Denn die Germanen
sind vor allem Viehzüchter und dementsprechend Fleischesser im Gegen-
satz zu dem hauptsächlich von Zerealien lebenden Südländer; sie nähren
sich in erster Keihe von dem Fleisch und der Milch ihres Viehs, kennen
aber auch die Zubereitung von Käse und schätzen das Fleisch des erleg-
ten Wildes, der gefangenen Fische, hingegen nicht den Genuss des Weines,
den das rauhe Land selbst noch nicht hervorbringt. Allen gemeinsam ist
die Einfachheit der Lebensführung: Luxus und Geld sind unbekannte
Dinge *). Dennoch gibt es Wohlhabendere rmd Aermere infolge des schon
stark differenzierten Privatbesitzes an Vieh. Dagegen existiert kein Sonder-
eigentum in Bezug auf das Ackerland. Die Feldfiur. die der Bebauung
unterliegt oder die man vielleicht manchmal auch erst ui'bar macht, ge-
hört allen Mannen gemeinsam, ihre Bewirtschaftung mit Hilfe des Haken-
ptluges ist allerdings besonders den Frauen, Kindern und Greisen, das
heisst den nicht oder noch nicht bezw. nicht mehr Waffenfähigen über-
lassen -). Die Austeilung des Ackerlandes erfolgt alljährlich in den ein-
zelnen lokalen Bezirken gleichmässig ohne Ansehn der Person; die zu-
1) Ausschweifung herrscht einzig und allein im Trinken des stark alkoholhaltigen
Met, -worüber Caesar abgesehen von B. G. VI 28, 6 b (vgl. oben S. 73, Anm. 2) schweigt,
Tacitus so überzeugend wahrheitsgetreu in der Germania Kap. 22 f. berichtet. Fast
hat sein Schluss noch in unseren Tagen Gültigkeit si indniseris ebrietati suggerendo
quantum concupiscunt, haud minus facile ritiis quam armis vincentur.
2) Tacitus' Germania Kap. 15, das hier sehr wohl zur Ergänzung von Caesars
Bericht herangezogen werden kann, da dieser selbst schon die inertia der Mannen
in Friedenszeit YI 23, 6 andeutet. Tacitus verschweigt den Römern den Fehler der
Deutschen nicht : ipsi hehent. mira dirersitate naiurae. cum idem homines sie ament in-
ertiam et oderint quictem. — Eine ähnliche Abneigung der Männer gegen den Acker-
bau findet sich laut Herodot V 6 übrigens bei den Thrakern.
33
VrJicr ilic irh-tschaftHrlicti und /inl/l/srhr» Vcrliälfiuf:s/' hei ilrii Grnmnii)/. Sl
sanimen siedelnden Fuinilien tmd Sippschaften erhalten einen bestimmten
Anteil, den sie im nächsten .Jahre mit einem anderen zu vertauschen haben.
Mit dem Flurwechsel ist bei der vorhandenen «frossen Masse Landes
nicht notwendig Hauswechsel verbunden. Aber andererseits nehmen die
Germanen keinen Anstand, wenn das Weideland al)gegrast. der Acker er-
schöpft ist, dem ja noch keine Düngimg aufliilft, ihre Hütten abzubrechen
und mit Weib und Kind, mit ihrem Vieh, mit Sack und Pack, auf die Wagen
verladen, hinzuziehen, wohin es ilinen gerade gut scheint, zu neuer
vorübergehender Niederlassung. Eine Art Völkerwanderung ist so hier
von jeher in Permanenz ge\\esen ').
Dabei sind die Mittel, die aus den Erträgnissen des Landbaues ge-
wonnen werden, naturgemäss für Hoch und Niedrig dieselben, entsprechend
der gleichmässigen Verteilung der Feldflur. Für Hoch und Niedrig: Kei-
neswegs herrscht Gleichheit unter den Stammesgenossen, sondern es gibt
Ungleichheit. Ungleichheit der Mittel, die man gewinnt aus dem verschie-
den gestalteten Privatbesitz von Vieh, Ungleichheit in den Mitteln des
Intellekts und der körperlichen Stärke und Gewandtheit des Kriegers, den
Grundbedingungen der menschlichen Natur entsprechend, indem eins unter
den einfachen Verhältnissen der Vorzeit bis zu einem gewissen Grade das
andere bedingt -). Denn freier Wettbewerb aller Kräfte aller Volksge-
nossen vermag sich im Ki-iegs- und Raubzug zu betätigen, und dem, der
sieh auszeichnet, materiellen und ideellen Vorteil zu gewinnen. Materiellen
Vorteil: grösseren Besitz von Vieh und überlegenen Waffen ; ideellen Vor-
teil : Achtung und Ansehn unter den Seinen, das ihn zum Ersten seines
Gaues oder seiner Landschaft, zum mit Amtshoheit ausgestatteten Gau-
vorsteher, ja schliesslich zu einem der ersten Männer seines ganzen Stam-
mes erheben kann! Wen so das Glück und besondere Verhältnisse be-
günstigen, der vermag vielleicht sogar zu der Stellung eines Königs seines
Stammes zu gelangen, zumal wenn er aus einer von jeher sich auszeichnen-
den und damit überragend „vornehmen" Familie stammt, wie es denn
bisweilen Geschlechter gibt, die sich königlichen Ansehens erfreuen, ohne
die Königsgewalt allerdings selbst auszuüben.
Denn der Stammesverband selbst ist in der Regel ganz lose und die
Zusammengehörigkeit des Ganzen tritt nur in Kriegszeiten in äussere Er-
scheinung. Wenn es gilt, einen Verteidigungs- oder einen Angriffskrieg
von Stammeswegen zu führen, werden geeignete, mithin die bewähr-
testen und angesehensten Männer gewählt, um den Feldzug zu leiten. Sie
erhalten gleichzeitig Gewalt über Leben und Tod, weil keine andere Be-
fehlsgewalt im Kriege denkbar ist als die unbedingte. Aber im Frieden
zerfällt gewöhnlich wieder das Ganze in die vielen kleinen Partikelchen
1) Universalgescliiclitlich nicht ohne Interesse, da es der sogenannten "losscn
, Völkerwanderung" einen weiten und tiefen historischen Hintergrund gibf.
2) Vgl. die näheren Ausführungen olx'n .S. 70 t'.
Klio, Bfiträ«" z">- aUeii Gcsflii.lit.. XI I. G
31
82 Ott., Th. Srhidi.
der lokalen Verbände der Gaue und Laudscliaften und keine tfemeinsaiue
Oberbebörde des Stammes existiert mebr. Dafür sjjrecben die Männer,
die in den einzelnen Bezirken durch Vornehmheit ihres Geschlechtes und
persönliches Ansehn als die ersten gelten, unter den Ihren Recht imd
suchen die Streitigkeiten, an denen es unter so ungezügelten und leiden-
schaftlichen Naturen nicht fehlt, zu schlichten. Sie sind es auch, die als
Beauftragte ihrer Volksgenossen alljährlich den Akt der Ackerverteilung
vornehmen. So stellen diese Ersten die einzige lokale Behörde, den
Gau V 0 r s t an d. dar in ganz freiheitlichem Sinne, ohnehin ihrerseits an
Sitte lind Herkommen gebunden, weit entfernt von allem dem absoluteren
..Häuptlingswesen" anderer Naturvölker, einzig- und eigenartig auch in
diesem Hinblicke.
Diese ausserordentliche persönliche Freiheit des Einzelnen ist ein
grosser Vorzug, aber auch ein grosser Nachteil für die Allgemeinheit.
Denn da die Mannen im Fi'ieden, wenn sie nicht der Jagd obliegen, dem
Müssiggang und dem Trünke fröhnen. so bricht ihr Ueberschuss an Kraft
und Tatendurst mit elementarer Gewalt nur allzu häutig hervor; Streit
und Zank. Blutvergiessen und Mord drohen Zerrüttung aller inneren Ver-
hältnisse M. Deswegen hat man sich ein eigentümliches Sicherheitsventil
nach aussen hin geschaifen, das wiederum ganz einzigartig dasteht. Es
werden Freibeuterzüge in die umliegenden stammfremden Gebiete nicht
nur erlaubt, sondern direkt gewünscht und gerühmt!
Auch die Art ihrer Veranstaltung ist sehr bezeichnend: Einer von
den Ersten seiner Gegend tritt in der Volksversammlung auf und erklärt
sich bereit, die Espedition zu führen, wer ihm Gefolgschaft leisten wolle-
möge es öffentlich bekennen. Je nach dem Ansehn, das der Führer ge-
niesst und das mehr oder weniger Aussicht auf Erfolg gewährleistet, bildet
sich nun eine grössere oder kleinere Gefolgschaft, die sich seinem Befehle
unterstellt und mit ihm auf Raub auszieht. Die öffentliche Erklärung ist
bindend, wehe dem, der sich die Sache noch einmal anders überlegen will,
ihn trifft die gleiche Schmach wie den Deserteur und Verräter und weist ihn
ausserhalb von Treu mid Glauben! Der Grundsatz „Ein Mann, ein Wort*",
an dem nicht zu rühren noch zu deuteln, ist urdeutsch. Darum ei'greift
doppelt der Gedanke daran, wie tausendfach er in der Zeiten Folge ge-
schichtlich wirksam ward. —
Hiermit schliesst das, was uns an Caesars Bericht heute interessierte.
Wir sind überzeugt, dass er wert war, in eine neue, richtigere Beleuchtung
gerückt zu werden. Vieles. Avas geschichtlich fruchtbar gemacht werden
kann, liesse sich anknüpfen und wird hoffentlich von anderen Händen
daran angeschlossen werden.
Leipzig.
1) Cf. Tacitus' Germania Kap. 22 : crehrae, iit inter i-iiii)le)i1<is, rixae rarn conviciis,
saepitis clade et nihurilms transiguiititr.
35
83
Das Alter der servianischen Mauer in Rom.
Von P. («rattiiiulei".
„II muro (li Servio e edificato. siccome e ben nuto, con nia.ssi ili tiifa
alti sempre clue piedi romani", in diesen Satz hat Lanciani, der beste
Kenner jener altrömischen Befestigung, sein Urteil zusanimengefasst über
die Maße, nach denen das Werk gebaut ist '). Darauf fassend hat 0.
Richter-) zu erweisen versucht, dass die servianisehe Mauer kaum noch
in das 4. Jhd. v. Chr. gei'ückt werden könne ; sie sei als völliger Neubau
erst nach dem Galiierbrande errichtet worden. Der König Servius habe
wohl nur einen Erdwall um die Stadt gezogen. Noch schroffer sprach
Pinza sich dafür aus ^). Nur Nissen'*) ist bei der alten Meinung geblieben.
Andrerseits hat Delbrück'') die Vermutung ausgesprochen, dass die innere
Wallmauer 379 v. Chr. erbaut sei, die äussere später, vielleicht am An-
fange des 3. Jhds. v. Chr.
Der Satz Lancianis, von dem diese Streitfrage zuerst ausging, ist in-
sofern richtig, als der grösste Teil der Mauer in der Tat jenes Maß auf-
weist. Aber wird der Satz so verallgemeinert, dass man ihn auf das ge-
samte Werk ausdehnt, so kann er nur den wahren Saciiverhalt verdunkeln.
Schon Jordan hat beobachtet, dass die Messungen von Lanciani nicht
immer zuverlässig seien, da seine eigenen Messungen in der Regel weniger
ergaben (53 — 56 cm); er sprach auch schon die Vermutung aus. dass in
einigen Ruinen der Fuss von 0,275 m die Norm abgegeben habe "). Die
Einheitlichkeit des Baus, die man nach Lancianis Worten erwarten müsste.
ist in Wirklichkeit nicht vorhanden. Vor der Entdeckung der Ruinen
am Bahnhof dachte niemand daran, die Quaderhölie von 59 — 60 cm als
allein herrschend zu betrachten, sondern die geringeren Maße galten als
die gewöhnlichen. Jordans Vermutung habe ich bei meinen Messungen
bestätigt gefunden. Denn an nicht wenigen Stellen liegen in der servia-
nischen Mauer Quadern, die eine Höhe von etwa 55 — 5G cm haben, also
nach dem altitalischcn Fuss geschnitten sind. Da diese Tatsache von
grosser Bedeutung ist für die Bestimmung der Zeit, in der das Werk zu-
erst errichtet wurde, sollen hier zunächst diejenigen Stellen der Mauer
betrachtet werden, an denen das oskische Maß auftritt.
1) Bull, municipnle 1876, 37 ; Amntl. del Inst. 1871, 56.
2) Topographie^ 1901, 43; Beiträge 1903, L"). — 3) Monum. ant. 19U.'>. 7.^2.
4) Ital. Landeskunde- 1902 II. 1, 63. — .5) Der ApoUotempel o. d. Marsfeld 1903, 16.
6) Topogr. I, 1, 273 Anm. 36a.
6*
1
84 T- (h-iift'i(ii(kr.
Der römische Fuss. gleichwertig dem solonisclien Fusse. ist
von Nissen nach Messungen in Pompeii zu 0.296 m angesetzt worden ').
Die siclierste Bestimmung hat erst Lehmann-Haupt gegeben, indem er als
Ursprung auch dieses Maßes die gemeine balwlonische Elle oder Doppel-
elle nachwies-). Es kann niclit Zufall sein, dass die wahrschcinlicbste
Länge dieser Doppelelle (992,33 mm) mit dem Sekundenpendel jener Breiten
(992,35 mm) übereinstimmt ^). Die Handbreite dieser Doppelelle ist das
Urmaß , aus dessen Kubus alle antiken Gewichte entsprungen sind
(99,23 mm). Der römische Fuss beträgt das Dreifache dieser Handbreite,
also 297,7 mm. Durch eine Betraclitung der Stadien hat Lehmann-Haupt
dann diesen Ansatz noch mehr gesichert *). Die servianisclie Mauer be-
stätigt ihn, da in ihr die Quaderhöhe von nicht ganz 60 cm hunderte von
Malen vorkommt. Eine Minderung hat das Maß in Kom also nicht er-
fahren.
Den altitalischen oder oskischen Fuss hat ebenfalls
zuerst Nissen °) bestimmt auf 0,2751323, und Man^) und Hultsch')
stimmten ihm bei. Auch dieser Fuss hat seinen Ursprung im Orient. Er
ist Zweidrittel der babylonisch-phönikisehen Elle von mindestens 0,4125 m,
die ihrerseits 25 Finger der Do])pelelle von 992,33 enthält; danach be-
trägt der Fuss 275,7 mm'''). Ob aus dem Maßstab von L^shak (555mm)
überhaupt ein Fuss von 277,5 mm abgeleitet werden darf'), ist zweifel-
haft; schwerlich aber ist derselbe mit dem oskischen Fusse identisch. Auf
diese Unterschiede ist im folgenden nicht I» Ucksicht genommen: denn das
ist nicht von Belang, da die Quadern der servianischen Mauer ziemlieh
roh behauen sind. Vielmehr sind der Berechnung die Längen von 275
und 296 mm zugrunde gelegt, damit eine Vergleichung mit Nissens Ta-
bellen leichter möglich ist.
Die Frage, wann der solonische Fuss in Rom eingeführt wurde, ist
noch nicht mit voller Sicherheit entschieden. Dörpfeld'") meint, dass es
nm 268 v. Chr. geschehen sei zugleich mit der Aufnahme des neuen
Pfundes von 327,45 g, weil einerseits der Kubus des euböisch- attischen
Talentes (26,196 kg) zur Seite den Fuss von 297,7 mm hat, andrerseits
das Pfund von 327,45 g gerade 80 mal in jenem Talente enthalten ist.
Aber auch das altrömische Pfimd von 272,75 g steht ja in geradem und
bequemem Verhältnis zu jenem Talente (1 : 96) *'). Da nun das römische
Hohlmaß auf dem alten Pfunde von 272,75 g beruht'-) und das qim-
1) PonqteJ. Forsch. S. 86; vgl. Dörpfeld, Athen. Mitteil. 188.5, 290.
2) Zeitschr. f. Ethnologie 1889, 300.
3) A. a. O. S. 320: Actes d. S">c cotigres fies Oiiental. II, 1893, 197 : Klio. I 1902, 394.
4) Actes d. S^^ comires S. 230 und 244. — 5) A. a. 0. S. 86 und 92.
6) Pompejanische Beitrage S. 20. — 7) 3Ietrologie- S. 672.
8) Lehmann-Haupt a. a. 0. S. 234 u. 244. — 9) Hultsch a. a. O. S. .572.
10) Athe». Mitteil. 188.5, 295 u. 312. — 11) Regling, Klio 1806. 491 Anm. 3.
12) Nissen. Metrolog.- S. 886 und 882.
Diis Älter dar scrriun/schoi Mm« r in Ilmii. 85
(Irautal ('J6 X 272.75) oben dem euböiscli-attisch-sizili.scben Talente «^'leicb
ist, so muss man eher scbliessen. dass jenes Talent, also aucb der Fuss
in Rom schon vor dem neuen Pfunde von 327.45 ^ bekannt war. Der
seit frühesten Zeiten lebhaft betriebene Getreidehandel mit Sizilien, wo-
her nach ausdrücklichem Zeugnis das Wort heriiina ') stammt, und wo
das eigentlich zur euböisehen Mine gehörige Pfund von 218 g (120x218.3
^ 26,196 kg) als Kupferpfund seit ältesten Zeiten in Brauch war, hätte
<lann die Einführung des sog. euböisehen Talentes in I!om und ebenso
des Fusses (297,7 mm) begünstigt oder herbeigeführt. Soviel steht fest,
dass in Sizilien schon am Ende des 6. Jhds. v. Chr. der solonische Fuss ange-
wendet worden ist. Der älteste Tempel von Agi-igent, der Herkulestempel
ist danach gebaut'). Ganz sicher kommt hinzu der Selinuntische Tempel
A (500 — 480 V. Chr.), an dessen Stylobat ein Kanon von etwa 0.45 m
d. i. die römische Elle von 0,4455 m angemeisselt ist ■^). Wahrscheinlich
gehören auch hierher die Tempel 0 und E von Selinunt, die in derselben
Zeit entstanden sind. Der Poseidontempel von Paestum (um 450 v. Chr.)
ist nach einem Fuss von 298 mm gebaut*).
Aehnliche Tatsachen haben wohl Nissen*) zu der Annahme geführt,
dass der solonische Fuss schon im 6. Jhd. v. Chr. zu den Etruskern ge-
kommen sei, obwohl er früher"), wenn auch zweifelnd, dessen Einführung
in Rom spätestens in die Mitte des 3. .Jhds. v. Chr. gesetzt hatte. Um
so mehr war er dazu geneigt, da Lehmann-Haupt') nachgewiesen hatte,
dass der Heratempel in Olympia dennoch nach dem Fusse von 297.7 mm
gebaut ist und dass dieser Fuss, den er das Schwestermaß des babylo-
nisch-altattischen Fusses von 330 mm nennt, schon vor Pheidon im Pelo-
ponnes üblich war. Im Einklang mit Nissens letzterer Meinung steht
Mommsen^), der die offizielle Einführung des neuen Fusses den Dezemvirn
zuwies, da sie ja auch den römischen Kalender nach der attischen Okta-
eteris ordneten"), also zweifellos metrologische Refoi-men nach attischem
Vorbilde vornahmen. Die erhaltenen Bruchstücke geben zwar über die
Länge des Fusses keinen Aufschluss. aber die Einteilung (pes sestertius
= 1 gradus Taf. VII, 1 S. 136: 5' = 1 passus Taf. VII. 4 S. 137) ist
schon die später übliche. Daher hat auch Hülsen sich dem Zeitansatze
von Mommsen angeschlossen und rechnet danach '"). Wenn endlich Pigo-
rini^') sogar schon in den Terramare der Poebene einen Fuss von etwa
30 cm entdeckt zu haben meinte, so kann man zunächst darauf keinen
Schluss gründen, da die Beobachtung zu vereinzelt bleibt.
1) Nissen MelroL- S. 867 Anm. 4; Hultsch a. a. 0. S. 103 Anm. 3.
2) Koldewey-Puchstein, Die griech. Tempel S. 152 u. 140. — 3) A. a. O. S. 1
4) A. a. 0. S. 30. — 5) Ital. Latideghimle II. 1. 163. — 6) Mehohij. S. 88.').
7) Actes d. s™« congres S. 244. — 8) Hermes XXI. 419.
9) Schoell Legg. XII tab. rell. S. 156 Taf. XI. — 10) Rom. Mitt. 1893, 303.
11) Not. Scavi 1892, 452 u. 1895, 14 Anm. 1.
86 !'■ (inifjuinlcr.
Dass die Etrusker schon im 6. Jlul. v. Chr. den baljylonisch-olyinpisch-
attischen Fuss von 297.7 mm kennen lernten, ist auch deswegen sehr
wahrscheinlich, weil wenigstens in der zweiten Hälfte dieses Jahrhnnderts
ihr Handel mit Athen so lebhaft war, dass ihre eigenen Schifie dorthin
fuhren, um Waren umzusetzen'). In Marzabotto ist schon der solonische
Fuss angewendet worden, wie Brizios Maßangaben-) zeigen. Nach dem
Plane (Taf. I) hatten isola II, V, VIII. IX, X. XI und die ihnen ent-
sprechenden eine Breite von etwa 35 m d. i. ziemlich genau 1 actus röm.
(= 35,5 ni). Die isola VII hat eine Breite von 68 m (230' solou. =
68,08 m); denn wenn diese isola auch urspi'ünglich von einer Strasse
durchschnitten wurde ^), so muss das Gesamtmaß zweier isole doch auch
die Norm erkennen lassen. Die isole IV und VI haben 40 m (185' solon.
= 39,96 m). Die Entfernung des decumanus von decumanns soll 165 m
betragen; das wären 600' oskisch. Aber die Worte Brizios*) und der
Plan lassen erkennen, dass dieser Zahl nicht tatsächliche Messung zu-
gnuide liegt, sondern Schätzung. Die decumani und der cardo haben eine
Breite von 15 m (50' solon. = 14,80 m). Die kleineren Strassen haben
meist ein Drittel dieser Breite; nur eine hat 6 m (20' solon. = 5,920 m).
Unter den Heiligtümern der Burg scheint der gi-osse Altar, wohl das äl-
teste Bauwerk daselbst, noch nach oskischem Fusse errichtet zu sein; die
Seite des Quadrates hat 4,1 m (S. 258; 15' osk. =: 4,125 m). Von den
Tempeln ist allein sicher messbar Tempel D, den Dell)riick °) in das 5. Jhd.
V. Chr. setzt. Er hat ein Quadrat von etwa 9x9 m "). Da aber der
Treppenvorbau nur 2.80 m breit ist, was nach Brizios eigener Angabe
ein Drittel der Seite sein soll, so muss die Seite etwas kleiner als 9 m
gewesen sein . das führt auf 8,88 m (30' solon.). Marzabotto ist bekannt-
lich um 400 V. Chr. von den Galliern zerstört worden. Es ist gegründet
worden etwa um 550 v. Chr. '). Da nun das Strassennetz doch nicht
erst gegen Ende der Stadtentwicklung festgelegt worden ist. wird man
kaum zu viel behaupten, wenn man sagt, dass die Etrusker gegen Ende
des 6. Jhds. v. Chr. den solonisehen Fuss angewendet haben. Weil aber
damals das gesamte römische Leben, vor allem die Baukunst völlig unter
dem Einflüsse der Etrusker stand, ist es sehr gut möglich, dass etwas
später von dorther auch den Römern die Kenntnis des solonisehen Fusses
übermittelt worden ist.
Eine sichere Antwort auf diese Frage können auch für Rom natür-
lich nur die Bauten selber geben. Eins der ältesten Bauwerke Roms ist
das Brunnenhaus, das auf dem Cermalus nicht weit von der sog. casa
Romuli liegt *). Piuza ") setzt es in das 7. Jhd. v. Chr. nach den auf
1) Furtwängler, Gemmen UI, 172.
2) Monum. antich. 1889, 429 ff. — 3) S. 312. — 4) S. 286.
b) Das Kapiiol von Siijnia 1903, 20. — 6) Brizio S. 260. — 7) Hermes 1908, 442.
8) Hülsen, Topoijr. 1907 Taf. II, d u. e). — 9) Momim. (itit. XV, 787.
J)<is Alter (Irr scrrintiisclicii Mniirr in Ruin. 87
dem Uninde gefundenen Sclerben. Nacli der Technik der Ueberkragiing.
iK'i der nur die Ecken der vorspringenden Steine abgenieisselt sind, filsu
die Stufen noch deutlich sichtbar bleiben, kann es nicht jünger sein als
das Regnlini-Galassi-Grab zu Caei-e. bei dem die innere Wölbung glatt
gemeisselt ist; dieses Grab wird allgemein in die zweite Hälfte des 7. .Ihds.
V. Chr. gesetzt'). Jenes Brunnenhaus ist nun fast durchweg aus Lagen
erbaut, die eine Höhe von etwa 0.275 m (= 1' osk.) haben. Im Innern
konnte ich 13 mal dieses Maü feststellen : daneben kommt auch vor 0,28
oder 0,25 oder 0,265 m. da die Lagen nicht gleich hoch sind. Ent-
scheidend kann nur das Maü von 0.275 m sein, das vorherrscht. Genau
die gleichen Maüe fand Delbrück') an einem Stück der ältesten Befesti-
gung des Palatin (0.25 bis 0.27 m). welches hinter der sog. Romulusmauer
liegt. Ein anderes ebenfalls dort vorhandenes Stück, dessen vier Lagen
gleichmässig 0.30 m hoch sind, wird also wohl_ aus späterer Zeit stammen,
da es schon den römischen Fuss anwendet.
Unter den historisch datierbaren Bauwerken li'oms ptlegt man ge-
wöhnlich den kapitolinischen Jupitertempel als nach oskischem Maße er-
baut zu betrachten ^). An dem sehr altertümlichen Podion im Garten der
deutschen Botschaft, dessen Quadern auch im Stalle sichtbar sind, lässt
sich das allerdings nicht erweisen, da die Lagen sehr verschieden hoch
sind*). Auch die Schmalseite des Unterhaus 52.50 m^) zwingt nicht, dies
oder jenes Maß anzunehmen. Noch viel weniger kann man oskisches
Maß finden in dem Durchmesser einer aus pentelischem Marmor bestehen-
den Säule, wie 0. Richter will : dieselbe gehört vielmehr dem domitiani-
schen Neubau zu "). Aber die im Innern liegenden Fundamente, die auch
hei Umbauten kaum die alte Form änderten, sind 4.2 m dick (15' osk. =
4,125 m). Und danach hat Richter in sehr wahrscheinlicher Rechnung
die Gliederung des Gesamtbaues nach oskischem Maße vorgenommen.
Nicht ohne Wahrscheinlichkeit hat Delbrück') sieben Lagen grün-
lichen Tuffs, die tief innen im Podion des Kastortempels auf dem Forum
liegen, dem ältesten Bau von 484 v. Ciir. zugewiesen, da sie in Material
und Technik dem Podion des kapitolinischen Tempels gleichen. Und vor-
her hatte schon Hülsen ®) dasselbe Urteil gefäUt : jedenfalls dem Neubau
des Metellus Dalmaticus 117 v. Chr. können jene Quadern nicht ange-
hören. Dieselben sind allesamt 0.27—0.28 m (1' osk. = 0,275 m) hoch,
wie Delbrück angibt. Damals herrschte in Rom also noch der oskische Fuss.
Dagegen ist es sicher, dass das Podion des Apollotempels auf dem
Marsfelde schon den römischen Fuss anwendet. Nach dem Schema der
Kurvaturen*) erhält man folgende Quaderhöhen:
1) G. Karo, Bull. Paletnoloy. ital 1898, 1-52. — 2) Der Äpollotempd 19U3. 13.
3) Holzapfel. Eermeti XXIII, 77. — 4) Delbrück a. a. 0. S. 12.
5) Richter. Beiträge 1903. 24. — 6) Bull. mun. 1875, 184 u. 187.
7) ApoUotempel S. 14. — 8) Forum Bomaimm S. 128. — 9) Delbrück Taf. I.
7
'. Graff'ii
Didcr,
1.
285
280
280
■)
296
295
293
3.
HOO
299
293
4.
299
299
301
5.
289
284
291
6.
285
283
283
7.
268
284
239 cm
8. —
Man sieht, bei weitem die meisten Maße liegen su nahe um 29,6 cm
herum, dass dieser Fuss als Norm betrachtet werden muss. Auch die
Dicke der Mauer beträgt 1,5 m (5' röm, = 1.480 m). Der Tempel ist
zuerst en-ichtet 483 — 430 v. Chr. (Liv. IV. 29). Dass er eingeäschert
wurde, als die Gallier das Kapitol belagerten, war unausbleiblich, da er
ja in unmittelbarer Nähe liegt. Darum musste er 353 v, Chi-, erneuert
werden (Liv. VII, 20). Aber dass bei der Zerstörung auch das massive
Podion zugrunde ging, ist gar nicht wahrscheinlich. Daher darf man jene
Ruine unter piazza Campitelli, der aiich Hülsen') hohe Altertümlichkeit
zuerkennt, vor allem wegen ihrer tiefen Lage als Rest des Baues von 430
V. Chr. betrachten. Also um 430 v, Chr, baute man in Rom schon nach
römischem Fusse, Danach erhält man als Spielraum, während dessen der
olympisch-solonische Fuss in Rom eingeführt wurde, die Zeit 484 — 430
v, Chr. Etwa in der Mitte dieses Zeitraumes liegt die Regiening der
Dezemvirn, denen Mommsen jene Neuerung zuschrieb. Man wird also bei
seinem Ansätze stehen bleiben müssen. Diese m et r ol og i s c h e n B e-
merkungen mussten vorausgeschickt werden, da sie die Grundlage für
das Folgende bilden.
Von den Ue b er r es t e n der s e rv ianis ch en Mauer, die den
A v e n t i n umgeben, ist am berühmtesten und leichtesten zugänglich das
gi-osse am Südabhang der vigna Maccarani-Torlonia gelegene Stück, von Jor-
dan-) mit u bezeichnet, über das Lanciani^) berichtet. Eine gute Vorstellung
von dem Ganzen gibt die Abbildung 2[onmH. incdit. 1855 Taf, XXI (vgl.
1871 Taf. XXXVII. 11). Auch Reber. Rmnen 1879, 443, und Parker,
FoHifications 1878 Taf. XI, bieten Abbildungen. Der nebenstehend beige-
fügte Abriss (Fig. I, 1), der nur die Maße zur Anschauung bringen soll, ist
von der Hinterseite genommen, da man von dort aus leichter herankommen
kann. Die Angaben über die Mafie sind verschieden. Reber gibt die
Dimensionen der Blöcke zu durchschnittlich 0,48 : 1,10 m an, Lanciani
lässt sie 0,59 m hoch sein. Jordan maß Höhen von 0,53 — 0,56 m,
Richter*) sagt, dass in den unteren sechzehn Lagen, die Quaderhöhe fast
konstant 0,55 m betrage. Der Widerspruch in diesen Angaben ist nur
ein scheinbarer. Ich habe die Ruine, soweit sie ohne Leiter zu erreichen
1) A, a. 0. S. .537. — 2) Topogr. I. 1, m. — 3) Aiinal ,1. wstit. 1871. 81.
4) Steinmetzseichen S. 11.
6
Das Aller der ncroiuninclieu Mamr in Jtom.
89
90 }'■ (h-nlfniah'i:
ist, zweimal gemessen, eimiial im Februar 1907. dann im April l'.MlS in
Gegenwart des Herrn Dr. Altmann. Die unterste Lage des Grundstockes
liegt etwas in der Erde ; wo sie aber meßbar ist. findet man die Quaderhöhe
von 0.55— 0,56 m. Die zweite Lage von unten zeigt ebenfalls am häufigsten die
Höhe von 0.55 m. daneben 0.53 oder 0.54 oder 0.56 m. Dasselbe gilt im
wesentlichen von der dritten Lage von unten. Am östlichen Ende der Ruine
liegen 6 Lagen übereinander: I etwa 0.55—0,56 : 11 0.55 — 0.56 ; III 0,56 : IV
0,55 ; V 0,55 : VI 0.55 m. Dieselben Maße findet man am westlichen Ende der
Ruine, wo man hinaufklettern kann: doch kommen auch Höhen von 0,53 m
vor. An der Maiierdiirchbrechung im östlichen Teile der Ruine, wo man von
hinten liinaufsteigen kann, mißt man fast ausschliesslich 0.55 — 0,56 m. Dass
in den obersten Lagen neben dem Bogen, die für den Grundstock nicht ent-
scheidend sein können, auch viel kleinere Höhen vorliegen, ist bekannt :
0,275 ; 0,29 ; 0.42 : 0,44 ; 0,50 m in der Reihe braunen Tuffs, die im
Bogen am Aussenrande liegt; zweimal in den obersten Lagen fand ich
0,59 m zwischen dem Bogen und der Mauerdurchbrechung. In dem Grund-
stöcke habe ich nur zweimal diese letzte Höhe feststellen können. Es
liegen in der dritten Lage von unten gerade unter dem Bogen fünf Quadern
von braunem Tufi' mit Rustikabearbeitung und glattem Saum : die zwei
östlichen von ihnen haben 0,59 m, dann gehen sie nach links zu dem ge-
wöhnlichen Maß über. Diese Höhen sind also so vereinzelt, dass sie neben
dem allgemein herrschenden Maß nicht in Betracht kommen. Die An-
gaben von Jordan vmd Richter bleiben zu Rechte bestehen. Die Längen
der Läufer sind verschieden: doch mißt man im Grundstocke mehrfach
1.10 m (3' osk. = 1,1 m). wie es auch Reber angibt. Demnach kann es
keinem Zweifel unterliegen, dass die Ruine nach oskischem Maße erbaut ist.
Die Dicke der eigentlichen Quadermauer beträgt nach Lanciani ')
1,60 m (6' osk. = 1.65 m). Diese Dicke kann man an dem östlichen
Ende allerdings nur an der untersten Lage beobachten, da die Ruine dort
von kaiserlichen Bauten durchbrochen ist : ebenso oben neben dem Bogen.
Diese Dicke entspricht auch den sonst bekannten Verhältnissen der ser-
vianischen Mauer, an der man drei verschiedene Stärken unterscheiden
kann: 1) die durchschnittliche Dicke ist 3,2 m-): z. B. am Bahnhofe 3.32^)
d. h. 12' osk. (= 3,3 m): 3.45 bei S. Balbina*): 3.7 s) vielleicht 12' röm.
(3,55 m). 2) An gefährdeten Stellen oder in der Nähe der Tore hatte
die Mauer eine grössere Dicke: 4,1 auf Piazza Fanti (s. u.): etwa 4 m
in der Nähe der Porta Viminalis*); 4,22 ra in Via di M.arforio '), d. h.
15' osk. (= 4,125 m). 3) An weniger gefährdeten Stellen ging man auch
xmter das mittlere Maß henmter; 1,72 bei der Panetteria *). d. h. 6' röm.
1) Annal 1871, 81. — 2) Bull. mun. 1876, 171. — 3) Jordan I. 1. 218.
4) Not. scav. 1884. 223. — 5) Not. scai: 1907, 504.
6) Richter. Steinmetzzeichen S. 8. — 7) Bull. com. 1888, 14.
8) Bergau Philol. XXV, 653; Lanciani Annal. 1871, 54.
8
I)iif< .Hfl r der scrriniiiarlirn Miuiir in Hniii.
91
(= 1,77(') in); 1,()3 — 1,70 am Arco Aiitonelli in veiscliirdciicii Ij;ijfcii, wolil
6' osk. (= l,6ö m): 1,50 m in Via Quattro fontaue '). Die von dem Bau-
meister gewollte Dicke scheint danach 6 oder 12 oder 15' oskisch oder
römisch gewesen zu sein. Somit kann die Dicke von l.fiOiii am Avcntiii
nicht ungewöhnlich erscheinen.
Auch die Höhe der Keilsteine des Bogens hetriigt, aljgeselien von den
untersten Ansatzsteinen, genau 0,55 m (= 2' osk. genau). Das ist um
so merkwürdiger, da dieser Bogen, wie man gleich nach der Entdeckung
erkannt hat, ein sj^äterer Restaurationsbau ist-). Sein Material ist ein
ganz anderes, ein brauner Tuff, der durch Farbe und bessere Erhaltung
sich scharf von dem Grundstocke abhebt. Denn in diesem ist fast durch-
weg der bekannte hellgelbe Tuif aus den Steinbrüclien von S. Saba ver-
wendet, der überall in der servianischen Mauer erscheint. Nur vereinzelt
findet man Quadern braunen Tuffs auch unten eingesetzt. An den i)raunen
Quadern sowohl oben als im Grundstocke kann man noch jetzt den
Meißelschlag deutlich waliruehmen, während die hellgelben stark verwittert
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sind. Nun lässt sich leicht aus den grossen Abmessungen des Bogens er-
weisen, dass zur Zeit als man seine Keilsteinhöhe nach oskischem Maüe
festsetzte, dennoch in Rom der Fuss von 0.296 m herrschte. Der Keil-
stein a (Fig. I, 2) hatte ursprünglich oben und hinten 0,60 m (2' röm.),
ist dann aber soweit abgemeisselt, dass er zur Höhe von 0,55 m passte.
Ebenso ist es dem Stein 1 (Fig. I. 3) ergangen. Stein b und k (Fig. I. 1)
haben zwar die Keilhöhe von 0,55 m. aber die Aussensehne ist 0.59, die
Innensebne 0,445 m (1 Elle röm.). Die Summe der inneren Bogensehnen
beträgt 5,605 ; danach ist der Radius auf 1,788, der Durchmesser auf
3,577 m zu berechnen. Setzt man aber statt 0.42 und 0.445 die wirklich
antiken Mafse von 0,4125 und 0,444 ein, so hat der Radius 1,777 m der
Durchmesser 3,554 m; das sind recht genau 6' röm. (1.776 m) und 12'
röm. (3,552 m). Die Weite des Bogens im Lichten beträgt 3,55 m •*), was
zu der Rechnung aus den Sehnen stimmt. Somit ist der Bogen nach dem
Radius von 6' röm. greschlagen. Wenn der Baumeister die Keilsteinhöhe
1) Jordan I. 1, -212 Aum. — 2) Anmli 1855. 88
•J) Messung von Dr. Hubert.
92 P. <rnifflüHlri:
auf 2' osk. festsetzte, so hat er sich muh (U'in Mal.ie der (^ladeni des
Grundstockes, die er schon vorfand, gerichtet.
Von grosser Bedeutung für die richtige Beurteihmg der Kuine ist
die oben berührte Tatsache, dass auch in der Aussenfront des Grund-
stockes einzelne Quadern liegen aus demselben braunen Tuff bestehend
wie der Bogen. In der Erhaltung gleichen sie völlig dem Bogen, unter-
scheiden sich aber deutlich von den gelben Quadern, die im wesentlichen
den Grundstock bilden. Der Meisselschlag ist an ihnen noch deutlich
sichtbar, was an den gelben nicht der Fall ist. Dazu haben die meisten
unten verbauten braunen Quadern einen glatten Saum und sind im Mittel-
feld rustik behauen, was man sonst nicht an der servianischen Mauer be-
obachtet hat. Das luuss zu der Vermutung führen, dass die unten liegen-
den braunen Quadern in derselben Zeit verbaut sind, als der Bogen er-
richtet wurde, zeitlich also nicht mit der Hauptmasse der gelben Quadern
des Grundstockes zusammenfallen.
Für die Frage, wann die Ruine ihre jetzige Gestalt erhalten hat. ist
entscheidend der Umstand, dass nicht nur der Bogen, sondern auch der
Grundstock in den Fugen als Bindemittel einen feinen weissen, fast ganz
reinen Kalk verwendet, in dem von Puzzolanerde oder Sand nicht das ge-
ringste zu spüren ist. Sonst entbehrt bekanntlich die servianische Mauer
eines Bindemittels. Die älteste Verwendung des Mörtels findet sich an
den um 300 v. Chr. errichteten Mauern von Alba Fucens^). Nach 300
v. Chr. hat also die Ruine auf dem Aventin ihre jetzige Gestalt erhalten.
Nun hat Richter darauf hingewiesen-), dass ebenso ein sandfreier, fast
reiner Kalk an dem Grabmal der Scipionen verwendet ist. und vermutet,
dass die Ruine errichtet sei, als in den punischen Kriegen Ausbesserungen
vorgenommen wurden. Da der Bogen nicht fortifikatorische Zwecke
haben konnte, sondern im wesentlichen als Schmuck diente, kann man
an die Zeit nach dem Hannibalkriege denken, als Rom keinen äusseren
Feind mehr zu fürchten hatte. Für diese Zeit würde es passen, dass, wie
Lanciani ') angibt, die äussere Quadermauer nur Verkleidung war für
innen liegendes opus ineerf um, das ebenfalls aus einfachem Kalk und Tuff-
brocken besteht. Vor kurzem ist dasselbe frei gelegt worden, so dass
man noch deutlicher sieht, wie die Bauart dieser Ruine von den ältesten
Teilen der servianischen Mauer abweicht. Aus noch viel späterer Zeit
muss das Mauerwerk stammen, das am Ostende der Ruine liegt, wo die
Mauer durchbrochen ist. Es ist von Lanciani*) festgestellt, dass in der
Kaiserzeit Bauten an die Ruine herangeführt wurden und sie mehrfach
durchbrachen. Jenes opus reticulatum an der Durchbrechung liegt zum
Teil oben auf der Ruine auf, kann also erst gelegt sein, als das Bauwerk
schon Ruine war; denn im westlichen Teil ist der in sich gleichartige
1) Delbrück. Das Kapital von Signia S. 17. — 2) Steinmetzzeichen .S. 12.
3) ^»i»«i/. 1871, 81. — 4) BuU. mun. 1870, 74.
10
Dfi.^ Alt fr (Irr serrhrnixclioi Maiirr in Ttont
93
Grundstock mindestens doppelt so hoch, wie die Stelle, wo um östlichen
Ende das Mörtehverk anfliegt. Von den kaiserlichen Banten sind Ziegel-
stempel erhalten : Ini]) Cacs Ner Tra Aitg ex fif/U Marriiotis etc. ') ; sie
gehören in die Zeit Trajans. Man hat demnach drei verschiedene Zeit-
stnfen an der Ruine von einander zu scheiden: 1) Trajanische Zeit, wo
die Ruine durchbrochen und zerstört wurde; 2) Zeit nach dem Hannibal-
kriege, als die Ruine im wesentlichen iiire jetzige Gestalt erhielt. Da-
mals ist auch wohl der Bogen aufgesetzt, und die braunen Quadern ver-
baut worden ; 3) die Zeit, in der ursprünglich die hellgelben Quadern zum
Mauerbau verwendet wurden. Dies muss eine Zeit gewesen sein, in der
in Rom der cskische Fuss herrschte.
Dass die hellgelben Quadern in der Tat einmal einem ursprünglichen
Bau der servianisclien Mauer zugehörten, wird bewiesen durch die auf
einzelnen von ihnen erhaltenen Steinmetzzeichen. Bisher waren solche
dort nicht entdeckt worden. Da machte mich Mau darauf aufmerksam,
dass dennoch zwei Zeichen von ihm dort gesehen seien : ich habe sie dann
auch gefunden. Sie stehen auf der inneren Kopfseite von zwei hellgelben
Binderquadern, deren entgegengesetzte Kopfseite nach aussen blickt, in dem
östlichen Teil der Ruine etwa in der Mitte zwischen dem Bogen und der
Mauerdurchbrechung. Beide Quadern haben eine Höhe von 0,. 5.5— 0.50 m.
Die Form der Zeichen ist folgende:
Die Höhe der Zeichen beträgt 0,275 und 0,220 m. die Länge der
Querstriche 0,095 und 0.090 m, die Tiefe der Einmeisselung etwa 0,040
bis 0,050 m. Dass das eine der beiden Zeichen gerade 1' osk. hoch ist.
könnte ja Zufall sein. Doch muss es angemerkt werden: denn nach
Richter"-) beträgt die Höhe der von ihm untersuchten Zeichen durchschnitt-
lich etwa '^0 cm (1' röm.). Die beiden Zeichen vom Aventin gleichen
völlig dem chalkidisch-uritalischen Zeta: über ihr paläographisches Alter
soll unten gehandelt werden.
Es scheint übrigens, dass am A\ entin in der serviauischen Mauer
die Quaderhöhe von etwa 0,55 m (2' osk.) durchweg angewendet war.
Nach .Jordan^) hatte auch das an der Nordseite von S. Saba entdeckte
1) Bull. mim. 1870, 74. CIL XV. :il2. — 2) Steinwrt-rriihnt S. 11.
3) Tnpofir. I. 1. 231 unter V.
11
94 V. (h-nffuiKln:
Stück Quadern von 0,55x0,55 m: sie sind jetzt nicht mehr vorhanden.
Dazu kommen die elf Lagen im Garten von S. Balbina (bei Jordan unter
s), von denen jede nach Gell ') 1' 10" englisch d. h. 0,55 m hoch war,
den englischen Fuss zu 0,304 m gerechnet. Ich habe vergeblich nach der
Ruine gesucht: niemand in der Kirche oder dem Kloster konnte mir Aus-
kunft erteilen. Dagegen zeigte man mir drei Lagen der bekannten hell-
gelben Quadern, die in dem Raum neben dem Refektorium verbaut sind.
Von den wenigen Blöcken ist nur die in der Mitte liegende Reihe meß-
bar: sie haben eine Höhe von 0.55 — 0,56 m. Dadurch werden die An-
gaben von Gell bestätigt ; denn jene wenigen Blöcke stammen sicher von
der Hauptruine im Garten her.
Der Graben der servianischen Befestigung zwischen S. Balbina und
S. Saba war 8.2 m (30' osk. = 8,25 m) breit-). Nun haftet diesem Maü
allerdings eine gewisse Unsicherheit au. Aber dieser Befestigungsgraben
ist doch nicht nach beliebiger Willkür hergestellt, wie das wohl bei einem
Graben der Fall sein kann, der nur augenblicklichen Zwecken dient. Für
den servianischen Graben musste die Breite und Tiefe geradesogut von der
Bauleitung vorher festgesetzt werden, wie etwa die Dicke der Mauer. Merk-
würdigerweise führen auch sonst die von dem Graben angegebenen Maüe
auf den oskischen Fuss. Beim Zentralbahnhofe hatte der Graben an der
Sohle im Tufiboden eine Breite von 32.80 m (1 actus osk. = 33 m). wie
Bergaii') angibt. Da es sich hier um eine runde Zahl handelt, die in
römischem Fuss um 2,52 m abweichen würde, da unten am Grunde des
Grabens die ursprüngliche Form in dem Tuffboden sich am leichtesten er-
halten konnte, so wird man doch wohl auch dieses Maß hier ins Treffen
führen dürfen. .Jedenfalls kann man den Satz aussprechen, dass am Aven-
tin die servianische Mauer ganz überwiegend oskisches Maß aufweise.
Hier war das Werk mehr vor Zerstörung geschützt gewesen und hat da-
her mehr das altertümliche Maß bewahrt.
Fast noch lehrreicher für die hier behandelte Frage ist das grosse
Bruchstück auf Piazza Fanti, bei Jordan mit o^ bezeichnet, von Lan-
ciani*) bekannt gemacht. Einen Grundriss des Ganzen gibt auch Dro\'sen"),
wobei aber die Biegung der Mauer nicht zur Geltung kommt. Sehr nütz-
lich ist die Abbildung bei Reber ''). da sie zeigt, wie das Ganze bald nach
der Ausgi'abung aussah. .Jetzt ist vor dem halbkreisförmigen Verstär-
kungsljau im Innern des stumpfen Winkels ein kleiner Teich angelegt.
Die iirsprünglich vorhandenen mächtigen Seitenflügel sind bis auf ein
kleines Stück verschwunden. Die unterste der vier Lagen des Kreisbaus
ist ganz verschüttet. Außerdem ist alles so überwuchert und bemoost.
dass man die Steinmetzzeichen nur noch mühsam erkennt. Daher be-
1) TopogrJ S. 494. — 2) Eöm. Min. 189-3, 293. — 3) Amml. 1862, 186.
4) Bull. nmn. 1874, 201 ; Taf. V und VI. — 5) Hermes X. 461.
6) Riiineti S. 492.
12
Das Alfer der sryi-/ii)i/srlirji Maiirr in I'oiii. 95
schriinkte ich iiiicli diu-auf, den Kreisban nachzumessen, soweit er aus iler
Erde ragt. Nach Droysen, der aucli die weit mächtigeren Seitenflügel
gemessen liat. beträgt die Quaderhöhe „meist" 0.0:3— 0,.5<) ni. wie wir sie
auch an der Aventinruine gefunden haben. Lanciani gibt keine Maüe an.
Die oberste Lage des Kreisbaus hat durchweg 0,59 m (2' röm.) ,
auf ihr allein stehen, soweit man jetzt sehen kann, die recht elegant ge-
arbeiteten Steinmetzzeichen E. Auch die zweite Lage von oben, es sind
Läufer, hat die Höhe von 0.59 m. Nur in der Mitte finden sich auch
zwei Blöcke von 0,55 m; sie fallen gleich auf durch die breiteren Fugen;
die infolge des Höhenunterschiedes entstehen mussten. Die dritte Lage
hat, soweit man jetzt messen kann, nur Höhen von 0.55 — 0.56 m. Auch die
Steinmetzzeichen sind hier andere, mehrmals A mit schrägem Querstrich ').
dann ^ sehr stark eingegraben und fast durch den ganzen Stein hin-
durchgehend, .ledenfalls heben sich die nach römischem Fuss geschnittenen
Quadern sehr klar auch durch ihre Steinmetzzeichen ab sowohl von den
übrigen des Kreisbaus als auch denen der Seitenflügel, die ausschliesslich
V trugen-). Die vierte und unterste Lage des Ki-eisbaus ist jetzt nicht
meßbar. Der Radius des Kreises beträgt nach Droysen 4,1 m (15' osk.),
der Durchmesser 8,10 m, nach Lanciani und Jordan 8,20 m. Das letztere
wird genauer sein, da dann Radius zu Durchmesser gleich 1:2 ist; es
sind 30' osk. (= 8,250 m). Die Dicke der Mauer ist nach Reber 4.30 m.
nach Droysen 4.00 m. Das vom Baumeister gewollte MaJs liegt mit 4.125
wohl in der Mitte, so dass es dem Radius des Kreisbaues gleichkommt.
Wenn ferner Droysen die Länge des südlichen jetzt verschwvmdenen
Flügels zu 11,10 m angibt, so darf mau darin 40' osk. (= 11,00 m) sehen.
Den Raum, den der ganze Querschnitt des Werkes in der Nähe des Piazza
Fanti mit Graben, Mauer und Wall einnahm, gibt Lanciani zu annähernd
55 m (= 200' osk.) an. Man sieht, die Grundlage des Ganzen ist durch
oskisches Maß bestimmt. Zwei Epochen sind klar zu scheiden. Als man
einen Neubau vornahm, galt der römische F'uss ; aber man hat die grossen
Abmessungen des Ganzen nicht geändert, da der Grundstock schon vor-
lag und einen gewissen Zwang ausübte.
Von den mächtigen Mauerresten, die im Osten des Z e n t r a 1 b ah n-
h o f e s liegen, ist es bekannt, dass sie nach römischem Fusse erbaut sind.
Dieses Stück hatte Lanciani besonders berücksichtigt, wenn er den an die
Spitze dieser Untersuchung gestellten Satz aussprach. Das Ergebnis hat
Richter dann noch mehr sichergestellt durch den Hinweis auf die Tat-
sache, dass die in der Mauer erkennbaren Bauschnitte 35 m (1 actus röm.
= 35,52 m) von einander entfernt sind. Und trotzdem blickt auch in
diesem Teile des Werkes in den nördlich der porta Viminalis gelegenen
Ruinen das oskische Maß hindui-ch.
Vor der porta Viminalis nach der Stadt zu liegt ein kleiner
1) .Tordan F. 1. Tafel I, 3. — 2) Jordan. I, 1, 2r,9. Taf. I, 'i.
13
96
r. fTrnff)ni(]ci\
Mauei'zug aus hellgelbem Tntt'. der jetzt nur mit einer Sehiclit aus der
Erde ragt. Auf dem Plan ') bei Lanciani ist er noch nicht verzeichnet,
wohl aber Forma urhis Taf. XVII. Es sind drei lieihen von Quadern
nebeneinander. Die beiden nach dem Tore zu gelegenen Reihen, acht
Quadern haben die Höhe von 0,55 m, die nach der Stadt zu liegende
Reihe, die also in diesem Falle nach aussen sichtbar war, hat die Höhe
von 0,59 m. Auf den ersten Blick sieht man deutlich, wie jene beiden
römisch geschnittenen Quadern etwas höher ragen; es sind die 4 cm, die
den Unterschied ausmachen. Auch hier lässt sich dieser Gegensatz nur
durch Annahme verschiedener Bauperioden erklären. Denn wollte man
selbst den Fall setzen, dass das ganze Werk entstanden sei zu einer Zeit,
in der das römische Maß sich zwar schon eingebürgert hatte, aber doch
das oskische noch nicht ganz verdrängt hatte, so ist es dennoch
(i,sf o,^r
,^fr
kaum glaublich, dass man an ein und demselben Mauerstück beide Maße
zu gleicher Zeit anwendete. Bekanntlich tragen gerade die nördlich an
fler poi-ta Viminalis Hegenden Ruinen mancherlei Spuren von Umbauten.
Aehnlich muss das Urteil lauten über das Mauerstück, das an der
nördlichen Grenze der Dogana dicht am Zaune liegt. Es schliesst sich
nördlich an den mit dem kreisförmigen Yerstärkungsbau versehenen Zug
an, der von Lanciani'-) mit c" bezeichnet ist. Die nach Süden blickende
Seite hat jetzt vier Lagen über dem Boden: I. III und IV zu 0,59 m
Höhe, II zu 0,55 m. Auch in der nach Norden . gewendeten Seite, wo
man fünf Lagen sieht, hat die dritte von unten 0.55 m Höhe. Hier lagern
also oskisch imd römisch geschnittene Quadern bunt durcheinander. Die
Mauer ist einmal zerstört worden, so dass nachher die nach oskischem
1) BM. mmi. 1S76 Tut. XVIII. — 2) Bull. mim. 187fi Taf. XXIII.
14
Das Alter der sercianijic/icii Mdiwr in Itom.
97
Mal.ie gearbeiteten Blöcke des uisprünjiliclu'n Baues umherlagen. Diese
verwendete man natürlich bei der später erfolgenden Wiedererrichtung, so-
weit ihre Beschatt'enheit das noch gestattete.
Einen ebenso deutlichen Einblick in die Geschichte des Werkes ge-
Fig. 11, 2.
Fig. U, 3.
währt uns das Mauerstttck, das in der Via Volturno (Piazza de! Mac-
cao) dicht am Zaun liegt, von Lanciani'*) mit c bezeichnet (vgl. Forma
Urbis Tat'. X). Wie aus dem Querschnitt (Fig. II, 1) ersichtlich ist,
haben von den fünf Lagen I, II und III die Höhe von 0..")5 m. die oberen
1) Bull. mun. 1876 Taf. XVEI.
K 1 i o , Beiträge zur alten Geschichte XI I. 7
98 -P. Gntffnnda:
IV und V aber 0,59 m. Im Einklang damit stehen die östliche und west-
liche Breitseite, die ein sehr wüstes Gefüge haben; die Westseite (Fig. II,
2) : I und III zu 0.55 m. II und lY zu 0,55 m ') und 0,59 m, V zu 0.59 m ;
die Ostseite (Fig. II, 3): I, II und III zu 0.55 m, soweit meßbar; IV zu
0,59 aber ein Block zu 0,55 m, der sich durch einen Hohlraum abhebt, end-
lich V zu 0,59 m. Eigentümlich ist hier also, dass unten oskische Qua-
dern liegen, dann oskische und römische gemischt, endlich oben römisch
geschnittene. Dieser Uebergang von der einen Art zu der anderen von
unten nach oben ist sehr wichtig. Denn nirgends oifenbart sich so deut-
lich, dass man es mit zwei Perioden zu tun hat und dass die Periode des
oskischen Maßes für die ser\'ianische Mauer die ältere ist. Delbrück -)
hat vollkommen recht, wenn er aus ganz anderen Gründen gerade an
dieser Stelle zwei verschiedene Perioden zu erkennen meinte, wenn man
auch im einzelnen von seiner Datierung abweichen kann.
Bekanntlich besass der servianische Wall auch eine innere Böschungs-
mauer, welche die Erdmassen im Innern halten sollte, damit sie sich nicht
senken oder durch Regen herabgespült werden konnten. Die Stellen, wo
Reste dieses rec'into inferiore erhalten oder beobachtet sind, hat
Lanciani') zusammengestellt. Begreiflicherweise war diese Mauer aus
kleineren Blöcken hergestellt. Es sind tafelfönnige Platten, die in den
verschiedenen Lagen verschieden tief in das Innere hineinreichen, so dass
eine Art von Verzahnung entsteht. Da in den Stoßfugen Anathyrosis an-
gewendet worden ist. so ist der Fugenschluss ein viel genauerer als an
der Aussenmauer. Steinmetzzeichen sind bisher an den Quadern des re-
cinto inferiore nicht beobachtet worden. Auch das Material ist ein ganz
anderes, ein blättriger, peperinartiger grauer Tuff*) ; derselbe stammt aus
den Steinbrüchen der Vigna Querini vor Porta S. Lorenzo '"). Und zwar
ist die servianische Mauer das einzige Bauwerk Roms, in dem diese Tuff-
art verwendet isf). Er hat in nassem Zustande eine graubraune Fär-
bung, in trockenem dagegen aschgraue mit einem Stich ins Grünliche.
Von diesem recinto inferiore ist jetzt am leichtesten zugänglich das
Stück, das in der Via V o 1 1 u r n o an die ara Vermini sich nach Süden
hin anschliesst '). Man sieht jetzt über der Erde zehn Lagen, die z. T.
dem Zwecke der Mauer entsprechend um 5 cm zurücktreten, so dass eine
leichte Neigung nach dem Wall zu entsteht; die oberste Lage ist völlig
verwittert. Die Höhen der einzelnen Lagen sind verschieden. An drei
Stellen habe ich von oben nach unten durchgemessen mit folgendem Ergebnis :
1) Vgl. Jordan I, 1 Taf. 11, 1. — -21 Ber Apollotevipel S. 14.
3) Bull. mun. 1876, 37. Vgl. Delbrück, ApuUutempel S. 17 Aum.
4) Tufa lamellare cinereo. Bull »iiiii. 1872. (5; similissimo al peperino, Aunal.
1871, .57.
5) Borsari Bull. com. 1888. 18. — G) Bull, niitii. 1872. 6.
7) Bull, iimii. 1876 Taf. III.
16
Das Alter (kr scrrianischcn Mnncr in llom. 99
1.
—
—
— (unten)
2.
24
23,5
23,5
3.
26
24,5
24,5
4.
27,5
26,5
26
5.
25
25
24,5
6.
25
22,5
23,5
7.
27.5
25
24
8.
27,5
27,5
27.5
9.
27,2
27,5
27,5 cm.
Man sielit. es kommen Muüe vor von 0.23 oder 0,24 oder 0.26 m ;
bei weitem am hiintigsten aber ist 0.275 m (= 1' osk.), ein Maß, das in
den beiden obersten Lagen ausschliesslich erscheint. Die Längen sind
verschieden, mehrfach 0,54 oder 0,55 oder 0.56 m (wohl jedesmal 2' osk.
= 0,55); dann 0,69 m (1 gradus osk. = 0.687) ; 0,83 m (3' osk. = 0,825);
mehrfach 1,10 m (4' osk. = 1,1). Jordans Vermutung, zu der ihn gerade
diese Ruine geführt hatte, dass nämlich der oskische Fnss an der inneren
Wallmauer beobachtet werden könne, hat sich also völlig bestätigt.
Hierhin gehört auch der jetzt abgebrochene Kest des recinto inferiore
im Garten von S. Maria dolla Vittoria mit Höhen von 0,25 — 0,28 m').
Dieselben Höhen 0.24 — 0,27 m hat auch der Rest, den man von der via
delle Finanze leicht erreichen kann^). Da aber hinter den kleineren
Blöcken noch sieben hellgelbe Quadern von 0,59 m Höhe verbaut sind, so
kann diese Mauer erst in späterer Zeit ihre Form erhalten haben. Auch
Lanciani fand dort eine Unregelmässigkeit, die erst später entstanden sein
könne ^). Die neuesten Ausgrabungen hinter dem Museo agrario haben
das bestätigt. Denn dieses Stück der Innenmauer liegt fast genau in der-
selben Linie wie die neuentdeckte Aussenmauer*). kann also an jener
Stelle nicht reeinto inferiore gewesen sein. Das hindert aber nicht, die
kleineren Blöcke, was ihre erste Verbauung anlangt, sowohl wegen des
Matei'ials als wegen der Maße zeitlich gleichzusetzen mit der Ruine des
recinto inferiore in der via Volturno.
Schwerlich wird man dasselbe aber tun können mit der Ruine des recinto
inferiore in der viUa Spithoever und mit den beiden Stücken am Nymphaeum
Sallustii, welche alle die Quaderhöhe von 0,29 m aufweisen^): darin kann man
nur den römischen Fuss von 0.296 m erkennen. Der Gegensatz des oski-
schen und römischen Maßes ist also auch am recinto inferiore zu beobachten,
wie e.s garnicht anders erwartet werden kann. Denn auch die Innen-
mauer hat natürlich Erneuerungen und Ausbesserungen erfahren, gerade-
sogut wie die Aussenmauer. Und solche Umgestaltungen konnten auch
noch vorgenommen werden, als in Rom schon der neue Fuss herrschte.
1) Jordan I, 1, 212 unter k.
2) Borsari Bull. com. 1888, 18. Not. scac. 1885, 250. — 3) Annal. 1871, 57,
4) Not. scav. 1907, 505. Fig. 1, B und A>. — 5) Jordan I, 1, 212.
7*
17
100 P. GraffiiMler,
Endlich ist noch neuerdings ein kleines aber sehr wichtiges Stück
des recinto interiore beim Bandes Museo agrario entdeckt wor-
den, aber leider bald wieder zerstört bei der Fundamentierung des Neu-
baus'). Ich fand nur noch die Quadern auf einem Haufen liegen; sie
sind stark verwittert und abgestossen. Es ist wenig genau, wenn D. Va-
glieri sagt, sie seien etwa 1' hoch; ich maß Höhen von 0,25 oder 0,28,
aber auch von 0,31 m. Das Material ist das gleiche, der graue, blättrige
Tuff (lamellare cinereo), der sonst überall im recinto interiore liegt; D.
Vaglieri nennt ihn nenfro. Es sind tafelförmige Platten, an denen ich
von Anathyrosis nichts mehr entdecken konnte : ein glatter Rand mit ver-
tieftem Mittelfeld war auch wohl niemals vorhanden. Dante Vaglieri
vei-mutet dann aber, dass es ein Rest sei von einer Sonderbefestignng des
Quirinal, welche die nördliche Kuppe desselben zwischen Villa Spithoever
und den Diokletiansthennen als Akropolis umgab. Damit wird er kaum
Beifall finden; denn dann lägen ja die ältesten Heiligtümer des Quirinal.
das templuin Quirini, das capitolium vetus und das templum Semonis
Sanci^) ausserhalb der Befestigung. Vielmehr ist die kleine Ruine ein
Rest des recinto interiore, der uns wie an keiner Stelle sonst einen Ein-
blick in die Geschichte des Werkes eröffnet. Allerdings kann jener Rest
Fig. 1. A nicht ursprünglich recinto interiore zu der Aussenmauer Fig. 1.
B. C, D gewesen sein; denn diese liegt fast 50 m davor. Dagegen ist
es wohl möglich, dass zu Fig. 1, A ursprünglich der Mauerzug Fig. 1, E'*)
als Aussenmauer gehörte. Dante Vaglieri nennt jenen kleinen Mauerzug
Fig. 1, E eine seconda cinta, vermutet dann aber doch, dass er recinto
interiore zu Fig. 1, B C D gewesen sei. Das ist unmöglich. Nach der
Abbildimg hatten die fünf Blöcke quadratischen Durchschnitt, während
sonst am recinto interiore nur tafelförmige Platten verwendet sind. Sie
haben alle fünf Binderlage, was in dieser Weise an der Innenmauer un-
möglich ist. Sie haben alle Steinmetzzeichen, die bisher nicht an der
inneren Böschungsmauer beobachtet worden sind. Daher kann man in
jenen fünf Blöcken Fig. 1, E von denen leider keine Maße angegeben
werden, nur einen Rest einer älteren Aussenmauer sehen. Es liegen hier
also zwei Aussenmauern nebeneinander, etwa 22 m von einander entfernt.
beide auf terra vergine, also beide in ursprünglicher Lage. Es bleibt
kaum etwas anderes übrig, als die weiter nach aussen liegende Mauer
Fig. 1, BCD, die nach römischem Maß erbaut ist, für die jüngere zu
halten, aber die um 22 m weiter nach innen liegende Fig. 1, E für die
ältere. Daher ist diese Stelle so überaus wichtig. Zwei Pei-ioden des
Befestigungswerkes lässt sie uns erkennen. In der späteren hat man nicht
die Linie der alten Mauerflucht innegehalten, sondern die neue Aussen-
mauer um 22 m weiter nach aussen gerückt, so dass der Wall nun eine
1) Dante Vaglieri Not. scar. 1907. 505 Fig. 1, A; S. 508 Fig. 4.
2) Hülsen- Jordan I, 3, 400 ff. — 3) Bild Not. scav. 1907 Fig. 3 S. 504.
18
Das Alfer (kr serviiinischcn Mauer in llom.
IUI
un<;ewöhnliche Breite erhalten musste. Etwas Aehnliches scheint übrigens
aucli In der Vigna Spithoever etwas nördlich von dem Museo agrario vor-
zuliegen. Pinza hat richtig erkannt '), dass dort eine spätere Erweiterung
des Walles vorgenommen ist, so dass derselbe etwa 50 m breit wurde.
Auch dort wird diese ungewöhnliche Breite wohl durch Hinausriicken der
Aussenmauer herbeigeführt woi'den sein.
Zu mancherlei Zweifeln haben Anlass gegeben auch die Reste des
servianischon Werkes, die 1874/75 beim Bau des Palazzo Antonelli
und etwas später auf Piazza Magnanapoli entdeckt wurden. Schon Jor-
dan -) war es nicht entgangen, dass der Bogen aus einer anderen Art Tuflf
besteht, als der untere Teil iler Mauer. Der obere Teil, zu dem auch
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Fig. 111. 1.
der erste Ansatzstein rechts gehört, hat braunen Tuff, der Grundstock
den bekannten hellgelben Tuff von S. Saba. Auch die Erhaltung ist bei
dem oberen Teil eine viel bessere. Wichtig ist besonders die Tatsache,
dass die Quadern des Grundstockes verschieden weit nach dem Durchgang
zu vorspi-ingen, so dass man wohl von einer lichten Bogenweite sprechen
kann, die Toi-weite im Lichten unten aber verschieden gross ist. Also
war, als der Grundstock gelegt wurde, hier kein Durchgang beabsichtigt..
Dabei darf man freilich nicht vergessen, dass die unterste Lage im Durch-
gang erst bei dem Bau des palazzo weggebrochen worden ist ; man muss
sich dieselbe also hinzudenken, um sich eine Vorstellung von der an-
tiken Form des Ganzen zu machen. Der Grundstock, drei Lagen links
1) Momim. mit. XIV. 248. — 2) I. 1. 208 unter c.
19
102
P. Graffimäer.
und zwei Lajyen rechts haben die (iunderhöhe von 0.55 in (2' osk. == 0.55).
Die dritte Lage rechts hat 0,59 m (= 2' röm.). Der erste Keüstein rechts
hat die Keilhöhe von 0,59 m, ebenso luisst der erste Keilstein links hinten
0,59 m. Die tibricren Abmessungen vergleiclie man auf dem Abriss (Fig. III.
1). Es ist klar, dass der Grundstock nach oskischem. der obere Teil nach
römiscbem Maß hergestellt ist. Das bestätigen auch die Querschnitte im
Innern des Durchganges (Fig. III, 2 und 3). Noch klarer als am Aven-
tinbogen sind hier die beiden Perioden des Baues gesondert.
Rätselhaft ist. wie Jordan sagt, dass die Quadern des Grundstockes
nach Lanciani') auf opera a sacco aufliegen sollen. Ist das der Fall,
dann können auch die oskisch geschnittenen Quadern sich nicht mehr in
situ befinden, sondern hätten ihre jetzige Lage durch spätere Yerbauimg
erhalten. Dass mancherlei Veränderungen hier vorgegangen sind, ist klar.
Aussen vor dem Bogen in einer Entfernung von 3 m befanden sich nach
Lanciani Spuren einer sehr zerstörten Mauer aus gelbem Tuff, die doch
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Fis. m. 2.
Fi?. III, 3.
nur von einer zweiten, später hergestellten Mauerflucht herrühren können,
da sie parallel mit der Richtung der Hauptmauer laufen. Es ist wohl
möglicb, dass hier derselbe Fall vorliegt, wie in den neuentdeckten Ruinen
am Museo agrario, wo man zwei verschiedene Linien der Aussenmauer
beobachten kann. Die antike Strasse, welche ausserhalb daneben hinlief
in der ungewöhnlichen Höhe von dem obersten Keilstein des Bogens, ist
vennutlich erst in Trajans Zeit angelegt worden, als starke Umlagerungen
der Ei'dmassen am collis Latiaris vorgenommen wurden, wie ja auch am
Aventin die Mauer in dieser Zeit durchbrochen wurde. Was nun den
Bogen selbst im Palazzo AntoneUi anlangt, so hat man den Eindruck, als
ob der Beton nur aussen ansitzt, herrührend von späteren Anbauten,
wie ja auch die Mauer selbst ohne Mörtel gebaut ist. Dafür spricht auch
die Tatsache, dass das in der Waschküche des Palazzo erhaltene Mauei'-
stück (Fig. IV) oskisches Maß aufweist. Die Höhen sind recht ungleich:
I, II und V zu 0,55 m (2' osk.): III zu 0.52; IV zu 0.47 ni und 0.42
1) Bull. mun. 1876, 36.
20
Das Alter der srrridiiisc/mi Mauer in Ttow.
103
(1 Elle osk.J. Die Längen sind verscliieflen : 1,335 ii. 1,34 (4' 14" osk.
= 1.34); 1,1 (4' osk. = 1,1): 0,7ü (1 passus osk. = 0.688); 0,92.j (3'
fi" osk. = 0.928); 0,55 (= 2' osk.); 0,41 (1 EUe osk.); 0,28 (= 1' osk.
= 0,275). Auch aussen im Hofe ist noch eine Quader 0,55 m (2' osk.)
hoch sichtbar. Die Ruine macht an der Innenseite, wo man sie jetzt
fast allein sehen kann, einen sehr rohen und altei'tüm liehen Eindruck.
Die Quadern liegen an der Innenseite der Mauer gamicht nach dem
Läufer-Bindersystem; wenigstens sieht man in den unteren vier Lagen
(vgl. Fig. IV) sechs Läufer und nur zwei kleinere Quadern 0,25 und
0.28 m lang. Es liegt hier also dasselbe Verhältnis vor wie am kapito-
linischen .Jupitertempel . wo
Läufer und Binder nur in der
Aussenschicht wechseln, nicht
aber im Innern der Mauer*).
Endlich hat die gleichen Maße
wie der Grundstock des Bogens
auch die kleine Ruine im Gärt-
chen auf Piazza Magnanapoli :
ich maß dort achtmal die Höhen
von 0,55 bis 0.56 m (2' osk.).
Man mag übrigens den Bau des
Arco Antonelli setzen, in welche
Zeit man wolle, die Annahme ^fS'
von zwei weit von einander ab-
liegenden Perioden wird dadurch
nicht berührt : denn der Gegen-
satz des Maßes bleibt bestehen.
Dass aber die oskisch geschnittenen Quadern von hellgelbem Tuff', sollten
sie auch ihre jetzige Lage erst durch spätere Verbauung erhalten haberi.
in jedem Falle dennoch von dem ältesten, ursprünglichen Werke herrühren,
wird wohl kaum in Zweifel gezogen werden.
Schon Jordan hatte richtig beobachtet, dass der von Braun im Garten
Colonna entdeckte Rest der servianischen Mauer'-) etwas geringere
Höhen hatte, wenn auch keine bestimmten Zahlen bekannt waren. Das
Aussehen des Stückes, von dem Momou. ined. V Taf. XXXIX, 2 eine Ab-
bildung gegeben ist, hat sich jetzt stark verändert, da zwei Waschbe-
hälter angebaut sind und das Ganze durch Buschwerk verdeckt ist. Es
liegt in der Stützmauer der obersten Terrasse nördlich von der Treppe
nach dem Serapistempel zu. An jener Stelle, wo die Pfeiler der Stütz-
mauer vorspringen, habe ich etwa 12mal die Höhe von 0,41 — 0,42 m
(1 Elle osk. = 0,4125 m) gemessen. Uebrigens finden sich gleichartige
Blöcke auch in der Stützmauer der untersten Terrasse in dem abgespen-ten
1) Delbrück, ÄpoUotempd S. 12. — 2) Amial. 1852, 324.
21
104 !'■ (iraffumJer,
Garten südlich von der lierabführendeu Treppe, wo ich mehr als zwölf-
mal die Höhen von 0,41 m feststellte. Dass diese in keinem Falle die
ursprüngliche Lage haben, ist selbstverständlich. Aber auch die von
Braun entdeckten Quadern liegen zweifellos in späterer Verbauung. Sie
sind mitten in die Stützmauer eingeschlossen, sie folgen sogar den vor-
springenden Pfeilern, wie das auch auf der Abbildung Montan, ined. V
Taf. XXXIX. 2 deutlich zu sehen ist. Nichtsdestoweniger wird man ja
wohl der Meinung von Braun beipflichten können, dass sie einmal dem
servianischen Werke angehört haben.
Es sind von mir nicht alle Reste der servianischen Mauer untersucht
worden. Aber da doch die wichtigsten Ruinen hier in Betrachtung ge-
zogen sind, ist es dennoch möglich, einen Schluss zu erzielen. Von vorn
herein ist es selbstverständlich, dass ein Werk, das mehr als ein halbes
Jahrtausend die ewige Stadt vor äusseren Feinden geschützt hat, von den
ältesten Zeiten seines Bestehens an vielfachen Umbau und Neubau er-
fuhr; und das gilt geradesogut für den recinto inferiore wie für die
Aussenmauer. Wann diese einzelnen Umgestaltungen stattfanden, wird
kaum sicher bestimmt werden können und muss von Fall zu Fall ent-
schieden werden. Anders stellt es mit der Tatsache, die hier durch die
vorigen Untersuchungen ins Licht gestellt worden ist, dass nämlich für
viele grosse Reste das römische Maß die Norm gegeben hat, dass andrer-
seits daneben das oskische Maß teUs allein erscheint wie am Aventin,
oder in der Waschküche des Palazzo Antonelli, oder im Garten Colonna
und an den meisten Ruinen des recinto inferiore, teils gemischt mit rö-
mischen Maßen besonders in den unteren Lagen. Diese Tatsache, die bis-
her bei der Zeitbestimmung des servianischen Werkes garnicht berück-
sichtigt worden ist, kann eine Erklärung nur finden durch den Gegen-
satz zweier großer Bauperioden, die durch eine einmalige starke
Zerstörung von einander getrennt sind.
AA^ie schon oben bemerkt, haben die neuen Ausgrabungen hinter dem
Museo agrario uns eine Tatsache gelehrt, die sehr entschieden für diese
Annahme spricht ; denn dort liegen die Fluchtlinien zweier Aussenmauern
neben einander. Dabei mag noch einmal daran erinnert werden, dass auch
vor dem Arco Antonelli von Lanciaai Spuren einer zweiten parallel laufen-
den Aussenmauer festgestellt worden sind. Durch die Untersuchung der
Ruine in der via Volturno war Delbrück aus ganz anderen Gründen schon
zu einer ähnlichen Ansicht geführt worden.
Die römische Ueberlieferung berichtet bekanntlich, dass
die servianische Mauer von Servius TulUus. jedenfalls von einem der
letzten römischen Könige errichtet sei. Weiter weiss sie, dass ein starker
Neubau nach der Gallierkatastrophe (379 Liv. VI, 32) vorgenommen sei,
endlich dass im Hannibalkriege (214 v. Chr. Liv. XXV, 7) Ausbesserungen
notwendig waren. Entscheidend ist die Frage, wann eine so starke Zer-
22
Das Alter der scrcianischcn Mauer in lloiii. 1<J">
stüriiug stattt'iiud, dass fast ein Neubau nötijz; wunlc üoiu ist in rejm-
blikanischer Zeit zweimal erobert worden, einmal von den Galliern, dann
vorher bald nach der Verti-eibung der Köni<j;e durch Porsena. Die letztere
Tatsache hat zwar die römische Sage stark verschleiert. Aber wenn Ta-
citus (Hisfor. III, 72) in dem Bericht über Porsenas Belagerung die VV'orte
dedita urbe gebraucht, so lässt er die geschichtliche Walirheit durch-
blicken. Vor allem überliefert Plinius {Hisf. nat. XXXIV, :39) : in fwilere,
(j/(od expuhis regibtis populo Romano dedit Porsena, nonünatim eomprr-
liensum videmus, ne ferro nisi in agricidturam uterentnr. Also hat Pli-
nius den Wortlaut jenes Bündnisses gesehen, so dass an der Tatsache
kaum Zweifel bestehen kann. So tief war Rom von dem mächtigen Etrus-
kerfürsten gedemütigt worden, dass er ihnen die Eisenwaffen zu verbieten
wagte. Dann wird er auch wohl die Mauer zerstört haben; denn sonst
wäre jenes Verbot ganz nutzlos gewesen. Andrerseits ist darauf hinge-
wiesen worden, dass die überaus schnelle Einnahme Roms durch die Gal-
lier nicht recht begreiflich sei, wenn die Stadt damals eine starke Befesti-
gung gehabt hätte '). Daher ist es wahrscheinlich, dass die alte von den
Königen errichtete Mauer schon von Porsena zerstört worden ist. Nun
stelle man sich vor. wie diese Zerstörung stattfand. Dass die ganze Mauer
völlig beseitigt wurde, ist kaum glaublich, ja fast unmöglich. Dazu war
das nicht einmal notwendig, um Rom zu einer offenen Stadt zu machen.
An besonders wichtigen Stellen wurden die Blöcke auseinandergerissen
und blieben vermutlich umher liegen. An anderen Stellen Hess man auch
wohl den alten Bau stehen teils bis in die oberen Lagen, teils nur in den
unteren Schichten, die nun von Schutt überdeckt wurden. Bei der mehr
als 200 Jahre später erfolgenden Erneuerung wird man meist die alte
Linie innegehalten haben, da ja die Erhöhung des Walles, die kaum viel
bei der Zerstörung wird verloren haben, dazu nötigte. Nur an einzelnen
Stellen wird man die Aussenmauer hinausgerückt haben. Da es wichtig
war, nach so böser Erfahrung der Stadt möglichst bald wieder den Schutz
einer festen Mauer zu geben, Avird man meistenteils auf den alten, in der
Erde und in Schutt steckenden Fundamenten wieder aufgebaut haben.
Auch die herumliegenden Blöcke, soweit sie noch brauchbar waren, wird
man gern wieder benutzt haben, weil man so die Vollendung des Werkes
beschleunigte. Deshalb ist es ganz natürlich, dass gerade die tiefsten
Lagen die Doppelseitigkeit des Maßes und damit auch der Perioden er-
kennen lassen. Dagegen im Osten des Zentralbahnhofes, wo an der Porta
Viminalis die Etrusker am gründüclisten zerstört hatten, musste auch der
Neubau am gründlichsten voi'genommen werden : darum herrscht dort aus-
schliesslich das römische Maß, und die Quaderhöhen sind viel gleichmäs-
siger als etwa am Aventin und in der Waschküche Antonelli.
Die um 379 v. Chr. errichtete Mauer muss im wesentlichen noch un-
1) Niese, Rom. Gesch. 1906, 43 ; Pinza Mo«, ant. XV. 749.
23
106 P. (Ti-nffitmler.
Tcrsehrt gestanden haben, als Hannilial nach der Schlacht am Trasime-
nischen See an liom vorbeizog. Hätte damals die Stadt eine schwache
Befestigung gehabt, so hätte der kühne Karthager sieher den Sturm ge-
wagt, um die verhasste Gegnerin Karthagos vom Erdboden auszutilffeu.
Die Erneuerungen des .Tahres 214 v. Chr. können daher nur ganz leichter
Art gewesen sein, keinesfalls ein völliger Neubau, wozu man sich schwer-
lich mitten im Kriege entschlossen hätte. Später, als üoni keinen äusseren
Feind mehr zu fürchten hatte, wird die Mauer allmählich der Vernach-
lässigung anheimgefallen sein. Mit der Freigabe des Pomeriums durch
Sulla beginnt die immer weiter gi'eifende Zerstörung.
Der Gegensatz des alt italischen und römischen
Maßes gibt uns nun eine Möglichkeit, die beiden in den Ruinen erkenn-
baren Bauperioden auf diese überlieferten Tatsachen zu verteilen.
Die Bauperiode des oskisehen Fusses muss älter sein als die Decemvirn,
die ja offiziell den römischen Ftiss einführten. Man wird daher diese
ältere Periode der Mauer mit dem Bau der Königszeit gleichsetzen müssen.
Dann bleibt nichts anderes übrig, als dass der zweite Bau. der den rö-
mischen Fuss anwandte und dem die meisten erhaltenen Reste angehören,
von der grossen Erneuerung nach der Gallierkatastrophe herstammt.
Es erhebt sich nun die Frage, wie dieses Ergebnis zu den son-
stigen Forschungen sich stellt, vor allem, ob die Technik der
Mauer es unmöglich macht, die Perioden so zu verteilen, wie es hier ge-
schehen ist. Darüber, w^ann der Q u a d e r b a u in Etrurien und Latium
zuerst auftaucht, sind wir genau unterrichtet. Durch Yergleiehung mit
den etruskischen Gräbern hat Pinza ') unwidei-leglicli bewiesen, dass in
Etrurien der Quaderbau zuerst erscheint in der Zeit der reiclien Fürsten-
gräber, wie das Regulini-Galassigrab eins ist-). Diese aber gehören, nach
G. Karos überzeugender Darlegung^) in die zweite Hälfte des 7. Jhd. v. Chr.
Und für Rom ergibt sich dasselbe. Jener Tholosbau auf dem Palatin,
der dem 7. Jhd. v. Chr. zugewiesen wird, hat ja Quaderbau. Aber die
Technik der servianischen Mauer, so wendet man ein, unterscheidet sich
in zwei Dingen von jenem alten Quaderbau: 1. die Quadern der serviani-
schen Mauern sind gleichhoch, in jenen Gräbern aber ungleich, 2. die
Quadern der ersteren sind nach dem Läufer-Bindersystem gelegt. Das
trifft nicht einmal für das servianische Werk unbedingt zu. Die Quadern
des recinto inferiore sind da, wo sie oskisches Maß haben, ungleich hoch
(0,25—0,275 m ca.). Auch die Aussenmauer hat mehrfach ungleiche Quader-
höheu in den Teilen, die der ersten Bauperiode angehören, wie in der Wasch-
küche des Palazzo Antonelli (0.47- — 0.55 m). oder auf Piazza Fanti (0.53 — 0,56
nach Droysen), oder am Aventin, wo im Grundstocke doch immerhin Unter-
schiede von 0,53 — 0,56 m vorkommen. Grössere Unterschiede ünden sich
1) Bull. mun. 1897, 241 uud 247. — 2) Vgl. Süm. Mitt. 1907, 35 ff.
3) BuU. Paletml. ital. 1898,. 152.
24
Das Alfrr der serrianisclten Mauer in Itow. 107
Jiiicli nii-ht an dem Tliolosbaii des Palatin (0,25 bis 0,28 m), oder am I'o-
dion des kapitolinischen Tempels (0.30—0.33 m, nur in der obersten Lage
0.38 m), oder an der ältesten Befestigung des Palatin (0,25—0,27 m).
Dass die Quadern des recinto interiore in den Stossfugen A n a t li y-
r o s i s ohne Fase und obne glattgescbabten Saum haben, die Aus.sen-
mauer aber nicht, kann nicht zu dem Schhisse führen, dass die letztere
jünger sei. Anathyrosis mit breitem Hand und vertieftem Mittelfeld findet
sich nicht nur an dem Apollotempel von 431 v. Chr.. sondern auch an
dem Tempel von Signia, den Delbrück') um 500 v. Chr. .setzt. Ausser-
dem ist die Anathyrosis. die ein genaueres Schliessen der Stossfugen zu
en-eichen bezvFeckt, doch eine grosse Verfeinerung der Technik ; aus ihrem
Fehlen könnte man eher den entgegengesetzten Schluss ziehen. Aber
warum sollten beide Methoden nicht gleichzeitig sein können ? An der
Innenmauei-, die dem Anblick aus nächster Nähe ausgesetzt war, sorgte
man für ein schönes, gleichmässiges Aussehen, in der Aussenmauer. bei
der es nur auf Festigkeit ankam, unterliess man das, da sie ja durch den
etwa 100 Fuss breiten Graben von jedem Betrachter getrennt war.
Das wichtigste ist. ob gegen Ende der römischen Königszeit schon
das Läufer -Binder System in Rom bekannt war. Freilich das Po-
dion des kapitolinischen Tempels besteht aus tafelförmigen Platten, aber
in der Aussenreihe wechseln Läufer und Binder miteinander ab"). Das-
selbe gilt von dem Tempel zu Signia'). Und wenn in der ältesten Be-
festigung des Palatin imd in dem ältesten Rest des Castovtempels schichten-
weis tiefer oder weniger tief hineingreifende Blöcke in der Aussenreihe ab-
wechseln, so ist diese Verzahnung doch nichts andei-es als eine Anwendung
des Läufer-Bindersystems auf tafelförmige Quadern. Demnach muss jenes
System gegen Ende der Königszeit schon in Rom bekannt gewesen sein.
Es bleibt als technischer Unterschied bestehen, dass die servianische
Aussenmauer auch in den Teilen, die oskisches Mala haben, im wesent-
lichen cju ad ratisch geschnittene Quadern verwendet, wäh-
rend die genannten alten Bauwerke aus tafelförmigen hergestellt
sind, imd ferner, dass in der servianischen Aussenmauer das Binder-Läufer-
system durch den ganzen Verband durchgeführt ist. Das letztere erklärt
sich leicht aus dem Zweck der Mauer. Da sie besonders fest sein musste,
so führte man die Methode, die besondere Festigkeit gibt, durch ; dagegen
bei dem recinto interiore und bei Tempelpodien, wo solche Festigkeit nicht
vonnöten war, wo man den Stoss eines Sturmbockes niemals befürchten
brauchte, begnügte man sich mit einer Art von Verzahnung in der Aussen-
schicht. Was endlich den quadratischen Durchschnitt der Quadern der
servianischen Aussenmauer anlangt, so sind kleine Unterschiede vorhan-
den. Die Quadricrung der Blöcke, die in dem Grundstocke der grossen
1) n. Kupitol von Sigma 1903 S. 3 und 13.
2) Delbrück, Apollotempel S. 12/13. — 3) Delbrück. Dks Kapital von Signia S. .">.
25
108 -P- Grajf linder.
Aventinvuine liegen, ist weniger sorgfältig als an der grossen Ruine am
Bahnhofe, wie schon Richter^) hervorhebt; man hat manchmal den Ein-
druck, als seien sie ohne Winkelmaß gesclmitten. Es ist bekannt, dass
die etruskische Säule in Pompeii von Mau -) in das 6. Jhd. v. Chi-, gesetzt
wird; und dazu stimmt, dass man schon damals tuskaniscbe Tempel nach
dejn Vorbilde dorischer Tempel baute. Wenn man so kunstvolle Bau-
glieder herzustellen verstand, dann sollte man nicht quadratisch geschnittene
Blöcke nach dem Läufer- Bindersystem haben legen können? Es ist ein
Widersprach, das eine zu behaupten, das andere zu verneinen. Kurz die
Technik, welche die ältesten Teile der servianischen Mauer zeigen, ent-
spricht sehr wohl der Stufe der Entwicklung, welche die römisch-etrus-
kische Baukunst in der zweiten Hälfte des 6. .]hds. v. Chr. erreicht hatte.
Es ist noch notwendig, kurz einzugehen auf Delbrücks Ver-
mutung '), dass die Innenmauer in der Via Voltumo älter sei als die dor-
tige Aussenmauer; ursprünglich habe zu dem recinto interiore eine in
Material, Maßen und Technik ihm völlig gleichende Aussenmauer gehört ;
ein Rest der letzteren sei die von Braun im Garten Colonna entdeckte
kleine Ruine. Freilich die grossen Blöcke hellgelben Tuffs, welche die
Innenmauer in der Via Volturno durchbrechen, sind jünger, da sie römi-
sches Maß haben ; ebenso der obere Teil der dortigen Aussenmauer aus
demselljen Grunde. Aber dass der Grundstock der letzteren, der nach o.s-
kischem Maße erbaut ist, nicht mit dem dortigen recinto interiore gleich-
zeitig sein könne, ist nicht erwiesen. Wenn der Aussenmauer die Ana-
thyrosis fehlt, so kann man daraus nicht spätere Entstehung folgern. Die
Ruine im Garten Colonna hat andere Maße. An einer Tatsache aber, die
von Borsari und Lanciani beobachtet worden ist. scheitert Delbrücks Ver-
mutung. Die Erdmassen des Walles sind am genauesten untersucht in
der Via delle Finanze. Die Schichten des eigentlichen Walles enthielten
dort nur Splitter des gelben Tuffs, aus dem die Aussenmauern bestehen*).
Etwas Aehnliches hatte schon Lanciani an acht Stellen des Esquilin-
walles festgestellt, wo man bei Durchschnitten im Lmem sabbia tufacea
und scaglie di cappellaccio vorfand*). Jedenfalls ist also bei der Er-
richtung des Walles auch schon hellgelber Tuff verar-
beitet worden, natürlich doch zu den Aussenmauern. Dass aber ge-
rade an allen jenen neun Stellen, wo man den Wall in dieser Weise unter-
sucht hat, spätere Aufschüttung vorliege, wird wohl niemand behaupten
woUen. Gehört also der Wall, wie Delbrück annimmt, dem 6. Jhd. v.
Chr. an, so sind auch damals schon Mauern aus hellgelbem Tuff emchtet
worden. Nichtsdestoweniger hat Delbi-ück damit vollkommen das Richtige
getroffen, dass er zwei Perioden der servianischen Mauer annahm.
1) Steinmetzteichen S. 11. — 2) Rom. Mitt. 1902 Taf. 8.
3) ApoUotempel S. 16. — 4) Bull. com. 1888. 17.
5) Bull. man. 1874, 200.
26
Das Alter der serrimiischen Mauer in lioiii. 1011
Ein gutes Mittel, die Zeit zu ))egren7,en. in der die h'uinen der sei-
vianischen Mauer entstanden sind, bieten die auf den Quadeni erhaltenen
Steinmetzzeichen, die zuerst von Bruzza ') gesammelt sind, dann mehr-
fach von Jordan') und Hichter') behandelt sind. Dass diese Zeichen nicht
alle ein und derselben Zeit angehören, ist schon an und für sich wahr-
scheinKch. Auch treten in ihnen augenfällige Verscliiedenheiten hervor.
Bei den meisten Zeichen z. B. bei dem K '') oder dem V '*) ist auf den
ersten Blick klar, dass sie ohne Vorzeichnung eingehauen sind; darum
die Roheit und Verschiedenartigkeit in der Gestalt ein und desselben
Buchstabens. Wie stai'k weicht davon ab die tadellose Form des E. das
nur in den obersten Lagen des runden Ausbaus auf Piazza Fanti. sonst
nirgends an der Mauer ei'scheint "). Solche Gleichmässigkeit der genau
rechtwinklig ansetzenden Querstriche konnte nur durch Vorzeichnung er-
reicht werden. Dieses Zeichen, sicher zu den jüngsten gehörig, könnte
nach seiner Form wohl in die Zeit des Hannibalkrieges fallen, als die
Mauer ausgebessert wurde.
Im allgemeinen ist schon von Bruzza (S. 80) und Richter (S. 40)
mit Recht bemerkt, dass die grosse Masse der Zeichen, die entweder Buch-
staben sind oder an deren Form sich anlehnen, einer jüngeren Entwick-
lungsstufe des lateinischen Alphabets entsprechen. Das H erscheint nur
in der geöffneten Form mit schrägem oder gradem Querstrich '). Das ge-
schlossene H findet sich nur auf der Maniosfibel "). und auf der Stele
des Forums '*), die Mommsen ebenfalls dem 6. .Jhd. v. Chr. zuweist*").
Alle späteren lateinischen Inschriften kennen nur das offene H *'). Wie
weit liegt ferner das rechtwinklige, eckige n^-) ab von der uritalischen
Form n der Forumstele, oder das H '^) von der ebensoalten Form A der
Maniosfibel. Und wenn auch die meisten übrigen Zeichen nicht so starke
Abweichungen aufweisen, so lassen sie doch durch ihre oftmals recht-
winklige Gestalt erkennen, dass das griechische Alphabet schon refor-
mierend eingewirkt hat. Man dai-f wohl die Vennutung äussern, dass
diese Einwirkung ihren Anfang nahm in der Zeit der Decemvirn. als man
aus Athen Gesetze kommen Hess (Liv. III. ,31); es war nur natürlich, dass
die dann aufgestellten Tafeln auch in der Buchstabenform vielfach nach
der Vorlage sich richteten. Also die grosse Masse der Steinmetzzeichen,
wie man sie vor allem auf den Ruinen am Bahnhof sieht, können nicht
der Königszeit angehören, was ja für den grössten Teil der Mauer selbst
schon aus der Anwendung des römischen Fusses geschlossen worden war.
I) Aniial. hist. 1876. 72; Bull, viiiii. 1878, 177.
■2) Hermes 1876, 401 ; Tiqjon. I, 1. 2.59. — 3) Winkelmannproy. 1885.
4) Bruzza Nr. 78—91. — 5) Richter S. 10. — 6) Jordan I, 1 Taf. I. 3.
7) Bruzza Nr. 72—7.5; Richter Nr. 4a; Jordan I, 1 Taf. II. 6—9.
8) 6. Jhd. V. Chr. Räm. Mitl. 1887, 40; Bücheier, Mevi. Mux. 1887, 317.
9) Archäohg. Anzeig. 1900 Taf. I. — 10) Bermes 1903, 153.
II) Ritsehl 02*««^. iV, 699. — 12) Richter Nr. 6. — 13) Richter Nr. 5a.
27
110 P. Graffunder.
Ob das Alphabet, dem die Steinraetzzeiclien entlehnt sind, i-echts-
läufig oder linksläufig war, lässt sich an den meisten Zeichen (A, C, E,
H, J, K, T, V, X, III, V) nicht erkennen, da dieselben einzeln stehen
und die Quadern freie Lagerung haben. Die Rechtsläufigkeit, die die
Herausgeber anzunehmen scheinen, ist nicht erwiesen. Sichere Spuren
der Rechtsläufigkeit bietet einzig und allein das P, wenn die rechte Hasta
nicht ganz heruntergezogen ist. Dagegen ist vermutlich >l auf der grossen
Ruine am Bahnhof linksläufig ') ; denn es umgekehrt einem P gleichsetzen
kann man nicht, da das P derselben Ruine ja ganz andere Form hat.
Für dieselbe Ruine gibt Bruzza ein linksläufiges, etwas gerundetes T an -).
Dazu stimmt bei Richter Nr. 15 n, das freilich eckig ist. Allerdings ist
auf Richters Photographie deutlich dreimal T zu sehen, einmal dicht an
der nördlichen Kommissur in der zehnten Lage von unten, zweimal dicht
an der südlichen Kommissur in der zwölften Lage von unten. Ganz sicher
ist es femer, dass die servianische Mauer nur das linksläufige N kennt. Da
nun die rechts- oder linksläufigen P imd linksläufigen N nach ihrer Stellung
auf der ganz einheitlich gebauten Ruine am Bahnhof gleichzeitig sein müssen,
so ergibt sich der Schluss, dass damals, als die Zeichen eingehauen wur-
den, das lateinische Alphabet auf dern Uebergange von der Linksläufig-
keit zur Rechtsläufigkeit begriffen war. Da aber die Rechtsläufigkeit mit
Beginn der Münzprägung um 338 v. Chr. schon völlig durchgedrungen
ist^), so führt das auf die erste Hälfte des 4. Jhds. v. Chr.. in die ja
auch jene lluine aus anderen Gründen gesetzt worden ist.
Sehr wichtig wäre es, wenn man für die einzelnen Steinmetzzeichen
einen terminus ante quem gewinnen könnte. Dazu hilft uns freilich nicht
das T. das am Bahnhof*) imd an der zuletzt entdeckten Ruine hinter dem
Museo agrario ") erseheint. Der Querstrich ist teils gei-ade, teils schräg ;
auch folgende Form \ findet sich. Mit Recht zieht Bruzza das Zeichen
J^ hierher, da es im Bereiche der T steht. Aus dem gleichen Grunde
muss man Richters Zeichen Nr. 17 hier einreihen, das nach der Photo-
gi-aphie genauer so aussieht ^1^. Ein T mit geknickten Armen kennen
auch faliskische Inschriften y ")• Aber alle diese Abwandlungen sind zur
Gewinnung eines terminus ante quem wenig brauchbar.
Dagegen eignet sich zu diesem Zwecke sehr gut das linksläufige H
oder A; es findet sich sechsmal, darunter zweimal das schräge, zwischen
porta Viminalis und der nördlichen Kommissur"), einmal zwischen beiden
Kommissuren *), zweimal in der via Volturno (Richter S. 8). Freilich gibt
Jordan ^) 'dort ein einfaches schräges N an; aber nach erneuter Unter-
1) Bruzza Bull mun. 1878, 193. — 2) Vgl. Jordan, Erit. Beitrüge 1879. VA.
3) Job. Schmidt bei Pauly-Wissowa, Alphabeth S. 1628.
4) Richter Nr. 13. — -5) Kot. scavi 1907, .505 Fig. 1, B.
6) Zvetajeff, Insc. Ital. med. diaJ. 1885 Taf. VIII, 2. — 7) Richter Nr. 5 a u. 5 b.
8) Richter S. 10. — 9) H, 1 Taf. I, 1.
28
Das Alter der servmnischen Mauer in liom. 111
suchuiig muss ieli Richters Bild bestätigen, wenn auch die liniie Hasta
infolge der Verwitterung jetzt fast gänzlich verschwunden ist. Besonders
wichtig ist, dass zweimal die rechte Hasta länger lierabreicht. Denn ab-
gesehen von der Altertümlichkeit ist (hidurch jeder Zweifel an der Links-
läufigkeit ausgeschlossen. Somit kennt die servianische Mauer nur das
linksläufige N.
Der Buchstabe N liat im lateinischen Alphabet vier Stufen durchlaufen:
1) A 2) M oder Vv 3) /v 4) N
Die erste Stufe erscheint nur auf der Maniosfibel und Forumstele :
sie gibt die uritaHsche Form wieder, wie man sie auf dem Syllabar von
Veii-"^) sieht. In der zweiten Stufe werden die linken Nebenstriche herab-
gezogen: dazu gehört auch die Variante U, die im Etruskischen sehr be-
liebt ist. Diese drei Formen der zweiten Stufe bietet die Duenosvase, die
Dressel -) allerspätestens um 350 v. Chr. setzt, die aber sicher nocli älter ist.
Zwischen der zweiten und dritten Stufe liegt der üebergang zur
Rechtsläufigkeit. Dieselbe ist, wie oben bemerkt, um 338 v. Chr. völlig
durchgedrungen. Schon die rechteckigen Kupferbarren ^). die in der Mitte
liegen zwischen dem aes signatum und den eigentlichen Münzen und die
Dressel ■*) deshalb in die Zeit um 350 v. Chr. verlegt, haben rechtsläufige
Legende {Romanom), wenn eine solche überhaupt voi'liegt. Eine der
sichersten Tatsachen der Münzkunde ist es ferner, dass die römisch-
kampanischen Didrachmen, die nach dem Fuss von 7,58 g geschlagen sind
(Legende: Bomano, Caleno), in die Zeit 338 — 312 v. Chr. gehören*). Ge-
rade die überaus reiche Fülle dieser Münzen macht es zweifellos, dass
damals im römischen Alphabet die Rechtsläufigkeit hen'schte.
Allerdings gibt es unter den damals und später in Kampanien und
anderen römischen Kolonien geschlagenen (gegossenen) Münzen ganz ver-
einzelt linksläufige Legenden; unter den in Capua hergestellten Bomono-
Münzen nur in einer einzigen Serie ").
1) Bull, instit. 1882, 90. — 2) Ämial. inst. 1880. 192.
3) Milani, Rivista Ital. di Niimism. 1891, 67; Regung. Klio 1906, .500.
4) Berlin. Mimzkatalog lU, 1 S. IX.
5) Regling a. a. 0. S. 490; HaeberUn, Ztsclir. f. Numismat. 1909, 60.
6) Minervakopf-Pferdekopf, CIL I, 17; Bahrfeld, Rinsta Hai. ä. Numism. 1899,
396—399; A. Sambon. Les nwnnaics antiques de l'Italie 1903, 438 Nr. 1139 ff. — ferner
von Aquinum (um 2.30, CIL I. 21 ; A. Sambon Nr. 168) — von Aesernia (nach 263,
CIL I, 20) — von Caiatia (um 2r>0, CIL I, 21 ; Fabretti Corji. inscr. Ital. Nr. 2829)
— von Ariminum (nach 268; CIL I, 23) — von Cosa (273—268, CIL I, 14; A. Sam-
bon S. 82/83 Nr. 148 )F.) — in : Paistano (273—268, CIL I. 17 ; Ritschi, Prise. Lat.
Mon. epig. VI, 66, e vgl. S. 13) sind nur die letzten beiden Buchstaben nach links
gewendet. Noch seltener kommt es vor, dass in rechtsläufige Legenden sich ein
linksläufiges N verirrt; in: i?o)«a«o (Bahrfeld a. a. 0. S. 399; Berlin. Münzkatal. lU,
1,171 Nr. 9.5); in: Aisernino (Prise. Lat. Mon. ep. VI, 23b vgl. S. 10); in: Cosano
{CIL I, 14; A. Sambon S. 83 Nr. 2.50; in: Caleno (Garucci. Le monete d. It. ant. I
Taf. LXXXIII, 18).
112 P- Ch-aff linder.
In welcher AVeise diese ganz vereinzelten Fälle, iu denen die Legen-
den teils ganz teils in einem Buchstaben linksläutig sind, zu erkläi-en
sind, darüber gibt der Ort ihrer Entstehung eine sichere Weisung. Das
lateinische Alphabet erscheint hier auf einem fremden Boden, wo die
Etrusker. Umbrer. Osker damals noch linksläutig schrieben. Es war da-
her fast unvermeidlich, dass die dortigen Stempelschneider ab und zu in
die Gewohnheit ihrer Heimat zurückfielen. Für die faliskische Tertinius-
basis^), die ein linksläufiges N einstreut, hatte schon Kitschi ■^) denselben
Weg der Erklärung gewählt. Dasselbe gilt von viel späteren Schleuder-
bleien aus Umbrien *). wenn hier nicht der Zufall mitgespielt haben sollte.
Aus dem gleichen Grunde kann es nicht Wundernehmen, dass die in
einem Gemisch von Latein und Marsisch geschriebene Fucinerbronze*) die
lateinische Schrift bustrophedon wendet, da bei den Sabellern diese Schreib-
weise besonders beliebt war.
Bei Betrachtung aller dieser Ausnahmen darf man nicht vergessen,
dass besonders für jene Münzserien, die in die Zeit von 338 — 312 v. Chr.
fallen, in ungeheuer überwiegendem Maüe die Rechtsläufigkeit gilt. Hätte
das lateinische Alphabet damals nur noch eine Spur von Neigung zur
Linksläufigkeit gehabt, so würden die in dem oskischen Capua entstan-
denen römisch-kampanischen Münzen viel häufiger linksläufig sein. Die
Ausnahmen bleiben aber ganz vereinzelt. Sie können nicht den Satz
erschüttern, dass um 338 v. Chr. im lateinischen Alphabet die Rechts-
läufigkeit völlig durchgedrungen war und also auch das rechtsläufige X
üblich war.
Die weitere Entwicklung des lateinischen N zu verfolgen, ist für
unsere Frage zwecklos. Nur das mag bemerkt werden, dass um 300 v.
Chr. das einfache schräge N überwiegt: ein Beispiel ist etwa der Tonzy-
linder aus der Villa Caserta mit eco Anionios'^). der das G noch nicht
kennt. Im Laufe des 3. Jhds. v. Chr. nimmt die Schrägheit immer mehr
ab. Die Inschrift des Aemilius Paulus*) hat neun gerade X neben einem
schrägen.
Vergleicht man mit dieser Entwicklung das Steinmetzzeichen M oder
A. so ist es klar, dass es der zweiten Stufe zuzuweisen ist. wenn es auch
in zwei Beispielen noch ein wenig nach der ersten Stufe neigt. So er-
halten wir 338 v. Chr. als terminus ante cjuem, der dann auch für die
grosse Ruine am Bahnhof gelten muss.
1) Zvetajeff a. a. 0. Taf. YII. 2: Eng. .Schneider. DMector. Ital. e.eemp. seh 1886.
107 Nr. 28.
2) BUin. Mus. XIV. 382.
3) Ephemer, epig. VI, 72. Lufnasia z. T. mit liuksläufigem N.
4) Not. scuri 1877 Taf. XIII: Gamurrini appeiul Nr. 940; um 300. Bücbeler,
JRJiein. Miif. XXXUI, 489.
5) Um 300—2.50 v. Chr.. Dressel Anmd. 1880 Taf. R S. 336.
6) 189 V. Chr. CIL H. .5041.
30
Das AHcr dir scrrituiisclicii Miiitcr in L'otii. IVi
Eine ebenso fjute DatieniTig crniöjjjliclit das einem I'i entsprechende
Steinmetzzeicheii, das 28 mal am Bahnhofe zwischen beiden Kommissuren
steht '). Die Entwicklung des lateinischen P etwa seit 300 v. Chr. hat
UitscJil-) mit grosser Genauigkeit dargestellt; er gibt folgende Reihe:
n P r P r. Um 300 v. Chr. herrscht die eckige Form P. bei der der
rechte Seitenstrich etwa ein Viertel der linken Hasta ausmacht^). So
konnte Mommsen^) sagen, dass das eckige Pi um 250 v. Chr. noch in Ge-
brauch war. um 150 v. Chr. nicht mehr. Damit stimmt im wesentlichen
Ritschi überein, nach dem die eckige Form nicht über 134 v. Chr. üblich
isf). Auch das hat Ritschi mit Recht angenommen, dass der um 300
V. Chr. herrschenden Form P das griechische n vorhergeht, dessen Hasten
gleich lang sind, eine Form, die im oskischen Alphabet allein gilt. Wo-
her dieselbe stammt, zeigen die kampanischen Miiuzlegenden. unter denen
sie besonders die Münzen von Neapel bevorzugen"!.
Wie stellt sich nun das betreifende Steinmetzzeichen zu dieser Reihe?
Bei weitem die meisten ziehen den Strich rechts bis zur Hälfte oder Dreiviertel
der ganzen Höhe herab: P P; eine ganze Anzahl gleicht sogar völlig
der kampanischen Form n '). Es liegt auf der Hand, dass diese Zeichen
in der Mitte liegen zwischen dem älteren kampanischen n und dem P,
das um 300 v. Chr. im römischen Alphabet herrscht. Sieht man also
von den drei oben behandelten linksläufigen vor 338 v. Chr. anzusetzenden
P ^) ab, so gewinnen wir etwa 300 v. Chr. als terminus ante quem für unser
Steinmetzzeichen.
Das Zeichen der servianischen Mauer, das ein chalkidisches Chi dar-
stellt, liegt in zwei verschiedenen Arten vor. Die erste Art V ist in
etwa 70 Beispielen auf der grossen Ruine am Bahnhof erhalten. Die
Seitenarme sind manchmal nicht gleich lang, sie sind mehrfach ebenso-
hoch wie der Mittelstrich; zuweilen sind die Striche unverbunden. was bei
altertümlichen Inschriften ja nichts Seltenes ist. Die zweite Art findet
sich an der hinter dem Museo agrario neuentdeckten Ruine ') auf der mehr
nach imien gelegenen Aussenmauer etwa in folgender Gestalt T. Doch
auch hier sind daneben die Striche unverbunden.
Auch die Entwicklung dieses Buchstaben haben Mommsen und Ritschi '")
1) Richter Nr. 6 S. 10. — 2) Op. IV. 694. 701. 703.
3) So haben die berühmten Libralasse von Luceria {Pri.ic. Lat. Man. ep. V, D
u. E; 312—286, — der Meilenstein des Claudius (um 260: Hörn. Mitt IV. 83), — die In-
schrift des P. Cornelius (336; CIL I, 41), — der Stein von Milionia (vor 2.50; Mommsen
Unterital Bial. S. 334). Von den Scipioneninsfhriften hat nur die rote Ueberschrift
auf dem Sarge des Barbatus-Sohnes' (Ritsch! op. IV, 213: Wölfflin, Jievue de pliilol.
890, 122: um 240—230) die eckige Form, sonst erscheint dort allein das gerundete P.
4) Unterital. Dial. S. 29. - 5) Op. IV, 704.
0) Mommsen, Miinzuesen S. 160/161. — 7) Richter Tat. t u. 11.
8) Richter Nr. 15. — 9) Not. scavi 1907, -503 Fig. 1, E.
10) Hermes 1887, -598. Unterital. Dial S. 33. — Op. IV, 722.
Klio Beiträge zur alten Geschichte Sil. 8
31
lU /'. Graff'iiufley.
genau dargelegt. Mommsen gibt folgende Keilie \ 1 X -L L. Die an
die Spitze gestellte Form ist zwar in lateinischen Inschriften bisher nicht
nachgewiesen, da die Inschrift von Cora ') ein anderes Zeichen hat. Den-
noch weist Mommsen jener Form mit Kecht den ersten Platz zu. Die
etruskischen Syllabare 'zerfallen in zwei Klassen, solche, die den neu-
erfundenen Buchstaben 8 noch nicht haben d. h. die von Caere ^) und
Veii*); zweitens solche, die ihn schon haben d. h. die Syllabare von Bo-
marzo (Corssen Taf. I, 7). von Colle (Taf. I, 6), von Nola (Taf. L 9). von
Chiusi (Taf. I, 12), von Grosseto *). Die ersteren haben Y. die letzteren
I . Man ist also von der ersten F'orm, die man als uritalisch betrachten
kann, zur zweiten übergegangen. Die lateinischen Inschriften des l3. .Thds.
V. Chr. bieten nur zwei Beispiele, der Meilenstein der via Appia V (um
260). die Goldmünzen aus der Zeit des HannibaUcrieges ^1 *).
Von den betreffenden Steinmetzzeichen ist nun die erste Gruppe von
der grossen Ruine am Bahnhof vergleichbar der Form des Meilensteines :
sie kann der Mitte des 3. Jhds. v. Chr. angehören, aber sie kann natür-
lich auch älter sein. Die zweite Gruppe von der älteren Aussenmauer
beim Museo agrario (Y) muss älter sein als die erste Gruppe (V), also
auch älter als die grosse Ruine am Bahnhof. Da diese nun aus anderen
Gründen oben der ersten Hälfte des 4. .Jhds. v. Chr. zugewiesen ist, so
erhalten wir dieselbe Zeit für das Zeichen I als freilich bedingten ter-
minus ante quem.
Das altertümlichste Steinmetzzeichen, das wir überhaupt an der ser-
vianischen Mauer finden, hat sich auf der grossen Ruine am Aventin er-
halten - (s. 0. S. 93). Einem H es gleichzusetzen, ist unmöglich, weil bei
dem H'^) die senkrechten Striche gewöhnlich mindestens doppelt so lang sind
als der Querstrich, der ausserdem meist schräg ist. Vielmehr gleicht es vöUig
dem chalkidisch-uritalischen Zeta, wie man es in dem Syllabar von Veii ' )
sieht. In Rom ist es bekanntlich sehr früh aus dem Gebrauch geschwun-
den, später aus der Reihe des Alphabets. VaiTO (VII, 26) las es nocli
in der Trausskription des Carmen Saliare in rozeidadorieso. Wahrschein-
lich hat es erst Appius Claiidius Caecus aus dem Alphabet verbannt*)
und an seine Stelle G gesetzt. Wenigstens kann Sp. Carvilius Ruga um
239 V. Chr. auf keinen Fall Erfinder des G sein, da dasselbe viel früher
auf Münzen von Signia ") und auf der Bronce von Rapino '") vorkommt.
Auch hatte das Zeta ja Livius Andronicus und Naevius wieder angewen-
1) CIL I. 1156. Wachsmut zu Ritschi op. W, 705.
2) Corssen, Sprache der mni.^lcer Taf. L 3. — 3) Bull, imtit. 1892, 90.
4) Gamurrini appexd. Taf. EI, 57. — 5) Haeberlin, Ztschr. f. Numismaf. 1907, 265.
6) Bruzza Nr. 72 — 75; Richter Nr. 4 a.
7) Bull. inst. 1882, 91; Kirchhoff, OriecJi. Alpluih.* S. 135.
8) Jordan, Krit. Beiträge 1879, 155.
9) Vor 268, CIL I, 11; A. Sambon S. 100 Nr. 164.
10) Um 250. Mommsen. Unicritnl. Dial S. 338 Taf. XIV.
32
/)((.< Alter der serrianisiiicn Mauer hi Rom. 115
(leC). ilii sie den ;uis ihrer Heimat her ihnen wohlbekannten Buchstaben für
die griechischen Namen in ihren Dichtungen gar nicht entbehren konnten.
Der Nachricht zu misstrauen, liegt auch nicht ein Schimmer von Grund vor.
Welche Form das altlateiuische Zeta hatte, abgesehen von der Ur-
form, wissen wir nicht. Aber da das umbrische Zeta t :i d- ^) und eben-
so das t'aliskisclie Zeta ip C t- t ^) tlen Abwandlungen des etruskischen
Zeta^) völlig ähnlich sind, muss man für das altlateinische Zeta dasselbe
voraussetzen. Denn von allen italischen Alphabeten ist das faliskische
dem lateinischen am nächsten verwandt : welchen Einfluss aber in älterer
Zeit die Etrusker auf Rom hatten, ist bekannt. Daher kann man den
Zweifel an dem Zeta der Inschrift von Milionia "X^) getrost aufgeben, da
die etruskischen Inschriften von Norchia und Castelluccio ") eine sehr ähn-
liche Form X- bieten, ebenso das Syllabar von Grosseto "f- "), natürlich
hier linksläutig nach der anderen Seite gewendet. Ferner kann man es
jetzt wohl als ganz sicher hinstellen, dass auf der Duenosvase in dze
iioine das JI als Zeta zu lesen ist, wenn man die etruskischen Formen J^*)
und Jr ") und vor allem die faliskische ]^ '") danebenhält. Dass (he für
die steht, entspricht italischem Brauch"). Dieselbe Lautwandlung liegt in
dse vor, nur ist sie nicht ganz zum Ende gekommen. Also auch sprach-
lich ist Dresseis Deutung von dze noine nicht anzutasten.
Leider ist die Datierung der Duenosvase noch immer strittig. Pinza '-)
setzt sie in das 6. Jhd. v. Chr. Das ist unmöglich. Denn es ist schon
F an Stelle von FH getreten '^), und das N steht bereits auf der zweiten
Stufe. Auch ist in imhari schon der sog. Rhotacismus vollzogen. Nun
nimmt man gewöhnlich an, dass diese Lautwandlung um 330 v. Chr. zum
endgültigen Abschluss gelangt sei '*). Denn Papirius, der Diktator von
348 V. Chr., soll sich zuerst so genannt haben statt Papisius (Cicero fam.
IX, 21. 2). Eigennamen sind aber bekanntlich überaus spröde gegen eine
Lautwandlung und nehmen sie immer erst zu allerletzt an, wenn sie sich
überhaupt fügen. Der Anfang dieser Lautwandlung liegt natürlich von
jenem Zeitpunkte weit ab. Deecke wird das Richtige treffen, wenn er
sagt, dass der Rhotacismus um 450 v. Chr. beginnt und um 350 v. Chr.
zum Stillstande gekommen ist'^). Danach müsste die Vase in die Zeit
1) Marius Victorinus, Keil Gram. Jat. VI, 8.
2) Aufrecht- Kirchhoif. D. Umhrischen Sprachdenkmäler Tat. 1 etc.
3) Zvetajeff Iitsc. IlaJ. med. dial. 1885 Taf. VII, 4; XI, 1; IX, 4.
4) Vgl. Corssen a. a. 0. Taf. I. — 5) Zvetajeff a. a. 0. Taf. VI, 4.
6) Corssen a. a. O. Taf. II. 18 u. 19. — 7) Gamurrini append. 1880 Nr. hl.
8) Vulci, Corssen Taf. n. 16. — 9) Montepulciano, Taf. III, 23.
10) Zvetajefl" a. a. 0. Taf. XI, 1.
11) Etruskisches Zfirt/üd/ wird später Xarja? (Corssen II, 163), Volcutius gibt fa-
liskisches Tolcozeo (Zvetajetl' a. a. 0. Taf. XI, 1), dieciüus entspricht oskiscbem ;i-
colo (Aufreeht-Kirchholf a. a. O. S. 107 Anm.).
12) Monum. ant. XV 190.5, 649. — 13) Vgl. Pauli, Altital. Forsch. III. 100.
14) F. Stolz, Histor. Gram. S. 27. — 15) Bursians Jaliresh. 1896 Siipplem. S. 16.
8*
33
116 P- Graff'nmJer.
450 — 350 V. Clir. fallen. Dressel setzt sie allerspätesteus 350 v. Chr.. in-
dem er aufwärts Spielraum lässt. Nun bedenke man. dass mindestens
um 338 V. Chr. die Rechtsläufigkeit im lateinischen Alphabet herrscht:
die Vase hat linksläufige Schrift. Seit mindestens 338 v. Chr. hat R den
diakritischen Strich, die Vase kennt ihn nicht. Das M hat seit 338 v.
Chr. vier Striche ; die Vase kennt nur das fünfsti-ichige M. Solche ein-
schneidenden Wandlungen können nicht im Handumdrehen vor sich gehen.
Wir müssen die Vase also noch bedeutend von 338 v. Chr. abrücken.
Jünger als 400 v. Chr. kann sie schwerlich sein. Vergleichen wir nun
unser Steinmetzzeichen Zeta mit dem Zeta der Duenosvase, so liegt es auf
der Hand, dass das erstere älter sein muss, da es selber der italischen Urform
gleicht, die Vase aber eine abgeleitete Spielart bietet. So gewinnen wir
etwa 400 v. Chr. als terminus ante quem für unser Steinmetzzeichen Zeta.
Dass es auch in die Königszeit hinaufreichen kann, wird niemand leugnen.
Das Ergebnis dieser epigraphischen Betrachtungen ist folgendes:
1. Die grosse Masse der Zeichen, wie sie vor allem die grosse Ruine
am Bahnhofe trägt, kann nicht der Königszeit entstammen. Denu H. X.
F und die jüngere Art des Chi liegen weit ab von der italischen Urform.
2. Die Zeichen N und P derselben Ruine müssen älter sein als 338
(300) v. Chr. .Jene mächtige Ruine und alle ihr ähnlichen müssen danach
der Bauperiode von 379 v. Chr. zugewiesen werden.
3. Andrerseits muss das Zeta der Aventinruine älter sein als 400 v.
Chr., femer die zweite Art des Chi älter als die erste Hälfte des 4. Jhds.
V. Chr. d. h. genauer älter als 379 v. Chr. Daraus müsste man schliessen.
dass einzelne Teile der Mauer einer noch früheren Banperiode als der
von 379 V. Chr. angehören. Der aus der Betrachtung des römischen imd
oskischen Fusses gewonnene Schluss wird also in erwünschter Weise durch
die Steinmetzzeiehen bestätigt.
Eine genaue Erwägung verdient noch der Grund, durch den P i n z a
zu erweisen sucht, dass das gesamte servianische Befestigungswerk, auch
der Wall, frühestens im 4. Jhd. v. Chr. nach der Gallierkatastrophe
entstanden sein könne, weil innerhalb des Mauerringes einige jüngere
Gräber des 4. Jhds. v. Chr. liegen'). Freilich das Verbot, innerhalb
der Stadt einen Toten zu bestatten, enthalten die Zwölf-Tafeln. Auch
schon die Terramare der Poebene legten die Totenstadt ausserhalb an.
Dasselbe gilt von Nekropolen im Faliskerlande aus der Villanovazeit-).
Die neuentdeckte Nekropole auf dem Palatiu neben den Scalae Caci *).
im wesentlichen vom 9.-7. Jhd. v. Chr. reichend, war wohl der Begräb-
nisplatz der Roma quadrata; erstreckte sich dieselbe nun bis zum oberen
Tor der Kakusstiege *), so lag die Nekropole also auch ausserhalb. Es
1) Mon. atit. XV. 190.5, 746 ff. — 2) Pinza BulL Paletiwl. ihil. 1898, 51.
3) Not. scav. 1907, 18.5.
4) Ad supereilhim Scalarum Caci. Tarro vgl. Jordan I. 1. 168.
34
Jhtn A/fir der serviuiiischcn JLiiicr in Itutn. 117
scheint äeiniuu-h dieser Brauch von ältesten Zeiten an hei den Italikern
^^egolton zu liaheu. Darauf hat Pinza seinen Beweis begründet. Die Mög-
lichkeit, dass jene ganz geringe Zahl von Gräbern republikanischer Zeit,
die innerhalb der Stadt liegen, unter die Ausnahmen des B e s t a t-
t u n g s V e rbo t e s') fallen, hat er nicht in Betracht gezogen.
Wenn Pinza unter den jüngeren Gräbern auch No. CLVI nennt (S. 752),
so kann man darüber hinweggeiien; denn es liegt, wenn auch dicht am
Bezirke des Grabens, so doch ausserhalb. Ebensowenig sprechen für jene
Annahme die drei Gräber, die unter einer Erweiterung des servianischen
Walles in der vilhi Spitlioever entdeckt sind -). Dass sie ganz alt sind.
ist allgemein anerkannt'): Pinza selber (S. 440) setzt sie noch in die erste
Phase der ersten Periode der Eisenzeit, die er etwa bis 700 v. Chr. rechnet.
Sie können also 1-50 Jahre älter sein als der servianische Wall.
Femer zählt Pinza unter den jüngeren Gräbern auf No. LXI (Tat.
XXV, B) : es liegt in der Via Giovanni Lanza noch innerhalb der alten
Septimontialstadt. Es enthielt ausser unverfänglichen Dingen eine tazza
ordinaria etrusca con ornati in nero (S. 115), in der Pinza den Typus des 'i.
oder 4. Jhds. v. Chr. zu erkennen meint (io credo riconoscere); und man kann
dem Zeitansatze, obwohl Pinza selber niclit ganz sicher war, beistimmen.
Viel unsicherer steht es wiederum mit den drei Gräbern No. CLXXI
bis CLXXIII, tombe a fossa dicht vor S. Caterina da Siena. die nach
Pinza innerhalb des servianischen Ringes liegen sollen. Sie enthielten
eine Knochennadel, vielleicht einige Goldreste, ein balsamario di alaba-
stro und vor allem eine von Lanciani als italogriechisch bezeichnete Vase,
die allerdings ausserhalb der cassamortuaria lag. Diese Bezeichnung scheint
Pinza bewogen zu haben, das Grab für jünger zu halten. Denn unter
italogriechisch versteht er, wie es jetzt üblich ist, die etrusko-kampani-
.«chen Vasen, die im 4. imd 3. Jhd. v. Chr. in grossen Mengen herge-
stellt sind*). Zu diesen kann jene Vase nach der Abbildung bei Pinza
(S. 263) niclit gehören ; sie hatte schwarze Figuren, deren überaus rohe
Umrisse mit dem Sticliel eingekratzt waren. Auch verstand Lanciani da-
mals unter italo-griechisch etwas ganz anderes. Pinza selber bemerkt,
dass nach der Entdeckung der esquilinischen Nekropole die Teiininologie
der Vasen noch sehr unsicher war (S. 46). So pflegte Marsuzi, der die
Rapporte verfasst hat, einfach die vasi a copertura nera als italogriechisch
zu bezeichnen "). Auch De Rossi hebt nachdrücklich hervor, dass irrtüm-
lich die vasi calcidici . . . rappresentanti il piu antico periodo della ci-
viltii etrusca auch italogriechiscii genannt würden "). Lanciani unterschied
damals unter den esquilinischen Ge';ätschaften der Gräber drei Gruppen :
1) Cicero Legg. II, 23, .58. — 2) Mou. ant. XV. 248.
3) Gatti Bull. com. 1896, 17. Hülsen I, 3. 397.
4) G. Körte Etrusker bei Pauly-Wissoira 1907, 763. — .5) Pinza S. 129 .\iiui. 1.
6) Bull. am. 1878, 67; vgl. 1885, 41 und 46.
35
118 P. GmffioHkr.
1. tipo preistorico, 2. tipo della prima uianieia italogreca (etrusca), 3.
tipo figurato ^). Noch 1884 hat Lanciani ') zwei Gefässe des Grabes
No. LXXYIII als italogi-iechisch bezeichnet, die sich nach Pinza (S. 590
und 506) als protokorinthisch oder korinthisch erwiesen haben (Taf. IX,
17 ; X, 4). Wenn nun Lanciani jene Vase des betreffenden Grabes No. GLXXI
eine ani'oretta elegantissima italogreca nennt, so ist schon ans dem Zu-
sammenhange ersichtlich, dass er sie für sehr alt gehalten wissen will.
Denn es ist ja ein sepolcreto vetustissirao ; auch sagt er, dass dort die
ersten Bewohner des Esquilin ihre Toten am Fusse der Mauer bestattet
hätten ^). Dabei meint er natürlich, dass dies ausserhalb der Mauer ge-
schehen sei. Man sieht, jeue drei Gräber sind mit zuviel Zweifel behaf-
tet, als dass sich ein sicherer Schluss darauf gründen Hesse.
Es erübrigt noch das Grab CLXX auf Piazza Magnauapoli zu betrach-
ten, auf das Pinza ganz besonders seinen Beweis gestützt hat. Es war
ein in den natürlichen Felsen eingehauenes Kammergrab, uud zwar so nahe
an der Mauer, dass es bei deren Errichtung wenn nicht zerstört, so doch
blockiert wurde. Nach Lancianis Bericht enthielt es raoltissime scheggie
di fittili italogreci; aber dass er damals nicht etrusko-kampanische Vasen
danmter verstand, ist oben erwiesen worden. Eine Nachjjrüfung ist nicht
mehr möglich; denn die von Buonfanti aufgezählten Gefässe sind nicht
mehr im Museum vorhanden. Ausserdem spricht es Lanciani klar und
deutlich aus, dass jene Scherben gelegen hätten nelle terre che riempi-
vano il vano della grotticella, und diesen Satz wiederholt Pinza (S. 262)
von dem Inhalte des Grabes. Sollten also wirklich darunter etrusko-kam-
panische Vasen oder Scherben sich befunden haben, so können sie doch
nicht die ursprünglichen Beigaben des Grabes gewesen sein, da sie um-
hüllt waren von den Erdmassen, die den Inuenraum des Grabes ausfüllten.
Die ursprünglichen Beigaben hätten doch auf dem Boden bei den Ske-
letten liegen müssen : denn ein Kammergrab lässt man doch nicht müh-
sam in den Felsen hauen, um es sofort wieder mit Erde auszufüllen, son-
dern um dauernd den Zutritt zu dem Innern zu haben. Alles was in-
mitten jeuer Erdmassen lag, kann daher erst hineingekommen sein, als
die Massen hineingeschüttet wurden. Drei Zeitstufen sind also au dem
Grabe zu unterscheiden : 1. die erste Erbauimg. 2. die Zuschüttung, 3. die
völlige Zerstörung im 4. Jhd. n. Chr., als Gebäude darüber angelegt wur-
den. Wer die Zeit des Grabes nach den sog. etrusko-kampanischen Geräten
bestimmt, begeht den Fehler, dass er die erste Entstehung und die Zu-
schüttung gleichsetzt.
Noch ein anderer Einwand muss erhoben werden. Pinza setzt vor-
aus, dass jene Gräber auf Piazza Magnanapoli und vor S. Caterina da Siena
innerhalb des Mauerringes liegen. Das ist für die ältere Bauperiode der
Mauer keineswegs sieher. Wie der Collis Latiaris ursprünglich mit dem
1) Bull mim. 187.^. 47. — 2) Not. scar. 1884, 346. — 3) Btdl miiii. 1876. 123.
36
Das Altir der scrrinnisclmi Mauer in Itoiii. 11 '.t
Kiipitol zus;uiiiiieiiliin<i;. wissen wir nicht ifenau. Alicr nia<^ mm die tra-
janisclie Ausschachhinj^ kloin oder gross gewesen sein, eine starke Umge-
staltung hat dort stattgefunden. Dass ferner Umbauten mit der servia-
nischen Mauer dort vorgegangen sind, ist schon oben geschlossen worden.
Es wäre wohl möglich, dass das älteste Tor hier anders aussah, dass da-
mals die Mauer sich etwas mehr an der Höiie des Hügels hinzog, woran
auch l'inza, wenn auch ablehnend, gedacht hat. Dann aber lagen die
betreffenden Gräber ausserhalb, wie auch Lanciani ') annahm.
Ausser den CTräbern, die Pinza als jünger angesehen wissen will. Iiat
man dieser Gruppe auch wohl noch Grab No. XCIV-) zugerechnet. Wenn
Mariani'') es als eine arca intramuranea bezeichnet, so ist das iiTeführend.
Es war eine tomba a fossa '). oder wie Lanciani sagt, un sepolcro aixaico
(intramuraneo) i'ormato da lastroni di capellaccio. Ausser einem etrus-
kischen Schild und Helm^) enthielt es zahlreiches vasellanie . . . di rozza
maniera'^). darunter zwei Tassen ad ansa bifora, die doch meist ein Zeichen
hohen Altertums sind. Darum wird Pinza recht haben, wenn er das Grab
nicht unter die jüngeren zählt.
Eher wäre es möglich, dass noch einige sepolcri arcaici in forma di
arche"), die in der via Merulana etwa 120 m von der Mauer entfernt inner-
halb lagen, aus der Zeit der römischen Republik stammen'). Denn das
vasellame di lavoro eti'usco, arule in terracotta con rilievi rappresentanti
Tetide che reca le armi ad Achille müssen allerdings etwa ins 4. Jhd. v.
Chr. gewiesen werden. Leider ist es Pinza nicht möglich gewesen, diese
Gräber mit den Berichten von Marsuzi zu identifizieren. Denken kann
man nur an die Gräber No. CXLIX (Pinza S. 207; 18. Sept. 1879). No.
CLI (22. Sept. 18791, No. GLII (28. Okt. 1879), No. CLIII (3. Nov. 1879),
die in der Via Merulana liegen. Aber es sind ihrer Form nach .solite
tombe d. h. tombe a fossa, und von den arule, die gerade entscheidend
sind, weiss Marsuzi nichts, so dass Pinza es vorzog, sie nicht zu den jüngeren
zu rechnen. Jedenfalls bleiben auch hier gewichtige Zweifel bestehen.
Dagegen kann es keinem Zweifel unterliegen, dass ein neuerdings auf
dem Palatin neben den Scalae Caci entdecktes Grab ') dem 4. oder ö. Jhd.
V. Chr. angehört. Es hebt sich von der dortigen in die Vülanovazeit zu-
rückreichenden Nekropole sehr scharf ab sowohl durch seine Form als auch
besonders dadurch, dass es viel höher liegt. Es ist erst erbaut worden,
nachdem jener ganze Platz eine geringe Tieferlegung der Oberfläche er-
fahren hatte und jene uralten Gräber ihren oberen Teil verloren hatten^").
Dieselbe Zeitbestimmung ergibt auch der einzige Skyphos. der in dem
schon im Altertum geplünderten Grabe sich noch vorfand.
1) Bull. mun. 1876, 123. — 2) Pinza S. 144. Hülsen Tupog. I. 3, 268.
3) Bull. com. 1896, 21. — 4) Pinza S. 144. — .5) Pinza S. .536 und .578. Taf. XI. 11.
6) Not. scavi 1884, 346. — 7) Not. scav. Oktober 1879, 265. — 8) Hülsen 1, 3. 268.
9) Not. scav. 1907, 189 Fig. 2, 6. — 10) D. Vaglieri a. a. 0. S. 191 Anm.
37
120 jP. Graffmuler,
Uebersieht man die j ü n ii e r e n G r ä b e r r e p u I3 1 i k a u i s c h e r
Zeit, die i n n e i- h a 1 b des servianiscben Ringes liegen, so stellt sicli
heraus, dass ihre Zahl eine ganz verschwindend kleine ist. Ausser dem
Palatingrabe kommen in Betracht Grab No. LXI am Mithraeum in der Via
Giovanni Lanza. vielleicht zwei oder drei Gräber an der Ecke der Via Meni-
lana und Via Giovanni Lanza. So ergibt sich eine Zahl von fünf Gräbern.
Ist man nun wirklich berechtigt, aus dem Vorhandensein derselben zn
schliessen, dass das Pomeriura der servianiscben Stadt nicht existiert hat.
und ebensowenig das der Septimontialstadt V Denn sicherlich zwei jener
Gräber, wenn nicht alle fünf liegen innerhalb der letzteren. Soll das
Pomerium. das aus dem Salierumlauf erschlossen ist. eine Erfindung sein,
weil wir jetzt ein Grab republikanischer Zeit oben auf dem Palatin fin-
den? Es ist ein Zeichen von grossem Scharfsinn, wenn Pinza (S. 778)
sagt, es sei nicht recht begi-eiflich. wie man auf Piazza Magnauapoli noch
habe bestatten können zu einer Zeit, wo rings umher alles bebaut war :
es müsse das denn geschehen sein infolge langgewohnter Tradition, weil
die Besitzer das Recht dazu erworben hätten. Das führt uns auf deu
richtigen Weg. Die Voraussetzung, dass das Bestattungsverbot
ganz ausnahmslos für das Stadtinnere in der Zeit der römischen Republik
gegolten habe, ist nicht zutreft'end. Vielmehr hat dasselbe mancherlei
Ausnahmen erfahren. Die Vestaliunen wurden zu aller Zeit innerhalb
der Stadt begraben. Das Geschlecht der Valerier. der Ciucier. der Postu-
mier hatte dasselbe Vorrecht durch Volksbeschluss, bewilligt erhalten, und
später ebenso die FabricierM. Das Grab der sieben gegen die Volsker
"267 v. Chr. gefallenen Kriegstribunen, das nahe am Zirkus lag. kann auch
genannt werden. Mehr aber als diese einzelnen Fälle besagt die Tatsaclie.
dass Cicero, wo er von dem Bestattungsverbot spricht, die erstaimte Frage
einwirft: Quid? qui j^ost XII i» iirbc scpidti sitnf r/ri dari? [Lcy;/. II. 23.
58). Das war also damals eine allbekannte Tatsache. AV^enn unter dem
Konsulat des C. Duilius-) das Verbot der Decemvirn durch Senatsbeschluss
erneuert worden ist. so kann das doch nur den Grund gehabt haben, dass
in der vorhergehenden Zeit mehrfach dagegen Verstössen worden war. Be-
denkt man nun, dass die betrachteten jüngeren Gräber nur einige Prozent
ausmachen von den äusserst zahlreichen sehr alten Gräbern, die innerhalb
des servianiscben Ringes liegen, so bietet sich ganz von selbst der Ge-
danke, dass jene ersteren unter die Ausnahmen des Bestattungs-
verbotes fallen. Die Möglichkeit dazu liegt jedenfalls vor. Daher ist
ein topographischer Sehluss auf das Vorhandensein oder Nichtvorhanden-
sein des servianiscben Werkes aus einer so geringen Zahl jüngerer Gräber
überhaupt ganz unstatthaft.
Direkt widerlegt wird Pinzas Auuahme durch die Funde, die teils
1) Marquardt, Pritatleben I. 360. Jordan 1. 1. 19i) Anm. IH.
2) Serv. Aen. XI, 206.
38
!)((■•< Alter (kr AcrrKniisdien Mutier in Rom. 121
11 n t; e r M a ii e r ii ii il W all. teils in iJen Ertlmassen des Walles gemacht
worden sind. Bei den Ausgra})uno;en am Bahnhofe war allerdings nichts*
dergleichen zu Tage gefördert worden : man hatte nur festgestellt, dass
die Erdmassen des Walles dort aus dem GraVjen genommen waren ') ; sie
hatten schräge Schichtung und zwar so. dass die ans dem tiefsten Teile
des Grabens ausgehobenen Massen am weitesten von der Mauer entfernt
lagerten. Ehimals konnte Lanciani ') den Satz aussprechen, dass die eigent-
lichen Schichtendes ursprünglichen Walles nichts von Menschenhand Gefer-
tigtes enthielten. Später ist aber doch mancherlei aus dem Walle oder
darunter hervorgeholt worden.
Nach De Rossi^) ist eine ganze Vase unter dem Wall auf dem
Esquilin gefunden worden: ihm schliesst sicli Pinza'*) an. Das beruht auf
einem Missverständnis. Der erste Fundbei'iclit von Ceselli^) gibt an. dass
un vaso di forma, impasto e cottura simile ai quei vasi laziali gefunden sei
a pochi metri di distanza dall' agger ed ad un metro aldisotto
del piano del niedesimo sopra terreno vergine. Auf ein jüngeres Alter des
servianischen Walles zu schliessen nötigt dieser Fund also in keinem Falle.
In derselben Gegend der villa Caserta ging der Wall hinweg über
eine Schicht, die Buccheroscherben enthielt. Man war sogar vermittels
eines Durchstichs bis unter die Mauern selbst vorgedrungen. Da kamen
zutage Feuerstein Waffen selci lavorate "), besonders zahlreich Scherben ana-
loghe alle albane; dann von eingeführter Ware ausser buccaro auch noch
terracotte bianche senza vernice con pittura a fascie, die De Rossi") va.si
calcidici nennt. Davon können die lazialen Scherben wie die Feuersteinwafi'en
ein selir hohes Alter haben. Auch die Buccheroscherben geben keine sichere
Zeitbestimmung. Denn die Herstellung dieser Ware ist in Etrurien sehr alt
lind hat eine lange Entwicklung **). Den bucchero sottile weist G. Karo")
in die 2. Hälfte des 7. .Jhds. v. Chr. Am besten helfen uns hier die vasi
calcidici. Damit meint De Rossi. wie aus seinen Worten '") ersichtlich ist,
geometrische oder protokorinthische Vasen. Man wird diese Scherben also
kaum tiefer als bis in das Ende des 7. Jhds. v. Chr. hinabrücken können.
Eine stärkere Umgestaltung scheinen die Erdmassen des Walles auf
einzelnen Stellen am Quirinal erfahren zu haben. Sehr eindringlich hebt
Pinza (S. 248) hervor, dass jene drei Gräber in der villa Spithoever von
einer späteren Erweiterung des Walles bedeckt gewesen seien. In der Via
delle Finanze waren drei Schichten der terreni artificiali klar gesondert, von
denen Borsari") eine Zeichnung gibt. Die unterste Schicht, völlig horizon-
tal gelagert, bis zu einer Höhe von 1,2 m reichend, enthielt nur pezzi di terra-
1) Canevari Atli d. K. A. ,1. Limei 187.5. 430. — 2) BtiU. mitn. I87t). 131.
.3) Blüh iiK^t. 187.5, 231. — 4) BitH. com. 1897. 2.54 Anm. — .5) Bidl. inst. 1875, 132.
6) De Rossi Bidl inst. 1875, 232. — 7) Bidl. miin. 1878. fu.
S) Heibig Bull. imt. 187.5, 98. — 9) Bidl. Paletiiol. ital. 1898, IGO.
10) Bull. mini. 1885, 46. ~ 11) Bull. mm. 1888 Taf. I. II Nr. 8.
39
122 P. GraffiüHler.
cotta rozzissimi ^), ähnlicli denen der cilindri funebri -), die aus den Gräbern der
villa Spithoever stammen. Ueber dieser ältesten Grundlage dehnte sich bis
zu einer Höhe von 8,33 m eine zweite Lage mit schräger Scliichtuug aus, die
keine Terrakottareste enthielt, sondern nur Splitter des gelben Tuffs, aus dem
die Mauern bestehen. Erst in der Höhe von 8.33 m folgen die scarichi im-
perali. Da nun schon oben aus der Besehaffenlieit der dortigen Mauer
geschlossen werden musste. dass daselbst Umgestaltungen vorgegangen
sind, so liegt es nahe, zu vermuten, dass die unterste bis zu 1.2 m reichende
Schicht von dem ältesten Walle übrig sei, die dann folgende der zweiten
Bauperiode angehöre. Aber das geht doch nicht an. Denn kein künst-
lich errichteter WaU hat völlig horizontale Lagerung. Die unterste Lage
war vielmehr die erste auf dem Tuif aufliegende Kulturschicht; dass die
Mauern dieselbe durchschneiden, ebenso wie in der Nähe der villa Caserta
auf dem Esquilin ^). war natürlich, da sie erst auf dem Tuff eine feste
Grundlage fanden. Besonders wichtig ist. dass demnach gerade die Schicht
des eigentlichen Walles die Tuffsplitter enthielt, eine Tatsache, die Lan-
ciani, wie schon oben bemerkt, auch für acht Stellen in der Nähe der Via
Napoleone HI festgestellt hatte*). Daraus ergibt sich, dass Wall und
Mauern zu gleicher Zeit errichtet worden sind. Ob aber die Tufifsplitter
von oskisch oder römisch geschnittenen Quadern herrühren, lässt sich leider
nicht entscheiden, da das Material beider das gleiche war.
In derselben Gegend hinter dem Museo agrario sind bei den neuesten
Ausgrabmigen mancherlei Gegenstände aus den Erdmassen des Walles zu
Tage gekommen. Ganz vereinzelt ist ein bucchero des 4. Jhds. v. Chr.,
den auch Dante Vaglieri als später dorthin verschleppt betrachtet °) : denn
alles übrige ist viel älter. Zwischen dem recinto inferiore (Fig. 1, A) und
der älteren" Aussenmauer (Fig. 1, E), also unter dem ältesten Teile des
Walles sind gefunden woi'den No. 1 — 11. darunter ein vöUig dem Vülano-
vatypus gleichendes Gefäss (No. 7 Fig. 16 S. 513); auch die Svastikaver-
zierung (No. 11 Fig. 20) gehört in diese Zeit. Die ältesten Funde reichen
also an die Yillanovazeit heran und werden kaum später als in das 9. Jhd.
V. Chr. gesetzt werden können. Dagegen bezeichnen einen Fortschritt die-
jenigen Gegenstände, welche zwischen der älteren und jüngeren Aussen-
mauer (Fig. 1. E und 1. BCD) gefunden worden sind (No. 12 — 20 und
No. 22 — ^23). Sie sind z. T. schon mit einer primitiven Töpferscheibe her-
gestellt, und No. 22 und 23 sind nicht mebr an offenem Feuer gebrannt.
Da aber jede etruskische und griechische Wai'e fehlt, so wird man auch
diese kaum miter das 7. Jhd. v. Chr. herabrücken können.
Starke Veränderungen hatten auch, wie oben dargelegt, auf Piazza
Magnanapoli die Mauern erfahren ; davon wird zum Teil auch der Wall
betroffen worden sein. Sehr vorsichtig bemerkt Lanciani, dass das vasel-
1) Borsari a. a. 0. S. 17. — 2) Not. scar. 1885, 2-50. — 3) BuU. tinoi. 1874, 200.
4) Bull, »mih 1874. 200. — -5) Kot. scav. 1907, 517.
40
Das Alf er der senianischeu Mauer in lioni. 123
lanie raccolto nella zona . . . fra Ic (lue mura ausschliesslich opera etrusca
Oll italogi-eca i^ewesen sei'). Allein im Garten Antonelli hat man an drei-
hundert solche Scherben gesammelt, danmter seltene Formen wie die des
askion und der ariballi ))olicromi. Es ist nun oben erwiesen, dass Lan-
ciani damals unter italogriechischen Vasen diejenigen verstand, die andere
ehalkidisch oder protokorinthisch nannten. Dazu stimmt auch die beson-
dere Art der Formen. Der Aryballos ist eine sehr alte Gefässform; in
der Nekropole von Satricum ist ein protokorinthischer Aryballos zusammen
mit einer Oinochoe geometrischen Stils gefunden -). Und die schlauchar-
tigen Salbfläschchen sind ja gerade unter den protokorinthischen Gefässen
so zahlreich, dass sie fast als dafür bezeichnend gelten können. So ge-
winnen wir auch aus diesen Funden den Anfang des (3. .llids. v. Chr. als
tei-miuus post quem für die erste Entstehung des servianischen Walles.
Beachtenswert ist in dieser Hin.sicht eine Bemerlaing von De Rossi
über alle hierher gehörenden Funde. Die Kulturschicht, auf welcher der
WaU bei der villa Caserta aufliegt, war un strato inalterato e non rico-
perto da altro detrito'). Nun bedenke man, dass schon die Zone der
tombe ad arca bedeutend höher liegt imd noch etwas höher die Zone der
puticuH*). Es kann nicht Zufall sein, dass jene späteren Schichten unter
dem Walle fehlen, während sie sonst in der Nähe liegen. Man wird De
Rossi beistimmen können, dass die Errichtung der Befestigung nicht all-
zuweit getrennt sei von jener Kulturschicht, auf welcher der Wall steht ;
auch dadurch wird man etwa auf die Mitte des 6. .Thds. v. Chr. geführt.
Dieses letztere Ergebnis betrifft natürlich allein den W a 1 1. Aber
es ist doch eine notwendige Voraussetzung für das Vorhergehende imd
macht den Weg frei zu den Untersuchungen über das Maß und die Stein-
metzzeichen der Mauer selbst. Der Gegensatz des Maßes, der an den
Quadern erscheint, nötigte zu der Annahme von zwei verschiedenen Bau-
perioden, zumal auch die Steinmetzzeichen zeitliche Unterschiede auf-
weisen. Und da nun weiter die nähere Betrachtung der Steinmetzzeichen
ergab, dass die Hauptmasse der nach römischem Fuss en-ichteten Mauer-
ruinen dem 4. Jhd. v. Chr. angehören, so blieb kaum etwas anderes übrig,
als dass jene einzelnen nach oskischem Maß erbauten Teile aus einer äl-
teren, vordecemviralen Periode herstammen, also vermutlich in die Königs-
zeit hinaufreichen. Dass die Zahl der letzteren nur eine kleine ist. kann
ebensowenig wundernehmen, als dass die Quadern manchmal in späterer
Verbauung liegen. Demnach scheint es, dass die römische Ueberlieferung
auch in bezug auf die Mauer dennoch einen Kern von Wahrheit enthält.
Berlin-Schoeneberg.
1) BitU. tnun. 1876, 38.
2) Mengarelli, Bull. d. cowjres. interna;, di .•'cieiize xtoriche V Roma 19Ü4. -271.
31 Bull, iiisfif. 187.5. 230. — 4) Lanciani Bull. vmn. 187.5, 46.
41
124
Mitteilungen und Nachrichten.
Vorjährige amerikanische Ausgrabungen in Aegypten ').
Von Ludwig Borchardt.
Die Ausgrabungen der Harvard-Universität, welche Herr Prof. R e i s u e r leitet,
erstreckten sich auf die weitere Beai-beitung des bereits früher teilweise freigelegten
Torbaus des Totentempels des Men-kew-re vor der dritten grossen Pvramide bei
G i s e. Indem die in dem früheren Berichte (Klio IX S. 483 ff.) gegebenen Tatsachen
als bekannt vorausgesetzt sind, werden im folgenden nur die neu ermittelten und
neu gefundenen Dinge besprochen.
Als besonders wichtige, völlig neue Tatsache hat sich herausgestellt, dass der
bisher ausgegrabene Torbau hinter einem grossen Hofe liegt, durch dessen Mitte
eine platteugepflasterte Strasse, ähnlich denen im Hofe des Nefer-ir-ke-re-Tempels
und im Hofe des oberen Teiles des Men-kew-re-Tempels, führt. Das Niveau dieses
Hofes liegt etwas unter dem des bisher freigelegten Torbauteiles. Ob diese Anord-
nung für alle Torbauten der vierten Dynastie die normale ist. ist nicht zu sagen,
da die Ausgrabungen an dem zeitlich und räumlich zunächst liegenden Torbau des
Chaf-re nicht so weit geführt werden konnten, dass man sich über das Vorhanden-
sein dieses vorderen Hofes hätte Klarheit verschaffen können. Aus dem Vorkommen
dieses Hofes beim Men-kew-re allein darf man keine verallgemeinernden Schlüsse
ziehen, denn wie Herr R e i s n e r deutlich zeigen kann, ist das, was davon bisher
ausgegraben worden ist, fast ganz aus der Zeit nach dem Tode des Königs, Teile davon
sogar erst aus der sechsten Dynastie. Der ur.sprüngliche Bau nämlich, wie ihn Men-
kew-re geplant hatte, liegt unter der Anlage, die sich heute uns zeigt. Die Grabung wird
den alten Men-kew-re-Bau unter der späteren Anlage leicht wieder hervorholen
können, da das spätere nur auf die älteren Mauern mit einigen Planänderungen auf-
gesetzt ist. Zum grössten Teil ist dieses Hervorholen heute bereite; durchgeführt.
Ebenso sind auch bereits die späteren Wohnhäuser, die den Hof des Torbaus füllen,
ganz wie dies im Hofe des Nefer-ir-ke-re auch der Fall war, ausgegraben worden.
Bisher kann man von dem alten Bau bereits soviel erkennen, dass man seine
Längen- und Breitenausdehnung feststellen kann. Der Aufgang, der, wie in dem frü-
heren Berichte hervorgehoben, an seinem östlichen, unteren Ende nach Süden umbog,
geht in südlicher Richtung weiter und um die Südwestecke des Torbaus herum,
indem er sich dort wieder nach Osten wendet. Er verschwindet heute an dieser
Umbiegungsstelle unter dem Mauerwerk der späteren Bauperiode des Torbaus, an
dessen Ostseite er wieder zum Vorschein kommt. Der Verlauf dieses unteren
Endes des Aufgangs — derselbe konnte nach der Errichtung des späteren Torbaus
nicht mehr benutzt werden — gibt uns also die Grössenausdehnung des alten Tor-
baus. Es dürfte ein Hof geplant gewesen sein, der, länger als breit, in seiner West-
seite einen besonderen Bau mit Vorhalle, breitem und tiefem Saal, Magazinen und
Statuenkammern hatte.
Im allgemeinen scheint der alte Bau ungefähr denselben Grundriss gehabt zu
haben, wie der später darauf errichtete jüngere Bau. nur war er in der Ausführung
etwas reicher. So hatte die Vorhalle Anten, die Zungen zwischen den magazinar-
1) Den von dem Herrn Verfasser schon vorher eingesandten Bericht über die
vorjährigen deutschen Ausgrabungen in Aegypten s. im nächsten Hefte dieser
Zeitschrift, wohin er aus Raumrücksichten hat verwiesen werden müssen. Sed.
3IiUciluii(/cii itiid Ndc/irir/itrii. 125
tigen Räumen vorn kurze Anschläge für Türen, usw. Die Front war wie tlie Hof-
fassade im oberen Tempel mit einer Nischen- und Lisenenarchitektur geschmückt.
Für die Anlage des Hofes vor dem eigentlichen Torbau ist übrigens der Grund-
riss des Torbaus des Suofrn bei Dahschur zu vergleichen (.le. iC. 42. 2). Die äußere
Form des Baues dort lässt auch auf das Vorhandensein eines vorderen Hofes schlies-
sen. Nur läge dort der Eingang dazu seitlich, während er beim Men-kew-re in der
Mitte liegt, allerdings nur für die spätere Anlage, bei der alten darunterliegenden
Anordnung scheint der Zugang auch in der Südostecke zu liegen, wenigstens der.
der um den Torbau hemm znm Aufgange führt. Von diesem herumführenden Korridor
aus öffnen sich zwei Nebeneingänge, welche die Südwand des Torbaus durchbrechen.
Von den Funden aus dem Torbau des Men-kew-re sind aus dem früheren He-
richte die Königsstatuen und die Gruppen der Gaue bekannt. In diesem .Tahre sind
dazu gekommen: ein Depot zerbrochener Steingefässe, das nach Durchsicht und Zu-
sammensetzung sicher viele gute Stücke ergeben wird, und eine Familiengiuppe von
hervorragender Schönheit, die hier näher beschrieben werden muss.
Ihre Fundstelle ist etwas östlich von denen der Gaugruppen in der Südhälfte
des Toi-baus. Dort stand die Gruppe in ziemlicher Tiefe, vielleicht sogar in Fun-
damenthöhe, in einem Loche, das Schatzgräber gewühlt hatten. Sie haben die Gruppe
vermutlich, als sie unter ihr graben wollten, in ein bereits von ihnen daneben ge-
ötfnetes Loch, das ihnen nichts ergeben hatte, hineingeworfen. Dabei hat die Figur
des Königs eine kleine, kaum zu bemerkende. Abschürfung am rechten Unterarm
bekommen. Sonst ist die Gruppe ohne die geringste Verletzung. Ihr Material ist
metamorphischer Schiefer von schwärzlicher Farbe. Die Figuren sind je 1.50 m hoch.
Sie stehen auf einer gemeinsamen Fussplatte und vor einer Rückenwand, die oben
gradlinig abschliesst. Der König steht vom Beschauer links, eine Frau rechts. Er
hat den einen Fuss vorgesetzt, sie steht mit fast geschlosseneu Beinen, indem sie
ihn mit dem einen Arm umfasst.
Die Tracht ist nicht ganz so. wie man sie erwarten würde. Der König hat eine
völlig glatte Königshaube auf, die über der Stirn nur ein glattes Band ohne Uräus
zeigt. Man wird annehmen müssen, dass sowohl die Streifen des Kopftuches, wie die
Königsschlange aufgemalt waren. Ebenso ist der Königsschurz mit dem keilförmig ge-
schnittenen Mittel stück ganz glatt, nur die Schliesse ist markiert. Also auch die
Fältelung des Schurzes, wie das Muster des Gürtels und die Inschrift der Schliesse
werden aufgemalt gewesen sein. Farbspuren hat die Gruppe aber nur noch am Ge-
sicht des Königs, namentlich an den Ohren. Die Tracht der Frau ist die gewöhn-
liche Frauentracht dieser Zeit, lange Perücke, unter der an der Stirn das eigene
Haar hervorsieht, langes enges Gewand, das bis auf die Knöchel reicht. Die bei
Frauen dieser Zeit üblichen Schmucksachen waren wahrscheinlich aufgemalt. Von
irgendwelchen Abzeichen einer Königin ist keine Spur zu bemerken . man kann
daher nicht sicher sagen, dass es die Königin sein soll. Wenn man sie für eine
Göttin ansehen wollte, so würden aber auch dafür alle Götterembleme fehlen.
Dass der dargestellte König Men-kew-re selbst ist, darf wohl nicht bezweifelt
werden, trotzdem die Gruppe keine Inschrift trägt. Ausser dem Fundort spricht die
Portraitähnlichkeit dafür. Das Gesicht hat dieselben nicht zu verkennenden Charak-
teristika wie die übrigen mit Namen bezeichneten Portraits des Men-kew-re : die et-
was hervorquellenden Augen, die dicke Nase und die vollen Backen. Diese er-
scheinen ein wenig schwächer als bei den Alabasterköpfen, aber das kann an dem
verschiedenen Eindruck der beiden Materialien liegen. Es ist nicht einmal nötig,
anzunehmen, dass die Gruppe von einem andern Meister ist. wie dies Herr Reisner
tun möchte. Stilistisch steht die Gruppe ganz auf der Höhe der früher beschrie-
benen Gaugruppen aus demselben Torbau, vielleicht ist sie sogar noch etwas feiner.
Es wäre dringend zu wünschen, dass Herrn R e i s n e r bald Gelegenheit gegeben
126 Mitteilungen loid Xachr/clifcii.
würde, die Gruppe in guten Lichtdrucken allgemeiner bekannt zu machen. Sie
ist eins der feinsten und charakteristischsten Werke des alten Reiches. Sie wird
übrigens im Museum zu Boston ihren Platz linden, da sie bei der Teilung der Funde
dieser Sammlung überlassen wurde. Eine der dorthin gegebenen Gaugruppen ist
dafür nach Kairo zurückgesandt worden.
Zu dieser Ausgrabung des Torbaus ist noch zu bemerken, dass die im früheren
Verlaufe der Crrabung freigelegten Stücke, um die leicht zerstörbaren Ziegelmauern
vor dem Einflüsse der Witterung zu schützen, wieder mit Wüstensand bedeckt
worden sind. Vorher ist natürlich eine genaue Aufnahme durch den Architekten der
Expedition, Herrn Fish er. gemacht worden, in der die verschiedenen Bauperioden
farbig angegeben worden sind.
Danach wandten sich die Arbeiten in Gise wieder dem oberen Plateau neben
der Pyramide des Men-kew-re zu. Hier wurden die beiden Totentempel vor den
zwei östlicheren NebeupTramiden. die in einer Reihe südlich von der dritten Gise-
pyramide liegen, freigelegt. Der Tempel vor der östlichsten davon hat einen Grund-
riss, der natürlich nicht mit deuen der Toteutempel vor den Königspyramiden ver-
glichen werden kann. Es können höchstens die vor den kleinen Nebeupj-ramiden
zum Vergleich herangezogen werden, also der der Jepowet und der der Chuit bei
Saqqara. Die übrigen bisher gründlicher untersuchten Nebenpyramiden haben, da
sie in oder an derselben Umfassungsmauer mit ihren Hauptpyramiden liegen, keine
eigenen Totentempel.
Mit den beiden genannten kleineu Totentempeln hat der neu gefundene das ge-
meinsam, dass seine Anlage weniger kompliziert ist als die eines Königstempels.
Die Zweiteilung der Anlage in öffentlichen und intimen Teil fehlt. Der neue
Tempel ist regelmässiger gebaut, als die beiden anderen. Der Eingang liegt zwar
seitlich, in der nördlichen Aussenwand. was durch die Lage zur grossen Pyramide be-
dingt worden ist, dann aber entwickelt sich die Anlage axial. Vorn liegt zuerst ein
Hof, zu dessen Seiten die Eingangsräume und Küchenräume liegen. Dass die südlich
von der Mitte gelegenen beiden Räume einmal Küchenzwecken gedient haben, ist aus
dem Augenschein sicher: es fragt sich nur, ob sie schon während der ursprünglichen
Benutzung des Tempels diese Bestimmung gehabt haben. Möglich wäre es, dass hier
die Küchen für die im Hofe geschlachteten Opfertiere, die doch weiter zubereitet wer-
den mussten. lagen. In der Mitte des Hofes befindet sich übrigens ein Trog, der zur
Aufnahme von Regenwasser und Ablaufwasser vom Schlachten gedient haben wird.
Die Westseite des Hofes nimmt eine Säulenhalle ein. von der allerdings nur die Basen
in Kalkstein erhalten sind — alles übrige im Tempel ist aus lufttrockenen Ziegeln
— , und in deren Mitte sich die Tür zu den inneren Tempelräumen öft'net. Diese be-
stehen aus zwei breiten Räumen und einem tiefen. Zu beiden Seiten liegen hinten
noch kleinere Zimmer. Der zweite breite Raum hat an seiner Westwand eine Nischen-
reihe, die in der bekannten regelmässigen Anordnung sich auch im Hofe schon
zeigte.
Ausser diesem Totentempel wurde noch der vor der weiter westlich gelegenen
nächsten Nebenpyramide untersucht. Da nur ein sehr geringer Raum zwischen der
ersten imd der zweiten Nebenpyramide zu Gebote stand, so hat der Tempel der
zweiten nur eine äusserst geringe Tiefenentwicklung bekommen können. Er ist so
angelegt wie die vorgebauten Ziegelkammern vor den Mastabas der älteren Zeit
etwa wie die vor der Mastaba des Weserkef-onch in Abusir oder die vor einigen
Mastabas der amerikanischen Grabung in Gise.
Nach Abschluss der letztjährigen Arbeit in Gise ging Herr R e i s n e r noch auf
einige Wochen nach Girge, um den frühdynastischen Friedhof bei Aulad Jehia
auszugraben. Er ergab gute, aber nicht besonders hervorzuhebende Resultate.
MiUeilimiiC)) und Xarliriclitcii. 127
Sarapis.
\'oii Ernst Scliiiiidt.
Die Besprechung, der Herr Hans Philipp Weitz meine Arbeit über die Kinfüh-
rung des Sarapis in Alexandria ') in Bd. X S. 120 ff. dieser Zeitschrift unterzogen
hat. nötigt mich zu einer Erwiderung, da die darin enthaltenen Angritie infolge
mehrfachen Missverständnisses zu einem grossen Teile unberechtigt sind.
Zunächst wird mir von W. zur Last gelegt, dass ich in der Untersuchung über
die Herkunft des Sarapis von den Berichten ausgehe, in denen von Babylon nicht
die Rede ist. lieber die.se Tatsache uud die ihm merkwürdig erscheinende Dispo-
sition der Arbeit hätte Herrn Weitz ein Blick in das Vorwort oder auf den Titel
der Dissertation belehren können, aus denen hervorgeht, dass der Zweck der Arbeit
zunächst nicht die Behandlung des Sarapisproblems als solchen war, sondern die
Betrachtung und Wertung der aus dem Altertum erhaltenen Nachrichten über die
Einführung des Gottes in Alexandria. Nachdem wahrscheinlich gemacht war,
dass keine der drei Erzählungen über die Einführung aus Sinope, Seleukeia, Mem-
phis als historisch in Betracht kommen könne, war eigentlich die Aufgabe des Sa-
rapiskapitels beendet, und ich hätte füglich da abbrechen können. Nur weil ich
hier wie in den andern Kapiteln die Verpflichtung fühlte, diesem negativen Resul-
tat nach Möglichkeit auch ein positives gegenüberzustellen, bin ich weiter auf die
Frage nach der wirklichen Herkunft des Sarapis eingegangen. Abgesehen davon
ist das Vorgehen doch zum mindesten berechtigt, bei der Frage nach der Einfüh-
rung des Sarapiskultes zunäch.st einmal die ausführlichen antiken Berichte über diese
Einführung zu prüfen und erst, wenn mit ihnen nichts anzufangen ist, sich nach
weiteren Zeugnissen imizusehen. Da diese Berichte von Babylon schweigen, so schwieg
auch ich davon.
Das ist nun ein Grund, warum mich Herr Weitz von vorn herein für einen ver-
kappten Gegner der ganzen Babylon-Theorie hält. In völliger Verkennung meiner
Absichten stellt er alles so dar, als ob ich, was ich in dieser Richtung mit Freuden
gefolgert habe, nur ungern und mit innerem Widerstreben zugegeben hätte. Ich
,muss' zugeben, dass es in Babylon einen Gott namens Sarapis gegeben haben
muss, und die I^phemeriden werden fast wider meinen Willen aus einer stiefmütter-
lich behandelten Quelle zur hauptsächlichsten. Wer aber die Arbeit ohne Vorein-
genommenheit liest, sieht leicht, dass die einzige wirklich historische Quelle auch
für mich die Ephemeriden sind, und dass auch mir die Lösung des Sarapisrätsels, zu
einem grossen Teile wenigstens, in Babj'lon zu liegen scheint.
Mit einem bösen Gegner Babylons glaubt es W. auch ganz besonders deshalb
zu tun zu haben, weil ich wider besseres Wissen — wie W. es darstellt — mich
Lehmanns Ableitung des Sarapis von iar apit'i nicht rückhaltlos anschliesse. Frei-
lich schweigt derselbe, der mir diesen Vorwurf macht, vollständig davon, dass ich
mich in diesem Punkte ausdrücklich auf Carl Bezold berufe.
Im einzelnen habe ich noch etwa folgendes zu bemerken : Ich hatte S. 57 ge-
sagt, dass unter der ersten Gruppe von Berichten (S. 49 — 51) die Erzählung des Ta-
eitus deswegen das meiste Vertrauen zu verdienen scheine, weil sie ausführlicher ist
und von Tacitus rein um ihrer selbst willen gebracht wird. Dagegen spielt, W.
den Satz auf S. 80 aus: ,Die Existenz einer so ausführlichen Erzählung, wie sie bei
Tacitus und Plutareh vorliegt, ist nur dann zu erklären, wenn man sie zu einem
besonderen Zweck absichtlich erdichtet hat: der Zweck war, den Sarapis aus grie-
chischem Glauben herzuleiten.^ \V. glaubt, dass diese beiden Aeusserungen sich
1) Kultübertragungen : Eeligionsgeschichtlülie Versuche nnd Vorarbeite», herausge-
geben von R. Wünsch u. L. Deubner VIII 2, Kap. HI (S. 47 ff.).
128 MittcihoKjeii niid Xaclir/cldcn.
widersprechen, übersieht aber dabei vollstiiiulig. dass an der zweiten Stelle von dem
nrsprüngliehen Zweck der Erzählung, auf die Tacitus und Plutarch und alle Be-
richte der ersten Gruppe gleichermassen zurückgehen, die Rede ist, und dieser ist
doch himmelweit verschieden von dem Anlass. um dessetwillen ein Schriftsteiler die
Geschichte wieder erzählt!
Den Gedanken, dass Sarapis im letzten Grunde eine künstliche Neuschöpfung
sein könnte, hätte W. vielleicht nicht so heftig zurückgewiesen, wenn er die von
mir zitierten Ausführungen von Richard M. Meyer im Archiv für Beliyionsioissenschaft
X S. 101 ff. beachtet hätte. Hier ^muss' ich auch wieder , selbst zugeben", dass
von dem mythenlosen Gotte bis zu dem Allgott kein grosser Schritt mehr ist. Ganz
gewiss, und um es noch einmal ausdrücklich zu sagen : ich kann mir diese künst-
liche Neuschöpfung eigentlich nur als Allgott vorstellen, was ich auch S. 79 deut-
lich gesagt habe. Dass der formenfrohe Hellenismus einem solchen Gotte damals
noch fremd und verständnislos gegenübergestanden hätte, ist nur eine Behauptung,
gegen die sich doch vielleicht ein Gegenbeweis erbringen lässt. Und wo ist nun
der reiche weit verzweigte Mythos des Sarapis, von dem W. redet ? Ich kenne
keinen. Und ist die Uebernahme nur des Namens etwas so Undenkbares, wenn sie
auf die persönliche Initiative des Königs Ptolemaios zurückgeht?
Ich hatte S. 63 die in der Inschrift von Halikarnass auftretende Zusammenstel-
lung von Sarapis und Isis, die nur in Aegypten erfolgt sein kann, dazu benutzt,
einen termiims ante quem für die Einführung des Sarapis in Aegypten zu gewinnen.
Nun belehrt mich W., ,dass wir in der mit Sarapis verbundenen Isis wiederum nur
eine Weiterbildung, beziehungsweise neue Kombination der Istar- Astarte zu erblicken
haben". In der Tat, äusserst wahrscheinlich, dass Isis in einem von einem Gliede
des ägyptischen Königshauses gegründeten Tempel nicht die ägyptische Isis ist!
Weitz stellt den Satz auf, .dass uns die Produkte der bildenden Kunst keinen
Rückschluss erlauben auf den Ursprung des Sarapiskultes überhaupt und auf die da-
mit zusammenhängenden mythologisch-historischen Probleme". Das ist aber denn
doch die Frage bei dem Bild, das so alt ist, wie — für die antike Kultur — Sa-
rapis überhaupt. — Nach Weitz ist ein Sarapisbild von auswärts nach Alexandria
gekommen, aber bald durch ein von Bryaxis in Alesandria selbst geschaffenes er-
setzt worden. Diese Hypothese macht also die Annahme von zwei Bildern nötig,
während in unserer Ueberlieferung immer nur von einem die Rede ist. Das sollte
doch zu denken geben. Denn dass unsere Quellen über den angeblichen Austausch
schweigen, ist dann, so sehr auch W. das Gegenteil behauptet, nicht im geringsten zu
begreifen. Und dann die Tatsache selbst: man holt mit vieler Mühe ein Bild aus der
Ferne, nur um es möglichst schnell wieder verschwinden zu lassen und durch ein
neues zu ersetzen. Auch ein Grund für den Austausch ist nicht zu ersehen ; W. meint,
das von auswärts gekommene Bild müsse minderwertig gewesen sein: aber wie heilig
würde man ein noch so unscheinbares Bild gehalten haben, wäre es alt gewesen und
wirklich aus der weiten Ferne gekommen ! Pflegen denn nicht gerade die unansehnlich-
sten und ältesten Heiligenbilder die wunderkräftigsten und berühmtesten zu sein ?
Dies möge zur Richtigstellung genügen, wenn auch noch gegen manche an-
dere Aeussei'ungen etwas zu sagen wäre. Auf den Vorwurf, ich hätte verschiedent-
lichA'nkenntnis vorgeschützt, gehe ich nicht ein, weil ich zugunsten von Herrn
\Vy annehmen will, dass er sich der Schwere dieser Beschuldigung nicht ganz be-
wusst gewesen ist.
Personalien.
R. Reitzensteiu-Strassburg ist als Nachfolger von B. Schmidt nach Frei-
burg i/B r. berufen worden.
129
Zur Begriiiiduiig des römischen Kaiserkultes.
Chronologische Uebersicht von 48 v. bis 14 n. Chr.
Von IIiiImpI HciiM'ii.
Erster Teil :
Der Kult des C. Julius Caesar.
I. J. 48 V. Chr.
Cäsar wählt als Feldgeschrei für die Schlaeht bei Pharsalus ,Venns
Victrix" '). der er für den Fall des Sieges einen Tempel in Rom gelobt^).
Das Bild der Venus erscheint zum ersten Male auf seinen Münzen ^).
Ebenso siegelt er fortan mit ihrem Bilde *).
Seit der Schlacht bei PJiarsalns. und mehr noch seit der Be-
siegnng des Pharnaces bei Zela (47) wird Cäsar in der östlichen
Reichshälfte als Gott verehrt '').
Vorbemerkung: Alles, was ausserhalb Roms sichereignet hat, ist durch Ein-
rücken kenntlich gemacht.
1) Bereits im J. 67 v. Chr. hatte sich Cäsar öffentlich — in der Leichenrede
für seine Tante Julia — der Abstammung seines Geschlechtes von der Göttin Venus
gerühmt. Vgl. darüber Suet. Caes. ß : Amitac meae Juliae vialenium genus ah regihus
oiium, patermim cum diin immoiialilnis cmtitinctiim est. nam ab Anco Marcio sunt
Marcii Seges, quo nomine fuit mater ; a Venere JuHi, cuiux gentis familia est nostra.
est ergo in geilere et sanctitas regum, qui plurimum inier homines pollent, et caerimonia
(leorum, quorum ipsi in potestate sunt reges; vgl. 49; Cic. ep. VIII, 1.5,2: Venere pro-
gnatus; Vell. IT, 41,1: hie nohilissima JuJiorum genilus familia est, quod inter omnes
antiquissimos constabat, ab Anchise et Venere deducens genus; Plut. Caes.b; Dio XLIII,
4B, 2—3; CJG 29-57 (s. u. A. .5) ; Drumann III, 11-5; Beurlier Essai 6; Norden N. Jrb.
VII (1901). 2-58 f.; Wissowa Ges. Abh. (1904), 27; Nissen Or. 3. Heft (1910). 334 f.
2) App. II, 68, 281 : Svößfvöq re vvxroq ,uia>j(; zov "4pij xartxaXft xal t//I' iuvroi'
T.nüyovnv 'Aif^oÖLTrjV ({x yÜQ Aivelov xitl 'lovXov toS Aivdov rö Ttöv lovh'wv yevng nuQf-
yf/Jth'Tos tot- dröunio: S/yfiTO eivai) vfwv xi cwrij vixtjipönoj yainoTr/pioi' tv'Pwujj Ttoii'i-
aftv Tjv/ero xraogStwottc; vgl. 69, 284; Dio a. 0. „Venus Victrix" ist hier natürlich
dasselbe wie „Venus Genetrix", wie besonders aus App. hervorgeht; andei's Wissowa
a. a. 0. 26. „Venus Victrix" war ebenso in der Schlacht bei Munda das Feldge-
schrei seiner Legionen, vgl. App. II. 104 ; Drumann a. a. O. .513 ; H. W. Röscher in
Fl. Jrb. 119 (1879), 347.
3) Eckhel VL 4; Cohen I-. 7; H. Willers. Ge.-ich. d. röm. Kupferprügung (19|9J,
99. 106 und Taf. LX. ^
4) Dio XLIII. 43, 3: xoX y>.vti,ua avTyi evonXov iipÖQft. Wann Cäsar zum ersten
Male dieses Siegelbild angewandt hat, ist nicht mit Sicherheit auszumachen : doch
dürfen wir wohl annehmen, dass es gleichzeitig mit dem Erscheinen der Venus auf seinen
Münzen geschehen ist, jedenfalls bald nachher. Vgl. Eckhel VI, 8; Wissowa a. a. 0.
.5) Das auffallendste Zeugnis hierfür ist wohl die Inschrift CIG 2957: ^Eiffoiwv
ij ßov'/.tj xnl (5 äi^uos xnl Tüir hD.iov 'EU.ijvwv tu] nö?.fig ul iv ty !4ai{c z«[T]o[//fofö«i] xul
Klio, Beiträge zur alten Geacliiclite XI 2. q
1
130 Ihthirl If einen,
I. J. 46 V. Chr.
(26. Sept.) ') Cäsar weiht das unter ungeheuren Kosten erbaute und
nach ihm benannte Forum und auf demselben den Prachttempel der Venus
Genetrix ein -).
Im Anschlüsse hieran ^ärd ein Kollegium, zu dem auch der junge
Olvtavian gehört '). eingesetzt, mit der Aufgabe, fortan jährlich Spiele zu
Ehren der Venus Genetrix zu feiern *).
Dem siegi'eichen Cäsar werden (noch vor seiner am 26. Mai erfolgten
Rückkehr) °) folgende üljermenschliche Ehren zuerkannt :
rä «&>'/; /V«'ov 'loihov raio[v vi]dv KalottQu, xbr nQyiiQtu xcd uixnxQÜTOQa xai ro
Sivrepor vncizov, zbv hnb 'A^fwq xcd !jy/)0(ff[/]r/,'g, Sföv iitKfuiTj xcd xoirbv toC «>'9pco-
nlvov ßi'ov aojTijQci. Dass wir niclit mehrere Beispiele ähnliqlier Art beibringen können,
muss ausscbliesslich dem Fehlen inschriftlicher Ueberlieferung aus jener Zeit zuge-
geschrieben werden : denn dass nicht auch die hellenistischen Städte ausserhalb
Asiens dem alten Brauche der Herrscher Vergötterung treu geblieben seien, ist kaum
anzunehmen. Vgl. JG XII, 2, n. 16.5 b (Mytilene): ra]l(o '/ow./eu | KahuQi &fco | itvzn-
xQÜTo (}i np/jegcc, ettpytTu xal [z]r[(']<jra: n. 166 a. Zahlreicher sind schon die In-
schriften, die ihn als Soter und Euergetes feiern: S. arcli. XIII (1909), 447, n. 40;
J. r. Perg. S. 271, n. 377. 378. 379; A. Mitt. XXXIV, Heft 4 (1909), 33.5 tf.; CIG
2215; J. V. Ol. n. 365; IG XII, .5, 1; IG Xll, 2, u. 25. 26. Malalas Chron. IX, 278
berichtet, Cäsar habe in Antiochia eine Basilika erbauen und nach sich Caesarium
nennen lassen.
1) Für das Datum: CIL l\ p. 215 (F. Arv.) und p. 219 (F. Pinc); die F. Voll.
(p. 240) geben unrichtig den 25. Sept. an. Vgl. Aust aed. p. 80; AVissowa M. u. K. 238;
Moramsen M. Änc-, 84 ff.; Nissen Or. 3 (1910), 335 f.
2) Dio XLIII, 22. 2 : rz/v yciQ ciyogär ti/v an' aizov xtxhjusyijv xuziaxivüanzo ' xal
SOZI fjciv neffixctV.iazeQtx zTjc 'Pcotcalnc, zb äh n^iu/ucc zb ixdvijc £nijvgrjae>', löaze xul
ft(yci?.tjv ttizijv uroiiciCfa^ai. zaiitjv zi ovi' xcd zbv veCov zbv zyf ' AcpQoäizijC, to? xcd c'tQ/tj-
yeztdoc zov yevovg ai'zov ovotjs, Tiottjonc xciädgcoair ilBvQzözf; App. H, 102, 424: III,
28, 107. Der Tempel war damals noch unfertig (Plin. n. h. XXXV, 156) und wurde
erst durch Augustus vollendet (App. a. a. 0.). Ueber die Spiele gelegentlich der
Einweihung : Dio XLIII, 22, 3. Welche Summen diese Bauten verzehrten — die Kosten
bestritt Cäsar hauptsächlich aus der gallischen Beute — geht daraus hervor, dass
allein für den Bauplatz des Venustempels (9000 qm ä 2000 M.) rund 18 Millionen M.
und für die Erweiterung des Forums an der Nordseite sogar 10000 M. für das D m
bezahlt wurden: Suet. Caes. 26. 61. 84 Plin. n. h. XXXVI, 103. XVI, 86. XXXV, 45.
XXXVI, 24; Cic. ad Att. IV, 16, 8: Nissen It. Lkde H, 516. 536 ff.; drs. in Bo. Jrh.
Heft 96 (189.5), 5 und Or. Heft 3 (1910), 335. Zur Topographie vgl. Becker, 363;
Jordan P, 439 ff. ; Hülsen For. Bom.'^ 14 f.; Norden a. a. 0. 259.
3) PUn. H, 93; Jul. Obs. 68.
4) Dio XLV, 6, 4: (narr]yvgtv) fjv vTioäf^f'ifievoi jtvfc ^ün-znc ht zov Kaiaagoi; tmzf-
)J(ittv iv ohycoQi'cf. Diese Spiele werden von den Kalendern der augusteischen Zeit
unter dem 20.— 30. Juli verzeichnet. (Vgl. Mommson CIL I-, p. 322; Wissowa J?. ».
K. 389). I. J. 44 veranstaltete sie Oktavian auf seine Kosten (s u. S. 6. .\nm. 5 f.);
ferner berichtet Dio XLIX, 42, 1 von ihrer Feier i. J. 32. Ueber die Ordnung dieser
Spiele und ihre Ständigkeitserklärung vgl. Wissowa a. a. O.
5) Dio XLIII. 15. 1 : (Sfäoy^ttvwv äh »/()>/ cti-zCor (d. h. der EhrenbeschlUsse) ij'/.ltt zf
ii; zt/v 'Püj/Jijt:
Zitr BigrinuhuKj des nimischcn Kaiscrkultcs. 131
1. sein Triumph\\;i<fen wird vor dtr .luppiterstatue ;iut' dein Kiipitol
aufgestellt M ;
2. iiui' dem Kajiitol wir 1 seine 8tiitu(! erriiditct. aiit' einer W'eltkngcl
ruhend und mit einer Inschrift, die ihn als Halbgott bezeicdinet -').
Nach der Schlacht bei Munda (17. März 45) werden folgende Ehren
fih- Cäsar heschlossen ^j :
I. J. 45 V. Chr.
1. (am 20. April, an dem die Siegesnachricht in Koni eintrat) das
bevorstehende Fest der Stadtgründung, die Parilien (21. April), soll zum
Andenken an seinen letzten Sieg gefeiert werden '') ;
2. (nach dem 20. April) Cäsar soll den Titel Lil)erat()r und seine
Libertas einen Tempel erhalten •'') ;
3. er soll ein öfi'entlicbcs Haus mit einem Tcinpelgiebel bewohnen');
4. alle seine Siegestage sollen unter die öffentlichen Festtage aufge-
nommen werden '):
5. im Quirinustempel soll eine Statue Cäsars aufgestellt werden mit
der Inschrift: „Dem unbesiegten Gotte" **);
1) Dio XLIII. 14, 6: ayfiu li xi nhzov iv rw Krtnirio'/.hij nvrinijüaofiioy rw J» iöijv-
»Tivui: vgl. V. Domaszewsld im Fhüol. LXVIl' (1908), 11 '= Ges. Ahh. (1909), 193 ff.
2) Dio a. a. 0 : xal f-nl tlxöva avzbv Tyq olxovfdrijQ /lO.xovv t.iißißaafHifcii, yQUiftfr
i'/^ovra uti iiftiftfö: lati. Diese Inschrift liess Ciisar später entfernen: Dio XLUI, 21,2.
Vgl. Suet. Caes. 76.
3) Vgl. für das Folgende: L. Lange Müm. AU. III-, 461 f. und die Dissertation
von E. Krueger. De reb. iiide a hello Hisp. iisqiie ad Caes. jiecem geUis, Bonn (189-5), 28 ff.
4) Dio XLIII, 42, 3: tä rs Uiaqu.ik Innoögoiila aBciviun), ovit ys xcd din t//I' ttv/.ii;
ZxL iv avzoig Bxxiaxo, i'O.'/.ä 6ta xi/v xnv Kci/au^ng luxr/V, uxt >) äyyf'/.Ui ahr/^ xy ii()Otf-
iicdn Tioix; iankjav acpixtro, ixiniiüiy. Wissowa B. n. K. 166; Drumann III, 643 be-
merkt dazu mit Recht, dass man ilm damit als den zweiten (Gründer Roms bezeichnen
wollte.
5) Dio XLIII, 44, 1 : uvzov x( ' E).ivi>fQojii,v xcd txä/.ovv xcd t-Q xh y^fniiuccxHci nvt-
ynrapin; xul remv ' EkfvBe^luc äijftoaicf i(f)j<piaKVXO. Dieser Tempel kam nicht zustande;
Vgl. Wissowa a a. 0. 127.
6) Dio XLIIL 44, 6: xul olxlur laaxi iv xcü öi}fior,!v> olxüv, Cic. Phil. II. 43, 110:
fa.ftigmm; Suet. Ccten. 81,3: fastigium dnmu.'s; Florus epit. II, 13. Vgl. Lange III-,
462; Drumann IIL 666 33.
7) Dio a. a. 0. LfQO/.trjvic(v xf i^al(jeiov oaäxig clr i'ixtj xi Tic ovußf, xcd Snalcit in'
cii-zy yi'yrwvxui; App. II. 106,442: T/^r dt nohv c'ivci hoqixanznv.cdc. aizvq }jui(>c!i<; ev
naQcizäifaiv ivlxct (seil, tfwn- ixinjifiactrzo). Vgl. Drumaun a. a. 0. 660. Infolge dieses
Beschlusses wurden folgende Gedenktage unter die feriae publicae aufgenommen:
Schlacht bei Pharsalus (9. Aug.), Siege in Spanien (49) und bei Zela (47; 2. Aug.),
Fall von Alexandria (47; 27. März), Sieg bei Thapsus (46; 6. Apr.), bei Munda (4-5;
17. März); Wissowa a. a. 0. 378.
8) Cic. ad AU. XII, 4.5, 3 (nach O. E. Schmidt. BriefieccJiKel [1893], 284 am 17. Mai
geschrieben) spottet über diese Ehre: eum ovvvcinr Quirino malo cpiam Scdtiti; vgl.
IV, 1; Xn, 47; XIII, 28: Quirini contuhermäis; Dio XLIU, 4-5,3: hxcWu i: xöv xov
h'vm'roi- vccöv 9fcö änxijXio f.T/ypdi/'nrrf? — iiyi!tfac<v; Val. Max. I, 6,13. Vgl. Dru-
mann 111. 644; v'. Domasz'ewski im P/«W. LXVII (1908), 1 = «es. Ahh. (1909), 193 ff.
9*
3
132 lliibcif Ifcincn,
(). (Ende Mai) seine Statue ans Elfenbein soll bei rlen Zirkusspielen
unter den Götterbildern aufgeführt werden');
7. er soll sein eigenes Bild auf Münzen setzen dürfen ^).
Die Stadt Karthea auf Kos feiert Cäsar als (iott und Welt-
heiland ').
I. J. 44 V. Chr.
8. (nach dem 26. Jan.) *) sein Geburtstag (13. Juli) soll als öfifent-
liclies Fest mit Ojifern begangen werden ■'') ;
9. in allen Tempeln Roms und der italischen Städte sollen Statuen
Cäsars aufgestellt werden '*) ;
10. ihm zu Ehren soll der Concordia ein Tempel erltaut und jährlich
ein Fest gefeiert werden ") ;
11. in jedem Jahre sollen öifentliche Gelübde für sein Leben veran-
staltet werden *) ;
12. alle vier Jahre sollen ihm, wie einem Halbgotte. Spiele gefeiert
werden '') ;
13. bei seinem Genius soll fortan geschworen werden können"^');
14. die beiden Priesterkollegien der Luperci Fabiani und Quinctiales
sollen um ein drittes, die Luperci Julian!, vei-mehrt werden");
1) Dio XLIII, 45, 2: xai xoxi ßtv av&Qimixa avxov iXeipavzivov, vate^ov di xai äyßa
o'f.ov iv xaiQ \nnoö()OnlaLq fitxa zibv 9i!o)V ayrO.fxazwv jrtßnea&at 8yvwaav; vgl. LVI, 29, 1 ;
App. III, 28; Cic. ad Ait. XIII, 28, 3; Suet. Caes. 76. Diese Ehre erregte beim Volke
solchen Anstoss, dass es bei den ludi Victnriae, im Juli dieses Jahres, dem Prozes-
sioDSwagen Cäsars ostentativ keinen Beifall klatschte : Cic. ad Ait. XllI, 44, 1 ; ad
fam. XII, 18,2; Zonar. X. 12.
2) Dio XLIV, 4, 4: ctixöv ig xa voßiaßUXK ivfxaQu^av ; Zonar. a. a. 0. Fischer
R. ZdtU 103; Eckhel VI, 7 f.; Cohen P, 12; Drumann III, 663'«.
3) IG XII. 5, 1, n. 557 : '0 öijfiog 6 Ka^&adwv \ xöv Qfbv xal avxoxgdxoQa | xal aw-
xT/Qti Ti/S olxovßevrjq \ FaCov ''lovXiov KalaaQa Fcdov | Kalaagoi; vibv Avtf}rjxev. Diese In-
schrift wird wohl mit Recht von 0. Hirschfeld (837 ") und nach ihm von Wilamowitz
(adnot.) und Kornemann (95°) in die Lebenszeit Cäsars gesetzt, entgegen der Annahme
von Boeckh {CIG 2957). Dieser Zeit gehören auch die Inschriften IG XU, 2, n. .35b
(Mytilene) : [yQccftßaxa] KaiauQoe 9(0v und n. 531 (Eresus), Z. 19 : xm &tw Kalaapi an.
Vgl. P. Wendland Sujxi'/q in Ztschr. f. neidest. Wiss. 1904, 335 ff.
4) Zur Chronologie vgl. die oben zitierten Arbeiten von Lange und Krueger.
5) Dio XLIV, 4,4: xä xs ytveMi« avxuv d7jfxoain 9v(tv iipr)(piouvxo\ Zonar. X, 12.
Vgl. unten zum Jahre 42 (S. 8).
6) Dio a. a. 0. iv xaiq noXtai xolg rt vnoig xolg iv xi'/ 'Pii)/.q/ näaiv ixvö^iilvxa rtra
avxov flvai ixü.ivaav; Suet. Caes. 76: simulacra iiixta deos; Flor. II, 13; Zonar. a. a. O.
7) Dio XLIV, 4, 5: vewv xf 'Ofiovotag xaivr^g, log xal 6i avxov HQrjVovvxsg, olxo/io-
ßTjOtti, xal nnvijyv()iv rivxy ixt/alav aytiv syvtooav; vgl. Wissowa iJ. u. K. 272 f.
8) Dio XLIV, 6, 1 : (vy_fai}aL vniQ uixov ihj/noola xax' txog ixaoxov; vgl. 50, 1. Nissen
Or. 3, 336.
9) Dio a. a. 0.: mvxatxijQlöu ol iag i'jywi; App. II, 106, 442 verwechselt diesen
Beschluss mit dem vorigen.
10) Dio a. a. O.: xrjv xs xiyriv avxov ößvvvai; Zonar. a. a. O.
11) Dio XLIV, 6, 2: 'ifQonoiovg zs ig zag zov Ilavbg yvftvonatdi'fig. Z()izijv ziva Ithi-
Zur BajründiDKj des röiHiarJicn KaiscrkuUes. 133
15. hei allen Spielen in Kotn und Itulien soll ein Tag ihm gewithuefc
sein ').
1(). sein Prozessionswagen soll, wie sein BiM, giinz aus Elfenhein be-
stehen und letzteres, wie die Götterbilder, im Zirkus ein pulvinar erhalten'').
17. (Ende Februar)') Cäsar soll Juppiter .Julius hei.ssen*);
18. ihm soll in Gemeinsehatt mit seiner dementia ein Tempel er-
richtet werden "*);
19. er soll einen eigenen Priester erhalten");
20. sein Geburtsmonat, der Quintilis, soll ihm zu Ehren fortan .Julius
heissen ') ;
21. eine durchs Los bestimmte Tribus soll nach ihm -Julia genannt
werden *) :
Cäsar wird in einer Inschrift aus Noia als Gott liezeichnet ").
(19. März) Antonius preist in der Leichenrede den Cäsar, als wäre
dieser ein in den Himmel versetzter Gott ^'').
(Mitte April) Ein gewisser Amatins (Pseudomainns) errichtet dem
(liuv [fjv\ 'fovh'uv u}vo//äaavtei; 8uet. Caes. 76. Vorsteher dieses neuen Kollegiums
wurde M. Antonius: Dio XLIV, 11, 2; XLVI, 5, 1; Cic. Phil II, 34. 8.5; 43, 110; XIII,
1-5. 31 ; Plut. Änt. 12. Die Genossenschaft wurde bereits vor April 48 wieder aufge-
hoben: Cic. Phil. XIII, 15, 31; Non. p. 273, ö. Vgl. Wissowa a. a. 0.; t. Domaszewski
Ges. Abh. 171 ff.
1) Dio XLIV. 6,2: xäv zatg onXouayiait; iiiiav rivd ad ijui-iiuv xtu iv xrj 'Pmutj
xul iv Tjj nV.ii 'lTC(h'(! nve&faav. Den Antrag stellte Antonius: Cic. Phil. II, 43, IIU.
2) Vgl. oben S. 4, Aum. 1; Festus p. 364. — 3) Vgl. Erueger a. a. 0.
4) Dio XLIV, 6, 4: xrd tsIoq A!a avrbv avzix^vg 'lovhov n^oatjyo^fvaav ; Zonar. u.
a. O. Vgl. Nissen Oi: 3. Heft (1910) 336 f.
.5) Dio a. a. 0.: vaov avtiö tjJ(t') ^E^ieixiia aizov z8/xfvia9iji'ai i'yvujaav; App. II,
106, 443 : xal vtij)g iwijiplaavzo TioV.ovg avzto ysysaStfu xa^artsQ dtö» xal xmvov avtnv
xcu ^Enifixtkic, n/.h'i/.ovq 6e^iov/xsvwv; Plut. Caes. hl. Dieser Tempel ist abgebildet
auf Münzen des Sepullius Macer: Eckhel VI, 9; Wissowa -R. «. K. 278.
6) Dio a. a. 0. : (foE« a(fiai zov Wvzioviov "oaniQ xivk äiähov nQoysiQiaufitvoi. An-
tonius, der erste Flamen Cäsars, trat sein Amt allerdings erst i. J. 40 (siehe unten)
an: Cic. Phil. \\, 43, 110; XIII, 19,41, Vgl. Marquardt 1°, 465».
7) Dio XLIV, 5, 2: zöv Zf fiijva, Iv w tyeyin'rjzo 'Ioi).io%' — infxa'/.foav; vgl. XLV,
7. 2 ; App. II. 106, 443 : ig xe ziiaT/v t;/? ysveaeiog ccvxoi) zov Kvivzihov /xT/ya 'loihov
fort KvcvzMov /jfzutvö.uftartv fhat; Suet. Caes. 76; Macrob. Sat. I, 12, 34: legem ferentc
M. ÄHiimio M. f. cnnsule: ähnlich Censorin cl. d. n. XXII. 16.
8) Dio a. a. 0. Lange a. a. 0. 478.
9) CIL X. 1271 : M. Sahio. Q. f. \ Venusto \ decurioni | [be])nfuiio) dei Caesaris.
10) App. II. 146, 607 : uk »lov ovqüviov vi.iv(i ; Suet. Caes. 84, 2 u. Plut. Caes. 67
lassen den Antonius von einer bereits in der Senatssitzung vom 17. März vollzo-
genen Konsekration Cäsars reden (App. u. Dio wissen davon nichts zu berichten);
allein, daran ist bei der oppositionellen Haltung der Senatoren gar nicht zu denken.
Man vergegenwärtige sich nur, wie schwer es schon hielt, die acta Caesaris zur An-
erkennung zu bringen ; da wäre es mindestens unvorsichtig von Antonius gewesen,
wenn er durch die Forderung der Konsekration die Dinge hätte auf die Spitze treiben
wollen.
134 Iliihirf Ilchicn,
Cäsar unter grossem Aiulrang des Volkes auf dem Forum einen AUar und
opt'eit an demselben ')•
Antonius fügt zu diesem Altar eine Säule mit der Inschrift: ..Dem
Vater des Vaterlandes" ').
(Mai) Antonius hindert den Oktavian, dem Cäsar bei den Spielen des
Critonius einen goldenen Ehrenstuhl und Kranz aufzustellen; ein Verbot,
das er auch auf die Spiele im Juli ausdehnt *).
(20. — 30. .Juli) *) Oktavian feiert auf seine Kosten die ludi Vicforiac
Caesaris °). Einen bei dieser Gelegenheit erscheinenden Kometen erklärt er
als sidus JuJiioit, d. h. als Zeichen der Vergötterung seines Adoptivvaters '').
1) App. III, 2. 3: '.4,««T(oc i/v 6 ''I'fidoudfitoc — ßuiiwv inwxoSöfifi xij TWyr'y, üio
XLIV, .51. 1 : ßo>abr dt tivk f >• tiü Tijg nrpßc /<"("'<" 'täpvouiifvot — 9i'f/j' t* in' rcvTo/ xrd
yATÜQXSoQfa T(ü KfdaccQi Wf X(ii Sfiü STTf/iitJOvr; Cic ad Att. XIV, 5; Phil. I, 5; ad fam.
XI, 2,2; Suet. Caes. 84,5; Zonar. X, 12. Antonius liess den Pseudomarius heimlich
umbringen, womit er natürlich den Senatoren, und vor allem Cicero, gewaltig im-
ponierte, die grosse Masse aber gegen sich stimmte : App. 111, 3, 6 — 7 ; vgl. III, 16.
36. 37; Cic. ad Att. XIV, 15, 1 (1. Mai): de Mario prohe ; Liv. epit. 116. Nach Val.
Max. IX, 15, 1 wurde Amatius auf Befehl des Senates im GefUngnis getötet. Ed.
Schwartz Eermes XXXllI (1898). 186. Gardthausen I. 42. Drumann P. 95.
2) Suet. Caes. 85: postea soHdam columnum prope uiginii pedtim lapidix Aumidici
inforn .'itniuit{in) scripsitque Vurenti Patriae. Altar und Säule wurden gegen Ende April
von Dolabella zerstört: Cic. Phil II, 42, 107; Dio XLIV, 51. 2. Vgl. Drumann I-, 97.
3) App. III. 28, 105 f.: xrci 6 KaZaaQ s? zhq i^iac (sc. Sc Kqitiüvioc ayriijarouOiv
SfieV.f Tff.^afn') zw nttXQi töv ts -/Qvaeov }^QÖvov xrd atiipai'ov itrcgfaxiitiCfV, r?7if{) ahrw
xaza näauQ 9ercg i\prj<pia(ivzo TiQozl^^oQ^m. zov Kinzioviov rfs fhorzo: oix rii4§eol>f!i zifiw-
fttvov liaiaagog iv zaZg uvzov Sunm'uii. o KcnoaQ nhxov ii zov ^Avzviviov ijyfv tog x'nHZOv.
xal o Wyziovioc yuXfTiiivtiq ixioi.vaiv. ixiohvat rfs xul ir ziüg tgT^g &enig r'zi nuQu/.n-
yöntQov, aq uvzbq 6 KiäauQ ize/.ft, livaxsifisvctg ix zov Tiaz^os ' Aif^QoSiziij rerizfipri, uzt
Tifp airr/ xrü zur rftbr ö Ttml/p zuv iv ayOQÜ fl,uu ai'Z^ «j'oprj nrizID^fi ; Cic. ad Alt. XV,
3, 2 (22. Mai): de .<:e1la Caesaris, bene tribuni. Drumann P, 89 sagt, diese Spiele hätten
eigentlich am 12. bis 19. Apr. {CIL V-, p. 31.5) stattfinden müssen, möglicherweise
aber seien sie bei der in Rom lierrschendeu Gärung bis zum Mai verschoben werden.
Diese Annahme scheint mir plausibeler als die andere (91 f.), App. übertrage auf
diese Spiele, ,was er sogleich von den Spielen zu Ehren der Venus meldet'. Vgl.
Gardthausen II. 23 -*u.'".
4) Vgl. CIL l\ p. 322.
5) Diese Spiele erscheinen teils als hidi Victuriae Caesaris, teils als solche der
Venus Genetrix ; sie waren verbunden mit hidi funebres Caesaris. Vgl. Drumann 1 -,
91; Wissowa Ges. Abh. 28.
6) Suet. Caes. 88: in deoriim )iii'merum relatus est, iion ore modo dccernenliujii,
sed et persuasioiic iiolgi. siipiidcm Itidis, qiios primo{s} cotisecrato[s] ei lieres Aiif/tt.-itiis
cdebat, Stella criiiita per Septem continuos rfie< fulsit exoriens circa undecimam horam,
creditumque est animam esse Caesaris in caelum recepii; et de hac causa simulacro cius
in uerlice additttr Stella. Plin. n. h. II, 94: gibt den Wortlaut der Memoiren des
Augustus, der dort begreiflicherweise seine Person in den Hintergrund stellt und
sagt : eo sidere significari volgw credidit Caesaris animam intcr deorum immortalium
numina receptam, quo numine id insigne simidacro cajdtis eius, quod mox in furo con-
secravimus, adiectum est. Das Eingreifen Oktavians bei der Deutung des Kometen
betont Serv. ad liuc. IX, 47: stellam — ipse (sc. Octav.) animam patris sui esse voluit;
Zur ]>c(/ri(inhtii(j des römischen Kuiscricultcs. 135
Für diesen bringt er den Namen „Divus Julius" auf).
(2. August) Oktavian erriclitet im Tempel der Venus Genctrix eine
Statue Cilsars mit einem fjoidenen Stern über dem Haupte uinl mii der
Inschrift: Divo Jiil/o'^).
(1. September) Antonius beantragt im Senate einen jiibrliuhen Sujipli-
kationstag für den neuen Gott'').
(Ende September oder Anfang Oktober) Antonius errichtet bei der
Kednerbühne auf dem Forum eine Bildsäule Ciisars mit der Inschrift:
Farciüi Optiino Merito *).
I. J. 42 V. Chr.
1. Januar"): Die Vergötterung Cäsars und ebenso der Name Divus
Julius wird gesetzlich festgelegt'').
Im Anschlüsse daran werden folgende Beschlüsse gefasst bezw. er-
neuert :
1. Dem Divus Julius an der Stelle seines Scheiteriiaufens einen Tempel
zu errichten ');
ad Acit. VIII. 681: qnod sidus Giesriris putatum est Auyusto persuadente. Vgl. (iiii-
nuid Ass. pror. 20 f. ; Beurlier EsmL 9 f . ; Nissen Or. Heft i (1910), 3:38 C.
1) Gesetzlich festgelegt wurde der Name Divus Julius erst i. .T. 42 (vgl.
Momnisen St.H. IP, 7.5(J ') ; tatsächlich bestanden hat er jedoch bereits i. .1.44, wie
hervorgeht aus Cic. Phil. II, 43. 110 (veröffentlicht noch im Laufe dieses Jahres):
ext ergo flamen ut Jovi. ut Marii, ut Quirino, sie divo Jidio M. Antonius. Wie die
vorhin erwähnte Deutung des Kometen vor allem das Werk Oktavians war, so hat
auch er diesen Namen zuerst aufgebracht. Vgl. Nissen Or. 3, 387 und oben zum
19. März 44 (mit Aiim.).
2) Dio XLA', 7, 1 : yaXxovv avxöv ig xb \A(pQoSlatov AaxeQU vniQ xT/g xS(pcc?.riQ t'yovxu,
ioxijafv; Suet. a. a. 0.; Serv. ad Buc. IX, 47: eiqiic in Capitolio {?) statuam super Ca-
put auream stellam Jmhentem posuit. Inscriptum in hoc basi fuit : Kaiauiti l/f/i&iw.
3) Dio XLV, 7,2; Cic. Phil. I, 5,12; I, 6,13; U, 43,110; V, 7,19:' Kakndin
Septemhrihus — de siippUcatione referehat. Vgl. Drumann I-, 104 f. u. 140.
4) Cic. ad fam. XII, 3, 1: in statua, quam posuit in rostris, inscripsit: l'arenti
Optime Merito; vgl. XI, 2, 2.
ö) Dieses Datum wird wahrscheinlieli gemacht durch folgende Erwägung: unter
den i. J. 42 — doch wohl zu gleicher Zeit — beschlossenen Ehren befindet sich
auch die, Cäsars Todestag soll unter die Staatstrauertage gerechnet werden. Da-
durch wird nun die Vermutung nahe gelegt, dass die Beschlüsse vor den 15. März
d. J. fallen. In der Zeit vom Beginne des Jahres bis zu den Iden des März hat aber
am meisten Wahrscheinlichkeit für sich der 1. Jan., weil an ihm ja auch die acta
Caesaris feierlich beschworen wurden (Dio XLVIl, 18, 3).
6) CIL IX, 2628 : [genio deivi Juli | pareniis patriae \ iiue]m scna\tus \ pop\ulusque
[Bo]i>wnus in I \d]eorum nume{rum'\ | rettulit. Dass wir genau unterscheiden müssen
zwischen einer Konsekration durch das Volk (bezw. Oktavian) und deren offizielle
Bestätigung durch ein Gesetz, sagt klar und deutlich Sueton Caes. 88 (s. o.). Vgl.
für das Jahr: App. 11, 148, 617 und die in den folgenden Anmerkungen erwähnten
Stellen Dios.
7) Dio XLV II, 18, 4 (z. J. 42): rj^wöv oc av xs xr] ayogä xnl iv X(ö xüjiiu iv <;j ixe-
xavxo TiQOxaxfßf'ü.ovxo. Der Tempel erscheint bereits auf Münzen aus d. J. 37 — 34
(Babelon II. 49); er wurde jedoch erst am 18. Juli 29 v. Chr. eingeweiht: Dio LL
136 Iliihnl Ifiincn,
2. bei den Ziikustipiolcn .suiia- Statue zusaninien mit dor dor Venus
aufzufahren ') ;
3. bei allen Siegesteiern zu den Supjdikationen einen Tag zu seiner
Ehre hinzuzufügen '^) :
4. seinen Geburtstag soll jeder ifönier im Lorbeerkranze festlich be-
gehen ') ;
5. sein Todestag soll Staatstrauertag sein ^) :
6. sein Bild soll fortan nicht mehr bei Leichenbegängnissen in der
Reihe der Ahnenbilder aufgeführt werden *).
Auf Grund einer lex Biifrena errichten alle italischen Muui-
zipien Statuen dem L^ivus Julius ").
22; Ovid. F. III, 703 f.; CIL \\ p. 217 (F. All.); p. 244 (F. Amit.) u. p. 248 (F. Aiit.)
haben übereinstimmentl den 18. Juli. Vgl. Gilbert Top. III. 117 f.; Huelsen For. Eom.
(1904), 123 ft'. (mit Abbildungen der Münzen und einer Rekonstruktion des Tempels) ;
Aust acd. 30; Gardthausen I, 475; 11, .53 f. u. 261 2-. Nissen Or. Heft 3 (1910) 303.
1) Dio XLVIl. 18,4: ayaXua avzov iv Talg InjiodQOßlaig ,«a9' iTt(iOV ' Aif(ioäta!ov
intunov.
2) Dio a. a. 0. f" zt vlx)/ n,- t'/yyi/.Htj notthv — ty.flvv) aal rtHrtCmi n^ü^v h^io/nij-
vlag tvf/joi:
3) Dio XLA II, 18. b: tu r^ ytn'aia uixov /iaifnufoooiyrugy.ul tv!}v/iovi(h'ft; nuizag
fOQzäL,fiv >'/myxaaav — ; Dio fahrt dann fort §0: xal avvtßuiri- yroj tv zy aiT>'/ iuxi-ya
xal za \47io).Xü)VCia yiyv8o9^ai (13. Juli!), txl'tiiplaavzo zfi iiQOZiQalii (12. Juli) zaytvioia
(iydU.fa&ai, wgxal loylov ztvdg —ißvV.flov nnayoQfiovzog fojdeii &hüv röxf 7ih)v zmlinö).-
Xwvi ioQzat,fiv. Um also zu verhüten, dass die Geburtstagsfeier mit den Apollinari-
schen Spielen zusammenfalle, wurde beschlossen, den Festtag Cäsars vom 13. auf den
12. Juli zu verlegen. Daher erklärt es sich denn auch, dass in der sonstigen Ueber-
lieferung, die diesen Beschluss nicht kannte, irrtümlich der 12. Juli als Geburtsdatum
angegeben wird, so von Macrob. Sat. I, 12, 34 und Porphyrio ad Hör. ep. I, 5, 9 f.
(fälschlich auf Cäsar bezogen statt auf Augustus; s. z. J. 30 v. Chr.). Vgl. die In-
schriften: CIL 1-, p. 244 {F. Am.) z. 12. Juli: Fei: quod eo die C. Caesar est iialiis;
p. 248 {F. A»t.) z. 12. Juli: lüdi ■ diiH- lul ■ »atalis ; p. 229 {Fer. Cum.) z. 12. Juli: [,iu-
talis divi Juli supplicatio Iov]i • Maiii ■ Ultori ■ Veneri [Genetrici]. Mommsen im CIL 1 -,
p. 321 ; Wissowa E. w. K. 241. 879 ; Schmidt Geburtstag im Altert. (1908), 60. Seit diesem
Vorgange ist die fortlaufende Feier des Geburtstages der Kaiser auch nach ihrem
Tode stets beschlossen worden, wenn sie als divi erklärt wurden, sonst hörte sie
mit dem Tode des Herrschers auf; vgl. Wissowa a. a. 0. 286.
4) Dio XLVlI, 19,1: zi/v ijfAfQuv, tv y itfovev&>i, xvqIkv äel noze i'tifjar ßov/.r/s
iyovaav, Anoip^äöa ivöiuauv ; Gardthausen I, 133.
5) Dio XLVII, 19,2: Atihtiov ßiv ßtjSeulav elxüra aizov, xa&än^r) OtoC zirog cos
n).tj&ü>g uvzoc, iv zaig zibv avyyevCov avzov ixcpo^aig ne^nfaS-ai.
6) CIL VI, 872 (= I, 626) u. IX, .5136: Diva (resp. Deivo) ■ Julio-iussu \ pupidi ■
Bomani | statuttwi • est ■ lege | Rufrena. Mommsen bemerkt zu IX, 5136: lam iiitellegitiir
lege Biifrena cautum esse, nt diro Julio statvae eollocarentur per omnia Italiae muni-
cipia, fortasse etiam cicos celebriores . Zu der im Vatikan befindlichen Inschrift {CIL
1, 626) hatte er vorher vermutet, Rufrenus sei vielleicht derjenige gewesen, der das
Gesetz bezüglich der Benennung Cäsars als Divus Julius beantragt habe. Diese
Vermutung hat jedoch m. E. durch Auffindung der beiden andern gleichlautenden
Exemplare alle Wahrscheinlichkeit verloren und es bleibt das zu IX, 5136 Gesagte
bestehen. Beurlier (Essai, p. 8) und Toutain (Cultes. 26) zeigen sich daher nicht
8
Zur Bcgründuiifj <lvs liimisc/icn Kaisolcullcs. 137
I. J. 41/40 V. Chr.
Während der Behitferiiiig des L. Antonius in l'erusiii werden
von den Soldiiten Oktuvinns Bleigeschosse in die Stadt, gesclileu-
dert mit der Inschrift: Di vom Juli um ').
Nach der Einnahme dieser Stadt (nach dem 1. Jan.. vielleicht
gegen Ende Februar d. J. 40) ') lässt Oktavian :)00 der vor-
nehmsten Perusiner an den Iden des März auf den sog. urac
Pcrusiuac dem Divus Julius opfern ').
Agrippa nennt die von ilim erbaute Wasserleitung zu Ehren der .lulier
aqua JuJia *).
I. J. 3 7 V. Chr.
Der von Agrippa im (iolf von Neapel angelegte Hafen wird
zu Ehren der Julier purtus Julius genannt *).
I. J. 36 V. Chr.
Kolonisten gehen nach llhegiiun. das fortan lUyiuiii Julicnsc
heisst '').
I. J. 29 V. Chr.
Oktavian gestattet den Römern der Provinzen Asien und Bi-
thynien, dem Divus Julius im Verein mit der Göttin Roma in
Ephesus und Nikaia je einen Tempel zu errichten ').
Zweiter Teil:
Der Kult des M, Antonius und S. Pompeius.
A. M. Antonius.
M. Antonius rühmt sich seiner Abstammung von Hercules *").
genügend unterricbtet, wenn sie auf die erste Vermutung von Mommsen liin ganz
selbstverständlich von einem Rufrenischen Gesetze reden, dem Cäsar seinen Namen
Divus Julius zu verdanken habe. Vgl. Babelon II, 46, n. 97, Münze mit: Pupul. iussu.
1) CIL I, 697 = EpU. ep. VI. p. 6.= . n. 77 f. Vgl. Beurlier Essai. 9 '; Gardthausen
1, 208. — 2) Gardthausen II, 97 ■».
3) Suet. Aug. 1.5: scribunt qiddam trecentos ex dediticiis electos utriusque ordinis
<td aram Dino Julin extructam idihiis Murtiis liostiarum mudo macttitos; Seneea dem.
I, 11, 1: posi I'erusinas ara.t; Vell. II, 74: Dio XLVIII, 14, 8-4: fjil röv /iw/jov ziiv
TW KalouQi Tü> TiffOieQO) ioano.uivov u/ßivtn; mniiq xt ryiaxoaioi xcd ßovltviitl t'O.'/.Oi
— itiitnaav;' k^\i. V, 48, 203. Vgl. Gardthausen II, 94'; 98 ^ Drumann I-, 474 ff.
4) Dio XLVIII. 23, 3; Frontin de aquis, 9. Nach Gardthausens (II, 608«) ansprechen-
der Vermutung hat Agrippa den Bau als Prätor im .J. 40 begonnen und als Aedil i. J. 38
vollendet.
5) Verg. Geoi-f/. II. 101 ff. Fischer Ä. Zeiti. :3.52; Gardthausen I, 2")7 ff.: II. l;M ff.
ö) CIL X, .5: Begiiiis lulieHsibu.<.
7) Dio LI, 20, 6 : xai Xf/Jtvii zfj rt 'Pvifij/ xal zw nazQi ziö Kaiaa^i, ijowu aiziiv
^lov'uov övofiaaa:;, tv TS ''Eifäaio xcd iv Nixai'rc yfvta^ai kipi/xiv. Vgl. Pinder A. Brl.
Ak. 18.5.5, 608 ff.
8) Flut. Atit., 4: ijv öi xcd Äoyog na'/.aiös ' H()Ctx/.fi'äug fiiat zoig ''Avzuji'iovg rin'
AvTajvoq Tzcxiäög 'H(iax/.iov\; yfyovözag. xai zoizov oiizo zöv ?.öynv z^ zs uo(iip!j zov
138 Iluhrf Ihhmu
Niich dem 27. Nov. 48 v. Chr.
Antonius lässt durch den Miinzmeister Livineius Uej^ulus Golihiiünzeii
prägen, auf denen seine Abstammung von Hercules synibolisili durch
Löwenfell und Keule dargestellt ist ').
I. J. 42 V. Chr.
Er lässt sich in Ephesus als „neuen Dionysos" empfangen-).
Seit 41 V. Chr. ä).
Er wird in Aegypten als Osiris verehrt *).
Winter 39/38 v. Chr.»).
Er tritt in Athen als neuer Dionysos auf '').
T. .J. 33 V. Clir.
Er wird in einer ägyptischen Inschrift als Gott geehrt ').
Vor 3U V. Chr.
Kleopatra errichtet ihm in Alexandria einen Tempel **).
B. S. P o mp e i u s ").
Vor 36 V. Chr.
S. Pompeius rühmt sich, Sohn des Gottes Neptun zu sein '").
ötöußToc, woTtfp H(irjrai, xai xy oto).^ ßtßaioi'v. ''Ail yng, 'öxi //i/./.oi ni.ttoaiv ö(iäaSut-,
ytxwva ft? nrjQov t^wazo, xnl /näyaiQa fityaXij nctQt'jQTrjio, xal adyoc TXfQiixfuo twv ari-
(ifüjr; vgl. 36: ovTw yoöv vip' 'H^iax/.tovc jf>;iw!H}i'(ii ibv uviov iiQÖyovov: Plin. n. h.
VIII, 16 (21); Cic. ad Att. X, IZ.
1) Borghesi Oeuvr. I. 329; Biibelon I, 168 f.. n. 32 (Lyon); Cohen I-. p. .")1. u. 3 und 4.
2) Pkit. Ant. 24: )) yh(> ''Aoi'a näau, xuä^imif) fj —oifoxltnvg txiivtj nö/.tc. vuov uh'
ÜVßitißaituv eyißev, Oßov 6s naiäviov re xcd aievayfiaxuiv. Etc yovv" Eipioov flaiövxoq
aixov yvvuTxfc fth flg Bäxy/xc, av6(i(Q 6i xal naldeg elg S'ßTvpnve xal Ilävag tjyovvxo
önaxivrca liiroi, xlxxov öi xal &Viia(uv xal \pcü.xrjQiu)V xal avijlyytav xal aii.Cov tj Tid?.ig
7jP n/Ja, diovvaov avxbv nvca:a).oviJ.ivujv yuQiSuxtjV xal finh'yiov, vgl. Babelou I, 179.
n. 60. 61; Cohen I^ .53 n. 3; Gardthausen I. 234. — 3) Fischer S. Zeät. 336.
4) Vell. II, 82,4: cum ante )iocum se Lilieram Pairem appellari iitssisset, cum re-
dimüus Jiedens coronaqiic celatits aitrea et ihi/rsiim tciieiis cothi/nkqiie succinctus curru
ccliit Liber Pater recliis esset Ahxandreae. Vgl. Gardthausen a. a. 0.
5) Fischer a. a. 0. 346.
6) Ueber seine dion3-sischen Gelage im Dionysostheater berichtet Athenaeus IV,
148, b — c. Vgl. CIL II, 482, Z. 22 f. : tv xoig ''Avxwvir/oic toj.- nra'a[&r]rmxol<;'Avxu/-
i']!ov Itfoü vtov dioviaov; Gardthausen I, 234 f. 428; E. Curtius, Stadtgcsch. r. Athen
(1891), 2.53; Beurlier £ssni, 11 f. Damals begingen die ."Vthener die kostspielige Torheit,
dem neuen Gotte ihre Schutzgöttin Athena zu verloben, wofür Antonius 1 Million
Drachmen als Mitgift verlangte : Dio XLTIII, 39, 2.
7) Ti. aich. 1866, 200 : ''Avzcavioi' /xeyav \ ä/nl/jtjxov ^ A(pQo6!atOi \ nnfiuanoi tüv
kavtov &foi' I xal fvf ijytiijv LlH^ xov x[ai\ 6 Xoiay x§^\ Gardthausen II, 173'.
8) S. unten (S. 14) z. J. -30 v. Chr.
9) Die Krvrähnung des S. Pompeius hat lediglich den Zweck, das Bild, welches
uns die Zeit vom Tode Cäsars bis zur Errichtung des Prinzipats bietet, zu vervoll-
ständigen; von einem wirklichen Kult kann bei S. Pompeius unter keinen Umstünden
die Rede sein, selbst nicht, wie Gardthausen (II, 160'°) gegenüber Cichorius (R. u.
M., 39) mit Recht betont, in dem sehr pompejanisch gesinnten Mytilene.
10) App. V, 100,416: tSvf //öi'ov 9a/.äaa^ xal noaetSCnvi Xal vlbc avxüir t<fiaxaxo
xaXttal^cti, 7rf(&ö.«£V05 ovx avev 9eov ölg ovxtu S-fpocc nrainui xov; itn'/.fithv:. ifaol rf'
10
Zur Bc(jriiniJtni(j des röiiiisrhoi Kdi.scr/.ultcu. 139
Dritter Toil :
Der Kult des C. Julius Caesar Octavianus Augustus.
l. J. 44. V. Chr.
Oktavian gibt öffentlich seinen Willen kund, nach denselben Kliren zu
streben, wie sie sein Adoptivvater genossen ' ).
(20. üezember) Cicero beantragt im Senate in übersclnvänglielHn- Weise
Ehren für ihn -).
Nach dem 27. Nov. 43 v. Chr.
Oktavian läs.st sein eigenes Bild auf Münzen setzen ').
Durch den Miinzmeister L. Livineius Regulus liisst er Münzen prägen,
auf denen seine göttliche Abkunft durch Aeneas und Anchi.ses ange-
deutet ist *).
I. J. 42 V. Chr.
In der Schlacht bei Philippi gelobt er dem julischen Stammvater Mars
(Ultor) einen Tempel in Rom '').
nvxov, i-Tiö jiuvös yavvovfitvov, xcd ti/I' avft'/f^tj zoig cdzux(jiho(J<n yj.u/tvda ty. (fOirixT/^
SQ xvKvTjV fttxaV.ä^ai, tlonoioifiirov ciga {savxov) xw UoattdOiri; Dio XLVIII, 19, 2:
T//? Tit'pil S^a/.äaarji; ixpäitjoe, do^av xs xtva xcd (pQÖvifixu taq xr.u xoi- TloaeidCDiog Ticäg
tj'>v, oxt näaijg not'e ö naxijQ aixov xijg &a?.daa>j: yn^i 7i(joaiSfru. V^'l. Pliii. 11. lt. IX.
16, 22; Eckhel VI, 27; Babelon II, 3.50; BeurHer Essai, 10 f.
1) Cic. ad Att. XVI, 1-5, 3: at qitae co>icio — nam ut mixxa mihi — iiirat „ita
sihi parentis honores consequi Hceat", et simul dextram intendit ad statuam: fiiiöh aw-
i}iirjv vno ys xowvxovl Vgl. Ed. Meyer, Eist. Zeitschr. N. F. 1903, 394 = Kl. Sehr.
(1910), 4.52.
2) Cic, Phil. IV, 2, 4: niitts de laudibiis et liovorihus, (ßii ei pro divinis et iiimor-
talilnis meritis divini iiimortalesqite debentur, mihi se»atus adsensiis paiilo ante decrerit,
itt primo quoqite tempore referretur; vgl. IV, 3, 6: Caesar feHur in caelum, qui contra
tc exercitiim coiiiparacit. Es hat natürlich dem Cicero nichts ferner gelegen, als den
jungen Oktavian nun etwa wie Cäsar durch den Senat vergöttern zu lassen ; solche
Worte aus solchem Munde sind nichts mehr als eitel Schmeichelei, darauf berechnet,
dem unerwarteten Helfer in der Not, den man sonst wohl am liebsten ins Jenseits
befördert hätte (Cic. ad ftim. XI, 21), Mut und Vertrauen einzuflössen. Aber es pflegt
doch meist so zu geschehen, und zwar gerade bei bedeutenden Männern, dass solche
Lobhudeleien von gegnerischer Seite später, wenn sich wider Erwarten die Verhält-
nisse wirklich ihnen entsprechend gestaltet haben, von der grossen Masse gern fest-
gehalten und gleichsam als ungewollte Prophezeiung angesehen werden. Wäre es
dem Cicero vergönnt gewesen, einen Blick in die Zukunft zu tun, so würde er wohl
schwerlich sich solcher Worte bedient haben.
3) Diese Ehre, che dem Diktator erst auf dem Höhepunkte seiner Macht zuer-
kannt worden und bis dahin den Göttern vorbehalten gewesen war, hatte Antonius
sich bereits i. J. 44 angemasst (Plckhel, VI, 36). Seinem Beispiele folgten dann nach
dem Abschluss des Triumvirates auch Oktavian und Lepidus. Vgl. über die Münzen
Oktavians aus dieser Zeit Eckhel, VI, 72; Gardthausen I, 132.
4) Eckhel, VI, 73 ; Babelon, H, 42, n. 83 : C. Caesar. III rir. r. p. c. (s. Kopf) L. liegidiis
IUI vir. a. p. f. (Aeneas trägt Anchises auf seinen Schultern; vgl. Gardthausen a. a. 0.
5) Suet., Aug., 29, 2 : aedem 3Ittrtis hello Philippcnsi pro vttione paterna siiscepto
uouerat; Ovid, F., V, 569: roverat hoc iurenis twic cum pia sustulit arma. Schon
11
140 Hubert Hciiicu,
I. .1. 41 V. Chr.
Vergil preist ihn für die Erhaltung seines Gutes; er will ihn
als Gott verehren und ihm einen Altar errichten ').
I. J. 40 V. Chr.
Oktavian nimmt im Frieden zu Bruudi.«ium den Titel Dhi filiKS an *).
Er feiert im Hause der Mallia das Zwölfgöttermahl, bei dem er selbst als
Apollo auftritt^).
Cäsar hatte den Plan gefasst, dem Mars einen Tempel zu errichten, kam aber nicht
mehr dazu: Suet. Caes. 44, 1.
1) Vergil, Ed. I, 7 — 8: nonique erit mM semper deus, illitis arain saepe teuer no-
stris ah orilibus imbuet agiius. Die 1. Ekloge wurde verfasst i. J. 41 (Schanz, Gesch.
d. röm. Lit., I, 2, 36). Hier haben wir das älteste Beispiel eines privaten Kultes
mit Oktavian als Objekt, von dem uns die Ueberlieferung meldet, und vermutlich
ist es auch das älteste überhaupt. Dass Vergil den jungen Cäsar schon so frühzeitig
in dieser Weise als Gott verehren konnte, lässt sich einigermassen begreifen, wenn
man bedenkt, dass er diesem nicht weniger als seine ganze Existenz verdankte.
Vgl. Guiraud, Äss. pror.. •22: Beurlier. Essai, 49*: Ed. Meyer, Hist. Ztschr. 1893,
400, In welcher Form dieser Privatkult vor sich ging, sagt der Dichter in der
selben Ekloge Vers 42 f, : Ate illmn vidi iureitem, MeUhoee, quotaiiiiis bis setios ctti nostra
dies altaria fumant. Wissowa {Hermes. XXX\^I [1902], 1.57 ff.) erblickt darin eine An-
lehnung an den hellenistischen Herrscherkult, also an den Kulturkreis, .aus dem
Vergils Eklogen ihre Nahrung ziehen"; der Dichter verdanke die Kenntnis jenes hel-
lenistischen Brauches wahrscheinlich einer dichterischen Quelle alexandrinischer Zeit.
Vgl. Schmidt, Geburtstag, 59 ff.
2) CIL l- p. .50 {F. triumph.) z. J. 40 : Imp. Divi. f. [C. F.] ■ III rir. r. p. c. \ qiiod ■
pacem • cum • Aiitoiiiu ■ fecii. Auf Münzen findet sich dieser Titel erst seit dem Jahre
38 V. Chr.: vgl. Eckhel, VI, 74; Cohen I 143 f.; Babelon. 11, 57, n. 51: Imp. Caesar.
Diri. Juli. f. R. : M. Agrippa. cos. desig. Die alte Streitfrage, wann Oktavian sieh zuerst
so genannt habe, mrd m. E. dadurch ihre Lösung finden, dass wir annehmen, durch
den Vertrag von Brundisium sei zwischen diesem und Antonius bezüglich ihrer Stel-
lung zum vergötterten Cäsar ein Einverständnis erzielt worden, indem Antonius auf
.\nraten seines Schwagers das Priestertum Cäsars antrat (Plut. Ant. 33). während er
diesem anderseits den Titel Diri filiiis einräumte. Eine eingehende Erörterung dieser
Fx-age liegt ausserhalb des Rahmens dieser Arbeit ; ich gedenke sie im Zusammen-
hange mit dem an den Divus Julius anknüpfenden Problem und gleichzeitig mit au-
dern Studien zur Begründung des römischen Kaiserkultes demnächst nachzuholen.
Die heute fast allgemein angenommene Ansicht, nach der Oktavian sich seit der
offiziellen Vergötterung Cäsars i. J. 42 schon Divi filius nennt, ist zuerst aufgestellt
worden von Mommsen (vgl. jetzt StE. ü' [1887]. 7.56' ).
3) Suet., Aug.. 70: Ceiia quoque eius secretior in fabulis fuit, quae uulgo äwdsxä-
9iog uocubatur : in qua deorum dearumque habitu discubuisse conuiuas et ipsum pro
Apolline ornatum non Antoni modo epistulae siiigulorum nomina amarissime enumerantis
e.rprobrant, sed et sine auctore noiissimi uersus: cum primum istoritm condu.rif mensa
choragum | se.vque deos uidit Mallia sexque deas, | impia dum Phoebi Caesar mendacia
hidit, 1 dum noua diuorum cenat adulteria : \ omnia se a terris tune niimina declinarunt,
fugit et auratos Juppiter ipse thronos \ auxit cenae rumonm summa iunc in ciuitate
peiiuria ac fames, adclanuiiumque est postridie: omne frumentum deos comedisse et Cae-
sarem esse plane ApoUinem, sed Tortorem. quo nomine is deus quadam in parte urbis
colebutur. Die hier erwähnte summa penuria ac fames scheint auf die hauptstädti-
12
Zur Ber/fiiii(hiii(i des nini/sriir» Kaiserhiltes. 141
T. J. 30 V. Chr.
In Rom wird ihm zu Ehren beschlossen, den Tag seines Sieges über
S. Pompeius auf ewige Zeiten als FesUag zu begehen ').
Oktavian wii-d von den italischen Stallten ncbin iliren Scliiitz-
göttem verehrt ').
Um diese Zeit dichtet Vergil das erste Buch seiner Gron/im,
in dem er dem Oktavian die Apotheose voraussagt '').
I. J. 31 v. Chr.
Der Tag des aktischen Sieges wird zu Ehren des Oktavian unter die
feriac piiblicae aufgenommen ^).
I. J. 30 V. Chr.
Der von Kleopatra zu Ehren des Antonius in Alexandria be-
sehen Verhältnisse der Zeit kurz vor dem Vertrag von Miseiium (39 v. Chr.) anzu-
spielen: Liv. e^M*. 127: Vell. IL 77; vgl. Gardthausen I, 220 f.; 494; 867. Drumann IV, 228
nennt dies eine von Antonius und andern Gegnern ausgestreute Verleumdung. Wie dem
auch sei, welche Schuld auch den Oktavian selbst an der Möglichkeit solcher Ge-
rüchte trift't, wesentlich ist es für uns, dass in der öffentlichen Meinung die Bezie-
hungen des Oktavian zu Apollo so früh schon eine derartig konkrete Gestalt annahmen.
1) Dio XLIX, 1-5, 1 (z. J. 36): xal tu zij iißtQa iv y ii'svixt'/xft, leQO/urjvifi alälw
Ovar/; App. V, 130, 541: ix äe Twv sil>/j(piafiifu>v xiuüiv ^öiyfjo no/tnyv, tTtjaiöv TS ifgo-
/itjviav eivai, xa!f «? tifdgag ivi'xa. Der Tag des Sieges und seiner jährlichen Feier
warder 3. September: CIL I-, p. 214 {F. Arv.) z. 3. Sept.: Feriae. et supplhationes \
aä. omnia. pvlvinaria | q. e. d. Caesar. August, in Sicilia vicit; CIL I-, p. 244 {F. Am.)
7.. 3. Sept. (fälschlich des Jahres 39); vgl. Gardthausen 1,28.5. Caligula verbot diese,
wie auch die spätere aktische Feier: Suet. Cal. 23.
2) App. V, 132, .")4fi : xal //>' ö Kcäoaf) tVcuv 6? töte uxtio xul tl'xoai, xal airnv ai
nof.etg toi? aifetegoig 9fois avvlÖQOvv. Dieselbe Ehre, welche die italischen Städte dem
Diktator i. J. 44 auf Befehl Roms erwiesen (s. o. zum Jahre 44 unter 9) Hessen sie acht
Jahre später seinem Adoptivsöhne freiwillig zukommen. Das eine wie das andere Mal
haben wir es mit einem regelrechten Kult zu tun, und wenn man bedenkt, was Oktavian
durch Besiegung des Pompejus und Unterdrückung des Sklavenaufstandes für Italien
speziell geleistet hatte, so wird man zugeben, dass dieser italische Oktaviankult noch
besser begründet war als der Cäsars. Vgl. Drumann IV, 268 : anders O. Hirschfeltl
837^'; Gardthausen I, 467.
3) Vers 24 f.: tuq^ie aäeo, quem wiox qiiae sint hahitunt deorum | cnnciliii, incertum
est, urbisne invisere, Caesar, ff. Der Dichter kennt noch nicht den Machtbereich, in
dem Oktavian dereinst als Gott seine Herrschaft ausüben wird; die offizielle Apo-
theose wird aber einmal erfolgen und bis dahin möge Oktavian sich mit einem pri-
vaten Kult begnügen:
Vers 40 ff. : da facihm cursum atque audacihus iidiiue coi'plis \ igniirosque viae nie-
citm miseratus agrestis | ingredere et votis iam nunc adsucsce vncari. Guirauds {Ass.
}>rm\ 22 f ) Auslegung der Verse 24 und 2.5 widerspricht seiner kurz vorher geäusserten
Auffassung der Verse 6 — 9 und 42 — 43 der ersten Ekloge. Richtiger urteilt m. E. schon
Beurlier, 14* ; s. oben S. 12 Anm. 1). Die künftige Vergötterung erwähnt Vergil ferner
Bueol. I, .503: iam pridem nobis cneli te regia, Caesar, \ invidet atque hominum queritur
curare triumphos, und III, 13: (10: modo vita supersit) et viridi in campo templum de
marmoi'e ponam.
4) CIL l\ p. 294 (F. Aw.) z. 2. Sept.; CIL 1-, p. 214 (F. Arv.) ■/.. 2. Sept.
13
142 Hidni llcinen,
gonueue Teiujiel wird als Tcnijiel dos Oktavian weiter gebaut').
Die Aegypter nennen den Stern Cauopus zu Ehren des Oktavian
Kaisaros fJirouos ^).
1) Der Tempel des Antonius (vgl. über diesen Nissen, Or. HeftT [1906], 99) wird er-
wähnt bei Dio LI, 1.5, .5: 'AvTv>.?.og fthv — ig tu xov nazQog avtov rjpihor, i) ij lO.fo-
jiäzQU i:i(non'jxfi, xazatpvywv, ciHvc iaif.iiyij. (Gardthausen II. 173'° bezieht jedoch diese
Worte auf das Heiligtum des Julius Cäsar auf Grund einer Stelle bei Suet., Aug. 17:
Aiitonium itirenem simulacro Din Juli, ad quod — coufugerat, ahreptum mteremit. Allein,
selbst wenn Sueton Recht haben sollte, so bleiben doch Dios Worte unzweideutig;
er hat sich dann höchstens in dem Tempel geirrt). Vgl. Gardth. I, 344. Seine Voll-
endung für Augustus berichtet Suidas Lexil: (Bekker, 47.5) s. u. ^ju/fpyoi': (Kleopatra)
''Arzioviu) ftsyav, vaJifQ ovv fjf/ifQyos äiifÄelcpä^tj, rw —ißaazu) di irf'/.iafhj. Philo v. Alex.,
De kM. et legat. ad Gaium, 1, 9. p. 794 nennt ihn StßctatfTov — 'EnißcmiQi'ov KaiaaQOg i'ttbr,
und sagt, dass ihm kein Tempel auf der Erde an Pracht gleichkomme. Strabo XVII, 1, 9,
p. 794 dagegen spricht von einem Kawripiov und ähnlich Plin., n. h., XXXVI von
einem templuni Caesaris. Allein diese Ausdrücke können nicht verfangen, da wir ja
wissen, dass Augustus bei den zeitgenössischen Schriftstellern stets und auf ägyp-
tischen Münzen meist liaiaaQ genannt wird. Wurde doch selbst in Benevent dem
Augustus ein Caesareum gebaut (CIL IX, 15.56), um von andern zu schweigen. Von den
Schift'ern wurde Augustus als Sebastos Epihaierios Kuisar verehrt. Vgl. Gardthausen
II, 456 ". Das Bedenken, das hiergegen von Mommsen (Eph. ep. IV, p. 27), geäussert
wurde, wird beseitigt durch Suet. Aug. 98, 2 : Forte Puteolaiium sinum praetervehenti
(sc. Äugusto) uectores »aulaeque de naui Ale.randrina, quae iantum quod appulerat,
candidati coroimtique et tura libentes faustn omina et eximias laudes cangesserant: per
iUum se uinere, per iUum nauigare, Uhertaie atque fortunis per illum frui. Vgl. Ne-
routsos-Bey, L'ancienne Alexaiidrie, Paris 1888; Beurlier. Essni, 12 f. und 24;
W. Otto. Frie.''ter und Tempel im heUenistischeii Aegi/pten, II (1908), 278*. Die end-
gültige Einweihung des Tempels erfolgte wahrscheinlich erst i. .T. 12 v. Chr. (wa,s
sich wegen seiner Pracht [Philo v. Alex. a. a. 0.] ja wohl begreifen Hesse), und
zwar gleichzeitig mit der Aufstellung zweier Obelisken durch den Statthalter P. Ru-
brius Barbarus: Eph. ep. V, p. 2, n S. Jedenfalls haben wir hier den
ersten Tempel überhaupt vor uns, der für den Sohn Cäsars er-
richtet worden ist. Man hat gemeint, dieser Tempel habe nicht dem Oktavian
allein gegolten, sondern neben ihm auch der Göttin Roma. Ich möchte bezweifeln,
dass auch hier die Worte des Tae. Ann. IV, 52 {templa quamris seiret etiam procuii-
stdibus deeerni solere. in mdhi tarnen })roi>i)ieia iiisi communi suo Bomaeqiie nomine
recepit) statthaben; denn einmal nimmt doch Aegyi)ten unter allen Provinzen des
römischen Reiches eine besondere Stellung bezüglich des Herrscherkultes ein: hier
war der neue Herrscher von Anfang an ein wirklicher Gott, ob er wollte oder nicht,
und diese Tatsache wird sich Oktavian auch gegenüber dem alexandrinischen Tempel
vor Augen gehalten haben; dann aber auch war damals seine Entscheidung, wie er
sie hinsichtlich seiner Verehrung in Asien offiziell traf, noch nicht gefallen ; und
schliesslich, weshalb sollte er gezögert haben, einen Tempel anzunehmen, der
bereits für einen Antonius begonnen worden war? Wir werden deshalb gut tun,
vorläufig an der oben geäusserten Ansicht festzuhalten, und daran hindert uns auch
nicht der rein griechische Charakter dieses Tempels. Vgl. W. Otto a. a. 0.. 280 '.
2) Plin. n. h. II, 178 : nee canopum fcernitj Italia et quem vocont Bereniiis crinem,
item quem .sub diro Augusto eognominavere Caesaris thronon; vgl. dazu Nissen, Or.
Heft I (1906). 99 f. nach dessen Ansicht es gerade der Canopus ist, der früher bereits
Ptolemaeon hiess und nun mit dem Tode der letzten Vertreterin dieser Dynastie
U
Zxr B('(iviindu\ui des röiiüsr/icn Kdisrrliiil/rs. 143
Oktavian besuclit in Alexiiiiilria das (Jrab Aloxanders d. Gr.
iiiid verelirfc dessen Leichnam ^).
In Rom werden dem Oktavian foltjendo Khron zu(;rkaimt:
1. der Todestag seines Gegners Antonius soll als Staatsfesttag gefeiert
werden '") ;
2. dreierlei Gelübde sollen fortan für Oktavian vei'anstaltct werden,
und /war
a) regelmässige: a) jälirliche, zu Beginn eines jeden Jahres, wie für
das Heil des Staates (rofum pro rci piihJinic. saJiifc), so auch jiro
Salute principis ^) ; ^) vierjährige, pro hiipcrutore Caesnris, in deren
eiligst nach dem Cäsar umgetauft wurde. .Sehnlich haben die Aegypter ihre beste
Papyrussorte nach Augustus benannt (vgl. Gardthausen I. 4.58; Plin. n. h. XIII, 12, 7) und
ebenso entspricht es der ägyptischen Gepflogenheit, wenn wir späterhin einen alex-
andrinischen Fluss Sebaston nennen hören (£;/)/(. p;j. VII [1892], 448; TiL III, 1204G:
R. arch. [4. .serie] VI [1905], 191, n. 39). Ueber den offiziellen Titel des Augustus in
Aegypten a. Mommsen B. Gesch. V"", 465'; Gardthausen 11,241". In den ägyptischen
Städten pflegten Priester mit dem Titel „Propheten des Kaisar' seinen Kult; s. Krall,
Wien. Stud. V (1883), 315 f. An dieser Stelle sei ein Aufsatz von W. Otto, Augic.Uus
Sdler im Hermes 45 (1910) 3. Heft, 448 ff. erwähnt. In Greek papyri in the Brit. Mus.
Vol. III (1907), 80, Z. 115 und 118 werden Aecker des Dorfes Kvokodilopolis bei
Ptolemais (U. Wilcken, Arch. f. Pap.-forsch. 4 (1908), 534 ff.) als ih-ifijo)(uhm) nn ,«f-
{ylatm) Otiht ^cDtTjOi bezeichnet (aus d. J. 47 n. Chr.). Otto sucht nun nachzuweisen,
dass unter dieser Gottheit der Augustus Soter zu verstehen sei, dessen Knlt mit der
Vernichtung der Ptolemäerherrschaft (30 v. Chr.) an Stelle desjenigen des Ptolemaios
Soter getreten sei; in Ptolemais habe man die Ausgangsstelle des ägyptischen Au-
gustus Soter-Kultes zu sehen. Es sei fei'ner wahrscheinlich, dass der Monatsname
Soter für den Pagni (26 Mai bis 25. ,Tuni) i. J. 26/5 gelegentlich der Kalenderrefomi
zu Ehren des Augustus-Soter geschaffen worden sei. Unabhängig von Otto kommt
nun Gerh. Plaumann, Ptolemais in Oherägijpten in Leips. Hisl. .IWi. Heft XVIII (1910).
51 (88 ff.), zu dem Ergebnis, dass es in Ptolemais einen „Kult des 0tög ^laxi/Q als
Stadtgründer neben den dynastischen Kulten der Ptolemäer" gegeben habe. Beide
Ansichten haben vieles für sich: eine Entscheidung vermag ich nicht zu treffen.
1) Dieses Ereignis und die dabei von Oktavian gesprochenen Worte, er habe den
König (Alexander) und keine Toten (die Ptolemäer) sehen wollen (Suet. Aug.), haben
bisher die verschiedensten Deutungen erl'aln-en. Vgl. Kornemann, 98. Ihren wirk-
lichen Sinn werden wir bei ihrer Orakelhaftigkeit wohl kaum je ergründen. Sollte
man sie aber als Beweis für die Herleitung des römischen Herrscherkultes aus dem
des hellenistischen Ostens benutzen wollen so möchte ich meinerseits betonen, dass
ihnen damit eine Bedeutung beigemessen wird, die ich wirklich incht darin finden
kann. (W. Otto, Hermes 45 [1910], 449 3).
2) Dio LI, 19, 2; iv tj/ i/y? ayyf?.lag {^) TT/:; rUr^q fifitQa hoofiijviur tivai. Antonius
gab sich den Tod am 1. Aug. (Oros. IV, 19, 16), und dieser Tag wurde denn auch in
Rom gefeiert (CIL I-, p. 244 [F. Avi.] z. 1. Aug.: Ferine ex s. c. q. e. d imp. Caesar
Diri /'. rem pulilic. tristissimo pericuJo liherat; p. 214 [F. Arv.] z. 1. Aug.). Die An-
gabe Dios ist mithin falsch, denn sonst hätte das Fest etwa um einen Monat später
fallen müssen : möglicherweise aber verwechselt er nur die Feier des aktischen Sieges
(2. Sept.) mit der über den Tod des Antonius. Vgl. Wissowa R. m. K., 378.
3) Dio LI, 19, 7: toi5? ts legeag xal zii(; ifpfi'cQ iv rnTi vnfp Tf tov {h'j/xov xctl t^;
ßov?.7/g fi'j^aic xal vnSQ ixeivov dixolwg sv/^saDai — ixh>.svanv. Dio spricht hier unge-
15
144
Hiihnt llc'nicn.
Folge von den Konsviln \\\v\ den vier höchsten Priesterkollegien
Imll quhiquciuxdes gefeiert wurden ') :
nau nur von den Priestern, ebenso wie im folgenden, wir wissen jedoch von ihm
selbst (LIX, 3, 4), dass auch die Magistrate daran beteiligt waren ; vgl. auch Plut.
Cic. 2 (s. u.); Suet. Aug. 57: otnnen ordines in larinn Curti quotamüs ex voio pro sohlte
eius stipem iaciebatit. Der Tag dieser nach dem Beispiele Cäsars (Die XLTV, ß) ein-
gerichteten vota war, wie man aus Bio entnehmen kann, anfänglich der 1. Jan.;
später — nachweislich seit, 38 n. Chr. — wurde dafür ein besonderer Tag, und zwar
der 3. Jan. festgesetzt, da der 2. als jiofitrirhmnus nicht in Betracht kam: CIL I-,
p. 2.5G (3.54 n. Chr.). Plut. a. a. 0. : r/ftseci rghij xwv vewv KcdaväCbv, tv ?) vvv ol riQyor-
reg fv/nviai xal 9vovaiv insQ rov fiye/^övog; Gaius Dig. L, 16,223, § 1. Vgl. CIL T-,
p. 305; Marquardt III % 266 f.; Preller- Jordan II-, 439 (P, 182); Mommsen St. B. U\
811; Wissowa B. u. K., 381'; A. Müller Fhilol. N. F. XXII (1908). 470 f.
1) Mon. Aue.-. Kap. IX, Z. 8—13 (der griechische Text ist vollständig erhalten,
während der lateinische zahlreiche Lücken aufweist): li/äg vni^ xT/q i/^r/c awTrjpi'aq
nia'/.rifißuren' \ öiä tü>v inärwi' xai ifjjf'wr xuS' exaaxtjv TisvjEztjQlöa irptjifiaaTO ij aiv-
xlrjzoc- ix xoi.xiov xü>v evyCov nluaxaxtq iysvovzo i^sttt, | xoxh fthv ix xT/g avvuQyJag xCov
xiaaäowv IcQiwv, xoxs ds vno xwv vJiäxwv, danach und mit Hilfe des noch Erhaltenen
ergänze ich den lateinischen Text abweichend von Mommsen folgendermaßen: [Vota
pro Salute mea nt ficretit per cons]iiles et sacerdotes qtt[into] \ qu[oquf anno senatm decre-
rit. E quibus] votis s[ae]pe fecerunt vivo \ me [hidos dliquotiens sacerdotu]m quattuor
amplissima coUe[gia. aliquotiens consules]. Dio LI. 19.2 (z. J. 30): xal nart'tyvQiv o\
nfvxfxtjplött nyia&ai (eyvwacti'). Unter den im Mtm. Anc. erwähnten quatluor amplissima
collegia sacerdotiim sind zu verstehen die iiontifices, aiigures, XV vin s. f. und VII
viri epidoiies (Dio LIII, 1. 5), die in der angegebenen Reihenfolge mit den Konsuln
in der Leitung der Spiele abwechselten. Sie fanden iium erstenmale statt i. J. 28
V. Chr. unter der Leitung der Konsuln: Dio LIII, 1,4: z^v navr/yvQiv xtjv inl ztj vixy
rii :i(tög xv> 'Axzioj (? vgl. Dio z. J. 30) i)'>j<fia9Hoav i'iyayfv (d. h. Augustus, der aber
wohl schwerlich selbst mitbeteiligt war) ftezn xov \iy(ii7niov, xal iv aiz/j xt^v mno-
Sqouiuv üiü Tf xCor nniSiov xal 6ia xüiv AvSqCov xijjv fvyivüiv inoltjof. Demnach wurden
sie veranstaltet:
von den pontifices 1
zum 2. Male i. J.
augures
XV viri:
V 5. „
, . 12.
, VII riri
, 6. ,
r , 8,
, consules
7.
, :. 4.
, pontifices
r 8. ,
, . 1 n. Chr .
, augures
, 9. ,
, - 5 , ,
. XV viri
. VI .
. - fl . . .
. VII viri:
(Plin
divi
Q. S
. 11. ,
, , 13 . .. .
. consules.
(Dio LIV, 19, 8: xal 7itiT(x>j(>läci xT/g
i'iQ/Tjg ("? vgl. die vorige Stelle und oben)
ßi'ToO SitWQXaaav , xov \AyQtnnov, iv
yäg xoTq ntvxexalSexa itvßQÜaiv, o'ig ix
zT/g niQiXQOTiTjg tj öiolxijatg ctvTJjg ijii-
ßal/.fv, (fpüiTO öik xCbv isQiwv ävalü)-
acn-zog: vgl. CIL VI, 877).
. n. h., VII, 48, 1.58: ludi pro salutr
Augusti votioi celehrati C. Poppaeo
IG
Zur Begründmui des römische». KaiserhiUes. 145
b) aussergewöhnliclie, über deren Notwendii^kcit von Fiill zu Fall ent-
schieden werden konnte ');
3. sein Geburtstag soll als ötfontliclier I^'csttag gefeiert werden ^).
Ueberschätzung des Berichtes von Dio, der die Leitung dieser Spiele, ebenso wie bei den
Jahresgelübden, den vier Priesterkollegien allein zuweist (LIII, 1, 5), obwohl er selbst
kurz vorher gesagt hat, die Spiele des .). 28 seien von den Konsuln veranstaltet
worden. Ueberhaupt ist Dio iu dieser ganzen Frage sehr unzuverlässig und wider-
spruchsvoll. Ausserdem zwingt auch die von Mommsen im Mon. Atic. (s. o.) ge-
gebene Ergänzung: (diqitotiens consule.t zu der Annahme, dass die Konsuln sicher
mehr als einmal eingetreten sind.
Eine andere Frage ist die, wofür und wem zu Ehren die Spiele gefeiert wurden.
Dio bezieht sie einmal auf den aktischen Sieg (LIII, 1, 4), dann aber auf den Prin-
zipat des Augustus (LIV', 19. 8). Das ist ein offenbarer Widerspruch, für den ich trotz
der von Mommsen (a. a. 0.) herangezogenen Münzen des C. Antistius Vetus keine
andere Erklärung zu finden vermag, als dass Dio sich über die ganze Sache über-
haupt nicht klar war. üeber den Zweck der Spiele werden wir aber hinreichend
belehrt durch Augustus selbst; bei ihm heisst es nach meiner Ergänzung (s. o.): vota
pro Salute mea (die Mommsensche Ergänzung füllt die Lücke nicht, ist sprachlich in-
korrekt und gibt den griechisclien Ausdruck awTijQi'a nicht wieder), mithin waren
auch die Spiele ludi pro salute Caesaris. Sie wurden gefeiert zu Ehren des Juppiter,
wie uns die Münzen des L. Mescinius Rufus zeigen: (vom Jahre 16 v. Chr.) J(ovi)
o(piimü) iii{a,Tvmo) s(enatus) p(opuhis) q{ue) R(omanus) v{ota) s{uscepit) pr(o) s(alute) im-
p{eratoris) Cae{saris). quod per eu(m) r{es) p(ubKca) in amp{liore) atq{ue) tran(quilliore)
s{tatu) est (Cohen P, p. 129 n. 462): vgl. andere Münzen bei Mommsen a. a. 0., 42,
Anm. 1.
1) Marquardt Iu-, 268. Hierhin gehören zweifelsohne die Gelübde für die Gesund-
heit {pro valetudine) und für die Rückkehr {irro reditu) des Kaisers. Die ersteren wurden
z. B. veranstaltet i. J. 16 v. Chr., wie uns die bereits erwähnten Münzen des C. An-
tistius Vetus lehren: (opfernder Priester vor einem Altar): pro valetudine Caesaris
s. p. q. B. (Cohen P, 110 n. 343); (opfernder Apollo): Apollini Actio (Cohen P^
111 n. 349). Dass Apollo hier — und auch wohl sonst bei den Gelübden für die
Gesundheit des Cäsar — der Empfänger ist, kann nicht befremden. Im J. 16 v. Chr.
trat Augustus eine längere Reise nach dem Westen an, um Rache zu nehmen für die
Niederlage des Lollius. In banger Erinnerung an die schwere Krankheit, die ihn
während seines letzten Aufenthaltes in diesen Gegenden befallen hatte, begnügten
sich die Römer nicht damit. Gelübde für seine Rückkehr zu veranstalten, sondern
auch für seine Gesundheit, und zwar dem Gotte, der ihn einst aus der grössten Ge-
fahr errettete, dem aktischen Apollo. Diese Gelübde {pro valetudine) mit den vier-
jährigen identisch zu erklären, steht m. E. auch noch folgendes im Wege: es steht
zwar fest und war in Rom jedem Kinde bekannt, dass die Gesundheit des Kaisers
recht viel zu wünschen übrig liess. trotzdem aber — oder vielmehr gerade deshalb —
musste es für beide Teile etwas Peinliches an sich haben, wenn sich der Senat bereits
i. J. 30 verpflichtet hätte, alle vier Jahre, gleichgültig, ob ein direkter Anlass dazu
vorlag oder nicht, für die Gesundheit des Kaisers Gelübde zu veranstalten. Das
hiess denn doch, den „Sohn des göttlichen Julius" allzu deutlich an seine mensch-
lichen Gebrechen erinnern. — Gelübde, bezw. Spiele pro reditu sind seit dem Be-
schlüsse stets veranstaltet worden, wenn der Kaiser in die Provinzen aufbrach, bezw.
aus ihnen wieder heimkehrte. Der Anfang wurde gemacht gleich i. J. 29 (siehe dazu).
2) Dio LI. 19, 2 (z. J. 30): ev it to«; yevfO^/Joig ccvTOv — 'ifQOfxrjvlav sii-ru. Für das
Datum: Suet. Aug. 5; CIL P, p. 215 {F. Arv.) z. 23. Sept.: F. ex. s. c. q. e. d. imp
Klio, Beiträge zur alten Geschichte XI 2. IQ
17
146 Hubert Meinen,
Im Osten des Reiches wurde dieser Tag, ausser bei seiner jähr-
lichen, auch bei seiner monatlichen Wiederkehr gefeiert ') :
4. bei allen Gastmählern, den privaten sowohl, wie den öffentlichen.
soll ihm eine Spende dargebracht werden -) ;
Caesar. Aug. pont. ma[x]. natns est. Marti Neptuno in campo Apollini ad theatrum
Marcelli; CIL l\ p. 225 (F. Mag.) z. 23. Sept.; CIL P. p. 229 {Fer. Cum.) z. 23. Sept.;
CIL V-, p. 240 (F. Vall.) z. 23. Sept.; CIL\\ p. 272 {F. Phil, 3.54 n. Chr.), z. 23. Sept.
Vgl. Mommsen St.-B. IP, 812 und CIL I-, p. 329 f. ; Marquardt III ^ 468. Es ist dieselbe
Ehre, wie sie bereits für Cäsar beschlossen worden war (s. oben S. 132 u. 136). Der
Tag des Augustus wurde in Rom zunächst, wie es scheint, nur mit Opfern gefeiert.
Bereits i. J. 20 wurden aber schon Zirkusspiele von den Aedilen veranstaltet (Dio
LIV, 8, b: iöicc äs d?/ ol nyoQuyö^iot mnoÖQOulur rt iv toI^ toi" AvyoioTOV ytrt&?.loii; xai
ärjQi'wv aifayäi i7toi?jaav, Eiessling-Heinze, Hur. Ep.^ S. 51 bezieht auf diese Feier auch
die Worte des Hör., Ep. 1, 5, 9: cras natu Caesare festus, u. zw. mit Recht. Im J. 13 gab
solche auf seine Kosten der Prätor Julus Antonius (Sohn des Triumvirn) ; auch wurde
damals die öffentliche Bewirtung beschlossen (Dio LIV. 26, 2 : rä t( yf rttf;./« tov Av-
yovazov o "lovlog o zov 'Avzwvtov naiq aTgaztjyüiv xal mnodiio^iifi xai acfciyatg Sijqiwv
iw(izaaf, xal iv zöj KantzmUio xal sxetvov xal zf/r ßov).fjV xazä Soyija avzTfq ilozlaaiv.
Im folgenden Jahre (12) wurde auch den Unverheirateten die Teilnahme an den
Spielen und der Bewirtung gestattet (Dio LIV. 30. 5: aizöv — hifitjoiv xal zw roTg
h')'Vvoi: xal zaiq nidid(iotg xal ovväeäo&m zoTq a'O.oiQ xal avi'ätinvHv iv zois yfvfB/.inig
aizov Soivai). Im J. 11 fanden ebenfalls Zirkusspiele unter der Leitung eines Prätors
statt (Dio LIV, 34, 1—2: t« yevtD^/.ia ta zov Aiyoiazov xal iv tö> mnodyo/jLw xal iv zj,
aV.y nöXft TtoV.ayöl^i Stjplwv aifayalq izififjä^Jj. xal zoizo fiiv, xalzoi fjij \ptj(pia9si', iv
näaiv tu; ilnilv zolq ezfaiv Tigöe zivog zibv AbI az^nzijyoivzwv tyiyrfzo). Aber erst i. J. 8
V. Chr. wurde die ständige Feier der Spiele festgelegt (Dio LV, 6, 6 : ig de 6!/ zix yiviüXia
mnoSgofxiav cäSiov i'/.aßf). Im J. 4 n. Chr. musste Augustus die öffentliche Bewirtung
untersagen wegen der herrsehenden Hungersnot (Dio LV. 26, 3). Die letzte Feier,
die der Kaiser erlebte, fand im Jahre 13 n. Chr. statt (Dio LVl, 29, 1). Ausserdem
wurde der Tag gefeiert : 1) im kaiserlichen Hause (vgl. Gellius, N. A., XV, 7 : Brief
des Augustus an seinen abwesenden Enkel: quem, uticumque hoc die fuisti, spero
laetum et hene valentem celebrasse quarium et ssxagesimum natalem meum); 2) von den
Arvalbrüdern (vgl. CIL VI. p. 477 [50—54 n. Chr.]. zum 23. und 24. Sept.); 3) jährlich
zweitägig von den Rittern (Suet.. Aug., 57, 1 : equites E. nntalem eius .'iponte atque
eonsensu hiduo aemjjer celebrarunt) ; 4) von Privatleuten (Vergil, Ed., 1, 43; s. o. S. 140,
Anm. 1); .5) im Heere (Dio LVI, 25, 3: rä zov Aiyoiazov ytriüha iogzäaavifq xai ziva
irnioSgoulttv ir aiznic äta züv ixazovzÜQywv nott'ioavzfg; vgl. v. Domaszewski in Westd.
Ztschr. XIV [189.5], 12); 6) hier und da in kleineren Städtchen auf Kosten eines
Privatmannes (CIL IX, 2226 [Telesia] : Q. TiUius. L. f. ßufus. Q. Agrius. Q. f.
Celer \ Fr. II vir • Canarias ■ et ■ quae ■ in • iis ■ k-tmt • sua | peq. fec ■ ut • eo ■ vectigale ■ quot .
annis. colonis. mulsum \ et ci-ustum. natak. Caesaris. Augusti. daretur; vgl. auch CIL
XI, 3303: victimae — quae p(er)p{etuo) immolari adsuetae sunt ad aram quae numim
Augusto dedic{ata est), vgl. Beurlier, Essai, 17'; Schmidt, Geburtstag, 59 ff.
1) Wir hören von solchen Feiern in Aegypten (oeßaazal rj/ji^at ; vgl. Wissowa, Hermes
XXXVII [1902]. 155 ff.). Mytilene (IG XH, 2. 58a. 20. S. 25 ; Cichorius, B. u. M.. 31 ff.), Per-
gamum (jährlich zweitägig, monatlich eintägig: J. v. Perg., 262: Kornemann 99 f.). Eu-
menia [CIG 3902b), Apamea {BCH XVII [1893], 316), Priene {A. Mitt. XXIV [1899], 288 ff.).
2) Dio LI, 19, 7: xal iv zoig avaaizioig oiy_ ozi zoTg xoivolt, al'/.ä. xal zoZg täloig nav-
zag ai'röi anivöiiv ixiltvaav; vgl. Ovid, F. II, 637 f. : et „6e«p vos, hene te, patriae
pater, optime Caesar!" \ dicite suffuso sub sua rerba mero; Hör., Od IV, 5, 31 alferis | te
mensis adhibet deum: te multa prece, te prosequitur mero \ defuso pateris.
18
Zi<r Bi'iiriiiHhoui des römischen Kaiserkultes. 147
5. bei seinem Einzvige in die Stadt sollen ihm Vestalinnen. Senut und
Volk mit Weib und Kind entgegenziehen ').
Zwischen 30 und 27 v. Chr.
Oktavian wird von der Stadt Tlicsj)iae als Sotcr und Euergetes
gefeiert '^).
Auf Thera wird ihm ein Altar errichtet •').
I. J. 29 V. Chr.
[Oktavian gestattet den IJfhnern der Provinzen Asien und Bi-
tliynien, der Göttin Koma und dem Divus .hiliiis in Ephesus,
bezw. Nikaia. je einen Tempel zu erri(;iiten| *).
Den Griechen beider Provinzen dagegen gestattet er die Er-
richtung eines- Tempels Eomae et Augnsto in Pergamuin '^), bezw.
1) Dio LT, 19, 2 (?.. 3. 30) iq tf/v nöhv ioiovtt aiiöi r«? Tf leQfi'ag rn^ nfmapHh'Ovc
xal zfjv ßnvli/v töv zc ör/uov //fr« tt Tio»' yvvfuxOii' xul ftcrri rüiy zhxriur aTiavzijuai
{tyvioaav). Diese Ehre lehnte Oktavian jedoch ab (Dio LI. 20, 4).
2) IG VII n. 1836: '0 dr/fio? 68a[7ii]\eujv ccvTnx()i'iio(>tt | Kaiaapa ftfov vcuv, zov \
3ur/7s)« xcd EheQyBZrjv. Vgl. auch n. 63.
3) IG XII. 3. n. 469: (am ci/lindrata): '0 6äf/o^ \ tov avzoxgäzo qoc &eov viov | Kui-
önjioc. Vielleicht gehört zu demselben Steine auch noch die Inschrift a. a. 0. n. 470:
'0 dn[uui] I [Kccl]aaQa &tov v[tiiv] | [av]zoxpdzo()tt zb n[inTizov] (sie) | [vn\azoi' zb zizuQ-
xo[v ] 1 [«pfjr«; svfxtt xru xa[>.oxfiyaD^lag] | zag ig avzöv. Auf Thera wurde wahr-
scheinlich noch unter Augustus ein den Ptolemäern im Verein mit Dionysos ge-
weihter Bezirk zum Kaisertempel umgestaltet: Hiller v. Gaertringen, l)ie Insel TJiera.
I (1899), 17.i. 237 ti.: vgl. W. Otto. Hermes 4.5 (1910), 449'.
4) Vgl. oben S. 137 Anm. 7.
•>) Dio LI, 20, 7: zolg 6h äfj Sevoig, " E>.hjvdg acpag inixnXsaag , havxiy ziva, xolg
fiiv ' Aaiavolg iv Ilipyiißo) — — ztfitviaai inez(>fipe; Tac. Ann. IV, .5.5: Pergamenos
— aedc Auguüto ihi posita. Dass dieser Tempel trotz Dio und Tacitus neben dem
Augustus auch der Göttin Roma geweiht war, geht deutlich hervor aus einer an-
dern Stelle bei Tac. (Ann. IV, 37): cum divus Augiisius sibi aique urhi Romae iemp-
lum apud Pergamum sisti non prohihuisset — : ferner aus Suet., Aug., .52: templa.
qunmuis sciret etiam proconsulibus decerni solere, in nulla tarnen prouincia nisi communi
sun Homaeque nomine recepit ; ferner aus einer Münze aus d. J. 19 v. Chr.: Eckhel
VI. 100 (vgl. II. 466): Imp. IX tr. po. V (Kopf des Augustus) R: Com. Asiae (sechs-
säuliger Tempel mit der Inschrift) : Hom. et. August. Vgl. Finder, A. Brl. Ak. 1855,
613 ff.; Cohen, l\ 75, n. 86. CIL III, Suppl. 7086; Cichorius, H. u. M.. 32 ff. 0.
Hirschfeld. 837. Ed. Meyer. Bist. Ztsclir.. 1893, 401. W. Otto, a. a. 0., 460' (vgl.
458 ff.) will jedoch Dio mehr Glauben schenken und annehmen, der Tempel sei zu-
nächst dem Augustus allein geweiht gewesen und die Göttin Roma erst nachträg-
lich hinzugekommen. Wir müssen es uns hier versagen, auf die Einzelheiten seiner
von der bisher üblichen Annahme scharf abweichenden Ausführungen über die Stel-
lung des Kaisers zum Herrscherkulte näher einzugehen — auf den Aufsatz wurde ich
kurz vor der Drucklegung durch Herrn Prof. Kornemann aufmerksam gemacht —
wir beschränken uns hier auf das. was Otto über Pergamum sagt. Er meint, wenn
der Tempel von Anfang an dem Augustus und der Göttin Roma gegolten hätte, so
würde das in dem .offiziellen' Khrendekret von Mytilene aus d. J. 27 (s. unten)
stehen müssen, dort aber sei nur von Augustus die Rede. Eine solche Folgerung ist
ist nun zweifelsohne nicht zwingend, vielmehr lassen sich für diese ungenaue Aus-
drucksweise selbst in einem offiziellen Dekret die verschiedensten Entschuldigungen
10*
19
148 Iluhert Heinen,
Nikomedia ^).
Der römische Senat beschliesst:
beibringen. Einmal war der Tempel damals noch nicht fertig, hatte also noch nicht
die für jeden sichtbare Aufschrift ' Piumj xul ^fßaaru) ; dann war das Dekret eine ganz
persönliche Ehrung des Augustus, und es Hesse sich denken, dass die dankbaren
Mytilenäer auch bei der Erwähnung des Kaisertempels von Pergamum in ihrem Eifer
gerade die Eigenschaft des Augustus als Tempeleigentümer besonders hervorheben
wollten; und schliesslich zeigen ja doch die beiden zitierten Stellen des Tacitus, was
man von solchen Ausdrücken zu halten hat : bei einer gelegentlichen Erwähnung des per-
gamenischen Tempels {IV. 55) spricht er nur von Augustus ; bald darauf aber, wo es sich
mehr um eine prinzipielle Entscheidung seitens des Kaisers handelt, versäumt er nicht,
auch die Göttin Roma ordnungsgemäss mitzunennen (IV, 87). Aehnlich müssen wir
auch den Bericht Dios auffassen. Was nun die Vermutung angeht. Roma sei erst
später hinzugefügt worden, so zeigt sich, dass dies doch jedenfalls bald geschehen
wäre, denn i. J. 19 v. Chr. — das lässt sich nach Ausweis der obigen Münze nun
einmal nicht leugnen — ist die Göttin Mitinhaberin des Tempels. Welches Ereignis
soll denn in den 8 Jahren diese Neuerung hervorgerufen haben? Kornemann (106)
hat gezeigt, dass die Entwicklung vielmehr umgekehrt verlaufen ist. indem die Göttin
Roma immer mehr gegenüber dem Kaiser zurückgetreten und schliesslich ganz ver-
schwunden ist. Damit ist eine aufsteigende Linie konstatiert. Otto dagegen will
eine absteigende: seine Ansicht bedeutet daher eine nachträgliche Degradierung des
Herrscherkultes. Kornemann (98) nimmt für diese Begründung des Kaiserkultes auf
asiatischem Boden eine Mitwirkung des römischen Senates an, da diesem auch in
späterer Zeit das Recht hierzu zugestanden habe (Belege a. a. 0. Anm. 2). Die an-
geführten Worte Dios versteht er so, dass der Kaiser , offenbar auf eine Eingabe der
Bewohner der Provinzen Asien und Bithynien. wahrscheinlich in einem Berichte an
den Senat', festgesetzt habe, dass . Demgegenüber muss jedoch betont werden.
dass sich bei keinem einzigen der in augusteischer Zeit begründeten Provinzial-
kulte eine Mitwirkung des Senates direkt nachweisen lässt. und eine solche am we-
nigsten in den östlichen Teilen des Reiches, in denen sich der Herrscherkult längst
eingebürgert hatte, anzunehmen ist. Wir werden deshalb vorläufig an einem selb-
ständigen Vorgehen des ersten Kaisers festhalten müssen. Vgl. W. Otto, Priester u.
Tempel 11280"; Beurlier, Essai, 18. Die Vollendung des Tempelbaues erfolgte nicht
vor dem J. 27, wie wir aus einer bald nach dem 13. Januar dieses Jahres ver-
fassten Ehreninschrift von Mytilene erfahren: Cichorius, R. u. 31., 34, Z. 12: fv tw
vaw xaTao]xeia'io,utroj uvtlS ino jT^g'Aalai; iv Ilf^yäniu; doch stand er jedenfalls i. J.
19 T. Chr. ; vgl. die obige Münze.
Ueber den an der Spitze des provinzialen Kaiserkultes von Asia stehenden «p-
XifQivi; l4alaQ vgl. W. H. Waddington, Syrie, 245; Guiraud, J..5S. prov., 97 ff; Korne-
mann 99; V. Chapot, La pror. rom. procons. d'Asie in Bihl. de Vecole des Mutes et. 150
(1904), 468 ff', und vor allem Brandis in P.-W. II, Sp. 474 ff. Ueber den Musikverein
der iftvwdol üiov ^ißaarni xul &ing 'Püiß>j? vgl. J. r. Perg. II, 374 ; Kornemann. 100 ;
vgl. W. Schmidt, Gelurtstag, 58. Beim Tempel in Pergamum wurden alle vier Jahre
besondere Spiele gefeiert: Dio LI, 20, 9 (z. J. 29): gi.aßov xai o\ TltQyaß^vol zhv ayCova
\tQbv cDvofiaaufvoi' inl tj rov vaov avTov riii^, TioitTv; Suet.. Aug., 59. Ihr offizieller Titel
lautete: 'Pto/xuia ^fßaard, wie ersieh häufig auf Inschriften findet: ('IG 3902 b (Eu-
menia): fV t<ü yv,ui'ixw ayCoyi t(Ü er IJegyri/itcu züiv 'Piafialtuv 2^fßaaTCor ; BCHY (1881),
p. 230, n. 20 (= Paton-Hicks,' The inscr. ' of Cos [1891] 137, n. 104, Z. 5 f.) : 'P](o-
fiattt Sfßaatä la TiSiuiva vtxö tov xoivov tT/q 'Aai'ag iv IlfQyäfnp ; CIL III, 7086. Vgl.
Eckhel VI, 135 f.; Gardthausen U, 253 ff. ; Kornemann. 101'. 106.
1) Dio LI, 20, 7: tot: 6e dij S^votg/'EV.rjviig atpaq imxaf.iaac- savzw rira — roTg äi
20
Zur Beffrihulidi;/ des römischen Kuisvrkidfcs. 149
1. Den Namen Oktiivians in das Lieil der Salier autzimchnien ') :
2. eine Tribus ihm zu Ehren die julische zu nennen ') ;
3. den Tag seines feierlichen Einzuges in l{oin vom ganzen Volke
mit Opfern und auf ewige Zeiten als Festtag feiern zu lassen ').
(13. August) Jeder Homer opfert jirivatim und der Konsul M. Valerius
Potitus im Namen des Staates für die Heimkehr Oktavians *).
1 18. August: Oktavian weiht den Tempel des Divus Julius ein]'').
(28. August) Oktavian weiht die julische Kurie ein. in der ihm zu
Ehren ein Altar und eine Statue seiner Victoria Aufstellung finden *).
Bi&vvoig,iv Nixontjöflff te/tf vlaat ijisTpfipf, Tac. a. a. 0. Spanheim. I)e praestiuitia et
usu iium. ret. I (1717), fiSO: Com. Bith. R: xoivöv Biüvviuc: (Tempel mit der Inschrift):
Rum. S. P. Äug. Momrasen im Moii. Am-. - X.
Nach dem Beispiele von Pergamum und Nicomedia erbauten sich bald nicht nur
die übrigen östlichen Provinzen ihre Tempel der Roma und des Augustus, sondern
auch die einzelnen Städte, und zwar schon unter Augustus. Hatten doch schon viele
von ihnen seit langer Zeit den Kult der Roma eingeführt : da ist es klar, dass ge-
rade diese sich nun auch beeilten, den neuen Herrscher hinzuzufügen. Vgl. E. Ca-
rette. La prov. rom. proc. d'Asie, 419 f. und das oben S. 147 Anm. 5 gegen Otto Gesagte.
1) il/on. Anc.-. 44: [Nomen vtetim setiutus consulto iti]chisum est in saliäre Car-
men; gr. : Td uv[oft]d ftov otrx).i]Tov öuyftati ivHfQi(?.r/,(f&rj fi[c zov]g aiO.liov vnvovq;
Dio LI. 20, 1 (z. J. 29) t'c rf xovt vßvovq avxov i^ laov totg »fof; iaypmfjfadcci : vgl. Hör.,
Od. III, 3, 11 f. Mommsen St.R. 11 «, 757; C4ardthausen, I, 468 sagt mit Recht: ,Es
war mindestens eine übermenschliche Ehre, wenn der Name des Cäsar im saliarischen
Liede mit denen der Götter genannt und wenn ihm beim Gastmahl wie der Unsterb-
lichen Einem gespendet wurde." Wissowa. if. «. K.. 285. Wenn späterhin noch diese
Ehre verliehen "wurde, so geschah es erst nach dem Tode des Betreffenden; vgl. die
Stellen bei Schanz, G. d. röm. Lit., I, 1, 18*.
2) Dio LI. 20, 2: xul <pv>.>/v 'lov'/.iav £;i' airov f.novounCfa &ai.
3) Dio LI, 20,3: zrjv ze tj/jt^av, iv fj av eq zi/V Tiöhv iail^n f^valan; zs Tiavärjut
liya/.&r/rca xal ffp«»» oft nyfa^ai. Mommsen a. a. 0. T, 379, Anm.
4) Dio LI, 21, 1 und 2: xal avrov ^i zi/v ndliv iof/.&övzog o'i xt fu'/.oi f^vaav,
wanfQ tXgrjXUt (s. vor. Anm.), xal ö vnazoc OvaÄfgiog Iloxtzog' — oizog ovv ärjftoaia
Xttl cti-zog vnep zi zov öijixov xal vnSQ ri/c ßovlTiQ inl z^ zov KcdaaQoq nifisfi ißov9-v-
zijoev. Dann sagt er ausdrücklich: ö /u'/tko n^tiizfyov inl uijäfvö: a'/.'f.ov iyiyovst.
5) Siehe oben S. 135. Anm. 7.
6) Dio LI, 22, 1: zb ßov'/.tvzrjotov xlt 'lov'/.lnov. xö inl x)j zoi 7i«rpö; avxov xifi^
ysvöfievov, xa^dgioaev. iveaxrj äh ig ahxb xb riya/.//tt xb xT/g Ni'xtjg xb xal viv ui; äij).ij>v,
iog soixfv, oxi naQ avxf/g xt/v rift/iiv ixTi/aazo: vgl. Mon. Anc.', 79. CIL I-, p. 225
{F. Maff.) z. 28. Aug. h{oc) • d{ie) ■ ara Victoriae in curia dedic. est; CIL P, p. 242
(F. Vat.) z. 28. Aug. Eckhel VI. 85; Babelon IL 60 f. ; Jordan Top. 1.2, 281»'. Nis-
sen. Or. 3. 336. Wissowa, R. h. K.. 277 bemerkt zu den Personifikationen abstrakter
Begriffe, dass .seit der Zeit des Cäsar und Augustus ihr Dienst einen ganz neuen
Inhalt dadurch erhält, dass er in die nächste Berührung mit dem Kaiserkult kommt
und die einzelnen Gottheiten neben oder an Stelle ihrer allgemeinen Bedeu-
tung eine besondere Beziehung auf die Vorgänge im Kaiserhause und die Ei-
genschaften der Regenten erhalten". Es ist zwar noch keine direkte Verehrung
des Machthabers selbst, wohl aber ein Kult der von ihm ausgehenden Macht, die
sich hier speziell in seiner Siegeskraft äussert. (Victoria ist ursprünglich nichts
anders als die siegverleihende Kraft des Juppiter Victor und hat sich von da aus
21
150 Ihibed Heinen,
I. ,]. 28 V. Chr.
(9. Oktober) Er weiht den Tempel seines Schutzgottes Apollo, nebst
den daran angeschlossenen Bibliotheken und der Säulenhalle auf dem Pa-
latin ein '). In der Bibliothek wird seine Statue mit den Attributen des
Apollo aufgestellt ^).
Winter 28/27 v. Chr.
Horaz feiert ihn als den auf Erden wandelnden Merkur ^).
zur selbständigen Gottheit entwickelt: Wissowa a. a. 0. 217). Bezeichnenderweise
scheint diese bei Cäsar sowohl als bei seinem Adoptivvater die erste ihrer Eigen-
schaften gewesen zu sein, die zu göttlichem Range erhoben wurde. Vgl. die Spiele
zu Ehren der Victoria Caesaris. die wahrscheinlich schon i. J. 4G beschlossen wurden:
oben S. 134. Anm. 5. Der Kult der Victoria des Augustus war besonders im Westen ver-
breitet: CIL X. 1887 (Puteoli): [(iug]ustalis [a]edevv Victoriae- Augustae — dechcarit
Altar in Capua: CIL X. 3816: ein Priester in Ancona: CIL IX. 5904. Vgl ferner
CIL II, 2106 (rrgano) aus d. J. 11—12 n. Chr.
1) Dio Lin, 1. 3; vgl. XLIX, 15, 5; Suet. Avg. 29. 3; 31; Vell. n, 81. Den 9. Okt.
haben übereinstimmend: F. An: {CIL P. p. 214), F. Am. (p. 245) und F. Ant.
(p. 249). Vgl. Mommsen, Mm. A>ic.\ 80; Gilbert, Top. III. 107 ft'.: Richter. Top.. 146 if.
Jordan-Huelsen. lop. I. 3 (1907), 66 if.; Gardthausen I. 961 fl'.
2) Serv. ad Bnc. IV, 10: qindam hoc locn ,.caifta fai-e Lucina. Iiiiirt iaiii ret/nat
Apollo", Octaviam soiwem Aitgusli significari adfirnianf, ipsmnqtie AiigiistiiD) ApoUi-
nem. „Tuu» iam regnnt Apollo" idtimum .<iaendum ostendit. quod Sibyllii Soli.'i esse
memorarit. et iangit A)igii.'<tinn, cui simvlacrum factum est cum ApolUms cunctis in-
signibus; vgl. Acron ad Hör. ep. I, 3, 17 und Cruquius zu derselben Stelle. Suet..
Aug.. 94,4 berichtet, in Rom sei ein Märchen verbreitet gewesen, wonach Augu-
stus von Apollo in Schlangengestalt mit der Atia erzeugt worden sei; und nach Dio
XLV, 1. 2 war dieses für Cäsar mit ein Beweggrund, den Oktavian zu adoptieren.
(Vgl. Klausen, Aeiims u. d. Pemite» [1840]. 102: Preller- Jordan P, 264: Gardthausen
n, 15 f.» Nissen. Or. 3. 334). Der Glaube an Oktavian als Sohn Apolls konnte
sich befestigen, wenn man sah, wie dieser Mensch, der in unverhältnismässig ju-
gendlichem Alter und in einer Zeit der giössten Verwirrung die politische Lauf-
bahn betreten hatte, zu immer höherer Macht emporstieg, immer von staunenswertem
Glücke begünstigt. Er musste vollends festen Boden gewinnen, als Oktavian i. J. 31
an einer dem Apollo geweihten Stelle und mithin unter dem offenbaren Schutze
dieses Gottes den Antonius und die Kleopatra besiegt hatte (s. die Stellen bei Gardth.
II, 202 f.). Hinzu kam noch die von Oktavian seinem Schutzgotte allenthalben,
und vor allem in Aktium (Nicopolis) und Rom erwiesene Verehrung (Gardthausen
II, 203 ff.: Wissowa. R. ii. K.. 240 tf). In Koriuth gab es Priester an einem Tempel
des Apollo Augustus, CIL III, 534 : L. Hermidius- Celsus et L. linHlins | [ sacer-
dotes Apollonis] Augusti et L. Herm^idius Maximus et L. Hermidius | aedem et statuam
Apollinis Augusti | et tabertias de [s]. f. Vgl. CTG Add. 2903 (Alabanda) : ^AnöV.cuvoi;
'Ei.fvitfglov Sflß]aoTo[v]; Babelon, Inrentaire de la collection Waddington. Paris 1898,
n. 1065 f : 2106 f.; 5481 ff.: B. areli. (4. serie) XIII (1909). 455. n. 85. In Bononia
wurde der Genius Augusti zugleich mit Apollo verehrt. CIL XI, 804: Apollini- Ge-
nioque Augu.^ti Cae.'ians • sacrum \ L. Apusuleniis. L. 1. Eros magister. puteum puteal.
lau ms d. p. s.
3) Hör.. Od. I. 2. 24 tf.: sice mntata iavenem figitra \ ales in terris imitaris. almae
filius Maiae | | serus in caelum redeas — . Wenn. Wissowa. B. u K.. 83
sagt: -Unter den verschiedenen Versuchen, die Augustus gemacht hatte, seine Per-
22
Zur Bcuriiiidioif/ des rihnisrhcH Kd/serkultes. 151
1. .1. 2 7 V. Chr.
Auf Antrag des Munatius Flancus erhält Oktavian den Titel Augustus ').
Die Malloten errichten ihm in Nicopolis (Aktium) einen Altar ^).
Amisos am schwarzen Meere preist ihn als Retter und Gründer').
Mytilene auf Lesbos erweist ihm göttliche Ehren*).
son und Dynastie vermittels der Religion zu stützen, hatte sich auch einer befunden,
der bald wieder aufgegeben wurde, das» sich nämlich der Kaiser eine Zeitlang darin
gefiel, sich als auf Erden wandelnder Gott Merkurius gefeiert zu sehen — in Rom
hat die Gleichstellung des Kaisers mit einem bestimmten Gott nie Boden gefunden'
(vgl. auch 249 f.) , so steht der letzteren Behauptung eine i. J. 1890 gefundene
römische Inschrift entgegen: M. Miff. VI (1891), 129: Mercurio \ aeterm) den, Jo[ri \
J]unimi Eegin{iie) 3Iinlervae | S<)]U Lttiiae Äpol[li)ii | ])i{i]nne Foriiin[ae j). r. \ . . .] ae
Opi Isi Pi[etati i . . • •] Fntiis (sie) D[ivinis \ quoä ho]iiiini [fdustion | />] lixqtie [sie(\ \
Imp. Caesari Aitgus[to tutelae] \ eius senatus populiq[i(e Ronwni] \ et (leulitms ndno
\(iiiHo] introeunte felic[iter] | C. Caesare L. Pim[llo cos] \ (= 1 n. Chr.) L. Lucrethis
[L.] Zethiis I iussii Jovis aram Augustavi \ posuit. (Die Ergänzung nono in Z. 12 hat
Mommsen vorgeschlagen im Hinblick auf die i. J. 8/7 v. Chr. erfolgte Neuordnung
des Larenkultes). Die auffallende Voranstellung des .ewigen Gottes' Merkur legt
die Vermutung sehr nahe, dass wir darunter Augustus selbst zu verstehen haben
(Hülsen. li. Mitt.. a. a. 0.. Anm. 2; Steuding in Roschers Lex. II. 2. Sp. 2818; Mau.
Pompei^ [1908]. 85). Ausserhalb Roms ist die Gleichstellung des Augustus mit Mer-
kur noch offenkundiger. Den besten Beweis liefert Pompei. wo die Diener dieses
Kultes, die sich noch i. J. 25 einfach als ministri (CIL X, 884) bezeichnen, i. J. 14
als ministri Mercurn Maiae (X, 885) und bald darauf als ministri Auyitsti Mercurü
Maine (X, 888) auftreten. Vgl. Nissen, P. St., 272. Ueber Münzen des Augustus
mit cmhtceus vgl. Cohen F, 63. n. 5 f.; 68. Krall, Wien. Stud., V (1883), ^15 >. weist
hin auf ein Kaiserbild an der nördlichen Wand des Denderahterapels, das den Au-
gustus darstellt als [Helmis (^ Mercurius-Hermes) Kaisar] [Liebling des Ptah und der
Isis]. Vgl. im übrigen Steuding a. a. 0., Sp. 2817 ff. A. Elter, Progi: Bonn. (1905—7),
S. 40, 54.
1) Mon. Alle.-. 144: Quo pro iiierito med seii(itii[.i cotisiilto Aug. appe]Uatus
siim; dass es sich um einen Titel handelt und nicht Namen, sagt Augustus selbst im
Man. Anc.^, 46, Z. 33- e.v [c]o[()nnmiiie iiosf]ro. CIL l-, p. 229 [Fei: Cum.), i, 16.
Jan.: ei'r rf)'[e Cnesttr AHguxtu].^ nppellntux ext-supplientio-Augusto; (^IL P, p. 231
(F, Praen.), z. 16. Jan. : Imp. Caesar [Augustus est a'\ppeU[a'\tus ■ ipso ■ VII • et • Agrip[pa
iii ras-.]: Sueton, Aug., 7,2: Dio LIH, 16, 6-8; Censor., d. n„ 21, 8; Liv., ep.. 134; Ovid,
F. I, 608 ff.; Vell. IL 91. Vgl. Gardthausen L 535; II. 297 f.
2) CIG, 1810: Ahiny.QäroQi KalanQi O-eov vloj SfßaaTiii Maf.wTut. Gardthausen I, 392.
3) Als Soter und Ktistes von Amisos wird Augustus gefeiert in einer von den
Amisenern zu Pergamon aufgestellten Weihinschrift: A. Mitt. XXIV (1899), 173, n. 16:
AvToxpärojici KalauQa \ äfov viöv itfov —tßaoxbv \ 6 6ij/.iog 6 ' Afvatji'wv xai o\ \ avunoXt-
rfi'o[of)'Oi] 'Poiftcdm \ rot' kaCov oon[T/()a xcd XTla]rt}v. Vgl. Strabo XII, p. 547; Im-
hoof-Blumer. A. Biiijr. AI. 1890. 557: 0. Kaestner, De (leris (1890), 42.
4) Aus diesem Jahre stammt das Ehrendekret, das durch eine besondere Gesandt-
schaft — darunter der Rhetor Potamo und der Dichter Krinagoras — dem Augustus
überbracht wurde und uns, allerdings sehr verstümmelt, erhalten ist bei Cicho-
rius, jR. u. M , 34 f. (Vgl. IG XII, 2, 25 f.). Eine kurze Zusammenfassung der
in seiner ersten Schrift enthaltenen Resultate gibt Cichorius in & Bii. Ak. 1889,
959). Es enthielt 1) vierjährige Spiele zu Ehren des Augustus (wenigstens lassen
darauf Ausdrücke schliessen, wie i),«vor [Z. .5]. der dabei wohl gesungen werden sollte.
23
152 Hubert Heinen,
In der juliscben Kurie winl ilem Aut;'iistus ein goldener Elirenscliild
aufgestellt wegen seiner Tugend, Milde. Gerechtigkeit und Frömmigkeit ').
Vor der Türe seines Hauses werden zwei Lorbeerbäume und über derselben
ein Eichenkranz angebraciit ^).
Herodes nennt die von ihm erneuerte Stadt Samaria zu Ehren
des Augustus Sebaste und errichtet ihm dort einen Tempel ^).
Bald nach 27 v. Chr.
Epidaurus in Argolis errichtet ihm neben der Homa einen
Tempel mit Spielen ^).
^v Tm<; yivofihvaig äerug [Z. 6], [riüiyni dt xarn ntvxii.i-xrj(t\t6a aymviK &v,uf>.i>!oi<: [Z. 7].
[toT? vix>ia]naiv a&>M "lOC. 6 Aiaxöc föfing ite Qi^/fi [Z. 8]) ; 2) Z. 14 und 15 scheint von
jährl. Opfern und einem Augustustempel die Rede zu sein; 3) der Name Augustus
soll in die Eidesformel der Richttr aufgenommen werden [Z. \o ff.] ; 4) seine Bild-
säule soll in den Tempeln des Zeus (?) und der Aphrodite (?) aufgestellt werden
[Z. 17] ; 5) monatliche Feier des Geburtstages des Augustus mit Opfern wie dem
Zeus [20 f.] und Spielen [27] ; 6) Ankündigung weiterer Ehren [6. 9— 15] ; 7) Verlei-
hung eines goldenen Kranzes [6. 27—30]; 7) Aufstellung dieses Dekretes in meh-
reren bedeutenderen Städten [12—14]. Aus dieser- Zeit stammt auch wohl die In-
schrift Kt XII. 2. n. 156: AvtoxqAtoqi \ Knlangi Sfßnozw 'E>.f[^•]{^fillo).
1) 3Ion. Attc. '. 144 f. : [chipeusque aweu]s in \c\uriä Jdliii pnsi ius. quem mihi
senatum [popuhimqne Romaiin]m dare virtutis cle\Tn[mtia]e nif:titi(i[e pietatis causa fe-
siaium] est pelr e]iHS chipei | [inscripti(me]m. Diese Inschrift ist uns indirekt erhalten
in einer solchen aus Potentia : CIL IX, 5809 : Primus Marc . . . VI vir Aulg] (2 Vik-
torien halten einen Schild mit der Inschrift) : S{enatus) p{opulus)q(tie) B{(»namis) Au-
gustn (leAit clupeum virtutis [cl7e[)«p»]<i[oe ius]t[itiae pietatis ca^<sa■, vgl. CIL VI, 876.
woraus aber nicht geschlossen werden darf, dass Augustus wiederholt einen solchen
Schild erhalten habe: Mon. Anc.'', 152 f. (daselbst auch die Münzen mit dem Schildel.
Vgl. Gardthausen 1. 534; 540 (Abbildung); II. 296 (Literatur); Wissowa. H. u. K. 75.
2) Mon. Anc.-. 144: laureis \ postes aedium medrum r[estiti publice corouaq]ve
civica super \ idnvam meam fixa est; Dio LIII. 16, 4: xrd yäp xö te t«? öäipvc<g txqo
TÜiv ßaai>.flmv aviot TtQori&fn&ni. xcd ro rov axs(favov xbv Aqvh'Ov imeg ai'xihv C'pxä(j&ru
{i^pti<f.la»j})\ Ovid. F. IV, 953; Trist. TU. 1.39 ff.; Seneca, dem., I, 26,5; CIL W p.
231 (F. Praen.); p. 307 z. 13 ,Ian. Vgl. 3Ion. Anc-, 149 ff.; Gardthausen II, 295.
3) Jos , ant. XV, 8, 5 : xctliaug /j'sv nvxf/v ^fßaax^i; — . ivxd(; äi xal xaxa ßhrjv TQtCnv
ijßiav axKÖi<ov xifttvoq ävTjxe navxohoQ xnxoa/LDj/ih'Ov, xal vabv iv avzöt ftfyi'äei xui xaX-
).it xü)v ^?.Xoyi/Jo>xäxwv ijyeiQfv, h. iud. I. 21, 2; fv ßiacp xw xxiofiuXL vaör rf iriä^vaä'
Hevoc Tai KulouQi ßsyiaxnv xid nfQL avxbv xiLifroQ änodei^ac xgiCov ilutov axaöiwv, ro noxv
Seßaaxijv ixnlsafi-; Hieronymus, z. J. Abrah. 2000: Hemdes Samariam olim iam in
cineribus sedentem a fundamentis in Iionorem Augusti Augustam, i. e. Sebastiam, ap-
pellavit; Suet, Aufi.. 59 f. Vgl. Hirt. A. Brl. Ah (histor.-phil. Klasse) 1816. 3; H.
Ewald, Gesch. d. Volkes Isr. IV (1864). 562; E. Schürer, Gesch. d. jüd. Volkes P
(1901), 366«; 389; II (1907), 197; Wellhausen, Isr. u. jüd. Gesch.^ (1904), 334; Gardt-
hausen I, 817; 841.
4) IG IV. 1431 ; 'A TiöXig xü>v ''Eiriiavplmv Fvaiov | KoQi'))hox' —wöaftov viov Nixri rar.
tfpm xov 2^fßaaxov Kmaalpog dtg, nyiovoBtxijoavra TiQÜ>\xor xn ^ AnnV.wrifia xni .4axh)-
niHU xxiaavxn te [xü)v\ Kcaace'geiwv navi'jyvQir xai liyCuvKQ \ xal ngibxoi' liyuivolti-Tr/aai'Xfc.
I nQtxäg evfxtv xal fhvolag \ xaq tlg avxiiv. Obwohl die Inschrift nicht ausdrücklich
von einem Tempel spricht, so wird man doch wegen des Vorhandenseins eines Prie-
sters auf einen solchen schliessen dürfen. Da nun der Priester auch die Spiele des
24
Zur Bcgrümhni(i des römischen Kaiser kultes. 153
I. J. 26 V. Chr.
Die von Agrippa erbiiuten Saepta im Mavsfeldc (zur Abhaltung von
Tributkoniitien) erhalten ihm zu Ehren den Namen .Julia ').
Tarraco in Spanien errichtet di-ni Aujrustus einen Altar ■^).
I. J. 25 V. Chr.
Agrippa will in dem von ihm erbauten, später Pantheum genannten
Tempel als Kultbild eine Statue des Augustus aufstellen. Auf dessen Wei-
gerung hin weiht Agrippa den Tempel den julischen Stammgöttern Mars
und Venus und dem Divus .lulius. während des Augustus Statue neben
seiner eigenen in der Vorhalle Platz findet •').
Apollo und Asklepius, die nach u. 932 bereits zur Zeit des Antonius bestanden, ge-
gründet hat. so möchte ich annehmen, dass der Tempel und die Augustusspiele in
der ersten Periode des Augustus, vielleicht bald nach 27 eingerichtet wurden.
1) Dio LIIT, 23, 1 u. 2: o \AyQi7nxu<; tk —tTita mroftuauiva x(c&d(>o)C,fv — 'Invhic
«IT« ß'Ttö Tov Aiyovazov itQoauyoQfiaai;. Gilbert, Top. III, 174 f.
2) Quintilian, Iiisl. or., VI, 3, 77 : Aufiustus mitilimitibxs Tarrdcoiiensibus pahmrm
in arn eins enntam, „apparet", iiiqvit, „(ßiam saepe aecendatix" . Dübner, AnthoL Palat.
II, p. 62 : <Pi>.!nnov. <Potßov caTfVafih')] diiifvrj noze, rvv dvh(i>.fv \ KftlauQOg dx ßwfiov
xXöjva fif>.anhct>.ov \ ix de S^sov Sfov fVQev af/elvova- AijTnidiiv ynp \ i/ßi'/Qaaa, 9i>.H
Zr/vcc TÖv Ah'mStjr. \ VlZav d' oix rino yr/g iitiTQOc ßtu.er, ä).).'' anb nixQiji | Kaiaapt fit/
ziXTHV ovSs '/.ia^os äimzat- Vgl. Gardthausen I, 694: 11, 381"—'*. Die Form dieses
Altars zeigen uns Münzen aus der Zeit des Tiberius : Eckhel I, .58; VI, 124 ff.; Cohen
l\ 1.58, n. 728; H. Willers, Num. Zmtschr. 34 (1902), 104; er trägt die Inschrift
Beo Augusto. Vgl. Hübner, Hermes 1 (1866). 109 f. 196. Was- die Zeit der Er-
richtung dieses Augustusaltars der Stadt Tarraco, der jedenfalls nur dem munizipalen
Kaiserkult diente (Hübner a.a.O.: Hirschfeld, 840; Krascheninnikoff, Philol. 'i?.. N.F. 7
[1894], 17.5 "-), anlangt, so haben wir einen Anhaltspunkt in dem oben (Seite 151 f.) be-
sprochenen Ehrendekret von Mytilene. Darin heisst es. eine Abschrift dieses, in der
Vergötterung des Augustus sehr weit gehenden Psephismas, soll, ausser in andern
grösseren Städten, auch in Tarraco aufgestellt werden. Die Bewohner dieser Stadt,
die den Kaiser längere Zeit in seinen Mauern beherbergte, waren ferner Zeugen der
Gesandtschaft, die i. .J. 26 (Cichorius. B. v. M., 27: S.B. Brl AI: 1889, 959\ das
Dekret dem Augustus überreichte; sie sahen, wie dankbar dieser den Mytilenäern
für solche Ehrungen war: da werden auch sie nicht gezögert, sondern sofort mit
der Errichtungeines Altars begonnen haben. Vgl. Preller-.lordan. H. Myth.. U^. 43U:
Guiraud, Ass. prnv.. 26. Beurlier. Essiii. 18 f. sieht darin einen Provinzialkult, wo-
gegen sieh Toutain, Cultes. 30 f. mit Recht wendet; vgl. auch Kornemann, 121.
3) lieber diesen Bau berichtet Dio LIII, 27, 2—3, z. J. 2.5 : (Agrippa) zö z( Ilriv-
&etov ö}vofiaa,uivov i^ezü.eas' UQoaayogevlzut äi ovxw zii/a utv, uzt noU.üiv 9eü)V flxövac
iv zot? hyäluaat, zw ze xov 'AQfo: x«l zöt zr/g liipQoälxrjz, f).aßfv. tbc öe iyia voniL,io. ozt
9o).oeiäsc Sv z5) oigavöt nQoaiotxtv ißovh)^t] usv ovv b 'AyglTiTiug xai zbv Av^'ovazov iv-
zav9a ISpiaru, zrjv zf zov CQyov inixhjotv avxm Sovvai ' fti/ äfSnftivov Sh aiiov .«i/rfs'ifpo»'
ixfi .«er zov Tigoiipov KtdactQoc, iv Se zw ngoväo) zov zf AiyoviiTov xal srwzov nv-
ägiävzag tazrjae ■■ CIL VI. 896 (vom Architrav der Vorhalle) : M' Af/iippn ■ L ■ f-
cos ■ teiiiinn ■ fecit. Diese Inschrift stammt aus der Zeit Hadrians. Vgl. über das Pan-
theon Nissen, Bh. M. N.F. XXVIII (1873), 5.50 f. und vor allem seine neueren Aus-
führungen in Or. 3. 339; 0. Richter, Top.. 233—9 (mit Abbildungen); Gardthausen
1, 757 ff.; II, 426 ff, (Literatur). Der Name bedeutet nicht, dass der Tempel allen
Göttern geweiht sei, sondern etwa das „Hochheilige". (H. Jordan, Si/mbohie, Progr.
25
154 Huhctf Heineti,
Nach dem Tode des Amyntas von Galatien werden die Haupt-
städte der drei galatischen Stämme (Trocmi. Tectosages, Toli-
stoboi), Tavium, Änkyra und Pessinus, zu Ehren des Augustus
Sebastai genannt ').
Bald nach 25 v. Chr.
Juba II. von Mauretanien beginnt mit dem Ausbau seiner Resi-
denz lol. die er zu Ehren des Augustus Caesarea nennt ^). Er
weiht diesem einen Hain mit Altar ^) und errichtet ihm einen
Königsb. 1883, 4 ff.). Für unsern Zweck ist es äusserst wichtig, dass bereits i. J. 25
Augustus „Tempelgenosse" der Götter werden sollte, dass dieser Plan jedoch durch
die entschiedene Weigerung des Kaisers selbst vor seiner Ausführung bewahrt blieb.
Beachtenswert ist auch die Rolle, die der sonst so nüchterne Agrippa dabei spielt,
insofern gerade er als der Urheber dieser weitgehenden Ehrung erscheint. Vgl. Gil-
bert, Top. lU, 11 6 ä.
1) Galatien wurde in diesem .lahre zur römischen Provinz gemacht (Dio Llll.
26, 3). Dass im Zusammenhang hiermit die Umnennung der drei Hauptstädte erfolgt
ist, wird wohl dadurch bestätigt, dass sie von da ab eine neue Aera beginnen. Vgl. Eckhel
111. 182; Marquardt I-, 3.59: Gardthausen II, 4.59"; Kubitschek in P.-W. I, Sp. 646.
Die Umnennung selbst wird bezeugt durch Münzen und Inschriften. Mionnet, Suppl.
VII (183-5), 6-53 f., wo die Tavier ^eßaaujyni Tqoxuol; CIG 4010. 4011. wo die Anky-
raner SißaoTiiVoi TexTÖactyfi; (Eckhel III, 179) und CIG 4085, wo die Pessinuntier ^eßn-
arrjvol Tohaioßüjytot heissen. Boeckh. df?III, p. 88; Kuhn. Stadt, u. biirgerl. Verfass.
rfe.s röm. Reiclics, (1864), 255 ; G. Perrot, Be Galatia provincia Romana (1867), 75.
Ueber die Zeit der Einführung des Kaiserkultes in diese Provinz lassen sieh nur
Vermutungen aufstellen. Es scheint nicht ausgeschlossen , dass er bereits unter
Amyntas vorhanden war, da. wie wir wissen, die Vasallenfürsten in der Verehrung
des Kaisers besondern Eifer an den Tag legten (Suet. Aug. 60). Wahrscheinlicher
aber dürfen wir wohl das Jahr 25 dafür annehmen, und in diesem Jahre, oder bald
darauf, werden auch die drei erwähnten Völkerschaften mit dem Bau des prächtigen
(Perrot a. a. 0. 75 ff.) Tempels der Roma und des Augustus begonnen haben, dessen
Einweihung, wie nuten gezeigt wird, frühestens i. J. 10 n. Chr. erfolgte.
2) Strabo XVll. 3, 12 (p. 831) ; Gardthausen 1, 705; G. Boissier, L'Afrique rom. (Paris
1901), 28 f. Vgl. 1-. Müller, Nwnhmatique de l'anc. Afrique, lU (1862). 105, n. 50
und 107, n. 72 ; vgl p. 122 ; Eckhel IV, 155 ff. Nach A. Dieudonne. Bei: niimixm.
1908, 354, n. 28; 356, n. 47; p. 366 sind die Münzen mit der Aufschrift Caesarea
vielmehr auf die Spiele zu beziehen, wohingegen Müller für die Spiele nur diejenigen
Münzen in Anschlag bringt, welche das Wort Caesarea von einem Lorbeerkranz um-
rahmt haben. Juba II wurde i. J. 25 als König von Mauretanien eingesetzt. Vgl.
Gardthausen I, 704.
3) L. Müller a. a. 0.. 106, n. 56: Bei- Jnha (s. Kopf mit Diadem) B: Lucu(s)
Angusti (mit Guirlanden geschmückter Altar zwischen zwei Lorbeerbäumen; unten
ein Stern); vgl. 115. 122. Eckhel IV, 156. Die angeführte Münze wurde nach
L. Müller (115) in der Zeit bis 5 v. Chr. geprägt (vgl. ebenso A. Dieudonne a. a. 0.
352, n. 10 ; 364 f.). Wenn wir trotzdem Altar und Hain in den Beginn seiner Re-
gierung setzen, so ist dafür die Erwägung massgebend, dass einmal sein langjäh-
riger Aufenthalt in Rom ihm jedenfalls einen genügenden Einblick in die Ver-
ehrung, die Augustus allenthalben genoss, verstattete, und anderseits seine Dank-
barkeit gegen seinen hohen Gönner ihn geradezu zwang, dem Beispiele anderer Va-
sallen und Länder zu folgen (vgl. Suet., Aug., 60). Zudem war er auch durch seine
26
Zur Jl(</rliii<li(ii(j des nhiiisclicii Kdiser/cuUcs. l-'i-'J
Tempel ')•
I. J. 24 V. riir.
Horaz dichtet ;iuf die Kückkehr dus Au,i;Mistus aus Spanien Ode III, U,
in der er ihn mit Hercules vergleicht ').
1. J. 22 V. Chr.
Herodes beginnt den Bau einer neuen. Augustus zu Ehren Cae-
sarea genannten Stadt und innerhall) derselben den Bau eines
Tempels der Roma und des Augustus '^).
Zwischen 21 und 19 v. Chr.
Auo-nstus wird auf einer Inschrift von Tenos als Gott bezeichnet*).
1. J. 20 V. Chr.
König Archelaos von Kappadokien nennt die Hauptstadt dieses
Landes. Mazaka. zu Ehren des Augustus Caesarea *).
Gattin, die Kleopatra Selene, eine Tochter des Antonius und der berühmten Kleopatni.
mit den ägyptischen Verhältnissen vertraut. Vgl. über s. Bildung Gardthausen I. 70-") f.
1) L. Müller a. a. 0. 10.5 f., n. .55: Rer Jubii (s. Kopf mit Diadem) K: Autjuati
(sechssäul. Tempel, in dessen Giebel ein Adler); vgl. Eckhel IV. 157 f.. 436 f.
Dieudonne a. a. O. 351. üeber die bei diesem Tempel gefeierten Spiele s. S. 154
Amn. 2; Kornemann, 127; Krascheninnikoff a. a. 0. 150".
2) Hercidü ritu mndo dictus. o plebs, \ morte venalem petiiaxe laiirum I daeKitr Hix-
pana repetit penatis \ victor ab orn. Der Vergleich mit Herkules ist von dem Dichter
nicht ohne Grund gewählt; denn er gehört zu denjenigen Gestalten, die poM iwjeutia
facta deorum in templa reeepfi (Hör., Ep. II, 1. 6). Aehnliches findet sich ausser bei
Horaz (vgl. die angegebenen Stellen und Od. III, 3, 9 tf.l auch bei Verg. Aen. VI.
801 ft'.. wo Augustus mit Herkules und Liber verglichen wird. Vgl. über die Bedeu-
tunt', die ,ein bestimmter Kanon von Halbgöttern" (Romulus. Aeakus. Herkules.
Kastor und Pol lux, Bakchus) für die römische Kaiserapotheose, besitzt. A. Elter.
Pro,),: Bonn. (1905-7). Ferner E. Norden, N. Jhrb. VII (1901), 278. In Tibur (('//.
XIV. 3665; 3681; 3679; 3679 a) und Grumentum (X, 230) wurde der Augustuskult an
den dort bereits bestehenden Herkuleskvdt angeschlossen: K. J. Neumann bei P.-W.
u. d. W. Auipititata.t.
3| Joseph., anf. XV, 8, 5 : no äh eS-vfi Tiavü ifniovyiov tnoxodößrjUf zö TirO.ru fiiv
xu/.ut;ufvov i'Tyuttui'o; 7iV()yoi'. KntaäQiiav 6' vn' aviov nguaayo^Bvlt-iv; XV, 9,6; b.
iiid. I. 21.4-8: Hieronymus, z. J. Abr. 2005; Joseph., b. imh I. 21. 7: xai zm> axö-
ftaing iivxixQvq laös KaiauQOq int y>i>.d(f,ov, xd/.f.ii xai ßiye^H ötdifogoq- iv de aizöi
xoloaadc KalaaQOC, ovx f'modsmv lov 'O/.viiniaai Jiög, <o xai nQoadxaazai, 'Pcu.urjc it
tao<;"Hpn zy xaz' "Apyo(;; ant. XV, 9, 6: xav zw /xeaw xoi.wvöq zig, iip ov vHog Krti-
aagog anonxnc xols danXtovaiv, tyuiv nyäi.uaza. xo iiiv Pmutjc zö 6h Kmaa(>i>Q : Philo
Alex.. Le(jat. ad Gaiiim. § 38 Ende; Malalas, Chmn. IX, 289: 6 fi'sv'' Hoüiäiic ßaniXeic
xai zonup/ijc ixä/.iae Kair.r'wfiav llcüaiozivtjg T»/V npwtjv /.fyo/th'r/v ZTpüia/voc Tivfiyov.
Auch der Hafen erhielt den Namen des Augustus: Joseph.,«»?. XVII. 5, 1; b. hid. I,
31, 3. Die feierliche Einweihung der Stadt und des Tempels fand erst i. J. 9 statt.
Hirt, A. BrI. Ah 1816/7, 4; E. Schürer a. a. 0. P, 389; II*, 134 tf. (Literatur); Gardt-
hausen II, 489; J. Wellhausen a. a. 0., 384. Krascheninnikotf a. a. 0.
4) IG XII. 5. 2 (1909) n. 1940: — 6 ör/uog | [ldn[/.]ioi' Koivzuiov \ ()ih(,oi' xov
za/iiav zov AvzoxQazoQOc liaUmgog | [üioi- 2:fßa]<jZ0v xüv nax [pwva xai fifpytx/jv].
5) Malalas, Chrmi. IX, 289: o de 'Apx^/.aog ßaaO.tvg xai xonäpx'li ixäXiaf Kuiaa-
Qitttv Kannaöoxiag xi/v nQtüifv >.fyo,uiv>jv MäC.axav; Marquardt I-, 373*.
27
156 Hnhctt Heincn,
in Kilikieu wird dem ,Gotte Aui^rustus" zugleich mit Poseidon
und Venus Euploia eine Inschrift <;esetzt ').
Ai-chelaos von Kappadokien nennt die Stadt Eleusa in Cilicia
aspera zu Ehren des Augustus Sebaste ^).
1. J. 20/19 T. Chr.
Sebaste in Phrygien wird gegründet '*).
Herodes baut dem Augustus in Panias (Caesarea Philippi) einen
Tempel %
I. J. 19 V. Chr.
Anazarbus in Kilikien erhält von Augustus den Namen Caesarea *).
13. Oktober: Nach der unerwarteten Rückkehr des Augustus (in der
Nacht 12. /13. Okt.) von seiner Orientreise fasst der Senat ihm zu Ehren
folgende Beschlüsse:
1. Der Fortuna redux einen Altar an der potid Capena. beim Tempel
-des Honos und der Virtus, zu errichten'^);
1) CIG. 444:3: Öfw ^fjictorCu Kuiau(}i xa'i lloanöCon ' Aatpu/.fiio xal 'A(fpo6iiTij Ev-
n'/.oitt. Wie Gardthausen (II. 478^) überzeugend dargetan hat, bezieht sich diese In-
schrift trotz des vorangestellten Bibc auf dieses Jahr.
2) Strabo XII, -534. 5:35. h'i'i. Mit diesem Jabre beginnt die Aera der Stadt:
Marquardt P, 384.
3) Eckhel III, 82: V. Chapot. Lu pmr. rmn. d'Asie, in Bihl. de l'ccole Bd. 1.50
(1904), 386 f.
4) Joseph., (tut. XV, 10,3: tjSt] 6' aviov (Herodes) zr/g- ßaaO.Bi'crg sntfotaiöfxdzov
naps?.9övT0i srovg (= 20 v. Chr.) Kaiang fi<; Svgiav n<plxizo- — — Knianyu S im
ltn?.azzav jrpo.TfjU«'«;, ioq STiavT/xtr. iv z^j Ziji'oSüiQOV Tifoixa/jjazazof ciitw rubr iydpii,
TiszQttQ /.svxr/c, nhjolov zov Tlavlov xu'/.ovuivov. Ueber die Lage des Tempels (intaij-
uözazov ovTK zbv zönov) siehe daselbst am Ende des Kapitels. Vgl. Joseph., //. ind.
I, 21. 3. Da Herodes das Gebiet des Zenodoros i. J. 20/19 erhielt, so wird er zum
Danke dafür auch gleich mit dem Bau des Augustustempels begonnen haben. E.
Schürer H* 204; Gardthausen I. 817 f.
5) Marquardt \-. 389.
6) Mon. Anc.-. 46: [Arain ¥oHiu>ae reduci iuxta ae]des Honoris et Vitiiitis ad
portam | [Capenam pro reditit meo !<e]miii>s consacratit. in qua ponti [üces H rirgines
Vestaks atini]versdrium xacrificiiim feuere \ [iussiit die, quo coiisulibus Q. Luc]retio et
[M. Viiiud]o i)i urbem er | [Syria redi]. Dio LIV. 10, 3: t'ui' (d. h. von den beschlos-
senen Ehren) ovähv -npoot/xazo, nXifV 2'ix>j zf ' Enarayäyio (ovz(o j'cip neue aiziiv ixä-
Ifaav) ßtofiöv (dpi&i/rm. CIL I*, p. 245: (F. Am.), z. 12. Oktober: Fer. ex. n. c, 7.
e. d. imp. Caes. Aug. e.r. trniismarin. promnc. urbem intravit, araq. Fortunae reduri.
constit. Die Einweihung des Altars fand zwei Monate später, am 15. Dez., statt:
CIL I-, p. 229 [Fer. Cum.), z. 15. Dez. : Eo die a[r]a Foiiuuae reduci dedicatast, quae
Cnexarem A[ugu!<tum e.r trniismari]nis proriiicis red[u.7'it]. Supplicatio Foiiuiiae reduci;
vgl. CIL 1% p. 245 (F. Am., irrtümlich z. 16. Dez.); CIL V, p. 332. Eckhel VI.
100: (Kopf des Augustus mit Lorbeer- od. Eichenkranz) R: (Altar mit d. Inschr.) :
Fort. red. Ciie». Aug. s. p. q. B.; vgl. Cohen I=, 78 f.. n. 102—108. Mommsen, Mou.
Anc.^ 46 f.; Gardthausen L 835; ü. 483'»; Wissowa, B. u.K.. 212 f. Bereits i. J. 26
hatte Hör., Od. I, :35 (s. dazu Heinze-Kiessling) die Fortuna Augusta angerufen :
Vers 29: serves iturum Caesarem.
28
Zur Be(jriin<hoi<i des rlimhclicn Kaiserkidtes. 157
2. den Tag seiner Rückkehr (12. Okt.) als Staatstesttag zu erklären,
an welchem die Priester und Vestalinnen jährlidi opfern sollen'):
:}. diesen Tag Aiif/iistdliii zu nennen -).
Aniiternum weiht nach dem Beispiele Roms einen Altar der
Fortuna redux ^).
Tn Praeneste setzt eine Privatperson der Venus üenetrix und
der Fortuna redux eine AVeihiiisclirift ').
Bald nach 19 v. Chr.
In Pompei erbaut der Augur M. Tullius einen Tempel der For-
tuna Augusta *).
Zwischen 19 und 13 v. Chr.
Im äussersten Nordwesten Spaniens wird der Kaiserkult einge-
führt, indem die drei nach Augustus benannten Orte Asturica
1) Dio LIV, 10, 3: xcii tI/v ijfiSi)ttv ^v rii/igotzo IV xf trüg iego,u/jv!atQ liffi&fifiaSai-
2) Moii. Aue.'', 46: et. diem Au(jHntaIi]n ex [c]o[!)nümi>ie iioM]r(j appelluvit. Dio
a. a. 0. [ijuiguti) xu). Acyovazähn oi-ouäl^ead-ai. Spiele wurden an diesem Tage zum
ersten Male i. J. 11 v. Chr. gefeiert (Dio LIV, 34, 2); ihre jährliche Feier jedoch erst
i. J. 14 n. Chr. festgelegt (Dio LVI, 46, 4). Die Arvalbruder opferten nach dem Tode
des Augustus an diesem Tage einen Stier {CIL VI, p. 471). Toutain, Cidtes. 28
stellt diese Spiele auf dieselbe Stufe mit den liitli (luiiHiiiennaks, die i. J. 45 für Cäsar
beschlossen wurden. Damit haben aber die Aiifiiintdlin nicht das mindeste zu tun,
vielmehr die i. .T. 80 beschlossenen hidi ijnnK/KiiiiKiles {Man. Atic- 40, Z. 1.5 — 18: Dio
LI 19. 2).
.3) CIL IX, 4182 (am wtHiida): T. Viina üii/h. T. Tif>sien<j <,rtlo]ri,- \ Q. Oifio
Fulcinii). C. legio- aed{ilihu>i] | /niiiiri-tiird AmUeniiii« ■ pro ■ reditii | im/}. ('Krsarix Ak-
(l>i[sti] I Fortunai.
4) CIL XIV, 2903 [tnli. „Kd-in.i Vriini \ Gnivtrici — Füiiiiii\,i,\ | r\<i}iin] Vihia
Seci(ii<l<i I /. [m].
.')) CIL X, 820 (an der uedicuhi. im Innern des Tempels) : 31. Tiilliiis ■ ,1/. /'. d(uum)-
r(ir) i{ure) d{icund(i) ter{tin) qiihi(](emiali!i) . auriur. tiißiiiiuis) millihcm) ä pop(ulo\ uedem
Fniiunae August{ae) solo et pe({{unia) mui. Plan und Rekonstruktion des Tempels
bei Mau, Pompeji- (1908), 129 ft". Im übrigen verweise ich auf die Ausführungen
von Nissen, P. St., 182 ff. Eine kurze Zusammenfassung seiner — zwar bestrittenen,
aber bis heute noch nicht widerlegten oder durch eine bessere ersetzten — Ansicht
findet sich in Or., 3, 28-5, die ich hier wörtlich wiedergebe : ,Der Tempel hatte ur-
sprünglich keinen öffentlichen Charakter, ist vielmehr von einem Privatmann auf
eigene Kosten, auf eigenem Grund und Boden erbaut, nachträglich noch (auf höhere
Weisung wie es scheint) an sein Wohnhaus angelehnt worden. Die Stiftung gehört
mithin einer Epoche an, als die göttliche Verehrung des Augustus in Italien nicht
amtlich anerkannt war, etwa dem zweiten Jahrzehnt v. Chr. Der Stifter war Au-
gur, also Sachverständiger. Er hat die Axe des Heiligtums nach dem Untergang
an der Winterwende oder dem Aufgang an der Sonnenwende gerichtet: die Jahr-
punkte nehmen im theologischen System des Augustus den Hauptplatz ein (Kap. VIII).
Es wäre denkbar, dass das 19 v. Chr. eingesetzte Kaiserfest der Fortuna redux den
Anlass zur Stiftung gegeben habe (Wissowa. Bei. 212), sowie dass die .\xe am Fest-
tag 15. Dezember abgesteckt worden sei. Da aber das Azimut der Sonne an diesem
und am kürzesten Tage nur 18 ' voneinander abweicht, wird die Frage schwerlich
je entschieden werden können."
29
158 HitheH Heinen,
Augusta, Bracara Augusta und Lucus Augusti als Konvents-
mitteljiunkte für die umliegenden Gebiete bestimmt werden ').
1) Dass wir es hier mit einer augusteischen Kultgründung zu tun haben, geht einer-
seits hervor aus den Namen der genannten Orte, von denen Lucus Augusti besonders
durchsichtig ist, anderseits aus Inschriften, teils aus dem 1.. teils aus dem 2. Jhrh.
Zum Verständnis und zur richtigen Bewertung der letzteren vergleiche man vor
allem die scharfsinnige Untersuchung von Korneraann, 108 ff., mit deren Ergebnissen
hinsichtlich des Kaiserkultes in den westlichen Provinzen ich mich durchweg ein-
verstanden erkläre. Der Gelehrte kommt (117), an der Hand der Inschriften, zu
folgendem Resultat : ,Wo eine der Roma und dem Augustus zugleich
gewidmete ara in einer Landschaft, zumal einer provinzial
nicht geschlossenen, erscheint mit einem s a e e r d ö s Rom a e et
^ !f // i( .V f / a 1 s K u 1 1 1 e i t e r . i s t a p r i o r i. solange nicht d a s G e g e n-
teil bewiesen ist. eine augustische Kultgründung anzuneh-
men." Das trifft nun für das oben bezeichnete Gebiet, wie Kornemann weiterhin
(119 ff.) darlegt, durchaus zu, denn ein sacerdos Bmncie et Augusti ist uns mehrfach
•inschriftlich bezeugt, sowohl für den couventus Lucoisis {CIL II. 2638: B. arcli.
XXXI [1897], 441. n. 100), als auch für den conrenfus Asturum {CIL 11, 2637:
4223: 4248. 5124 (= p. XLV) : Suppl. 6094) und für den coiirentus Bmeanuiyuxtuiiutt
{CIL II, 2416; 2426: 4215). [Kornemann, 119 f], Ist somit der augusteische Ur-
sprung dieser Kulte als vorläufig erwiesen zu betrachten, so haben wir uns nunmehr
zu fragen, welcher Epoche des ersten Kaisers sie angehören. Als terminus post quem
ergibt sich das Jahr 19 v, Chr.. in dem Agrippa die Unterwerfung der wilden Völker-
schaften in dieser Gegend vollendete (Dio LIV. 11 : Gardthausen I, 689). Für die An-
setzung einer untern Grenze ist vor allem folgendes zu beachten : In den Jahren
16 — 13 V. Chr. verweilte Augustus in Gallien und Spanien, um die dortigen Verhält-
nisse zu ordnen (Gardthausen I. 665 ff.). Als wesentlichstes Mittel zur Gewöhnung der
kriegslustigen Stämme an friedliche Zustände und an das straffe römische Regiment
diente ihm der Kaiserkult, und zwar lässt sich deutlich erkennen, dass er bei der
Verbreitung desselben vor allem die weniger kultivierten Völkerschaften im Auge
hatte. (Krascheninnikoff a. a. 0.. 169 hat zuerst den Satz aufgestellt, dass das Alter
des Kaiserkultes der einzelnen westlichen Provinzen zu der dort von den Römern
eingepflanzten Kultur in umgekehrtem Verhältnisse stehe). Diese Erscheinung tritt
uns z. B. deutlich in Gallien vor Augen : Hier hatte der oben erwähnte Aufenthalt
des Augustus für die dem römischen Reichsregiment weiter entrückte Provinz der
drei Gallien schliesslich das Ergebnis, dass sie bereits i. J. 12 v. Chr. in Lyon einen
Mittelpunkt für den Kaiserkult erhielt, während dieser in der Provinz Narbonensis.
von der Plinius (/;. h. III, 4, 31) sagt, dass sie Italia veriuf. quam pronncia gewesen
sei, erst unter Tiberius eingeführt wurde. Ganz analog liegen die Dinge für Spanien,
wo die wilden Völker des Nordwestens bereits unter Augustus den Kaiserkult haben
(s. o,), während die Provinz Tarraconensis ihn erst 15 n. Chr. erhielt (Tac. An».
I, 78). Kornemann (120) weist noch auf zwei andere Aehnlichkeitspunkte zwischen
Callaecia und den Tres Galliae hin: einmal haben beide keine städtische Organisation,
sondern eine solche nach „Volkssehaften'' oder „Volksgemeinden" (geiitex, ciritates)
[vgl. P/h7oZ. XXXII (1873), 612 f.: 643 ff.], und dann schliessen sich in beiden Gebieten
die Kultbezirke nicht streng an die künstlich geschaffenen Verwaltungsbezirke an.
sondern berücksichtigen die ethnographischen Verhältnisse.
Bevor wir aus alledem einen Schluss ziehen für die Zeit der Einführung des
Kaiserkultes in Callaecia, wollen wir noch folgendes erwägen: Im Gebiete des con-
ventiis Litcensis lagen am Meere die sog. tres arcie Sestianae. mit denen man nichts
30
Zur Beiiriiuflnng des rihH/scIien KaiscrhtÜes. 159
I. J. 17 V. Clir.
Säkulart'eier in Kum: Ersclicinuiijjr des siibts .Tulhtm ').
Zwischen 17 uml 12 v. Clir.
Äugustus wird von diT Stadf Hy]i;it:i Iniinllirli vom Oi'tal als
Gott geehrt 2).
I. J. 15 V. Chr.
In Benevent erriclitet ein l'rivatniann dem Aiigustus einen
Tempel %
Äugustus erliuiljt den Bewohnern Ton Paphos. ilire zerstörte
Stadt nach dem Wiederaufbau Augusta zu nennen ').
Rechtes anzufangen weiss. Vgl. darüber die auf uns gekommenen Nachrichten, die
nach Hübner (in P.-W. II. Sp. 340) alle die Kommentare zu Agrippas Orbis pictus
zur Quelle haben: Mela III, 13: In AMip'um litore I^oeca csl uiqiidum et trex arae,
qiias Se»tianas rocant, in paeninsiita neiJent et xn7it Aitgtisti nomine {nirmine: Hübner)
siicrae illustrantqiie teiras ante iffnohiles : Plin. IV. 20. 111: refiio Asiurum, Noeya op-
pidmn — Neri et nuper Tanunci, qnorum in juienivsiiUi tvex arae Seittianae Aufinxtn
dicatae: Ptolem. II, 6, 3: rt;<(,oTijpioi: f<f' oii I^farlnv (andere Lesart: IjÄlov) ßtufiol Hüb-
ner a a. O.. Sp. 340 f. Gardthausen II, 379 °' (Literatur). Ist die Vermutung richtig, dass
diese Altäre nach L. Sestius, dem Konsul des J. 23 v. Chr. (Gardthausen 11, 403-"), be-
nannt sind, so wäre damit ihr augusteischer Ursprung bewiesen. Nun lehren die gal-
lischen Verhältnisse, dass für die ganze Provinz der Tres Galliae bereits i. J. 12 der
Lyoner Altar errichtet wurde, während die einzelnen Stämme erst später einen be-
sonderen Kaiserkult erhielten, so z. B. die Lingonen i. J. 9, wie wir aus einer Nach-
richt bei Cassiodor. {Chron., 745/9) wissen. Es lässt sich deshalb wohl denken, dass
der Ort der treit arae Sestiana zunächst der einzige Kultort für Callaecia war, den
wir dann sehr nahe an d. .7. 19 heranrücken könnten. Bald darauf wird aber die
Einrichtung der drei Konvente erfolgt sein, von denen auch wieder derjenige, in
dem die tres arae lagen, nämlich der von Lucus Augusti. die beiden andern zunächst
in irgend einer Weise an Bedeutung überragt zu haben scheint (Korneraann, 120'). Der-
selben Zeit gehört wahrscheinlich auch der Konvent von Clunia an (CIL IL Suppl.
6098): vgl. Kornemann. 120 f.
1) Dieses Faktum hat für uns eigentlich nur insofern Interesse, weil es uns die
fortwirkende Bedeutung des Glaubens an das sidiis Jidium und die überragende
Stellung des Apollo, als Schutzgottes des Äugustus, klar vor Augen führt. Im übrigen
verweise ich auf Gardthausen I, 1002 fF.; II. 616 ff.
■ 2) Dittenberger, Si/ltofie. I-, 5.58, n. 3-54 : Aixuxgarnpn Kulomju | üfuv ütov vibv
2s/8«oro>' I EliQyixriv. xai roi'c lioi'j 1 FiÜor 'Iov?.ioi' Kuichqu \ .toixioy 'lov/.ior Kai-
auQa 1 if 7iö?.ig ' YTtätei
8) CIL IX, 1.5.56: P. Veidius ■ P. f. Pollio \ Caesaretim ■ Imp. Caesari Augustn \ et
culoniue Benerentanae. Von einem Vedius Pollio berichtet Dio (LIV. 23) z. J. 1.5, er
sei zuerst Freigelassener gewesen und dann zum römischen Ritter gemacht worden.
Dem Kaiser, mit dem er eng befreundet gewesen sei. habe er testamentarisch einen
beträchtlichen Teil seines gewaltigen Vermögens vermacht. Borghesi (s. Mommsen
adnot.) hat zuerst vermutet, es handle sich hier um ein und dieselbe Persönlich-
keit. Ist dies richtig, und wir haben keinen Grund zu zweifeln, so wird man die
Errichtung des Tempels spätestens in das Jahr 15. v. Chr. rücken müssen. Hier
hätten wir also den ersten datierbaren Tempel des Äugustus in Italien. Vgl. Nissen.
P. Stiid.. 183: 0. Hirschfeld. 838 "". — 4) Dio Cass. LIV, 23. 7: z. J. 15: die dank-
baren Paphier verehrten den Äugustus als Gott : CIG, 2629.
31
160 Huheri Heinen,
l. J. 14 V. Chr.
In Pompei nennen sich die niinidri (so inschriftlich seit 25 v. Chr.)
minidri Mercnrii Maiae'^).
1. .1. 14/13 V. Chr.
Der Genius des Augustus wird offiziell (durch eine lex oder ein ae-
natiis consuUuiu) in den römischen Staatskult aufgenommen ^).
I. J. 13 V. Chr.
(4. Juli) Der Senat beschliesst, auf dem Marsfelde einen Altar des
Augustusfriedens zu errichten, an dem die Beamten, Priester und Vesta-
Itnnen jährlich am 4. Juli opfeni sollen ^).
1) CIL X. 885. 886. 887.
2) Auf einen solchen formellen Beschluss weisen, wie Mommsen, Herme.^ XV
(1880), 103 ff. überzeugend dargetan hat, folgende Worte des Horaz {£pist. 11,
1, 1.5 f.) hin: (vor 14. .Tuli 13 v. Chr.) praesenti tibi matnros largimur honores, iiiran-
(lanque tuum per mimen pmiimva «ras; ferner Od. IV, 5,34 (aus derselben Zeit): et
hiribus tuum miscet numen. Vgl. Kiessling-Heinze zu beiden Stellen. Diese öffent-
liche Verehrung des kaiserlichen Genius äusserte sich auf doppelte Weise: 1) durch
Aufnahme des Genius Augusti in die bisher auf Juppiter 0. M. und die Penaten ge-
stellte amtliche Eidesformel (Hör., Ep., a. a. 0.; Mommsen, St.-R. IP, 809. Die-
selbe Ehre war \. J. 44 für Cäsar beschlossen worden [oben S. 132 Anm. 10]). 2) Durch
Aufnahme des Genius Augusti in den Kult der Kompitallaien. an deren Stelle die beiden
Lares domus Augusti traten (Ovid, F. V, 145 f.: mille lares geniumgite ducis qui tra-
didit illos \ urhs habet, et vici numina trina coluitt). Diese Umwälzung vollzog sich
naturgemäss nicht mit einem Schlage, sondern nahm längere Zeit in Anspruch und
wurde erst i. J. 7 v. Chr. zu Ende geführt. Nissen. P. St.. 183: Mommsen. Htrme.< XV
109; Gardthausen I, 884 f. 928.
3) Der Senat hatte ursprünglich beschlossen, einen Altar für die Rückkehr in
der Kurie zu errichten (Dio LIV, 25, 3); da Augustus dies aber ablehnte, so wurde
statt dessen das Marsfeld für den Altar der Fax Augusta bestimmt. Mo». Anc.°,
49: [Cu]m e.r E[ispa]ma Gal[liaque , rebus in Äi.< ^jjronHo'.s- ]irüsp[e]re [yest}i[s],
R[oniam redii] Ti A'e[r]o»e P. Qiii\ntilio considibu].^, dram | [Pacis A]u[g]ust{ae senatus
pro] redi[tyi meo co[nsacrari censuit] ad cam][piim MaHium, in qua ma\gistratüs et
sac[erdote.s et virgines V[est]a[les \ annireriiarium .saerißc]ium facer[e iussit] (letztere
Angabe wird bestätigt durch die Arvalakten vom Jahre 38 n. Chr. : CIL VI, p. 466,
n. 2028b. Z. 10). Vgl. CIL P, p. 244 (F. Jmit.) z. 4. Juli d. J. 13: Fer. ex s. c. q. e. d.
ara Pacis Aug. in camp. Mar. est Nero>i(' et Varo cns ; vgl. CIL P, p. 248, z. 4.
Juli 13; CIL l\ p. 320, z. 4. JuU.
Gardthausen 1. 481 bemerkt dazu: .Es war eine der grössten Ehren, die der Senat
ersonnen und der Herrscher angenommen hat. dass i. J. 741/3 von Staatswegen ein
Altar des Friedens in Rom geweiht werden sollte." Vgl. Wissowa, B. u. K., 277;
ferner P.-W. u. d. W. Fax. Der Altar wurde errichtet an der Stelle, wo die via
Flaminia in das Marsfeld einläuft und wo sieh heute der Palazzo Fiano am Corso
erhebt. Seine endgültige Einweihung fand erst 3'/^ Jahre später, am 30. Januar 9
V. Chr. statt. Petersen, R. Mitt. IX (1894). 171—288: X (1895), 138 ft'.
Gardthausen I, 852 ff. Er ist abgebildet auf Münzen aus der Zeit Neros und Domi-
tians: Willers, Nu7n. Ztschr. M (1902), 103. Die Göttin Fax erscheint auf den Münzen
bereits seit d. J. 28 (Babelon H, 61. n. 147: Cohen P, 73, n. 69; 92, n. 217), wie sie
auch von den Dichtern, vor allem Horaz (Carm. saec.) schon früher besungen ward;
32
Zur Bc(/rii))(hn>(i (}rs römischen Kaisterhdtes. 161
In Praeneste wird ein Altar der Pax Aiigiista errichtet ').
[. J. 13/12 V. Chr.
Der ägyptische l'räfekt P. Unbrius Barbarus weiht den Augustus-
tempel in Alexandria ein -) und errichtet weiter einen solchen
auf der Insel Pliilae'').
1. .1. 12 V. Chr.
Bald nach der Uebernahme des Oberpontifikats ((i. März) ') macht
Augustus den Kult der Vesta und der Fenatos des kaiserliehen Hauses zu
einem solchen des ganzen Staates durch Errichtung eines Vestatempels auf
dem Palatin *).
einen öiFentliclien Kult erhielt sie jedocli erst als Augusta seit d. .1. lo. \V|. E'reller-
.lordau H^ 2.50 f.
1) CIL XIV, 2898 [ara eleycuiter .iciiJpta): Paci Augi(.H{ue) | sncriim \ deciirinnea
jKipiihisqiie J'raeiiestin. Präneste ist hier natürlich nur ein Beispiel unter vielen.
2) Eph. ep. V, 2, n. 8 (= IV, 27, n. 34 = CIL III. 6.588): LTtj Ka!aati[n]g Buq-
ßctpog Avid-rjxf \ nQy^iTfitiovvxoQ \ tlortloi^ Aiiiio XVIII Caesaris (13112) \ Barbarus
pmef. I Aeijypti posuit architectatite. Poiitio. Vgl. Neroutsos-Bey, L'aiicienne Ak.cumlrie,
1888, 16; siehe oben S. 142. Erwähnt sei hier auch das auf der Insel Philae ge-
fundene Epigramm auf Augustus (Kaibel, Epigr. gr., 978): KuianQt novtoaiäovn xal
äniiywv aficcTffivzi | Zavl tvj tx Zavög nttZ(}i>(: ' Elfv^tgitu \ äsonoxa Evomnag xt xal
'Aaldoc, aaT(jca andoug \ 'Ei.Xädoi, vg awzljQ Zivg arsxfilf /tc-yrcc. Wendland, Suir^g,
in Ztschr. f. mutest. Wiss. 1904, 335 tf.
3) BIA 1866, 8. 51 (Architrav): AvxoxQäxo(ji I{(tiaa(,i ^Li-ßrinzw 2iojzi,iJi Eiffjyszij
Li>i ihi Ilon/.lov 'Poßijlov Bu(jßd(jnv. Vgl. Borchardt, .Trii. nn-lt. InM. XVIH (1903),
73 fl'. 84.
4) Mon. Anc.^, 45: Pontißex maximus ne fierem in rivi [c]oiile\\ßae locum, po-
piilo id sace\räotimn deferente mihi, quorl paier meu[s || habuerat recusavi. Quod]
xitverdotium aliquod post aiiuns eo mor\[tuo qui id tumultiis iijccdsiane occupiireriit [§],
luiicta ex Italia \ [ad comitia meii coenittc tanta mii]ltitinliiii: quaiita Rimuie iiiiii-
[q\uum I [autea fuisse narratur §] P. .Suljjicio C. Valgiii (■uiisiilihu[s'\ §. Üvid. F. III.
415 (6. März) Suet, Aug., 31, 1; Dio LIV, 27, 2; CIL l\ p. 233 (F. Pra,„.); CIL V.
p. 223 (F. Maf.). Vgl. Gardthausen I, 867 ; II, 508. ' "■ «.
5) Dieses bedeutungsvolle Ereignis der römischen Religionsgeschichte vollzog sich
äusserlich in folgender Weise: Als gewählter Pont. max. hätte Augustus eigentlich
die neben dem atrium Vestae gelegene domus publica (Regia) beziehen müssen. Da-
gegen schenkte er diese den Vestaliuuen und erklärte dafür einen Teil seines pala-
tinischen Palastes als staatliches Eigentum (Dio a. a. 0. § 3). Am 28. April bereits
weihte er dann der Vesta einen neuen Tempel, der mit seinem Palaste in Verbin-
dung stand : CIL I ^ p. 236 (F. Praen.), z. 28. Apr. 12 v. Chr. : Feriae -ex- s-f quod ■
eil di[e aedicul\a ■ et ■ [ara} Vestae • in domu • imp. Caesaris ■ Augu[sti po\ntif. ma{x] de-
dicatast Quirinio et Valgio cos. CIL P, p. 213 (F. Caeret.). z. 28. Apr. Fer. q. e. d.
sig()nim) • Vest{ae) ■ in domo piontifici.s) dedic. Vgl. CIL P, p. 317. Gardthausen I, 868.
Den inneren Vorgang schildert Ovid. a. a. 0. if. und TV, 949 if. : cognati Vesta re-
ccpta I limine — Phoebus habet partem. Vestae pars altera ces.sit. | quod superest Ulis,
tertius ip.se tenet. — aeternos fres habet una deos. Wissowa, B. u. K., 69 f. sagt tref-
fend: ,So thront der Kaiser auf dem Palatin zwischen Vesta und Apollo, der alten
Herrin des Staatsherdes und dem göttlichen Schirmherrn des herrschenden Hauses,
zum deutlichen Zeichen, dass das Kaiserhaus der sakrale Mittelpunkt des Staates
ist." Vgl. Hemies XXII (1887), 44.
Klio, Beiträge zur aUnn Gescliichte XI 2. jj
33
162 Ilnhert Heinen.
In diesem Jalire erscheinen zum erstenmale nKujistri Äii(/iisf((lcs,
und zwar in Nepet in Etrurien ').
(1. August) Drusus weiht, in Gegenwart von Vertretern sämt-
licher Stämme der Tres Galliae. den Altar der Roma und des
Augustus in Lyon ein -).
1) CIL XI, 3200: Imp. Caesari • Divi' f. \ Anyusfo | jx»!/. mu.r. cofi. XI \ trihiidc.
pcile^lat. XI I mayii^tri Auffnstnl{e.i) prim(i) | (folgen die Namen von vier Freigelassenen).
Au^ustalen. bezw. seriri A^iyustnlea finden wir zu Lebzeiten des Augustus in Falerii
{CIL XI. 3083). Veii (XI. 3782). Cosa (XI, 2631), Perusia (aus dem J. 1 n. Chr.). ßo-
nonia (XI, 804), Sulmo (IX. 3099), Polimartium (XI. 3040). Verona (aus dem J. 1 v. Chr. :
V, 32.57), Pompei (X, 890), Asisium (XI. 5424). Vgl. hierüber K. J. Neuniann bei R-W.
unter d. W. Auyustales ; daselbst auch eine gute Uebersicht über die moderne Literatur.
2) Für das Jahr: Liv., Epit., 137: tvmvltvs, qui oh censtim exoiius in Gallia erat,
eumpmutiir; am Caesari ad confluentem Araris et Bhoclani dedicata sacerdote creato
C. Julio Vercondanduhno Aeduo : Dio LIV, 32, 1 (z. .1. 742/12): (Drusus) tovg n^wTovc
ttizov nQO(f>do(i ri/c «(i(JTi;c, fjv xnl tiv nfpl rbv xov AvyovoTov ßuifibv fr Aovyöoivm
Tflovat, f/eiccnffiijm/uei'Of. Für den Tag: Sueton, Claud., 2,1: Claudhia natiis eM Jidio
Antonio Falrio Africuuo conss (= 10 v. Chr.) Kul. Avy. eo iiino die quo primiim aru
ibi Anyusto dedicata est. Die von Livius und Dio scheinbar abweichende Angabe
.Suetons sucht Fischer. E. Zeitt. 443 so zu erklären, dass er annimmt. Sueton wolle
lediglieh das Tagesdatum, nicht aber das Jahr der Einweihung bezeichnen, während
O. Hirschfeld (S. Bii. Ak. 1888. 840 3": ihm folgt Gardthausen IL 366"; 702'») meint,
die Vollendung und endgültige Einweihung sei erst i. J. 10 erfolgt, und zwar in
Gegenwart des Augustus (Dio LIV, 36). CIL XIIL p. 227 nimmt Hirschfeld dann
als wahrscheinlicher einen Irrtum des Sueton an. Die Auffassung Fischers hat tat-
sächlich mehr für sich. Strabo IV, 3, 2, p. 192 beschreibt den Altar wie folgt : rorf
\fp6v To fh'ciäfiy_Siv imö ■niivziuv xoiv^j xCav raf.arüjv Kcdacipi tüi Efßaarü) irpo rediiig
"(Jpurai tT/c 7i6?.fO!)g im t;} avfißoXfi ziov noza/jCov " sazi de ßw/Liög n^iö/.oyoi; inty(ia(p)jv
sxujv züv i^vüiv kSt'/xovza Api^/xov xal tlxövfq zoizwv kxäazov ula xal ä>.Xoc /^tyciQ.
Für die verderbten beiden letzten Worte hat zuerst Toup n?.aog fieyag eingesetzt.
Krascheninnikoff (a. a. 0. 1.51 ") und nach ihm 0. Hirschfeld [CIL a. a. O.) lesen
vfiög fxiyae- Neuerdings ist nun Kornemann (109') wieder auf die ursprüngliche Lesart
zurückgekommen. Mit vollem Recht, wie mir scheint: denn dieser Gelehrte hat den
als gelungen zu betrachtenden Nachweis geführt, dass es sich in Lyon zunächst nur
um eine ara als Kultstätte handele, während ein Tempel erst in der zweiten Hälfte
des ersten Jhrh. hinzugekommen sei (vgl. a. a. 0. 108).
Bei den Ausgrabungen des' Jahres 1859 fand man unter andern dem Kaiseraltar
zugerechneten Blöcken auch einen Rest der Weihinsclirift. T'/Jv XHI. 1664: Ro[m{<ie)
et Angiisto]. Das Bild des Altars ist uns erhalten auf Münzen augusteischer, clau-
discher und neronischer Zeit: Cohen P. 95. n. 239 f. (12—2 v. Chr.) 236—238:
192. n. 28-33; 193, n. 35—38; 193, n. 39-41; 256, n. 81; 296, n. 256 (vgL Hirsch-
feld. CIL XIII. p. 227). Diese Ansicht ist jedoch neuerdings von H. Willers {Niim.
Zeitschr. XXXIV [1902]. 101 ff.) bestritten worden, der in den Münzbildern vielmehr
.zwei Viktorien und ein Ovarium aus dem Zirkus, der nach Ausweis dieser Münzen
im heiligen Bezirk von Lugudunum ebenfalls vorhanden war', sieht. (W. Otto,
Hermes XLV [1910], 459* hat den erwähnten Aufsatz von Willers übersehen, wo
Münzen mit Born. et. Auy. schon für 12 — 2 v. Chr. sich finden).
Gleichzeitig mit der Einweihung des Altars fand auch die erste Versammlung
des, wie es scheint, in Anlehnung an eine bereits bestehende gallische Jahresver-
sammlung und -feier zu Ehren des Gottes Lug und nach dem Muster der griechischen
34
Zur Beyriindmt(i des römischen Kaiserkultes. 163
Erste iiiichweisbare Einrichtung eines stadtrömisclien Distrikts mit dem
Kulte der Lares und des Genius Augusti').
Myiasa in Karien errichtet einen Temjiei des Augustus und der
Roma -).
I. .1. 1(1 V. Olir.
Augustus stellt in iiom Statuen und Altäre der Salus. Ooncordia und
Pax auf^).
xoivn begröndeten amcilinm Gallianim {CIL XIIT, 3162: III. Z. \r> Q statt (Dio a. a. O.).
Strabo berichtet in der oben zitierten Stelle, dass 60 Stämme ihre Namen in den
Altar eincremeisselt und je eine Statue aufgestellt hätten ; ebensoviele waren in der
ersten Zeit auch an dem Provinziallandtag beteiligt. (Vgl. 0. Hirschfeld, & Brl. Ak.
1896, 441^; Kornemann. I>>e Zahl der iiiillische)i eivitates in der r. Kniserzeit, K/io I
[1901]. 331 ff.). Alle Stadtgemeinden, oder wo solche nicht voi-handen. die Volks-
i^chaften (Kornemann bei P.-W. IV. 812) hatten hier Sitz- und Stimmrecht, das sie
durch einen oder, wie es scheint, bei grösseren Gemeinden durch mehrere Abgeordnete
ausübten (vgl. CIL XIII, 1667: sechs Sitze für die Bituriges-Cubi im Amphitheater;
Hirschfeld, CIL XIII, p. 228). Dieser Provinziallandtag war in der Hauptsache eine
Versammlung für den Kaiserkult der Roma und des Augustus. Sein religiöser Cha-
rakter zeigte sich vor allem darin, dass der Vorsitzende zugleich auch die Leitung
des provinzialen Kaiserkultes hatte. Dessen Titel lautete : sacerdos Bomae et Au-
fluKti ad aram, qiiae est (oder einfacher ad aram ad) confliientes Araris et Rhodani
[CIL XIII. 1036 [p. 137]; 1674; vgl. CIL XIII. p. 228 ff.). Der erste war der Aeduer
C. .lulius Vercondaridubnus (Livius a. a. 0.).
Was nun die Wahl, die dazu notwendigen Voraussetzungen und die Ehren des
Provinzialpriesters. ferner die Abgeordneten. Beamten und die politischen Rechte
des Provinziallandtages usw. anlangt, so mag hier ein Hinweis auf die Literatur
genügen. Vor allem sind zu nennen : Hirschfeld. S. Brl. AI;. 1888 und seine Ausfüh-
rungen im Xin. Bande des CIL; die treffliche Zusammenstellung von Kornemann
bei P.-W. u. d. W. concilimn und E. Carette. Les assemblees prov. d. l. Gaule rmn.
Paris 1895.
\^ CIL VI. 4-52: [Lurihus A'\ugust[is) mci Jovis Faijitta[lis et] | [genis Caesarum
i]mp. Nerra • Diri Nervae • /". Traiait[o] | [Aug. Germanici) Dac]ico. pont. max. (= 109
n. Chr.) trih. put. XIII. imp. VI [cos u] \ [perrnissu ] Pollionis. trih. pleh. aed.
reij. III retusta[te'\ \ [delapsam a solo ma]gistri aiiiii TXXJ sua impeiisa restitu[er]. Da
die zerstörte aedicula (oder ara) i .T. 109 n. Chr. von den miigistri des 121. Jahres wieder-
hergestellt wurde, so kommen wir auf das Jahr 12 v. Chr. Vgl. Gardthausen I, 928 f.
2) CIG 2696: '0 är/uoc airoxpaTogt KaiouQi 9sov vlib 2!sßaotw agyisgü ixtyioTui
xal &crj 'Ptü.ttj. Beurlier a. a. 0., 24; V. Chapot, La prov. rom. d'Asie procons. (Bihl.
de l'ecole 150), 423 f.
3) Dio LIV, 35, 2: intidi) zs ripyvgiov av^ig (c fixövag avtov xal ixeivt) xal 6 dij-
,uos avvearjveyxav, eavToU fiiv oiöefitav, 'Yyteiag äh örjuooiaq xal ngoaszt xal 'Ouofotag
EtQ^vtjc t( sazrjaav. Bei Ovid tritt zu diesem Bunde noch Janas hinzu. Fast. lU.
881 f.: Janas adorandus cumque hoc Concordia mitis \ et Romana Salus araque Pacis
erit, was ja wegen seiner Beziehungen zu Krieg und Frieden nicht weiter auffallig er-
scheint. Wissowa. R. u. K.. 278 weist darauf hin, dass die Aufstellung jener drei
Altäre vielleicht zusammenhänge mit der von Dio (LIV, 36, 2) berichteten Absicht,
i. J. 10 V. Chr. den Janustempel zu schliesseu. Von den drei erwähnten Eigenschafts-
gottheiten ist uns bisher noch nicht entgegengetreten die Concordia, der erst später
ein besonderes Heiligtum gewidmet worden ist.
U*
35
164 Hubert lleinen,
I. J. 9 V. Chr.
(30. Jan.) Einweihuntj des am 4. .luli Vi v. Chr. errichteten Altares
der Fax Augustii ')•
Herodes weilit die Stadt Caesarea und den Tempel der Koma
und des Augustus ein. Einsetzung vierjähriger Spiele ^).
Im vicuü Honoris <■{ V/rt/dis wird der Kult der Lares und des Genius
Augusfci eingeführt ^).
I. .T. 9/8 V. Chr.
Auf Vorschlag des Prokonsuls Paullus Fabius Maximus beschliesst
der Landtag der Provinz Asia, den Kalender zu Ehren des Au-
gustus zu reformieren ^).
1) CIL I-, p. 309 {F. Praen.) z. 30. Jan. 9: Feriae • ex ■ s ■ c quo[d " eo] ■ die am
Pacis Augustale in campo] Mntiio dedivttta [ej.fi Druso et Crispino c[os]. CIL I-. p.
212 {F. Caeret), z. 30. Jan. Fcr. e.v. s. c. q. c. d. ara Pac. Aug. d. CIL I-, p. 229
(F. Cum.) z. 30. Jau. Ovid. /''.. I, 709 ff. : ijisiim iios Carmen deduxit P(i( ix ad arnm
liaec erit a mensis fine secuuda dies | fnindibus A<ti((ris complos rediwiia lapillos Po.r
ades, et toto mitis in orhe mnne; vgl. III, 879 tf.: iiide quaier pastor saturos uhi clatt-
serit haedos | caiiuerint herhae rore recente quater, | lunus adonindus cumque hoc Coii-
cordia mitis | et Bomana Salus araque Pacis erit. Der 30. Januar als der eigentliche
dies natalis des Altars ist noch lange nach Augustus' Tode von den Arvalbrüdern
mit Opfern begangen worden: CIL VI, 2028b,«-"' (z. J. 38): a. d. III. Fehrua ■
Taurus Staiilius Corritms ■ proniagiste[r collegi fratr(uin) arvaliiiiii] immine in campu
ad aram Pacis [Augustae immolavit-, ferner VI, p. 491, Z. 12 (z. J. 66 n. Chr.). Vgl.
Wissowa. M. u. K.. 406 ; Nissen, On, 3, 299 und die abweichende Auffassung von
dediaitin und consecratio von v. Domaszewski. Jrli. öst.arch. Itist. VI (1903). ."18°.
Mommsen. Mon. Anc.-, 49 und CIL \-. p. 320 z. 4. Juli.
Ueber diesen .A,ltar, dessen vollständige Rekonstruktion zuerst E. Petersen (vgl.
oben S. 160. Anm. 3) gelungen ist, vergleiche man jetzt am besten die von demselben
veröffentlichte Monographie Ara Pacis Augustae (mit Zeichnungen von G. Nieniann)
Wien 1902; 194 ff. findet man in einem numismatischen Anhange die , besterhal-
tenen Exemplare der Münzen mit der .\ra Pacis'. H. Willers. Num. Ztschr. XXXIV
(1902), 103.
2) Vgl. oben S. 15.5, Anm. 3. Jos., ant. XV. 9. 6. XVI. h. 1 : h. iud. I. 21, 5—8. Vgl.
Schürer, P (1901), 389. Das Fest der Einweihung wurde in grossartigster Weise ge-
feiert, und zwar, nach dem Brauche der Zeit, auch durch besondere Kaiserspiele. Alle
vier Hauptarten der Spiele waren dabei vertreten und wurden fortan alle vier Jahre
erneuert. Herodes hatte zu diesem Zwecke eigens ein grosses steinernes Theater,
ein grosses Amphitheater und wahrscheinlich auch ein Stadium und einen Zirkus
erbauen lassen. Jos., ant. XVI, 5, 1 : Aywva fiovaix!jq xal yvfivixCov rl&^.tjuäzcuv — nolv
ni.Tjf^nti ixnyouäxiuv xal StjqIwv, 'innwv xs ä(td,uoy. E. Schürer, 11*, 50. Suet., Aug., 59;
vgl. 60: reges amici atque socii et singuli in suo quisque regno Caesareas urhes condi-
derunt.
3) CIL VI, 449; Laribus Aug. et Genis Caesai-um [imp • caes • domitiano • avg " cos ■
uiiii] I desig ■ X (83 n. Chr.) p. p. permissu • A. Anni ■ Cdmartis ■ tr[ib. pleb. aedieulam
reg ■ I • vici honoris] \ et Virtutis ■ magistri anni LXXXXII ■ a ■ s[o1o impense sua re-
stituerunt] \ etc. (83—92 = 9 v. Chr.). Gardthausen I. 928 f.
4) Ueber diese Ehrung seitens der Asianer ist uns folgendes aus Städten, bei
deren Kaisertempel das Schreiben des Prokonsuls nebst Landtagsdekret aufgestellt
war, stammendes inschriftliche Material erhalten:
36
Zur fi((/nnulnii(i des römi sehen Kniserkultes. 165
Drusus weiht den AuLfustustenipel der gallischen Lingonen
1. Von dem Schreiben des Prokonsuls: a) ein mit Ausnahme der drei ersten
Zeilen vollständiges Exemplar in griechischer üebersetzung aus Priene (A. Mitt.
XXIV [1899], 228 f., Z. 3—20; vgl. 275); b) zwei griechische Bruchstücke aus Apa-
mea, von denen das eine, gut erhaltene (CIG 3957b; BCH XVII [1893], 315 f.), die
Zeilen 4 — 14, das andere, sehr verstümmelt {BCH a. a. 0.) die Zeilen 15—25 des
Textes von Priene enthält; c) ein kleiner Teil des lateinischen Textes aus Apamea
{('IL in. 12240) und ein grösserer neunzeiliger aus Doryläum {A. M//. XXIV [1899],
27(i f. = CIL lll, 13651), entsprechend den Zeilen 10 — 20 von Priene; d) ein im
prienisehen Texte fehlendes griechisch-lateinisches Bruchstück aus Apamea {A. MM.
XXIV, 279), das wahrscheinlich ,die in dem Schreiben selbst nicht enthaltene,
aber für die Ausführung des Vorschlages unentbehrliche Festsetzung über die Glie-
derung der Monate"^ enthielt.
2. Von dem entsprechenden Beschlüsse des Proviiiziallaiidtages : a) ein vollstän-
diges Kxemplar in der Inschrift von Priene Z. 30 — 77 ; b) ein Bruchstück aus Apamea
(CIG 3957a col. 11), enthaltend Zeile 30 — 35 von Priene: c) ein am Ende der Zeilen
verstümmeltes Bruchstück aus Apamea {A. Mitt. XVI [1891]. 283 f.), entsprechend
den Zeilen 51 (Sehluss) — 67 von Priene ; d) ein Bruchstück aus Eumenia {CIG 3902b),
entsprechend den Zeilen -55 — 67 von Priene.
3. Die Inschrift von Priene erwähnt Z. 41 — 49 zugleich mit dem Beschluss zu
Ehren des Augustus noch einen früheren, unter dem yQu/^tftaxevg L. Volcacias Tullus
(über diesen s. A. Mitt. XXIV. 280) gefassten, demzufolge derjenige, welcher den
besten Vorschlag zur Ehrung des Kaisers machen würde, von der Provinz einen
Kranz erhalten solle. Dieser soll nun dem Fabius Maximus verliehen werden.
4. Priene 78 — 84 : Beschluss über die für die Wahlzeiten erforderlichen Bestimmungen.
Die Kalenderreform lief darauf hinaus, dass das asianische Jahr fortan mit
dem 23. September des römischen Kalenders, dem Geburtstage des Sebastos, des
Retters (Priene Z. 6 ff.) und unübertrefflichen Wohltäters (Z. 38 f.) der Mensch-
heit, und des Gottes (Z. 34), begonnen wurde, dass dieser Tag von nun an Sebaste
hiess, dass ferner der erste bisher Dios genannte Monat Kaisar genannt und alle
Monatsanfänge den Tagen a. d. IX Kai. des römischen Kalenders gleichgesetzt
wurden. (Aus dem prienisehen Texte liest man heraus, dass es sich mehr um einen
Befehl des Prokonsuls handelt, denn um einen Vorschlag, den die folgsamen Unter-
tanen in der richtigen Weise verstanden und verwerteten.) Die Angleichung an das
römische Jahr war indes insofern eine unvollständige, als erstens ein besonderes
Neujahr und zweitens die bisher in Asia gebräuchlichen makedonischen Monatsnamen
beibehalten wurden, wie sie uns das Florentiner Hemerologium (vgl. Ideler. Chron.
I. 414) für den ephesianischen Kalender erhalten hat. Die Namen der Monate hat
die prienische Inschrift Z. 68—71 : 1. Kaisar (31 Tage), 2. Apellaios (30). 3. Aud-
naios (31). 4. Peritios (31), 5. Dystros (28), 6. Xanthikos (31 ; in Schaltjahren 32 [Priene
Z. 71]), 7. Artemisios (30), 8. Daisios (31), 9. Panemos (30), 10. Löos (31), 11. Gor-
piaios (31), 12. Hyperberetaios (30).
Für die Zeit der Reform scheint massgebend zu sein Z. 77 der prienisehen In-
schrift, aus der hervorgeht, dass noch nach der falschen, in Rom zuletzt i. J. 9 an-
gewandten und i. J. 8 V. Chr. beseitigten Schaltung mit einer Zwischenzeit von nur
2 statt 3 Jahren verfahren wurde. Sodann scheint mir noch ein anderer Gesichts-
punkt hier stattziihaben : i. J. 8 erhielt der Sextilis den Namen Augustus: man sollte
meinen, dass die Asianer, wenn zur Zeit ihrer Kalenderreform diese römische Ehrung
schon vollzogen worden wäre, ihren ersten Monat nach diesem Beispiele Sebastos
und nicht Kaisar genannt hätten. Die Reform wird demnach vorher fallen. Vgl.
Usener BIA. 1874, 73 ff. Mommsen A. Mitt. XXIV [1899]. 275 ff. Wie die Provinz
37
166 Hubcd Hehle»,
ein ').
I. J. 8 V. Chr.
Auf Antrag des Volkstribunen S. Pacuvins erhält der Monat Sextilis
den Namen Auaiistus ').
I. J. 7 V. Chr.
Augustus vollendet die Reorganisation des Larenkultes ■'').
Asia, so haben auch andere Länder des Ostens Monate und Tage nach Augustus be-
nannt (vgl. darüber die Stellen bei Gardtbausen II. .564 ^^ u. *'). und zwar zum Teil schon
vor der asianischen Reform. Usener und BoU haben seinerzeit einen Kalender ent-
deckt (vgl. Boll. Catal. cod. astr. graec. II, 139 ff.), den Usener zunächst für den
Kalender der syrischen Provinz ansah, der kürzlich aber wohl mit Recht von v. Do-
maszewski (vgl. Jrc7(. f. K.-W. XII [1909]. 33-5 tf.) der Provinz Cypern zugeschrieben
wurde. Die Namen der Monate lauten : Aphrodisios (Mai). Anchisaios (Juni), Romaios
(Juli). Aineadeios (August), Kapitolios (Sept.), Sebastos (Oktob.). Agrippaios (Nov.),
Libaios (Dez.), Octabios (Jan.), Julaios (Febr.), Neronaios (März), Drusaios (April). Der
Name Agrippaios zeigt, worauf v, Domaszewski (a, a. 0. 336) hingewiesen hat, dass
dieser Kalender bereits vor dem Jahre 12 v. Chr. entstanden sein muss. lieber die
weitere Umnennung dieser Monate i. J. 2 v. Chr. s. u. S. 170.
1) Cassiodor., Chron.. z. J. 74-5/9: Drusus Nero et L. Qtniitit(s. Eis coiiss. apud
Lingotmt» gentem templum Caesari Drusus sacravit. Gardthausen I, 1086.
2) Liv., Ejyit., 134: mensis Sextilis in honorem eins appellatus est; Suet., Aug. 31:
anmnn a Diuo Julio ordinatinn, sed postea neglegentia conturbaium atqiie confusum
rursits ad pristinam rationetn redegit ; in cuius ordinatione Sextilem niensetn e suo cogno-
mine nuncupavit magis quam Septembrem quo erat nutus, quod hoc .sibi et primus con-
sulatus et iusignes uictoriae optigissent : Censorin, d. n. 22, 6-: in Augusti honorem dictus
est Augustus anno Augusti vicesiino; Macrob., Saf. I, 12, 35: placere senatui, nt
hie mensis Augustus appelletur, item plebiscituni factum ob eandetn rem Se.tto Pacuvio
tribuno plebem rogante; Serv., ad Buc. IV, 12: Julius et Augustus men^es in honorem
Caesaris et Augusti acceperunt nomina: nam antea Quintilis et Sextilis dicti sunt; Dio
LV, 6, 6—7: rov [.u'si] .«//i'n: tov St^zii.tov ijitxaloviisvov Avyovazov ttvtwvönaae ' tCov
yäp a/.'/.wv röv SeTizfußffioi' ovTtug, insiSi'jTifo ir avnü iyeysvvtjxo, TiQOattyoQivaai iltt-
).7jaävz(ov ixHvov ahzoi Tigofzlfitjasv, ozt xal Snazo: iv avziü z6 uqCozov aneSfSfixzo
aal ftäxctg noi./.ng xut ftfyd?.ag irtvixijxii. Vgl. Gardthausen I, 951; II. 563 f. °ä.
3) Das Jahr wird erschlossen aus Dio LV, 8, 6 — 7 (z. J. 747/7): szvyov & ixHvoi
/^hv oiSfvös, Ol ö'n 6>/ azevionol iTtitifhizCov zivmv ix zov 6fjuov, ovg xal azerwTiäpyovg
xu/.ovfxev Xfi! a(piat xcd z^ iafUjzt zfj n^yjxij xal Qußäoiyoic öio, ei> avzotc zotg xwgi'oig
ojv av aifywmv, Ij/nfgruc ztai ypTfi&ai sdo^)), ij zt Sovlda ij zoiq nyoQUVöfWig zihv Sft:tifi-
nguuivwv tvfxa avrovaa tTifzgnnij, xaizot xal ixflviar xrd röir dijuägywr zCov ZB aigazijyibv
näaav zi/V nö/.iv, 6exazeaaK(>a .usgtj i'ffitjfteiaai; x'/.tjqw nuoazayßivzwv ■ 6 xal vvv ylyvszai ;
vgl. Suet., Aug. 30. 1 : spatium tirbis in regioues uicosque diuisit. insiiiuitque, ut illas
annui magistratus sorfito tuerentiir, hos magisiri e plehe cuiusque uicinae lecti. H. Nissen.
P. St., 183. Obgleich nicht alle römischen vici zu gleicher Zeit den neuen Laren-
kult einrichteten, so haben wir doch für dieses Jahr gerade die meisten inschrift-
lichen Zeugnisse: R. arch. (4. serie) IX [1907]. 349, n. 16: [lu]ribus ■ Aug{ustis) \ ricei-
Statae • \ Matris • \ ministri ■ anni • VI | (Namen von vier Freigelassenen) X. Caninio ■
Gallo ■ C- Fufio ■ cos. Die beiden sind Konsuln am Schlüsse des Jahres 2 v. Chr. CIL
VI, 761 : Germanica Caesare | C. Fonteio [Cap]itone cos \k an Statae • Fortume
Aug 1 sacr. (Namen zweier Freigelass.) mag. riei \ Sandaliarii • reg \ IUI -anni XVIII
(Konsuln des Jahres 12 n. Chr.); 343 vgl. CIL VI, 448 (2 v. Chr.): vier Freigelassene
38
Zur Br</rihi<hnH/ des röiiiisrlic» KaiserkuUes. 167
1. Mai: Orii'ntation des von der Vonuspriesten'ii Mamia in
Ponipcn aus eigenen Mitteln iiml auf ]irivateni i}<i(len erbauten
Tom|iel.s des Genius Augusti M-
Im pagus Aiif/tistus fclix sithKrhamta von Pompei wird d.'r Kult
des Genius Augusti eingeführt '^). .
I. J. 5 V. Chr.
Inschriftliche Erwähnung des ephesischen Augusteums ■').
I. .T. 3 V. Chr.
Augiistus lässt sich in der papblagonisclien Stadt Gangra von
den Einwohnern und selbst von rötnisclien Bürgern einen Eid
leisten, der auf Zeus und ihn selbst gestellt ist*).
desselben vicus als magistri: Laribus Angiistis. (Suet., Aug. .57); CIL VI, 2222 (aus
d. J. 100 n. Chr.): magistri anni CVII. Wahrscheinlich weisen auf dieses Jahr auch
die Inschriften CIL VI. n. 450 {ncus poiiae CrilUiiae) und 4.51 [ricus censoritis). Vgl.
H. Nissen. P. St. 183: 272; Mommsen. Hermes XV (1880), 107 ff. Für jedes einzelne com-
;«/»)» wurden jährlich vier mrt^'i.s'fn vici (meist Freigelassene: CIL VI, 44.5 — 454; sel-
tener iiige»ui 975) aus den Bewohnern des betr. riciis gewählt, die ausser der Sorge
für die Instandhaltung des compitum auch noch die Leitung der liidi mmpitalidi
hatten (über sonstige Pflichten und Rechte derselben s. Gardthausen I. 927 f.) ; ihre
Gehilfen waren vier minist ri (meist Sklaven). Marquardt IIP, 204 f. : Mommsen, Sf^.
n^ 1034 ff. : Wissowa, R. u. K., 1.52. Als Festtage bestimmte Augustus zwei Tage im
Jahre (Suet.. Aug.. 31: compitnleg Lares oriiari Ins anno instituit uernis florihus et ae-
stiiiis), einmal den 1. Mai, der bis dahin der Festtag der Laren gewesen war (Ovid,
F. V, 129: Praesiitibus Maiae Laribus videre Kahnäae \ aram cmistitui parvaque sigtm
deiim). und dann den 1. August, an dem die magistri und tninistri antraten (vgl. CIL
VI. 445: [m]itgi.'<tri qui ■ K. Augustis ■ primi ■ mag[isterium] [ini]erunt; 446; 447; 128;
283 : Ovid. F. V. 147). An diesen Tagen wurden häufig auf Kosten des Kaisers Schau-
spiele (Suet., Aug., 43) und Ringkämpfe (Suet.. Aug., 4.5) veranstaltet: vgl. Mommsen
im CIL I-. p. 305,
1) CIL X, 816 M[a]mia P- f. .»tcerdos public. Geyii[o aug. s'\olo ei pec[uma sua].
Vgl. dazu Nissen, P. St.. 676. 272 f.: Or. 3 (1910), 286. Der Altar ist abgebildet bei Over-
beck-Mau*. 118 f.
2) Diese Tatsache wird erschlossen aus einer Inschrift, in der die vier ersten
ministri für dieses Jahr erwähnt werden. CILX. 924: Dama- Pup. Agrippae | Maii-
lius. Liicreti | Anteros • Stai ■ Ruft I Priiiceps ■ Mesani | ministri • pagi \ Aug. fei. sub [ur-
b]an. \ pirimi ■ posie[run]t | Ti. Claudio- Nerone ■ Her \ C)i. Calpurnio Pisoiie ■ cos. Vgl.
Nissen, P. St.. 183 u. 273.
3) Gr. inscr. of the Brit. Mus. [II. n. DXXII (= BCH X [1886]. 96 f. = CIL
111, 6070 = C/^ in, 2236): Ivip. Caesar. Bivi. f. Aug. cos. XII. tr. pot. XVIII pon-
tifex maximus ex reditu Dianae furtum et Augusteum muro muniendum curavit C. Asiuio
[Gallo procos] euratore Sex Lartidio leg. Die Inschrift ist in lateinischer und grie-
chischer Sprache verfasst. V^l. V. Chapot, La prnvince rom. proeons. d'Asie, 424 f.
CIL III, 425: Suppl. 7117.
4) Her. et. gr. XW (1901), 37 ff. Der hier geleistete Eid ist so bedeutungsvoll
für den Kult des Augustus, dass es sich wohl verlohnt, ihn auszugsweise in deut-scher
Uebersetzung hier wiederzugeben: .Im Namen des Autokrator Cäsar Augustus, des
Sohnes des Gottes, des Konsuls zum 12. Male (= i. J. 2 v. Chr.), im 3. Jahre (der
Provinz), am Tage vor den Nonen des März (= G. März) wurde folgender Eid von
den Bewohnern Paphlagoniens und den mit ihnen Geschäfte betreibenden Römern
39
168 Hidjcrt Heintn,
Vor 2 V. Chr. (?•
In den Donauprovinzen ist um diese Zeit der Kaiserknlt ein-
geführt *).
geleistet: Ich schwöre bei Zeus, der Erde, der Sonne, allen (TÖttern und Göttinnen
und bei Augustus selbst, wohlgesinnt zu sein dem Cäsar Augustus, seinen Kindern
und Nachkommen während meines ganzen Lebens, in Werken und Gedanken, ihre
Freunde und Feinde als die meinigen anzusehen u. s. w. Z. 36: Mit diesen selben
Worten schwuren alle Einwohner des Landes in den in ihren Distrikten enüchteten
.^ugusteen bei den Altären des Augustus. Z. 39: In gleicher Weise schwuren alle
Phazimoniten. welche in der jetzt Neapolis genannten Stadt wohnen, in ihrem .-^n-
gusteum bei dem Altare des Augustus". Ygl. dazu die Ausführungen des Heraus-
gebers Cumont a. a. 0, Paphlagonien war i, J. 6, nach dem Tode des Königs Deiotarus
von den Römern annektiert und zur Provinz Galatien gesehlagen worden, hatte dabei
jedoch eine gewisse Unabhängigkeit in der Verwaltung behalten dürfen. Aus dem
Eid ersehen wir. dass in der grossen galatischen Provinz der Kaiserkult nicht in einem
einzigen Zentrum, etwa Ankyra. der Residenz des Statthalters, konzentriert war. son-
dern dass derselbe, entsprechend den ursprünglich selbständigen Bestandteilen der
Provinz, nach Diözesen geordnet war. So hatte z. B. der Kaiserkult des eigentlichen
Galatien seinen Hauptsitz in Ankvra mit dem durch die Grabschrift des Augustus
und dm-ch seine Pracht berühmten Augustustempel. An diesem Kult hatten die übrigen
LandesteUe keinen Anschluss, sondern sie errichteten sich ilirerseits in ihren Haupt-
städten eigene Kaisertempel, z. B. die Pisidier in Apollonia und. wie wir jetzt wissen,
die Paphlagonier in ihrer Hauptstadt. Aus der Inschrift ersehen wir ferner, dass
jede Stadt ihr besonderes Augusteum hat, eine erwünschte Bestätigung der Ansicht,
dass nach dem Vorgange von Pergamum und Nikomedia i. J. 29 v. Chr. bald alle
grösseren Städte des Ostens ihre Kaisertempel bekamen. - Das wichtigste Ergebnis
aber, das uns der Eid liefert, ist dies, dass Augustus i. J. 3 v. Chr. bereits die vor
26 Jahren getroffene prinzipielle Unterscheidung zwischen Nichtrömern und Römern
hinsichtlich seiner Verehrung aufgegeben hat. dass er sich von beiden in gleicher
Weise als Gott betrachtet wissen will. Vgl. darüber die Bemerkungen von Gardt-
hausen I. 1103 und besonders 1345. Das einzige, was diese schwerwiegende Tatsache
in etwa mildern könnte, ist. dass der Kaiser eine solche Forderung für einen Teil seines
Reiches stellte, der den Gesichtskreis der Reiehshauptstadt nicht eben sehr traf.
Bei dieser Gelegenheit sei noch kurz ein Priester des Augustus aus Sinope er-
wähnt: CIL HL 6980: C. Numis'w S[p. f.'\ I qui- prinw iia\uarelio- sacerd. \ imp Cae-
Saris ■ Auq.
1) Bei diesen Kultgründungen wird man vorläufig noch die grösste Vorsicht walten
lassen müssen, denn hier liegt das inschriftliehe Material so dürftig vor und ist zu-
dem noch so wenig eindeutig, dass es fast gewagt erscheint, eine Ansicht zu äussern.
Das ist auch der Grund, weshalb wir hier dieses ganze Gebiet an der Nordgrenze
des Reiches zusammen anführen, obwohl ja wohl als sicher angenommen werden
kann, dass, wenn wir es hier wirklich mit augusteischen Kultgründungen zu tun haben,
diese in den verschiedenen Provinzen zu verschiedenen Zeiten eingetreten sind. An-
derseits ist nicht recht einzusehen, weshalb der Kaiser hier anders verfahren sein
sollte als im Westen, wo doch z, B. in Lyon i. J. 12, in Anwesenheit des Drusus. der
Kaiserkult für die drei Gallien eingerichtet wurde. Zudem werden wir weiter unten
sehen, dass der Statthalter von ülyrien, L. Domitius Ahenobarbus, bereits i, J, 2 v,
Chr, an der Elbe einen Kaiseraltar errichtete. Im übrigen verweise ich auf die Aus-
führungen von Kornemann, Klio I (1901) 121 f.. gegen die ein prinzipieller Widerspruch
kaum erfolgen kann.
40
Zur Beyrnndiiiui des römisclieii Kdi.tcdnllrs. 1()9
I. .1. 2 V. Chr.
Angustus weiht aiit' dem nach ihm benannten Komm Auiiustum lien
Tempel des julischen Stammvaters Mars ein ').
(5. Februar) Er erhält den Titel /lufir pufr/uf -).
1) Gelobt wurde dieser Tempel bereits vor der Schlacht bei Philippi (s. o. Seite
189). Seine VoUeudung zog sich aber wider Erwarten in die Länge (Macrob. II, 49),
und deshalb erbaute Augustus dem Mars Ultor nach Wiedererlangung und zur Auf-
nahme der parthischen Feldzeichen (Dio LIV. 8, -5) einen kleinen Rundtempel auf
dem Kapitol, den er am 12. Mai d. ,1. 19 v. Chr. einweihte (Dio a. 0.. § 'i: Pinder.
Ä. Sri. AI:. 185.-). 611 tf.: Cohen I-, 9U. n. 2U2: Imp. IX. ti: po. V. (s. Kopf), R:
Mart. Ulto (seohssäuliger Tempel). Wahrscheinlich wurden gleichzeitig circensische
Spiele für diesen Tag eingerichtet: Ovid, F. V. .595 ff., zum 12. Mai; vgl. CIJ^ 1-.
p. 224 (z. 12. Mai): Lud. MuH. in dir.; CIL. l\ p. 229 {Fei: Cum.) :-.. 12. Mai: [eo
die aedes viaiiis dedicatast .lupplicuyio ■ molihu.t ■ Mdiiis : CIL I-, p. 264 (F. PhiJoc.)
■/,. 12. Mai. Mommsen. CIL I -, 318. Die Einweihung des grossen Tempels erfolgte
dann, wie es scheint, am 1. August d. J. 2 v. Chr. (Dio LX. 5,3; Suet.. Claud.. 2,1;
Plin.. « h. XXXVI. 102 ; Moii. Anc. -. 88 : In piirato solo Martix Ultoris templim
[florumque Auguatum {ex m(iii)]\hiis feci. §. Das Fest der Einweihung wurde mit
Spielen zu Wasser und zu Lande gefeiert und diese seitdem jährlieh wiederholt:
Mon. Anc.^, 93: [Cjonslul XIII] ludos Htar\iiaVes pr\iiims feci], qu\oii] p[ost i]d
tempus deincep[s] \ ins[equeii]ii[bus onn]is [fecerimt co]ii[si(]les ; dazu Mommsen
p. 93, 95; Vell. II, 100,2; Dio LVL 27.4—5; LX. .5.3. Im Innern des Tempels stand
als Kultbild eine Doppelstattie des Mars und der Venus (Ovid, Trist. II, 295 : -itat
Venus UHori iiincta; Jordan, Top. t, 2, 445; Wissowa, B. u. K., 133 verweist auf
zwei ähnliche Vereinigungen dieser beiden Staramgottheiten des julischen Geschlechtes
hin. einmal im Pantheon (Dio LIII. 27). und dann im Tempel bei der alten (im Maiiis
(Plin.. H. h. XXXVI. 26) ; vgl. anders Gardthausen IL -589 ". Zu beiden Seiten dieser
Statue war neben solchen anderer Götter (Gardthausen I. 974) auch die des Divus
Julius angebracht, mit dem sidus Julium über dem Haupte und einer Victoria in der
rechten Hand, wie wir ihn auf einer Münze bei Babelon I. 431, n. 81 sehen. An
den Tempel schlössen sich zu beiden Seiten Hallen an, in denen die Statuen der
Könige und Triumphatoren Aufnahme fanden. Ueber die Stellung, die dieses Heilig-
tum im römischen Staatsrechte einnahm, vgl. Dio. LV. 10; Suet.. .liifi . 29; Gilbert.
Top. HL 229 ff.; Chambalu. Piniol. LI (1892). 731 ff. : Gardthausen 1. 975 f.: IL .589 ff.:
Nissen. Or. 3 (1910), 308.
2) Mon. Anc.', 153: Tertium dec{i]mum consuldtu[m cum geirbam, senatus el
equ\ester ordo \ popuhisq[ue] Romdnus üniversus [appellnvit nie patrem p]atriae idque |
(Ji vestihu[lo a]edium medrum inscriben[dum esse et in curia e]t in ford Aug. \ sub qua-
drig[i]s, qitae mihi [ex] s. e. po.s[H(ie sunt, decrerit : Ovid. F II, 127 f.: Sande pafer pa-
triae, tibi plebs, tilii curia nomen \ hoc dedit, hoc dedimu.i nos tibi nomen, eques etc.
Vgl. die sonstigen Zeugnisse bei Gardthausen II, 735^-, ferner Mommsen, Mon.
Anc.^, 154. Für den Griechen der damaligen Zeit besteht nicht die bei Ovid (a. O.fl'.)
getroffene Unterscheidung zwischen Augustus. als dem Vater der Erde, und Zeus, als
dem des Himmels, für ihn ist Augustus der Zti'c nazjjitioQ selbst, wie das so schön
in einer Inschrift (Inscr. in fhe British Mus., n. 994) aus Halikarnass sich findet :
nuTiQU uhv r^; iavrov nargiöoi; &fäc 'Püiftrjc, dia rfi Ti(a(jinnv xa'i oturr/pn xov xoivov
zütv hvitpwnwv yerovQ etc.; vgl. dazu A. Mift. XXIV (1899). 292 f. Aus demselben
.lahre stammt auch eine mytilen. Priesterinschrift {IG XII, 2, u. 656). in der es
heisst : riy ^fßaorw Jiog KaiauQoc \ 'Of.vftm'w, jcttTQog xäg näxQiSoQ.
41
170 Hidicrf Hehu'ii.
Die Bewohner von Cypern verändern ihren Kalender noihnnils
zu Ehren des Augustus ').
Pola errichtet einen Tempel der Roma und des Augustus ^).
In Mytilene wird dem Augustus ein Altar errichtet ^).
L. Domitius Ahenobarbus errichtet an der Elbe einen Kaiser-
altar *).
Neapel beginnt vierjährige Spiele zu Ehren des Augustus '").
1) Wir haben bereits oben (S. IGG) eines kyprisehen Kalenders Erwähnung getan.
der wegen des Monatsnamens Agrippaios vor 12 v. Chr. verfasst sein nmss. W. Kubi-
tschek Kahtiäerstudkn, in Jrlt. öst. nrch. Inst. VIII (1905) bespricht nun einen sowohl
in dem Menologium des Madrider Codex Gr. XCV (Iriarte), als in dem einer Floren-
tiner Handschrift überlieferten kyprisehen Kalender mit den Monatsnamen : Aphro-
disios, Apogonikos. Ainikos. Junios. Kaisarios, Sebastos. Autokratorikos, Demarchexa-
sios, Plethypatos. Archiereus, Estios, Romaios, aus denen man den Satz gemacht
hat : Veneris soboles Aeneas (et) Julius Caesar Augustus imperaior trih. pot. cos. saepis-
siine pont. ma.T. (ex) familia Eomanorum. Mit dem ersteren verglichen, fällt auf, dass
hier die Namen der Verwandten des Kaisers ausgefallen sind, was, wie v. Domas-
zewski im Arch. f. R.- W. Xll (1909). 335 ff. wahrscheinlich gemacht hat, auf das .lahr
2 V. Chr. schliessen lässt, wo Augustus ,in völliger Vereinsamung allein an der
Spitze des Staates steht'.
2) CIL V. 18 (in epistyUu templi): Komae • et ■ Auguxto ■ Cnesari ■ Di vi • f.putri ■
patriae. Vgl. Nissen, Oi: 3, 288.
3) IG XII. 2. n. 1.52 (ara) Av]TO>f(>aTo<ji KuiattQi [Sfw] li'm Ä/?«][or(y, nc'i\tQi räq
4) Dio LV. 10 a, 3 : ö j'«p AoßitiO(; — zbv 'A/.ßiav /iitjikröq ol evavtwi\uh-ov öictßhq
(fO.lttv TE roTs iüfiv^ ßanßdtjoit avvsf^STO xcd ßtofxbv btt' aitov täi Aiyovatoj iöfiincnn.
Gardthausen I. 1158. 0. Hirschfeld (841) meint, dieser Altar habe nur als äusseres
Zeichen der Besitzergreifung gedient, während Toutaiu (Cultcs. 28) ihm eine derartige
Bedeutung beimisst, dass er schreibt: Cette fois, le dernier pas etait franchi par hs
Romains: ee n' etait pas au Genie d' Auguste, c'etait ä Auguste lui-meme gue s'adressait
cet hommage rituel. Wie das letztere sicher übertrieben ist (Dio spricht ja doch auch
von einem Tempel des Augustus in Pergamon. der sicher auch der Roma galt).
scheint mir Hirschfeld diesem Altar eine zu geringe Bedeutung beizumessen. Er war
doch wohl bestimmt für die noch einzurichtende rechtsrheinische Provinz und ge-
weiht der Roma und dem Augustus. Anders W. Otto Hermes 45 (1910), 459.
5) LV. 10. 9: avT(ö öh äl) zw Avyoiatu nyü>i> ri lepöc sv Neq nö/.ei ry Kaßnavldi
— imj(fla!^i], xai ij inwvv/ida // zov 7iaz(>d(; nxQißüx; (ööltrj; vgl. LVI, 29, 2; Strabo, V,
4, 7: vvii ÖS nivztzrj^ixdg «pöc «}'(uv avvTff.elTm tzuq' avzoTg fiovoixöc xe xai yvfivixöq
ini n/.ftovi; fj/jSQug, irä,ui).?.nq zoTg sTiKpcivforäzotq zUbv xuzk zijv 'Ek>.ci6a; Suet. ,
Aug., 98,5; Claud., 11,2. Der vollständige Name dieser Spiele ist erhalten in der
Inschrift IG XIV, 748 (== CIG, 5805) und lautet : 'Izcchxk 'Ptu/^icäa ^fßaazä ' Iao).i,unta.
Die einzelnen Perioden heissen 'Itah'deg (vgl. adnot. zu CIG. 5805). Sonst werden
die Spiele einfacher bezeichnet als ^^ßucza iv Nfunolfi (CIA III, 129, 16 : IG I, 49. 24:
IG XIV, 1102,23) oder es steht dafür der blosse Stadtname: iVf«»' nö/.tv (CIA III,
128: IG XIV, 737, 6; 746, 7; 747, 19). sV yfand>.{i)i (J. i: Ol. 232). Vgl. über diese
Spiele J. i\ Ol., 126 f. und Wissowa, Woclienachr. f. kl. Phil. 1897, Sp. 763 ff. Aus
dem Vorhandensein dieser Spiele können wir wohl schliessen, dass es in Neapel um
diese Zeit auch schon einen Tempel des Angustus gab. zumal ./. v. Ol.. 122. Z. 48
das Kataag[Hoi'] erwähnt wird.
42
Zur Begrihiilinui iles römisrlwii Kaiserkultes. 171
In Pompt'i wird M. Holeonius zum /humii Aidjitsli bestellt ').
Die miiiisfri (so seit 25, m. Meriiirii 3/(iine seit 14, m. Ain/usti
Mercurii Maine bald darauf) nennen sich nur noch nach Au-
gustus '•').
I. J. 1 n. Chr.
In Hom wird Aiiü-ustus als Mercnrius aetcniHs dens neben andern Göt-
tern ein Altar errichtet •').
I. .1. 3 n. C h r.
In Pompei treten die ersten »linistri Forfiitiac AHi/ii.sfac an*).
I. J. 4 n. C li r.
Inschriftliche Erwähnung- des Augusteums und eines fhiitioi
Aiifiiist/ von l'isae'l.
Z w i s c h e n 26. .) u n i 4 und 1 9. Ä u g. 1 4 n. C h r.
Cumae errichtet dem Augustus einen Tempel mit l)esonderem
Festjahr *).
1) CIL X, 837: M. Holcoiiio. Riifo. d. r. i. d. IUI. qiiiiiq. \ trib. mil. «. pupulo.
Augusti sacerdoti | ex. d. d. Die erwäbnte Quiiiqueniialität fällt iiiich Ausweis der In-
schriften X. 837 und 890 in das Jalir 2 v. Chr. : möglicherweise aber war der Ge-
nannte oder auch ein anderer schon früher sacerdos Augusti. Jedenfalls ist der
Augustuskult in Pompei im Jahre '2 n. Chr. spätestens öffentlich anerkannt. Vgl.
Nissen, P. St., 182 ff.; 243.
2) CIL X, 890 : A. Veius. Phylax \ N. Popidiua ■ Moschus | T. Mescmius • Am-
phio I Primus- Arrunti- M. L. | min. Aug. ex. d. d. iussu \ JW. Holcimi Ruß. IV \ A.
Clodi ■ Flacci ■ III \ d. v. i. d. \ P. Caesti ■ Postmiii | N. Ti>,tin ■ Enf, | [(/] /■. r. .s-. p. p. 1
[imp. cae]sare ■ XIII \ [m. plautio si]lano " cos.
3) Siehe die Inschrift oben Seite 150 Anm. 3.
4) CIL X, 824: Agnthemerus ■ Yetti | Suaris- Caesiae' Primae \ Potlm.'<- Numi-
Uiri \ Antcros ' Liwutulani \ minist, prim. Forlun. Aug. iuss. \ M. Stai. Rufi Cn. Melissaci
d. r. i. d. 1 P. Silio. L. Vohisio- Saturn- cos; vgl. n. 82-5—828.
5) Vgl. die sog. Pisanischen Dekrete: CIL XI, 1420 und 1421. Nissen. P. St..
183: Mommsen. St.-P. Tl. 757'; 0. Hirschfeld, 838"«; Beurlier. JK.wii, 17«.
6') Erhalten ist un.s das Festverzeichnis {fer. Cum.) im CIL I -. p. 229. Mommsen
hat dazu im Hermes XVII (1882). 631 ff. (= Ges. Sehr. IV. 1 [1906]. 259 ff.) einen aus-
führlichen Kommentar geschrieben. Das Jahr beginnt mit dem 19. Aug.. an welchem
Augustus zum ersten Male das Konsulat bekleidete. Dann folgen als weitere Fest-
tage zu Ehren des Kaisers: sein Geburtstag (23. Sept.). der einzige Tag, an dem eine
immolatio. und zwar dem Augustus selbst dargebracht wird: dann der Tag seiner
Mündigkeitserklärung (18. Okt.), der Tag der Einweihung des Altars der Fortuna
Redux (15. Dez.). der Tag der ersten Uebernahme der fasces (7. Jan.), der Annahme
des Namens Augustus (16. Jan.). der Einweihung der ora Paris (30. Jan.; an diesem
Tage wurde das imperium des Kaisers als Gottheit verehrt, was wir sonst nirgendwo
wieder finden), der Wahl zum Pont. Max. (6. März), des ersten Sieges (14. April :
dazu Mommsen, a. 0., 635 ff.), der Annahme des Imperatortitels (16. April), der Ein-
weihung des Marstempels. Ausserdem wurden gefeiert: der Geburtstag des Drusus
Caesar (5. Okt.). des Tiberius Caesar (16. Nov.), des Germanicus Caesar (24. Mai) und
des Divus Julius (12. .Juli). Dass Augustus schon zu Lebzeiten in Italien als Gott
verehrt wurde, erfahren wir einmal durch die zahlreichen Tempel, die ihm die
Städte errichteten, wird dann aber durch das feriale Cumunum ausser Zweifel gesetzt-
43
172 HiiljLii llcincii.
1. J. 9 n. Chr.
Errichtung; des Kaiseraltares in Köln ').
I. J. 10 n. Chr.
In Ankyra wird der Tempel der Koma und des Au^ustus ein-
geweiht ; erste Feier von vierjährigen Spielen ^).
I. .1. 11 n. Chr.
In Narbo wird der munizipale Kaiserkult eingeführt durch Er-
richtung eines Augustusaltars ^).
Weiter hätte man kaum gelieu können, als dass man den lebenden Kaiser derartig
in den Mittelpunkt der Jahresfeste setzte und einzig und allein, wie nochmals betont
sei, an seinem Geburtstage ihm selbst eine immohitio darbrachte. Mommsen sagt des-
halb mit Recht: , allem Anschein nach ist die in ganz Italien gleichmässig auftretende
Gotfesverehrung des lebenden Herrschers von diesem selbst, wo nicht geradezu her-
vorgerufen, doch wenigstens ausdrücklich autorisiert worden.' Vgl. Tac. A)in. 1, 10.
1) Tac, Ami. I, .57 : addiderat Setjestes legntis filiiim, nomine Segimundum. sed iu-
venis conscientia mnctahatiir. quippe anno, quo Germaniae descivere, sacerdos apvd Aram
Ulnorum creatus, ruperat rittaa. profugus ad rebeUes; vgl. 39 und 59. Das ist alles,
was wir über den Kölner Kaiseraltar hören. Galt er neben dem Augustus auch der
Göttin Roma ? VöUige Sicherheit werden wir wohl überhaupt nicht darüber bekom-
men. Aber wir haben nun einmal die Nachricht von Tacitus (a. 0. IV, 37). dass
Roma und Augustus in allen Provinzen vereint verehrt wurden, und solange dies
nicht irgendwie mit Sicherheit widerlegt wird, werden wii- annehmen müssen, dass
es auch iu Köln so war. Was die Zeit der Errichtung des Altars, der zweifellos für
die germanischen Provinzen errichtet war. angeht, so hat Nissen (Zur Gesch. d. röm.
Köln, Festschr. der 43. Ver$. deutscher Philologen v. Schulm. in Köln, gewidm. rom
Verein r. Altertumsfreunden im Bheinl., Bonn 1895, 154 f.) die ansprechende Vermu-
tung ausgesprochen, dass hier wie in Gallien ein Zensus voraufgegangen sei. Da
ein solcher aber vor dem Herbst 8 n. Chr. nicht denkbar sei. so müsse der Altar
in das Frühjahr 9 n. Chr. fallen. Sicheres lässt sich allerdings nicht darüber sagen:
vgl. auch Kornemann. 101 und 338 f.
2) CIG. 4039 und Dittenberger. OGI, II 533. Das Verzeichnis der vierjährigen
Spiele spricht bei der 2. Feier von der Julia Augusta, welchen Namen Livia erst seit
14. n. Chr. trägt. Die erste Feier ftlllt des);alb frühestens in das Jahr 10 v. Chr..
und es ist möglich, wenn auch nicht sicher, dass mit dem Beginne der Spiele auch
der Tempel eingeweiht wurde. Er wird erwähnt Z. 21 als xb —ißaazi/ov, doch geht
aus dem Anfang der Inschrift hervor, dass er neben dem Augustus auch der Göttin
Roma geweiht war: ra'/.aiSn' o [it](taaaßfvov &fiö —eßaorijj xnl (^ln'Pl!oßy. Auf-
fallend ist hier, dass Augustus vor der Roma genannt wird. Vgl. dieselbe Erscheinung
im pergamenischen Kult : Kornemann, 101 '.
3) CIL XII, 4333 [ara): L. Statilio Tau[ro] \ L. Loiiginu \ cos. X. K. Octohr.
(= 22. Sept. 11 n. Chr.) numini Augusti — plebs . Narbonen \ sium . ciram . Narbone . in
foro . poxitit. Dann folgen Bestimmungen über die Opfer : am 23. und 24. September
(Geburtstag des Augustus), am 7. Januar (weil Augustus an diesem Tage [i. J. 43]
die fasces erhielt) und am 31. Mai (an welchem der Kaiser den Dekurionen die ple-
beische Gerichtsbarkeit übertrug). An allen diesen Tagen sollen drei römische Ritter
aus der Plebs und drei Freigelassenen den Bürgern und Einwohnern der Kolonie, zur
Verehrung des numen Augusti, Weihrauch und Wein stellen. Dann folgt auf der
rechten Seite: [pleb]x Narbonensis a[ram] \ numini.s Augusti deldilcavit — legibus
iis . q{uae) i(nfra) s(criptae) . s(unl) (folgen diese ; zum Schluss) : Hisce . legibus . his-
44
'/.iif ll('(irii))<hiii(i des römischen Kaiserkiilfcs. 173
I. .T. 13 n. Ohr.
Tiliorius weilit am 16. .lan., im Anschlüsse an seinen pannonisclien
'rriuniiih ilen Tempel der Concordia Augusta ein ').
Am 17. .Tan. weiht or dem Au<iustus in Kom einen Altar mit jähr-
lichen Opfern -).
T. .T. 1 4 n. C h r.
In Aquileja wird dem Auiftistiis ein Altar errichtet ^).
(17. Sept.) Aiigustus wird durch Senatsbeschluss als Diviis Aiiifustus in
die Reihe der römisclien Staatsgötter versetzt *).
que . regionihus, sie . uti . dixi, hanc . tibi . aram . pro ■ imp. Caesare . Aug. p[atre) .
p{atriae) . pontifice . maximo . tribiim'cia . 2>otestute. XXXV (12/13 n. Chr.) conittge . li-
beris . genieque . eins . in per ] petntim . colendn . ohligareruiü . \ do . dedicoqiie . Uli xies .
Polens I propHimn. Demnach erfolgte die Einweihung des .Altars i. J. 12 v. Chr. Vgl.
0. Hirschfeld, 840; Beurlier, Essai. 24; Toutain, CuHes, 105. Die vielumstrittene
lex Narbnnensi^ {CIL. XII, 6038) gehört nicht der augusteischen Zeit an, wie Kra-
scheninnikoft', a. 0.. 147 ff., und Kornemann, 124 ff., endgültig bewiesen haben.
1) Dio LVI, 2.5, 1 : TU 'Oi.iovofinv imb lov TißfQi'ov KaHifpüSt/, xul aiiw xö Tf.
ixf Irov ui'Ofin xccl tö Tov ^Qoiaov tov nSf'/.ipov tthxov xal Tfltvtjxözog ^nfyQä(f>j; Suet.
Till. 20 : II Germania in urhein post biennium regresstis triuniphiitn, quem disttderat,
egit. — dedicarit et Coiicordiae acdem ; Ovid, F. I, 639 tf. : mmc liene prospicies La-
tiam, Concordia, turbam, | nunc te sacraiae constituere vianus. | Furius antiquam po-
puli superator Etrusci \ vocerut. et voti soherat ille fidem. \ — | — | causa recens me-
lior: passos Germania crines | porrigit auspiciis, dux venerande tiiis | inde triumphatae
libasti munera gentis \ templaque feci.Hi, quam colis ipse. deue. \ hanc tua constituit geiie-
trix et rebus et ara, sola toro magvi digna reperia Joris. Der pannonische Triumph
des Tiberius fällt in das .Jahr 14 (vgl. Mommsen. HG. V, 45 ' ; Gardthausen II, 834 ff.),
u. zw. auf den 16. Jan. (CIL. I-, p. 231 z. 16. Jan.). Gardthausen, a. 0., hat nun
mit guten Gründen dargetan, dass die Zeit der Tempeleinweihung, entgegen der ge-
wöhnliehen Annahme |16. Jan 10 n. Chr.). mit dem Triumph zusammenfalle. Da-
für spricht einmal das für beide überlieferte gleiche Datum (CIL. I-. p. 308: 16. .Tan 1
dann Suet. (a. 0.). der die Einweihung gleich nach dem Triumphe erwähnt, ferner
die Anführung der Germanen bei Ovid (a. 0.), was sich unmöglich, wie man gemeint
hat, auf das Jahr 8 v. Chr. beziehen kann, vielmehr auf die Feldzüge der Jahre 11
u. 12 n. Chr. Von den für d J. 10 vorgebrachten Zeugnissen kann Dio nichts be-
weisen, denn er hat vor der zitierten Stelle eine Lücke, und die Pränestiner Fasten
sind sehr verstümmelt und möglicherweise ist die Konsulatsbezeichnung an eine
falsche Stelle geraten. Vgl. über diesen Tempel Nissen, Templum, 204 f. ; Jordan, Toji.
1. 2, 333. Die Concordia Augusta wurde auch im Reiche verehrt, vgl. z. B. CIL II,
3349: Augusta \ Paci . perpetuae . et . Concordiae | Augustae \ Q. Viltiu.t . Felicio . serir .
et I Yibia . Fe'icala . ministra . Tutelae | Augustae — . 4270. Vgl. K. Peter in Roschers
Le.vih. u. d. W.
2) CIL I-, p. 231 [f. I'raen.) /.. 17. Jan. Pontifices n{ugures XV riri s. f. uii]
vir . epulouuiu rictumas ium[ol]ant ti[ui>uiii augusti ad aram q]am dedicarit Ti. Cae-
sar fe[licitati] q[uod ti. Caesar arani] Aug. patri dedicavit. Da der Altar dem numen
Aug. geweiht ist und dieser noch nicht Divus heisst, so fallt die Weihung vor 14 n.
Chr., wahrscheinlich im Anschlüsse an den Triumph. Gardthausen I, 1230.
3) CIL V, 852: Imp. Caesari \ Dici. f. .lugusto \ pontif. ma.rim | trih. potest.
XXXVII I COS. XIII. p. p. sacrum.
4) Vell. II, \2i: post reddilum caelo patrem, et corpus eins liumanis honoribus.
nomen divinis honoratum. Dio LVI, 41, 9: xö xtXtvxtüov xul V/Quiu nniSsl^uxs xtü nun-
45
174 Huhert Heine»,
Livia (Julia Augusta) wird zur ersten Priesterin des neuen Gottes er-
nannt ').
Der Senat beschliesst den Bau eines Tempels, dessen Erriclitung Ti-
lierins mit seiner Mutter übernimmt -).
Bis zur Vollendung desselben soll zur Verehrung des Divus Augustus
dessen Kultbild im Tempel des Mars Ultor aufgestellt werden *).
Sein Sterbehaus in Xola soll eine Kapelle für den neuen Gott erhalten^).
Sein Bild nicht mehr unter den Almenbildern hei Leichenbegängnissen
getragen werden^).
Seinen Geburtstag sollen die Konsuln wie die Martialia feiern ^).
Das Kollegium der Sodales Augustales wird gestiftet ').
vazov nnf<ptjr«Tf . ovxovv oiäi nfvSftv avTOV ^i/nir npSTifi, n>.).a xb ii'sv aü>ftft airov
T5 ipiast fjötj nnoöovvai, i»/i' äi ^pv/.^/v «'S ''«« 9sov ß« AyiDJ.fti' (Rede des Tiberius) :
CIL IK p. 244 (F. Am. z. 17. Sept.): Lud{i} iti eirc. fer. ex s. c. q. e. d. Divo Au-
giisio honores caelesles a senafu decreti. Sex. AppuL Sex. Pomp, cos: CIL l\ p. 248
(F. Attt. z. 17. Sept.). Vgl. Gardthausen II, 868"; Beurlier, a. 0., 27 ff.
1) Dio LVI, 46, 1 : i&pfiäv zf Awviav xt/v ^Iov).tav xf xal Avyovaxav //rf»/ xiü.oi-
uit'ijf nnsSeiSciV.
2) Dio LVI. 46, 3: xni ahxö) tv xf xt} 'Piofiij ^ipwov n'>j<pio&sv /xiv vno xij; yfQoi-
ola: olxoäo/jij^iv is htö xs TiJ; .Itovla;; y.ui inö xoi- Ttßigiov inoit/th]-, Tac. Ann. 1.
11: Ceterum !;epuUiira more perfecta, templum ei cachsies religiones deceniuntur: vgl.
VI, 4.1 : Vell. II, 126: Plin. XII. 42; Prudent.. C. Lysm., L, 1. Gardthausen U.
870*'. Der Tempel lag am Nordwestabhange des Palatin, wo die via nova mit dem
vicus Tuschs zusammenstösst. Erbaut von Tiberius und Livia {CIL VI, 2083. 4 :
Fun. n. h. XII. 94). erfolgte seine Einweihung erst i. .1.. 37 durch Caligula {Dio LIX.
7,1; Suet., Tih.ATi: CaUg. 21). Vgl. Marquardt. St-V. HF, 468: Preller- Jordan,
B-M. U^ 431: Beurlier. Essai 333 f. ; E. Aust. Die stadtröni. Tempelgriindungen
der KaiserzeiL Progr. Frankf. 1898, IV ff.: Hülsen. N. Jrb. XIII (1904). 23 ö'. Als
i. J. 42 Augusts Gemahlin. Livia. starb, wurde sie in demselben aufgenommen (Suet.,
Claud. 11, 2; Dio. LX, 5, 2: CIL VI. 4222. üeber die Opfer der Arvalbrüder bei
diesem Tempel s. Aust, a. O. V ; Marquardt. a. 0. CIL VI. 2035 ff. : Kornemann.
116 f.).
3) Dio LVI. 46. 4: tr (ü <$' oiv xb iv t>i 'Pixili^ I^qiöov iylyi'fxo, tlxövu ctixov /ov-
aijv inl xh'viji ie xbv xnv "A^fojc vabv il^eaai; xn'i exf/itj näyxn uaa xoj nyä'/.fiuxi ni-
xol' ufxä xnfxo /p/Jöföd«! eue/./.ov ivöiittaav. Diese Bestimmung legt einen Vergleich
mit Cäsar nahe, dessen Statue von Augustus im Aug. 44 im Tempel der julischen
Stammmutter aufgestellt wurde, wie die des Augustus in dem des Stammvaters.
4) Dio LVI, 46. 8 : xcu oi )j iv xf iVtu/g otxla, iv ij fifx>/>.i.a^er, iiffiivi'a&ij. Gardt-
hausen I, 1277.
5) Dio LVI, 46. 4 : ((Wtjipi'aftij) xal unw: /X),x^ ilxwv avxov iv ix(fogä xiioi no/x-
nfvtj. Vgl. oben Seite 136. Nr. 6.
6) Dio LVI. 46. 4: xal xh yivsaia oi vnaxoi i| laov xoii 'Agtioi: liyvjfoftexCuat,
xä xe Aiyovaxfi/.ia oi Sfjpiupyoi ü)c xal 'ifQonQfnui; ovxfs öiaxi&Coai.
7) Dio LA'L 46, 1: xal 9iaaiJaxas ol — fneäfiSar; Tac, Ann. I, 54: addito soda-
liuni Aiigustalittm sacerdotio : ut quondam T. Tatiiis. retinendis Sabinorum sacris, so-
dales Tatios instituerat . sorle ducti e pi-imoribus civitatis tinus et riginti . Tiberius
Drususqtie et Claudius et Germanicus adiiciiintur; Hist. II, 95 : Augiistales — , quod
sacerdotium, ut Romulus Tatio regi, ita Caesar Tiheritis Jüliae genti sacravit. Diese
Priesterschaft war also nicht allein für den göttlichen Augustus bestimmt, sondern
46
Zur Iir(jrihi(htii(i (ks römisclipti Kdisorhdtes. 17'»
liiviii stifti't /u Ehren des Verstorliincii ilr('itii<;ige Spiele auf dem
l';ilatiii 1).
Anhang- zum dritten Teil.
Priester, Altäre und Tempel des lebenden Augustus in Italien.
Oumae (s. o. ■/,. .1. 4 n. Chr. mit Aimi.), Puteoli (CIL X, 161.3: Nissen, P. St., 182:
Hirschfeld, .V. Brl. Ak. 1888, 838"). Pompei (CIL X, 81«. 820. 837), Neapel (s. o. z.
.1. 2 V. Chr).. Tarracina {CIL X, 6305: Ronuie ■ et ■ Augnxto " Caesciri- Bii-i • [f.] A. Aemi-
lim- A. f. ex. pecunia siia -f. c; Gardth. II, .517«»), Ostia {CIL XIV, 73. HbS), Praeneste
{CIL XIV. 2964; Hirschf. a. a. 0., 838 •'•), Casinum (CIL X. .5169), Benevent (CIL IX.
1.5.56: s. o. /.. .T. 15 v. Chr.), Fanum Fortunae (Vitruv V. 17). Asisium (Hirschfeld a.
a. O.. 838 ^'■•'). Perusiii(C7LXI, 1922: August,, \ liicus | sacer: 1923), Pisae (f 7L XI. 1420.
1421, s. o. z. J. 4 n. Chr.), Forum Clodii (CIL XI, 3303: Beurlier. Exsni. 17', .Momrasen.
Hermes XVII, 640). Luna (CIL XI. 1331 : da hier der Priester ßnni. Romae et Aug.
heisst. am Schlüsse jedoch Dii-o .iugusto steht, so wäre es möglich, dass das Prie-
stertum bereits vor 14 n. Chr. bestand), ('rcnioiia (CIL V. 4442). Verona (CIL V.
8341). Pohl (CIL V. 18).
Vierter Teil :
Der Kult der Mitglieder des Kaiserhauses s).
A . L i V i a.
Die Insel Lesbos verehrt sie als Göttin Livia '*). Ebenso ionische
Städte *). Thasos als Thea Euergetis '). In Mysien wird sie
der Demeter gleichgesetzt "), in Pergamum der Hera ^). In
Athen ist sie und .lulia dem Vestakult angeschlossen *). Phi-
lippus. Nachfolger des Herodes, nennt die Stadt Bethramphtha
im Ostjordanlande ihr zu Ehren Livias '•").
allgemein für die sacni geiitis Juliae. zu denen jetzt der Divus .hdiu.s und der Divus
Augustus hinzukamen. Beurlier, Kssai, 81 ff. ; Wissowa, B. u. K., 488 f.
1) Dio LVI, 46, 5: ij Ainvla iSiav ö>) Tiva aizw ncevi/yv^iv inl tqh: »///fp«? iv rtf
TinXaxlu) ^noi'ijOfi-, tj xal rfffpo äfi vn' aiiöii' tCov af'i attoxQcttÖQtav tflflzai; Jos ant.
XIX, 1,11: Suet.. 6V//.. 56, 2; Tac. Ann.l. 73: iudis, quos mater sua in memoriam Au-
gusti .■^(icrasset : CIL P, p. 308: C.ardthausen IT. 873»*; Wissowa a. 0., 390'.
2) Das Material für diesen Teil findet man in der Hauptsache auch schon in
den oft zitierten einschlägigen Arbeiten über den Kaiserkult : am vollständigsten
bei Gardthausen II (s. den Index am Schlüsse des 1. Bande.s) ; ferner bei O. Hirschfeld.
843 ff. und Toutain. Cullen, 64 ff.
3) Eckhel VI, 148. — 4) Eckhel a. O.
5) IG XII, 8 (1909), n. 381 A; B: 'OäTßioc \ Aiißiav d(iov[<}i)./.\Kv r[.>]v tov Stßa-
OTOV Kmort(in<; | yvicdxa i^iav Evt(>yixiv \ 'Iiiv?.ircv Mkqxov ' Ay{(>\imiov 9vynTSQa \ o
äij.uog (vom Herausgeber zwischen 19 und 12 v. Chr. gesetzt).
6) Catal. of the gr. coins: Mysia (1892). 140. n. 2.50: rdiov Afixiov (ihre Köpfe)
R: yinoyirijz . ^eßaoTi'jV . nfQyeifirjvOyy (Livia als Demeter).
7) Eckhel VI, 168: 'lovliuv ^A<pQo6izt)v (Kopf der .lulia). R: Aißinv "Hqkv Xu-
ijtvog (Kopf der Livia).
8) .4. Mitf. XIV (1889). 321 = CIA III. 31(i: Vft»;«c 'Enriag )?.-i' ünoonöXn y.u,
Außiac xal 'Iov>.ia(c). Gardthausen II, 715".
9) Schürer II*. 213 ff
47
17f) Hnhert Hchien,
Seit 3 n. Chr. ist der Kult ihrer Juno in Afrika verbreitet ' |.
In Falerii wird ihre Juno neben dem Genius des Augustus und
Tiberius verehrt ^). In Himera wird ihr und dem Tiberius ein
Altar errichtet '^l. Hahmtiiim auf Sizilien verehrt sie als Göttin'').
B. M. A g r i p p a.
Nach ihm sind benannt die Städte: Anthedon ■'^), Phanagoria ")
und Amorium '). Athen feiert ihn als Euergetes "). Kyzikus
als Gründer der Stadt '), Mytilene als Gott Soter '"), Ilium als
seinen Verwandten und Patron "). Auf Kos werden ihm Spiele
gefeiert '-).
C. Julia.
Thasos feiert sie als Euergetis '''). Lesbos verehrt sie als Euer-
getis "). Göttin'") und neue Aphrodite"'), Pergamuni als Aphro-
dite''). Auf einer um 17 v. Chr. geschlagenen Münze erscheint
sie als Diana '**). Priene verehrt sie als Göttin '^). Paphos als
Julia Sebaste^ö).
D. C. und L. C a e s a r.
1) CIL VIII, 16456 (= E;jh. ep. V, 372, n. 640) : Jiuwiii . Liviae . AiHjusti . sa-
crum I L. Passieno . Biifo . imperatore | Africum ohlinente \ Cii. Cornelius . Cn. f. Cor.
Rufus I et Maria. C. f. Oalla . Cn. [uxor). Moii. Anc.'', 18-; Gardthausen II, 386".
2) CIL XI, S076 : Genio Augusti \ et Ti Caesaris | Junoni . Liviae \ Mystes 1.
3) CIL X, 7340 : Ära | iinp. Cae[sari] et [L]iv[iae] matri [ti . caes .] | imp. Cae[s.
fili (nach 4 n. Chr.).
4) CIL X, 7464: Liriae . ^iiigiisti | deae | municipivm.
.5) V. Sallet, Ztxrh: f. iY»m. XIII (1885), 139 f. : \A.y(jimia \iyQnni[fU}vU vgl.
Schürer a. 0. US f.; anders Gardthausen II, 412 ^^
6) Vgl. die Stellen bei Gardthausen II, 413 3».
7) Gardthausen I. 740; II, 412 -».
8) CIA III, 575. 576; vgl. CIG 1878; Gardthausen I, 740; II, 414'«.
9) Rev. it. gr. VI (1893), 8; Gardthausen II, 486 ^
10) IG XII, 2, n. 166; 203: '0 ääfioq \ f^iov oüirjQa x&q nöf-ioq MaQxov \ \AyQin-
nttv TÖv tifgyizav xul xxiaxttv (== CIG 2176); vgl. A. Mitt. XIII, 61.
11) Dittenberger, Syll. I^ 352.
12) Paton-Hicks Inner, of Cos (1891), p. 137. n. 104, Z. 13: \A.ygi7inriuna&ntxov(;
TlfVZuß^.OV.
13) IG XII, 8, n. 381.
14) Ret: et gr. V (1892). 412.
15) RCR 1880, jj. 517: '0 di/.uo? | 'lovf.iav &(äv {dioxQaToyoq &foü viov Ssßaa-
[tov; R. arch. (3. serie) XV (1890), 142, n. 29.
16) IG XII, 2, n. 482: ['I]o[v/.ltt via '.4y]yO(J/r«, r« Tifüöi tCo ^ejiaaru) reu &io)
Äß[/]iT«()o;, zä fvtgy£[z^iöi ; vgl. n. 537.
17) Eckhel VI, 168 (s. Seite 175, Anm. 7).
18) Cohen P, 180, n. 1 = Babelon II, 82. n. 2.54.
19) /. V. Fr., n. 225 : '0 örjuog | [^I]ov}.iav Öfni' 1 [x]ci>.>.ltfx>ov | [rjjyv KidauQOq \
[Öf]oC —fßaazov \ [lt]vyarigci xa[ftt]eg(uafv.
20) Journ. of hell. stud. IX (1888), 243. n. 69 : 7[o!;]A/«)' »f«i' yißttaz}j[y] \ »vya-
r*p« avTOXQÜzofjolg] | KuiouQoq 9foö vioi »fo[f] | —fßaazoi', yivuixa 6e ' .iy{QLnna\.
48
Zxr Bf'(iiiii/(h(ii(/ des röiii/srlir». Kdisrrhiilfcs. 177
Atlicn vereint den Gaius als Sohn des Ares '). Daselbst ^) und
in Mylasa ^) wird er als neuer Ares verehrt. Kos hat Spiele^)
/u seiner Ehre, ferner Priester ^|.
Lucius wird bald nach seinem Tode in Mytilene als Gott ver-
ehrt ''), beide in Pergamum als Tempelgenossen des Dionysos ').
AceiTae errichtet ihnen als Heroen einen Tempel^). Ebenso
hat Nemausus einen Tempel für beide ").
E. T i b e r i u s Cl a u d i u s N e r o '").
Perg'amum verehrt ihn als Euergetes ") ; ebenso Saraos '^). In
Nysahat er sogar einen lebenslänglichen Priester, i. J. 1 v. Chr. ").
In Falerii wird sein Genius neben dem des Augustus und der
•Juno Liviae verehrt '■•).
Bonn.
1) CIA in. 444a (p. 49fi): \Sj flov'/.lj x(d ö] dr/uog rawr [Kaloana avTOX()UT]o(ja.
".4(>?;[os] vtöv.
2) CIG, 311: '0 dr/,uoi; Pixiov Kalaaga ^^ißuarov vlbi' vi-ov "A^ij.
3) BCU XII (1888), 1.5, Z. 4 ff. : Priester der Roma, des Augustus und des Gaius
rhn[v "Aqioc]-
4) Paton-Hicks a. 0.. 137, Z. 9 ff. : A'«; auQtju za ril^t/neva raivi Kul okqi.
5) J. r. Ol. 110, n. 53, Z. 2; hlgimg Fdiov 'lovXtov KalaaQOQ.
6) A. Mitt. XIII (1888), 61. — 7) ,T. v. Perg., 27.5, n. 884 (Kommentar).
8) Dessau, Iiiscr. lat. sei. I (1892), n. 137.
9) CIL XII, 31.56; O. Hirschfeld, 84-5.
10) Für Tiberius lassen sieh vei-hältnismässig am wenigsten Zeugnisse beibringen,
eine Erscheinung, die ihren Grund in seiner Stellung zum kaiserlichen Hause und
in seiner nücbternen Denkungsart hat.
11) Alf. V. Per;/. VIII, 386. — 12) B. nrch. XXIV. 36. — 13) CT(.\ 2943.
14) Siehe Seite 176, Anm. 2.
49
178
Vopisciis und die Biographie des Kaisers Tacitus.
Von Ernst Holil.
Das Problem der Scriptores historiac Augustae. wie man die Samui-
lung der Kaiserbiographien von Hadrian bis Caiiniis ') zu nennen pflegt,
scheint, naeli der beständig wachsenden Zahl von Arbeiten zu schliessen,
die sich um seine allmähliche Lösung bemühen, noch immer im Vorder-
grund des Interesses zu stehen. Wenn man bedenkt, dass noch ein Ranke
einen so kläglichen Skribenten, wie den letzten in der Reihe der angeb-
lichen sechs Autoren, den Vopiscus, als einen , Forscher" feierte, ein
•Tacob Burckhardt Dokumenten, die für uns heute den Stempel der Fäl-
schung an der Stirne tragen, volle Zuversicht entgegenbrachte, so ermisst
man er.st richtig das ausserordentliche Verdienst von Hermann Des-
sau, der in einer glänzenden Untersuchung (Hcnncs 24 [1889] S. 337 ff.)
mit einem Schlag das allzu gläubige Vertrauen aufs schwerste er-
schütterte. Aber so aufklärend und befreiend seine kühne Hypothese von
einer Fälschung der Sammlung und der Autorennamen durch einen Mysti-
tikator theodosianischer Zeit gewirkt hat. so ist doch im einzelnen noch
viel Arbeit zu leisten, bis ein abschliessendes Urteil möglich ist. Viel-
leicht darf man aber schon heute die Hoffnung wagen, dass dieses Urteil
sich nicht allzuweit von Dessaus Untersuchung entfei-nen wird, wenn auch
freilich manche Modifikation sich wird vornehmen lassen. Was zunächst
notwendig ist, um die Forschung auf eine sichere Grundlage zu stellen,
das hat alsbald Theodor Momrasen mit klarem Blick ei-kannt {Hei-
mes 25 [1890] S. 281 = Gesammelte Schriften Bd. VII [1909] S. 351 f.).
Von den beiden Forderungen, die er gestellt hat. ist inzwischen die eine
eines Wörterbuchs von C. Lessing. Srri2)fori(m historiae Au<iustac lericmi
1) A diro Hadriano nxque ad Nitmerianum steht, nicht ganz richtig, in den
Handscliriften, da an letzter Stelle Carinus behandelt wird. Freilieh lautet auch der
zusammenfassende Titel der Schlusslnographie : f'ai».s et Carhniii ei Niinieriatius:.
S. auch ß. Niese. Grundri.fs der römischen GegchicIUe in ,T. v. jrtillers Haiidhuch der
l-lassisclien Alierluvisicissetischaft III. .5 1910* S. 280 Anm. 8 und Paul von Winter-
ield, Satzschluasstudien zur Historia Aiuiusta. Bliein. Mus. 57 (1902) S. oh~ A. 2. —
Nach Mommsen. Mcrmes 13 (1878) S. 300 f. = Ges. Sehr. VII. S. 300 f. .möchte die
Ueberschrift intae Cuenarum Anspruch darauf haben die ursprünsrliche zu sein-. Dies
würde vortrefflich zu Suetons De rita Caesarum passen.
1
Krvst Hohl. Vo/iisins und dir liiof/rdph/f drs Kaisers Tacitiis. 17!t
Lips. 1901 — 06 erfüllt worden'). Die andere Forderiin<f. wonach „für
jede einzelne Notiz die ParalleLstellen vor Augen /u fiiliren oder aucli
deren Mangel zu konstatieren" wäre, geht wenigstens ihrer P^rfiillung ent-
gegen-). Als neue Erscheinungen, die mit der Lösung des Problems in
dieser Kichtung sich beschäftigen, mögen hier die Arbeiten von W. Thiele,
De Seren) Akxnndro imperatore, Berl. Diss. 1908 (caput 1) und, vollstän-
dig, bei Mayer und Müller, Berlin 1909, von Erich Dannhäuser. Uider-
snchungen zur Geschichte des Kaisers Prohits (27G — 282), Diss. Jena 1909 ^)
und von Karl Hönn, QueUnuintersuchungen zu den Viten des Heliogahalus
und des Severus Alexander im Corpus der Scriptores historiae Augustae,
Heidelberger Diss., Leipzig 1910*) genannt sein. Im übrigen kann ich
mich damit begnügen, für die Literatur zur Historia Augusta auf die letzte
Uebersicht von Hermann Peter, dem Herausgeber des Corpus, in Bursians
Jahresbericht 130. Bd. (1906) S. 1—40, für die aligemeine Orientierung
über das Problem aber namentlich auf die Einleitung von Ernst Korne-
mann, Kaiser Hadrian und der letzte grosse Historiker Borns Leipzig 1905,
S. 4 ff., hinzuweisen.
Nachdem bisher für den ersten Teil der Biographien verhältnismässig
viel geleistet war, wurde der zweite Teil (von den Maximini duo ab) etwas
vernachlässigt. Freilich hatte Ch. Lecrivain, £tudcs sur l'hisfoire Au-
guste, Paris 1904, ausser einer Zusammenfassung der Resultate vor allem
der deutschen Foi-schung den Versuch gewagt, sämtliche Viten des Cor-
pus unter dem Gesichtswinkel der Quellenforschung einer Analyse zu
unterziehen. Aber das Urteil, das Komemann a. a. 0. S. 6 f., über das
Buch gefällt hat. das eine Masse von Problemen anschneidet, ohne zu
einer Lösung zu kommen, gilt nicht nur für die erste Hälfte. Trotz mancher
1) Im Interesse der Einheitlichkeit und leichteren Verständigung wäre zu wün-
schen, dass die von Lessing a. a. 0. S. II gewählten Siglen zu allgemeiner Anwen-
dung kommen würden. (Freilich konnte sich auf diesem Weg z. B. ein Druckfehler
in den Thesaurus Jinyuae Latinae einschleichen, indem ein T ö,ö{^ tri(ii)tta ti/niiiiii).
da.s Lessing unter adsertor autführt, dort als Tac.h,'] erscheint. Tlies. 1. Lat. II s. v.
(isseHor I B Sp. 871).
2) Vgl. Eduard Norden bei Mommsen. Ges. Sehr. VII (1909) .S. 352*.
3) Cfr. W. Thiele, reo. Wochenachrift für Massisclie Philologie 1909, Sp. 913 ff. und
Hermann Peter, rec. Berliner philolmjische Wochenschritt 1910, Sp. 1013 f.
4) Die Dissertation gibt nur den ersten Teil {Quellenstudien zu den ShA [Macrin
his Severus Alexander]). Diese Arbeit kam mir erst nach Absehluss der vorliegen-
den Untersuchung zu Gesicht. Um so mehr freue ich mich, dass wir beide ganz un-
abhängig von einander für die Beziehungen zwischen v. Tue. und AS, sowie für
Zeit und Ort der Entstehung zu verwandten Resultaten gekommen sind. — Die ganze
Abhandlung wird, wie mir der Herr Verf. mitteilt, bis Ende 1910 im Verlag von B. G.
Teubner, Leipzig, erscheinen. — Ich möchte übrigens dem Herrn Verf. auch an die-
ser Stelle meinen wärmsten Dank für sein gütiges Entgegenkommen aussprechen.
Er war so freundlich , mir sogar Einsicht in einige Korrekturbogen zu gewähren,
üeber Orma Fiteh Butler. Studies in the life of Heliociahahis, New- York 1908 vgl.
K. Hönn. rec. Deutsche Literatur:eitung 1910 Sp. 1194/6.
12*
2
180 JSnisf Hohl.
treffenden Einzelbemerkunt;' hiit ihn docli die übermässige Ausdelmuug der
Arbeit stets gehindert, in die Tiefe zu dringen. Während die Arbeiten
von J. M. Heer, Otto Th. Schulz. Kornemann. Thiele und Hönn für den
Anfang des Corpus sieh gerade der eindringenden Analyse einzelner Bio-
graphien mit denkbar bestem Erfolg gewidmet haben, ist in den neueren
Abhandlungen, die die späteren Kaiser betreffen, so z. B. in dem Artikel
von Groag über Aurelian bei P<ui1i/-W/ssohii V. Sp. 1347 ff. oder in dem
Essai SKI- Je regne de Vempcreiir Aiirrl/eii. Paris 1904. von L. Homo') die
Prüfung der Vita hinter dem Aufbau der Geschichte bei der verhältnis-
mässigen Fülle historischen Stoffes begreiflicherweise zurückgetreten. Na-
türlich ist dahei trotzdem manches Licht auf die einzelne Biographie ge-
fallen. Auch bei Dannhäuser scheint mir. obwohl er sich auf Mommsens
Forderung beruft (a. a. 0. S. 8 f.) und immerhin in zwei Exkursen aus-
schliesslich die Vita Pi-obi des Vopiscus betreffende Fragen bespricht,
imter der Darstellung der Geschichte des Kaisers die analytische Behand-
lung seiner Biographie etwas gelitten zu haben.
Wenn ich im Folgenden aus den noch nicht behandelten Viten des
Vopiscus die Vita Taciti (et Floriani) zur Untersuchung heraus-
gegiüffen habe, so ist hier die Gefahr sehr gering, dass die historische
Darstellung sich zu sehr in den Vordergrund drängt. Denn der positive
geschichtliche Ertrag ist für die hitcrrcf/es-) Tacitus und Florianus so
unbedeutend, dass unwillkürlich das volle Interesse sich der Vita selbst
und dem Quellenproblem als solchem bezüglich- des Vopiscus zuwendet.
So darf man vielleicht hoffen, dass aus der Not des Historikers eine
Tugend gemacht werden kann und dass der Charakter der Schriftstellerei
des Vopiscus gerade da sich offenbart, wo er von seinen Quellen ziemlich
im Stich gelassen wird.
Stellen wir nunmehr die Vorfrage . in welcher Zeit der Verfasser
der letzten Biogi-aphien des Corpus von Aurelian bis Carinus . F 1 a-
vius Vopiscus Syracusius, wie ihn die Handschriften nennen.
geschrieben habe, so treten für ihre Beantwortung die Forscher in drei
Gruppen auseinander: zunächst die Konservativen, vertreten durch Momm-
sen, Peter. Lecrivain u. s. w. : diese Forscher gehen aus von der Ein-
leitung der rifa A. und nehmen das Jahr 303 als terminus post quem
für die Abfassung der Biographien an (s. u.). Die zweite Gruppe bilden Rühl.
Tropea. Giri (s. u.) — diese Gelehrten versuchen auf Grund anderer (schein-
barer) Anspielungen auf die Zeitereignisse sichere Daten zu gewinnen.
Im Gegensatz zu diesen beiden Parteien stehen Dessau und Seeck. die Fäl-
schung des Corpus um die Wende des 4. .Jahrhunderts behaupten. Die
eine — konservative — Partei also, die Dessaus Ergebnisse ablehnt, kann
glauben, gerade für die Datierung des Vopiscus auf ganz gesichertem
1) Vgl. auch desselben Verfassers De Claudio Gothicn Eonimionim impfinline.
Diss.. Paris 1903. — 2) Tac. 14. .5.
Vopiscua null ilir li/tii/rn/ili/e drs Ktt/.scrs Tmihis. IBl
Builen zu stehen. [)enn zu Bcffinu der fila A.. mit der die IJeilie
der unter V'opiscus' Namen gehenden Biograpliien einsetzt, erziililt dieser
von einem Gespräch, das er bei der Feier der Hilarien mit dem Stadt-
präfekten Tnnius Tiberianus in dessen Anitswagen (iiKliriali cKi-pentu)
gehabt haben will. llieduri-!i habe er die Anregung zunächst zur bio-
graphisclien Behandlung des Kaisers Anrelian empfangen. In der Liste
der Stadtpiäfekten im Clironogntphrn roxi Jiilire :>:')4 kommt in der Tat
ein lunius Tiberianus vor. der dieses Amt zuerst im .1. 291/2 und ein
zweites Mal im J. 303/4 (12. Sept. 303—4. Jan. 304) bekleidet hat. Den
ersten Termin hat schon .Julius Brunner '). Vopisriis' Lchcnshcschre/ftiiiii/cii.
in BiUlhujcrs Untci.snr/miini'ii iiir römisclini Kaiscrfjc.sch/clitc II. (Leipzig
1868) S. 5 ans chronologischen Gründen abgelehnt. Beim zweiten Datum
ergibt sich eine kleine Scliwierigkeit '). Denn die eigentlichen Hilarien.
an die man zunächst wird denken müssen, wurden am 15. März gefeiert,
fallen also garnicht in die Amtszeit des Präfekten. Freilich gab es da-
neben noch ein zweites Fest gleichen Namens am 3. November. Man kann
danach entweder die Unterhaltung auf den 3. November des J. 303 an-
setzen, wie das z. B. Brunner a. a. 0. tut, oder aber, und das hat Momm-
sen vorgeschlagen (Hrrmrs 2?,. S. 257 Anm. 1 = Ges. Sehr. VIL S. 329
Anm. 2), statt ^»"«Z. ihhi. lau. schreiben jiriiL luni. Iiin.^). Mit dieser
Konjektur gewinnt man als Datum des Gesprächs den 25. März 304. Nun
hält es zwar H. Peter, Die Scr/pfores historine AiKjtist.ac. secli.'i litterargc-
.silikhtUchc Unfersnclnniffoi. Leipzig 1892, S. 39 für das .Glaublichste",
dass „die Hilarien und die Staatskutsche ausschmückende Zutaten" seien,
„wie sie die Rhetoren lieben"*), gibt aber trotzdem den Glauben an die
Anregung des Yopiscus durclu Tiberianus nicht auf, die in das .1. 303
oder die ersten Monate des folgenden zu setzen sei. Wölfflin. 3Iiiiulicncr
S'dntnqsherklde 1891. S. 528, beruft sich auf Brunners Aufstellungen.
1) Diese Arbeit ist Ijezeii/hnend für die blinde Zuversichtlicbkeit. mit der nuui
vor Dessaus Abhaiidhiiig die Angaben iles Vopiscus behandehi konnte. So werden
hier noch .alle Briefe und Aktenstücke mit Haut und Haar als echt verspeist": K.
Klebs. Historischr Zeitschrift Bd. 61 (N. F. 2.5), (1889) S. 231 Anm. (i.
2) Vgl. hiezu Dessau, ffermes 24 (1889) S. 344 f.
3) S. auch Dessau, Hermes 27 (1892) S. -567 Anm. 1. — So leicht die Monunsen-
sclie Konjektur ist. so halte ich es doch prinzipiell für bedeuklicli. dem Vopiscus zu-
lieb den Chronographen zu korrigieren. Vgl. Giri a. u. a. 0. S. b'i f.
4) Auch Rühl, Mein. Mus. Bd. 43 (1888), S. 603 erwähnt die .Möglichkeit einer
poetischen Fiktion". Dass das Gespräch .nach iigend einem Muster' gearbeitet sei.
vermutet Groag bei P.- W. V, Sp. 1349. — Eine neue Auflassung des Gesprächs suclit
L. C. Purser, Notes on Vojnscus, Hermathenu No. XXXIV, Dublin-London 1908, S. 39
A. 2 zu geben. Während nämlich nach Mommsen a. a. 0. Vopiscus in dieser Ein-
leitung sich von Tiberianus den Freibrief geben lässt. es mit der Wahrheit nicht ge-
nauer zu nehmen, als seine Vorgänger {habebiü iiienduciitrum comite!<), nimmt Purser
einen blossen Scherz des Tib. an, der in Wirklichkeit den Vop. zur Genauigkeit cr-
mahnen wolle. — Mich hat diese Erklärung nicht befriedigt.
182 Eniist Hold.
Lecrivain . :i. a. 0. 8.2:!, folgt Mommsen , ebenso G. de Sauctis, trli
scHptores li/storiac AiKjudac, Rivista dl storia antica I. (1896) S. 100.
Auch Dannhäuser lässt den Vopiscus zu Anfang des 4. Jahrhunderts und
zwar unter der Regierung des Kaisers Constantius schreiben (S. 15: vgl.
S. 50 Anm. 1. S. 81), hält sich also au Momrasens Aufstellung, der (u.
a. 0. S. 259 = S. 331 vgl. S. 245 = S. 318) die schriftstellerische Tätig-
keit unseres Biographen auf Grund von Andeutungen der Viten zveischen
den 1. Mai 305 („Antritt" der Kaiserwürde durch Constantius) und den 24.
Juli 306 (Tod dieses Kaisers) eingrenzen zu könuen glaubte ').
Der Ansatz von Fr. Rühl {Bhein. Mus., a. a. 0. S. 604), der für die
Vita des Probus bis 322/23 herabgehen wollte, wurde schon von Momm-
sen abgewiesen (Hermes 25, S. 258 f. = Ges. Seh: VII. S. 330 f.). Ohne
das Gespräch mit Tiberianus zu beachten, hat G. Tropea [Bivista di sto-
ria antica IV. [1899] S. 255) Car. 8, 1 die Anspielung auf die Besiegung
der Perser nicht wie üblich auf das Jahr 297. sondern auf die Jahre
336/37 setzen wollen und lässt danach den Vopiscus zwischen 323 und
337 seine sämtlichen Biographien verfassen'^). Ein anderer italienischer
Gelehrter, Ugo Giri, In quäl tenipo ahbia scritto Vopisco Je hiorp'afic degli
imperatori. Prohahilc dati di eomposizione di ogni hiografin. L'attendihiVdä
di Vopisco (Torino 19G.J). geht aus von der Stelle A 15. 4: vidiinus
pro.time consuhituni Furii Placidi, die er auf den Konsul des J. 343
M. Marcius Memmius Furius Baburius Caecilianus Placidus beziehen will '')
(cfr. rec. Carolina Lanzani Biristn di fdoloyia e d'istruzione classica XXXV.
[1907] S. 155 f. und A. M(erlin), Becue de phdologie XXXI. [1907]
S. 222/23). Vopiscus rügt dort die neuliche Verschwendung des Konsuls
Furius Placidus. (Vgl. Giri a. a. 0. S. 24 ff. !, M. E. genügt auch heute noch
1) Auch L. C. Purser a, a. 0. S. 40 Aiim. 1 folgt Mommsen (Peter u. Lecrivain).
Wenn übrigens fast allgemein die Stelle A 43, 2 : Diocletianum principem tarn pri-
vatum dixisse auf die Zeit nach dessen Abdankung bezogen wird (s. z. B. Peter,
a. a. 0. S. 40), so darf man vielleicht daran erinnern, dass das nur eine von zwei
Möglichkeiten ist. lam privatum kann gerade so gut von der Zeit vor der Thron-
besteigung, als von der nach der Abdankung gesagt werden. Wenn Diokletian, ohne
eine Ahnung zu haben, dass er es später am eigenen Leibe werde erfahren müssen,
schon vor der Thronbesteigung jenen Ausspruch tut, dass nichts schwerer sei, als
ein guter Kaiser sein, so gibt auch das eine Pointe. Damit will ich nicht behaupten,
dass sie besser sei. als wenn Vopiscus den abgedankten Kaiser ein resigniertes Re-
sume aus seinen Eegierungserfahrungen ziehen lässt. Nur müsste man sich bewusst
bleiben, dass die genannte Stelle eine doppelte Auffassung zulässt. Soweit ich sehe,
hat allein Tropea, a. a. 0. S. 254 f.. den Ausdruck auf den Zustand vor der Thron-
besteigung bezogen, dafür aber dann die andere Möglichkeit nicht beachtet. Dass
Vop. als Quelle seinen Vater angibt (n patrc meo audivi) passt gut zu Tropeas An-
sicht. (Dagegen Giri a. a. 0. S. 29, A. 2).
2) Vgl. hierzu Giri a. a. 0. S. 22.
3) Nach Peter, a. a. 0. S. 40. wäre von Vopiscus vielleicht der Vater dieses Kon-
suls gemeint: vgl. aber auch S. 19, Anm. 1. wo Peter die Frage aufwirft, ob nicht
F. P. ebenso wie Junius Messala (Car. 20, 4 ff.) nur ein Strohmann sei.
V()j)/scits 11)1(1 die l{/i)(/ni/i/i/c des Jüüsers TikUks. 1 H:^>
vollkomuun die Bemerkung Mommsens gegen dieses Diilum {Hermes 25.
8. 270. A. 1 = Geg. Seilt: YU S. o46. A. 1): „Der consul Furius Placi-
dus . . . kann nicht wohl der eoiisiil oidhiariiis des J. 343 . . . sein, da
die Behandhing des Probusorakels [Pr. 24] zeigt, dass der Diaskeuasfc der
Schrift den Charakter als diocletianisch-constantinischer zu wahren be-
müht war und eine derartige offen liegende Interpolation sich damit nicht
vertragen würde'', nur dass wir statt Diaskeuast ruhig „Vopiscus" sagen
werden. Trotz Moninisen erklärt Giri, diese Stelle sei für seine Ansicht
von grösstem AVert und benutzt das J. 343 als terminus post quem für
die zeithche Fixierung der schriftstellerischen Tätigkeit des Vop. Na-
türlich gerät er dabei in grosse Schwierigkeiten wegen der Einleitung
der f. Ä., wo doch der Stadtpräfekt Tiberianus genannt ist. der sein Amt
volle 40 Jahre vor dem Konsulat des Furius Placidus bekleidete. Giri
erklärt in diesem Dilemma sehr einfach, gegenüber der ihm passenden
Stelle (Konsulat des F. P.), die so vielfach bestätigt sei. verliere jene Notiz
r. A. 1 f. jeden Wert (a. a. 0. S. 52 f.). Vop. habe die Geschichte
erfunden und den Namen des Tiberianus gewählt, weil dieser, längst tot.
ihn nicht mehr habe desavouieren können (S. 56). Die r. A. sei zwischen
343 u. 350 entstanden (S. 72). — Diese Aufstellung ist unhaltbar. Hätte
Vop. wirklich kurz nach dem Konsulat des F. P. geschrieben, wie konnte
er dann das Gespräch mit Tiberianus, auf dessen unmittelbare Anregung
hin er die r. A. verfasst haben will, erzählen, obwohl jeder Zeitgenosse
leicht feststellen konnte, dass seit 40 J. kein Tiberianus mehr Präfekt ge-
wesen w-ar?
Allen diesen Schwierigkeiten kann man entgehen, wenn man auf das
Ergebnis von Dessau zurückgreift. Er erklärt ja die sechs Autoren-
namen sämtlich für eine Fälschung und behauptet. ;üle Biographien seien
von einem — oder mehreren — Fälschern in theodosianischer Zeit ver-
fasst (s. o. S. 178). Denn er konnte nicht nur Benutzung der Caesares des
Aurelius Victor (geschrieben 360) imd des Brcv/ri)/ii»i>t von Eutrop (369)
im Corpus der Historia Augusta nachweisen, womit er bereits für die Da-
tierung ins letzte Drittel des 4. .Jahrhunderts herabgeführt wurde, sondern
er entdeckte ausserdem Anspielimgen auf römische Grosse der valentinia-
nisch-theodosischen Zeit. In einem zweiten Aufsatz {Hermes 27 [1892]
S. 561 ff.) wies er noch besonders darauf hin. wie wenig der Gesamtin-
halt der Schriften vor allem auch des Vopiscus in die diokletianisch-kon-
stantinische Zeit passen wolle. Wenn z. B. Vopiscus wirklich kaum
30 Jahre nach der Ermordung des Aureliau. in Rom. geschrieben haben
sollte, so seien die Albernheiten und Ungenauigkeiten seiner Erzählung
der Ereignisse, die der Wahl des Tacitus vorausgingen, ganz unerklär-
lich. Freudige Zustimmung hatte schon der erste Aufsatz Dessaus bei
Otto Seeck {Ne>ie Jalnhihher für Fliilolof/ie >iml PddafßogiJ: 141. Bd.
[1890] S. 609 ff.) gefunden. Seeck glaubte seinerseits die Abfassungszeit
6
184 /w//.v/ //.-/,/.
der Viten noch weiter herabrückeii zu kiiniicn. imlom er Bezlelaiingeu auf
den gallischen Usurpator, Constantinus III. (407 — 411) aufzudecken und
danach engere Zeitgrenzen — übrigens unter ausdi-ücklicheui Vorliehalt.
dass diese nur hypothetisch seien — abzustecken suchte (S. 634 fi'.)'').
Diese genauere Datierung hat denn auch Dessau [Hermes 27, S. 585) ab-
gelehnt, da die von ihm enthüllten Anspielungen auf die Jahre 380 — 395
und nicht auf 407 — 411 führen. Seeck ist selbst abermals in einem Auf-
satz, der noch eine Reihe von Anachronismen '") nachweist, auf jene Da-
tierung zurückgekommen, die er selbst für diskutabel hält (Zitr Erhflieits-
fnq/e der S. h. A. Rhein. Mhs. 49 [1894] S. 208 ff., bes. S. 224 s). Jeden-
falls kann nach ihm die Historia Augusta nicht vor dem Ende des 4. Jahr-
hunderts zum Abschluss gelaugt sein (bei F.-W. VI. Sp. 2383 s. v. Flr-
mus setzt er den ^Ps.-Vopiscus" in den Anfang des 5. Jahrhunderts).
Danach besteht also nur ein unbedeutender Unterschied zwischen
Dessau und Seeck in Betreff der zeitlichen Fixierung, in dem eigentlichen
Kernpunkt des Problems aber stehen sie völlig zusammen. — Zu ibrer
Auffassung im allgemeinen muss auch ich mich bekennen *). Denn Seeck
hat vollkommen recht, wenn er sagt, dass „wer die Echtheit der Scripto-
res aufrecht erhalten will, ohne die Voraussetzungen Mommsens unmög-
lich auskommen kann", wenngleich Peter und Lecrivain durch die Tätig-
keit des Schlussredakteurs, welche RoUe sie einem der Biographen, Capi-
tolinus, zuweisen, alles erklären zu können glauben. Aber eben dieser
Versuch Mommsens"), „eine spätere Interpolation von einem diokletia-
nisch-konstantinischen Grundstocke aus zu erweisen, ist nicht nur an dem
allgemeinen Widerspruclie, sondern an der inneren Unwahrscheinlichkeit
der Annahme gescheitert". (Otto Th. Schulz, JDas Kaiserhaus der An-
tonine und der letzte Historiirr Boiiis. Leipzig 1907. S. 3). Auch Eduard
1) Zugleich zeigte er S. 619 f. treffend, wie es geschehen konnte, dass Vop., wenn
er um das Jahr 400 lebte, zwar den Tiberiamis seinem Kalender richtig entnahm,
aber für die frühere Zeit die Stadtprilfekten Ceionius Albinus {A 9, 2) uud Aelins
Cesettianus (Tue. 7,2) erfinden musste. Denn der Kalender habe wahrscheinlich,
wie das auch heim Chronographen vom J. 354 der Fall ist, die Beamtenliste nur für
das letztverflossene Jahrhundert gegeben.
2) Vgl. K. Regung, Zu Ausoniiis, Herme» 44 (1909) S. 316/7 Anm. 3, wo Ana
chronismen in Münzbenennungen besprochen sind. — Ueber Anachronismen in der
V. Tac. s. Abschnitt II.
3) Merkwürdigerweise führt Lecrivain S. 12 a. a. 0. in seiner Bibliographie diese
Arbeit nicht auf.
4) Zu meiner Freude sehe ich. dass ganz neuerdings K. Hönn , (Jiielleniintersii-
chiingen etc. für den Biographen des Severus Alexander ebenfalls in den Anfang des
5. Jahrhunderts kommt (a. a. 0. S. 20, Anm. 60).
.5) Vgl. auch die Bemerkung von Ed. Norden bei Mommsen, Ges. Sehr. VII S. 302*:
„Uebereinstimmung in der Lösung des Problems ist noch nicht erreicht worden, es
sei aber bemerkt, dass vieles zu Gunsten der hier von Mommsen bekämpften Ansieht
[von Dessau] zu sprechen scheint".
Vop/scKS 1(11(1 (lii: Tl/iii/iK/ili/r (/es Kk/scis TkcHk^. 18.">
Norden hat sich trotz Momnisfii für Dessau erkliirt. Ihm „sclieint die
Entstehung des Corpus in theodosischer Zeit gesichert.' {luiilcitxii;/ in
die Alte)iumsicissc,isc/,((ff I. (1910) S. 029 (vgl. S. 572)).
Nun bilden die Viten des Vopiscus den Abschluss der ganzen Samm-
lung. Auch sucht ihr Verfasser in auffälliger Weise die sukzessive Ent-
stehung seiner Biographien glaubhaft zu machen, indem er beim Al)-
schluss der einen Vita auf die kommende verweist (so zäidt er auch l'r. 1,
5 auf, welche Biographien er bis jetzt verfasst habe) vgl. Q 1, 4. Deut-
lich wird der Anschein erweckt, als habe die biographische Gesamtarbeit
des Vopiscus Aufnahme in das Corpus gefunden. So darf man erwarten,
hier der eigenen Arbeit des Fälschers am nächsten zu sein. Schon Des-
sau hat für die Sprache sämtliche Viten in drei Bestandteile geteilt
{Hermes 27 [1892] S. 602), ..je nachdem lateinische Quellen abgeschrieben
oder griechische übersetzt sind oder endlich eigene Arbeit des Autors vor-
liegt". Die dritte Gattung überwiege in den Gruppen, die Trebellius Pol-
lios und Vopiscus' (also des letzten Paares der angeblichen Biographen)
Namen tragen. Ihnen stehen — nach ihm — die der ersten Hälfte ein-
verleibten Biographien von Empörern und Gegenkaisern nahe.
Wo also in den Viten der ersten Hälfte die Spuren des theodosia-
nischen Fälschers aufgedeckt wurden, da handelt es sich m. E. nicht um
eine spätere Ueberarbeitung oder Interpolation zu einer Zeit, da das ge-
samte Corpus schon zusammengefasst vorlag, sondern eben um die Arbeit
des Herausgebers und Fälschers der theodosianischen Zeit. Wir wissen
ja. dass z. B. Marius Maximus im Anschluss an Sueton Kaiserbiogra-
phien von Nerva bis Heliogabal verfasste '). Wer in theodosianischer
Zeit Biographien längst verstorbener Kaiser herausgeben wollte, dem
konnte es an Vorlagen nicht fehlen, und er durfte sich darauf beschränken,
ältere Ai-beiten etwas aufzufrischen. Dagegen weisen die letzten Viten.
vor allem die des Vopiscus, keinerlei Anzeichen ii-gend einer Ueberarbei-
tung auf. wie wir das bei unserer Annahme von vornherein erwarten
müssen. Ofl'enbar hat hier der Fälscher eigene Arbeit gegeben. Dafür
scheint auch die verdächtige Bes(;heidenheit zu sprechen, mit der der A'er-
fasser bekennt, nur eine Materialsammlung dargeboten zu haben (Car.
21, 2) -). Wenn Linsenbarth ein Exzerpt aus Vopiscus, das uns allein statt
der ursprünglichen Viten erhalten sei, nachweisen wollte {Gi/niiiasicd/irii-
(jmitim Kreuznach 1876), so kann dieser Versuch als erledigt gelten, ebenso
1) S. Peter. Bk ije^ch. IAH. iiln-r d. mm. Kidserzeil \\. S. 10(1 ff. und H. Niese.
Grundrisa der röm. (iem-h. 1910* S. 280.
2) Wie befremdlich das im Altertum ist. zeigt Ed. Korden. Aidil^c Kii)istpros((
Bd. I 1909- S. 94. Freilich huldigt ja Vopiscus selbst, trotz seiner gegenteiligen
Versicherung, ausgiebig der Rhetorik und versieht so die , Materialsammlung'' reich-
lich mit äusserem Schmuck.
18(5 Enisl ll„lil.
wie die Ansiebt von liülil (n. m. ().. S. ")98), der „geneigt ist. ;in eine teil-
weise Epitomierung zu glauben" M-
Xun hatte bereits Wölfflin a. a. C). S. öll ff. in Vopiscus den Heraus-
geber und Redaktor der Sammlung erblickt, und zwar hätte er diese Tä-
tigkeit nach Vollendung der eigenen Biographienreihe in den Jahren 308
bis 315 ausgeübt (a. a. 0. S. 528). Später (im Literarischen Zentralhlatt
1893 Sp. 120 f.) wollte er die Rolle, die er zuvor dem Vopiscus zuge-
wiesen hatte, allerdings für Capitolinus -) in Anspruch nehmen (vgl. Wachs-
muth, Einlcitmic) in das Studium der alten GeschicJdr, 1895, S. 692 Anm. 3).
Zur Erklärung dieser auffallenden Schwenkun<j muss man freilieh berück-
sichtigen, dass Wölfflin schon an der ersten Stelle (S. 529) erklärt hatte.
(Japitolinus und Lampridius hätten zwischen 308 imd 315 noch keine
Biographien geschrieben. Vielleicht ergibt sich uns schliesslich ans Vo-
piscus' Biographien ein Hinweis darauf, dass Wölfflin mit seiner ersten
Annahme so Unrecht nicht hatte, nur dass eben sein Ansatz für Vopis-
cus in den Anfang des 4. Jahrhunderts ihm hindernd im Wege stand.
Die einzige Möglichkeit, der Lösung des Problems Vopiscus etwas
näher zu kommen, liegt in der Analyse seiner Viten. Für die Tacitus-
vita"im besonderen glaube ich im nachfolgenden drei Quellen des Vo-
piscus erschliessen zu können. Einmal eine lateinische, die „verlorene
Kaisergeschichte", von der gleich nachher gesprochen werden muss. so-
dann — wahrscheinlich — die Caesnres des Aurelius Victor (verfasst 360)
und endlich, ganz nebenbei, eine griechische Quelle ^). Beschränken wir
uns zunächst auf die lateinische Tradition, so würden uns danach von den
Quellen des Vopiscus im besten Fall nur die Caesures des Aurelius Vic-
tor im Original vorliegen. Wir müssen uns also nach Parallelquellen um-
sehen. Da bieten sich noch weiter das Breviarium des Eutrop (geschrieben
369) und Ps.-Aur. Vict. Epifonie de Cuesarihus (geschrieben nach 395).
AVir haben es also auf lateinischer Seite durchaus mit ziemlich dürftigen
Abrissen zu tun, über deren Wesen H. Peter, Die (/eschicJdl. IJtt. IL 1897
S. 341 ff. im 4. Kapitel: Die Arbeitsweise in den Breriarien des i. Jahr-
hundeiis gehandelt hat. Das yevoc, der Epitome im besonderen wurde
von Wölfflin scharf herausgearbeitet {Epitome. Archir für tideinischc Le-
1) S. H. Peter. JJir S. h. A. S. 141.
2) Obwohl Fr. 2, 7 Vop. als seine Vorbilder aiit-h den lulius Capitolinus und
Aelius Lampridius nennt. — Peter in seiner Aii.-^ff. hat zwar Iiilinm Capitolitium,
Aelium Lampridium als Interpolation eingeklammert. Dem gegenüber hat aber
Mommsen a. a. 0. S. 245 = S. 318 recht: .Hier die an sich nicht verdächtigen Namen
wegen der zerrütteten Subskriptionen zu streichen, kann ich nicht richtig finden-.
(Vgl. Giri a. a. 0. S. 37 ff.).
3) Vopiscus selbst sagt Tac. S, 1 : «c iie (piis nie temerc (jraeci>ritm iilicni Latino-
rumve ae^timet credidisne . . . .. spielt also auf griechische und lateinische Quellen an.
Auf griechische Quellen deutet Vopiscus auch .4 1.4: 9: 10; — 4,2 — Pr. 3,3 —
y 3. 1 hin.
Voii/siHs hihI die ]iiii</riiji/i/c des Ko/scr.s Tariltts. 187
.nho(jraphie XII. [1902] S. 333 ff. ; vgl. ebenda PUnius und Clnviits Eh-
f'iis S. 352 f.) '). Danach haben sich die i-ömischen Epitomatoren die Frei-
heit zu Abänderungen oder eigenen Zusätzen genommen, auch wo sie
nur kürzen wollten und sollten'-). Auch wer sich nur auf den Auszug
eines einzigen Werkes beschränken wollte, hatte freien Spielraum für
seine subjektiven Neigungen^). Ausserdem bat Wölfflin aiif Grund der
grösseren geistigen Bewegungsfreiheit, die er den Verfassern von Epi-
tomen zurückgegeben hat , ausdrücklieh davor gewarnt, aus kleinen
Abweichungen, die sich in sonst im grossen und ganzen übereinstimmen-
den Partien zweier Werke ergeben, ohne weiteres auf Benutzung einer ge-
meinsamen Quelle zu schliessen. wenn nicht tatsächlich die Unmöglich-
keit einer direkten Abhängigkeit des späteren Werkes vom fiüheren sich
ergeben hat*). Es war im allgemeinen nicht üblich, sich ganz sklavisch
an die Voi-lage zu halten. Was im besonderen die Epiiomc de Caesari-
hiis betriift, so hat von ihr ebenfalls Wölfflin gesagt (Arch. XII. S. 445),
dass „der Epitomator in den julisch-flavischen Kaisern nichts besseres zu
tun gewusst habe, als die den Caesares des Aur. Vict. entnommenen
Stellen mit Exzerpten aus Sueton ^) zu versetzen".
Dass nun die lateinische Tradition auf einer gemeinsamen Grundlage
ruht, hat Alexander Enmann nachgewiesen. Aus der Uebereinstimmung
zwischen Aur. Vict., Eutrop und der H. A. konnte er als deren gemein-
same Quelle eine uns verlorene lateinische Kaisergeschichte erschliessen
{Phihhc/us IV. Suppl.-Bd. (1884), S. 337 ff.). In dieser grundlegenden
Untersuchung hat Enmann gezeigt, dass diese Kaisergeschichte in ihrer
ursprünglichen Fassung von Augustus bis zur Thronbesteigung des Dio-
kletian reichte und für ihren ersten Teil bis Domitian einschliesslich den
Sueton benutzt hatte. Später scheint sie eine Fortsetzung von 284 — 357
erfahi-en zu haben. Da aber dieser Teil nicht mehr für uns in Betracht
kommt, können wir davon absehen. Nun war es ein schönes Zusammen-
treffen, dass im gleichen .Jahr, das die Enmann'sche Arbeit brachte, die
Leipziger Dissertation von Arthur Cohn. Quihits ex fontihus S. Aitrelii
Vktoris et Jibri de Caemrihits et cpifomes iindeciin capita priora fhixerhd,
Berlin 1884, erschien, die ihrerseits ganz unabhängig von Enmann dessen
Ergebnisse gerade für den ersten Teil der „Kaisergeschichte" bestätigte.
Cohn hatte nämlich als gemeinsame Quelle für Aur. Vict. und die Epi-
tome den — wie er ihn nannte — ,Suetonius auctus" erwiesen, da Sue-
ton allein zur Erklärung nicht ausreichte. Ebenso hatte Enmann den
1) S. Kornemanu. Bit' iifiw Liriiisepitumc ii((s Oxyrliynclnix, Klio 2. Beibeft 1904
S. 86 Anm. 6.
2) S. auch Wölfflin, Anli. XIII. 1904, S. 7-^.
3) Vgl. die Bemerkungen Peters über Justin, a. a. 0. S. o-l"2 Anni. 7.
4) S. auch Wölfflin, i)iis Brnwiiiim des Fes/((s Arch. XIII. 1904. S. 74 tf.
.5) S. aber unten S. 188 und 206.
10
188 luiisl Ifohl.
engen Anscliluss seiner „ Kai.sergescliiclite" an Sueton. solang dieser vor-
lag, also für die ersten elf Kaiser, nachdrücklich betont. Es liegt alsu
sehr nahe, in dem von Cohn statuierten „Suetonius auctus" gar nichts an-
deres in erblicken, als einfach die Anfangsbiograpliien von Augustus bis
Domitian der von Enmaun entdeckten „verlorenen Geschichte der römi-
schen Kaiser" (s. F. Gräbner, Byzanfinische Zeitschrift XIV, 1905, S. 89
Anm. 3). Allerdings könnte man sich fragen, ob die „Kaisergeschichte"
vielleicht nicht schon mit Caesar begonnen habe, mit dem ja Sueton ein-
gesetzt hatte , während allerdings Aiir. Vict. und die Epitome erst mit
Augustus beginnen (s. u. S. 226).
Was die Literaturgattung der verlorenen Quelle betrifft, so hat En-
niann ihren biographischen Charakter mit aller Bestimmtheit hervorge-
hoben. Für ihren Verfasser war Sueton, den er. soweit er reichte, be-
nutzte, schlechterdings vorbildlich. Seit nun aber das yh-og der griechisch-
römischen Biographie durch die Forschungen von Friedrich Leo {Die yrie-
chiach-röinisrhe B/oyrapJiic »acli ilnvr lifferari sehen Form, Leipzig 1901) in
seinem Werden und Wesen klargelegt wurde, geht es vollends nicht mehr
an, wenn die biographische „Kaisergeschichte" Enmanns heute vielfach
als „ Kaiserchronik ' bezeichnet wird. So wenig man sagen würde. Sue-
ton habe eine Chronik der Caesares von Caesar bis Domitian gegeben,
so unpassend ist dieser Ausdruck für das Werk, das sich den Sueton zum
Muster genommen hat. Klebs, Seeck, Peter. Lecrivain. sie alle haben
diesen abusiven Gebrauch des Wortes „Kaiserchronik". Ja, Groag bei
F.- W. V. Sp. 1349 ^) führt für seinen Artikel ausdrücklich diese Bezeich-
nung ein. um fast in demselben Atem zu versichern, dass die „Kaiser-
chronik'" nicht chronologisch erzählte (cfr. Sp. 1372/73). Wie notwen-
dig es ist. dass der Begriff' der Biographie energisch festgehalten wird,
das zeigt am besten die erwähnte L'ntersuchung von Dannhäuser. Er zi-
tiert zwar die Enmannsche Abhandlung, spricht aber trotzdem im folgen-
den (offenbar im Anschluss an Lecrivain) ruhig von der ..Kaiserchronik".
sowie von der „sachlich-historischen", ja sogar von der „chronologischen,
sachlich-historischen Quelle" (a. a. 0. S. 16 u. 28). Dass damit immer
die Enmannsche .biographische Kaisergeschichte" gemeint ist. ergibt sich
aus Dannhäusers Bemerkung, dass Vopiscus für Pr. „den grössten Teil
der Xachrichten, soweit es auf den rein sachlich-historischen Teil an-
kommt, aus der vei'lorenen Kaisergeschichte entnommen" habe (a. a. ().
S. 11).
Noch unbeantwortet ist die Frage, ob nicht diese „ biographische Kaiser-
geschichte" schon im ersten Teil des Corpus der H. A. benutzt ist und
zwar im „biographischen Bestand", in dem neben vielem Wertlosen auch
manches Gute steckt '^).
1) s. v. L. Domitius Atiieliiini(s.
•2) Vgl. z. B. Kornemann, Klio VI (1906) S. 184.
11
Vopiscils iiixl il/i' llidi/rd/i/i/r r/c.s' Jüi/sits 'I'iii/fiis. 189
Fragou wir iiuiimclir nach ilcr liriccliisclicn <^ii('lli'. ilic Vopisciis in
iler '•. '/'(". nebenbei noeii ben\it/.t hat. so ist die Antwort niolit selir
einfach, ila eine Originalqnelle, rlie Vopiscus bei<fezoi>'cn liabcn könnte,
uns nicht mehr erhalten ist. Die Chroniht des Dexippos. von denen wir
nur Fragmente besitzen, schlössen mit dem Tod des (Jlandius und seine.s
ephemeren Nachfolgers Quintillus im Jahr 270 '). kommen also für Kaiser
Tacitus (275/76) längst nicht mehr in Betracht. Nun wurde die Chronik
des Dexippos offenbar im Corpus der H.A. benutzt; wenigstens wird De-
xippos des öfteren zitiert'-). Das Werk des Dexippos wurde von Eunap
aus Sardes unter Abwerfung der annalistischen Form fortgesetzt') und
zwar bildete die Regierung des Theodoslus den Schlnss der ersten Ab-
teilung (s. Schmid. P.-M'. VI Sp. 1122 u. 1124). Die Herausgabe der ersten
Fassung erfolgte bald nach 395, da sich Eunap nach 396 schon mit seinen
Sophistenbiographien beschäftigte. Später setzte er die Geschichte bis
404 fort. Hat also Vopiscus, wie wir annehmen, nicht vor dem Ende
des 4. Jahrhunderts geschrieben, so ist es chronologisch möglich, dass er
die 'iGTOQiai des Eunap in der ersten Ausgabe benutzte. Eunap war zu-
dem ein überzeugter Anhänger des Heidentums'') und passte darin zu Vo-
piscus.
Bei den dürftigen Resten des Eunap für die Zeit, die Vopiscus be-
handelt hat, ist freilich ein Beweis dieser Annahme kaum möglich. Da-
zu kommt, dass die Quellen des Eunap für die Zeit von 270 — 363 „nicht
in allen Stücken klarliegen" (Schmid. a. a. 0. Sp. 1124-'^). Vielleicht lässt
sich aber doch eine — wenn auch nicht ganz sichere — Verbindung zwi-
schen Eunap und Vopiscus herstellen ").
Vop. Ä 23, 1 — 4 bringt nämlich eine Anekdote von der Einnaiune
der Stadt Tyana durch Aurelian, die nur noch bei dem Aiionyitiiis p()f;f
Dionem fr. 10, 4 (Müller, FHG IV, S. 197), also nach De Boors Aus-
führungen {Byz. Zeitschr. I, 1892 S. 13 if.) bei Petros Patrikios wieder-
kehrt ')■ Dieser aber hat den Eunap benutzt (s. Krumbacher. Grsrliicldc
1) S. Ed. Schwartz bei P.-W. V, Sp. 289.
2) S. Ed. Scliwartz bei P.-W. V, Sp. 291 ff. Vgl. auch (Jnlbncr. a. a. ü. S. 12.'-),
wonach z. B. Pollio den Dexippos benutzt hätte.
3) S. W. Schmid, bei P.-W. VI, Sp. 1121 ft'.
4) Vgl Wachsmuth, a. a. 0. S. 695 f.
h) Hier mag erwähnt werden, dass Gräbner a. a. 0. S. lis (l,.|i Eunap auf Aur.
Vict. und Eutrop zurückgehen lässt. Vielleicht könnte man auch an die .Kaiserge-
schichte'' denken.
6) Umgekehrt hatte Groag l)ei P.-W. V, Sp. 18-')0 Benutzung der r. A. durch
Eunap vermutet.
7) Gräbner, a. a. 0. S. l.')2 (vgl. auch S. 142) möchte glauben, dass die Ueber-
einstimmung auf die E p h e m e r i d e n zurückgehe, die Vop. X 1, 6 f. als eine seiner
Quellen anführe ! Als ob es sich nicht hierbei deutlich um eines der schwindelhaften
Zitate handelte, mit denen Vopiscus so freigebig ist. Lässt er doch den Tiberianus
nur zweifelnd .sagen: H tavicii, .<»' b r ii f ii o r i . nihemeridas illiii.'i .tcriptas hnheinns.
12
190 Enisl Hohl.
der hijzantiniM-lien Litterafur Miinclien 1897-, S. 238). Nun ist ja Euna]i
auch der Verfasser der ritac sophistarum. in denen er nach dem Vorbild
des zweiten Philostratos Biographien hervorragender Sophisten des 4. Jahr-
liunderts gibt (s. Schmid, a. a. 0. Sp. 1125). Bedenkt man aber, dass eben
sein Vorbild Philostratos auch das Leben des Apollonios von Tyana ge-
schrieben hatte (s. W. Christ. Geschichte der cp-iechischen LHferatitr 1898^
S. 725). so lässt sich annehmen, dass Ennap, der diese Schrift kennen
mnsste. nicht ohne Absicht gerade bei der Belagerung der Heimatstadt jenes
sonderbaren Heiligen die hübsche kleine Geschichte angebracht hätte.
Wenn Vop. A 24. 2 — 9 noch besonders eingehend über den Apollonios
von Tyana spricht und sogar berichtet, dass er dem Aurelian erschienen
sei, so könnte auch diese Stelle vielleicht einer Anregung durch Eunap
ihre Entstehung verdanken, verweist doch Vopiscus [A 24. 8) ausdrücklich
auf griechische Bücher, die über dessen Leben geschrieben seien. Aber
freilich muss das alles mehr oder weniger problematisch bleiben.
Olj sie aber nun aus Eunap oder sonst woher stammen, jedenfalls
haben sich Spm-en einer griechischen Quelle bei Vop. entdecken lassen.
Solche hat schon Groag in der r. A. (P.-IT. V, Sp. 1349) und Dannhäuser,
a. a. 0. S. 11 für die v. Pr. erkannt'). Zur Feststellung dessen, was, im
Gegensatz zur lateinischen, als die griechische Tradition erseheint, kann
uns die Jüstoria noim des Zosimos (um 500) und die Weltchronik des Zo-
naras (aus dem 12. Jahrhundert) für die so kurze und unbedeutende Re-
gierung des Tacitus genügen. Denn einmal hat Vopiscus, wie wir sehen
werden, für die p. Tnc. die griechische Tradition nur ganz gelegentlich
berücksichtigt und dann konnte Tacitus überhaupt einem griechischen
Schriftsteller nur geringes Interesse einflössen, ganz im Gegensatz zur la-
teinischen Tradition, die in der Wahl dieses Kaisers den Triumpli der
Senatsidee erblickte ^).
L'nd nach ^ 1, 6 hätte es Vopiscus nur der besonderen Gunst des Präfekten zu
danken, wenn ihm Einblick in diese Akten gewährt wurde. Daher urteilt Groag,
a. a. 0. Sp. 1347 f.. gewiss mit Recht, dass es jedenfalls von der kaiserlichen Kanzlei
redigierte Tagebücher {commentarii principiti, vgl. v. Premerstein bei P.-W. IV, Sp.
735 f.) gegeben habe, aber der Verfasser der Vita habe diese Ubri lintei gewiss nicht
eingesehen. — Dass übrigens für die antike Historiographie an sieh Tagebücher (auch
von untergeordneten Personen) als Quellen sehr wohl in Betracht konunen konnten,
zeigt Lucian, de liist. coiisci: 16. (Vgl. Ranke, Weltfie^chichfem. 2'"-2(1883) S. .347 f.
— und ausserdem Seeck, Zur Chronologie und Qnellcnhritilc des Ammianus Marcel-
limis, Hermes 41 (1906) S. 483 A. 2, auch S. 516. 532).
1) Freilich spricht Groag von einem „Exzerpt aus einer griechischen (^tiiclk' dio-
kletianischer Zeit", da er aber über die Zeit des Vop. nur die Angaben der c. A. refe-
riert, ohne selbst ausdrücklich Stellung zu nehmen (Sp. 1348 {.). so setzt er ihn wohl
in den Anfang des 4. Jahrhunderts und kommt dadurch auf die diokletianische Zeit.
Nach Dannhäuser zieht Vop. eine zeitgenössische griechische Quelle, vielleicht die
gleiche, die auch Zosimos mittelbar oder unmittelbar benutzt habe, heran.
2) Vgl. H. Peter, Die gesell. Litt. 11, S. 168. der im besonderen von Zosimos spricht;
aber das gilt wohl auch im allgemeinen.
13
Vopisnis 1111(1 (l/r B/of/rap/i/e des Kii/scrs 'J'ftc/fiis. 191
Wie seinerzeit Enniaiin die liiteinisclic Tradition über die Geschichte
iler römischen Kaiser bis 284 (bezw. 3")7) auf eine Hauptquelle zuriick-
t'üliren konnte, so wurde neuerdings ein ganz älinlicher Vorsuch von
F. Gräbner, Eine Zosimosqiielle. Bii.~. ZcHsclr. XIV. (1905) S. 87 ft"., ge-
wagt, der seinerseits eine wichtige griecliische Quelle aufdecken zu können
iioffte. Unter der ,, Zosimosquelle" versteht nämlich Gräbner einen grie-
chisch schreibenden Anonymus, dessen Werk mit der Erhebung Diokle-
tians schloss (a. a. 0. S. 111)'). Zunächst sucht er diese Quelle, bezw.
„einen ihrer Ausflüsse" bei Zosimos. Zonaras. Kedrenos. Synkellos. Eu-
trop, der Epitouie, Pollio und — was uns besonders angelit — bei Vo-
piscus nachzuweisen. Die Epitonic des Ps.-Aur. Vict. hatte ihm für dieses
Ergebnis als „Wegweiser" gedient (S. 89). weil er glaubte, dass dje Ej)i-
fome des öfteren gegen die „Kaisergeschichte'S also gegen die gemein-
same Quelle von Aur. Vict. und Eutrop, sich zu Zosimos stelle. Aber
auch Eutrop weiche manchmal von Aurelius Victor, also von der „Kaiser-
geschichte", ab. und stimme dafür zu den Angaben der Epilome. Auf
diese Behauptung ist nachher besonders einzugehen. Selbst die „Kaiser-
geschichte" soll ihrerseits liereits auf der „ Zosimosc[uelle " fussen (S. 112).
In ein indirektes Verhältnis zur „Zosimosquelle" wird Eunap gebracht,
den seinerseits Zosimos im ersten Buch nur an zwei Stellen für Exkurse,
im zweiten aber als Hauptquelle benutzt habe (S. 118). Eunap soll näm-
lich nach Gräbner auf Aur. Vict. und Eutrop zurückgehen. Diese beiden
aber hätten teils indirekt, teils direkt aus der „ Zosimoscjuelle " geschöpft,
indirekt offenbar durch das Medium der . Kaisergeschichte". Die weiteren
Ausführungen Gräbners über Dexippos. dessen Chnmika und Skijfhika der
Anonymus exzerpiert habe, und über .Zusimos und InJius Cfqntol/mts'
kommen für unsere Zwecke nicht in Betracht. Dagegen interessiert uns
die Behauptung, dass die „Kaisergeschichte" nach dem Ende der Chro-
iiihti des Dexipp den Anonymus als Hauptquelle benutzte (S. 1-53).
Zusammenfassend stellt Gräbner u. a. folgende Quellenverhältnisse
auf (vS. 14-0 ff.): die Uebereinstimmungen von Aur. Vict. und Eutrop seien
— gewiss richtig - auf Enmanns _ Kaisergeschichte " zurückzuführen ;
ebenso erklären sich die Beziehungen zwischen Eutrop -Victor und Vopis-
cus aus deren Benutzung, wie das ebenfalls schon von Enmann erkannt
wurde. Wenn aber Gräbner (S. 146) aus dem Vergleich zwischen Aur.
Vict. Caes. 34 und Epitomc 34 „nur auf unmittelbare Benutzung der
Schrift De Caesaribiis durch den Verfasser der Epitome" schliessen zu
können glaubte, so habe ich darauf unten einzugehen. Was das Verhält-
nis zwischen Eutroj^ und der Epifomc betrifft, so soll „ihre nähere Ver-
wandtschaft auf die ..Zosimosquelle" zurückgehen". Diese sei aber nicht
selbst benutzt, wohl aber „eine lateinische Epitome der Zosimosquelle".
1) Also ähnlich wie die Eiimaimsche .Kaisei-CTesehichte'' in ihrer nrspriiiiglichen
Fassnng.
14
192 Jü-nsf Hohl.
So dankenswert an sich der Versuch Grähners erscheint, einmal eine
griechische Quelle statt an die Peripherie in das Zentrum der Betrachtiino-
zu stellen, so wird doch die Foi-schung speziell für Vopiscus kaum blei-
benden Gewinn daraus ziehen können. Ueberhaupt steht Gräbner der H. A.
mit viel zu viel Optimismus gegenüber. So liält er den Vopiscus gar für
den „zuverlässigsten" der S. h. A. (S. 142). Er stellt sicli offenbar für
die H. A. ganz auf den Standpunkt Peters, ist doch auch für ihn Capito-
linus der Schlussredakleur (S. 124; 129). Vopiscus schreibt nach seiner
Ansicht unter Diokletian (S. 112) und wenn dieser seinem Grossvater die
Erzählung von der Ermordung des Aper verdanken will, so scheint er
auch hiefür bei Gräbner Glauben zu finden (S. 112, Anm. 1), obgleich
schon Peter (Die S. h. A. S. 238) für diesen und ähnliche Züge im An-
schluss an Klebs und Wölfflin die ^imitatio" des Sueton hervorgehoben
hat. Auch hält Gräbner es für „sehr möglich", dass dieser Bericht des
Vopiscus Quelle für den zweiten Teil der „ Kaisergeschichte " geworden wäre.
Ueber die Ephenieriden des Aurelian als Quelle des Vopiscus s. o. S. 189,
Anm. 7. - Was das Verhältnis der „Zosimosquelle" zur ,, Kaisergeschichte "
betrifft, so wird man sich fragen müssen, ob nicht das der Auffassung
Gräbners entgegengesetzte Verhältnis eingetreten sein kann, dass nämlich
Gut aus der ., Kaisergeschichte" Aufnahme in die Zosimosquelle fand. Chro-
nologisch möglich wäre diese Umkehrung: ist es doch auffallend genug,
dass Gräbner die „ZosimosqueUe" eben da enden lässt. wo auch die En-
mannsche „Kaisergeschichte" aufhört. Dass der Verfasser der letzteren
vielleicht auch griechische Historiker eingesehen habe, deutete übrigens
Enmann selbst an (a. a. 0. S. 443).
Aber auch Gräbners Stellung zur JEpitome scheint mir nicht gerecht-
fertigt zu sein. Ich behandle also zunächst in engem Anschluss an das
erste Kapitel Gräbners das von ihm behauptete Verhältnis der Epitome
zur „Zosimosquelle". Sollte es gelingen, die Epitome aus dieser Verbin-
dung zu lösen, dafür aber ihre Verwandtschaft mit der . Kaisergeschichte "
zu erweisen, so Hesse sich damit über Enmann, der die Epitome noch iso-
lieren musste, hinauskommen und man dürfte von ihr weitere Aufschlüsse
über das Wesen der „ Kaisergeschichte ", ab und zu auch Material zu deren
liestituierung erwarten.
I. Beiträge zur Restituiernng der Enmaiurscheii „Kaisergeschiclite'".
1 . Zur Quellenkritik.
Nach Gräbner hätte Vopiscus direkt aus der griechischen Quelle, die
er die „Zosimosquelle" nennt und die mit Diokletians Erhebung geendet
hätte, geschöpft, dagegen sollen Eutrop und Ps.-Aur. Vict. auf eine la-
teinische Epitome eben dieser griechischen Quelle zurückgehen. Diese
Konstruktion Gräbners kann nicht unwidersprochen bleiben. Wenn er
15
VoiMSCHS i(»(l die liidfiraphic des Kaisers Tdc/fus. 193
S. 147 sagt: „Beitle (Eutrop und Epitome) stimmen aber häufig aucli in
ganz kurzen Notizen so wörtlich überein, ^vie es weder bei selbständiger
Uebersetzung aus dem Griechischen, noch bei selbständigen Exzerpten aus
einer weit umfangreicheren Quelle denkbar erscheint", so wird man ihm darin
völlig zustimmen können. Aber wir verlieren uns ins Uferlose, wenn wir uns
auf Grund dieses Verhältnisses zur Annahme einer „lateinischen Epitome
der Zosimosquelle" drängen lassen, solange nicht alle anderen Erklärungen
sich als unmöglich erwiesen haben. Man muss doch die Eigentümlichkeit
der Epitome bedenken, die darin besteht, dass sie sich in den ersten elf
Kapiteln eng an Aur. Viet. anschliesst, ihn aber manchmal aus dessen
eigener Quelle, dem sog. ,Suetonius auctus" oder vielmehr der , Kaiserge-
schichte" erweitert, dann jedoch einen neuen Anlauf zur Benutzung eines
ausführlicheren Werkes nimmt, um sich des weitei-en von cap. 15 bezw.
24 — 38 an der Führung Eutrops anzuvertrauen (vgl. Enmann, a. a. 0.
S. 404, H. Peter. Die f/csrl,. Lift. IL S. 152 ff.. S. 360 ff.). Nun geht aber
die Epitome über Eutrop ebenso hinaus, wie sie zu Anfang über Aur.
Viet. hinausging, und zwar gerade in Details, die wir an sich gewiss
nicht in der „lateinischen Epitome der Zosimosquelle" suchen wür-
den. Man sieht, auf diese Weise gewinnen wir garnichts. Denn weit
entfernt, die Zusätze, die bei Eutrop fehlen, auf die lateinische Epitome
der Zosimoscjuelle zurückführen zu können, würden wir uns für diese nach
einer weiteren Quelle umsehen müssen und dem sog. Epitomator des Aur.
Viet. eine ziemlich umfangreiche Mosaikarbeit zumuten, die zu seiner in
den Anfangsbiographien beobachteten Eigenart durchaus nicht stimmen
will (s. o. S. 187). Zudem müssten bei der Gi-äbner'schen Vermutung Eu-
trop sowohl, als der Epitomator ihre Quelle in sklavischer Weise vielfach
ganz wörtlich abgeschrieben haben, weil sonst die üebereinstimmung un-
erklärlich bliebe.
Nachdem man aber aus dem Verhältnis der Epitome zu Aur. Viet.
und Sueton in ihren ersten elf Kapiteln die Art des Epitomators, der
seinerseits vor wörtlichen Herübernahmen sich durchaus nicht scheut, kennen
gelernt hatte, war es doch gewiss das Natürlichste, die Uebereinstimmungen
zwischen Eutrop und Epitome daraus zu erklären, dass die Epitome diesen
ausschrieb ^). Das ist auch längst (z. B. von Mommsen) geschehen. Und
während wir den Eutrop. wo wir ihn kontrollieren können, nie in skla-
vischer Abhängigkeit von seiner Quelle sehen, wenn er auch die Selb-
ständigkeit des Aur, Viet. nicht erreicht, können wir ihm diese Unab-
hängigkeit auch fernerhin wahren und müssen nur bei der Epitome auf
eine Annahme verzichten, zu der wir nach den Erfahrungen der ersten
Kapitel auch garnicht berechtigt waren.
1) Gemeinsame Quelle für Eutrop und die Epitome hatte Klebs, Rhein. Mus.
4ö, S. 460 behauptet, ohne den Beweis dafür anzutreten. Tgl. Dessau, Hermes 27,
S. -563, Anm. 1.
Kli o, Beiträge zur alten Geschichte XI 2. 13
16
194 £niä Hohl,
Wenn ich der besseren Uebersicht liulber das Ergebnis vorwegnehmen
darf, so denke ich mir das Verhältnis folgendermassen : der Epitoniator
hält sich — und zwar beschränke ich mich für diese Aufstellung ent-
sprechend Gräbner auf cap. 24 — 38 der Epitome — in der Absicht, selbst
einen Geschichtsabriss zu bieten, an Eutrops Breviarium. Da er aber doch
etwas mehr tun will, als bloss abschreiben, so greift er zur Ergänzung
noch nach der , Kaisergeschichte ", die ja ihrerseits Quelle auch für Eu-
trop gewesen war. Der Epitomator versieht also gewissermassen sein
Exemplar des Eutrop mit Zusätzen aus dessen Quelle, der .,Kaiserge-
schichte". und gibt danach sein Buch heraus.
Vielleicht mutet diese Auffassung etwas befremdlicli an. Sie ist aber
zum mindesten einfacher als die Annahme der „lateinischen Epitome der
Zosimosquelle "^ von Gräbner. und es ist ein ökonomischer Grundsatz der
Wissenschaft, dass man sich mit der einfachsten Erklärung begnügt, so
lange es irgend geht.
Ich werde nun im folgenden die Stellen prüfen müssen, die Gräbner
zu seiner Annahme verleitet haben, wobei ich mich an den Gang seiner
Arbeit anschliesse. Auf S. 89 geht Gräbner von der Epitome aus, die
sich .als Wegweiser biete, um die Untersuchung auf eine breitere Basis
zu stellen". Er hebt zunächst die Angaben heraus, durch die sich die
Epitome von der gemeinsamen Vorlage Eutrops und Victors, also der
„Kaisergeschichte", unterscheidet. Eutrop und die Caesares kennen nur
zwei Gordiane, die Epitome drei, ebenso wie Zosimos und die verwandten
Quellen. Schon vorher gebe der Epitomator allein von den dreien die
Zosimos und Zonaras gemeinsame (von Herodian stammende) Begründung
des Hasses gegen Maximin: Is dum persequitio- pecimiosos, insontes pariter
noxiosqite. Zosimos I 13,3: f/c (fövovc, äy.QiTOvg ix(ÖQet XQ^iudrcoi' im-
^vfüa zeige die wörtliche Uebereinstimmung. Zum letzteren Punkt möchte
ich die ganz äbnliche Stelle Epitome 2, 9 notieren: cum insontes noxios
suos pariter exteruosque pimiret usw., eine Ausdrucksweise, welche die
Epiiome dem Aur. Vict. 2, 1 entnommen hat. Man sieht daraus, dass
der sprachliche Ausdruck sehr wohl auf dem Boden der „Kaisergeschichte"
denkbar ist. Bei der viel beanstandeten Tatsache aber, dass Victor und
Eutrop der Irrtum unterlief, einen der drei Gordiane einfach unterschlagen
zu haben, darf man doch nicht übersehen, dass die beiden Verfasser von
Breviarien sind. Ich halte es für ganz ausgeschlossen, dass schon die
lateinische ..Kaisergeschichte ", die gemeinsame Quelle von Victor und
Eutrop, diesen Fehler begangen haben soll'). Die Polemik, die wegen
dieses Fehlgriffs in der v. Gd. gegen die (piidum inperiii scriptores ge-
führt wird, scheint sich mir trotz Mommsens Einspruch gerade gegen
1) Auf die ,Kaisergescliichte~ hat nach Emiiaun auch H. Peter, Die geseh. Litt.
I, S. 106 den Fehler zurückgeführt ; vgl. übrigens ]^Iommsen, Hermes 2-5, S. 269 =
Ges. Sehr. VII S. :340 f
17
Vopiscils iiiiil dir li'niiifoiiliic des Kaisers Tacitiis. 195
Victor und Enliui) zu licliteii. wie das Dessau {Hermes 24, S. 372 f.) be-
liauptet hat'). Denn es ist ducli zu bedenken, dass Aer (J/ironograph vom
J. 3Ö4, der also abgeschlossen vorlag, ehe Victor und Eutrop ihre Bre-
viarien schrieben, drei Gordiane kennt (s. Mommsen, Clirumca minora I.
Berol. 1892 in den Monumenta Germaniae, seript. antiquiss. t. IX. S. 147,
Z. 28: Duo Gordiaiii iniprr. dies XX. excesscrunt Africne. Z. 30/1 Gor-
dianus imper. anii. V. m. ]'. d. V. cong. dedit X CCCL. hoc. imp. mtüa
liomincm comedit. ayonem. M/iierriae mstituit. excessit finibus Paiiiae-)
(auch der laterculus des Polemius Silvius, ebenda S. 521, bringt Nr. 34
Stib quo dno Gordiani in Afrim fgranni fueruut. Nr. 36 Goydianus occi-
siis). Dass die Epitome einer lateinischen Quelle folgt, geht zur Genüge
daraus hervor, dass sie cap. 26 den Namen Pupienus und nicht mit den
Griechen den Namen Maximus wählt. Der Bericht des Victor ist ziem-
lich ausführlich, wir erfahren den volleren Namen Antonius Gordianus und
lernen den Ort der Erhebung {apxul Thiisdri'^) oppidum)\iL'r\nen {('(ics.'K).
1). Freilich ist der zum Mitregenten erhobene Sohn ausgefallen imd an
seiner Stelle der dritte Gordian (27, 1) zum Sohn statt zum Enkel ge-
macht worden.
Wenn man bedenkt, dass der ChroiKignip/i zuerst d/to Gordiani zu-
sammen nennt und dann nachher ohne weitere Erlclilrung wieder einen
Gordianus, also den dritten, anführt, so lässt sich vielleicht begreifen, wie
ein flüchtig arbeitender Schriftsteller, durch die Tatsache der duo Gordiani
verleitet, die Existenz des dritten überhaupt ignorieren konnte. Bei Eu-
trop IX 2, 1 ist der Satz sehr zusammengedrängt; Postea tres simul
Auyusti ftierunt, Pupienus, Balbinus, Gordianus, duo superiores obscuris-
simo genere, Gordianus nobilis, quippe cuius pater, senior Gordianus, eon-
sensu militum, cum proconsulatum Africae gereret, Maxiniino imperante
princeps fuisset electus. Bis hieher ist scheinbar alles in Ordnung: der
älteste Gordian, Prokonsul von Afrika, und sein Sohn werden Kaiser. § 2
fährt fort: Itaque cum Romam venissent, Balbinus et Pupienus in Pa-
latio interfecti sunt, soJi Gordiuno imperium reservatum. Hier hat sich
schon der jüngste Gordian unversehens eingedrängt, während Eutrop erst
vom zweiten zu reden scheint. Bei der grossen Kürze, die Eutrop liier
1) Herr Prof. Kornemann weist mich darauf hin, dass an der betr. Stelle [Gd.
2.1) Arriano statt Hvrodinno steht! Ausserdem spreche für späten Ursprung der
Stelle die Herleitung des Geschlechts der Gordiane väterlicherseits von den Gracchen {!).
mütterlicherseits von Traian; vgl. zu solchen Ahstammungs- und Verwandtschafts-
konstruktionen Hirschfeld, Htst. Zeitschr. N. F. 43 S. 4-54 ff. und Kornemann, Klio
VI, 1906, S. 176 ff., bes. S. 184. — Zu Romae (Gd. 2, 3) vgl. die Auseinandersetzung
von Kornemann, Kaiser Hadrian S. 10, s. auch Epit. 27, 1 (unten S. 196).
2) Hier mag erwähnt sein, dass Seeck, JVcjie Jahrhh. 141. Bd. S. 619, Anm, 1.5
für c. Gd. 34, 1 an Benutzung des Chronoyraphen denkt.
.3) Thydri in der Ausgabe von Pichlniayr, München 1892, s. S. 27 zu Z. 26: Nomen
verum est Thysdrus.
13 *
18
196 Emsf Hohl.
anstrebt, lässt sich sein grobes Versehen schliesslich verstehen. Es ist
ja schon schief, wenn Gordianus deshalb nohilis heisst, weü sein Vater,
der Prokonsul von Afrika, Kaiser geworden war. Der Gegensatz zum
obscurisximum gemis des Pupienus und Balbinus besteht doch darin,
dass Gordianus Sohn (bezw. Enkel) eines Vaters mit senatorischem Range
war, wie das die Epitome 27, 1 vom jüngsten Gordianus hervorhebt: ortns
Eomae darinsmo patre'^). Dass freilich Capitolinus in seiner Biographie
nach den griechischen Quellen orientiert ist, bestreitet niemand. Nur da-
gegen verwahre ich mich, dass der . Kaisergeschichte " trotz des Zeug-
nisses des Chronograplten, den übrigens Mommsen {Ahhandhmgen d. sächs.
Ges. ä. Wiss. Bd. II. (1850) S. 600 f.: s. auch Chronica minora l. S. 142)
für die Aufzählung von Bauten durch Eutrop benutzt sein lässt ^). der
Fehler, nur zwei Gordiane genannt zu haben, aufgebürdet wird. Wenn
die Epitome richtig die drei Gordiane nennt, so glaube ich das aus der
Benutzung der , Kaisergeschichte " herleiten zu können, verzichte also für
die Epitome auf die Hilfe einer griechischen Quelle').
Wenn die Epitome in cap. 30 (s. Gräbner, a. a. 0. S. 91) den Hosti-
lianiis Perpenna*) a senafii irnj^erafor crcatus ausführlicherbringt als Eu-
trop-Victor, so ist es doch gewiss verständlich, wenn die Breviarien über
diesen rasch hinweggingen, während die , Senatskreatur " vortrefflich in
die senatsfreundliche „Kaisergeschichte "^ passt. und ich garnicht zweifle,
dass daher die genauere Notiz der Epitome stammt.
Auf S. 91 — 92 betont Gräbner. dass Zonai-as die Berichte mehrerer
Autoren nebeneinander anführe. So bei Valerians Ende; nach der einen
Nachricht sei der Kaiser von Sapor, dem Pei'serkönig. gefangen imd bis
an sein Lebensende in Knechtschaft gehalten worden, nach der andern sei
er selbst geflohen, da seine in Edessa hungernden Soldaten sich zu em-
pören drohten. Eine dritte Version biete Victor, diesmal mit Kedren:
auch bei ihnen werde Valerian gefangen, aber von Sapor grausam getötet.
Die Epitome gehe wieder mit Zonaras zusammen. Es folgt die Neben-
1) Auf das geims darum hatte schon Sueton Wert gelegt. Vgl. W. Weber.
GöU. Gel Am. 170. Jahrg. 1908, S. 972, Anm. 1 in der Rezension von Otto Th. Schulz.
Das Kaiserhaus der Antonine (1907).
2) Auch nach Seeck bei F.- W. III. Sp. 2480 ist der Chronograph von Eutrop benutzt.
•3) Nun will ich gewiss nicht behaupten, Eutrop habe den Aur. Vict. benutzt.
Dafür gibt es ja nicht die geringste Spur. Aber es ist doch immerhin anzunehmen,
dass Eutrop das Werk des Aur. Vict., der nur 9 Jahre vor ihm schrieb, zum min-
desten gekannt hat. Da ist es wenigstens eine Möglichkeit, dass Eutrop gewisse
Rücksichten übte und nicht geradezu gegen die Caesares des Aur. Vict. polemisieren
wollte.
4) S. Prosopographia imperii Bomani Bd. 111 S. 348 f. F Nr. 8 : C. A'alens Hosti-
lianus Messius Quintus. — üebrigens betrifft das Plus nur den Namen Perpenna —
aber gerade ihn wird niemand aus einer griechischen Quelle herleiten wollen. Die
Wahl durch den Senat berichtet auch Aur. Vict.. allerdings für Gallus und Hosti-
lianus (Caes. 30, 1 Gallo Hostilianoque Augusta imperia (sc. patres) decernunt).
19
E II t r. Valcrianiis in Mesopofa-
mia bellum (jcrens a Supore , Per-
sariim rege, siiperatns est, mox etiam
capfus apud Paiihos ignohili Servi-
tute consenuif.
Vopiscus HuiJ <1ir liiiKjrupliic des Kaisers Tucitus. 197
einanderstelhing von Zonaras XII 23, 1. 629 D— 6:50 A (ed. Dindorf,
Bd. III. (1870) Ö. 140 f.) und Epitomr 3:3. Icli setzo liier Eutroii IX 7
und Epitome 32, 5 — 6 bei.
Epit. Vnlerianus rero in Meso-
potnmia hellum yerens a Sapore,
Pcrsarum rege, siiperatus mox
etiam captus, apud Parthos igno-
hili Servitute cotisenuit. Nam qiiam-
[ diu vixit, rex eiusdem provinciae
inciirvato eo pcdem cervicibus eins
I imponens equum conscendere solitus
erat.
S. 94 sagt Gräbner. die Worte über die Gefangenschaft Valerians
seien ,bis auf den Buchstaben gleich". Und in seiner Zusammenfassung
auf S. 147 führt er aus, dass die nähere Verwandtschaft zwischen Eutrop
und der Epitome auf die „ Zosimosquelle" zurückgehe. „ Da aber die -E^i-
tome in manchen Fällen — ich erinnere an das Ende des Decius und an
Hostilian — die Vorlage genauer wiedei-gibt als Eutrop, an anderen Stellen,
wie bei Tacitus und Florian^), Fehler macht, die ihr Verfasser nicht von
Eutrop abschreiben konnte, so ist in ihr nicht Eutrop, sondern eine mit
ihm gemeinsame Vorlage benutzt. Beide stimmen aber häufig auch in ganz
kurzen Notizen so wörtlich überein, wie es weder bei selbständiger Ueber-
setzung aus dem Griechischen, nocli bei selbständigen Exzerpten aus einer
weit umfangreicheren Quelle denkbar erscheint. Daraus ergibt sich als
Postulat, dass beide nicht die ., Zosimosquelle" selbst, sondern eine latei-
nische Epitome daraus benutzten. ..."
Nun ist es aber mit dem „Postulat einer lateinischen Epitome der
Zosimosquelle" eine eigentümliche Sache (s. o. S. 192 f.). Weit entfernt,
die Schwierigkeiten zu lösen, verschiebt diese Annahme sie nur um eine
Instanz zurück. Einmal sind wir gezwungen, wie bereits angedeutet, auch
dem Eutrop sklavische Abhängigkeit von dieser Quelle zuzumuten, und
dann ist es sehr schwer, eine Vorstellung von dieser „lateinischen Ej)itome
der Zosimosquelle" zu gewinnen. Denn diese müsste dann doch die grie-
chischen Spuren sehr stark verwischt haben ; oder glaubt jemand, Hosti-
lianus Perpenna habe in dieser Form in einer ursprünglich griechischen
Quelle gestanden? Der Verfasser der „lateinischen Epitome der Zosimos-
quelle" müsste also selbst wieder quelleumässig gearbeitet haben, um seiner
Epitome wirklich ein lateinisches Aussehen zu verleihen. Ganz rätselhaft
und wie ein unheimliches Spiel des Zufalls erscheinen jene plötzlichen
starken Uebereinstimmungen zwischen Eutrop und der Epitome, da ja
1) Tatsächlich befindet sich ja hiefür die Epitome garnicht in Widerspruch zu
Eutrop, da dieser die Todesarten und den Ort verschweigt! (s. u. S. 201 u. im Abschn.
U zu Tue. 13,5).
20
198
En/.sf Hohl.
Gräbner selbst auf S. 14() dem Eutrop die „Kaisergeschichte" zugrunde
liegen lässt, es also wirklich sehr wunderbar ist, wenn er auf einmal durch
die Benutzung der „lateinischen Epitome der Zosimosquelle" in engste Be-
rührung mit dem Ps.-Aur. Vict. tritt.
Prüfen wir demgegenüber vorurteilsfrei die oben zusanuuengestellten
Sätze des Eutrop und der Epitonie, so ist es klar, dass die Epitome ein-
fach wörtlich den Eutrop abgeschrieben hat. Selbst der Wechsel Persa-
rmn-Parfhos kehrt beidemal genau gleich wieder'). Aber die Epitome
hat sich dabei nicht beruhigt. Sie interessierte sich für das weitere Schick-
sal des Valerian. suchte gewissermassen nach dem Grund, warum denn die
servitiis „ignohUis'' genannt werden konnte und fand ihn in der Quelle Eu-
trops, eben der „ Kaisergeschichte "-). Nun hat schon Th. Opitz {Qnnc-
stiones de Sex. Äiirelio Victore, acta societatis pJiilologae Lips. (1874) II 2.
S. 247) zur jE)«Yo)«e-SteIle Lactant. (!<■ moiit. persecidorum 5 und Orosius
aäc. pcuf. VII 22 beigezogen.
L a c t. 5, 2 (im Corpus Script, eccl. 0 r o s. YII 22, 4: Valeriamis ilico
Lat. XXVII 2 edd. S. Brandt et G. ncfarii atictor eclicti, a Sapore Per-
Laubmann, Wien 1897. S. 178 Z. santni rege captus, imperator poptdi
1 7 ff.) ... cixitque in serrittde tur- i Romnni ignominiosissima apud Persas
inssime. 3 Nam rex Persariim Sa- \ serväute consenuit, hoc infamis offi-
por, is qui eitm ceperat, si quando li- cii continna. donec vixii, damnatione
biierat aut reJdculum ascendere ant soiitiis, ut ipse adclinis Jmmi regem
equum. inclinare sihi Momanuni iiibe- semper asceiisurum inequHm,nonmanu
hat ac terga praehere et iittposito pede sua, sed dorso attoUeret. — (s. dazu
super dorsum eins illud esse verum Zangemeister in seiner Ausg. (1882)
dicebat exprohrans ei cum risu, non S. 481 : auctores:§4 „Vcdcrianus
quod in tahuJis aut parietihus Pomcini — cmtsenuit' 'Kiex. 22 74 (Eutr. 9.
jnngerent. i ita iUe dignissime trium- 7). // donec vixit sqq.] ignotus (cf.
phatus (diquamdiu vixit, ut diu bar- De m ortt. p e r s e c. 5 et A u r.
haris Bomanum nomen ludibrio ac! Vi ct. Ep it. '?,%&)*.
derisui esset. 5 etiam hoc ei acces- Au r. Vict. 32, 5: . . . Persarum re-
sit ad poenam, (juod cmn filium ha-
beret imperatorem, captivitatis suae
tarnen ac servitutis extremae non in-
venit ttüorem nee omnino repetitus est.
6 postea vero quam pudendam vitam
in illo dedecore finivit, derepta est ei
cutis et exuta visceribus pellis infeda
gis, cid nomen Sapor erat, dolo cir-
etimventus foede la)iiatus interiit.
* In der Ausg. {Corpus scri2it. ecch Lnt.
V) steht fälschlich 30, 6.
1) Dannhäuser a. a. O. S. 69 zieht aus dem Wechsel des Ausdrucks Persae —
Parthi in der r. Pr. Schlüsse auf verschiedene Herkunft. Dass hiebei Vorsicht ge-
boten ist, zeigt unsere einheitliche Fassung bei Eutrop und der Epitome.
2) Der Ausdruck consenescere kann ihr gehört haben. Er steht ebenfalls in
Beziehung auf Valerian auch VaJ. 4, 2 und T 12, 1.
21
Vop/.srii.i und die Ji/oi/niii/uc des Kaisers Tricitus. 199
nihm cilinr, iit in trntplo harhurorum 1
drornni nd nninoriiun rhtrissimi frium-
phi pinnafnr etc. ')•
Tli. von Mörner. üe Orosii rita r/nsqnr hidoriarnm libris Septem ad-
rersns ixu/dinis, Berl. 1844, den schon Opitz, a. a. 0. Anm. 69, zitierte,
sagt S. 64 Anm. 42: „De Valeriani .sorte a Nostro ampliatus Eusebius
per Laetant. de inorff. pers. 5 probatur, quem Orosio notum fuisse cvedi-
liile quidem, sed vix demonstrabile. " Gewiss wird man die Möglichkeit
zugeben müssen, dass Orosius für seine übrigens weniger eingehende Schikle-
rung den Lactanz benutzte oder sich wenigstens an dessen Darstellung er-
innerte. Xach Erwin Preuschen in der Becdennjklopädic für prot. Theol.
nnd KinJic 1902 Bd. XI =* S. 208 ist die Schrift Dr niorfihns persecnfontni
mit Bestimmtheit vor Ausbruch der licinianisclien Verfolgung, also vor
321 geschrieben, ob nun Lactanz der Verfasser ist oder nicht '^). Sie kann
frühestens 317 geschrieben sein. Man wird sich daher mit dem Spielraum
317 — 320 begnügen müssen (8. 209). Nun hat neuerdings H. Peter, Znr
Tcxfficsrhichtc der S. h. A.. Anh. f. hd. Lex. XV. (1908) S. 23 ff., zu E.
Patzig Stellung genommmen. der in der Bijz. Zeitschi: XIII. S. 44 — 50
unter anderem ein von Peter in seiner Ausgabe verworfenes Stück der
r. Val. als echt zu erweisen suchte. In der Behandlung der Frage S. 27 f.
scheidet Peter zwischen heidnischer und christlicher Ueberlieferung^). Ich
weiss nicht, ob diese Scheidung notwendig ist. Für uns ist jedenfalls die
Erzählung des Lactanz die älteste. Dass es zu seiner Tendenz gut passen
nuisste, wenn er die ., Verhöhnung des lebenden imd die Schändung des
toten Christenverfolgers ausmalen" konnte, versteht sich von selbst. Aber
es ist sehr zweifelhaft, ob er selbständig neue Züge hinzu erfunden hat.
Es handelt sieh ja jetzt für uns nicht darum, festzustellen, welches Schick-
sal tatsächlich der unglückliche Valerian erduldet hat — das wird sich
auch kaum ermitteln lassen. Wir fragen vielmehr nur danach, wie sich
sein Schicksal in den Quellen spiegelte. Wir sehen beim Tod Aurelians
den Lactanz gar keine Aenderung an der Ueberlieferung vornehmen, erst
bei Orosius {(idr. pag. VIT 23, 6; 27, 12) vävA der Blitz eingeführt, der
wie eine göttliche Warnung neben ihm in die Erde fuhr, als er eine Chri-
stenverfolgung plante. Nun sind aber die Elemente der Erzählung des
Lactanz sämtlich auch in unserer sonstigen Ueberlieferung vorhanden. Es
1) Aus Lactanz hat der Verfasser der Oratio CoHStanlini ad sanctum coetitm 24.2
geschöpft (s. die Anm. in der oben genannten Aiisij. des Lact, und Ivar A. Heikel
bei Eusebius Bd. I ihsg. roii der Kirchenräterkommissioti der preiiss. Akademie Leipz.
1902) Einl. S. XCIV. Nach Heikel a. a. 0. S. Cü wäre die Rede übrigens erst nach
der ersten Hälfte des b. Jahrhunderts entstanden.
2) Preuschen ist wohl mit Recht geneigt, gegen Brandt Lactanz als Verfasser
anzunehmen. Wir haben also auf alle Fälle ein Zeugnis, mag man es werten wie
man will, das nur durch knapp 60 .Jahre von dem Ereignis getrennt war.
3) Die Stelle bei Orosius beachtet Peter nicht.
22
200 Jwist Hohl,
bedurfte auch garnicht des cli ristlichen Hasses, um Valeriau unglücklich
und in tiefster Erniedrigung zu zeigen. Die Abneigung gegen Gallienu.s.
seinen Sohn, genügte vollständig. Je tiefer der Vater gedeniütigt wurde,
umso vernichtender fiel das Urteil über den Sohn aus, der nichts zu seiner
Befreiung unternahm. Ich bin nun der Ansicht, dass die „Kaisergeschichte",
auf die ich die Notiz der Epitome, wonach Valerian als Steigbügel für
den Perserkönig hätte dienen müssen, zurückführe, in der Tat das Los
des Valerian trostlos genug geschildert hat. Nach der Darstellung des
Lactanz wird Valerian erstens gefangen, zweitens dient er dem Perser-
könig während seiner schmählichen Gefangenschaft als Steigbügel bezw.
Trittbrett und zwar lange (§ 4 diu) und drittens wird er schliesslich nach
seinem Tod geschunden und in wenig ehrenvoller Weise mumifiziert. Zum
letzten Punkt stellt sich passend das ..foeilc lan/atKs" des Aur. Vict., dem
das iy.öaQeig ET£?>.Eint](jei' bei Leo Grammaticus, S. 78 Z. 5 S. (cd. Bonn.
1842, Bekker), undKedren. P 258 D. S. 454 Z. 3 fi". (cd. Bonn. 1838, Bekk.)
entspricht (vgl. hiezu C. de Boor, Römische KaiscrgcschuMe in hyzmdini-
.scher Fassumf I. Der Aninii/nuis posi Dionetii. Bi/z. Zeifschr. I [1892]
S. 28)'). Die „dritte Version", die nach Gräbner Victor und Kedren dar-
stellen, löst sich also in die ganze Erzählung auf, wenn auch der Aus-
druck des Victor und Kedren die Annahme der Tötung durch Schinden
näher legt, als das Schinden des Leichnams. — Es handelt sich bei der
ganzen Frage in diesem Zusammenhang nur darum, dass die Darstellung
der Ej)itom<: sehr wohl aus der „Kaisergeschichte" gestammt haben kann,
olme dass wir nähei-e Beziehungen zur „lateinisciien Epitome der Zosi-
mosquelle" zu behaupten brauchten. Allerdings wird durch diese Annahme
der Wert der „Kaisergeschichte" nicht gesteigert. Aber ich denke sie
mir ja, wie Enmann, ihr Entdecker, ganz biographisch gehalten (s. o.
S. 188) und sehe keinen Grund, warum sie sich von den Geschmacklosig-
keiten dieser Literaturgattung hätte freihalten sollen. Also dürfen wir
auch nicht hoffen, in ihrem Verfasser einen .höchst achtbaren Historiker",
wie sich sogar Enmann ausdrückt (a. a. 0. S. 442) oder gar eine Art Mittel-
glied zwischen Tacitus und Ammian zu gewinnen.
Gehen wir zum Tod des Quintillus über (s. Gräbner S. 93). Schon
Brunner, dem sich auch Opitz anschloss, vermutete im Vorbeigehen (a. a.
0. S. y2 Anm. 1), dass bei Zonaras in der Notiz über des Tacitus' Re-
gierungszeit najä 81 Ttvag fiij SÄovc. ovo iviavrovQ eine Verwechslung
mit Claudius Gothicus vorliege-), eine ähnliche wie sie sich finde zwischen
Quintillus und Florianiis in der Epitome 36. 2: Floriunns diernm sexa-
(jinta quasi per ludiim imperio usus, incisisa semetipso venis, cffnso san-
(juine consimptus est. Ich habe weiter unten nachzuweisen, dass wir für
diese Strecke der Kaisergeschichte mit noch weitergehenden Verwechs-
1) Vgl. Gräbner, S. 92, Anm. 1.
2) Ihm widerspricht Stein bei P.-W. 111, Sp. 2879.
23
Vopiscits und die Biographie des Kaisers Tacilus. 201
hingen zu rechnen haben. Am uUerraerkwürdigsten jedoch ist ein Zu-
sammentreffen zwischen Zosimos 1 47. Zon. XII 26. 1, 636 A B {ed. Dind.
Bd. III. S. 15L Z. 1.5 ff.), Kedren P 259 B, S. 454, Z. 19 ff. {ed. Bonn.) und
der Epitome 36.2'). (Vgl. auch E. Patzig, Uchcr einiye Quellen des Zo-
naras, Byz. Zeitsclir. V. (1896) S. 47). Denn dasselbe, was die griechi-
schen Quellen von Quintillu.s berichten, erzählt die EpMome von Florian.
Ich begnüge mich damit, die Zonarasstelle und die der Epitome neben-
einander zu stellen.
Zon. XII 2 6, 1 — Krrii/.icerör Während Zon. (älnil. auch Zos., der
löp clöeÄ(föv ty.eii'ov — d^iüoui niu- noch ausserdem einen Arzt die
lilQ ßaai/.eiag. — — fia&cjv riji' Adern öffnen lässt) so von Q u i n-
ürdQ^tjaip ToD AvQrjZiavov iavxbv tillus berichtet, schreibt die Epi-
ch'Et/.e, TEßcJV xijV g:Äeßa t//c oixeiag foine 36, 2 ganz entsprechend von
X^iQog y.ai ti] iy.ei9si' tov aifiarog Florian: Sed cum magna pars
iranoi/jv^ag ^ofj tTiTccy.aiÖEy.a fiöva: exercitus Equitium Probum miUtiae
IjUEQag öveiQch^ag iöauEQ tiji' ßaat- peritum legissct, Florianus etc. s. o.
/.eiav. S. 200.
Man sieht, die Berichte ähneln sich in auffallender Weise. Dem
övEiqCo^ag cöotieq irp' ßuai?Mav des Zon. entspricht (piasi per ludum
iinperio usus imd beidemal kommt es zum Selbstmord durch Oeffnen der
Adern. Bei Zon. veranlasst den Quintillus die Xachricht von der Erhe-
bung des Aurelianus, bei der Epitome den Florianus die Usurpation des
Probus zum freiwilligen Tod. Nun sagt Eutrop IX 12 von Quintillus :
septimo decimo die imperii occisus est. In der Epitome 34, 2 steht : knie
(Claudio) successit f rater eius Quintillus. is paucis diehus impcrium fenens
interemptus est. Ueber die Todesart des Florianus schweigt Eutrop IX 16
sich aus ; er sagt nur ganz allgemein : duohus mensihus et diehus XX
in imperio fuit; die Epitome lässt den Florian 60 Tage (also wohl
die zwei Monate der mit Eutrop gemeinsamen Quelle) regieren, be-
rücksichtigt demnach die zwanzig Tage nicht. Das „venas ineidere" der
Epitome ist gut suetonischer Ausdruck '). könnte also, wenn andere
Gründe dazu kommen, einen Fingerzeig auf die , Kaisergeschichte " geben
(Suet. Xero ß7. 2 bietet „renas mortis gratiu ineidere" vom Aderlass. der
den Tod herbeiführen sollte, Vitellius 2, 3 kommen die Worte scalpro li-
hrario cenas sibi incidit bei der Schildening eines Selbstmordversuches
vor [vgl. auch Tac. Äim. XVI 19, 4]). Vopiscus schildert den Tod des
Quintillus {A 37, 6) . . . imisis sihimet renis die vicesimo imperii sui pe-
risse^). Bei Zos. I 47 (vgl. Kedr.) heisst es ausdrücklich tojp laiQüi' ri-
1) Gräbner, .S. 93, stellt mit den griechischen Quellen über den Tod des Quin-
tillus auch die kurze Notiz der Epitome 34, 2 über Quintillus zusammen, hat also
die Verwechslung von Quintillus und Florian nicht berücksichtigt.
2) Ueber suetonische Ausdrücke s. u. S. 205 ; 213 ; 216, Anm. 1 ; 227.
3) L. C. Purser a. a. 0. (s. o. S. 181, Apm. 4) S. 10 f. schlägt vor : . . die ( duode}vicesimo.
24
202 />V»sy IJolil.
voc, (pXeßa rsfiovrog avTot usw. Nun gibt es für die Erklärung des „Ader-
lasses" an sich drei Möglichkeiten : entweder handelt es sich um den Em-
griff eines Arztes bei einem Krankheitsfall (vgl. den Tod Hostilians bei
Zon. und Kedr. und hiezu Gräbner S. 91), oder der Betreffende lässt vom
Arzt die Adern sich öflFnen, aber in selbstmörderischer Absicht, oder end-
lich, er öffnet sie sich .selbst. Die Wahl ist schliesslich subjektiv. Es
soll auch bloss gezeigt werden, wie in der Tradition sogar ein imgltick-
licher Aderlass, der zu Heilzwecken vorgenommen wurde, zum Selbstmord
umgedeutet werden kann.
Wir sehen, die Quellenberichte stehen recht seltsam nebeneinander :
nach Zos., Zon., Kedr. stirbt Quintillus durch Selbstmord, ob mit oder
ohne ärztliche Beihilfe ist unwesentlich. Die Epitome 34. 5 bietet hdcr-
emptus est, bringt aber dafür 36, 2 für Florianus genau dieselbe Todesart.
die die gi-iechischen Quellen dem Quintillus zuschreiben. Eutrop IX 12
sagt von Quintillus ^occisiis est" (während er die Todesart des Florian im
Dunkeln lässt). Aurelius Victor erwähnt den Quintillus überhaupt nicht,
lässt aber den Florian Cacs. 37. 1 von den Seinen getötet werden : „"/'
suis inferficifiir''. Nach Pollio Gl. 12, 5 wird Quintillus ebenso getötet
wie Galba und Pertinax d. h. also ,,ah suis" wie Aur. Vict. über Florian
sagtM: r. Cl. 12. 6 et Dc.vippus qiiidem Vlauäium non dicit occisuiti. svd
tmitum iiK/rtitniii. ucr faineri aädit Morho, id duhiiim sentire videatiir hat
Dessau, Hermes 24, S. 377 Anm. 2 statt der von Peter in den Text auf-
genommenen Konjeictur von Salinasius ^QinniilbnH" der handschriftlichen
Lesart „Claiidinm" wieder zu ihrem Recht verholfen-). Nach Vop. ,4 37.
6 endet Quintillus durch Selbstmord (s. o. S. 201). Es gab also zwei Ueber-
lieferungen für den Tod des Quintillus : Selbstmord oder Ermordung durch
sein eigenes Heer (wobei ich von der oben angedeuteten Möglichkeit, dass
der Selbstmord sogar aus der Tradition über eine Krankheit entstehen
konnte, absehe). Während Vop. sich zu den griechischen Quellen stellt,
tritt PoUio zu Eutrop und der Epitome. Von Aur. Vict. glaube ich. dass
er bereits Quintillus. den er übergeht, mit Florianus zusammengeworfen
hat, da er den Florianus ausserdem zum Bruder seines Vorgängers macht
1) Zu Galbas Tod s. Suet. Galba 19.2; 20; — zu Pertinax' Tod s. F 11.
2) Nach Ed. Schwartz bei P.-W. V, Sp. 292 wäre Cl. 12,6 der Name Claudius,
der für Quintillus erscheine, nicht falsch, sondern nur undeutlich; das zugefügte
Zitat sei mit dem Text nicht ausgeglichen — danach scheint Schwartz auch unter
Claudius den Quintillus zu verstehen. Es ist allerdings richtig, dass beide Brüder
die Namen Aurelius Claudius gemeinsam führten. Aber dass nun wirklich — etwa
von Dexipjjos — jemals einfach Claudius gesagt worden wäre, wenn Quintillus ge-
meint war, halte ich für ganz ausgeschlossen. Nach PIR I. (1897) S. 201 ,1 Nr. 1229
wäre an unserer Stelle , QiiintiUum'^ zu lesen, weil darauf der Zusammenhang führe.
• — Trotzdem bezweifle ich nicht, dass Dessau das Richtige erkannt hat, denn, wenn
auch unmittelbar vorher von Quintillus' Tod die Rede ist, so ist es in der H. A.
doch keineswegs ausgeschlossen, dass noch eine Notiz, die sich auf den schon er-
ledigten Tod des Claudius bezieht, nachhinkt.
25
Vopiscus und die Biographie des Kaisers Tacitits. 203
(über diesen letzteren Punkt s. Abschn. II zu Trtr. 13, fi). Das Los des Flo-
rianus bei den Griechen dagegen Hesse sich in ein „cdi suis interßcitur" zu-
sammendrängen. Auf alle Fälle, wie man nun dieses Dilemma lösen mag, steht
die EpitoDic also gerade im Gegensatz zu den griechischen Quellen, denen
Gräbner sie anzugleichen sucht. Wenn Gräbner sagt (S. 93) : , Bestehen bleibt
sicher, dass die Epitome abweichend von Victor deu (juintillus überhaupt
erwähnt", so beweist das durchaus kein Zurückgreifen auf die , lateinische
Epitome der Zosimosquelle" seitens des Epitomatoi-s, da ja Euti-op. der
Gewährsmann der Ejiitoiiic. den Quintillus anführte. Wir sehen al.so die
Rollen des Quintillus und Florianus vollständig vertauscht. Die Griechen
schreiben dem Quintillus Selbstmord zu : die Epitonu- lässt ihn getötet
werden und dafür den Florianus durch eigene Hand enden M-
Was Aurelius Victor betrifi't. so hat er das Paar Tacitus-Florianus
mit dem Brüderpaar Claudius-Quintillus verwechselt. Das konnte ihm
umso leichter zustossen. als er den Quintillus garnicht erwähnte — er
müsste denn, was mir kaum glaublich erscheint, in der Lücke nach Caes. 34.
7 gestanden haben. Also hatte er gewissermassen einen Kaiserbruder
übrig und übertrug nun dessen Funktionen mitsamt der Todesart auf Flo-
rianus. Der Epitomator dagegen schrieb nach der Art, wie ich mir seine
Arbeitsweise denke, für cap. 36 den Anfang aus Eutrop ab. Dessen un-
klare Ausckucksweise , morte praeventus '^ veranlasste ihn. sich in der , Kaiser-
geschichte" Rats zu erholen. Ihr entnahm er die Worte qui diicenfesinio
imperil die ajnid Tarsuni fehri morihir, wobei allerdings das „apud Tnr-
sum" zum Tod des Florianus, nicht des Tacitus gehört. Es ist aber sehr
wohl möglich, dass diese Bemerkung der Epitome erst in unseren Texten
an die falsche Stelle gerückt ist. Denn es ist zu beachten, dass ohne
diese Annahme für Florian kein Todesort angegeben wäre, was umsomehr
auffallen müsste, als die Umstände seines Todes in der Epitome so genau
berichtet sind. Die ähnliche Wendung « ducentesima regni hicc des
Aur. Vict. Caes. 36, 2 hatte schon Enmann bemerkt (a. a. 0. S. 403). Nach
ihm hätte der Epitomator , offenbar verführt von dem schönen Ausdrucke".
Victor die Zeitangabe .diice)ifcsimo imperii die^ entlehnt. Das scheint
mir wenig glaubhaft, da Enmann selbst diese Uebereinstimmung als die
einzige seit dem Leben des Domitian notiert -). Zudem hätte der Epito-
mator den „schönen Ausdruck' doch ziemlich verwässert. Es ist mir
nach allem sehr wahrscheinlich, dass die , Kaisergeschichte", also die Quelle
von Victor und der Epitome bereits die Ordinalzahl dueeiitesimiis geboten
hat und sich also aus ihr die Aehnlichkeit ableitet. Denn auch bei Aur.
1) Es ist zum mindesten ungenau, wenn Gräbner auf S. 105< einfach feststellt,
dass die Epitome unglücklicherweise dem Florian die Todesart zuschreibe, die eigent-
lich dem Quintillus zukomme, da .ja auch nach CI. 12. -5 Quintillus getötet wird.
2) Vgl. über ein ähnliches Beispiel, das ebensowenig für Entlehnung der E])i-
tiime aus Aur. Vict. spricht, u. S. 217.
26
204 J^nisf Hohl
Vict. Caes. 37, 2 könnte der Vergleich des Probus mit Hannibal vielleicht
aus der „ Kaisergeschichte " stammen, die, wie wir später sehen werden,
solche exempla nicht verschmähte.
Wenn Gräbner S. 93 sagt, dass autfallen muss, dass nur die Epitonu;
85, 3 und Zos. I 49 einen Septimius (Septiminus nach der Epifome)^) als
Gegenkaiser des Aurelian kennen, so ist zu bedenken, dass Eutrop und
Aur. Vict. wirklich nicht jeden Gegenkaiser aufführen konnten, die Ejyi-
tome dagegen sehr gut aus der „Kaisergeschichte" dessen Bekanntschaft
machen konnte. Auf S. 94 folgt die Behauptung, Eutrop benutze nicht
immer die mit Victor gemeinsame Quelle, sondern gehe bisweilen ihm
gegenüber mit der Epitome zusammen; so sei nach beiden Decius „e Pcni-
iionia inferiore Bnlxüiae nafiis", beide erwähnen den Gegenkaiser des Pro-
bus Proculus und lassen Probus ,iii turri fcrrafa" getötet werden. Eu-
trop sage von den beiden Decii „iiferque in harharico intcrfedi sunt'- :
trotzdem er die Einzelheiten übergehe, zeige die wörtliche Uebereinstim-
mung die Verwandtschaft mit der Epitome. Und ebenso seien die Worte
über die Gefangennahme Valerians bis auf den Buchstaben gleich. — Den
letzteren Fall haben wii- bereits behandelt und die „Uebei-einstimmung"
dadurch erklärt, dass die Epitome den Eutrop abschi-eibt, ihn aber dann
aus der „Kaisergeschichte" erweitert. Ebenso sind die andern Ueberein-
stimmungen entstanden. Für den Geburtsort des Decius liegt der Tat-
bestand sehr einfach: Aur. Vict. Caes. 29, 1 sagt „Sirmiensiiim vico oiiiis".
Eutrop IX 4 .e Paunonia inferiore Budaliae natiis" (daraus schreibt die
Epitome 29, 1 ab: -c Pannonia inferiore Bubaliae natits"). Nun ist Bu-
dalia (das ist die richtige Lesart, die auch in der Epitome herzustellen ist)
ein vicus von Sirmium in Pannonia inferior (vgl. Patsch bei P.-W. III.
Sp. 988). Wir können also trotz Gräbner die beiden Notizen von Eutrop
und Victor sehr wohl vereinigen zu : „e Pannonia inferiore Budaliae in
Sirmiensinm vico jiatiis", werden also gerade durch diese Stelle auf die
gemeinsame Quelle, die Gräbner hier in Abrede stellt, hingedrängt (näm-
lich auf die „Kaisergeschichte"). Aus Eutrop aber stammt die Erwäh-
nung des Proculus - ) durch Epitome 37, 2, die sich eng an ihn anschliesst
und nur den ganzen Satz etwas gekürzt hat. Ebenso zeigt das ^in turri
fer)-ata" {Epitome 37,4; Vopiscus Pr. 21.3; vgl. Enmann S. 393) deut-
lich nach dem ganzen Zusammenhang der Epitome die Herkunft aus Eu-
trop. Und über den Tod der Decii hat sich die Epitome 29, 3 über Eu-
trop hinaus aus der Quelle Eutrops unterrichtet. Also gerade an diesen
Stellen befinden wir uns auch nach den Enmannschen Untersuchungen
1) S. Opitz, a. a. 0. S. 251 und Mendelssohn, ed. Zos. S. 35 zu Z. 1: tnizifiioc
Ts] V ?; ^eTtri/iuöc Tf scripsit Mendelssohn.
2) Vgl. Enmann, a. a. 0. S. 392, der Vop. Pr. 18 mit Eutrop zusammen auf die
„Kaisergeschichte' zurückführt. Gräbner, S. 125 weist selbst auf das besondere In-
teresse, das die .Kaisergeschichte' den gallischen Gegenkaisern zuwandte, hin.
27
VojjiscHs Kiid die Biot/raphir des Kaisers Tucifus. 205
meist ganz sicher im Bcreicli der , Kaisergeschichte", und nichts berecli-
tigt uns mit Gräbner zu der Annahme, dass „auch diese Stellen des Eu-
trop auf unsei'e Gesamtquelle (d. h. also nach ihm auf die „Zosimosquelle"
bezw. deren , lateinische Epitome') zurückgehen." Besonders merkwür-
dig aber ist, dass Gräbner selbst S. 108 äussert: „Eiitrop, die Epitome
und Vopisciis nennen als Gegenkaiser noch Proculus und Bonosus, die
vielleicht trotz Victors Schweigen nur auf die „Kaisergeschichte' zurück-
gehen." Vorher (s. o.) hatte er aus der Erwähnung des Proculus bei
Eutrop und der Epitome gegen Victor auf seine „Gosamtquelle" geschlos-
sen, jetzt begnügt er sich mit der ,. Kaisergeschichte". begibt sich also
ganz auf den Boden der Enmannschen Arbeit. Uebrigens wird nur Pro-
culus von Victor übergangen, nicht auch Bonosus. der Caes. 37. 3 vor-
kommt.
Das nahe Verhältnis von Eutrop und Epitome zu einander mag noch
folgendes Beispiel illustrieren: Vergleicht man Eutrop IX 19, 1 qui cum
in auditorio r ei l ev i fatif/atioite taxaverant . . . mit Epitome 38, 7 . . .
(pii eum in auditorio rcrlii fafif/afione taxaverunt, so bedauert man, noch
keine kritische Ausgabe der Epitome zu Rate ziehen zu können ').
Denn da schon vorher Eutrop durch die Epitome abgeschrieben wurde, so
stellt sich das „verhi fatigatione^^ gar nicht anders dar, denn nur als Va-
riante des Eutroptextes. Nun trifft es sich sehr gut, dass Droysen in der
editio maior des Eutrop (il/. G.. Script, antiqu. IL (1879) S. 126, Z. 3) an-
gibt: nel ?e?«] uerbi P D, zu Z. 4: taxauerat G\ taxatiere D, taxanerunt
B, so dass wirklich die beiden Abweichungen der Epitome „verhi fa-
tiiiatione" und Jaxarerunt" sogar in den E u t r o p handschriften selbst
vorkommen. Bei diesem Tatbestand verzichten wir auf die raria lecfio
der Epitome und können ruhig auch in ihr herstellen „taxaverant^ und
„re? Jevi fatigatione", zumal da der letztere Ausdruck dem seltsamen „rerhi'
gegenüber den Vorzug verdient, das sicher nur durch ]ialäographisches
Versehen entstanden ist'-).
Beachtung verdient das Wort „taxare" in der hier anzunehmenden sel-
tenen Bedeutung ^ .sticheln". Steht es doch so bei Sueton. Aug. 4. Wir
werden bald (S. 213; 216) weiteren Fällen begegnen, wo sich Berührungen
im sprachlichen Ausdruck mit Sueton finden, die doch wohl nicht nur
dem Eutrop. sondern schon dessen Quelle, der .Kaisergeschichte", ent-
stammen, die ihrerseits den Anschluss an Sueton gesucht, ihn höchst wahr-
1) Opitz a. a. 0. S. 25:3 f.. 27.5 bemerkt nichts zu dieser Stelle ; vgl. Enmann
a. a. 0. S. 406 über die Unsicherheit der Zahlen in dem diplomatisch noch
nicht beglaubigten Text der Ep ito m e.
2) Denn aus dieser Stelle etwa schliessen zu wollen, dass der Epitomator einen
Eutroptext benutzt habe, der diese Korruptelen schon aufgewiesen hätte, wie sie auch
in Eutrophandschriften stehen, wäre doch des Guten zuviel. Vielmehr sind die Kor-
ruptelen sowohl im Eutrop als in der Epitome je selbständig aus der richtigen Les-
art entstanden.
28
206 Ernst Hohl
scheinlich in erweiterter und etwas umgearbeiteter Form für die Darstel-
lung der ersten elf Kaiser aufgenommen hat. Nur müssen wir uns davor
hüten, aus der Beobachtung solcher Koinzidenzen auf ein ängstliches Fest-
halten Eutrops am Wortlaut der „Kaisergeschiclite" schhessen zu wollen,
das wir ganz im Gegeuteü gewiss nicht annehmen dürfen. Wenn ein-
zelne Wörter wiederkehren, so ist das nocli lange kein Zeichen für eine
sklavische Abhängigkeit Eutrops von seiner Quelle ; gegen diese Annahme
hatten wir ims ja schon im Eingang im Sinne Wölfl'lins gewendet. Dass
natürlich auch der blosse Zufall seine Hand da im Spiele haben kann,
wo wir geneigt sind, an einen inneren Zusammenhang zu glauben, müssen
wir uns resigniert eingestehen.
2. Die Eji itome und die , K a i s e r g e s c h i c h t e ".
Vielleicht kann die Behauptung als erwiesen gelten, soweit eben in
solchen Fragen Beweise möglich sind, dass die Epitome in ihrem dritten
Teil aufs engste mit Eutrop zusammengeht, dass sie ihn also geradezu
abschreibt'). Denn dass die Gräbnersche Erklärung der Uebereinstim-
mungen zwischen Eutrop imd der Epitome durch gemeinsame Benutzung
der .lateinischen Epitome der Zosimoscjuelle" sich mit den Tatsachen nicht
vereinigen lässt. haben wir schon oben gesehen. Es geht nicht an. den
Eutrop in derselben pedantischen Weise abschreiben zu lassen, %vie es
später die Epitome getan hat. Dann aber hat sich ja aus der Prüfung
der von Gräbner für seine Theorie in Anspruch genommenen Stellen er-
geben, dass sie gerade nicht auf die „Zosimosquelle'' zurückgehen, sondern
sehr wohl der „Kaisergeschichte " entstammen können. Da sich nun aber
die Epitome ihrerseits nicht damit begnügt, den Eutrop abzuschreiben,
sondern immer wieder über Eutrop hinaus auf dessen Quelle zurückgreift,
so sind wii- zu der Annahme berechtigt, in den Zusätzen der Epitome zum
Text Eutrops Gut aus der , Kaisergeschichte" solange zu vermuten, als
nicht andere Gründe diese Annahme ausdrücklich verbieten. Denn dass
bei dem Wesen der Epitome eine umfangreiche Quelleubenutzung und ein
mosaikartiges Zusammenarbeiten von Notizen aus verschiedenen Werken
nicht erwartet werden kann, wird man zugeben müssen. Wie nun der
Epitomator für die ersten elf Kapitel die den Caesares des Aur. Vict. ent-
nommenen Stelleu mit Exzerpten aus der „Kaisergeschichte' versetzte
(vgl. Wöliflin, o. S. 187, wo ■ndr schon'') statt Sueton, wie Wölfflin meinte,
die . Kaisergesfhichte " angenommen haben), so wäre dann späterhin ganz
entsprechend Eutrop ebenfalls mit Zusätzen aus der „Kaisergeschichte"
versetzt worden. Die Ejiifomr hätte also durchweg (bis cap. 38) die . Kaiserge-
schichte" zur Bereicheiiing und zur Kontrolle dessen, was sie den Breviarieu
zuerst des Aur. Yict.. dann des Eutrop, entnahm, herbeigezogen. Gräbner hat
in begi-eiflichem Entdeckereifer schliesslich überall Spm-en, direkte oder
1) Vgl. Opitz, a. a. 0. S. 267 ff. und Enmann a. a. 0. S. 399 f. — 2) S. 187 f.
29
VopiscKs und die Jiionnipliic des Kaisers Tacitus. 207
indirekte, seiner .Zosimosquelle" gesehen. Darüber hat er die Eintome,
obwohl er gerade Ton ihr ausging, vernachlässigt und ihre Eigenart ver-
kannt, ja eigentlich vergewaltigt. Nicht sie bietet sich uns zur Aufhel-
lung der „Zosimosquelle" an; wohl aber kann sie uns, wenn wir uns ihrer
Führung mit der nötigen Vorsicht anvertrauen, das Wesen der „Kaiser-
geschichte" erhellen. Noch neuerdings hat WölfHin. Zar Lutinitüt der
Epitome. Arrli. XII. (1902) S. 445 ff., wichtige Untersuchungen über die
Sprache des Epitomators veröffentlicht; er nimmt dabei eine Bemerkung
wieder auf (S. 448), die er schon im lilmn. Mus. 29, S. 295 gemacht
hatte, und wonach in den ersten elf Kapiteln die Exzerpte aus Victor mit
,isfe'^, die Zusätze aus Sueton mit „/»(" eingeführt werden. Hennann
Peter habe das in der Gesch. Litt. Uli. die römiscJie Kaiserzeit II. S. 361
Anm.. eine „feine" Beobachtung genannt. Wölfflin fährt fort: „ Der Wechsel
beider Pronomina zieht sich nun aber durch die ganze Epitoma hindurch,
ohne dass wir hier freilich die verschiedenen Quollen zu benennen im-
stande wären. Als Beispiel genüge cap. 35 (Aurelian) : iste haitd dissi-
niilis fidt AlexcDidro Magno ■ — isfe vicfor fuit — hitius tempore — iste —
liic — hie Tetricum provexit. Jedenfalls dürfen wir diese Pionominalver-
wirruug nicht den Quellen des Epitomators. sondern nur diesem selbst
zuschreiben" (s. übrigens auch Fr. Leo, Die (/riecJi.-röm. Biorjr. S. 308 f.).
Vergleichen wir für cap. 35 der Epitome Eutrop IX 13 — 15, so ergibt
sich, dass in der Tat drei Nachrichten mit ..iste" eingeführt werden, die
bei Eutrop fehlen, die also nach unseren bisherigen Aufstellungen für die
„Kaisergeschichte" in erster Linie in Anspruch genommen werden müssten,
nämlich der Vergleich des Aurelian mit Alexander und Caesar (man er-
innere sich an den Vergleich des Probus mit Hannibal bei Aur. Vict.
Caes. 37, 2. die drei Siege ') in Italien, die ebenfalls bei Eutrop nicht
stehen, und endlich die Nachricht vom Diadem, die abermals über Eutrop
hinausgeht (vgl. Opitz a. a. 0. S. 251 u. Anm. 20). Mit „Hiiiiis tempore'--)
führt sich allerdings die Erwähnung des Gegenkaisers Septiminus ein, der
sonst nur bei Zos. I 49, 2 vorkommt (freilich auf Grund einer Konjektur
s. 0. S. 204 Anm. 1). ' Hier würde man, da die Nachricht nicht aus Eutrop
stammt, ^istins tempore" erwarten, doch ging schon zweimal „iste" vor-
aus; es konnte also .Jiic", mit dem umständlichen Jempns" verbunden,
genügen. Gleich darauf kommt mit Jwc tempore" der Bericht über den
Münzer- Aufstand, der aus Eutrops Text zusammengezogen ist, wo er in
der Tat mit .Hoc imperante" einsetzt. Weiter folgt mit „liic" die auch
bei Eutrop berücksichtigte Angabe über den Mauerbau. Mit Jiic" wird
1) Der Sieg bei Placentia war t.atsächlith eine Niederlage (Vop. A 21. 1 ff.). Vgl.
L. Homo, Essai siir le regne de Vempereur Anreiten, S. "-t Anm. I und Lecrivain,
a. a. 0. S. 3-56, Anm. .5.
2) Lecrivain, a. a. 0. S. 443 denkt bei der Formel huius lciiipon\ hniii^ irnipm-l-
htts an den , Kaiserkatalog' (!).
30
208 Enisf Hohl,
auch die Nennung des Totricus eingeleitet den Eutrop kennt. Mit „Hoc
tempore" wird vom Interregnum berichtet, das ja Eutrop nicht erzählt,
und das sicher auf die „Kaisergeschichte" zurückgeht.
Danach scheint sich folgendes Ergebnis darzubieten'): mit „Ji/c" wer-
den die Xotizen eingeführt, die der Epitomator dem Eutrop entnehmen
konnte, auch wenn er sie dann aus der , Kaisergeschichte " selbständig
noch erweiterte. Mit „/.s/e" bezw. „//»/«.s" oder „lioc fenqiorc" treten die
Nachrichten auf. die sich bei Eutrop nicht finden, die also wohl der , Kai-
sergeschichte" entstammen. Unregelmässig ist nur. dass der Bericht über
das ^ieJhon monetariorum' mit „hoc tempore^^ anhebt. Das erklärt sich
aber in diesem Fall sehr einfach daraus, dass Eutrop selbst schon .hoc
hiqyeravfe" gesagt hatte. Natürlich sind diese Beobachtungen zu sehr
dem Spiel des Zufalls {ii'^isgegeben. als dass man weitgehende Schlüsse
daraus ziehen dürfte. Immerhin braucht man sie nicht von vornherein
abzulehnen, wo sie sich darbieten. Auf einen dem Epitomator eigentüm-
lichen Gebrauch, den Wölfflin nicht notierte, möchte ich bei dieser Ge-
legenheit hinweisen. Es ist das ^noiüssime" beim Abschluss einer Re-
gierung, das z. B. Epifome 33, 2 „Novissime adversus Aiireolnm profecttia
est" auftritt, worauf die Erzählung von Gallienus' Tod folgt, und ganz
entsprechend Epitome 35, 8 den Bericht über die Ermordung Aiu-elians
einleitet (vgl. auch Epitome 23. 6 beim Tod des Elagabal).
Will man nun den Versuch wagen, aus den betreffenden Kapiteln der
Epitome Rückschlüsse auf die „Kaisergeschichte" zu ziehen, so muss man
sich allerdings der Gefahren wohl bewusst bleiben, denen uns die Lücken-
haftigkeit unseres Materials und die Laime der Ueberlieferung überhaupt
aussetzt. Wie Gräbner durch die Gordiane sich in die Irre führen Hess
und so von Anfang an den verhängnisvollen Anschluss an die „Griechen"
gewann, so könnte es diesem Versuch begegnen, seinerseits in das andere
Extrem zu verfallen und auf der Suche nach der „Kaisergeschichte'" ebenso
m falscher Richtung zu gehen, wie Gräbner hie und da seiner „Zosimos-
ciuelle" zulieb vom geraden Weg abgewichen ist. Doch mag man immer-
hin das eine bedenken, dass man dem Wesen einer Epitome. für die in
den ersten Partien zwei Quellen zur Erklärung ausreichten, leichter ge-
recht werden kann, als den Rätseln einer historischen Erzählung, die mit
grösseren Ansprüchen als diese auftritt. Wollten wir mit Gräbner gehen,
so mtissteu wir Eutrop und die Epitome die „lateinische Epitome der Zo-
simosquelle'' in voller Gebundenheit abschreiben lassen, höchstens dass sie
das eine Mal etwas mehr, das andere Mal etwas weniger entlehnt hätten.
Demgegenüber wahren wir bei unserer Annahme dem Eutrop volle Frei-
heit. Er kann dabei nach Belieben mit seinem Material schalten und ist
namentlich in stilistischer Hinsicht unbehindert. Die Epitome aber schreibt
1) Durch Wölfflins Beobachtung angeregt, habe ich diese Stichprobe gemacht.
Ein durchaus sicherer Schluss ist auf so schmaler Grundlage nicht möglich.
31
Vo2>i.<!(iis iiutl dir li/dfinipliic (/r.v Kaisers Tniiliis. 209
ihn zwar ab. vorsieht ihn aher ih» li mit selbständigen Aendenin<;i ii und
Znsätzen, für die sie sich der „Kaisergoschichte", also eben der (Quelle
Eutrops, bedient. Schon Otto Th. Schulz liat jn in seinem Buch Das
Kaiserhaus der Antonine and der letzte Historiker Roms. Leipzig 1907. S. 99
die Epitomc das eine Mal den Eutrop fast wortgetreu absehreiben lassen,
an einer andern Steile (S. 108) lässt er gar die Epitonie einen Passus der
H. A., den erst der Schlussredaktor in das Corpus eingefügt haben soll,
nachschreiben. Ohne hierauf weiter eingehen zu können, da es sich um
Teile handelt, die für unseren Zusammenhang nicht in Betracht kommen,
muss es doch jedenfalls wohltuend berühren, dass ein Forscher ohne Vor-
urteil die Konsequenzen allein aus dem Ergebnis eines sorgfältigen Zeugen-
verhörs zieht und nicht einem bec[uemen Schema oder einem alten Aber-
glauben zulieb den Tatsachen (iewalt antut. So hat ja Wölfflin uner-
müdlich für eine freiere Auffassung der Quellenprobleme gestritten und
vor verderblichem Verallgemeinern gewarnt (vgl. z. B. Arch. XII. S. 446)
und doch war auch er wieder der erste, wo es galt, die Eigenart eines
Schriftwerks zu verteidigen.
Wenn wir später an einzelnen Beispielen die Arbeitsweise von Voj)..
Eutrop und Aur. Vict. beobachten und dabei entdecken werden, dass für
gewöhnlich, wie zu erwarten, Vop. am meisten gibt, Aur. Vict. und nament-
lich Eutrop wesentlich weniger bieten, Aur. Vict. aber als der freiere Kopf
und künstlerischere Geist sich am weitesten vom Original entfernt '), so
geht daraus hervor, dass jene Stellen, die seinerzeit Dessau im Corpus
der S. h. A. auf Eutrop zurückgeführt hat, in der Tat mit aller Wahr-
scheinlichkeit ihm zugehören. Dafür hat Dessau denn auch die volle Zu-
stimmung Mommsens {Hermes 25. S. 273 f. = Ges. Sehr. VlI. S. 344 f.) -) ge-
funden. Dem gegenüber hat Klebs. Rhein. Mus. 45 (1890) S. 446, S. 459 f. eine
gemeinsame Vorlage angenommen, wie er das z. B. auch zur Ei'klärung des
Verhältnisses zwischen Festus und Eutrop getan hat. Nun hat aber gerade
am Breriarium des Festus Wölfflin [Areh. XIII. (1904) S. 69 ff. und
S. 178 tf.) gezeigt, dass Festus in der Tat den Eutrop benutzt habe, und
hat damit die Annahme einer gemeinsamen Quelle entbehrlich gemacht.
Wenn wir aber des weiteren an einigen Fällen bei Vopiscus sein Ver-
halten der restituierten Quellenstelle gegenüber beobachten werden, wo-
bei zum mindesten eine wörtliche Herübernahme nicht als ausgeschlossen
erscheint, so werden wir aus der , längeren wörtlichen Uebereinstimmung
zwischen Eutrop IX 15 und Vop. .4 39, 6—7' mit Dessau a. a. 0. S. 371 f.
ohne weiteres auf Benutzung Eutrops schliessen düi-fen. Denn bei un-
serem Ansatz des Vopiscus um die Wende des 4. .lahrhunderts geht es
natürlich nicht an. für solche Entlehnuno'en den Schlussredaktor aus theo-
1) Vgl. Eninann, a. a. 0. S. 387.
2) Anders urteilt Fr. Leo, Die ijriech.-röm. Biogr. S. 290 Aiim. 1 (bezüglich der
M Ä), vgl. auch Otto Th. Schulz, a. a. 0. .S. 93 ff.
K 1 i o . Beiträge zur alten Geschiclite XI 2. 14
32
210 Ernst Hohl.
dosianischer Zeit verantwortlich zu uiacheii. ila wir uns ja mit Vopiscus
bereits in theodosiauiseber Zeit oder etwas später l)efinden.
'A. A u r e 1 i u s Victor und der dritte Teil der £ j; i f o in c.
In der Erzählung vom Tod des Carinus berührt sich die Epitomc 38,
8 mit Aur. Vict. Caes. 39, 11 u. 12, während I]utrop die Nachricht') über-
geht, vielleicht in Erinnerung an Victorinus' Ende. Nun hat Gräbner,
a. a. 0. S. 146 nähere Beziehungen zwischen Aur. Vict. und der Epitomc
behauptet. Er sagt: .Eine besonders überzeugende Parallele, weil ihr In-
halt in keiner weiteren Quelle auch nicht bei Eutrop zu finden ist. bietet
sich in dem Bericht über den Tod des Kaisers Claudius IL :
Aur. Vict. Cnes. 34, 3. Nam EpitomeM,S. Claudius oero,
cum pellere Gofhos cuperet, quos diu- ' cum ex fatalibus libris, quos inspiei
furuifas nimis validos ac prope inco-\praeccperat, cognovisset, senteniiae in
las cff'ecerat, proditum ex libris Si-
hyllinis est primum ordinis amplissimi
victoriae vovendum. 4 Cumquc is,
senatu dicendae prinii niorte rcmedium
desiderari, Pomponio Basso, qui ttinc
erat, se afferente, ipse vitam suam
qui esse vidcbatur, semet obtulisset, .... dono rei publicae dedit, praefa-
sibi potius id muneris competere ästen- tus newincm fanfi ordinis primas ha-
dit, qui revera senatus atque oninium bcrc. (jKani ipsiiin imperatorein ^).
princeps erat. 5 Ita nullo exercitus
ddrimento fusi barbari summotique,
postquam iinperator ritam rei publi-
cae dono dedit.
Da die Uebereinstimmungen mit Eutrop gegen Victor, soweit ich
(Gräbner) sehe, alle für nähere Beziehungen zur ,Zosiraosc]uelle" sprechen,
so lassen Beispiele wie das vorstehende nur den Schluss auf unmittelbare Be-
nutzung der Schrift De Cacsaribus durch den Verfasser der Epitome zu."
Dem kann ich nicht zustimmen. Wer die Stellen vergleicht, wird
die Unmöglichkeit erkennen, dass hier die Schi-ift De Caes. unmittelbar
diu-ch den Verfasser der Epitome benutzt wurde. So hat schon Opitz a. a. ü.
S. 249 von der Stelle des Aur. Vict. gesagt: „Quae narratio quamvis in
singulis paulo copiosior, redit Ejiit. cap. 34, 3 : ita ut appareat utrique
eundem fontem praesto fuisse. ' H. Peter, Die gesch. Litt. II. S. 155.
will einzehie Beziehungen der Epitome zu den Caesares. namentlich im
Leben des Claudius aus der zufälligen Benutzung der gleichen Hilfs-
quelle herleiten. Auch in Bd. I. S. 304. wo er die Claudiuslegende im
Zusammenhang mit anderen Fiktionen behandelt, spricht er von der dem
Aur. Vict. und der Epitome gemeins;imen Quelle, deren Erfindung auch
1) Dass sie aus der -Kaisergeschichte- stammt, wird ;^icli unten ergeben.
2) Die Worte praefatus bis imperatorem hat Gräbner weggelassen : ich setze
sie bei. weil sie für die Autfassung bezeichnend sind.
33
Vopisats 11)1(1 <l/ij B/iifirapliie des Ka/sirs Tarif ns. 211
Ammian kenne') (Ammian. 81, 5. 17. vgl. mit 16. 10. 3). Treffend ist das
Urteil, das A. Colin a. a. 0. S. 22 f. fällt: „Nostros (Aur. Vict. und Epi-
tome) hie conspirare neminem i'ugit, sed ut aliis locis ita ne hie quidem
fieri potest, ut No.ster sua ex libro de Cacsarihus ipso deprompserit: nam
unde credamus eum Pomponii Bassi nomen sumpsisse, quod neque in
Caesarihits invenerit neque finxisse putandus est? Itaque utrumque scrip-
torem ex eodem fönte sua hausisse perspicuum est-)." Alle diese Urteile
sprechen sich also für eine gemeinsame Quelle aus; ich gestehe, dass ich
über Gräbners Behauptung, die wirklich unhaltbar ist, umsomehr erstaunt
war, als er doch sonst mit Scharfsinn vorgeht. Nun ist es von o-rosser
Wichtigkeit, dass Dessau {Hermes 24, S. 377). entgegen der alten Mei-
nung, es wahrscheinlich gemacht hat, dass auch Trebellius Pollio (67. 12,
6)^) die Legende vom üpfertod des Claudius kannte, aber auf deren Ver-
wendung in seiner Biographie dieses Kaisers verzichtete^). Es di-ängt
sich uns die Frage auf: sind wir nicht berechtigt, die Version vom Opfer-
tod des Claudius schon für die , Kaisergeschichte ' zu vermuten?
Ich glaube, wir können sie bejahen. Dass Desippos sie niclit hatte,
haben wir oben (S. 202. Anm. 2) gehört, und überhaupt ist die Legende im
Werk eines Griechen undenkbar. Denn diese straffe Auffassung der Se-
natsheiTÜchkeit, nach der der Kaiser selbst nicht mehr zu sein wünscht,
als der pnnceps senatus und dieser Ehre freiwillig sein Leben aufopfert,
trägt zu deutliche Spuren ihrer Herkunft an sich. So kann nur jemand
berichtet haben, der den Traum des alten Senats noch nicht ausgeträumt
hatte. Das passt aber vortrefflich zum Verfasser der , Kaisergeschichte'.
Freilich Eutrop will nichts von der Legende wissen: er schreibt IX 11.
2 von Claudius IL ausdrücklich „morho interiit" ^). Aber das schliesst
nicht aus, dass er nicht selbst auch die andere Version aus der „Kaiser-
geschichte" kannte, nur ebenso auf ihre Verwertung verzichtete, wie das
auch Trebellius Pollio tat. Ja, ich möchte sogar vermuten, dass entweder
Eutrop hier stillschweigend") die Darstellung der , Kaisergeschichte —
und des Aur. Vict. — ablehnt, oder aber, was ich vorziehen möchte, dass
die „Kaisergeschichte" selbst die Nachricht vom Opfertod in Gestalt eines
on-dit gab, an erste Stelle jedoch den Tod durch Krankheit setzte ^. Dass
1) Das hat Gräbner übersehen.
2) S. besonders auch E. Klebs, Eist. Zeiif:chr. Bd. 61 iN. F. 2.5) S. 238 und Anm..
der ebenfalls eine gemeinsame Quelle annimmt.
3) Zu der textkritischen Frage s. o. S. 202.
4) Nach Klebs, a. a. 0. S. 239 hätte die „Kaisergeschichte". Pollio und Vopiscus
die Legende noch nicht gekannt; dem widerspricht Dessau auch Hermes 27 (1892)
S. .581 Anm. 1. Ueber die Ansicht von Ed. Schwartz s. o. S. 202, Anm. 2.
5) Sonst ist Eutrop gar nicht sehr genau in solchen Angaben: so bleibt z. B.
IX 16 die Todesart von Tacitus und Florianus ganz im Ungewissen.
6) Vgl. zu der ^stillen Art" des Eutrop: Enmann a. a. 0. S. 47;^ mit Anm. S9.
7) Für die Zusammenstellung zwiespältiger Todesnachrichten durch den Eaiser-
biographen (den Verfasser der , Kaisergeschichte") s. Enmann a. a. 0. S. 466, Anm. 34.
14*
34
212
Ernst Hohl.
z^Tei solche Versionen nebeneinander in demselben Werke stehen, wird
niemand befremdlich finden, und ebensowenig wird es uns verwundern,
wenn wir gerade Aur. Vict. und die Epitome dankbar nach der wirkungs-
vollen Legende greifen sehen. Bezeichnend ist wieder die Umgestaltung
durch Aur. Vict. — Denn dass die Epitome dem Original viel näher kommt,
ist nach allem unbedingt zu erwarten. Der Ausdruck ^v/trnii rci piihlirac
(lono fledW stammt natürlich aus der Quelle, da er dem Aur. Vict. und
der Epitome gemeinsam ist. Den Namen des PomiDonius Bassus hat Aur.
Vict, ausgelassen : dafür hat er die Pointe („qni re vera senatiis atqur
ominiiiii jirii/ccps erat") besonders deutlich herausgearbeitet').
4. Versuch einer stellenweisen Kestituierung der
, Kaisergeschichte".
Wenn bisher der Nachweis gelungen sein solHe. dass die Epitome
gerade nicht zu der -Zosimosquelle", wohl aber zur .Kaisergeschichte"
in engeren Beziehungen steht, so darf ich vielleicht im folgenden für die
eine oder andere Stelle den Versuch einer Restituierung der „Kaiserge-
schichte" wagen. Es versteht sich dabei von selbst, dass ein solcher Ver-
such seinem ganzen Wesen nach problematisch bleiben muss und dass es
unmöglicli ist, mehr als einen gewissen Grad von Wahi'scheinlichkeit zu
erreichen"). Uebrigens sagt schon Enmann a. a. 0. S. 385. wo er die Berichte
über den Münzeraufstand behandelt und Eutrop. Aur. Vict. und Vop. da-
für zusammenstellt, dass man an diesem Beispiele sehe, „wie sich die
drei Exzerpte wechselweise zu einem Grundberichte ergänzen".
E u t r. IX 14 Hoc im- i A u r. V i c t. Caes. 35,
perante ctictm in urhe 6 Neeptc secits intra
monetarü rehcllaverunt \ urhem monetae opifices
ritiatis pecuniis et Feli-
cissimo rationali inter-
ferto. Qkos Aurelianus
vidos ultima crudelitate
conpescuit.
deleti, qui, cum auctore
Felicissimo rationaU
mimmuriam notam cor-
rosissent, poenae metu
bellnm fecerant usque eo
grave, uti per Coeliiim
■montem congressi septem
fere heltatonoii niiJin eon-
fecerint.
Ep i tarne 35, 4 berichtet bloss : Hoc tempore in urbe Borna monetarii
rcbeUarunt. cpcos Aurelianus victos nUima crudelitate conpescuit. Wie man
auf den ersten Blick sieht, hat sich die Epitome damit begnügt, den Test
Vop. ^ 38, 2 Fuit
sub Aureliano etiam mo-
netär ior um bellum Feli-
cissimo rationali auctore.
quod acerrimc severissi-
meque conpescuit, septem
tamen milibus suorum mi-
litum interemptis, ut epi-
stiila docet . . . folgt ein
gefälschter Brief.
1) lieber die üngenauigkeit der Fassung bei Aur. Vict. s. besonders Elebs, a.
a. 0. Anm. zu S. 238.
2) Immerhin dürfen wir jetzt den Ei^itoiuator immer da als weiteren Zeugen für
die .Kaisergeschichte" beiziehen, wo er über Eutrop hinausgreift.
Voiiisciis 1111(1 die Biographie des Knisers 'ffteHiis. 213
bei Eiitroi) zusaiuiiienzuziclHn. Da sie also ifcwiss ganz von Kutrop ab-
hängt, so scheidet sie aus und darf nicht etwa als weiteres Zeugnis für
den Wortlaut der „ Kaisergeschichte " in Anspruch genommen werden. Da-
gegen lässt sich der Briefe) Vop. A 38. 3—4 noch beiziehen (. . . mone-
tarii audore Felicissimo . . . rebelies sjnrifiis exfidcrunt. Iii ronipressi sutd
Septem milihus . . . intereinptis).
Ich denke mir den zu Grunde liegenden Passus der , Kaisergeschichte"
etwa so:
Monetarü enim, qid audore Felicissimo ndioiali numniornm iiotam ri-
liaveraiit, rchcUaveruiit. Quos Aurelianus in Coelio morde severissime mili-
fihus cotipesciät septem fere milibus caesis et interempto ipso Felicissimo.
Für die moderne Darstellung des Aufstands vergleiche man etwa
Stein, bei P.-W. VI. Sp. 2162 f. s.v. Fclicissii)iiis. „rebellaieriint". bezw.
„rebelles spiritiis extiderunt- (vgl. auch AVölfflin, a. a. 0. S. 476, wonach
H b, 2 „rebelles anitnos efferebant" als Muster von Cl. 11, 8 „rebelles
animos cxtiderani' (Vop. A 38, 3 ^rebelles spiritits extiderunt") zu be-
trachten sei) steht sowohl bei Eutrop als bei Vop.- ^) {„bellum":
Vop. und Aur. Vict.). — „Felicissimo rationali" bieten Eutrop. Aur.
Vict. und Vop. {„audore" noch ausserdem: Aur. Vict., Vop. und Vop.'-.
— Das „conpescuit" sichern Eutrop und Vop. — dem ^,uU/iiki crudeli-
tate' bei Eutrop entspricht „acerrime severissimeque'' bei Vop. — Den
Kampfplatz „per Coeliiim m'odcm" gibt uns allein Victor, aber es
liegt kein Grund vor. dieser präzisen Angabe zu misstrauen oder sie
etwa als eigene, wenn auch richtige Zutat des Aur. Vict. auszuschliessen.
— „vitiatis pecuniis" des Eutrop kombiniert mit „nummariam iiotam ror-
rosissent^' bei Aur. Vict. kann etwa auf „nummorum iiotam ritiare" iühren.
Dazu ist zu bemerken, dass der Ausdruck „nota" im Sinn von Gepräge
bei Sueton'') vorkommt (Suet. -l«//. 7.5. 1 nummos omnis notae; cfr. ebda.
94. 12; Vf/o 25, 2). — Schliesslich steht noch die Zahl der Toten in
Frage. Aur. Vict. lässt „Septem fere milia bellatorum'^ umkommen. Vop.
spricht von .Septem suorum (des Aurelian) miUtum interemptis"". (Die „Ur-
kunde" bietet dieselbe Zahl, spezifiziert aber die Truppen in höchst selt-
samer und vei-dächtiger Weise, gewiss aus freier Erfindung*): .1 38. 4
f lembariorum ") et iUpariensium et ('astriaiiorum et Darisrorum : bezeichnen-
der Weise stehen diese Namen im ganzen Corpus sonst nirgends : nur
Daciscimü, die an die Daeisci erinnern, kommen noch Pollio Cl. 17. 3
1) Er ist natürlich gefälscht. Seine tatsächlichen Angaben aber rnhen auf der
gleichen Grundlage, wie der Textbericht des Vop.
2) Mit Vop.- bezeichne ich den Brief. — :3) Vgl. S. 216, Anm. 1.
4) Nach der , Terminologie des 4. Jahrhunderts' also nicht in Aurelians Zeit
passend, s. Peter, Die S. h. A. S. 185.
5) So schreibt Peter noch in seiner AusijaW (1884). ,Umhminnim- hatte schon
Sabuasius vermutet; so auch Mommsen, Hermes 24 (1889) S. 208 Anm. 2. dem sich
dann auch Peter, Die S. h. A. S. 18.5 angeschlossen hat.
36
2U En>!<t Hold.
vor). Die Zahl 7000 scheint nach dem übereinstimmenden Zeugnis von
Yop. und Aur. Yict. für die , Kaisergeschichte" festzustehen; allerdings
ist sie ausserordentlich hoch, vollends wenn sie sich nur auf die Verluste
der kaiserlichen Truppen beziehen soll. Eigentlich ist es ja von vorn-
herein unwahrscheinlich, dass nicht auch von den monefarii viele getötet
wurden. Deshalb möchte man vermuten, dass 7000 die Gesamtzahl an
Toten (und vielleicht auch an Verwimdeten) auf beiden Seiten darstellt.
Wenn im Original so gestanden hat. wie ich oben andeutete, dann konnte
beides herausgelesen werden: entweder, dass Aurelian den Aufstand durch
seine Soldaten niederschlug, nachdem (im ganzen i 7000 gefallen waren,
oder aber, dass Aurelian den Aufstand niederschlug, nachdem er 7000
Soldaten eingebüsst hatte. Vielleicht haben wir in dem auffallenden hel-
latontui des Aur. Vict. nicht eine schriftstellerische Koketterie, die das
seltenere, gezierte Wort dem alltäglichen milcs vorzieht, zu sehen, son-
dern einen neutralen Ausdruck (etwa gleich Kombattanten, vgl. „bellum"
oben), der also Münzer und Soldaten in sich begriff. Die genaue Ueber-
setzung scheint allerdings dieser Auffassung nicht günstig zu sein. Dass
man an sich, wenn die grosse Grausamkeit Aurelians hervorgehoben wird,
vor allem die Angabe der Verluste bezw. des weiteren Schicksals der
Münzer — Aur. Vict. sagt sehr dunkel „deleti" — erwarten sollte, hat
selbst Vop. gefühlt, wenn er A 38, 2 „Septem tamru miUhiis" etc. sagt.
Der Tod des Felicissimus (vgl. Eutrop) war gewiss auch in der , Kaiser-
geschichte" erwähnt. Ueber das „Missverständnis der bis zur Zweideu-
tigkeit knappen Eutropstelle" bei Suidas s. v. MoriTÜQioi s. Stein bei
P.-Tr. VI. Sp. 2163. Auch nach ihm gehen alle diese Xachi-ichten auf
eine einzige Quelle, wahrscheinlich die verlorene .Kaiserchronik'" (wie
er unrichtig statt „ Kaisergeschichte " sagt) zurück und ebenso urteilte
Groag bei P.-W. V, Sp. 1372/73.
Noch eine zweite sehr einfache Stelle möchte ich kurz liehandeln (s.
Enmann, a. a. 0. S. 386).
Vop. Ä 39,2 mvros urhis Romae sie ampJknit, ut quiunnaginta prope
inilia nntrotiim eins amhitiis teneant (vgl. ^4 21, 9 His actis cum viderct piosse
fieii, ut aliquid tule iteriim, quäle siib Gallieno evcnerat. provciüret, adhi-
hito consilio semttus mnros urhis Bomae dilatavit . . .) — (zu His actis
vgl. Aur. Vict. Caes. 35, 7 : His tot tantisque prospere gestis . . .).
Aur. Vict. Caes. 35, 7 ac ne umquam, cptae per Gallienum ereiieranf.
acciderent, muris nrbem cpiam t^alidissimis laxiore ambitu circumsaepsit.
E u t r. IX 15 Urbem Romam muris firmioribus cinxit.
Epit. 35, 6 Hie tmn-is validioribus et laxioribus urbem saepsit.
Die Begriffe ^urbs" und „muri" (wofür freilich auch , )Hoc«?n " stehen
könnte) sind allerdings in diesem Zusammenhang selbstverständlich. —
Nun steht ^ambitus" sowohl bei Vop. als bei Aur. Vict.: — ^laxior" bei
Aur. Vict. nnA der Epitomc : — „circiimsaepsit" bezw. das Simplex .sacp-
37
VdjiiscKs inid (l/c B/(i(/r((pliir des Kdisds TdcUiis. 215
sit" bei Atir. Vict. und der Epitome: — „validiis'' bei Aur. Vict. und der
Epifonie (dem entspricht ,fir)iu(s'' bei Eutrop). — Die genaue Zahlungabe
für den Gesamtumfang der Mauern bietet \'()p.. wobei jedoch nach Groag
bei P.-W. V. Sp. lo77 die ")() Milien wolil von „pcdcs'', nicht von „jxis-
siis" zu verstehen wären. Auffallend ist, dass sowohl Aur. Vict. als auch
Vop. an der vorderen Stelle (^'1 21. 9) gewissermassen die pragmatische Ver-
knüpfung bieten, die sehr gut aus der „Kaisergeschichte ' stammen könnte,
besonders da es sich um einen Ausfall gegen den dieser so verhassten Gal-
lienus handelt: vgl. auch II. Peter. Die S. h. A. S. 88 f.. S. 89 Anm. 1 ')•
1) Es luuss übrigens auffallen, dass der Hinweis auf die Ereignisse unter Gal-
lienus zweimal in der v. A auftritt (18, 4), beim Markomanneneinfall {In illo autnn
timore, quo Marcomanni cuncta vastabant, ingentes Romne seditiones motae swit paven-
tibws cunctis, ne eadem. ijuae siih Gull i eno fueranf, proveni r c n t) und
(21, 9) beim Mauerbau. Da nun ein ganz entsprechender Ausdruck auch bei Am-.
Vict. Caes. So. 7 bei der Erwähnung des Mauerbaus sieh findet, so hat Lecrivain.
a. a. 0. S. 3-56 Anm. 4, ohne übrigens auf die Dublette .4 21. 9 aufmerksam geworden
zu sein, bemerkt, dass A 18,4 von Vop. aus der , Kaisergeschichte ' ungeschickter-
weise (,maladroitement") ein Ausdruck gesetzt worden sei, der sich, wie Aur. Vict.
zeige, auf ein anderes Ereignis (den Mauerbau) beziehe. Betrachten wir den Zu-
sammenhang bei Aur. Vict. Caes. 3-5. 2 berichtet er den Einfall der Alamanneu in
Italien (vgl. Bruno Rappaport, Die EinfäUe der Goten in das römische Reich, Leipzig
1899, S. 96). Dann wird Tetricus' Schicksal erzählt und daran schliesst sich die
Nachricht vom Münzeraufstand. 3.5.7 fährt er fort: Eis tot tuntisque pro-
s pere (j est i .s famtiii Romne Soli macinificum constituit donariis ornans opulenti», ac
II e u m quam, quae per G allie n « m evcnerant, accide re.nt , muris ui-
liem . . circumsaepsit. Der Passus über Gallien kann sieh nur darauf beziehen, dass
unter ihm „die Alamannen in Italien einfielen und hier plündernd bis Rom vorrückten"
(s. Rappaport a. a. 0. S. 61 : L. Homo, Essai sur le regne de l'empereur Aurclien.
S. .52. Anm. .5; Zos. I 37.1). Wir wissen, dass die „Kaisergeschichte" dem Gallien
äusserst ungünstig gesinnt war (s. Enmann. S. 434 f. vgl. o. S. 200.). Also passt
dieser Hieb gegen den Kaiser ganz zu ihren Tendenzen. Lecrivain hat nun gewiss
recht, wenn er die Phrase aus der .Kaisergeschichte" herleitet (beachte A 21. 9
His actis (ohne Beziehung!); folgt der Mauerbau und Aur. Vict. Caes. 35,7:
His tot ta ntisque prospere gestis folgt Sonnentempel und Mauerbau). Nur
braucht bei Vop. an der ersten Stelle (.1 18,4) der Ausdruck nicht „maladroitement"
gesetzt zu sein, weil er sich in der .Kaisergeschichte" auf ein anderes Ereignis be-
zogen habe. Denn tatsächlich handelt es sich ja A 18, 4 um Barbareneinf^llle in
Italien (Markomannen sagt Vop.: nach Rappaport a. a. 0. S. 96 waren es Juthungen
und Alamannen). Es ist also ganz verständlich, wenn in Rom grosse Aufregung ent-
steht, -weil alle befürchten, es könnte wieder gehen, wie unter Gallienus". Wenn
es dann ^21,9 heisst: Bis actis cum mderet 2'osse fieri, id aliquid tale iterum, quäle
sub Gallieno evenerat, proveiiiret. adhibito consilio senatus muros urUs Romae dilatavit.
so ist auch hier alles in Ordnung, wie zudem die angeführte Stelle des Aur. Vict.
zeict. Aurelian ist durch die Niederlage bei Placentia, die ihm die Barbaren beige-
bracht hatten, gewitzigt. Die Form .per Galliemim' bei Aur. Vict. (durch die Fahr-
lässigkeit des Call.) ist noch schärfer als das chronologische ..sub Gallieno' des Vop.
Warum sollen nun nicht beide Stellen A 18.4 und 21. 9 ihr Vorbild in der .Kaiser-
geschichte" gehabt haben? Ich glaube, es besteht kein hinreichender Grund mit
Lecrivain bei A 18, 4 an eine Verwechslung zu denken.
38
216
Ernst Hohl.
Das Wort „amjjliare'' scheint mir Berücksichtigung zu verdienen, da es
ähnlich auch von Sueton gebraucht wird, so Cacs. 18,2 Jemplum^ •,
vgl. auch Eutrop I 4 : iirhcm (tiiqilidr/t ddiecfo C'oelio morde und Chronoijr.
rom J. 354 [Chronica iii/iioni I, S. 147. Z. 13 f.): lamme rirci umpUatae
fiunt *). Ich denke mir also die Stelle, abgesehen von der pragmatischen
Verknüpfung, etwa so:
Urbeni Bomaiii ampliavit murisque ralklioribus et laxiorihus cirrmii-
saepsit, nt qiiinqiiayinta prope milia (pedum) murorum anihitus feiiereiifhe/.w.
tcneaiit. da der Zustand zur Zeit des Autors noch andauert).
Diesmal scheint der Versuch etwas besser gesichert, da die meisten
Elemente des Satzes doppelt bezeugt sind und auch die Epitome beige-
zogen werden konnte.
Für einen weiteren Passus hat ebenfalls Enmann S. :3!)5 dieBericlite
von Vop.. Aur. Vict. und Eutrop zusammengestellt. Ich füge nocli die
Epitome meiner Auifassung entsprechend bei:
Vop. Car. 12,
1 cum oculos do-
lere coepisset . . .
ac ledic.a portare-
fur, fadione Apri
soceri sui ... oc-
cisus est. 2 sed
cum per plurimos
dies de imperato-
ris sahite quacre-
titr a miJitv, con-
tionareturque
Aper idcircu il-
lum videri non
posse, quod ocu-
los invcdidos a
cento ac soJe .sub-
traheret , foetorc
tarnen cadaveris
res esset prodita,
omnes inraserunt
Apruni. . . .
A u r. Vict.
Cacs. 38, 6 At
Nurneriarms . . .
Apri praef. praet.
soceri insidiis ex-
stinguitur. 7 quis
casum dctulit ado-
lescentis ocidorum
dolor. 8 ßenique
diu facinus occul-
taturn, dum clau-
surn lectica cada-
rer specie aegri,
ne rento obtunde-
retur acies, gcsta-
butur. 39, 1 Sed
postquarn odore ta-
hescentium mem-
brorurn sceluspro-
ditnm est. . . .
Eutrop. IX,
18, 2 Xurneria-
nus quoque . . .,
cum ocidorum do-
lore correptus in
lecticida veheretur,
inpulsore Apro,
qiii socer eius erat,
per insidias occi-
sus est. Et cum
dolo ocritltaretnr
ipsiusinors, quous-
que Aper invadere
posset imperium,
foetorc cadaveris
prodita est. Mi-
Utes eriim , qui
eitrn sequebantur,
putore comrnoti de-
ditctis lecticulae
palUispost alicßiot
dies mortem eius
notant habere po-
tuerurit.
Epitome 38,4
und 5 : Xumeri-
(IIHIS quoque. . . .
. . . . , cinn oculo-
riim dolore correp-
tus in lecticida
veheretur, irripul-
sore Apro , qui
socer eins erat, per
insidias occisus
est. Cum dolo
occultareturipsius
mors , quousqne
Aper iiimdere pos-
set irnperium, foe-
torc cadaveris sce-
lus est proditmn.
1) Vielleicht erscheint es als petitio principU, wenn wir für den Verfasser der
, Kaisergeschichte ' suetonische Ausdrücke beanspruchen. Aber ich halte mich nicht
für berechtigt, da. wo sie sich bieten, sie von der Hand zu weisen.
39
VopincHH lind die Biognipliie des Kaisers Tacitus. 217
Die Epitomc hat also wörtlich den Text Eutrops abgeschrieben. Doch
hat sie sogar seinen allzu knappen Ausdruck verbessert durch die Ein-
fügung von „sccliis^ als Subjekt des Nachsatzes. Ich vermute, dass auch
in der „Kaisergeschichte" „scchis" in diesem Zusammenhang gesagt war.
weil dieselbe Phrase auch bei Aur. Vict. {sceliis proditiim est) auftritt.
Dass aber die Epitome in dieser Gegend über Eutrop liinaus die „ Kaiser-
geschichte" selbst eingesehen hat, geht aus der Erwähnung des Sabinus
lulianus hervor, den Eutrop nicht beachtet. Aur. Vict. jedoch bloss lu-
lianus nennt (Caes. 39, 10). Enmann könnte also hier in dem gemein-
samen „scelus" mit demselben Recht einen Anklang der Epitome an Aur.
Vict. entdecken, wie er das für „dticciitcsiiiuis" getan hat (s. o. S. 203).
Inpulsore Apro. das allein von Eutrop geboten wird, da ja bei
wörtlichen Uebereinstimmungen die Epitome nur den Text Eutrops sichert
und nicht etwa eine weitere Gewähr für den Wortlaut der ., Kaiserge-
schichte" bietet, erinnert sehr an Sueton, Claudius 2.5, 4: impulsore Chresto.
— Auch foetor kann in der gemeinsamen Quelle gestanden haben (Vop.:
foetore cadaveris res esset prodita; Eutrop: foctore cadaceris prodifa)^].
Dass Aur. Vict. das imschöne Wort vermeidet und vornehm odore sagt,
ist recht bezeichnend für seine stilistischen Tendenzen ; dafür sieht er sich
aber genötigt tahescentium memhrorum beizusetzen. Wenn nach Vop.
die Sänfte den Augenleidenden gegen Wind und Sonne (a vento ac sole).
nach Aur. Vict. bloss gegen den Wind {ue vento obtmideretur acies) schützen
soll, so stand gewiss beides in der Vorlage. Die Stelle der .. Kaiserge-
schichte" lässt sich also etwa folgendermassen restituieren:
Jfumerianus, cum oeulos dolere coepisset ideoque in lecticuhi vclicretur.
(ptae palliis claiidebatur, ne vento neu sole imperator obtunderetur, inpid-
sore Apro, qui socer eins erat, pier insidias occisus est ntque occultaiatur diu
mors cadarere quoque in lecticula clauso. Sed foetore cadaveris seelus est
proditum — dann folgte wohl die anschauliche Schildening, die uns allein
Eutrop bewahrt hat. wie die Soldaten, die die kaiserliche Sänfte beglei-
teten, „putore commoti" aufmerksam werden, die Vorhänge der Sänfte
herabziehen und so das Verbrechen entdecken. Man geht schwerlich fehl,
wenn man die Elemente dieser Erzählung der „Kaisergeschichte" zuweist.
Wenn ich nun diese Fälle noch einmal zusammengestellt habe, ob-
wohl ja das Material auch schon Enmann geboten hatte, so geschah es
in der Hoffnung, einmal die Epitome aus ihrer Isolierung — dass sie bei
Enmann isoliert erscheint, brachte der Gang seiner Untersuchung und der
damalige Stand der Forschung notwendig mit sich — herausreissen zu
können, sodann aber ihre scheinbare Beziehungen zur „Zosimosquelle" da-
durch auszuschalten, dass ich ihr Zurückgehen auf die .Kaisergeschichte"
wahrscheinlich zu machen suchte.
1 1 Eiitrop bietet noch zudem jjutor.
40
218 Ernst Hohl.
5. U e b e r e i n i g e D u li 1 e 1 1 e n in der G e s c h i c li t e der r ö -
mischen Kaiser.
Vielleicht darf ich liier noch kurz auf ein paar Dubletten in der Ge-
schichte der römischen Kaiser hinweisen. Es gibt bestimmte Motive, die
sehr gern an den geeigneten Stellen wiederkehren und der Forschung hin-
dernd im Wege stehen, da sie mit ihrem ausgebildeten Schema Feinde
der historischen Tatsachen sind. Schon Ranke hat in der WelfgescJiirJife
III, 1 (1886*) S. 462 Anm. 1 anlässlich der Erzählung vom Tod Aurelians
gezeigt, dass dasselbe , Histörchen" auch bei Domitian, Commodus und
Gallienus vorkommt und sogar schon von Siieton bei Caligula in Umlauf
gebracht worden ist '). Natürlich genügt die blosse Wiederholung dessen,
was uns als Schablone erscheinen mag, noch nicht, um eine Erzählung
allein aus diesem Grund zu verwerfen-). Es gibt nun einmal im histori-
schen Leben Fälle, die sich immer wieder unter dem Druck ähnlicher
Verhältnisse. Zustände und Bedingungen ähnlich abspielen müssen. Man
braucht nur eben an das Ende der römischen Kaiser zu denken, das so
oft verwandte Züge aufweist. Mancher Selbstmord ist hier in ähnlicher
Weise vollzogen worden und manches Attentat der Soldaten hat Analo-
gien gefunden. Andererseits liebt die römische Literatur und vor allem
da, wo sie von der Khetorenschule ^) beeinflusst ist. wirkungsvolle Effekte.
Allmählich bildet sich etwas wie ein Formelschatz heraus, der in den Be-
darfsfällen verwertet wird. Die histoi-ische Wahrheit aber kann sich
dieses Unkrauts nur schwer ei^wehren. Eine beliebte Version ergibt sich
z. B. aus einem Vergleich zwischen der Erzählung vom Ende des Victo-
rinus und der vom Tod des Carinus. Eutrop IX 9, 3 berichtet: Vido-
riniis posfea Galliariim accepit imperhini, vir sfreiiiiissiwns, secl cum tiimiae
Ubidhüs esset et mafr/Dioma aJ/ciia corninipcret, Agrippinae occisus est ac-
tiiar'w (pioflam dohim mach / »auf r. imperii siii anno secundo. Genaueres
erfahren wir von Aur. Vict. Cacs. 33, 12: Hoc (Mario) iugiüato post bi-
duum VictoriiiHS dcJigititr, belli scieiitia Posfumo par. verum libidinc prae-
cipiti; cpiu coliihita in e.rordio post biemiii imperium constupratis ri pleris-
([ue, nbi Attifiani coniiigem conciipirit, facitiiisque ab ca viro patefadum
est, accensis ftniiw nüUtihiis i)er scditionem Agrippiune occiditur. 13
Tantum aduariorum. cptorum loco Attitianiis hahebafur, in exercitn fac-
tiones vigent, . . . (folgt ein gi-immiger Ausfall gegen die ^aduarii"
(cf. Seeck bei P.-W. I, Sp. 301 s. v. actarius 2)). VgL auch Treb.
Pollio T 6. 3: tunc interfecto etiani LoHiano solus Victorinus in imperio
1) Vgl. E. Klebs. Bas (hjnaslische Element in der Geschichtsschreibung der rumi-
schen Kaiserseit. Hist. Zeitsehr. Bd. 61 (N. F. 25) 1889, S. 237 (für den Tod des Gal-
lienus) und Die Vita des Aridius Cassius, Bhein. Mus. 43 (1888) S. 341 Anm. 3. Ferner
J. M. Heer. Ver histoi-ische Werf der vita Commodi. Philol. IX. Suppl.-Bd. 1904. S. 113 f.
2) Vgl. Heer a. a. 0.
3) Vgl. H. Peter, Die (,esch. Litt. l\. S. 290 f. (I. S. 36 f.. S. 22 f.).
41
Vop/scKs ittitl flie liiiKjiiijihie des Kaisers Tueihis. 219
remansit, qiii cf ipse, (jiwd umtriiiioniis milHum et militanuni corrum-
pcndis opcratn daret. a quodam nrtKario, ciüiis itxorem stuprarcnit, com-
posifa factione A(jrippinac percnssus . . . ' |. Vom Tod des Carinus er-
zählt Aur. Vict. Caes. 39, 11 u. 12 abermals: At Carinus ubi Moesiam
co)ifir/if, illico Margum iuxta Dioclctiano cotitjrcssns, dum rictos avide pre-
meret, siiorum idu interiit, qiiod Ubidine impatiens miütarimn nuptas af-
fectahat. qiiarum infestiores viri iram tarnen dolorcuiqtie in erentum belli
distulerant. 12 Quo prosperiiis cedente metu, ne Jmiusccmodi ingeniuni ma-
(fis magisque victoria insolcsceret, sese ulti sunt. Die Epitome 38, 7 und
8 sagt mit mehr Detail von Carinus: Mafriiuonia nobiliion corrupit. . . .
8 Ad extremum tri«id((fHr das praeripue trihuui dexfera, niius dieebattcr
eoniiigem polluisse. (Vgl. Th. Opitz, a. a. 0. S. 253). Opitz behauptet
für Aur. Viet. und Epitome geraeinsame Quelle. Gewiss haben beide aus
der ., Kaisergeschiclite" geschöpft. Eutrop hat für Carinus die Nachricht
einfach übergangen, möglicherweise, weil ihm die verwandte Erzählung
von Victorinus noch in Erinnerung war: Aur. Vict. üht zwar diese Be-
schränkung nicht, drückt sich aber ganz allgemein aus. Die Epitome, die
über Victorinus schweigt, hatte keinen Anlass, die Anekdote zu unter-
drücken, die sie über Eutrop hinausgehend der .Kaisergeschichte" selbst
entnommen haben muss. Es liegt übrigens kein Grund vor, das Vorkommen
beider Berichte in der „Kaisergeschichte" zu bezweifeln. Der Ausdruck
matrimonia corrumperc kann ihr zugehören. Er steht bei Eutrop und
Pollio für Victorinus, in der Epitome für Carinus. Man sieht auch hier-
aus, dass Aur. Vict. sich am meisten stilistische Freiheit gewahrt hat.
Eine weitere „ Wanderanekdote " -) sei noch erwähnt : sie steht Aur.
Vict. Caes. 13, 10 von Traian: Epitome 40. 19. Anonymus Valesianus 4,
11 mid Euseb. hist. eccl. VIII. 14. 11 erzählen sie von Maximinus Daja
(vgl. Seeck. Gesch. d. Untergangs der untilcen Welt I (1910^) S. 43 Z. 29 ff.
und dazu Anm. auf S. 465). Es handelt sich um das Verbot der Herrscher.
Befehle, die sie abends in der Weinlaune gegeben hatten, am andern
Morgen ohne weiteres auszuführen^). — So berichtet die Epitome Vi. 10
dasselbe omen*) vor dem Aufkommen Traians, das nach Sueton, Damit.
23. 2 das Hinscheiden des Doraitian verkündet haben soll (s. Ihm, in s.
Ausg. des Suet. I, 1907, S. 353 zu Z. 18 f.). — In der r. A. C. 2, 5 u. ß
heisst es in einem gefälschten Brief des Kaisers Marcus: seis cnim ipse.
V) Vgl. Th. Opitz, a. a. 0. S. 248; Enmanu, a. a. 0. S. :?79.
2) Vgl. ÄS 48, 6 scio viilfium hanc rem, quam contexui, Traiani putare (statt von
Severus Alexander). — Wenn übrigens nach AS b2, S (vgl. 53.10; .54,3) Severus
Alexander meuternde Truppen als Quiritest anredet, so ist das nach dem Vorbild Cae-
sars erfunden (vgl. Suet. Caes. 70; Tac. Ann. I 42).
3) Vgl. auch Arthur Cohn, a. a. 0. S. 17. S. 04 über die gleiche Klage beim Tod
des Augustus und des Severus.
4) Vgl. Frid. Wagner, De ominihus qitae ab Augusti iempvribus usqiie ad Dioch-
tinni aetatem Caesarilnis facta trarluntur, Diss. Jena 1888, S. 39.
42
220 J-^rnst llolil.
quid avus tiius Hadrianus dixerit: „Miscra condicio imperatorum, quibiis
de adfecta t;/ranni(lc nisi occisis non potest credi." Eins autem exempJum
ponere malid quam Domitiani ^), qid hoc. prünus dixisse fertiir. tyrannoruni
enim etinm hona dicta non hahetd tantum audoritatis, quantmn dehent.
Nun lesen wir bei Sueton Dumif. 21 (s. Ihm, a. a. 0. S. 352 Z. 8 ff.) :
condicionem principum miserrhnum uicbat, quilms de conitiratione compcrfü
non crederetiir nisi occisis. Die Stellen sind in doppelter Hinsicht von
Wert: einmal wegen der charakteristischen Veränderung (aus de coniu-
nä/onr coinperta wird de adfcrta fi/ninnidr) -), sodann wegen der klar aus-
gesprochenen Tendenz in der r. A. C. Der Briefschreiber Marc Aurel.
also natürlich Vulcacius GaUicanus oder wer der Verfasser der Vita sein
mag, selbst will nicht das Wort eines ,, schlechten '" Kaisers zitieren. Also
legt er es ohne Umstände einem ..guten" — oder wenigstens als bedeu-
tend anerkannten — Hen-scher bei imd ist nur so naiv, uns glauben zu
machen, dass aucli Hadrian dasselbe AVort geprägt haben soll.
Man mag aus diesen Beispielen entnehmen, dass es an absichtlichen oder
unabsichtlichen Uebertragungen und Verwechslungen in der römischen
Kaisergeschichte nicht fehlt und es auch bestimmte Schablonen gibt, nach
denen immer wieder dankbar gegriffen Avird. Dass übrigens Anekdoten
„wandern", ist eine Erscheinung, zu deren Studium wir uns nicht in die
römische Kaisergeschichte zu flüchten brauchen.
6. Die ,. K a i s e r g e s c h i c li t e " und die ^i o r i".
Es liat sich aus den Geschichten über den Tod des Victorinus und
des Cariuus mit Wahrscheinlichkeit ergeben, dass sie beide aus der ,. Kai-
sergeschiehte" stammen. Aber ausser einer deutlichen Schablonenarbeit,
wie in diesem Fall, glaube ich auch eine gewisse Vorliebe für ^ioci"
feststellen zu können. Wenn von „ioci'^ oder gar ^ioca^ die Redeist, .so
pflegt man ja unwillkürlich an Marius Maximus zu denken, der als Spe-
zialist in derartigen Dingen gilt^). Nun scheidet diese Bezugsquelle aus
chronologischen Gründen für die späteren Teile (seit Severiis Alexander)
aus. Aber die ~iocf^ sind nicht bloss eine Spezialität des Marius Maxi-
mus, sondern ein integrierender Bestandteil jeder Biographie übei'haupt
und vollends der der römischen Kaiser. Ich möchte auch den Verfasser
der „ Kaisergesehichte " hieven nicht ausgenommen wissen. Wieder ist es
die Epitome, die uns auf ihn verweist. Wenn Aur. Vict. und Eutrop in
dieser Hinsicht nicht viel ergeben, so ist dies bei ihrer literarischen Stel-
lung und ihrem Charakter als Breviarien gewiss nicht verwunderlich. Am
wenigsten lässt sich hieraus ein Schluss gegen das Vorkommen von .ioci"
1) Vgl. Pollio Ch 3. 6 ^nolo autem dicere Domitiani' .
2) Ueber ii/rantiis, lyrannus in der H. A. vgl. Kornemann a. a. 0. S. 14 Anm. 3
(S. 136: tyrannus auf Inschr. theodosianischer Zeit).
8) Vgl. Kornemann, a. a. 0. S. 44 f.; 60; 62; 65; 82.
43
Vopiscus iiml die Bin<jruphic des Kaisers Turitiis. 221
in ihrer gemeinsamen Quelle, der „Kaisergeschichte", ziehen'). Der Epi-
tomator ist durch keine Rücksichten gebunden. Unbedingt den Eindruck
einer relativen Echtheit erweckt das Bonmot Am-elians über Tetricus.
Epitome 35, 7: Hif (Aurelianiis) Tefricum, qiii imperator ab exeicitii in
(ralliis efectiis fiteraf, corredorem Liicaniac provexit, adspergens homincm
elegant i ioco: „Sublimius hahendtim regere aliquatii Italiac partetn, quam
frans Alpes regnare'. Die Pointe ist scharf, es ist in der Tat ein „e?c-
gans iociis". Vortrefflich ist die Betonung ,ali(jiia Italiae pars". Tetricus
ist also auch danach nicht ^correcfor'' von ganz Italien, wie PolHo T 24.
ö behauptet, sondern nur von einem Teil, eben von Lucanien (vgl. Vop.
-1 39. 1 ; Eutrop IX 13. 2). A. von Premerstein bei P-Tl'. IV. s. v. cor-
rcrtof. Sp. 16.52 entscheidet sich im Anschluss an E. Klebs. Rhein. Mus.
47, S. 11 ff., besonders S. 14 Anm. 1. .zuungunsten des notorisch schwin-
delnden, gerade in der Tetricusbiograpliie höchst unzuverlässigen Trebel-
lius Pollio'" imd obwohl Hermann Peter, Die S.Ji.A.. Anm. 4 zu S. 2.52.
sich auf den entgegengesetzten Standpunkt stellte, lässt doch auch er den
nach ihm falschen .correetor Lucaniae" schon aus der . Kaisergeschichte "
stammen-). (Der Ausdruck ,ioco aspergere' [cfr. Thesaurus linguae La-
tiiuie s. V. II. trsl. 2 a] begegnet uns auch Pollio T 8, 2: „a J\I. TuUio
tali asper sus est ioco".) Epitome 28, 6 führt ein „militare caviUum" an
(.alludens cavillo' gebraucht Epitome 9, 14 für eine Anekdote, die wir
noch aus Suet. Ves])as. 14 belegen können [s. Ihm, a. a. 0. S. 317 zu Z. 20] ;
danach kann sie dem ,Suetonius auctus' oder vielmehr dem ersten Teil
der .Kaisergeschichte" entstammen, .cavilhoii- könnte also auch dort ge-
standen hrtbenX Ein ..milifaris ionis- tritt Epitome 25, 2 auf.
7. . E X r III p I ((- in der „ Iv a i s e r g e s c h i c h t e ".
Schliesslich noch ein Wort über die „exem2)la". Man kennt den Lu-
xus, den in dieser Hinsicht die Rhetorenschulen getrieben haben'). Auch
in die Geschichtsschreibung ist dieser Gebrauch eingedrungen und hat
hier keineswegs segensreich gewirkt. Soviel man unter Umständen aus
geschickten Vergleichen lernen kann, hier haben sie meist nur zur Ver-
flachung oder zur Verzeichnung der eigentlich charakteristischen Züge bei-
getragen. Ist es doch an sich schon schwer genug, in die Seelen antiker
1) Vgl. übrigens Aur. Vict. Caes. 33. 11 Aoculariter dictum'. Der Ausdruck Jo-
cidanier'^ stammt aus S u e t o n (cfr. Aug. 7-5. 1). S. auch Enmann. a. a. 0. S. 441
für die Rubrik der .charakteristischen dieta" in der , Kaisergeschichte '.
2) Der Scherz wird auf die Quelle des Vopiscus (,ad Vopisci fontem") zurückge-
führt von Opitz a. a. 0. S. 2.51.
3) Vgl. Schulz, Das Kaiserhaus iler Antonine. S. 134 Aum. 299. S. 137; .J. M.
Heer. a. a. 0. S. 90, Anm. 204, der aber in diesem Fall (Sulla-Caracalla) mit der
Annahme einer rhetorischen Floskel irrt, wozu zu vergleichen Kornemann, a. a. O.
.S. Ih Anm. 1. — Uebrigens legte schon Augustus grosses Gewicht auf die e.remphi
mdlorum. vgl. Heinze, Virgils epische Technik 1908^ S. 472 Anm. 1: S. 473 f.
44
222 J-^nist Hold,
Menschen einzudringen, wie das Adolf Deissmann. Licht i-<»ii Osten 1909.
2.13. Aufl. S. 218 f. so schön hervorhebt: -Was uns in der Literatur an
Seelen vorgeführt wird, ist Produkt der Kunst, einer hohen Kunst oft.
aber selbst dann meist nur eine Zeichnung nach Modellen." Wieviel
schlimmer, weun auch noch die „cxempla' in ihrer Typisierung und Seha-
blonisierung die Tudividualität zu ersticken suchen. Und dass mancher
Herrscher diesen literarischen Spielereien noch auf halbem Weg entgegen-
kam, indem er in der Rolle irgend eines grossen Vorgängers posierte,
macht die Sache nicht besser^). Bei diesem Zug der Zeit aber werden
wir uns nicht wundern, wenn ihm auch in der .Kaisergeschichte" Rech-
nung getragen wird. So wird z. B. zu Anfang der Epitome 3.5, 2 Aure-
lian mit Alesander dem Grossen und Caesar verglichen. Dass das nicht
eigene Erfindung der Epitome ist. geht aus der Stelle deutlich hervor.
Im Original muss der Vergleich irgendwie durchgeführt gewesen sein,
was der Epitomator seinerseits unterlässt. Ist unsere Auffassung von der
Eigenart der Epitome richtig, so kann der Passus nur aus der . Kaiserge-
schichte'" stammen-). Dort hat er dem Epitomator so gut gefallen, dass
er ihn blindlings herübernahm, ohne sich um die weitere Verknüpfung zu
kümmern. Ein Stück davon, wie ein einzelnes Glied aus einer Kette ge-
rissen, stellt wohl die Angabe von drei siegreichen Schlachten in Italien
dar, von denen Euti-op nichts berichtet^). Das angebliche Interregnum
nach Aurelians Tod gibt der . Kaisergeschichte " Anlass zum Vergleich
mit Romulus. wie wir aus Aur. Vict. 35.12 und Vopiscus Tnc. 1.1
schliessen dürfen (s. im zweiten Abschnitt zur Stelle).
8. Historisches Detail in der Epitome aus der . K a i s e r-
ge s c h i c h t e"".
Wie schon erwähnt, gewinnen wir für den Fall, dass sich unsere An-
nahme über das Verhältnis der Epitome zur .Kaisergeschichte" wirklich
bewähren sollte, aus der Epitome manche wichtige Notiz. Dass viel Gutes
in ihr steckt, hat man längst erkannt: nur schien der problematische Cha-
rakter dieser Quelle immer wieder zu grosser Vorsicht zu mahnen. Ich
habe mich ja auch von Anfang an ausdrücklich auf ihren dritten Teil be-
schränkt, weil ich hiefür aus der Prüfung des Verhältnisses zu Eutrop
einen Schlüssel zu gewinnen hoffte. Es ist schon Opitz, a. a. 0. S. 246.
1) Vgl. für die ,exempla- in Hadrians Autobiographie Kornemanii a. a. O.
S. 41 f. ; s. auch A. von Premerstein. Das Attentat der Konsulare auf Eadrian im
J. HS, Klio. 8. Beilieft. S. 6 Anm. 1. wonach Hadrian selbst als zweiter Numa gelten
wollte.
2) Ueber die Einführung mit Jste^ s. o. S. 207.
.3) Darüber dass der eine dieser Siege tatsächlich eine Niederlage war. s. o. S. 207.
Anm. 1. Oifenbar ist dem Epitomator. der die .Kaisergeschichte" stark verkürzte,
die Verwechslung unterlaufen.
45
Vo/i/scHS hikI die B/oyaiplüe iIcs Kaisers TkcHhs.
223
aufgefallen, dass die Epitome 31,2 über den Tod des Aeniilianus') allein
einen ausführlicheron Bericht bietet, dass aber der Chroim/mpli r. J. 854
dasselbe in iiedränirtester Kürze notiert.
ühronoyr. anni CCCLIV. S. 148
Z. 3 {Chron. min. I» = Mommsen,
Ges. Sehr. VII S. 577): Acmilianus
imper. dies LXXXVIW^) oecisns
ponte Sanfininario ■').
ruptis militihiis arripiiit.
2 Ad quem expugnandum
profecti Interamnae ah
suis caeduntur, . . 3 Uis
saue Omnibus biennium
processit. Nam Aemilia-
nus quoque trcs menses
usus modesto imperio
niorho nbsuniptusesf
andw 2»'ofecti essent, In-
teramnae interfecti sunt
conpleto biennio .... 6
Aeniilianus .... ferthi
niense extindus est.
Epit. 31,2: Aemilianus rero mense
(liiiirfo dominatus, apud Spoletium sive
poiifcm, quem ab eius vaede Sangui-
nnrinm'^) accepisse nomen ferunt, inter
Ocriculum Narniamque, Spoletium et i
urbem Romam regione media positum. \
Man beachte die sorgfältigen geographischen Angaben. Öclion En-
mann hat a. a. 0. S. 343 die Berichte von Aur. Vict. und Eutrop zu-
sammengestellt und als gemeinsame Quelle die „Kaisergeschiciite" ange-
nommen. Danach können wir es uns nicht versagen, noch die Epitome
heranzuziehen.
Aur. Vict. (Va'.s. 31.1 Eutrop. IX 5 Suh\ Ejiitome 'il,l Sub liis
lyitur Ins Romae morunti- j his Aemilianus in Moesia i eiiam Aemilianus in Moe-
bus Aemiiius Acmilianus \ res novas molitus est; ad sia Imperator effectus
summam potestatem cor- \ quem opprimendum cum est , contra quem ambo
profecti , apud Intcram-
nam ab exercitu suo cae-
duntur, .... folgt das
Alter des Vaters (Vibius
Gallus) und der Geburts-
ort, dann — 2 — die ge-
naue Notiz über den Tod
des Aem. und — 3 —
eine kurze Charakteristik
und Altersangabe.
Auch dieser Vergleich mag gleichzeitig als Bestätigung meiner Auf-
fassung von der Arbeitsweise der Epitome dienen. Zu Anfang des Ka-
pitels schliesst sich der Epitomator an Eutrop an; das „imperator effectus
est" stammt aus dem eigenen Sprachgebrauch der Epitome (s. VVölfflin.
Arch. XII, S. 453). Für das folgende erweitert der Epitomator den Eu-
troptext aus der „Kaisergeschichte". Das beweist der Ausdruck „caedun-
tur", der auch bei Aur. Vict. steht und also der gemeinsamen Quelle ent-
stammen muss. Auffallen muss das „ambo", das bei Aur. Vict. fehlt.
Bei Eutrop geht voraus IX 5 : Mox imperatores creati sunt Gallus Ho-
stilianus et Galli ßius Volusianiis. (Vgl. Aur. Vict. Caes. 30, 1 ... .
Gcdlo Uostilianoque Augnstn impcria, Volusianum (ratio editum Caesarem
1) Cf. P. T. H. I. S. 24 .1 Xr. 20.5.
2) Soviel Tage soll auch Klorian nach dem Chronographen regiert haben.
B) Vgl. auch den Brückennamen £p/to)HP 33,2: Quem {Aureohim) nim apud pon-
tem, qiii ex eius nomine Aureolus appellatur. olitentum detrunumque Mediolanum ohnedit . . .
46
224 Ernst Hohl.
(lecermiiit (sc. ^Ja/rr.s)). Eutrop fährt fort: ..Siih Jiis" mid tlann „loiil'n" :
danacla geraten wir in Verlegenheit, wornuf wir das „aiiiho" zu beziehen
haben. Bei Aur. Vict. ist alles in Ordnung : er hat den Tod des Hosti-
lianus vor dem Auftreten des Aemilianns berichtet: er sagt Caes. 31,2
zwar nur: Ad quem e.rptignnmJitm profedi, also nicht „amho" •. doch ist
jedes Missverständnis ausgeschlossen. Denn es können nur Gallus und
Volusianus gemeint sein, deren gemeinsame Bemühungen um die Bestat-
tung auch der ärmsten Leute während der Pest eben erwähnt waren, und
auf die sich auch Caes. 31, 1 : Igititr h/s Bomae niorant/btis unzwei-
deutig bezieht. Bei Eutrop kann ich einen Verdacht nicht unterdrücken :
wenn er IX 5 sagt: J/b.r imperafores ercaii statt GaUus Hostilianus et
GalJi filius Volusianus. so sieht es fast aus. als habe er Gallus und Ho-
stilianus für eine Person mit Namen Gallus Hostilianus gehalten. -Jeden-
falls ist es äussei'st ungenau, wenn er — im Gegensatz zu Aur. Vict. —
den Tod des Hostilianus verschweigt und trotzdem sagt : ad quem (Aemi-
Jianum) opprhnendum cum amho profedi essent. Wenn Eutrop wirklich
richtig geschieden haben sollte zwischen Gallus. Hostilianus und dem Sohn
des Gallus. Volusianus, so war es höchst nachlässig ,,amho" zu sagen,
wenn doch drei Personen in Betracht kommen konnten. Es ist ja selbst-
verständlich, dass ..amho" sich am leichtesten auf zwei eng zusammen-
gehörige Personen, also gerade etwa auf Vater und Sohn, beziehen lässt.
Da sich aber uns dem Vergleich der Epitome und des Aur. Vict. klar er-
gibt, dass die „Kaisergeschichte" den Tod des Hostilianus durch die Pest
erwähnte, so lässt sich die Eutropstelle auch aus einer ungeschickten und
unsorgfältigen Zusammenziehung eben der „Kaisergeschichte'" erklären.
Recht allgemein ist auch der Ausdruck „imperatores'' bei Eutrop. da doch
Volusianus nach Aur. Vict. nur Caesar war. Wie wir uns auch entschei-
den mögen, ganz einwandfrei ist Eutrop an dieser Stelle auf keinen Fall.
Umso lehrreicher wird dadurch der Vergleich mit der Epitome. Obwohl
nämlich diese in eap. 30 ohne Zweifel nach der „ Kaisergeschichte " selbst
erzählt — sie gibt allein die volleren Xamen Vibius Gallus und Hosti-
lianus Perpenna '). stimmt aber mit Aur. Vict.. der natürlich derselben
Quelle folgt, im Bericht vom Tod des Hostilianus und von der Verlei-
hung des Augustustitels überein — . geht sie doch im Anfang von cap. 31
im Wortlaut zusammen mit Euti-op, um dann freilich wieder auf die
, Kaisergeschichte" selbst zurückzugreifen, weil ihr Eutrop nicht genügte.
Ob sie das „amho" Eutrop entnimmt, oder ob Eutrop und die Epitome
es gemeinsam aus der . Kaisergeschichte " bezogen haben, lässt sich wohl
nicht entscheiden. Interessant aber ist die Reihenfolge in der Epitome 30 :
Vibius Gallus cum Volusiano filio imperaverunt annos duos. Horum tcm-
poribus Hostilianus Perpenna a Senat» imperator ereatus. nee multo jmsi
1) S. F. I. R. m. S. US f. V Nr. 8.
47
l'iip/.sciis 1111(1 (l/c I!i(i(ifii/ili/i' des Kit/.srr.s Tdc/tiis. 225
jKsfiloitia ronsitiiiptiis est. (ian/. unl)ekümmert setzt Epitome 31. 1 mit dem
aus Eutrop stammenden Suh liis wieder ein. Ich glaube auch diese
Stelle lässt sich am besten verstehen, wenn wir Erweiterung des eutropi-
schen Textes durcli den Epitomator aus der „Kaisergeschichte" annehmen,
die danach sowohl dem Eutro]), als dem Aur. Vict.. als dem Epitomator
vorgelegen hätte (beachte auch das vollere Acnülius Aenülianiis bei Aur.
Vict. C'aes. 31.1. das gewiss aus dieser Quelle geflossen ist)^). Dass die
Epitome stellenweise mit Eutrop im AVortlaut zusanmientrifft, mit Aur.
Vict. sachlich über Eutrop hinaus zusammengeht, schliesslich aber noch
über beide hinausgreift, ohne dass Widersprüche entstehen, das alles er-
klärt sich vollkommen aus der Stellung, die wir der Epitome zuweisen
zu können glauben.
9. Das Wesen der „ K a i s e r g e s c h i c h t e " . Verhältnis zu
S u e t 0 n.
Im .5. Kapitel seiner Untersuchung (S. 432 ff.) hat Enmann über das
Wesen der verlorenen Quelle gehandelt. Er weist ausdrücklich darauf
hin, dass ihre Anlage biographisch war.
Ihren Verfasser, den Anonymus, nennt er (S. 442) einen „höchst acht-
baren Historiker" ^). Sind nun unsere Aufstellungen über die Beziehungen
der Epitome zu der „Kaisergeschichte" richtig, so können wir vielleicht
in einzelnen Punkten etwas weiter kommen, als das für Enmann möglich
war. So glaube ich unserem Anonymus ganz ähnliche Senatstendenzen
zuschreiben zu können, wie sie bekanntennassen Aur. Vict. so unverhohlen
an den Tag legt. Damit soll aber keineswegs gesagt sein, dass Aur. Vict.
nun einfach im Ton seiner Quelle geredet hat. Dazu ist der Eindruck,
den wir von Victor bekommen, viel zu echt und zu persönlich. Wohl
aber darf es uns nicht wundem, wenn ein Mann mit einer so festen Ueber-
zeugung und so ausgeprägten Anschauungen wie Victor, sich an eine
Quelle gewandt hat. die auf einem ähnlichen Standpunkt stand. — Dass
die „ Kaisergeschichte " entsprechend ihrem biographischen Charakter auch
den Anekdoten (ioci) und den e.reiiipla nicht aus dem Wege ging, haben
wir schon gesehen.
Nach allem, was sich bis jetzt ergab, scheint die Untersuchung En-
manns auch heute noch ihren vollen Wert zu besitzen, wie das übrigens
auch Gräbner a. a. 0. S. 145 f. anerkannt hat^).
Gräbner hat a. a. 0. S. 89 Anni. 3 gewiss im Sinne Enmanns*] den
1) Vgl. die luschr.; .«. P. I. li. I, S. 2-5 f. A Nr. 213.
2) Dabei ist natürlich der Begriff , Historiker' in dem .Sinne gemeint, in dem
man ihn auch auf einen Sueton anwenden kann.
3) Vgl. K. Hönn a. a. 0. S. 4 Anm. 8, der von der .treffliolicn und zu Unreolit
fast vergessenen Arbeit' von Enmann spricht.
4) Vgl. Enmann. a. a. 0. S. 432.
Kl i o , Beiträge zur alten Geschichte XI 2. 1.'')
48
226 Eniaf Hohl,
.Suetoniiis auctus" Cohns mit den Antaugsbiosp-aphien der -Kaiserge-
schichte" identifiziert (s. o. S. 188). In den Stellen, die A. Cohn a. a. 0.
als Belege für den ,Suetonius auctus" (vgl. sein 6. Kapitel) angeführt
hat, weil sie in unserem Sueton nicht stehen, wird allerdings, wo über-
haupt ein Name zitiert wird, der des Sueton genannt. Nun hat schon
Enmann das Suetonzitat bei Sei-vius. dem zwar eine Stelle in der Epilomc.
aber keine in unserem Sueton entspricht, auf S. 405 f. im Gegensatz zu
Wölfflin [Bhehi. 31t(S. 29 [1874] S. 302) zu erklären gesucht. Wölfflin
hat cremeint, aus der Ueberlieferung, die Sueton zum Autor des BcUum
GaUicum^) und anderer Schriften Caesars mache, ersehe man. dass Sue-
tonius allgemeine Bezeichnung für einen Kaiserschriftsteller war. Servius
hat die Epito)uc gekannt und sie durch jenes Zitat bezeichnen wollen.
— Dagegen wendet Enmann. S. 406, ein. dass Caesar weder Kaiserbio-
graph noch Kaiserschriftsteller sei. Wie man aus jenem Fehler auf Sue-
toiiius als Gattungsbegriifschliessen solle, sei vollkommen unverständlich. . .
In der Tat hat Wölfflin ja nur behaupten wollen, dass eine Tradition, die
den Suetonius zu einem Verfasser von Schriften Caesars, die sich eben
auf Caesar selbst beziehen, gestempelt hat. in ihm den typischen Kaiser-
schriftsteller sah. Hat doch Sueton selbst seine Kaiserbiographien mit
Caesar eingeleitet, wie überhaupt Caesar zu den Kaisern gerechnet wer-
den kann (vgl. z. B. Julian in den Cacs.. Ausonius Caes. I oder den
Chronogr. rom J. 354 [Chron. min. 1. S. 145 ^ Mommsen, Ges. Sehr. VII
S. 570]: Item imperia Caesarum; Z. 13: C. IuUks Caesar imperavit amws
III meuses VII dies VI). Wölfflin hat also ganz recht: Suetonius ist
so sehr allgemeine Bezeichnung für einen Kaiserschriftsteller, dass selbst
Caesars Schriften, insofern sie auch Caesars Erlebnisse behandelten, auf
seinen Namen gingen. Nun i.st aber die starke Benutzung des Sueton im
ersten Teil der .Kaisergeschichte" nicht von der Hand zu weisen und
wir haben auch der Identifizierimg des .Suetonius auctus" mit dem An-
fang der „Kaisergeschichte" zustimmen können. Danach ist es nicht un-
wahrscheinlich, dass man die , Kaisergeschichte' auch in ihrem ganzen
Umfang nach ihrem eingangs so stark benutzten Vorbild taufen konnte.
Wir hätten also wirklich eine Art Gattungsbegriff, wie das Wölfflin ver-
mutete („allgemeine Bezeichnung für einen Kaiserschriftsteller ")-). Man
bedenke doch nur. wie ausserordentlich die epochemachende Leistung des
Sueton gewii-kt hat, und wie unlöslich die Kaiserbiographie mit dem Namen
ihres tvQerijg oder XTiaT7]g verbunden war. So urteilt auch H. Peter. Die
gesch. Litt. II S. 139, dass Sueton für das erste Jahrhunderfc der Kaiser-
1) Cf. Sidonius Apollinaris ejüst. IX U. 7 [= M. G., atict. aiitiqu. Vllt ed. Luet-
johann, ßerl. 1887, S. 167, Z. 30]. — Für -gauz sekundär" erklärt A. Klotz. Crisar-
Ktiidien, Lpz.-Berl. 1910, S. 2 Anm. ä die Bezeichnung des BeUiim Galliciim mit Sue-
tons Namen.
2) Ygl. unten im zweiten Abschnitt zu Tac. 11.7 (Suetoniii" Opi'itiamtf>).
49
Vop/scns 1(11(1 (l/r ])io(/i((pliie des Kaisers Taeitus. 227
«reschiflite sin iiliiiliilies kanonisches Ansehen ihimals besass, wie Livius
für die republikanische. Von Livius sagt z. B. Th. Opitz, a. a. 0. S. 208
Anm. 25: „Livii enim noraen illa aetate (saec. V) nihil aliud sigiiificat,
nisi historiam liberae rei publicae : cf. Momnisenuni 1. s. s." {Die Chronik
des Vassiodorns^ in Ahhandl. d. sächs. Ges. d. Wiss. 1861, S. 551 =
Ges. Sehr. VII. S. G70 f.). Nun konnten wir bereits ab und zu (S. 205:
213; 216 Anm. 1; vgl. im zweiten Abschn. die Bern, über samjnina-
riits) auf suetonische Ausdrücke und Wendungen hinweisen, die schon
in der , Kaisergeschichte " gestanden zu haben scheinen. Es stimmt recht
gut, wenn ihr Verfasser den Sueton, soweit dieser reichte, nach Kräften
verwertete, aber auch in den späteren Partien seines Werks Anklänge an
ihn zeigt. War es doch nur natürlich, wenn das grosse Vorbild der Gat-
tung auch stilistisch noch nachwirkte. Also auch von dieser Betrachtung
aus kommen wir für die , Kaisergeschichte" zur Annahme des biographi-
schen Chai-akters, wie ihn schon ihr Entdecker Enmann feststellen konnte.
Exkurs.
Die K p it (I m c u n d A ni ni i a n u s M a r c e 1 1 i n u s.
Nun habe ich noch kurz auf Berührungen zwischen Ammianus Mar-
cellinus und der Epitome einzugehen. Hieraus hatte nämlich Th. Opitz,
der im Lauf seiner Besprechung der einzelnen Kapitel die Koinzidenzen
notiert, geschlossen, dass Ammianus Marcelhnus indirekt die Quelle der
Epitome sei (S. 260). Da auch Zosimos sich mit der Epitome berühre, so
habe Eunap (als Quelle des Zosimos) einerseits und die Quelle der £p/-
foDie andererseits etwa von Diokletian an vorzugsweise aus Ammian ge-
schöpft (s. besonders S. 264 f.) und zwar hätte die Epitome ein Exzerpt
aus Ammian. das mit einigen Zusätzen versehen und bis 395 geführt wor-
den wäre, ausgeschrieben. Schliesslich vermutet Opitz: ,fortasse epito-
matoris fons, i. e. Ammiani continuator, statim inde a Nervae vita Am-
mianura pro primario fönte habuit. " Enmann S. 404 nennt es merkwür-
digerweise „ eine ausgezeichnete Vermutung von Opitz, dass er, ausgehend
von der Uebereinstimmung mit den erhaltenen Büchern des Ammian, an-
nahm, auch die verlorenen Bücher desselben seien in der Epitome exzer-
piert". Aber man hat längst erkannt, auf wie schwachen Füssen die
»ausgezeichnete Vermutung" steht. Besonders entzog Mendelssohn (in
der praefatio seiner Zosi)iiosai(S(/nhc 1887, S. XXXVI f., XL) der Hypo-
these von Opitz den Boden durch den Nachweis, dass Ammian dem Eu-
nap überhaupt nicht bekannt gewesen sei '). Eunap und die Epitome
hätten zwar eine gemeinsame Quelle gehabt, aber das sei nicht Ammian.
Da ohnehin über die Quellen Ammians — vollends was die verlorenen
Partien betrifft — noch nicht viel Klarheit geschaffen ist (vgl. Seeck bei
1) Auch Wilhelm Schmid {P.-W. VI. Sp. 1124, s. v. E>(n((p) .-stimmt Mendelssohn zu.
15*
50
228 Erunf IIolil.
F.- W. I. Sp. 1850). und auch bei der Arbeitsweise Amraians (vgl. dar-
über Seeck. Hermes 41 S. .j27 (s. o. Anm. 7 zu S. 189) die Quellenfor-schung
im einzekien nicht leicht ist. so diente seine Hereinziehung nur zur Ver-
schleierung des Problems.
Für den vierten Teil der Epitome enthalte ich mich selbstverständlich
jeden Urteils. Dass dagegen für den dritten Teil die Annahme eines
Amniianexzerptes ohne weiteres scheitert, hoffe ich durch meine Auffas-
sung der Epiiome gezeigt zu haben. Denn wir haben doch für diese Par-
tie Eutrop und dessen Quelle als massgebend nachzuweisen gesucht. Da
aber Eutrop im .Jahr 369 schreibt, so muss seine Quelle, die „Kaiserge-
schichte', die ja ausserdem auch von dem um neim .Jahre früher arbeiten-
den Victor benutzt wurde, natürlich entsprechend früher abgefasst sein.
Von dieser Betrachtung aus ist es demnach unmöglich, die Epifome ein
Exzerpt aus Ämmian in ihrem dritten Teil verwenden zu lassen, wenn
man ihr nicht höchst unnötigerweise eben dieses Exzerpt noch als dritte
Quelle neben der , Kaisergeschichte" und Eutrop zuschreiben wollte. Da-
gegen liegt immerhin die Möglichkeit vor. dass Ammian seinerseits in den
verlorenen Büchern zum Teil auch aus der ., Kaisergeschichte " geschöpft
hat. Doch das ist eine Vermutung, die sich mit unserem Material niciit
beweisen lässt. bei der wir uns auch nicht aufzuhalten brauchen. Ebenso
kann die Frage, oh die Epitonit. nachdem sie die Führung Eutrops auf-
o-eben musste. also in ihrem vierten Teil, direkt oder indirekt sieh Am-
mians bediente, für uns ausser Betracht bleiben. Wir müssen uns damit
begnügen, für den dritten Teil der Epifonie die Benutzung Ammians ab-
zulehnen, zumal wir mit ihrer Kontrolle lUireh den eutropischen Text auf
ziemlich festem Boden stehen.
Nun wurde bereits darauf hingewiesen (s. o. S. 210 f.), dass auch Am-
mian die Claudiuslegende kannte. Da diese für uns sonst nur noch in
der Epitome und bei Aur. Vict. nachweisbar ist. Aur. Vict. also die früheste
Erwähnung darstellt, so haben wir als gemeinsame Quelle der romantischen
Erzählung vom Opfei-tod des Claudius im Stile des Kodros die , Kaiserge-
schichte" annehmen dürfen. Dass die Legende aus der , Kaisergeschichte "
auch dem Ammian bekannt wurde, kann man bloss vermuten. Hier soll
nur betont werden, dass das Zeugnis des Aur. Vict. es uns glücklicher-
weise verbietet, von diesem Punkt aus eine Verbindungslinie zwischen
Ammian und der Eintome zu ziehen.
Ebensowenig für engere Beziehungen zwischen Ammian und der Epi-
tome lässt sich folgendes verwerten: Epitome 41, VA steht von Konstantin
das Bonmot: Hie Tranuuun herham parictariam oh tituJos miiJtis aedilns
insci-iptos appcllare sotitus erat^). Nun flicht Ammian 27. 3. 7 dasselbe
1) Vgl. auch AS 26, 11 pontes, qiws Traianus fecerat, inataurorit pciene in omnihua
locis. aUquos etiam noros fecit, sed instauraiis nomen Traiaiii reservavif. Dass hier
gerade Bauwerke Traians genannt werden, ist nur für den verständlich, der jene
51
Vi>)iisi:iis iniil die ll/(ii/i((ji/i/c des Kaiscr.s Tdrifns. 229
\\'it/.u(irt <j;iiii/. ii-projios ein: l)Ki ihm ist die Rede von dcni /inir/'urtH.s
iirhi Lainpiidiiis: (jud rifia (iiilmlich überall an Bauwerken seinen Namen
anzubringen iit»i id irfcnini hi.sfaumtor, sed conddor) labomsse Traiaiiiis
priiur/is dicdnr, undr pum hcrham pariethiam iacando ro())ioiniii(ircid. Man
sieht, es ist recht aussichtslos, hiebei an Benutzung Ammians durch die
Eiidoinc zu denken und wiii-e es auch nur indirekte (wie das im Sinn von
Opitz, der gerade diese beiden Stellen nicht bespricht, sein müsste). Die
EpdotHc bietet ja für das Bonmot die ganz genaue Version und per-
sönliche Färbung, durch die Konstantin durch ein Wort aus seinem
eigenen Munde in Gegensatz zu Traian gebracht wird. Ausserdem ist
auch die sprachliche Form {jiark'tdria und parieiinu) verschieden. Ammian
kannte den ioCHs irgendwoher, ohne den eigentlichen Zusammenhang,
und bringt ihn bei passender Gelegenheit an. Wollten wir mit Enmann
eine Ausdehnung der „Kaisergeschichte" bis Julian annehmen, so könnten
wir auch für diese Anekdote an Abstammung aus der „ Kaisergeschichte "
denken, dei'en Verfasser, als echter Biograph, der Anekdote gewiss nicht
ausgewichen wäre. Wir müssen uns begnügen an diese Möglichkeit zu
erinnern, da sich unsere Untersuchung über diesen Teil der Epdonir: nicht
mehr ersti'eckt^).
Marotte des Kai.ser.s kennt. Da Severus Alexander sie nicht teilte, so blieb Traian
von dem Schicksal verschont:, das er einst seinen Vorgängern bereitet hatte.
1) Jedenfalls brauchen wir der Vermutung von Opitz die von uns angenommenen
Beziehungen der Kpitome in ihrem dritten Teil zur „Kaisergeschichte" nicht zu opfern.
230
Die Schlacht am Granikos.
Von Konrad Lehmauii.
.Tudeichs Arbeit über die ScIiJachf ani Graiül-Ds''^) scheint mir zwar
den strategischen Zusammenhang und die Oertlichkeit einwandfrei festge-
stellt zu haben, doch glaube ich zweifeln zu müssen, dass seine Darstel-
lung des Verlaufs der Schlacht wie auch die gesamten bisher hervorge-
tretenen Rekonstruktionsversuche der Wirklichkeit entsprechen.
Den Vei'such, die Quellenfrage zu lösen, halte ich für aussichtslos.
Ebenso wie Wachsmuth -) meine ich: „In neuerer und neuester Zeit ist
sie (die Aufgabe, imsere vorhandenen Quellen auf die verloren gegangenen
Urberichte zurückzuführen), mit einer weit über das Erreichbare hinaus-
strebenden Beflissenheit immer und immer wieder angefasst worden. " Wir
müssen uns vielmehr abfinden mit der Tatsache, dass die uns erhaltenen
Quellen durchweg mehrere .Jahrhunderte, die als wertvollste geltende Dar-
stellung Ai-rians sogar fast ein halbes .Jahrtausend, nach den Ereignissen
geschrieben worden sind und dass in ihnen eine nicht mehr zu entwirrende
Vermischung der aus den verschiedenen Primär- und Sekundärquellen stam-
menden Bestandteile vorliegt. Hier kann nicht mehr die Autorität dieses
oder jenes Gewährsmannes als massgebend geltend gemacht werden, son-
dern allein der innere Wert der Nachrichten. Die Granikosschlacht ist
eine Frage, die nicht nur mit quellenkritischem, sondern vor allem mit
sachkundigem Blick geprüft werden muss.
Nach Arrian. auf den sich .Judeich wie auch alle anderen Bearbeiter
der Schlacht teils ausschliesslich teils doch hauptsächlich stützen, hatte
der Kampf folgenden Verlauf:
Auf dem rechten Granikosufer stand das persische Heer kampfbereit
in zwei Treffen, vorn 20 000 persische Reiter und in einigem Abstand da-
hinter 20 000 griechische Söldner zu Fuss. Die Absicht der persischen
Heeresleitung war es, den Feind beim Flussübergang anzugreifen und ihn
vom steilen Uferrand in den Fluss zurückzuwerfen. Alexander rückte durch
die Ebene am linken Ufer heran, zum Gefecht entw-iekelt oder wenigstens
bereit, sofort in die Gefechtsordnung überzugehen : in der Mitte stand das
schwere Fussvolk und auf beiden Flanken als Seitendeckung die Reiterei
nebst Leichtbewaffneten : dahinter kam der Tross. Es war schon spät am
Tage, als Alexander das linke Granikosufer erreichte. Alle Bedenken seiner
Umgebung abweisend, ging er sofort vom Marsch weg zum Augriff über.
Seinem stürmischen Anprall gelang es. die feindliehe Reiterei am Gegen-
1) Klio VIII. 1908. S. 372 ff.
2) Einleitung in das Studium der alten Geschichte. 1895. S. 567.
1
Kdiinid /.i/niiidiii. J>k Sihlnihl iiik (inui/Lii.s. 2:il
ut'er /.u ilnrclilircclicii und in die Flucht' zu schlagen un<l dann aucli ihis
durcli diesen Eindruck erschüttevte Fussvolk zusummenzuliauen.
Dies sind die Grundzüge des arrianischen Berichtes. In den Einzel-
heiten jedoch, um dies vorwegzunehmen, scheint mir die Darstelhmg des
Gewährsmannes von seinen eigenen Anhängern nicht durchweg nchtig
verstanden worden zu sein.
Alexander führte nicht, wie fast allgemein augenonunen wird, nur die
Keiter des l'liilotas, die makedonischen Hetären, die auf dem äussersten
Flügel standen, vor. sondern die ge.samte rechte Heereshälfte: ausser den
Hetären auch die 3 rechten Taxen der Pezetären-Phalanx, die Hypaspisten,
die Bogner und die Speer.schützen. Zwar ist bei Arrian 1, 15, 4, wo die
Ereignisse um Alexanders Person geschildert werden, zvveifellos von einem
Beiterkampf die Bede (y.ai /}j' /hev ünb lüv 'innoiv fj fiüx>j). und noch
bestimmter sagen Plutarch und Diodor, dass Alexander den Angriff der
Reiterei des rechten Flügels persönlich geleitet habe. Aber es müssen
gleichzeitig auch die Fusstruppen des rechten Flügels vom Könige selbst
vorgeführt worden sein, wenn er auch vielleicht für seine Person seinen Platz
bei den Hetären gewählt haben wird. Denn c. 14, 7 heisst es, dass der
König selbst bemüht war. seine Phalanx möglichst intakt au den Feind
heranzubringen {i'va . . xai avrög wg dwaröv rtj (päXayyi ngoofii^rj ad-
tolg). Auch scheint mir der Anfang des 14. Kapitels diese Auffassung
zu bestätigen. Denn es heisst dort: IlaQfievicova /lev im tö svMVVfiov
xe^ag uefinsi iiyt]a6^evoi'. airög öe ini tö ös^iöv naQilys), und zwar
können hier mit den yJ^ara nur die Flügel der Pezetären-Phalanx gemeint
sein. Denn unmittelbar darauf wird aufgezählt, was ausserhalb des
rechten Flügels an Reiterei und leichtem Fussvolk aufgestellt war [jtQO-
£Tdx&>]acci' ök amio t o ö fi i v ö £ ^ i o v 0lXonag ö IlaQfieviioi'og tyMV
usw.). Die Unklarheit kommt nur daher, dass Arrian bei der Aufzählung
der Truppenteile nicht die Zusammensetzung der Phalanx als der Haupt-
waffe vorwegnimmt, sondern, nachdem er die Teile der gesamten Schlacht -
linie vom äussersten rechten Flügel her zu nennen begonnen, in derselben
Beihenfolge fortfahrend auch die Aljteilungen der Phalanx bis zu deren
Mitte aufzählt und dann in entsprechender Weise mit der linken Hälfte
des Heeres verfährt.
Veranlasst durch die irrtümliche Vorstellung, dass mit der vom Kö-
nige persönlich vorgeführten Taxis nur die Hetärenreiterei gemeint sei,
glaubt man vielfach seit Büstow und Köchly *) unter der ^o|// id^ig eine
nach Ben gestaffelte Angriffsform dieses Korps verstehen zu müssen, z. B.
Janke ^). Nur Grote ^) vertritt eine hiervon abweichende Ansicht : „Wie
1) Geschichte des (/riechischen Kriegsuesens. Aarau 1852, S. "271. Aiim. 9.
2) Auf Ale.ianders des Grossen Pfaden. Berlin 1904. S. 143.
3) Geschichte Griechenlands. Aus dem Knf/lif:chen. Bd. IV. 2. Aufl. Bciliii 1880.
S. 438 f., Anm. 80.
232 Kdi/rail Lclni/niiii.
es scheint, ist der Öatz Äocijv del nagaceivoM' liiV TÜiiv. l TicxQFi/.y.s rö
(5f{5//a zu erklären cliirch ilie folgenden Worte, welche die zu erreichende
Absicht bezeichnen. Kh kiinn mir nicht denken, dass die Worte eine stafl'el-
weise Bewegung in sich schliessen." Meines Erachtens besagen diese
Worte weiter nichts, als dass Alexander beim Durchschi'eiten des Flusses
seine Linie beständig in schiefer Stellung vorbewegt habe, also mit einem
vorgeschobenen Flügel, und zwar kann er hier nur den äusseren, d. h.
rechten Flügel vorgezogen haben. Da jedoch mit rdgfc die gesamte rechte
Heereshälfte gemeint ist. müssen wir uns die Hypaspisten und die Hetären
vorgeschoben denken. Denn durch diese Massregel wollte Alexander beim
Betreten des feindlichen Ufers einem Angriff auf die Flanke seiner Pha-
lanx vorbeugen und seine Pezetären möglichst geschlossen an den Feind
brin2;en (tva öij in) ixßairovri ai'Tcp ol IJeQoai y.arä yjQag itgoanimoiEV.
ä/./M y.ai ccvtöq ibg ävvaTÖv tj] (päÄayyi irgoauicji ainolg). Und so ver-
lief denn auch der Kampf. Alexander traf mit der Reiterei, also dem He-
tärenkorps, zuerst auf den Gegner: aber er führte mit sieh den ganzen
rechten Flügel des Heeres, und während er sich mit seinen Reitern be-
reits im heftigen Gefecht befand, gewannen die Abteilungen der Piialanx
eine neben der anderen mühelos das Ufer {'AZe^arÖQog . . . äua 0/ äycof
TÖ XEQag TÖ ÖECiöv . . . tußä/ÜEi ig lobg ÜEQaag UQÜTOg . . . y.cu tieqI
avTÖv ^vvsiGTt'jy.ei ftciyj] y.gaiEQd " y.al iv tovto) älXai in ü/JMig xiov
xd^EMv ToTg May.eööai diißaivov ov jja^Ejrwg '»J'?'/).
Auf makedonischer Seite nimmt .Tudeich S. )^92 hinter der Pezetären-
Phalanx noch ein zweites Treffen an. bestehend aus griechischen Söldnern
und Bündnern. Aehnlich denkt auch Hertzberg ' ). Doch daraus, dass von
einer anderweitigen Verwendung dieser Truppe auf dem asiatischen Kriegs-
schauplatz nichts im Berichte steht, einen solchen Schluss zu ziehen, scheint
mir nicht zulässig, zumal der Ausdruck Arrians dinJ-f^v tvjV fdZayya
rd;ac nicht auf eine Aufstellung in zwei Treffen, sondern lediglich auf
die Verdoppelung der Phalanxtiefe beim Anmarsch zum Gefecht hindeutet'^).
1) Die asiatischen Fehhüfie Alexanders des Crrossen. Halle 1863, Bd. I, S. 100. Aum.
2) Nachher, als die Kundschafter die Nähe des Feindes meldeten, Hess der Kö-
nig die einfache Aufstellung, die Normaltiefe für das Gefecht nehmen. Das be-
deuten die Worte tv9a 6!/ 'AXä^avdpoi /iiv t>/v azguTtnv näaav avvstaxtiv tbc /ttayov-
/xsvovg. Unter 6cn?.aaiaa,u6g verstehen die Taktiker die Aufstellung eines und des-
selben Heeresteils mit doppelter Rotten- oder Gliederzahl. Vgl. Arrians (bezw. Ae-
lians) Taliil; (bei Köchly und Rüstow. Griechische Kriegssrhrißsteller. II. 1. Leipzig
185.5), wo es VIII, 2 heisst: — — Trpöc zoig utzaaytjuaziO!tov(; zwv zcr/fxäzmt: zovz'
saztv, iäv zö ßijxog zr/g (pä'/.ayyog Smi.aaiaaai ßovhj9wftii: zb dt ßädoc avyii.iTv. ;/ 710-
}.vn).Kaiäaai zb ßüDoc, zb S'f itijxos avvf'/.Hv. Ferner VIII. 3 : öin).aaiäZ,siv ig zb ßri&og
r. Vgl. auch XXIX. 1 — 8. Ebendort Asklepiodotos 17: ämlaaiäadi 6s Xiyizat är/wg '
tj yoQ zoTiov, iv o) ij (päi.aye, fiivovzog zov nh'ji^ovg zCov ävSgüiv, ?} zbv äp/9^.«öv auzüv yhtzai
6e hxätiQov iii/ß>g xuza l.byov ?j xazä L,vyöy, zcclzbr di imeiv xaza ßtiQ^og i] xaxä fiijxog
usw. bis cap. 20. Hier beim Anmarsch zur Schlacht vor dem endgültigen Aufmarsch zum
Gefecht handelt es sich naturgemäss um einen Sfnlaataafibg xazä ßä&og. Nun beruft sich
Dl,' Srhimhi ,1,1, (:,;n,il;,,s. 2:3;_<
Ebenso li;ilte icli ilic taktische 1 )ciitiiii^-. <lie .lihlcich dein Hericbte
Arrians gibt, für unhaltbar. Kr meint, die Aut'stelltiiig der ])ersisehen
Kelterei als ersten Treffens nahe am Fluss und die Zurückstellung des
Fussvolks (der griechischen Söldner) in das zweite Treffen iiabe ihren
(irund darin, dass die persische Heei'esleitung gehofft habe, mit ihrer
Reiterei allein die ganze Schlacht entscheiden zu können, so dass für das
Fussvolk kaum noch etwas zu tun übrig bliebe. Solches Sparen der Kräfte
ist jedoch nur dann zulässig, wenn der für den Kampf bestimmte Teil
des Heeres auch unbedingt seines Sieges gewiss sein kann ; und selbst dann
würde die Vernunft der Heerführimg die Verwendung aller Kräfte nicht
nur zu einer möglichst sicheren, sondern auch zu einer möglichst leichten
Vernichtung oder Gefangennahme der feindlichen Streitmacht fordern. Hier
jedoch konnte der Sieg nicht so zweifellos sein: denn wenn die persische
Reiterei ,im Augenblick des makedonischen Angriffes" gegen „den durch
den Fluss behinderten Feind mit wuchtigem Gegenstosse" aus „einigen
hundert Meter" Entfernung ansprengen sollte, um so den Feind „in das
Flussbett zurückzuwerfen, ihn zu zersplittern, zu verfolgen", so konnte es
doch nicht ausbleiben, dass sie dabei den fast 4 m hohen Steilrand des
Granikosbettes hinabstürzte ') und mindestens in diesem Augenblick den
Judeich S. 390, Anm. 1 auf Arrians Bericht über die Schlacht bei Gaugaraela, wo eben-
falls von einer SiniJi (fä>.ay§ die Rede ist und ausdrücklich zwischen txqwxij <fd/.ny§
und 6evTf(ia iccSii; unterschieden wird. Die Frage, ob es sich hier um zwei Treften
handeln kann, ist von höchster Bedeutung für die Geschichte der Kriegskunst. Auch
H. Droysen [Reencesen und Kriegführung der Griechen. Freiburg i. B. 1889) schwankt,
ob diese SiniJj ipä'/.ayS nicht am Ende doch als eine Gliederung des Fussvolks in zwei
Treffen aufzufassen sei. so wenig diese Vor.stellung zu seiner Gesamtanschauung von
der makedonischen Taktik passen will. S. 118, Anm. 1, und 120, Anm. 1: ...Diese
Ausdrücke scheinen allerdings mehr für die Aufstellung eines zweiten Treffens zu
sprechen, dessen Bildung freilich schwer zu denken ist". Jedoch auch hier ist m.
E. unter der öinlTi <fd>.ayf nur eine Verdoppelung der Tiefe, nicht aber eine Gliede-
rung in zwei Treffen zu verstehen. Cui'tius' Worte freilich (FV, 13, 31 — 31) sind nicht
geeignet, die Frage zu klären, sie lassen beide Auffassungen zu. Aber Arrian
denkt zweifellos nur an die Anfügung eines zweiten Truppenkörpers unmittelbar
und ohne Abstand hinter der eigentlichen Phalanx, um dieser so eine Rückendeckung
zu geben. Denn er sagt 111. 12, 1: intta^f dg xal üevxtQuv tä^iv tu 5 elvai z 1/ v
<pä?.ayya ä ß if. l n t o u o y. Schon der Singular (r;)r (pä/.ayya) ohne weiteren Zu-
satz scheint mir in diesem Zusammenhang nur auf einen einheitlichen Heereskörper
hinzuweisen. Ausserdem erklärt die arrianische Taktik ausdrücklich, dass eine <pd?MyS
rift<flaTOfiOi ei" Gefechtskörper ist, dessen hintere Glieder im Bedarfsfalle Kehrt
machen können (XXXVII, 1 : ' A/i<plazo/iog fiiv <pä?.ny^ xa>.HTcii >j rov? %uiafas TtJüv «V
Tolg ).6y_oig üröpCoy antor^uunivovq änb a<pü>v i/ovaa. u>g nvzivwTovc fivat). Delbrück
hat also bereits das Richtige getroffen, wenn er sagt {Geschichte der Kriegskunst,
Bd. 1, 2. Aufl. Berlin 1908. S. 20ö) : -Die grosse Masse seiner Infanterie benutzte er
(Alexander bei Gaugamela) nicht, die Schlachtlinie zu verlängern. . . . sondern ver-
doppelte die Tiefe und gab den hinten stehenden Abteilungen den Befehl. Lm Falle
eines Rückenangriffs Kelu-t zu machen.' Vgl. dazu seine Ausführungen über das
Wesen des Treffens S. 211 f.
1) Vgl. Janke S. 139 : , . . . das meist überragende rechte Ufer erhebt sich zu
234 Kniiriiil LcIniKii/ii.
makedonischen Sarissen zienilic-li '.vehrlos preiso'egeben war. \Veiter aber
meint Judeich : , Sammelte sich dagegen der Feind und kam das Gefecht
zimi Stehen, so konnte es (das persische Fussvolk) mit frischen Kräften
eingi-eifen." Doch auch das hat seine Bedenken. Sollte es sich denn
durch die Linie der Reiterei zum Angriff auf den Feind hindurchdrängen V
Hätte es überhaupt rechtzeitig eingreifen können, da es ja (nach Judeich)
mehrere hundert Meter weit vom Flusse entfernt stehend gedacht werden
muss? Oder sollte es dann erst gar noch um die Flanken der eigenen
Reiterei herumschwenken? Ein Schlachtplau, der auf einen Hauptteii der
Streitmacht von vornherein verzichtet und ohne Rücksicht auf die Gefahr
des Misslingeus die verfügbaren Kräfte nur tropfenweis zur Verwendung
bringt, kann meines Bracht ans unmöglich als .nicht schlecht" (S. 389),
als „an sich gut" (S. 391) bezeichnet werden, um so weniger, wenn .Ju-
deich mit seiner Vermutung recht hätte (S. 395), dass ,man auf persi-
scher Seite offenbar eine Niederlage nicht für möglich gehalten" habe ').
Auch Judeichs, durch Rüstow und Janke veranlasste Vorstellung von
der Art, wie Alexander den Sieg gewann, erscheint mir nicht annehmbar.
S. 391 sagt er: „Alexanders geniale Feldherrnbegabung zeigte sich schon
in der ersten Schlacht . . . durch den aus der Lage des Augenblicks heraus
gefassten raschen und richtigen Entschluss. Diesen Faktor haben die per-
sischen Satrapen nicht in ihre Rechnung eingestellt und nicht einstellen
können." Für Alexander „blieb, um das Gelingen des Angriffs zu fördern,
nur die Zerreissuug der feindlichen Linie, das Schaffen einer passenden
Durchbruchsstelle" übrig. Judeich geht (S. 3J4) von der Angabe Arrians
aus, dass der König die Reiterei seines rechten Flügels in zwei Abtei-
lungen vorgehen liess. und nimmt an, dass dies kreuzweis geschehen sei :
zuerst die innere Abteilung unter Amyntas (Sarissophoren. Paionen und
eine Hetären-Ilel nebst einer Fussvolktaxis unter Ptolemäus gegen den
äussersten linken persischen Flügel, dann die Hauptmasse der Hetären
unter seinem persönlichen Befehl flussabwärts gegen den inneren linken
persischen Flügel. „Entscheidend war dabei der eigenartige Wechsel im
Angriffspunkte." So „konnte Alexander selbst an einer Stelle das Fluss-
hindernis nehmen, wo man seine Person nicht erwartet hatte". „Als man
Alexanders geschicktes Manöver durchschaut hatte und wußte, wo er
selbst kämpfte, ist auch hier (bei Amyntas und Ptolemaios) die unmittel-
bare Gefahr für die Makedonen wohl geringer geworden." Nach Judeich
beruhte also Alexanders Sieg auf der Täuschung der persischen Satrapen
über seinen und seiner Hetären Angriffspunkt. Sie hätten ihn auf ihrem
3 — 4 m und besteht aus fast senkrecbten Leliuimaueru." Freilich fügt er hiuzu. dass
,sie auch mit flachen Kiesbetten und leicht ersteigbaren Stellen abwechseln".
1) Holm. Griechische Geschichte. Bd. lU. ,S. 367 nimmt sogar an, „die Söldner
hätten deswegen abseits gestanden, weil man vergessen hätte, sie gegen den
Feind zu gebrauchen" !
Die Sihhirhl ,11,1 <in(,iil;„s. 235
iiusser.steii linken FlüL;el erwiirtet, ini'olgodcsst'u diesen besonders verstärkt
und zumeist selbst ilire Aufstellung dort genommen: in Wirklichkeit aber
habe sich Alexanders überraschender Angriff' gegen eine andere, vom
Feinde nur schwach mit Truppen besetzte Stelle gerichtet. Dieser ganze
Aulbau wird jedoch zerstört durch die Arrian-Stelle (15. :5), wo es aus-
drücklich heisst: ^Aki^avÖQog . . ifißdMei ig tovg INgaag ngcÖTog, iva
t !) 71 üv a ilqi 0 g r >] g T Ji tt o v x al avToloi t) y e fi 6 v a g r ü v
n E Q a ü V t E t a y ߣ V 0 1 7j a a v.
Nachdem wir so die falschen Deutungen des arrianisclien Berichtes
beseitigt liaben. müssen wir ihn auf seinen inneren Wert prüfen und
gegen die übrigen Berichte abwägen.
Ranke ^) spricht sich allerdings mit grösster Entschiedenheit zu-
gunsten des Arrian aus. „In Beziehung auf die Schlacht selbst kann es
niemand beikommen, in die Erzählungen Diodors mehr Vertrauen zu
setzen als in den zugleich auf guten Quellen beruhenden und militärisch
durchdachten Bericht Arrians. " Und ein nicht minder günstiges Allge-
mein-Urteil fällt Schwartz'-): Es „steht unwiderleglich fest, dass Arrian,
der Militär und Beamte, mit richtigem Blick die offizielle Darstellung des
Ptolemaios für die beste nnd reinste Quelle der Geschichte Alexanders
gehalten und ihn durchaus zugrunde gelegt hat. " Andererseits sind aber
auch bereits Zweifel an der Güte des arrianisclien Berichtes laut gewor-
den. Kaerst z. B. sagt in seinen Forsclmngen zur Geschichte Alexanders
des Grossen^]: „Uebrigens ist die Darstellung der Schlacht am Granikos
bei Arrian niciit so lichtvoll und allseitig klar, wie die übrigen Schlacht-
beschreibungen dieses Autors". Diesem Urteil schliesse ich mich an. Ja,
ich habe sogar die Ueberzeugung. dass Arrians Schlachtbericbt
nicht nur nicht so einwandfrei ist. wie man ihn von einem militärischen
Fachmann, wenn auch aus einer Zeit völlig anders gearteter Kriegführung
erwarten müsste, sondern dass er sogar ein völlig f a 1 s c h e s B i 1 d
vom Verlaufe der Schlacht gibt.
Denn erstens ist es doch befremdend, worauf schon von Delbrück
S. 179 hingewiesen worden ist, dass hier zwar 20000 persische Reiter
gewesen sein sollen, nationalpersisches bezw. asiatisches Fussvolk aber
überhaupt nicht. Zweitens werden Philotas' Hetären. Bogner und Speer-
schützen auf dem äussersten rechten Flügel zwar beim Aufmarsch erwähnt,
von ihrer Tätigkeit aber in der Schlacht hören wir nichts, falls nicht
c. 16, 1 auf sie zu beziehen ist. Jedenfalls aber schweigt Arrian voll-
ständig von der Tätigkeit des gesamten linken Flügels unter Parmenion,
d. h. der ganzen linken Heereshälfte. Auch ist die Aufstellung der per-
sischen Reiterei nicht ganz klar. Nach Arrians Angaben ist sie un-
1) Weltgeschichte III, 2. S. .50.
2) Artikel Arrianos in Pauly-Wissowa. KE, Sp. 123<*
3) Stuttgart 1897, S. 90 Anui. 2.
23() Koinnd IaIuii,ui,i.
mittelbar liintor dem hoben Uterraiid aufgestellt zu denken (fi^v i'.TTTor
jiaQarEtvavxEQ tw noiauco y.axä rrjv öy^d-iiv und e^rira^ai' r// oyd^i^ rag
i'Äag T(hv Ititieo}}'). Auch 15, 1 — 2, wo ihi-e Kampfesvveise geschildert
wird, sehen wir sie bei Annäherung der Scharen des Amyntas durch den
Fluss ihre Speere vom Uferraud herab gegen die Angreifer schleudern,
ohne dass von einem Anreiten aus einiger Entfernung zur Attacke die
Rede wäre [ävco&ev eßa/üov ol fikv avvwv ÜTib if^g ö';^^?/g i^ tnegÖE-
giov ig xbv TTorafWi' Eaay.oi'TiToi'zeg. oi öe xaiü t« yßafta/MTSQa aVT)]g
eare im tö vdo)Q y.aTaßairot'Teg). Andei-erseits lässt er doch den Mi-
thridates mit seinen Scharen gegen Alexander aus grösserer Entfernung
anreiten ; freilich lässt er auch sogleich den Alexander im Ansturm gegen
Mithridates seinen Scharen vorauseilen (idojv Mid-Qiödrijv noXv tiqo tüv
ä/üojv nQOinnEvovTCi i^sAaiiVEi y.al ambg tiqo tcSv älh&v). Er schildert
ein wildes, hin- und herwogendes Kampfgetümmel im weiten Blachfeld.
-während man nach dem Zusammenhang nur einen Kampf unmittelbar am
steüen Flussufer erwarten dürfte. Judeichs Annahme, dass die ganze
persische Reiterei einige hundert Meter vom Ufer aufgestellt zu denken
sei. um Spielraum für eine wuchtige Attacke zu haben, scheint mir durch
den Hinweis auf das Wort Enni^Ead'ai nicht genügend gestützt zu sein.
Arrian erzählt uns von einem wüden Ringen. 30 000 Mann z. F. und
5000 Reiter greifen ein feindliches Heer von 20 000 M. z. F. und 20 000
Reitern, die in vorbereiteter Defensivstellung stehen, über ein gewaltiges
Frouthindernis hinweg an: es kommt zu einem blutigen Xahgefecht. in
welchem selbst der Makedonenkönig wiederholt in höchster Lebensgefahr
schwebt und eine Reihe der feindlichen Führer fallen. Zu den auf per-
sischer Seite gefallenen 1000 Reitern und 18 000 Söldnern z. F. steht der
makedonische Verlust von 115 Toten (25 Hetären, 60 anderen Reitern
und 80 Fußsoldaten) in einem schreienden Missverhältnis. Vgl. Del-
brück S. 181: .Will jemand an der Niedermetzelung der griechischen
Söldner und dazu gar an der überlieferten Zahl, dass ihrer 20 000 gewesen
seien, festhalten, so kann er sich dafür auf dieselben Quellen berufen, die den
Verlust der Makedonier an Infanterie auf 30 Mann beziffern. Ein positiver
Beweis, dass die erstere Nachricht zu verwerfen, die zweite anzunehmen
ist, lässt sich nicht fühi-en. Nur das darf man mit voller Bestimmtheit
aussprechen, dass die beiden Nachrichten unter sich in einem inneren Wider-
spruch stehen und eine von beiden notwendig aufgegeben werden muss. "
Ueberhaupt muss die ganze Schlachtanlage als unverständlich be-
zeichnet werden. Wie schon von anderer Seite, besonders von militäri-
schen Bearbeitern wiederholt betont worden ist. gehörten bei den Persern
nicht die Reiter, sondern das Fussvolk ins Vordertreffen imd an das Fluss-
ufer, wofem man überhaupt auch schon ein Erklimmen der Uferwand
seitens der Makedonen verhindern woUte ^).
1) Vgl. Droyseu. Gesuch, d. Hell L 2. Aufl. 1877, S. 189. - Dodge, Alexander.
T)k Srii/iirlil 1111/ (h-imihos. 237
Ferner iiiuss man -/.iin'clxii. ilass l'iuiiienions Rat, einen sofortigen
Frontalangritt' ihircli den (nach Arrian) tiefen und steiirandigen Fhiss zu
vermeiden, der militärisch einzig vernünftige und zweckmässige war und
dass Alexanders angebliche Antwort darauf geradezu läppisch genannt
werden muss : cdoyvvo^tai. ei röv ftsv 'Ekliianovjov öießtjp evTteiwg,
rovTO öf, oiti'AQÖv ^Evfia, si'Q^ei »//<«c tö fii] ov diaßf^vai <jk i'xofiep.
Doch nicht darauf kam es an, den Uebergang über einen FIuss wie den
Granikos technisch zu bewerkstelligen, sondern ihn angesichts der drüben
aufgestellten feindlichen Streitmacht in Gefechtsentwickelung zu erzwingen.
Kai rovio ovxe uqoq MaxeöövMV r/)g dd^z/g oihe UQÖg T/)g ^/t'/g ig rovg xcv-
övvovg d^vTtjTog noiovfiai. Als wenn es sich mit der makedonischen
Waifenehre nicht vertragen hätte, eine so befestigte Stellung des Feindes
zu umgehen, statt sie ohne Besinnen und ohne Kenntnis von der Durch-
schreitbarkeit des anscheinend tiefen Flusses zu erstürmen, und als w^enn
nach einer Umgehung des Fronthindernisses des Königs wilde Verachtung
aller Gefahren nicht mehr hätte hoffen können, ein genügendes Feld zu
ausgiebiger Betätigung zu finden! 'Ara&aQQr'jaeiv je doxu) toiig Tlegaag
ä^iofiäxovg May.EÖöaiv övrag, öti ovÖev ä^iov xov a(pwv öeovg iv reo
nagamiyM etiu^ov. Als wenn die Verschiebung des Sieges über die
Perser auf den nächsten Tag, wo die Makedonen (nach Parmenions üeber-
zeugung) voraussichtlich unter wesentlich günstigeren Bedingungen den
Kampf hätten aufnehmen können, deshalb nicht hätte angängig sein sollen,
weil die Feinde dann noch eine Nacht hätten an die Ueberwindbarkeit
der Makedonen glauben können ! Und wie kommt Alexander überhaupt
dazu, von vornherein anzunehmen, dass sein Erscheinen bei den Persern
bleiche Furcht und zages Schwächegefühl hervorgerafen habe? Man
sollte wenigstens nach Arrians Schlachtbericht meinen, dass sie sich her-
nach am Flussufer recht tapfer und zähe gewehrt haben müssen.
Bei Issus griff Alexander allerdings auch die durch einen Fluss ge-
schützte Stellung der Perser an, und mit Erfolg. Aber das war ihm nur
dadurch möglich, dass der Fluss im Spätherbst jedenfalls nur sehr seicht
und der Uferraud nicht überall steil war und dass die Reiterei des rechten
Flügels nebst Leichtbewaffneten. B^-paspisten und zwei Taxen der Peze-
tären-Phalanx eine 300 m breite flache Stelle am Gegenufer in der linken
Flanke des Feindes fanden und so die Stellung des Gegners umgehen
oder umfassen konnten ').
Und schliesslich stellt der arrianische Bericht, genau besehen, nicht
eigentlich einen Schlachtbericht dar. sondern, wie bereits von anderen er-
Boston 1890, S. 24U. — Kaerst. üest:h. d. helkni.st. Zeitalters. Leipzig lüol. Bd. I.
S. 257. — Janke. S. 141 f. — Delbrück, S. 180.
1) Vgl. Dittberner, hsos (Berlin 1908) und Delbrück, S. 191 Vi. — Die von .hinke
verteidigte Ansicht {Die Schlacht hei /.«.«ms. Klio \. 1910. .S. 137 ff.) wiinlc für unseren
Nachweis sogar noch vorteilhafter sein.
8
238 Koiirad Lcliiiiain).
kannt worden ist^). im wesentlichen nur eine Verherrlichung der persön-
lichen Taten des Königs in der Schlacht. Was von dem Kampfe der
Truppen berichtet wird, dient diesem Gemälde nur als Hintergrund. Es
ist eine poetisch -rhetorisch gefärbte, aber keine militärisch-nüchterne
Darstellung der Schlacht. Alexander wird uns vorgeführt als ein Held
nach dem Schlage des Achilleus. Mit stürmendem Mute beut er jeder
Gefahr trotzig und verachtend die Stirn tmd wirft alles, was sich
ihm in den Weg stellt, zu Boden. Parraenion, der mit ernsten Worten
und sachkundigem Rat zur Vorsicht mahnt, wird mit überlegenem Lächeln
abgewiesen. Ein Fronthindernis, wie der Granikos. dessen rechtes Ufer
3 — 4 m fast senkrecht und mauerartig sich erhebt ^) und vom Feinde be-
setzt ist. wird von ihm verachtet: solch ein Kinnsal solle ihn auch nicht
eine Stunde davon abhalten, sogleich darüber hinwegzusetzen und dem
Gegner auf den Leib zu rücken. Weithin ist seine Heldengestalt vor
allem Kriegsvolk sichtbar {öfjÄog i}v tüv te ÖJiZcov tj) Za^tJtQÖTtjTi), und
ihm gegenüber sammeln sich die Feinde in hellen Haufen {ravTr] jivxräg
ineja^av irj öx^J] rdg iZag tüv tTtTriiOi'). Alsbald schwingt sich der
königliche Heldenjüngling in den Sattel (eigentlich müsste man freilich
annehmen, dass er bereits den Anmarsch des Heeres zu Pferde geleitet
habe), und ruft seinen Getreuen zu, ihm mutig zu folgen {ui'a7t't]ö^aag
im TÖv mnov xai rolg ä}iq>^ afnöv iyxeZevadfiei'og enea^ai . . .). Wo
die Feinde am dichtesten stehen, dahin stürmt er {sfißdMei . ., i'va %b
näv GTJcpog t/}s ijitiov y.a.1 adroi oi fjysfiöreg tüv IIsQaüi' reray/iepoi
fjaav). Um ihn tobt der Kampf am ungestümsten. Sein Speer wird ihm
in der Hand zerschmettert {^vvTQißETca rö Söqi'). Ganz homerisch vollends
ist der Einzelkampf des Königs mit Mithridates, Rhoisakes und Spithri-
dates. Wo der König kämpft, weicht der Feind zuerst zurück [iyyJJvovat
Tavztj nQfbxov, fi 'AßJ^avÖQog nQOEy.ivövvF.vev), und damit beginnt die
allgemeine Flucht der persischen Reiterei (wg de rö fiiaov iredeÖMXSi
avToTg, iraQeQQt'iyrvTO öij y.ai rä eq)' exärega r;]c ijtnov y.al ijv Si] q:vyij
y.aQTEgd). Das Söldnerkorps, stai-r vor Entsetzen ob dem überraschenden
Anblick der über den Haufen geworfenen Reiterei, war wie festgenagelt
stehen geblieben (ojv tö aTT<pog, fj rö nqüTov hdx^ij, lyjrZijiet . . rov
naqalöyov . . tfiEvev)^). Im Nu ist auch dieses ganze Korps aufge-
rieben.
1) Grote, S. 439, Anm. 81. — Kaerst, Forschg. S. 90. Anui. 2 und aes<h. d. hell.
Zeitalter!^. S. 257, Anm. 3. — Janke, Anm. 303 u. 308.
2) Mordtmann. Skizseii aus Kleinasien (Das Aushnid 1857, S. 873) bemerkt mit
Bezug auf die Ersteigbarkeit des Uferrandes: ,Das rechte Ufer ist hier sehr steil
und etwa 10 Fuss hoch; um zu Pferde hinaufzukommen, muss man entweder einen
Bucephalus zwischen den Schenkehi haben oder mit den Spiessen stützend dem
Gaule zu Hilfe kommen".
3) Hierzu bemerkt bereits Kaerst, Gesch. d. hell. Ztalt. I, S. 257. Anm. 1 : ,.leden-
falls klingt die Angabe nicht gerade sehr wahrscheinlich.-
Dir Sr/iliirlif um (iriinihoi. 239
Diese unrl iUmliclie. in Einzelheiten auch wieder abweichende Züge
bietet aucii die Darstellung Plutarchs {Alcxamler. e. 16). Auch der Be-
richt Diodors. soweit er in c. 20 und 21 des XVII. Buches die Einzel-
kämpfe des Königs mit den persischen Fürsten beiiandelt. stammt trotz
mannigfacher Verschiedenheiten letzthin ans derselben Quelle.
Alle diese Bedenken wecken in uns die Ueberzeugung. dass die durch
Arrian und Plutarch nebst Diodor (in c. 20 und dem ersten Drittel von
c. 21) vertretene Ueberlieferung wenig innere Wahrscheinlichkeit besitzt.
Daneben liegt uns noch ein anderer Bericht vorbei
Diodor in c. 19 und im zweiten und letzten Drittel des c. 21.
Danach lagerten die Perser längs des Granikos, den Fluss vor
der Front (y.aTeorQaroneÖEvauf ttuqü töv rQavixdi' noraftov ngoßa/JM-
fitvoi TÖ ^Eid'Qor . . .). Nach einem kurzen Marsche lagerte sich
das makedonische Heer am linken Ufer dem Feinde gerade gegenüber
(avrrofiov rijt' noQeiav TtoirjattfiEvog ävTeoTQUionsöevaE rolg noXifiiotg.
&arE ävä fieaov ^eiv tojv naQSfißoZüiv töv rQUviy.ör). Die Ei-wai-tung
der Perser, die den Fluss wirksam auszunutzen gedachten, ging nicht in
Erfüllung, da Alexander den Angriff durch den Fluss verständiger Weise
vermied. Vielmehr kam er am nächsten Tage den Feinden
zuvor, indem es ihm gelang. seinHeerimMorgengrauen
ungestört über d e n F 1 u s s zuführen und e s a u f d e m r e c h t e n
Ufer in voller Ordnung zur Schlacht aufmarschieren zu
lassen (oi fifv ovi' ßÜQßuqoi tIjv vnöjQetar y.aj£iÄ.rj/iuet'oi Tijv i)av-
Xiar eixov y.ey.Qixöreg ToTg noÄEfiloig ini^ea^ai xcnü rljr öiäßaaiv rov
norafiov' yMi öisanaQfih'fjg rj/g tmv May.eöövcoi' (fd/.ayyog ^aöUog tcqo-
TEQrjOEiv ine/Miißai'ov iv rfj f^äxfl ' ö 6e 'A/.i^ai'ÖQog . . . «//' f}uEQcc
7tEQai(baag t ij r övi'aiiiv E(pd-aaE jovg 7io/.£fiiovg EXTÜcag
rijv övvafiiv fjQfioa /4 i reo: ngög rbv äyöiva). Der Angriff von dieser
Seite her kam also den Persern völlig überraschend. Schnell suchten sie
durch Vorwerfen der gesamten Kelterei das makedonische Heer aufzu-
halten {oi öf ßÜQßaQoi TiQÖg o///f rijv jd^iv tmv MaxEÖövcov Earrjoav
TÖ nk^i&og Tiov ijiJiEtov xal öiä jovtcov ngoxivEiv tIjv /Adxtjv SiEyvcoy.Ei-
aai'). Das Fussvolk der Perser marschierte dahinter auf. ohne jedoch in
den Kampf aktiv einzugreifen, angeblich, weil es die Reiterei für stark
genug hielt [ol jie^oI tojv ÜEQodjr . . . öniad'E EniiEiayfiEvoi t7jv fjavyjav
fjyov WC Tüv inicEOii' Ixavcöv öVtwi' xaTanovilncu Tovg MaxEÖövag). Die
Reiterei der Makedonen auf beiden Flügeln eröffnete den Kampf: die thes-
salische Reiterei unter Parmenions Führung auf dem linken Flügel, indem
sie sich mit Erfolg defensiv verhielt, die Reiterei des rechten Flügels
unter Alexanders persönlichem Befehl, indem sie in scharfem Anreiten den
anstürmenden Feinden entgegenging {ol twv ©ETTuküv injiElg IlaQ/iEi'icoi'og
i)yovfiEvov TEd^aQQijxÖTiog idixovTO TijV EJTKpoQäv TÜv xad'' tavTOvg TEiay-
fiEvoiv 'AÄEiat'ÖQog öe Torg ägiaTovg twi' Imiiiov Eywv xaiä tö dEc.iör
10
240 Koiirad L<lm«nni.
y.iqac . . nq&tog i^innevae toiq nigaaig). Zuerst warf Alexander den
linken Flügel der gegnerischen Reiterei in die Flucht, dann machte auch
die übrige Menge der persischen Reiterei Kehrt {tiqüiov fttr oi y.cnä tdv
'A/.e^ai'ÖQOv TerayfiEvoi (pvyEtv fjfayy.dad-tjaai' ' fierü 6e Tavia y.ai rcov
Ü/./.C01' TQajrivTiov . . .). Nunmehr stiess das beiderseitige Fussvolk auf-
einander. Doch die Perser, die durch die Flucht ihrer Reiter bereits stark
erschüttert waren, hielten nicht lange stand, sondern machten alsbald
ebenfalls kelirt (^lerä Sk xijv rwr Inuecov TQomjV ot neCol . . ökiyov xqö-
vov t]yioriaavTo • oi yÜQ ßÜQßuQoi diu riiv xibv iTinecjv tqojt>ji' y.ararr/.a-
ysvTsg xal ralg tjivyalg iröörreg Jigög (pvyfjv &Qfii]aav).
Dieser Bericht Diodors über den Verlauf der Schlacht
steht völlig u n T e r e i n b a r neben dem a r r i a n i s c li - p 1 u -
t a r c h i s c h e n.
Judeich ') erwähnt nur beiläufig die Nachricht Diodors. dass Ale-
xander erst am folgenden Tage in der Frühe über den Fluss gegangen
sei. und bezeichnet sie als „ganz sonderbar". Auch die übrigen Bear-
beiter der Schlacht haben dieser Darstellung des „elendesten aller Sln-i-
lienten" keine Beachtung geschenkt, sondern ohne weiteres dem Berichte
des Militärs Arrian den Vorzug gegeben, abgesehen von Delbrück, der
dessen Mangelhaftigkeit bereits empfand. Indessen für die Mängel, die
wir bei Arrian feststellen mussten, gewähi't uns Diodor Ersatz. Er gibt
uns nicht eine lediglich um Alesanders Person kristallisierte Kampfes-
schilderung, sondern einen wirklichen Schlachtbericht, der auch die Tätig-
keit des linken Flügels unter Parmenion berücksichtigt. Vor allem aber
hält er sich frei von der unglaubwürdigen Bebauptung eines sofort ohne
jede Vorbereitung unternommenen Frontalangriffes in parademässiger
Schlachtlinie durch einen von 3 — 4 m hohen, fast lotrechten Uferwänden
eingeschlossenen Fluss, der noch dazu als tief und reissend dargestellt wird,
gegen einen in vorbereiteter Stellung am Gegenufer aufmarschierten Feind.
.Judeich ist offenbar geneigt, die .,ganz sonderbare Xachi-icht'" Dio-
dors als unhistorisch zu verwerfen und anzunehmen, dass sie , wohl irgend-
wie mit dem bei Arrian entwickelten Plan Pai-menions in Beziehung
stehe". Dagegen möchte ich eine andere Autfassung vertreten. Wenn
Alexander wirklich in unwiderstehlichem Ansturm ohne Zögern das ge-
waltige Fronthindernis angesichts der zur Schlacht gerüsteten Feinde
überwunden und das Erklimmen des anderen Ufers in blutigem Handge-
menge ertrotzt hätte, so wäre es geradezu undenkbar, dass eine so sinn-
fällige, eindrucksvolle und gemeinhin unmöglich scheinende Heldentat des
Königs einer so farblosen Verwässerung. wie sie nach Diodor angenommen
werden müsste. in der Ueberlieferung der Grosstaten Alexanders hätte
anheimfallen können. Wer kann sich vorstellen, dass der AngTÜf der
Bayi-euth-Dragoner bei Hohenfriedberg oder die Erstürmung der Adda-
1) S. 394. Anm. 1.
11
Die Sihhicht nw (iranihis. 241
BriUke von liUili mlcr dci- Sturm ;iut' die I)üpj)elt'r Schanzen jemals scU)st
von einer feindseligen (ileschiclitscbi-eil)ung ilires Ruhmes als einer beson-
ders eindrucksvollen Kriegsleistuiig entkleidet und mit AngrifFstaten eines
"■ewöliniichen Durchschnitts, mit normalen Angriffsbeweguntfen auf nn1)e-
hindertem Gelände auf eine Stufe gestellt werden könnten !
Ich behaupte nun nicht etwa, dass in Diodors Bericht alles einwand-
frei und bei Arrian alles falsch sei. Vielmebr halte ich einerseits Dio-
dors Angabe, dass die Perser 100 000 Mann z. F. gehabt hätten, für
recht anfechtbar, wenn auch nicht weiter für verwunderlich bei der fast
zur allgemeinen Kegel gewordenen Annahme von der riesigen Grösse der
asiatischen Heeresmassen'). Ferner verwerfe ich durchaus die Angabe,
dass man das persische Fussvolk deswegen vom Vorgehen zurückgehalten
habe, weil man die Reiterei für stark genug zur Besiegung der Make-
donen gehalten habe. Andererseits sehe ich die Ausführungen Arrians
über den Gefechtsaufmarsch des makedonischen Heeres als völlig glaub-
würdig an, zumal sie mit Diodors Schlachtbericht in vollem Einklang
stehen. Ebenso ist es nicht undenkbar, dass Alexander gegen die persi-
schen Reiter, und zwar wohl gegen ihre linke Flanke, zuerst den Amyntas
und Ptolemaios hat vorgehen lassen, ehe er selbst zum Frontalstoss an-
setzte. Auch die Verlustangaben Arrians auf makedonischer Seite halte
ich für glaubhaft. Und diese offenbar auf urkundliche, amtliche Quellen
zurückgellenden Mitteilungen Arrians mögen wohl Ranke zu seinem gün-
stigen Urteile über den Sehlach tbericht dieses Gewährsmannes veranlasst
haben. Nur Arrians ganze Schlachtschilderung mit dem Angriff über den
Granikos hinweg lehne ich ab und schliesse mich durchaus der diodori-
schen an. Was an den Einzelkämpfen Alexanders historisch ist. lässt
sich naturgemäss nicht mehr feststellen. Einen Kern von Wahrheit können
sie recht wohl haben.
Nun erklärt sich auch ohne Schwierigkeit die bei Arrian ganz unver-
ständliche Aufstellung der Perser. Denn nicht um das Granikos-Ufer
zu verteidigen, war die persische Reiterei vor die Front des Fussvolks ge-
zogen. Sondern da Alexander, die Perser überraschend, im Morgengrauen
sein Heer glücklich auf das rechte Flussufer zu bringen vermocht hatte
und nun nach ungestörtem Aufmarsch gegen die persische Stellung her-
anrückte, sahen sieb die Perser genötigt, bis ilir eigenes Fussvolk sich
zur Abwehr des Angriffes ordnen konnte, schleunigst ihre gesamte Reiterei
dem Feinde entgegenzuwerfen, und zwar nicht nur der feindlichen Reiterei
auf den Flügeln, sondern nqbg öXrjv T//r ■tüt,iv töjv MaxEÖöi'MV. Als
dann nach der Flucht der persischen Reiterei das makedonische Fussvolk
mit dem persischen zusammenstiess, bedurfte es für die Makedonen er-
1) Beloch allerdings kommt zu dem durch keinen Vorljehalt eingescliWinkten
Ergebnis (Die Berölkeniny der griechisch-rümiaclieii Welt. S. 21-") Vi.), .dass Diodors
Stärkeangaben durchaus nicht schlecht sind".
Klio, Heitr&ge zur alten Gescliichto XI l'. Ifi
12
242 Kotirtul hilniKum.
kliirlifliPrweise keines langen Kamiifes, um die Itereits diirrli Alexanders
Angiirt' überraschten und durch den Anblick des aufgelösten Zuriickjagens
ihrer Reiterei vollends erschütterten Feinde über den Haufen zu werfen. Dass
unter solchen Umständen makedoniseherseits der Sieg mit sehr geringen
Opfern gewonnen werden konnte und persischerseits die Verluste an Toten un-
verhältnismässig bedeutender sein mussten (wenn auch gewiss nicht 10i*0(t M.
7.. F. und 1000 Reiter, wie Diodor angibt), ist durchaus glaublich.
Auf welche Phase der Schlacht die Notiz Pojyäns (IV, 3, 8). wo-
nach der makedonische Angriff zuerst nicht gelingen wollte, zu beziehen
sein mag, ist schwer zu sagen, wofern sie überhaupt wirklich die Grani-
kos-Scblacht betrifft. Es heisst dort: 'A/JiavÖQOc. Iv tij tjqmt]] Tiaga-
id^ei JiQÖg Tovc Higaac öqwi' svöidörrag ijötj rovc JSIay.EÖövag :iaQt7T-
n£va>v dveßöa' „'Eri cma^ Ejxayäyco^ev, ävÖQeg 31ay.eööreg, i'nysri'alcüQ
unac." Kai ötj rP^g ifißoZrig eiigwarov yero}iEi't]g £g (pvyijv eTQÜJiotno
ol ßÜQßaQOi. Indessen könnte diese Nachricht vielleicht auf den zwar
nicht von Diodor, wohl aber von Arrian erwähnten Angriff des Amyntas,
den Alexander zuerst vorschickte, Bezug haben. Auch die zweite Notiz
Polyäns über die Schlacht lässt sieh nur mit einigen Reibungen in die
anderwärts überlieferte Form einfügen: 'APJiarSgog rQcirr/.bv dixßaiviov
Ilegaag £§ v.TSQÖecicov ijtiövrag aviög Lri öögr rorg May.eöörag ävaya-
yiov bTiEQey.eQuaEV " i] 6e (fd?Myi TigoanEGOvaa roig jtoAefiioi'g ETQiiJ'UTO.
Hiusichtlich der Gliederung des persischen Heeres lässt diese Quellen-
nachricht uns völlig im unklaren. Die Bemerkung, über die entscheidende
Wirkung des Vorgehens steht im Einklang mit der übrigen Ueberliefe-
rung. Das Präsens im Partizip öiaßaircor erinnert an die arrianisch-
plutarchische Auffassung von Alexanders Angriff, während der Ausdruck
Tlioaag e n i 6 v t a g i:^ inegÖE^iov für die diodorisehe Anschauung zu
sjirechen seheinen könnte. Neu in Polyäns Bemerkung ist die Mitteilung
von einem die linke pei'sische Flanke umfassenden Angriff' eines
makedonischen Heeresteils {inl Söqv . . (•irEQeyEQaaEr). Immerhin lässt
sich darunter das Vorgehen des Amyntas ohne erhebliches Bedenken be-
greifen. .Jedenfalls aber sehen wir, dass. wenn Polyän beim Exzerpieren
nicht flüchtig gewesen ist. die Ueberlieferung auf ihrem Wege von den
Urquellen bis zur vierten oder sechsten Ueberarbeitung bereits sehr starke
Trübungen erlitten hat. deren Niederschlag uns in den ims erhaltenen Be-
richten in verschiedener Stärke vorliegt.
Recht wohl ist allerdings denkbar, dass der König wirklich durch
persönliches Eingi-eifen in das Nahgefecht der Reiterei sich um den Sieg
ein wesentliches besonderes Verdienst erworben hat und dabei in eme
Lebensgefahr gekommen ist, aus der ihn der treue Kleitos gerettet hat.
Doch auch ohne die lange Reihe von achilleischen Heldentaten des Kö-
nigs rechtfertigt der nüchterne diodorisehe Bericht (in c. 19 u. 21) das
Gesamturtoil. dass das Hauptverdien.st am Siege dem Könige sell)st zu-
13
Die Sr//l,tr/if dm Grrmilios. 243
koiiiint, wiihreiul Arrian dicsiii iüiliiii mit phantastischen Mittehi noch zu
steigern beflissen ist, indem er den Sieg als das ausschliessliche und rein
persönliche Werk des Königs darstellt, dem die makedonischen Trujjpen
und ihr alter, in Ehren ergrauter General Parmenion nur sozusagen als
Staffage gedient hätten. Der Plan, auf Grund dessen Alexander seinen
Sieg errang, deckt sich vollkommen mit dem Hat, den Parmenion vor der
Schlacht dem arrianischen Berichte zufolge dem Könige gegeben hat. Ob
diese Meldung richtig ist, d. h. ob Parmenion vor der Schlacht seinem
jungen Könige den Rat erteilt und der König ihn befolgt hat, können wir
nicht ausmachen. Innere Wahrscheinlichkeit hat sie in hohem Grade.
Doch auch in diesem Falle leidet der militärische Ruhm des jungen Make-
donenkönigs als des ausführenden und die Verantwortung .selbst über-
nehmenden Leiters der Kriegshandlung keine Einbusse. Durchaus verstän-
dig ist auch die Wertung der Leistungen auf der Walstatt selbst, wie sie
Diodor gibt: '0 fiev ßaaiAevg öfioZoyov^ievov rr^g dvÖQayad-iag rö tcqm-
Tiaxov äjii^väyy.aio xat T/]g oZt]g vixt]g eöoie fidhara ahiog yeyovh'ai • ^lerä
<>e rovTOv ol rwr €)snak(jiv litJtelg . . . fieydhjv in'' üpögeia Sö^av ea)(pv.
Also alles in allem genommen: in demselben Maße, wie
Arrians Schilderung vom Gang der Schlacht als unwahr-
scheinlich bezeichnet werden muss, ist Diodors Bericht
(c. 19 u. 2 1) innerlich glaubwürdig und in sich harmonisch
und verdient darum in allen Punkten, in denen Arrian von
ihm abweicht, unbedingt den Vorzug.
Die romanhafte arrianische Darstellung des Schlachtverlaufes ver-
dankt ihre Entstehung, so paradox dieses Urteil auch erscheinen mag.
einer mehr poetisch-volkstümlichen als um militärisches Verständnis sich
kümmernden Verherrlichung des kriegsgewaltigen Makedonenkönigs. Auf
welche Urcjuelle sie zurückzuführen ist und seit wann sie die Ueberliefe-
rung beherrschte, ist natürlich nicht zu entscheiden. Arrian fand sie be-
reits vor. wie auch schon Plutarch. Aber durch die Begeistenmg für
seinen Helden Hess er sich wohl verleiten, diese zu seiner Zeit bereits
ganz allgemein geglaubte und festgewurzelte Auffassung des sieghaften
Heldenjünglings nachzuerzählen, vielleicht auch beeinflusst durch die Tat-
sache, dass Alexander in seiner zweiten Schlacht gegen die Perser, bei
Issos, wirklich durch einen Fluss hindurch ohne Besinnen zum Angritt'
vorgegangen ist und den Feind geschlagen hat, wenn auch unter einiger-
massen anderen Bedingungen. Beloch ') hat ganz recht zu vermuten. „ Ar-
rian habe auch eine oder mehrere rhetorisierende Quellen benutzt". Und
ebenso trifft das, was Schwartz ') ausführt, vollkommen auch für Arrians
Bericht über die Granikos-Schlacht zu: „Viel verbreiteter war die Manier,
die romanhafte Tradition nicht zu beseitigen, sondern mit Hilfe der Pri-
märberichte mehr oder weniger zu retouchieren : von Aristobul bis auf
1) G}iech. Gesch. U, S. fi.JT. — 2) Curlius Rufus in Pauly-Wissowa RE .Sp. 1877.
16*
U
244 lünirad LvInnaDn. Die ^rldarlif (int (Tirinil-os.
Plutarch mul Arriaii ist flas immer wieder versneht worden, bald mehr,
bald weniger geschickt."
Diodor hingegen — fast zwei .Tahrhunderte vor Arrian — hat uns.
freilich nicht durch eigenes militärisches Verständnis, sondern wohl mehr
nur von einem gewissen nüchternen Empfinden geleitet, eine von jioeti-
scher Ausschmückung und Entstellung freie Schilderung aufbewalui. die
es uns — der Resignation Delbrücks zum Trotz — ermöglicht. ,die
w^esentlichen Momente für das Verständnis der Schlacht" wiederzutinden.
Melbers Urteil über Diodor im Gegensatz zu Arrian kann ich für die
Granikos-Schlacht allerdings nicht gutheissen, wenn er erklärt^): „Polyän
steht zusammen mit Diodor gegen Arrian. ihre Quelle ist ein Autor, der
von militärischen Dingen absolut nichts versteht, und seine Nachrichten
sind daher für das Verständnis der militärischen Operationen ohne Wert."
Desto zutreffender aber scheint mir Belochs Anschauung zu sein -). „ Uebrigens
enthält auch Diodor mitunter sehr beachtensw^erte Angaben über mili-
tärische Ereignisse." Und noch mehr die von Rflstow und Köchly ver-
tretene Auffassung^): ..Diodoros von Sizilien.... der nüchterne, flache
Rhetor, . . . hat wenigstens das Verdienstliche, dass er zuweilen ohne eigene
Zutat . . . gute Quellen ziemlich genau ausgeschrieben zu haben scheint."
Mittels sachkritischer Prüfung ist es uns möglich geworden, die Spreu
von dem Weizen zu sondern und das bisher unbeachtete Korn zu finden. Aber
wenn auch des poetischen Schimmers oder, besser gesagt, Flitters be-
rauht, kann uns die Gestalt Alexanders in seinem ersten Kampfe mit den
Persern militärisch nur desto leuchtender und bewundernswerter erscheinen.
Wir sehen an diesem Beispiel, dass Arrian nicht immer von vorn-
herein und unbedingt den Vorzug vor den anderen Quellen verdient, son-
dern dass dieser militärische Fachmann recht wohl der quellen- und auch
sachkritischen Nachpi'üfung bedarf. Ich schliesse micli in dieser Hinsicht
dem Urteil Grotes*) an: „Ich weise auf diesen Vorzug des Diodoros" (es
handelt sich dort um die Würdigimg von Memnons Kriegsplan) ,um so
mehr hin, als neuere Kritiker eine Neigung an den Tag gelegt haben,
ein allzu ausschliessliches Vertrauen in Arrian zu setzen und fast allen
Angaben über Alexandres zu misstrauen ausser denjenigen, die Arrianos
entweder bestätigt oder denen er das Wort redet. Arrianos ist ein sehr
schätzenswerter Historiker: er hat den Vorzug, dass er uns" (wenigstens
im allgemeinen) „eine einfache Erzählung ohne rhetorischen Schmuck gibt,
die sowohl gegen Diodoros als gegen Curtius günstig absticht: aber er
darf nur nicht als der einzige vertrauenswürdige Zeuge hingestellt werden. "
Steglitz b. Berlin.
1) lieber die Quellen und die Strategetnensammhiiig Pali/iins. Flecleifois Jahrhiiclicr
f. lia^s. PhiM. 188-3. 14. Supplementband, S. 612.
2) Griech. Gesch. II, S. 58. — 3) Geschichte dex griechii^chen Krieg.tweaois. Aaraii
1852. S. XV. — 4) Bd. VI, S. 4.S5, Anm. 70.
15
245
Die älteste Form der Pontifikalannalen.
Von Ernst Koriieiuaiiii.
In seinem tiefeindriniienden Buche Die römische Ja/nräihlmu/ ') bat
Oskar Leuze sich neuerdings mit dem Ausdruck ö jtaQc'c lol^ üq-
XiiQ£t!Oi xeifiEvog nlva^-) bei Dionys von Hai. I 74,3 mehrfach bescbilf-
tigt. Er bat zunächst^) die von Ideler, 0. Hirsehfeld und Holzapfel
vertretene Ansicht, dass der niva^ an der genannten Stelle nicht aus Po-
lybios. sondern neben Polybios zitiert wird, gegen die communis opinio
mit Recht wieder zu Ehren gebracht ^). An einer zweiten Stelle *) hat er
die verschiedenen Deutungen, die man den Worten gegeben hat, kritisch
beleuchtet. Er weist die zuerst von Seeck ") geäusserte und von Mommsen
gelegentlich gebilligte Vermutung ') zurück, als werde unter dem niva^
die für für das laufende Jahr an der Regia aufgestellte Kalendertafel ver-
standen : ebenso lehnt er die Ansicht Hirschfelds, die auch von Holzapfel
vertreten wird, ab, als seien die an der Wand der Regia eingegrabenen
sogen, kapitolinischen Fasten gemeint: auch teilt er nicht die ältere Auf-
1) Tübiugen. J. C. B. Mohr, 1909.
2) Die Hss. haben ^ Ayyiaevai. Die Korrektur stammt von Niebuhr und ist schon
längst und allgemein angenommen, vgl. O. Hirschfeld. Hermes IX. 187-5, S. 106 Anm. 1
u. H. Peter. Bell I p. XXII. Nur L. Cantarelli. Birista di filol. XXVI, 1898. S. 220
Anm. 2 macht dagegen Bedenken geltend, die aber /.. T. von der falschen Voraus-
setzung ausgehen, dass Dionys hier von Polybios abhänge, s. darüber oben im Text.
Der aus der Tatsache, dass nur hier von Dionys ngyiegeig für pontifex manimits
gebraucht wird, entnommene Einwand ist schon von Hirschfeld zurückgewiesen wor-
den: vgl. dazu auch die Ausführungen u. S. 246 Anm. 4. Seltsamerweise wird die An-
wendung des Wortes nur an dieser Stelle in dem soeben erschienenen Buch von G.
Costa, I fast) consolari Bomani, Mailand 1910, HS. 37, 2, wie einst von 0. Seeck
{Kalendertafel S. 6.5). dazu benutzt, um wieder Polybios als Quelle nachzuweisen.
3) S. 168 f. Die Belege für die Zitate im Text aus Ideler. Hirschfeld u. Holz-
apfel siehe S. 168 Anm. 208.
4) Wie nötig das ist. beweisen die Arbeiten mancher Italiener, bei denen die
falsche Interpretation bis in die neueste Zeit wiederkehrt, vgl. Cantarelli a. a. 0.
S. 220 A. 2, 6. Costa, a. a. O. II S. ;ü7 Anm. 2. Leider macht auch A. Enmann in
seinem Aufsatz, der uns unten beschäftigen wird (Bhein. Mus. N. F. ■'i7. 1902. S. •'>16)
denselben Fehler; ebenso Sanders in Claus. Philology 1908 S. 329. — .5) S. 197 f.
6) Die Belege für diesen und die folgenden Verweise bei Lenze a. a. 0.
7) Auch Cichorius B.E. I 2248 f teilt diese Ansicht.
1
246 Ernst KiiviiciiHnni.
fassung der Stelle, woiiacb der Tiiva^ mit den (uniulcs nnix'aiii identitiziert
wird. Er kommt selber zu der Ansicht'), dass es sich wohl um eine Auf-
zeichnung der Pontifices handelt. Nur ist nicht an das zu einer Chronik
erweiterte Verzeichnis zu denken, sondern an eine reine „ Beamtenliste "
oder, wie er gleich darauf sich ausdrückt, .die reine Eponymenliste, die
offizielle Aufzeichnung aller sich ablösenden Beamten", die noch nicht zu
chronographischen Zwecken dui-ch Ausgleichung von Beamten- und Ka-
lenderjahr redigiert war'').
Damit hat er meines Erachtens den Ausdruck zu eng gefasst. Der
hier genannte iclvai, kehrt mit demselben Zusatz noch einmal in unseren
Quellen wieder, in dem bekannten Catofragment aus dem vierten Buch der
Origincs bei Gellius N. A. II 28, 6 : non luhet scrihere, qiwd l n t ah u Ja
apiidpontificcm maximum est {= fragm. 77 bei Peter. BelJ. I
S. 73). Dass beide Zitate, die aufs Wort fast übereinstimmen, dieselbe
Vorlage im Auge haben , kann wohl nicht bezweifelt werden '), zumal
wenn mau den von Leuze versuchten Nachweis für erbracht hält, dass die
Stelle bei Dionvs. von der wir ausgegangen sind, aus Piso stammt^). Da-
1) Ebenso schon S. 157 Anm. 193.
2) Er kommt also zu einer Gleichsetzung des ;i/r«| mit den \fQoi xt xa'i anöHt-
TOi ßlß/.oi in XI 62,3 und den (mit die.sen letzteren wiederum identischen) lintei Jibri
(1(1 Monetae bei Livius IV 7. 12 (darüber u. S. 255), was S. 190 f. deutlich ausgespro-
chen wird.
3) So richtig H. Peter, Bell. 1 p. XVIIII : vgl. auch schoii E. Hübner. Fleckeis. Jhh.
für cl. Phil. 79, 1859, S. 414: ,'0 nagn x. ä. x. n. ist eine ganz passende Uebersetzung
für tabula, quae est apud pontificem oder quae sservatur penes pontificem'' ; dazu S. 419.
4) Vgl. S. 200 ff. Für mich ist entscheidend, dass die Liste der zitierten Anna-
listen und sonstigen Historiker bei Dionys I 74 mit Cato und Polybios abbricht. Da-
zu kommt der Hinweis Leuzes auf Dionys IV 7, woran S. 202 die richtige Beobach-
tung geschlossen wird: ,Es ist beachtenswert, dass hier wie in 174, S von imloyia-
ftoi die Rede ist: ebenso erinnert avyxaTu^tftifog au ois iyxo Tipoöföf,«)/!' in I 74 und
an ai; 7jfiCL<: ovx avev loyiaßov avyxaxaxi&sfiiS^a in XI 62.' F. Münzer (flcnnes 31.
1896, S. 308) macht weiter mit Recht darauf aufmerksam, dass die imi.oyiaftol au
unserer Stelle, soweit sie sich auf das Censorenprotokoll vom Jahre 362 Varr. stützen,
aus Piso Censorius (vgl. Dionys II 38, 3 : log äh Iliawv Afvy.ioc 6 x i fitj x txo g
laxopit. auch U 39, 1) herübergenommen sind (anders Leuze S. 157 if , der hier —
vgl. S. 159 — falschlich den , Autor der Polybischen Chronologie" hereinbringt).
Die Kapitel 74 und 75 enthalten eine iu sich geschlossene Beweisführung, die ihr
Ende erreicht in 75, 4 bei den Worten : t« fihv 61/ nt^i zov -/QÖfov xaä' ur ij vvv dv-
vaaxfiovaa itö'uc (ßxla&rj xoTg xe ngb ifjov yirofihoig dcnjukru xäftol äoxovvxa
Toifiö' iaxiv. Hl". Leuze, dem ich diese Ansicht vorlegte, bemerkt mir hierzu: „Für
Piso trifft das zu : er hat die Ansichten seiner Vorgänger (Timaios bis Cato und
Polybios) aufgezählt. Für Dionys trifft es nicht zu ; denn Dionys hätte auch Varro
nennen müssen, wenn er die Ansichten aller tiqo eavxov über die Gründungszeit auf-
zählen wollte, zumal Dionys mit Varros Schriften sonst gut bekannt war". Auch
im übrigen zeigen die beiden Kapitel Besonderheiten, die nur durch die Herleitung
aus einer Quelle erklärlich sind. Ihr ist es aufs Konto zu schreiben , dass bei
Dionys n u r hie r Cinciu.s v o r Fabius genannt wird (anders I 6. 2 und I 79. 3) und
/)/(• ältrstv lüiini der l'otttifil.nliuninliti. 247
mit koiuiiitn wir zu dem sehr interessanten Hesultat. ilass zwei Autoren
des zweiten Jahrhunderts den niva^ (tiihiiUi) zitieren.
Schon dadurch wird Hirschfehls Interpretation der DionyssteUe aus-
gestdilossen, ganz abgesehen davon, dass man von den kapitolinischen
Fasten, die aussen an der Regia angebracht waren, nicht y.eifiei'og, sondern
nur Jt^oxEifierog hätte sagen können. Mit diesem letzteren Argument
wird auch Seecks Ansicht, dass die jährlich ausgestellte Pontifikaltafel
gemeint sei, aus der Welt geschatFt. Endlich ist der Umstand, dass nicht
nur Piso, sondern auch Cato die tabula zitiert, ein Beweis dafür, dass die
aiinales maximi, die nach Cato und, wie wir aus unserer Stelle sehen, auch
nach Pisos Annalen erschienen sind '), nicht die Vorlage bilden können.
AVas ist aber dann unter dem nivai zu verstehen V Um diese Frage
dass Cincius, obwohl er von Dioiiys schon in I 6 genannt war. erst hier als «W/p
xöiv (X Tov ßovj.evzixov ovvböqIov bezeichnet wird, während man doch diesen Zusatz,
eher bei der ersten Nennung des Mannes erwartet. Weiter ist es aus dem Quellen-
wechsel zu erklären, dass nur hier j)0)itifices «ia.rimj mit «p;((fpf(£: wiedergegeben wird
(darüber E. Hübner a. a. O. S. 414 und oben P. 245 Anm. 2). Endlich versteht man
so die Angabe der Regierungsjahre der einzelnen Könige und der Gesamtdauer der
Königszeit schon hier (c. 75). obwohl dieselben Zahlen alle später noch einmal (Ro-
mulus 11 56.7 und 11 .57.1. Numa II 76,5. Tullus 111 3.5.1. Ancus 111 4-5. .3, Priscus
[V 1.1. Servius TulHus IV 40.1, Superbus IV 8-5,4, die Dauer der Königszeit V 1.1)
gegeben werden. Weshalb die beiden Kapitel so aus dem Rahmen des Ganzen heraus-
treten, ergibt sich leicht, wenn man sieh vor Augen hält, dass hier von Dionys drei-
mal (I 74, 2 u. 4 ; 75, 3) auf eine eigene Monographie chronologischen Inhalts ver-
wiesen wird: nüji; av rig mfv&vvoi tovc 'Pwftaiiov -/QÜvovq itQoq rovg ' Ef.Xijvixovc, die
von den Neueren mit der bei späteren Autoren des Altertums zitierten Schrift des
Dionys Ttfpt ygvfwv identifiziert wird (vgl. C. Wachsmuth, Eiiileitunn S. 146 Anm. 1
und Ed. Schwartz. U. E. V S. 936). Wir müssen darnach annehmen, dass Dionys
zunächst in dieser Schrift, wie er für die griechischen Daten nach seiner eigenen
Angabe Eratosthenes benutzte (I 74, 2). so für die lateinische Chronologie den Piso
zu Grunde gelegt, hat, dessen Annalen wahrscheinlich einen chronologischen Exkurs,
der alles Nötige bequem darbot, enthielten. Diesen hatte der Rhetor, der sieb mit
der Materialbeschaffung nicht viel Mühe gemacht hat (vgl. das vernichtende Urteil
von Ed. Schwartz. R. E. V S. 934 tf. und neuerdings Franz Halbfas, Theorie u. Praxis
in der Geschiehtsschreibung hei Dionii» von Hdlikariidss, Diss. Münster 1910, S. 15 ff.),
in der erwähnten Monographie in extenso ausgeschrieben, während er an unserer
Stelle nur ein Exzerpt aus seiner Abschrift wiedergibt, vgl. I 74,4: tj fthv oi-v rtxgi-
ßfitt iv ixtlvo) 6Tj).ovzat zw /.üyiu, ).i-/^9^i]asTni öi Sia zr/odt T»/; nQayixaziluQ avzä xävay-
xaiözaza. — Zu ganz anderem Resultat kommt neuerdings G. Costa a. a. 0. I 300 ff.,
der .sich I 2 S. 143 noch einmal scharf gegen Leuzes Gleichsetzung des pisonischen
und dionysischen Systems ausspricht. Davon wird unsere Ansicht, dass Piso, der in
IV 7, 5 zitiert wird, auch in I 74 und 75 die Quelle des Dionys ist. nicht berührt. Vgl.
auch II 40. 3 : Uym 61 a Ilsiawv yQÜifft.
1) Denn dadurch, dass Piso noch den niva^ wie Cato und nicht die uniiales ma-
ximi zitiert, wird nebenbei bemerkt wahrscheinlich gemacht, dass seine Annalen
(Tjei Dionys v. Hai. IV 15. 5 als ctl iriavaiOL iivayQtt(f(u bezeichnet, derselbe Ausdruck
IV 30) vor den annale» maximi des Mucius Scaevola, der sein Kollege im Konsulat
von 133 war, herausgekommen sind. Zeitlich ist das auch möglich, selbst wenn
3
248 Enisf Koniemauii,
zu beantworten, müssen wir davon ausgehen, dass von Piso-Dionys der
jiira^ gelegentlich einer Erörterung über das Gründungsdatum der Stadt
zitiert wird. Also muss damit ein Werk gemeint sein, welches bereits
die älteste Geschichte Roms, einschliesslich der Königsgesehichte, ent-
hielt. Damit empfängt aber die Bemerkung Ciceros über die annuUmn
confedio an der bekannten Stelle de oraf. II 52, dass dieselbe nämlicli
a h i n i t i o r e r u m R o m a n a r u m nsqiie ad P. Mucium, pontificcm
maximum stattgefunden habe, neues Licht. Diese Worte darf man nicht,
wie viele der Neueren getan haben, durch mehr oder weniger glückliche
Interpretationskim ststücke') aus der Welt zu schaffen suchen, sondern man
muss sie mit unserer Dionys-Stelle zusammen ins Auge fassen. Dann
folgt aber daraus, dass die Annalen der Pontifices schon vor der
Buchredaktion des Mucius Scaevola bis zur Stadtgründung
hinauf verlängert worden sind.
So kommen wir auf anderem Wege zu derselben Ansicht, die A. En-
ni a n n in einem viel zu wenig beachteten Aufsatz -) vor einigen Jahren
niedergelegt hat. dass es eine den annules maximi des Mucius Scaevola
zeitlich vorangehende, dem 3. Jahrhundert v. Chr. angehörige Redaktion
der Pontifikalchronik gegeben habe. Er sieht in dieser ältesten Redaktion,
die nach seiner Ansicht schon die Königsgesehichte im Gerüst gab ^). .eine
ältere Ausgabe der Pontitikalannalen, die Vorgängerin der Annales ma-
ximi. Ihr äusseres Verhältnis zu letzteren kennzeichnet sich durch das
Prädikat maximi'^). Zweierlei war mir an den Aufstellungen Enmanns
immer auffällig, einmal die Behauptung, dass die ältere Redaktion schon
die pisonischen Annalen — was sicher sein dürfte ; vgl. über die Benützung der
Censorenprotokolle die vorhergehende Anm. — erst nach der Censur des Mannes
(von C. de Boor. Fasti Censnrii S. 22 und F. Münzer. Rhein. Mus. 61. 1906, S. 23
im Jahr 120. von C. Ciohorius. Unters, zu Lucilius S. 82 ins Jahr 12.S gesetzt, zu-
stimmend F. Münzer, Neue Jahrhb. für das Tclnss. Altert. XXIII. 1909, S. 192) geschrie-
ben sind. Denn Mucius Scaevola hat bis zum Jahre 114 gelebt (E. Hübner a. a. O.
S. 421). — Nachträglieh sehe ich, dass auch W. Soltau (Philol -5.5, 1896, S. 263
Anm. 13 und Linus' Geschichtsw. S. 30) Pisos Werk vor den annales maximi verfasst
sein lässt.
1) Am leichtesten macht sich die Sache H. Peter, Seil. I p. XTI. wenn er kurz-
weg erklärt : ot huiic (sc. Ciceronem) cum ah initio verum Somauanim res omnes Ulis
tabulis mandatas esse diceref, oratorie locutum esse non ex veritate vix quisquam ne-
gabit; vgl. auch Cichorius U.E. I 22-52.
2) Khein. Mus. N. F. .57, 1902. S. 517 ff. (i. de Sanctis, Storia dei Rommii I S. 16 ff',
und G. Costa, I fasti consolari Somani I. 1 S. 28 ff. gehen auf die Arbeit Enmanns
nicht ein. F. Münzer, R. E. VI S. 1875 und Ed. Meyer, Apophoreton S. 158, 1 lehnen
sie ab, L. Wülker, Die gesell. Enfimckl. d. Piodifiienwesens b. d. Römern, Lpz. Diss.
1908, S. 63 schiebt sie schnell bei Seite.
3) Darin liegt der grosse Fortschritt Enmanns gegenüber Soltau, der schon früher
neben der .Tafel beim Oberpontifex" ein pontifikales Jahrbuch als Ausgangspunkt
für die römische Annalistik angenommen hat, vgl. Rom. Chronologie S. 445 ff., Philol.
55, 1896, S. 269 ff. und Lirius' Geschichtstc. S. 28. — 4) A. a. O. S. 526 f.
Die älteste Fuini ilcr J'<nitijilc(tl(iiinnlni. 249
in li 11 (■ h t o r III litrausgegeben vvorilen sfi') iiml diuiii, ilass sie trotztleiu
durch die früheste Privataniialistiii, vertreten durch Fabius Pictor. Cinciiis
Alinientus und ilire Nachfolfier. absorbiert worden, die alten Annalen der
Pontifices also .einer noch <>'rttndlicheren Vergessenheit verfallen seien
als die des Scaevola"-). Hier bedürfen die geistvollen Ausführungen des
genannten Forschers einer kleinen Korrektur. Ich lichauiitc: die bei
C a t o und P i s o zitierte / « h ii 1 (t (b 71 i r a ^) ist die älteste
K e d a k t i 0 n der P o n t i f i k u 1 a n n a I e 11 und. wenn das riclitig ist,
dann ist d er in d er H e g i a 1 a g c r n d c .t l v u i ein Codex im
w^ a h r s t e n S i II n e d e s W o r t e s . d.h. ein H o 1 z c o d e x, bestehend
aus einzelnen tuhuhie, gewesen, der der Aussenwelt, vor allem den Histo-
rilcern. zugänglich gewesen ist. Das sagt Dionj's in dem der oben zitierten
Stelle vorausgehenden Kajiitel (1 73, 1) ganz deutlich : naP.aiog ftiv ovv ovis
avyyQafei'g ovts Äoyoy()ü(fog foti 'Po)ficdo)r ovöe efg ' ix naXaiüv fisv-
loi Zöycov iv l e q a 1 g 6 i Ar 01 g aoito^ieviov ty.aoTÖg ti nuQCtXaßwv dvi-
yQmjiEV^). Nach Hirschfeld ist es .nicht sehr wahrscheinlich, dass Dionys
ein Kapitel später dafür einen ganz anderen Ausdruck gebraucht hätte" ■*).
Bei der starken Abhängigkeit des Diün3's von seinen Quellen bis aufs Wort*)
ist das aber meines Erachtens gar nicht verwunderlich. Die Summe der
einzelnen öeÄtoi (fahulae) machen den Codex (ö nivag. tahiäa für das
Ganze) ") aus. Auch Cato bei Fronto cp. nd. Ant. imp. I 2 p. 99 N. sagt:
iitssi caiidicem proferri nbi mea oratio seripta est, und gleich darnacli :
t ah 11 1 (IC prolatae; oder man vgl. Cie. pro Boscio Com. 7: coäicem pro-
tidif. fall 11 Jas recitavit. Hier lesen wir also ebenfalls ra«(rfer (l^offe./^ und
tahidue kurz nacheinander für dieselbe Sache ^).
Doch sehen wir uns das Material für die Holzcodices etwas genauer
an. A. Wilhelm hat kürzlich für das griechische Kulturgebiet
alles hierhergebörige mit der bei ihm gewohnten umfassenden Gelehi-sam-
keit zusammengestellt *) und uns eine höchst erwünschte Vorarbeit zu einer
Geschichte des griechischen Archivwesens geliefert, besonders für die uns
hier interessierende Verwendung des Afvxiofia (= lat. alhiim). der ge-
1) So auch W. Soltau. der stets (s. S. 248 Anm. 3) von einem pontifikalen
.] a h r b u c h neben der Pontitikaltafel spricht. — 2) S. 527.
3) Wie wenig Klarheit über diese Stelle herrscht, bewei.sen die Aiisfülu-iuigen
in der Dissertation von Fr. Halbfas (s. o. S. 24(i Anm. 4) S. 2], der bei dieser .Ur-
quelle der römischen Geschichtsschreibung" an die aniiales maxiini des Mucius Scae-
vola denkt (vgl. ebda. Anm. 4).
4) Hermes IX S. 107. — 5) S. dazu oben S. 246 Anm. 4.
6) Ueber diese Verwendung der Worte s. u. S. 251 und 254 Anm. 2.
7) Den Wechsel des Ausdrucks versteht man leicht, wenn man Seneca de Imt.
i-it. 13, 4 (nach Varro) liest : puhlicae tabulae Codices dicmUur und zwar quia pluri-
nm tabula mm contextus cnudex apnd antiqiios vocatur; ähnlich Gaius DjV/. II
13, 10: toiiim . .. v od icein iota»tjue membranas:
8) Beiträqc ;ur (jHech. Tiiachrifteukundv, Soiiderarltriftcn des ost. archäoL Jnxtiluts
VII, Wien 1909, S. 239 K.
250 lernst Korni iitittiii.
weißten Holztafel, auf die mit Schwarz geschiieben wurde'). Neben
/.ei'xcofta begecrnen im Griecliischen für diese Sache als Teiinini ci'/or,
aav'iQ. aaridiov. nirevQov, nv^iov. Txmdy.iov . n i i>at, nivä'/.iov. nivay.'iQ.
ö s Z r 0 g. ygaiiuaTSioi'. ygcifiii^Teiöiov. Im allgemeinen erscheint an den
vielen Stellen, die Wilhelm zusammengetragen hat. die Einzeltafel. Doch
kommen auch Fälle vor. in denen mehrere Tafeln in irgend welcher AVeise
zu einer Einheit verbunden werden : so sind die hölzernen ä^ovez im Pi'y-
taneion zu Athen (beiderseitig beschriebene aaviÖEg /.eZ^Evy.co/nEvai) zu je
vieren in einem drehbaren Balken eingefalzt, „so dass man in dieser sehr
unbeholfenen öi/aoc blätternd lesen konnte" -). Dagegen bei dem nivaS
bezw. der aavig der athenischen Ritter (Aristot. 'Ad-Jio/.. 49,2) , wird an
eine zwei- oder mehrteilige zusammenlegbare, mit Siegeln verschlossene
Tafel zu denken sein, eher al.s au eine öeAiog mit zwei oder mehreren
d-rgai oder tttvxcc!'^^)- Zu dem Terminus y(ia(/.Harf/d(o»' wird Polydeukes
X 57 zitiert*), wo es heisst : ygafiKarelötov Si&VQOr ?) TQ'iTxrvyov T] y.cc'i
nXeiöviov mv%(bv.
Willielnis Materialzusammenstellung, die vom Urkundenwesen aus-
geht, wird ergänzt durch die Ausführungen von K. D z i a t z k o °). der die
Verwendung der /.evy.Mfiara für Zwecke der Literatur in der älteren grie-
chischen Zeit, im Anschluss an den (Tcbrauch bei den semitischen Völkern.
z. B. den Phöniziern, verfolgt. Er geht aus von der bekannten Homer-
stelle (7/. VI 169). wo der Tiiva^ jrivy.TÖg erwähnt wird. Auffällig ist ibm
der Singular und er bemerkt dazu: ..Die einzelne Holztafel — und das
bleibt jTfj'rtc doch immer ^) — kann nicht zusammengelegt werden, sie
müsste denn vorerst zerschnitten oder gebrochen worden sein ').... Wir
müssen daher annehmen, dass der Singular synekdochisch für den Plural
steht, wie ct»}//« v. 176 und 178 {aij^icna v. 168). zumal auch die Doppel-
tafel eine Einheit bildet." Dann verweist er auf den Homerhymnos auf den
delischen Apollo, von dem der äyoiv 'Ha. xai 'Oft. Z. 308 ed. A. Rzach
berichtet*): Ai)?uoi öe yQäil'avTec t« stti] eig Äevy.ojtia ärl^rfy.av ir
TW Tijg 'AQTEftiöog hgco. In diesem Falle handelt es sich ganz off'eu-
1) Die Alten schrieben schwarz auf weiss, vgl. lex AciUa Z. 14. Bruns-Graden-
witz. FonU>: T ' S. 61 : in tabula, in alba atramento scriptos, wir heute, wenigstens bei
Benutzung von Tafeln aus Holz, weiss auf schwarz : d, h, wir machen unsere Anschläge
am „schwarzen Brett% vgl. Joh. Schmidt. U.E. I S. 1332 und A. Wilhelm a. a. 0. S. 2.52.
2) Wilhelm S. 242 nach v. Wilamowitz. Aristoteles und Athen 1 S. 45 Anm. 7.
3) Wilhelm S. 243. — 4) Ebda. S. 249.
5) Untersuchungen iilier ausyewöhlte Kapitel des antiken Buchwesens, Leipzig 1900.
5. 11 ff.; vgl. auch Pauly-Wiss. E.E. TU 942 f. : 947 f. und Th. Birt. Die BuchruJk
in der Kunst, Lpz. 1907, S. 211.
6) Wir werden unten (S. 254 Anm. 2) sehen, dass diese Behauptung zu weit geht.
7) D. macht dann auf Herodian aufmerksam, der „iubezug auf eine Begebenheit
der römischen Geschichte, aber anscheinend in Erinnerung an die Homerstelle" VIT
6, 5 sagt : iy TtTvxrotc TiimSi-
8) Vgl. auch Th. Birt. Die Buchrulle in der Kunst S. 211 und Wilhelm a. a. 0. S. 24G.
6
f)i, (Vics/r F„nu (In- Vniilifil.iihniiiiiln,. ITA
bar um t'iiic ciiizcliic Tafel, alicr intorcssant ist daran, ilass sie im liiiici-cn
des Arteraistempels aufbewahrt wird '), wodurch wir an die Worte nagä
roig UQXie(j£V(Ti xflfievoc erinnert werden. Darnach stellt Dziatzko alle
die Stellen aus der Literatur zusammen ^). in denen niraxeg. dfXtoi oder
(javiäeg als Schreibmaterial für die ältere griechische Zeit bezeugt wer-
den, und kommt zu dem Ergebnis (S. 23), dass ,der Gebrauch von 'codices'
nicht, wie die allgemeine Annahme ist, auf die liömer der alten Zeit be-
schränkt war. sondern ebenso und früher bei den Griechen durch einige
Jahrhunderte bestand (etwa vom 9./8. — 7./6. Jahrhundert)", ja er glaubt,
dass die Bewohner Italiens „von dem Schwesterstamme zugleich mit dem
Alphabete auch das gewöhnliche Schreibmaterial kennen lernten und über-
nahmen".
Doch sei dem. wie ihm wolle : sicher ist, dass. sobald wir den Bo-
den Italiens betreten, wir dem Codes, bestehend aus einzelnen Holztafeln,
in weitem Umfang begegnen. Die Stelle aus Seneca. wonach imhlicae ta-
Imlae Codices dicimfiir, qida pluriuui tahuJarum confexttis cnndex apial nnti-
qitos voccdur, ist oben'') schon herangezogen worden. Das Buch aus Holz-
tafeln ist in Rom ursprünglich die herrschende Form gewesen und im
Urkundenwesen bis in die Kaiserzeit hinein zu verfolgen. Darauf hat vor
allem Momnisen an mehreren Stellen hingewiesen *). Er macht darauf auf-
merksam, „dass fahiihte tcsfavienti. codicilU. codex accepti et expensi, über-
haupt alle dem Urkundenwesen angehörigen technischen Bezeichnungen
die Tafel, insbesondere die Holztafel voraussetzen" '"). In dem SC über
Oropos vom J. 73 v. Chr. ") werden die commcidurü consulnm. aus denen die
Urkunde entnommen ist, bezeichnet als /} twv vnof(Vi}f4cho)r öi^roQ. was
Mommsen in seiner Uebersetzung wiedergibt mit coinmenturiorum fcdiida
(Z. 31). Dass hier öeZrog bezw. tabula „nur das Buch im Ganzen be-
zeichnen kann", wird von Mommsen richtig hervorgehoben '). Um so auf-
fälliger ist es. dass er und ihm folgend dann Dittenberger**) an einer
zweiten Stelle desselben Dokumentes, Z. 58, wo es heisst: iv iwi avfi-
ßovAkoi naQtjaav ot ainol oi iß ngayudnoi' avßßeßovZev/iievoiv öePaai
irQÖni]! xr]Qcofiati %eaaa()eaxaidexäjioi, öiArog auf die einzelne Seite, das
Blatt, bezogen wissen will. Hier ist natürlich öiXiog bezw. tcdmla genau
1) Weiteres Material für diesen Fall gibt Wilhelm ;i. a. O. S. 250 tf.
2) S. 18 ff.
3) S. 249 Anm. 7, vgl. dazu noch Wünsch, s. v. codex, E.E. IV 159 f.
4) Hermes II. 1867, S. 115 ff. = Ges. Sehr. V 339 ff', und i/emes XX, 1885, 280 f.
= ebda. V 506 f.; vgl. auch Rom. Strafr. S. 514; /.nsamnienfasscnd A. von Premer-
stein. RE. IV S. 731 ff. und 749 f.
5) Ges. Sehr. V 340.
6) Bruns-Gradenwitz, Fontes p Nr. 42 (S. 18U ff.), Dittenberger. Syll. 1-334. dazu
Momm.sen, Ges. Sehr. V 495 ff".
7) Ges. Sehr. V 506 : ebenso von Wilhelm a. a. O. 245.
8) Mommsen a. a. O. S. 506 f., Dittenberger a. a. 0. Anm. 48 zu 334.
25"J Ernst Kunicinaiui,
so wie an der ersten Stelle das Buch, wie durch den Hinweis auf die 14.
Seite {xfjQuifia, cera)^) schlagend erwiesen -vwd. und wir lernen aus der
Stelle nur. dass die hier erwähnte fahida rernm consulfarum mehrere
Bände umtasste, von denen Band I benutzt wird -). Statt tcthiiJa haben ■nnr
die Bezeichnung code.r für einen solchen Urkundenband im Dekret des
Prokonsuls L. Helvius Agrijipa vom .T. 69 n. Chr. ^). wo es Z. 2 ff. heisst:
(lescriptiim et recocpütum e x c o d i c e a n s ato, ... in quo scriptum fu'd
id quod infra scriptum est t ab u la V cfapitibiis) VIII et Villi et X.
Hier ist tabula wirklich die Seite*), die im vorigen Fall x/jQcofia (cera) ge-
nannt wird, oder um noch einmal Mommsen zu zitieren : „Die ins Archiv
abgelieferten Akten bilden einen rodex. der aus tabulae besteht, also ganz
der eigentlichen Bedeutung entsprechend nichts ist als ein zu Brettchen
zerschnittenes Holzslück" °). Die Bezeichnung ansatus kommt wohl da-
her, wie ebenfalls schon Mommsen gesehen hat"), dass , grössere Bündeln
solcher Tafeln mit einem Griff [aiisa] zum Aufheben oder Anhängen ver-
sehen wurden"'). Auch an das Gesetz der „zwölf Tafeln" sei erinnert.
Diese waren allerdings nach unserer Tradition (vgl. Liv. 111 57, 10) in
Erz eingegraben. Aber Reproduktionen waren sicher in Holzcodices ge-
fertigt und Bezeichnungen wie lihelJus XII tabularum^) sind Reminis-
zenzen daran. Zitate daraus wie in secunda tabula secunda ler/c erinnern
durchaus an die eben angeführte Art aus dem codex ansatus zu zitieren,
indem die einzelnen lefjes den capita entsprechen '^). Wilhelm '") verdanke
ich den Hinweis auf Josephus, ^«/. Jud. XIV 219. wo nach der Verbesserung
von P. Viereck") zu lesen ist: ööyfia avyy./Jjiov ix tov ra^iieiov ümtye-
ygafifiEvor ex twv deZrcöv tmv dijfioaixov rwv tafiiEVTtxtüv KotvTOi 'Pov-
Tillo) KotvTio KoQvtjPJio Tttfiiaig xarä nöPuv, ö e Zi co ö evt e q a xi]Q(b-
1) Für diese Bedeutimg von cera vgl. z. B. Cic. Verr. II 1, 92 : in codicis ex-
treina cera )i07nen ixfimiim , auch Hyginus in Eöm. FeJdmesser I S. 200 und dazu
Mommsen a. a. 0. 34U Anm. 2.
2) Auf die Kontroverse, ob hier mederum die ciwimentarü cousnlum gemeint
seien oder die commentarii Siilhie (Bases und Dittenberger), gehe ich nicht ein. Wenn
die erstere Auffassung richtig ist, wozu ich neige, dann ist die Notwendigkeit dt'/to;
jedesmal mit Buch oder Band zu übersetzen noch eklatanter.
3) CIL X 78-52, Dessau 11 1 .5947, Bruns-Gradenwitz, Fontes V 71a (S. 24U ff.).
4) Anders von Premerstein a. a. 0. S. 749 f.
5) A. a. 0. .S. 840. — 6) S. 340 f.
7) Wie Mommsen an derselben Stelle (S. 341) bemerkt, hat ihn Hühner auf die
Darstellungen solcher Codices ansati in der Notitia dignitattim unter den Emblemen
der beiden tiuigisiri scriiiiorum {Or. c. 19. Occ. c. 17 Seeck) hingewiesen. Dziatzko
macht {E.E. III 947) mit Recht auch auf die Verbrennung der Schuldbücher, die auf
den bekannten Marmorschranken des Forums dai-gestellt sind, aufmerksam. Hier
werden zusammengeschnürte Holztafeln (allerdings ohne aiisac) in den Händen und
auf den Schultern herangetragen.
8) Cicero, de orat. I 195.
9) Mommsen a. a. 0. 341 Anm. 2. — 10) A. a. 0. S. 245.
11) Sermo graeciis S. 101.
Dir lilfcsfc Form <li r l'initifihiildininli )i. 253
iiau jtqi'oio). \\ ir dürfen sonach iinnelinien, dass alle liehördcn iln-e
Akten in derartigen Codices aus Holztafeln (tiihidue ptihlicac) in ihren Ar-
chiven aufbewahrten*) und die Bezeichnunu; des von Q. Lutatius Catulus
erbauten Staatsarchivs als talnilariuiii wird von liier aus erst ganz ver-
stilndlicii.
Nach alledem dtlrfen wir es wohl ruhig aussprechen, dass wir, auch
wenn es uns an direkten Zeugnissen fehlte, die Existenz eines solchen
Codex für die Regia aus dem Parallelmaterial erschliessen müssten. Denn
Wilhelm hat Belege für den Satz beigebracht, dass das Aufschreiben auf
ein ^evxio/ia nicht nur der Veröffentlichung, die oft nur auf eine bestimmte
Zeit erfolgte, sondern gleichzeitig auch der dauernden Aufstellung und
Aufbewahrung in einem Archiv, gewöhnlich einem Heiligtum, diente-).
Durch diese Beobachtung werden wir noch einmal auf die Cicerostelle
(de onif. n 52) geführt und die ParaUelstelle bei Servius zu Aen. I 373,
die beide auch Wilhelm (S. 289), allerdings nur kurz wie alles Lateinische,
herangezogen hat. Es ist bereits von anderer Seite beobachtet wordeü ^).
dass die Angaben der beiden Autoren nicht in allem übereinstimmen. Ci-
ceros Ausführungen erwecken den Anschein, als ob der Oberpontifex die
Ereignisse zunächst für sich aufzeichnete und dann nach Ablauf des .Tahres
die Tafel als Ganzes zur Kenntnis brachte, während Servius den Akt der
pontitikalen Aufzeichnung an der öffentlich ausgestellten Einzeltafel und
zwar, wie er sich ausdrückt, ^jer s'mgulos dies beschreibt. Wenn man dazu
noch nimmt, was bereits oben (S. 248) vennerkt wurde, dass Cicero auch
1) Man vgl. die Zusammenstellung aller uns bekannten Amtstagebücher (oder
Registerbücher. so H. Bresslau, Urkuiidenkhie I S. 911 bei A. von Premerstein a. a. 0.
S. 731 ff., der gelegentlich der rommentarii ceusorii (S. 733) auf die parallele Bezeich-
nung tahulae censoriue bei Varro de l. l. VI 8f) f. hinweist. — Interessant ist auch
Asconius p. 29 E.-Sch.. wo berichtet wird, dass das Volk den Leichnam des Clodius
in die Curie brachte cremavitqiie subKelliix et tribunalibun et mensis et codicihiis
l i h r a rio r u m. Hier kann es sich auch nur um Holzcodices, die Senatsakten enthal-
tend, handeln.
•2) A. a. 0. 2-19 ti'.
3) H. Peter. Hell. 1 p. X : vgl. auch W. Soltau, der an der Erfassung der wahren
Sachlage nahe vorübergegangen ist. wenn er schreibt {Fhilol. hh S. 269) : .Da spricht
nun aber manches dafür, dass der Oberpontifex schon früh neben der Tafel, welche
in kleineren Zwischenräumen dem Volke allerlei Bemerkenswertes bekannt machte,
a u c h eine zusammenfassende J a h r e s ü b e r s i c h t verfasst habe. Ich
will hierfür weniger auf Cicero de urat. II -52 hinweisen, der offenbar bei der Er-
wähnung der res onines singuloriim annorum ab initio rerum Bomananim an ein seit
alters geführtes .Jahrbuch denkt, welches er noch dazu innerhalb der Regia ((■(
proponehat tabulam domi) ausgestellt sein lässt'. Die Beobachtungen, die an dem
Cicerotext gemacht werden, sind durchaus richtig, aber die Konsequenz daraus wird
nicht gezogen: vielmehr wird die Stelle aus dem Mittelpunkt der Beweisführung
hinausgeschoben. Gegen Soltau wendet sich L. Wülker, Die gesch. Entwkkl. des
Prodiyienwesens b. d. Eötnerii, Leipz. Diss. 1903, S. -54 fl". Er bewegt sich hier in aus-
getretenen Bahnen; vgl. aber seine Bemerkung über die Cicerostelle auf S. -"iS.
254 Ernst Korncniatin.
noch als Ausgangspunkt der Aufzeichnungen ilie Angabe (di niitin rcnun Ilo-
))ia)iartun hat, so ergibt sich als die einfachste Lösung die Feststellung,
dass die beiden Autoren etwas Verschiedenes beschreiben: Servius die
Herstellung der tnhida aiuialis, um dann am Schluss seiner Ausführungen
gleich von den 80 Büchern der annalcs maximi zu sprechen, während
Cicero, wie er im Anfang seiner Notiz selber sagt, die annaliitm confecfio
im Auge hat, also die vor der Buchausgabe des Mucius
Scaevola liegende Annalenredaktion in Holztafel-
form a u s f ü h r 1 i c h e r d a r 1 e g t. und nun verstehen wir erst voll-
kommen die Worte: efferehafquc^) zu (ilhum ei proiHDirJud lahiilatti donii.
potestas nt esset popido cognnscendi. Das aVmm (= Äevxcofia) ist die Ein-
zeltafel, also die taltula dealbata des Servius, dagegen tcdnda, wie bei Cato
und Piso-Dionys (ö jiivaz), der Codex'-), und von ihm heisst es auch
\nev proponehat domi. worin der Jiaqa. rolg ägxiiQfi'oi y.eifievog ni-
vaK aufs allerdeutlichste wieder zu Tage ti-itt. Die Annalen der Ponti-
fices auf Holztafeln, die zu einem Codex vereinigt waren, befanden sich
im Inneren der Regia {domi), aber an einer Stelle, dass sie dem Volke oder,
wie ich oben sagte, der Aussenwelt zugänglich waren (daher proponelmt) ').
Und nun zurück zu Leuze und Enmann. Leuzes Untersuchungen
kommen zu dem Resultat''), dass die römische Eponymenliste in ihrer To-
talität von den Pontitices stammt, also vorfabisch ist"), dass aber die Ver-
wendung zur Jahrzähluug von den Annalisten, allen voran von Fabius.
ausgeht. Enmau verlegt schon die älteste Redaktion nicht nur der Fasten,
sondern auch der Annalen mit gleichzeitiger Verlängerung nach oben bis
zur Gründung der Stadt in die Zeit des 3. Jahrhunderts, also auch vor
Fabius Pictor. Wenn Enmann recht hat, muss ein Teil der Leuzeschen
1) So die handschriftl. Ueberlieferung, Lambinus schrieb dafür refeiehat.
2) Tahiilfi apiid potitifices maximos oder ajiud poniificem maxhnum ist darnach die
offizielle Bezeichnung für das Holztafelwerk in der Regia gewesen ; tabula {o nifuS)
ist also = Codex. Buch gebraucht, vgl. zu diesem (iebrauch des griechischen Wortes
Wilhelm a. a. 0. 2öZ oben. Umgekehrt wie an unserer Cicerostelle dagegen ist der
Sprachgebrauch in der späteren Zeit, vgl. das von Wilcken [Archiv für Pap.-Forsch. IV
2-52 f. und 267) besprochene albiim professionum liberorum tiatoriim des alexandriui-
schen Archivs, das aus einzelnen tabiilae besteht. Nach Wileken (a. a. 0. 253) ist
das Präskript einer erhaltenen Abschrift folgendermaßen zu ergänzen : descriptum
et recotjnitum factum e.r tabula albi professionum liberorum natoruni etc.: ebenso Wil-
helm a. a. 0. 249.
3) Beispiele aus dem griechischen Kulturgebiet für solche Aufstellung von Ur-
kunden oder Aufzeichnungen im Innern von Archiven, öffentlichen Gebäuden oder
Heiligtümern, die als Archive dienten, mit gleichzeitiger zeitweiliger oder dauernder
fxSfat: oder n^öSeatg zum Zwecke axontXv xii> ßovloutvm gibt Wilhelm a. a. 0. S. 249 tf. :
durch Einsichtnahme in das dortige Material wird meine Darlegung oben im Text
wohl über allen Zweifel erhoben.
4) A. a. O. 27.5 ff.
5) Vgl. S. 1-57 Anra. 19:^: .Der nlvaS ist das reine Beamtenverzeiehnis. wie es
Fabius benutzte".
10
Dir nllrstc Fnni> ,lrr l'i.iiliftkiiliiinHiln,. 255
Kesultute, (l;iss iiiiiiilicli ilir I'untiticcs die Magistratslistc iiucli nicht zur
.laliiTs/ählmig verwendet liiitten. fallen. Denn zu welch' anderem Zwecke
sollten die Priester die vorhandene (historische) Eponynienliste nach ohen
verlännert haben, als um das hiifium rcrnin Bomannnnn, von dem Cicero
spricht, zu tinden. Allerdings war diese Verwendung der Liste zum Zwecke
der Jahrzählung bei den Pontifices eine sehr rohe, wie die Stolle, von der
wir ausgingen (Dionys I 74), beweist.
Hiclitiger erscheint mir ein anderes l{esultat Lenzes. Er behandelt
gelegentlich ') die Stelle bei Dionys XI ß2, 3. wo sich der Antiquar auf die
leQoi T£ y.al dnöd-eroi ßißÄoi beruft und identifiziert dieselben mit der an
der Parallelstelle, Livius IV 7, 12, genannten Uhr/ lintei ad Monetae oder,
wie sie bei Liv. IV 20, 8 genauer heissen : lihri lintei in aede Monetae
rcpositi-). In ihnen sieht er eine Abschrift der offiziellen, von den Ponti-
fices geführten Eponymenverzeichnisse. die leicht aus der tahn/n pontificmn
durch Weglassung der chronikalischen Aufzeichnungen gewonnen werden
konnte. Sie waren auf Leinwandrollen geschrieben und wurden im Tempel
der Inno Moneta ■') auf der Ars aufbewahrt, wo sie nach der Liviusstelle
noch Licinius Macer eingesehen hat. Auch hier kommen wir zum vollen
Verständnis erst, wenn wir wieder Wilhelms Zusammenstellung heran-
ziehen, der Beispiele solcher Abschriften für andere Heiligtümer einer
Stadt aus Griechenland gesammelt hat^). Dadurch gewinnt diese Ansicht
an Wahrscheinlichkeit, und wir dürfen sagen: wie die Chronik der Ponti-
fices den avmdes prisci. so gehen die l/hri liittri den lihri nuKiistriduiini
oder Fasten voran.
F'Ur die Annalen der Priester haben wir, was man nicht genügend
beachtet hat. einen direkten Beweis dafür in Händen, dass sie in der ersten
Fassung vor die Privatannalistik gehören. An dem locus dassicus über die
römischen Annalisten (Cic, dclei/. I 6) heisst es: nam post annalix pordi-
ficmn maximoritm. qnihns nihil pxitest esse iciunins (Hss. incmidius), si nut
ad Fahium ant ad cnm, ipii tibi scniper in orc est, Catonem aut ad Pi-
simcm . . . rviiias etc. Wie post deutlich zeigt, handelt es sich auch hier
nicht um die anindes nia.riini des Mucius Scaevola, sondern um die tabula
apud pontifices maximos, die nicht nur zeitlich sondern auch inbezug auf
ihre exilitas dem Fabius und Genossen vorangeht "). Wie wenig die
1) S. 190; vgl. auch S. 269 f. u. 276 f.
2) Sie werden ausserdem bei Livius IV 13, 7 und '2'i, 2 erwähnt.
3) Ueber luno Moneta vgl. E. Assmann KKa VI S. 477 tt'. und V. Costanzi. clKla.
Vir 33.5 tt'.
4) A. a. 0. 2.")I.
•j) Man lese auch noch einmal Cicero de iiriit. 11 52 und .")3, wo es nach den
oben (S. 254) ausgeschriebenen Worten heisst : hanc simititudinem seribeiidi m ul t i
secuti sunt, gut sine ullis ornamentis monitmeiita solum temporum, hominum, lo-
(■(iruni gestarumqiie rerum reliqueriint. Gemeint sind mit den nnüti: Cato, Fabius
1' i c t o r und P i s o . die sowohl vorher (.51) wie nachher (.53) genannt werden. .\h-
II
256 Ertid KiiniciiKiini.
ersten Annalisten über die dürftigen Priesteraufzeichnungen sich erlioben
haben, das sagt uns ausser Cicero auch schon Polybios (V 33): ötöri tüv
xad^ flliÜQ Tiveg ygafävTiov loTOQiav i v t q i ai v Tj r et r aq a t v i^ ij-
yijndfiepoi as Ä i a iv fjfilv röv 'Pcofialov xal KaQx^]öovl(ov nö/^eftov
(paal TU y.ad'öXov yQdq)Etv '), und Catos Worte in fr. 77 : non luhet scri-
here, qitod in fnbuJa npud pontificcin maximum est, sind nur als Hieb gegen
diejenigen, die sich, wie seine Vorgänger, mit dem Abschreiben der Ponti-
fikalchronik begnügt hatten, erst wirklich Terständlich, ebenso die bekannten
Sätze aus dem Prooemium der Historien des Sempronius Asellio über die
Annalenschreiberei (fr. 1 und 2 P.), die wohl unter dem Einfluss des Po-
lybios konzipiert sind. Alles was im römischen Lager vor Cato und Po-
lybios auf historiographischem imd chronographischem Gebiete produziert
worden ist, hängt von den annales pont/ficuni ali. die auf dem Holztafel-
codex im Innern der Regia standen.
Dass die erste Redaktion desselben, bei der die grosse Konstruktion
einer Geschichte Roms von der Gründung der Stadt ab in ihrem Gerüste
bereits geschaffen wurde, etwa in die Zeit des ersten punischen Krieges
gehört, hat meines Erachtens Enmann schon sehr wahrscheinlich gemacht
und wird in der allgemeineren Form eines Ansatzes vor Fabius durch
gesehen davon, d:iss Cicero dazwischen hinein (■")2 am Ende) die nnnales maximi
nennt, weshalb man seine Ausführungen fälschlich auf die Redaktion de.s Mucius
Scaevola bezogen hat, stimmen die beiden Stellen in de orat. und ih letj. vorzüglich
miteinander überein.
1) Wilhelm a. a. 0. 287 bezieht diese Stelle und die gleich folgende: n'/.).' svioi
zü)v nQayfiaxfvofiiviov ovS" iip' vaov ol x h xax a x a t q ov g ir T«ie/po»'oj'p«-
<p l ai c V n o /j. r }j fi a z i^ o }i e V 0 i 7to>. Ltixioq i i q x ov g x o i / o v g, ovä' sni xo-
aoi'xo ßinja^fvifg naaag tfctol zeig xaru ziiV ' E/.kaSa xai ßäpßapoi' 7if(>tsi/.>jtptvui ngä^ftg,
auf Chroniken, ,anuales' einer Behörde, und da könnten für Rom nur die Pontifiees
in Betracht kommen. Er hat übersehen, dass die beiden Bemerkungen gar nicht auf
dieselben Aufzeichnungen bezogen werden dürfen. An der ersten Stelle, wo es sich
um die Darstellung des hannibalischen Krieges handelt, geisselt Polybios die römi-
schen Annalisten, vielleicht einschliesslich der Pontifikalannalen, die auf drei bis
vier Seiten den Krieg beschreiben: an der zweiten wendet er sich gegen diejenigen
Geschichtsschreiber, die den Mund noch voller nehmen und die Geschichte Griechen-
landes und der Barbaren darzustellen behaupten, dabei aber noch nicht einmal so-
viel geben, wie die Verfasser von Chroniken (Jahrbüchern), die in gi-össter Kürze (tto-
/.izixüK. darüber vgl. die Ausführungen von Wilhelm: .mit der schlichten Sachlich-
keit und Knappheit amtlichen Stils") die jeweiligen Ereignisse auf den hierzu be-
stimmten .Wänden' der Amtsgebäude eintragen. Hier spielt der Grieche auf den
griechischen Brauch an, und sein Interpret (Wilhelm a. a. 0.) gibt mit Recht Bei-
spiele aus dem griechischen Kulturgebiet für solche amtliche Chronographien, wie
z. B. die Chronik des Asklepiosheiligtums zu Athen, IG II 1649. ,die nach der Nen-
nung des eponynien Archons die jeweiligen Ereignisse in einem durch fn] tovinv
eingeleiteten Satze verzeichnet", oder die von R. Herzog entdeckte Liste der Priester
des Apollon von Halasarna (SiU.-Ber. Berl. xik. 1901 S. 484), die ebenso angelegt
ist. und anderes mehr. Sachlich gehört auch die tabula aimnlix der Pontifiees
hierher, aber ich glaube nicht, dass der Historiker sie hier im Auge hat.
12
Dil' äHrsI,' Form der l'nulifL(tl„„unh„. 257
rlie vorstehenden Austiiliruiigi-n. luiHc icli, ;ils Ix« lesen hetraclitet werden
dürfen. „Das dritte J.ihrluindert v. Chr. ist die geschiclitshildende Epoche
i'ür Rom gewesen" '). Im St-liosse des l'ontifikalkolle.ifiunis ist damals sclion
lionis Früho-eschichte nnter uriechisehem Einfluss entstanden-). Dass die
so gescliaftene Psendogeschichte dann so schnell zum Dogma für die Alten
geworden ist. erklärt sich wohl mit daraus, dass die .,li eiligen Tafeln"
(leQCci SfÄ-ioi) der Pontifices es gewesen waren, die zum ersten Male im
Znsammenhang die Erzählung (ili iii/t/n nrinu ItonKinnrum, d. h. Korns ..hi-
hlisehe Geschichte" gegeben hatten. Die moderne Wissenschaft, die Wahr-
heit und Dichtung in der Frühgeschichte zu scheiden sich bemüht, steht
daher bei Israel und IJom nicht umsonst vor so ähnlichen Problemen.
Tübingen.
1) So richtig W. Soltau, Klio X S. 131.
2) Es muss hervorgehoben werden und ist auch schon von Ennumn (ii. a. 0. S. .522 f.)
geschehen, dass wir damit zur Grundauft'assung von Mommsen zurückkehren, die der
Meister schon in der Hiim. Grxch. (l" 4G.5 f.) bezüglich der Entstehung der Königsge-
sehichte geäussert hatte: .Eine gewisse Zusammenknüpfung dieser verschiedenen
Märchen, die Feststellung der Reihe der sieben Könige, die ohne Zweifel auf der
Geschlechterreohnung ruhende Ansetzung ihrer Regierungszeit insgesamt auf 240
Jahre und selbst der Anfang offizieller Aufzeichnung dieser
.An Setzungen hat wahrscheinlich schon in dieser Epoche statt-
gefunden: die Grundzüge der Erzählung und namentlich deren Quasichronologie
treten in der späteren Tradition mit so unwandelbarer Festigkeit auf, dass schon
darum ihre Fixierung nicht in, sondern vor die literarische EpocheRoms
gesetzt werden muss." Denn, so heisst es ein paar Zeilen weiter, „es liegt in der
Natur der Chronik, dass sie zu der Geschichte die Vorgeschichte fügt und wenn
nicht bis auf die Entstehung von Himmel und Erde, doch wenigstens bis auf die
Kntstehung der Gemeinde zurückgeführt zu werden verlangt : und es ist auch aus-
drücklich bezeugt, dass die Tafel d e r P o n t i f i c e s d a s G r ü n d n n g s-
jahrRoms angab. Danach darf angenommen werden, dass das 1' o n t i-
f i k a 1 k 0 1 1 e g i u m. als es in der ersten Hälfte des fünften .T a h r b u n-
d e r t s anstatt der bisherigen spärlichen und in der Regel wohl auf die Beamteu-
namen sich beschränkenden Aufzeichnungen zu der Anlegung einer förmlichen
.lahrehronik f ortschritt, auch die zu Anfang geplante Geschichte der
Könige R o m s u n d i h r e s Sturzes hinzufügte und, indem es auf den
Einweihungstag des kapitolinischen Tempels, den 13. Sept. 24.5 zugleich die Stif-
tung der Republik setzte, einen freilich nur scheinhaften Zusammenhang zwischen
der zeitlosen und der annalistischen Erzählung herstellte'. Vgl. auch Ed. Meyer,
Apoplwretmi S. 1-58: , Damals (zur Zeit des grossen Samnitenkriegs) hat man dann
auch offenbar die Stadtchronik nach oben ergänzt und die wichtigsten Begebenheiten
aus der Tradition in die Liste der Jahrbeamten eingetragen''. An dieser Darstellung
i,st nur der zeitliche Ansatz falsch. Nicht am Ende des 4., sondern erst im 3. Jahr-
hundert, wahrscheinlich in der ersten Hälfte desselben, ist ,die Tafel der PontiKees".
d. h. der Codex in der Regia mit der Geschichte und .Vorgeschichte' Roms cnf-
standen. Den Beweis für diese Behauptung hoft'e icli später zu erbringen.
13
258
Mitteilungen und Nachrichten.
Die vorjährigen deutschen Ausgrabungen in Aegypten.
Von Ludwig Borcliardt.
Wühreiid der letzten Grabniigsperiode wiirdi' von deutscher Seite an vier Stellen
in Aesypten gegraben, nämlich:
In Dime von dem preussischen rapynisunternehnien.
, Medinet Madi . , ,
l)ei Gise von der Sieglin-Expedition nnd
- Abusir , . ,
Das p r e u s s i s c h e P a p y r u s 11 n t e r n e h ni e ii hatte die letzte Arbeitsperiode
mit einer kurzen Versuolisgrabung in Dime geschlossen, um in diesem Jahre dort
die Arbeiten gründlicher zu beginnen. Der Teil der Ruinenstiitte. auf den in erster
Linie Hoffnung gesetzt war. brachte aber eine gründliche Enttäuschung, da die lang-
gestreckten Hügel, welche im Osten und Westen das von früheren Raubgrabungen
freigelegte Häusergebiet seiner ganzen Ausdehnung nach begleiten, und unter denen
gleichfalls Häuser vermutet wurden, sich als einfache Sandanhäufungen erwiesen.
Nur oben befanden sieh in ihnen wenig starke Schichten von Abfall aus den Häu-
sern und auch diese führten nur in geringem Maße Papyrus. Einige Stellen dieser
oberen Schichten brachten aber immerhin noch eine nennenswerte Ausbeute an Pa-
})yrns. vor allen das Südende des östlichen Hügelzuges, wo schon bei der Versuch.s-
grabung das Vorhandensein eines grösseren Müllluiufens mit Pajjyrus festgestellt
worden war. Unter den gefundenen PapjTus wareu nur wenige vollständige Stücke,
meist waren es nur Fragmente und diese, hier wie an den später noch zu erwähnen-
den Fundstellen, immer vereinzelt : zusammengehörige Fragmente wurden so gut wie
nie hier gefunden. Auffallen musste ausserdem die Tatsache, dass die aus älterer
Zeit stammenden Fragmente in den meisten Fällen in den oberen Schichten gefunden
wurden, während die jüngeren tiefer lagen. Das gibt zu der Vei-mutung Veranlas-
sung, dass jene langgezogenen Schuttanhänfungen ausserhalb der durch Raubgra-
binigen geräumten Häuser in ihren oberen Teilen aus dem von den Raubgräbern
ausgeworfenen Schutt bestanden. Sicher wird die Vermutung allerdings erst werden,
wenn von den neu gefundenen Fragmenten sich einige als an alte Museumsbestände
anpassend erweisen .sollten. An der Oberfläche wurde nichts davon bemerkt, dass
die fraglichen Schutthügel neueren Datums seien. Es ist dies erklärlich, wenn man
bedenkt, dass jene Raubgrabungen zum grossen Teil schon 2.5 Jahre zurückliegen.
Auch die Voraussetzung, dass unter diesen SchutthOgeln Hausruinen liegen sollten,
ist entschuldbar, da zwei der bei der Versuchsgrabung ausgegrabenen Häuser nnd
verschiedene früher geplünderte in dem Abhänge des östlichen der beiden HOgel-
züge lagen.
Merkwürdig ist das verhältnismässig häufige Auftreten literarischer Stücke unter
den Funden. Dabei sind zu nennen : Ein Fragment eines vorläufig nicht näher zu
M/f/r,hni;liii iiiiil Xiirlnirhlni. 259
bostimniüii guwcsuiR'ii Uedichts, liu weiteres einer philusophiticheii Aliliiindlung uinl
eines von bislier unbekannten „heidnischen Miirtyrenikten-. Unter den niehtliteiiiri-
sehen Stücken sind niehieie voUstiindif; erhaltene Gebete an Soknopaios beachtens-
wert. Von all diesen Funden war keiner aus nachhadrianischer Zeit, eine Anzahl
<latierter Urkunden f^ehörte dem ersten Jahrhundert n. Chr. an. Diese lagen in einer
.Msoh-Schieht, die dicht unter der seherbenbedeckten Oberfläche begann und etwa
2 ni stark war; darunter begann fast reiner Sand. An einer Stelle wurden unter
der Al'sch-Schicht im Sande spätptolemäische Ostraka gefunden.
.\nalog waren die Fundumstände in dem westlichen Hügelzuge neben der 'l'enipel-
innfassung, nur dass dort das meiste aus noch früherer Zeit stammte, aus dem An-
fange des ersten Jahrhunderts n. Chr., aus ptolemäiseher Zeit, und der Hauptfund,
eine Anzahl demotischer Ostraka, zu denen sich auch einige griechische gesellten,
aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. Was bisher aus Dirne an Papyrus bekannt gewor-
den ist. gehört der Kaiserzeit an. und zwar meist dem '1. und ■?. Jahrhundert.
Wie bei den beiden genannten Zügen von Schuttdüuen so hatte man noch melir
bei dem ansteigenden Terrain zwischen ihnen und den bereits durch die Kaubgra-
bungen freigelegten Häusern venuuten müssen, dass sich darin weitere Hausruineu
befänden, wenn auch nicht in ununterbrochenem Nebeneinandei-, so doch wenigstens
stellenweise. Einzelne waren auch schon hier und da auf diesem Streifen ausge-
graben. Längs des östlichen Zuges kamen indessen nur sehr wenige zum Vorschein,
bei dem westlichen Zuge aber, wo zwischen der Tempelumfassung und der Schutt-
düne nur wenig Kaum ist, lagen sie gedrängter. Es waren aber durchgängig nur
sehr ännlicbe Häuser, die sichtlich lange vor ihrem Einstürze verlassen, also von
allem Hausrate etc. entblösst waren.
Der weite Raum innerhalb der Tenipelumfassung war zuui grössten Teile mit
dichtgedrängten Häusern besetzt, vermutlich Wohnungen von Priestern oder andern
Tempelbediensteten. In diesen Häusern wurden vor langen Jahren die dann später
nach Europa gekommenen Funde aus Dirne gemacht, namentlich in einem Häuser-
komplex an der Westseite der Umfassungsmauer, in der Südwestecke. Nun war in
der Nordostecke ein Stück der Umfassungsmauer eingestürzt und lag noch auf den
dort stehenden Hausruinen. Man hätte also mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit
auch in diesen Häusern noch Funde vermuten dürfen. Eine Nachgrabung ei'gab nur
ganz ärmliche Hausruinen ohne Inhalt.
Als Baumaterial für diese Häuser hat nicht Nilschhunni. der in dieser CTCgeud
schwer zu haben ist. sondern die weisslich graue tonige Erde, die ganz in der Nähe
in der Wüste vorkommt, gedient. Sie wurde zur Ziegelfabrikation mit Häcksel reich-
lich untermischt. Die Anlage der Hänser ist der der Häuser aus Darb Gerze sehr
ähnlich: enge Räume und Korridore, steile, unbecpieme Treppen, die sich um mas-
sive Mauerklötze herumlegen, in den Wänden häufig Nischen mit Holzstücken oder
Zweigen abgedeckt, usw. Nur waren in Dime die Räume der oberen Stockwerke
häufig besser erhalten, als in Darb Gerze. Die unteren Stockwerke sind fast immer
ohne direkte Lichtzufuhr von aussen, nur in einem Falle wurde ein hoch oben an-
geljrachtes. xuit vertikalen Holzstäben in einem Rahmen vergittertes Fenster vorge-
funden. Zugänglich waren diese Keller durch ganz enge Einsteigötfnungen von oben
her. Tonnengewölbe waren in Dime seltener als sonst in derartigen Aulagen. Die
Decken bestanden, wie bei solchen Häusern auch heute noch, aus unbearbeiteten
Baumstämmen, auf denen Rohr oder Stroh lag. Darüber kam ilann Ziegelfussboden
oder gestampfter Estrich aus Tonerde.
Nach einmonatiger Arbeit wurde die (irabung in Dime, die durcli die schwierige
Wasserversorgung und durch das renitente Betragen der am See wohnenden Fischer-
bevölkerung, von der man für viele Dinge abhängig war, selir unangenehm und kost-
spielig wurde, abgebrochen. Das Lager wui-de nach der anderen Ecke des Faijuni.
17*
2
260 MittcihiiKnn und yadirirhlcu.
nach M c (1 i II e t M a il i im Karakbassin. verlegt, liier liatton ilio Hrrifu Joupuet
und Lft'ebvre schon eine Versuchsgrabuiig vor mehreren Jahren vorgenommen, die
aber keine besonderen Resultate gebraclit hatte. Das umfangreiche Kuinenfeld machte
aber den Eindruck als ob es bei griindUchei-er Uutersuchung doch noch Ergebnisse
bringen würde. Das zu bearbeitende Gebiet steigt ziemlich steil vom Fruchtlande
gegen die Wüste zu an und hat eine beträchtliche Ausdehnung in südnördlichcr
Kicbtung. Es endet in mehreren hohen Schutthügelu. Auch innerhalb des Gebiets
fallen einige hohe Hügel auf. deren Kerne aber vielleicht natürliche Erhebungen
sind. Wegen der verhältnismässig grossen Entfernung vom nächsten Dorfe sind bis
jetzt Sebbaehgrabungen nur in geringem Umfange hier vorgekommen, und auch da.
wo sie nachweisbar sind, nicht sehr in die Tiefe gegangen. In dem niedrigen Teil,
den die französischen Gelehrten bereits bei ihrer Versuchsgrabuug in Angriff ge-
nommen hatten, wurden nur sehr ärmliche Häuser aus spätester Zeit freigelegt ; die
dort gefundenen wenigen Ostraka wiesen auf das sechste und siebente nachchrist-
liche Jahrhundert. In ältere Perioden kam die Grabung bei den innerhalb des Ge-
bietes liegenden höheren Schutthügeln, von denen oben die Rede war; die dort leider
nur in Fragmenten gefundenen Papvri gehörten alle dem zweiten bis vierten Jahr-
hundert an.
In einer langgestreckten Einsenkung zwischen den Hügeln wurde eine grössere
Tempelanlage aufgedeckt. Zuerst ein Pylon mit Turmbauten aus lufttrockenen Zie-
geln und einem Tore ans weissem Kalkstein. Die westliche Wand des Tordurch-
gangs nimmt ein Kolossalrelief der den Horus säugenden Isis ein. vor der der König
opfert. Die Göttin ist etwa bis zur Körpermitte vorhanden, vom Horus und vom
Könige sind nur noch die Füsse zu sehen. Das Relief ist nicht ganz vollendet ge-
wesen. Die gegenüberliegende Wand, gegen die das Tor schlug, ist glatt. Die Ar-
beit des Reliefs scheint noch ptolemäisch zu sein. Das Kleid der Isis zeigt den
allerdings auch früher und später nachweisbaren Schmuck, der einen die Figur
schützend umgebenden Geier darstellen soll. Eine Aufschrift in griechischen Buch-
staben auf den Knien der Isis dürfte nach den Zeichenformeu aber aus dem ersten
Jahrhundert n. Chr. stammen, gibt also ein Datum, vor dem der Tempel, oder we-
nigstens das Relief gemacht worden sein wird. In dem östlichen Turm — nur dieser
wurde untersucht — sind noch die unteren Teile der Treppe und einiges vou den
Räumen des ersten Stocks erhalten. Im Turm lagen Afsch-Schichten. auch daneben
wurden solche gefunden, die Papyrusfragmente des zweiten Jahrhunderts enthielten.
Etwa Ih m südwärts, in der Achse des Pylons lag ein weitei'er Tempelteil, eine
Halle mit Säulen und Schranken dazwischen. Die Säulen sind Papyrussäulen und
ebenso wie die Schranken heute noch etwa i.h m hoch. Der Grundriss der Anlage
entspricht dem der sogenannten Kioske auf Philae. Die Säulen treten nach innen
mit der Hälfte ihrer Dicke — sie haben 1 m im Durchmesser — über die Linie
der Schranken hervor, nach aussen liegen sie in der Flucht der Schranken, also
im ganzen die tyjjisehe Anlage solcher später Hallen. Reliefs tragen weder Säulen
noch Schranken, das Ganze scheint unfertig zu sein, wie auch verschiedene Teile
am Tor, die noch in Bossen stehen, anzeigen.
Leider konnte die anscheinend sehr stattliche Tempelanlage nicht bis zu Ende
untersucht werden, da die Arbeit abgebrochen werden musste. Bei den Arbeitern
hatte sich bereits in Dirne infolge der schwierigen Wasserversorgung Krankheit ein-
gestellt, die in Siedinet Jladi zunahm. Es kam sogar bedauerlicherweise ein Todes-
fall eines Jungen vor. der allerdings nicht dadurch veranlasst war, aber doch dazu
beitrug, die Arbeiter ängstlich und unlustig zur Fortsetzung der Grabung zu machen.
Es musste daher früher als beabsichtigt geschlossen werden.
Die Grabung in Dime liatte am 13. Dezember 1909 begonnen und bis zum 12.
Januar 1910 gedauert. In Medinet Madi wurde vom l(i. Januar bis zum 5. Februar
Mittrihiuiim inid Xnrliriihlr». 261
lllln -(Mil.cKct. Dir (inilinii,L;slci(uiii;- lial Ir llfir Hr. Ziirkcr, dm Ilcir Dr. S <■ li u-
I) u 1- 1 . voll si'iiK'i- l-'rau bu^leitt-t. uutor.stiUztf.
Dies war die letzte (irabuns des preussisclien Papyiu-suiiteiiieliiuens. das seit
lUUl/2 in .jedem .lalire Gnibiingen uiitenioiimien bat. Von jetzt ab werden nur noch
in besonders angezeigten Fällen von die.sem L'nternehmen (irabungen vei-anstaltef
werden. Ks wird sieh jetzt hauptsiichlieh auf die käufliche Krwerbung von grieolii-
seheii l'apvris im Kahmen des deutsehen Papyrus-Kartells beschränken.
Die S i e g 1 i n- E X p e d i t i 0 u hatte im Vorjahre den Totentempel des Chat'-re
vor seiner Pyramide bei G i s e zum grössten Teile freigelegt, (n diesem Jahre sollte
diese Arbeit beendet, und auch noch einige daran anschliessende Fragen niitgelöst
werden. Des weiteren sollte eine kleinere Orabung, die auch Museuuiästücke in Aus-
sieht stellen konnte, durchgeführt werden. Danach war die .\bsieht, den Toteu-
tempel Amenemhets III, das sogenannte Labyrinth am Kingange des Faijum, zu un-
tersuchen, natürlich nur in einem beschränktem Teile, die völlige Durchführung der
Untersuchung sollte späteren Kampagnen derselben Expedition vorbehalten bleiben.
Die Fülle des Materials liess es aber nicht bis zu der zuletzt genannten Aufgabe
kommen, die beiden zuerst erwähnten waren bereits übergenug für eine Arbeits-
periodo. Allein schon die Arbeit am Torbau des Chaf-re war ungeheuer gross. Es
wurde dort nicht nur das ganze Innere wieder gereinigt, das unter meterhohem Sande
lag, von dem es vielleicht nie befreit worden ist, — wenigstens findet sich in den
Aufnahmen nichts von den interessanten Tatsachen, die dabei zutage traten — son-
dern es wurde auch die ganze Ostfassade freigelegt d. h. ein etwa 14 m hoher Berg
von Sand, Schutt und Gebäuderesten wurde auf eine Breite von rd. 2") m und auf
eine Länge von rd. .")0 m fortgeschattt (rd. 17-")00 cbm).
Im Innern des Torbaus zeigte sich als wichtigstes Ergebnis die Anordnung der
dort einst aufgestellt gewesenen Statuen. An der Hinterwand des T-förmigen Saales
(für den Grundriss vgl. die in A.-Z. 46 gegebene Skizze oder die Aufnahmen bei
Petrie und Perrot- Chipiez) zeigten sich im Alabasterfussbodeu in symmetrischer An-
ordnung 3 vertiefte Standspuren für Statuen, an den Seitenwänden desselben Raumes
in einer ^'erteilung. die auf die fünf dort stehenden Pfeiler keine Rücksicht nimmt,
wieder je sieben und an den beiden Teilen der Westwand des breiten Raumes des-
selben T-förmigen Saale.s je drei Standspuren. Es hatten also 23 grössere Statuen
allein in diesem Räume Aufstellung gefunden. Mariette hat davon 9 — 10 in mehr
oder weniger grosser Vollständigkeit aus dem Brunnen im Granittempel, wie man
den Torbau des Chaf-re bisher nannte, gezogen. Die Zahl der kleineren Statuen,
die diesen Tempel schmückte, muss. nach den ungeheuer vielen davon gefundenen
Fragmenten zu urteilen, mehr als 100 betragen haben. Es wurden übrigens in den
oben erwähnten Standspuren noch Reste gefunden, die klar auf das Material der
l'haf-re-Statuen weisen : in der einen Standspur lag sogar noch ein sehr schön ge-
arbeiteter Uräus aus Alabaster, der von der Stirn einer annähernd lebensgrossen
Königstatue abgebrochen sein muss.
Der Torbau hatte, entgegen der bisherigen Annahme, zwei Eingänge auf seiner
Ostseite, je einen in der Nord- und Südecke. Sie waren in alter Zeit, vermutlich im
neuen Reich, durch eine Ziegelmauer geschlossen, die nach der teilweisen Zerstörung
der Granitfassade davorgesetzt worden war. Die diesjährige Ausgrabung beseitigte
diese Ziegelmauer wieder vollständig, natürlich nur. nachdem sie gründlichst aufge-
nommen worden war. So sind jetzt die beiden alten Eingänge des Torbaus wieder
praktikabel, was zu dem Eindruck von Grösse, den die ganze Anhige macht, viel
beiträgt. Von jedem der Eingänge steht heute noch der unterste, immerhin über-
mannshohe Granitblock je einer Laibung, die an der Vorderseite in riesigen, in be-
stem Stile ausgeführten Hieroglyphen noch die letzten Zeichen der die Türen um-
rahmenden Inschriften tragen. Auf der Südseite liest man noch ,von der Hathor
262 Jlittc/hii/i/ni null Xdi/ir/rlilcn.
geliebt, i'wigliilr. aul' ilcr Nonlsciti' ,vuii der Bastit etc.". Die 'J'üreiiit'as.suugen sind
also wohl denen des Sahu-ie-Tenipels analog zu rekonstruieren. Die Fassade, über
die .so manche Vermutuug aufgestellt worden ist, hat sich als glatte Granitfassade
mit der zu erwartenden Böschung gezeigt. In der untern Schicht ist sie fast völlig
erhalten. Man kann aus den äusserst stattlichen Resten schliessen, welchen mäch-
tigen Eindruck dieser Torbau schon von aussen gemacht haben muss.
Vor dem Torbau dehnte sich nun eine breite kaiartige, aus dem Fels gehauene
Terrasse aus, deren oberes Pflaster fast ganz fehlt. Man kann jedoch aus den hier
bis in das Unterpfiaster durchgreifenden Zangenspuven. die von dem Versetzen der
grossen Blöcke herrühren, sowie aus anderen Indizien heute noch feststellen, dass
die Terrasse einst fünf grössere Älouumente trug, die vor der Torbaufassade sym-
metrisch angeordnet waren. In der Mitte stand frei vor der Fassade, durch die
Breite des Traufpflasters von ihr getrennt, eine Kapelle aus Stein, vermutlich Granit.
Sie hatte auf der Ostseite eine Tür, auf der Süd- und Nordseite vielleicht irgendwie
durchbrochene Wände und hinten, auf der Westseite, eine feste Wand. Vor der
vorderen Tüi- sind noch Reste der Schwelle erhalten. Der Grundriss der Kapelle
ist völlig klar rekonstruierbar. den Aufriss wird man etwa wie einen Naos der Spät-
zeit — etwa wie den von Elephantine — sich zu denken haben, nur dass die Seiten-
wände wohl nicht ganz geschlossen waren. Rechts und links neben dieser Kapelle
waren nun je 2 riesige Blöcke der Länge nach vor der Front des Torbaus aufge-
stellt. Sie hatten etwa die Tiefe der Kapelle, waren aber 2— 3 mal so laug. Jedes
Paar steht symmetrisch zur Achse eines der Eingänge. Die Blöcke hatten an den
den Eingängen zugekehrten Seiten glatte Abschlüsse, an den den Eingängen abge-
kehrten Seiten aber abgerundete. Diese Grundrissform entspricht der der Basen
liegender Sphinxe. Wir haben uns also vor jeden der Eingänge 2 riesige Königs-
löwen vorgelagert zu denken, mit den Köpfen den Eingängen zugewendet.
Diese fünf Stücke füllten den ganzen Raum vor der Fassade. Der Kai ist etwa
doppelt so breit wie die Kaiielle und die Sphinxe und war durch zwei ganz schwach
ansteigende Rampen, die auf die beiden Türen zugehen, zu ei'steigen. Diese Rampen
sind nur auf eine kurze Strecke von wenigen Metern vor dem Kai ausgegraben worden,
ihr weiterer Verlauf ist also noch unsicher. Der Raum zwischen den beiden Rampen
war mit festgestampftem Schutt ausgefüllt, der sich von dem weiter höher lie-
genden, loseren deutlich unterschied. Es wäre also möglich, dass hier einmal ein
über die Rampen, den Kai und den Zwischenraum zwischen den Rampen hinweg-
gehendes gemeinsames Pflaster bestanden hat. zu dessen Verlegung man eben diesen
Schutt eingebracht und festgestampft hätte. Diese Annahme würde also eine Planän-
derung voraussetzen. Genaues darüber zu sagen, wird schwer sein, wenn man nicht
den Raum vor dem Torbau noch weiter freilegen lässt. Es ist nämlich noch die
durch die Ausgiabungen beim Torban des Men-kew-re aufgeworfene Frage zu lösen,
ob der Torbau des Chaf-re frei oder als Hintergiund eines Hofes zu denken ist. An-
schlüsse an den beiden Ostecken des Torbaus scheinen zwar nicht bestanden zu
haben, die vor der Fassade frei stehende Kapelle aber macht es wahrscheinlich, dass
vor ihr ein verschliessbarer Hof lag.
Bemerkenswert sind noch an dieser Stelle die Reste einer anderen Kapelle, die
allerdings auf einem um ein weniges höheren Niveau liegen als das des Kais früher
war. Sie liegen in der Flucht der Fassade neben der Südecke : auch scheinen dazu
einige Säulenbasen aus Kalkstein zu gehören, die davor liegen. Diese Kapelle könnte
entweder eine spätere Hinzufügung sein, etwa der Zugang zu den im Südwesten un-
seres Torbaus gelegenen Gräbern, oder, wenn man den Grundriss des Torbaus des
Men-kew-re zum Vergleich heranzieht, so konnte man sie für den Eingang des im
Süden um den Torbau herumlaufenden Ganges halten. Zu entscheiden wäre diese
Frage nur. wenn mau entweder die ganze Südseite des Torbaus freilegte, oder doch
MittriliiiKini imd Narlnir/ifiii. 263
wenigstens die Ecke /.wi'^clK'ii ilfiii Anlanfif des Ant'<;anj.'cs y.nm i)l)cr(;n Trniind und
der Westfassade des Torbaus.
Der Aufbau des Torbaus wurdi' nafürlich auch in allen Details genau untersucht.
Neues ergab sich dabei nicht, nur eine Bestätigung der bereits früher vom Bericht-
erstatter gegebenen Rekonstrnktions-V'orschliige. Für die Dachlösung, die verschie-
denen Arten der Lichtzuführung durch die Decken etc. sind durch die genaue Auf-
nahme .jetzt wohl alle Fragen als gelöst anzusehen. Da die Verötl'entlichung der
.Uifnahnien wohl in allernächster Zeit erscheinen dürfte, so ist ein Eingehen auf
diese technischen Details hier wohl nicht nötig.
Die Untersuchung des oberen Tempels hatte sich nur noch auf einige Einzel-
heiten zu erstrecken, da sie im Vorjahre fast bis zu Ende geführt worden war. Die
Frage der Nebenausgänge, die im ^'orjahre noch im vorderen Teile des Tempels an-
genommen wurden, konnte dahin entschieden werden, dass man diese bisherigen
Nebeneingänge heute nur als Durchbrüche ansehen muss. die beim sj-stematischen
Abbruch des Tempels in den Zeiten des neuen Reiches angelegt worden sind, um
auf jeder Seite einen besonders grossen Block herauszuholen, der die schmalen
Seitenkamraern neben dem gestaffelten Raum, vielleicht die Serdabs des Tempels,
im Westen absehloss. Diese Konstatierung führte weiter dazu, dass auch die Stellen
der grossen Pfeiler oder Pilaster im Hofe einer erneuten Besichtigung unterzogen
wurden, die ergab, dass auch sie mit grosser Vorsicht beim Abbruch entfernt worden
waren. Es ist also dadurch der bisher dagegen geltend gemachte Einwand, dass
hier keine Statuen gestanden haben könnten, da keine Bruchstücke von grossen
(Jranitstatuen gefunden worden sind, hinfällig geworden. Die Statuen sind, wenn
sie vorhanden waren, mit aller Sorgfalt entfernt und in irgend einen Ramessiden-
tempel übergeführt worden. Es ist also nach diesem Befunde eine Rekonstruktion
des Hofes mit Statuenreihen möglich, wenn sie auch nicht als sicher zu gelten hat.
Ferner wurden die Reste der bisher gänzlich unbeachtet gebliebenen kleinen
Pyramide vor der Mitte der Südseite der Chaf-re-P}'ramide untersucht. Man konnte
ihre frühere Grundfläche bestimmen und die Kammer wieder zugänglich machen.
Von einem Totentempel davor Hess sich keine Spur nachweisen. Ihre Lage ent-
spricht der der Nebenpyramide im Süden der Knickpyramide bei Dahschur. Sie
dürfte der Frau des Chaf-re gehört haben.
Als Nebenarbeit ging die Freilegung und .\btragung einer Mastaba der fünften
Dynastie neben den bisher besprochenen Arbeiten einher. Sie lag westlich von der
Nordwestecke der grössten Pyramide und gehörte einem Seschem-nefer. Die mit gut
erhaltenen Reliefs geschmückte eine Kammer derselben wird in der Universitäts-
Sammlung zu Tübingen wiederaufgestellt werden. Ein Nebenraum hatte an der
einen Seite eine bisher noch nirgends nachgewiesene Dekoration : eine Reihe von
Türen, die mit allen Konstruktions-Details in Stein ausgefühi-t waren. Da der obere
Teil dieser Wand fehlt, so sind uns die Ueberschriften, die diese Türen vermutlich
führten, verloren. Man könnte annehmen, dass es Scheineingänge zu Speichern
waren.
Die Ausgrabung des Tempels sowohl wie der Mastaba war besonders reich an
technischen Resultaten. Beobachtungen über Gerüstbau . Versetzen gi-oßer Blöcke
u. s. w.. die aber hier nicht weiter ausgeführt werden sollen, um nicht damit ein
(Jebiet zu betreten, dass die Leser dieser Zeitschrift weniger interessieren dürfte.
Einzelfunde wurden in grosser Anzahl gemacht, hauptsächlich waren es zahl-
lose Fragmente kleiner Königstatuen, von denen einige wohl noch bei eingehenderer
Bearbeitung, als sie an Ort und Stelle möglieh war, sich zu grösseren .Stücken wer-
den zusammensetzen lassen. Vorläufig ist alles dieses nach Leipzig gebracht worden,
wo es bearbeitet wird. Von den übrigen Fundstfioken ist ein Denkstein, der einen
Vertrag über Totenopfer enthält, bei der Teilung der Funde Kairo zugefallen, wäh-
6
264 Mitlciliiitiicii 1111(1 Xar/n-irlitct.
roiid einigt' Stt'lon mit Diirstellun^'L'n eines Opfers vor HarniiK-his Viezw. dem Spliinx,
die sämtlich dem neuen Reiche entstammen, nach Deutschhmd kamen.
Für die Frage des Alters der Chaf-re-Statuen ist die Ausgrabung des Torbaus
dadurch von Wichtigkeit geworden, dass sie erstens gezeigt hat, wo die Statuen einst
im alten Pflaster gestanden haben, und zweitens wahrscheinlich gemacht hat, dass
der Torbau vom neuen Reiche ati unzugänglich war. Es ist also aus diesen beiden
Gründen schon unmöglich, au Wiederherstellungen der Renaissance-Zeit bei diesen
Statuen zu denken.
Die Ausgrabung bei A b u s i r wurde auf folgende Indizien hin unternommen :
Im Herbst 1909 kamen einige Arbeiter aus Abusir mit Steingefässen, die sie beim
Dorfe gefunden haben wollten. Nachforschungen ergaben, dass sie beim Bau eines
Hauses an der Westgrenze des Dorfes herausgekommen waren. Der Augenschein
lehrte, dass hier ein Friedhof sich in ziemlicher Ausdehnung erstreckte. Die Sieglin-
Expedition konnte also hier mit der Hoffnung auf sicheren Erfolg einsetzen. Die
Ausgrabungen haben dann das Ziel, das sich diese Expedition hierbei gesteckt hatte,
in vollem Maße erreicht, sie haben in grossen Mengen Stücke für die deutschen
Museen ergeben, namentlich sehr grosse und schöne Steingefässe. Die Funde dieses
Fi-iedhofes rühren fast alle aus den Zeiten der ersten Dynastien her, .jedoch fehlen
auch Grabfunde aus dem mittleren und neuen Reich nicht, und selbst ein kleiner
Sarg aus griechischer Zeit, ganz den bereits früher bei Abusir gefundenen gleichend,
konnte geborgen werden. Eine Aufzählung der einzelnen Funde würde hier zu weit
führen.
Die Arbeiten der Expedition dauerten vom l(i. .Januar bis zum 5. April 1910.
Sie wurden von Herrn Regierungsbaumeister Dr. H ö 1 s c h e r geleitet, dem Hcri-
Prof. Steindorf f. Herr Regierungsbaumeister S r h u 1 1 /. c und zeitweise Herr
Dr. Abel assistiei-ten.
Ausser diesen Ausgrabuugsunternehmeu waren noch von deutscher Seite im Lande
tätig:
Die Expedition der Berliner Akademie zur Aufnahme der Inschriften der durch
die Erhöhung des Assiuiner Dammes gefährdeten Tempel. Sie stand in diesem Jahre
unter der Leitung von Prof. Juncker. Da ein Vorbericht über diese Arbeiten be-
reits in der Akademie vorgelegen hat, so genügt es, hier nur darauf zu verweisen.
Herr Dr. Roeder setzte seine Arbeiten zur Aufnahme vou Tempelinschriften,
aus demselben Gebiet im Auftrage des ägyptischen Service des Antiquites fort.
Herr Dr. Wreszinski und Frau nahmen einen Teil der Wanddekorntioueu
iiiul Bilder iu den Thebanischen Gräbern photograpliisch auf.
Personalien.
F. Skutsch-Breslan hat einen Ruf nach Strassburg als Nachfolger vou
R. R e i t z e n s t e i u abgelehnt ; nunmehr hat O. Plus b c r g- 1' v a i;- (tViilu'r iu Ro-
stock) den Ruf nach S t r a s s b u r g erhalten.
265
The Laws of Demetriiis of Phaleruni and tlieir Guardians.
Liy William Scott Fers^usoii.
Most of tlic Atlieriian oQot or boundary-stone inscriptions fail to
specify the time at which the transaction recorded was completed '). There
ai'e some exceptional cases, liowever. Thus the following documents are
dated precisely: (1) IG II 2 1133 in 315 '4 B.C., (2) Sifs. d. Berl. Ähacl.,
1897 665 no. 4 in 315/4 =), (3) Ihid., 1898 783 no. 27 in 315/4, (4) IG
XII 8 18 in 314/3, (5) Ibid.. 19i in 314/3, (6) Ibid., 19 ii in 314/3—307/6,
(7) IG II 2 1134 in 313/2, (8) Sitz. d. Berl Ahid., 1897 665 no. 5 in
312/1, (9) IG II 2 1136 in 305/4, (10) Ibid., 1137 in 305/4-303/2. (11)
n>id., 1138 in 302/1. and (12) Ibid., 1141 in 276/5.
Froni this list two infevences may be made (1) that the practice of
indicating the year in a bonndary record was established by the hiw-code
of Demetrius of Phalerum, and (2) that this code was promulgated in the
year 316/5 B. C. On these points an argument is hardly required. The
catalogue speaks for itself. We may simply mention that the J'ririnn
Chronide^) enters the item, Ai]fn']TQiog vöfiovg ed-r/xei' 'A&tivi]Oiv under
the archonship of Demogenes (317/6 B. C), and that Syncellus (Hierony-
mus) enters under the year 316/5 B. C. the item, ArjfitjXQiog ö Wa?.r}-
QEvg eyvcjQi^ETO rghog vouod-irrjg 'Ad-rjvtjaiv. Neither of these i-eports,
however, has any real weight. The Parian Chronicie simply dates the
legislation of Demetrius in the year in which he assumed office — in
which doubtless, he received the commission to revise the laws. The
date of Hieronymus. though correct. is prohably so hy accident. since his
determinations have in general the value only of approximations. We
may mention also that IG II 584 (Ditt.. Si/J1.^, 164) with Wilhelm's res-
toration*) i'ö.wot'g] i'd-t]y.Ei> Ka/?[o<'c xai aviKpegövrag rii nöZei. places
the legislation of Demetrius at the beginning of his decade of govern-
ment in Athens, where. too, the general consideration that the reforraer
would be unlikely to defer long so essential a step as the revision of
the laws places it. The inscriptions cited above, however. enable us to
1) These inscriptions are published in IG 112 1103 ff., b 1111 ff., Hitzig, Das
griech. Pfandrecht. 62 f. ; Ziebarth, Sits. d. Beil. Akad., 1897 664 ff., 1898 776 ff. ;
Tillvard, Anntial of the British SeJwoI in Athens. XI 1904/5 63 ff. : Robinson. Amer.
Jour. Phil., 1907 432; IG XII 8 18 ff. Cf. also Dareste. Reinach. and Haussonllier,
Beciteil des inscr. jurid. grecq., 107 ff. The whole subject of mortgages and their pub-
Ucation and preservation is discussed by Beauchet, Hist. du droit prive de la ripu-
bltque athenienne, vol. III 176 ff., 319 ff. ; IV 60 ff.
2) Republished without identification in Antiual of the British School, XI 63 ff. no. 20.
3) IG XII .5 1 444 CXn'. — 4) GGA 1903 784, 790.
Klio, Beiträgo zur altnn üeschichte XI?. Jg
1
266 WiUinm Scotf Ferguson,
fix the flate of its Promulgation in 316/5 B. C. In tbe following year the
archon's name became an integral part of these records.
Another characteristic of the records inscribed on the boundarj" stones
after 316 5 B.C. is the frequency with which a specification is made of
the person with whora the original papers iai^r& i]y.at) are deposited. This
is done in the case of (2). (4), (5). (6), (8). and also in the case of IG
II 2 1139, II 5 1139b, which Ivirchner') dates in ra. 300 B.C., and in
the case of IG II 2 1140, Sitz. d. Berl. Akad., 1898 nos. 26 and 28, of
which aU we can say is that they belong to the fourth Century B. C. It
is omitted, bowever, in (3), of which the date is 315/4 B. C, (7), of which
the date is 313/2 B. C, and (9) to (11), of wbich the dates ränge from
305/4 to 302/1 B. C. (1) and (12) are mutilated and bence yield no infor-
mation on this point. We cannot say with any degree of certainty that
the holder of the contracts was ever specified before 316/5 B. C. We
can simply affirm that after 316/5 B. C. bis name, like that of the ar-
ehon ^), was frequently, though not always, communicated.
The inscription on the öqoi was of course not an official. not the
legal, record of indebtedness : it was simply an advertisement made in the
interest of third pavties, or by a creditor interested in baving the fact of
a loan known to bis debtor"s neighbors in Order to secure bimself for the
future against a possible denial of Obligation. The Sqoi raight be sub-
mitted as evidence in the courts. but a proof could be completed without
tbem, and. in fact. the genuineness of the öqoi -was often the question
at issue in litigation '*). The sole purpose that the specification of the
time of contracting a loan could have was to facilitate a search and above
aU establish publidy the sequence of several loans secuved by a single
piece of realty, and thus safeguard investors. How this had been done
prior to 316/5 B. C. the inscription first published by Robinson shows*).
The pvoperty in question was sold with the right to repurchase for 1.
500, 1, 200, 600. 150. and 100 drachmae successively. As tbe entire
loan-value of the estate was gradually reached the size of the mortgage
decreased. The order of entry thus decided the riffht to priority of claim.
This sufficed when the wbole transaction was completed at once, or when
the successive mortgages were entered on the same slab; but when they
were entered on different sides of the OQog, if that were possible, or on
different Sqoi. there was no obvious means of settling the order of claims
without having resort to witnesses. as was usual, or to tbe original con-
tracts, of wbich the place of deposit was nowhere specified. of which the
1) PA 3165, 7503.
2) The iiame of the archon is omitted in IG II 2 1139 and 5 1139 b.
3) On these points see Hitzig, and Becueil. Loc. cit. ; also Beauehet, III 355 ff.
4) Amer. Jour. Phil., Loc. cit. Republished by von Premerstein. Athen. Mitt. 1910
103 tf. Robinson very kindly teils me that be finds bis readings of the numerals
preferable to those of von Premerstein.
The Laivs of DoiietriKS of FhaJerum und their Giiardians. 267
very existence might be successfully denied tili it was too late, and which
seem to have been frequently lost or destroyed '). After 316/5 B. C, we
may assume, the avi'&t]y.ai themselves were always dated precisely, and
always deposited with a banker ") or some other reliable person, it being,
of course, with the original articles that the Legislator dealt, not with
their informal publication. What was required in the fonnal docuinent
became. however, as we have seen, common in the informal document.
To wills also {öiad-i'jXai) this regulation seems to have been applied.
Hence, whereas in the testament of Aristotle ^) tlicre is no specification
of the party with whom it is to be deposited. this information is care-
fuUy conveyed in the other öia&rry.ai preserved in Diogenes Laertius —
these of Theophrastus, Straten. Epicurus, Arcesilaus. and Lycon'') — all
of which are posterior in tinie of composition to the Legislation of De-
metrius. Moreover, whereas Demosthenes ") says flatly öia&rjxwv odöstQ nü)-
jiOTE ui'iiyQUffa fnoiijoaro. after the time of Demetrius it seems to have
been customary for a man to make several copies of his will and indi-
cate to the holder of each to whom the others were entrusted. Thus,
this was done by Theophrastus and Arcesilaus '').
In one case Demetrius apparently went still farther — in the matter
of ööatg or transfer of property by gift during the owner's lifetime. Thus
Harpocration defines ööaig: iöicog fisv XtyExai nuQU rolc, Qt/TOQOt avfißö-
Zaiov yQa(pöfievov ötav xig zä ai>rov öidco zivt. öiü tcov dQ^övrcov, äg
nagä iieivÜQXV- The significant phrase is öia iwv äQxömtov. which in-
volves the consent of the magistrates before the transaction was legal.
As Beauchet points out '), there is no evidence for the official registra-
tion of such transfers during the period of the Orators; and it is hardly
an accident that the lexicographer supports his affirmation by a reference
to Dinarchus alone. Rather, we must assume, Dinarchus reflects the prac-
tice established by the Phalerian. So too at the time of the death of
Epicurus, an ancu/raphe which, as Wilhelm has shown^), always impHes
the accessibility to the public of the record. was made of the ööoig of
the philosopher's property to his executors; and the anagraphc in question
was published in the Metroon "), the public record office of Athens. This sort
of transfer of property needed special control because. in addition to the
desirability that there should be no uncertainty as to owner-ship, it was neces-
sary that a man should not be permitted to give away prior to death pro-
perty which he could not alienate from his natural heirs by testament '").
1) For the loss or destructiou of documents see Beauchet, IV 60 ff.
2) Sitz. d. Berl. Alad., 1898 782 no. 26. Cf. Koutorga, Les trapeMtes, 13, and
Beauchet, IV 69. Dem., c. Phorm., 6: xal avyyfiatpiiv ^&6f/rjv Tirtpä 7i7tt<u Tgane^iifj.
3) Diog. Laert., V 11 ff. — 4) J7nU, V 57. 63; X 16 ff.; IV 44; V 70.
.5) C. Steph., II 28. — 6) Loc. cit. in n. 4 above.
7^ Op. (it., III 123; ef. III 842 ff. — 8) Beitrage zur griech. Inschriftenkunde. 271 ff.
9) Diog. Laert., X 16 ff'. — 10) Beauchet, III 125; cf. P.W. V 1598.
18*
3
268 WiUiit))! ScoU Ferguson,
The piirpose of Demetrius in making these changes') is obvious. It
was to protect the Athenian nien of meaus, whose welfare he made it the
avowed purpose of all bis legislation to promote. in investing their money
in Athenian real estate.
Demetrius is designated in cur tradition") as a pnpil of Theophra-
stus. The philosopher was from twenty to twenty-five years his senior ;
hence, despite the fact that the statesman was already prominent in pub-
lic life for two years or more when Theophrastus succeeded Aristotle
in the Peripatos, we need not doubt that the two men were really teacher
and pupil. Certainly the devotion of Demetrius to Theophrastus during
his decade of rule is well attested, as is the persecution of tlie school by
tbe Athenian democrats both during their brief restoration in 318 B. C.
and after the expulsion of the Phalerian in 307 B. C. And it is this in-
timacy which beyond a doubt has obliterated in our tradition the fact
that Demetrius must also have been a pupil of Aristotle.
Another factor should not, however, be disregarded in this connec-
tion, the indebtedness of Demetrius tbe law-giver to Theophrastus the
Jurist. Says M. Dareste, than whoni no one has a better right to speak
on these matters, Tlieophraste a i-tv iin jurisconsiäte, et le seid jtiriscon-
siilte considerable que Ja Grcce alt produit ; then he hastens to add : notts ne
parlons ici que du droit prhe, cur Ics trnvnux d'Aristote sur le droit public
seilt restes des chefs-d'oeuvre^). The loss of practically all of Theophra-
stus's great work IIeqi vö^icov and of practically all.of Demetrius's epoch-
making vötioi makes it impossible to measure the influence of the theo-
rist upon the legislator: but the words of Cicero*) — post a Tlieophrasto
Fhidereus die Demetrius niirahiliter dodrinam ex umhraculis eruddorum
otioque non modo in solem atque pulverein, sed in ipsuin discriinen aciem-
que produxit — give us sufficient Warrant for assuming that it was far-
reaching and potent; and it is instructive to find among the relics of the
work IIeqI röfuor the foUowing passage-'): vöfiog y.al olnog MaaaaPuü)-
1) Dem., c. Apatur., 36 : nävxfQ av^Qwnot ozav npog nWjlovQ noiihvxcu avy/Qacpä^,
rovTov i'yfxa aij/jrjvä/Jivoi Ti&sviai TcctQn ol( av ntaxiiawai- This shows that at the
time oration XXVIII of Demosthenes was delivered there was no vö.ao; to this
effect. Cf. Dem. c. Spud., 21. It cannot of course be proved that Demetrius enac-
ted such a röjttoc : he made some change in the requirement, however, and none seems
so plausible as this. How he dealt with fraud or carelessness in the case of the
third parties — a not infrequent occurrence — we do not know. See. however,
below p. 270.
2) Cic. de fi»., V .54, de leg., III U. de off., I 3, Brut.. 37. Strabo. IX 398. Diog.
Laert., V 39, 75. Cf. Martini, P.-W. IV 2818.
3) Eerue de legislation frangaise et ctrangere 1870/71 262 tf. In an artiele enti-
tled Le traite des luis de Theophrasie, Dareste has collected all the extant fragmeuts
of this work of Theophrastus.
4) De leg., 111 36.
.5) Dareste, Loc. cit., XXVIII. Aelian, Vor. Bist.. II 38. Äthoi.. X 429 (Theoph.
T//e Lines of Demeirius of P/ialcnini aml f/ieir Giianliaiis. 269
iixo:} ywuixag fil] b^iü.eiv oivco, ulk' iögonotslv näaav yvvar/MV >)h-
xiav. AiyEi ök ßeöcpQaaiog y.ai icagü Mihjaioig xbv i'öfiov xoviov ia-
XVEiv xal nei&sad'at aviqj rag läöag rag 3IiÄr]aia)v yvvar/.ag. The au-
thor of the well-known legislation on the public and private behaviour
of women, tlie Opponent in Athens of the social innovations of Hellenism,
the Creator of the Athenian f/i/nucronomi ') need not have gone back to
Aristotle's PoUf/rs-) to find a justification for coercing the suifragettes
of his city. A policj' such as his was impressed upon the ideal law-
giver in the treatise of Theophrastus. Thus the philosopher wrote *) :
Oö XQ>1 <5c t>]>' yvvaixa öeivijv iv roig 7to?utixoig d/JJ ir lotg olxorofiixoTg
drai. And again *) : Ovie öqüv ovxe ögäad'ai yvvaixa xal [aTna f |>;-
oxijuevijv jTQÖg xüZZog ' iniaraiai yüq äfiqiÖTEQa nQÖg u fii] öeT. And
again °): AvayxaiOTÜzti (V im. yvvatxwv t) rd>v ygafifiäriov öoxEi nai-
ÖEVGig Eivai xal aviij iie/qI XQt]Gii^iov nQÖg olxovouiav ' tö d' t^axQißov-
(lEi'Ov inl n/.EOv ägyaiegag te tioieT JiQog tä/.Za y.ai ?M?Mi<g xal 7iEQie.Q-
yovg. The issue of such views must have been the eomniendation of
(lijnaerotwmi to regulate and supervise the E^oöoi of the women. And
the general impatience of Demetrius at the utter abamlon — the Cr^v <bg
tig ßoi'/.£iai. the lack of respect of slaves for their masters. children for
their parents. young for the okl, private Citizens for those in authority
— characteristic of democratic Athens is reflected in his epigram in atic
declaration ") : Tovg vEOvg, £(pri, öeiv inl zilg oixiag xovg yovEig alÖEia-
d-ai, if ök Taig ööolg rovg dnainäivrag, iv öe ralg iQi]fiiaig iavxovg.
Nor is it likely that the assailant of itTtEgßo^Tj tfjg zQvq)i']g''), the /««-
dator of the status töjj' fiirgia xexxe^evwv^) was without influence
upon the lawgiver who sought by checking extravagance of one kind or
another to save the middle-class Athenian Citizens from ruining them-
selves. Thus the restiiction of the cost of burials. which stopped the erec-
tiou of the beautiful but expensive family grave monuments in the Dipy-
lon cemetery, was probably a prescription of Theophrastus ; for in his will he
gave Instructions d'ätl'ai öe xal fjudg önov dv öoxf] fiüÄiara uqiiöijov Etrai
Tov xij:TOv. tirjÖEi' TtEQi'sQyov nsgl ri/V Tafpi/r /hi'jte iteqI tö fwtj/ieiov noiovv-
lag "). Something similar occurs in the wills of the successors of Theophra-
stus— Straton and Lycon {fi>)t£ dvE/.EL'd-EQog yivrßai fiijTE TTEQitQyog)^"),
while in that of Aristotle '') it is lacking as it is in that of Epicurus '-).
frg. CXVII, Wimmer). It is possible, however, that this passage, which is extant
iu two versions, comes from the work of Theophrastus IJfQi ,uf'S>/c.
1) Martini. P.-W. IV 2826. — 2) IV 2 9; VI 5 13.
3) Frg. CLVIII (Stob., Senn., 83 p. 481). - 4) Frg. CLVH (Stob., Senn., 72 p. 439).
.5) Stob., Hör.. II 31 31. - 6) Diog. Laert., V 5 82. — 7) Frg. LXXXVI.
8) Frg. LXXVIII.
9) Diog. Laert. . V -53. The philosophic basis of the prohibition is apparent
from Plato. Laus, XII p. 9-58 D.
10) Ibid.. V Gl. — 111 Diog. Laert.. V 11 tf. — 12) Ihkl. X 16 ff.
270 William Scott Ferguson,
It accordingly seems probable that It was in this work of Theophva-
stus ÜEgi röfKov that Demetrius found Ins mandate for improving the
methods of safeguarding investments in Attic realty : for the longest frag-
ment ') of this book which has conie down to us discusses the expedieiits
devised in various states and various Codes for insuring publicitj' of sales
and avoiding the evil consecjuences of uncertainty as to ownership of pi'o-
perty. It then continues: ov xqtj ö' dyvoelv 8t i al nQoyQacpa) (character-
istic of Athens) y.al al nQoy.i]Qv^EiQ y.ai dZcog öaa ngdg xäc dfKpiaßi]-
TijaeiQ ioTi ndvi' t} xa TrÄelara 6i e'PJ.enfJti' Ijegov vöfiov Ttd^siai ■ jtaQ'
olc yÜQ dvayQaq:!] iwr y.rtjfidTcov eail y.al tü>v av/.ißoZaio)v, e; ey.eivMV
i'aji fia9eh' ei iZevd'eQa y.al dvfnacpa y.al ra ainov 7T(o?.eX öiy.aicoc. ev-
•S'wg yuQ y.al fiexeyyQdcpei i) dgyjj tov hovtjfievov.
The context shows that Theophrastus had in miiul mortgages and
all similar servitudes, as well as sales. when recommending public regis-
tration of transactions in realty ; but even though tbis were not the case,
mortgages would still be involved. for what eise in Attica was mortga-
ging but selling with the reservation of the right to repurchase? The
law, of which the Jurist noted the lack in Athens -i. Demetrius. as we
have Seen, enacted. but he did not do so in the form suggested by his
teacher. To create a new bureau for the public dvayQaq^ij tmv y.njud-
Tcov y.al x(äv av/ißoZaicov would have doubied the work of administration
and led to violent interferences with the traditional ways of doing busi-
ness. It would have precipitated. In fact, an administrative and economic
revolution ^) : for the accounts hitherto kept by the coUectors of the ly.a-
TOCTT^ on sales. being in the first place not an anagrnphe in that they
were not accessible of right to the public and in the second place merely
rough and indefinite memoranda for the guidance of the iy.aToaTÖÄoyoi.
or whatever the farmers of this particular toll niay have been called. in
no way superceded the an-angements made privately by the contracting
pai-ties or disclosed to the curiosity of the crowd the pai-ticulars of each
transaction *). Not tlie state but the telouae were the makers of these
records. With much less machinery and much less Inquisition into pri-
vate affairs than a public anagraphe would have involved Demetrius seems
to have aimed to provide the courts with a working basis for settling
disputes over real estate by requiring the deposit of the avvd-iixai, öta-
d^r^y.ai. or other documents carefuUy dated. with third parties. who were,
doubtless, made legally responsible for their safe-keeping.
1) Dareste. Op. cii., XXH. A better text is given in Stob.. Flor.. IV 44 20 ed.
Hense. Cf. Thalheim, Griech. Seehtsaltertümer. 128.
2) See also tbe remarks of Wilamowitz. Aristoteles und Athen, I 236.
3) It is coriceivable that Submission to such systematic control npould have been
regarded by the Athenians as Asiatic or Egyptiau and uuwortbv of freemen.
4) Beauchet, m 336 ff. ; IG II 784—788."
Ttie Laws of Demetmts of PhaJerum and fhiir Giiftrdhinf. 271
In the seventb book of liis Atthis, whicli dealt with the time of De-
metrjus of Phalerum, Philocliorus, as quoted in Lex. luni., reports: i'oiio-
^vZaxeg t'teQoi eiai rcör x^safio^ercHi', Ws (I>i?.ir/OQog iv ti'i ißööfit] . ol
fiEV yÜQ dQXOvrec dvißaivoi> eig "Agetor .läyoi' tOTSCpai'oiftfvoi. ol öe
vofio(pvXay.EQ aTQÖq>ia Zevxä i'xovreg xal iv latg d'eaig ivavtiov iwv uq-
Xöv'nov iy.ad's^ovTO xal Tijv nofin}]v ^nefiTiov rr] UaXMöi ' läg öe üq-
xäg i'jvüyxa^ov roig vöfiotg xQ>]c^<xi- >5Cf' ^f if] ixxh]ai^ xal iv tf] ßovXf]
fietä t€)V ngoeÖQcoi' ixdd'iivTO, xoi2.vovr£g rä äavfKpoga rfj nökei nqdz-
T£iv . tmä de fjaav, xal xazeaT^aav, (hg 0t2öxoQog, öte 'Ecpiä^Tijg fiöi'a
xarehne tj] i^ 'Ageiov näyov ßovXfi lä ineg xov acofiarog. It is hard
to disassociate the creation of the nomophi/lnces^) from the creation of
the new i'öftoi. especially since Aristotle (and doubtless also Theophra-
stus) commended such an office-) — Aristotle. whose ideal form of gov-
ernment, the Polity. Demetrius chanipioned in a scientific treatise and
put into efFeet in Athens^). Yet evidence, in addition to the report of
Philochorus, points to the existence of a College with this nanie prior to
317/6 B. C. Thus they were mentioned by Dinarchus in an oration
against Himeraeus*). the democratic brother of Demetrins of Phalerum,
who was put to death in 322 B. C, a few days after tlie entry of the
Macedonian garrison into Athens at the end of the Lamian War''). Henee
not only did they exist before the regime of Demetrius began, bnt also
before the aristocratic reform of 322/1 B.C. occurred, since this did not
go into efFeet tili the end of the year ").
They were also mentioned in the Anoni/mi(s Argenünensis (Hermes,
1907 411 § 24: vofioq)vMxco>' üqx^!] ■ ■ ■ ui''\dQ<i)i' /d), which Wileken
Claims to be the epitome of a commentary on Demosthenes' speech con-
tra Androtiona "'). but wbich lacjueur, while admitting the connection with
the oration, takes to be the rapHulatio or prologue of a more general
work like that of Didymus Ilegl Arifioad-evoi^g *). However that may be,
it was admittedly based upon the aecusation of Androtion which was
made by Demosthenes in 355 B. C. That nomophylaces existed as early
as this year Polenz") finds incredible: all that is proved, in liis judgment,
is that the abridgement included matter not referred to in the oration.
1) See Lex. cant., Photius, Suidas, Harpocr.. s. v.; PoUux, VIII 94. 102: Bekk.,
Anecd., p. 283 16, p. 191 20; Schol. Aesch., c. Ctesiph.. 13. Cf. Starker, De nomophy-
lacibus Athen. (Diss.) Breslau 1880. — 2) PoUtics, IV 11 9; 12 8; VI 5 18.
• 3) Martini. P.- W. W 2827. 2832. 8. This vfa.s also the ideal of Theophrastus
See Frg. LXVIII. In two quotations extant from his work Demetrius is found to
have met the charge, that Aristides and Soerates would have been excluded from
citizenship in the Polity. by affirmin^ that the former was a pentdinsiomedimnus
(Plut., Aristid; 1). the latter at least a zeiigites; hente both qualified for the franehise.
4) See below p. 273. — 5) Kirchner, PA 7578. — 6) Helk)n.<!tie Athens, 21.
7) Hermes, 1907 374 «F. — 8) Ibid., 1908 220 ff.
9) Ibid., 228 n. 2.
272 WilUam Scott Ferguson,
He suggests that the officials in question were first createil in the Bc-
stanrationszeit^) in the twenties.
There is, however, another, and, as it seems to me, a better waj'
out of Polenz's difficulty. Tliat is to assume that the epitomator, like
manj' of the ancient lexicographers and scholiasts, has confused the Eleven
with the nomophiilaces. How this was possible the following passage
from PoUux-) discloses : ol et-ÖFxa eig dtp' ky.äaii]c, (pv^.r^g iyivETO y.al
ygatiitaTerg ceVToJg avrijQid-fiEiJO ■ vonofpv/.axeg de xarä 0a/,t]Qea uetco-
i'ouüad^ijaav. A real change of nomenclature did take place in later
Athens, as the following schoUitni on Aristophanes's TFo.sjJS V 1108,
shows: iTi'jQOvr ol'öe (oi tröexa) Tovg deöeinivovg . olroi öe i'vi> &Eafto(pv-
/.uxe: xaZovvrai. where d'£afioq}V?MXtg is manifestly merely a textual cor-
ruption^l for öeatiocpidaxeg. What the Anonymus sliould have written
is. therefore, sometliing like this. to quote a seholiast an anotiier passage
of Demosthenes (XXII 26): äTrQoadioQlaiLog ÜQ^orrag ixccÄovv nji- üqx']''
jcöi' öeafiofi'Mxwr " aini] ök f^p top äQid-fAÖr id drÖQÜi:
The faets seem to be these: (1). Prior to 321 (or 317) B.C. there
esisted ol "Ei'öexa — the Eleven — police magistrates as weil as police-
men and gaolers. After this time their duties as police magistrates —
Jurisdiction over xaxovQvoi — passed over to the Areopagus'*), or, as
seems probable for the period 317 — 307 B. C. to tlie nomophyJaces and
Areopagus combined *). To aristocrats it was obvious that men suited
to act as executioners and gaolers had no necessary qualifications for
handling petty crimes or crimes detected in the act, and already at the
time of the Thirty Tyrants the Eleven had been displaced by a Council
and desnwpJii/hices'^). Moreover, procedure was simplified by gi^ing the
Areopagus Jurisdiction in minor as well as in major criminal cases. After
307 B. C. Athens ceased to have the Eleven altogether, but in their place it
had magistrates designated simply desniophi/laces, who were still eleven in
number and had merely the duties implied in their name ') (2). Prior to
317 6 B.C. there existed in Athens a board of seven nonwphyhices crea-
ted. as Philochorus states, when Ephialtes in 462/1 B. C. destroyed the
political power of the Areopagus^). They probably had cliarge of the
1) Wilamowitz. Op. «Y., I 353. — 2) VIII lu2.
3) Wachsmuth, Die Stadt Athen. II 1 386 n. 3.
4) Lipsius, Das attische Eecht. 1 19; IG II 476. I have erred (Klio. 1904 9 f.)
in dating this change in 103/2 B. C. — ö) See below pp. 275 f.
6) Xeu., Hell, 11 3 54; Aristot., Const. of Atltens, 35 1.
7) Sundwall (Acta soc-ietatis scientiarum fennicae 1907 14 n. 6) has discovered the
name in the inscription of the year 304/3 B. C. published by Tod in the Annual of
the British Schoul. IX 1902/3 156 f.
8) Aristotle {Const. of Athens. 8 4) remarks: (Solon) t»)v 6'e tcür '"A^fOTiayiTwv
{ßovi.ifv] eraSev i[7ii to] vofio(fv>.axih'. The work of tbe reformers in 321 and 317 B.C.
was ostensibly a restoration of the laws of Solon (Diod.. XVIII 18 5: Ostermann,
The Latus of Demefrinfi <ij' l'hulennn mid f/ieir (rHard/aiis. 273
nomophyJaciHm^]: in other words. they were simply caretakers. in tlie
literal sense of tliis term, of the röf/oi, until the Plialerian, following the
teaching of his Peripatetic masters, elevated tliem into a position of in-
fluence comparable to that of the Ephors in Sparta. Tliey were set aside, of
course, witli tbeir Creator in 307 B. C, so that at a later tirae the confusion
of the Eleven, uomophijlai'es, and desDiophi/Inres, is not unintelligible.
Harpocration defines the nomophißwes as follows : Noiwrpü^MXfg, clo-
yi] T(c nag' 'Arhjraioig ovzco ixa^eho öuupfQovaa xwv d-ea/iod-siöjv. Afi-
vaQxog xad'' 'I/iequiov. y.al iv rü y.avä Uvd'iov. WiAoxoqoc öl iv t^ iß-
ööfK;} äXXa IE %iva öie^fj^d's tteqI aiiccöv, y.al öii ovroi rüg äQyäc, irnj-
rüyxatov toiq vöfioig XQijo^ai Srßor. The death of Himeraeus, after
which the speech of Dinarchus cannot liave been spoken, having oceur-
red in 322 B. C, and Aristotle's Consfitiifion of Athens, at the time of
the composition of which the noniopl/i/Iaccs lacked the powers attributed
to them by Philochorus, having been written after 329/8 B. C. ^), the con-
clusion of Polenz that these magistrates were given greatly enlarged powers
in the twenties,.is the one which presents itself first to the enquirer. It
was in support of an elaayyeXia bronght against Himeraeus that Dinar-
chus pled '). It seems improbable that such a charge could have got a
hearing after the outbreak of the Lamian War in 323 B. C. ; for at that
time Himeraeus was an active member of the dominant party. Hence
the trial must in all likelihood have occurred in 324/3 B. C. or earlier.
Pytheas was a member of the aristocratic government of 322 1 — 319/8
B. C having been banished for Macedonian sympathies during the prece-
ding war. Against him Dinarchus prepared two orations, one Karä ITv-
de Demetrii Phalerei vita. II SO fiy. XXVIII — XXX). That the nomophylaces were
connected with the Areopagus and shared its täte is clear (See below p. 27.5). That
the number of the nonwpliylaces was seven indicates either that Demetrius, to whom
the idea of tribal representation had no value, determined it, or that the office
dates, despite Philochorus, from before the times of Clistbenes.
1) The name nomophylacium occurs in Pollux, VIII 102; Heysch., .<. r. Cliaro-
nium ; Suidas, s. v. Nof.W(pv).axHOV. It is possible that the confusion of desmophy-
laces and nomophylaces has led alone to the invention of a name nomophylacium in
Athens instead of the correct terra, äeaßwzr'j()tov. Still, we may have a reminiscence
of old usage in the confusion. Why otherwise was not a 6ia/tO(pv/.nxiov invented
first? Manj- cities and other parallel organizations had a YQttixucaoifv/.üxiov in
Charge of a yiiafi/naiotfvla^ (Wilhelm, Op. cit., 266 ü'.), and a yQfwtfvlaxtov in Charge
of chreophylaces (Dareste, BCH 1882 241 ff.; Beauchet, IV 64 S.; BGH 1888 232 1. .35).
Orchomenus had a thesmophylacium [Mecueil, 280 I. 77). Why may not Athens have
had a nomophylacium in charge of nomophylaces'^ In Roman times nomophylaces
were common in the private associations (Poland, Gesch. d. griech. Vereinswesens,
404). The laws were of course kept in the prytaneimi (Paus., I 18 3: n).r}alov öenQV-
xaviiov iaxt, iv u> v6j.ioi xe o\ ^öltufoq eiat ysy^iiiifziroi), but their part of the pryta-
neum may have been called the nomojjhylacium.
2) Consf. of Athens. 54 7; Busolt, Grieeh. Gesch., 11- 17 f.
3) Dion. HaL, de JDimircho, 10 p. 652 6: cf. Kirchner, PA 7578.
9
274 ]VilIi(t)ii Scott Ferguson,
d-iov ^eviag and another Uegi i&v xaru tö f/tnÖQiov elaayyekia ^). Since
the trial ^eviag established the citizensliip of Pytheas, it doubtless took
place at the beginning of bis political career. Hence the second of the
two orations is probably the one in which the nomophißaces were mentioned.
since nothing prevents us from dating it in the twenties.
Accordingly, the period 328—324/3 B. C. and. since the Constitution
of Athens probably belongs a few years after 329/8 B. C, the latter part
of it rather than the former. is marked by the first appearance of the
nomophylaces in the literature which the scholiasts interpreted and the
lexicographers ransacked. The sole question is this : does their appear-
ance in these orations of Dinarchus imply their possession of the powers
attributed to them by Philochorus, or is it rootived adequately by their
exercise of purely routine duties in the Athenian record office? Wo have
no assvirance, I think, that the former was the case. In fact, it is not
elear to me that Dinarchus on publisliing his Speeches against Himeraeus
and Pytheas between 317 and 307 B.C.. let us assume, mar not have
given point to an argument and a defence of the legislation of his friend
and feUow pupil, the Phalerian, and of the ideas of their common
teacher, Theophrastus, by observing how much trouble would have been
avoided, how frequently Eiaayye/Aai would have been unnecessary. if the
magistrates and others in authority were prevented from violating the
laws in the first instance through the interference of txomophjilaces. Nor
is the possibility excluded that these orations are cited simply through the
lexicographieal confusion of desmophyJmes, nomophylaces, and the Eleven.
For these various reasons I am unahle to agree with Polenz that
prior to the Oligarchie reconstruction of 321 B. C. nomophylaces forced
the magistrates to use the laws. and sat with the proedri at the meetings
of the Senate and the ecclesia "/.oi?^vovT£g t« äavftxpOQa ifi nöÄet Tigdt-
TSir. If this were the case, they could hardly have escaped mention in
connection with the deification of Alexander, the restoration of the exiles.
the Harpalus case. and the outbreak of the Lamian War. It is, raore-
over, unthinkable that the democrats would have instituted such a pow-
erful check on the demos. On the other haud, I am unable to agree
with the view finally reached by Starker^) that the nontoplnßaces were
established by Ephialtes. but disestabKshed under Pericles, and reestab-
lished by Demetrius. The only real argument adduced is the argumen-
tum ex silentio, which would be decisive if we were dealing with a power-
ful office like that of the no)nop]nßaces between 317 and 307 B. C. but
which has little or no weight when we are dealing merely with custo-
dians of the legal records in the prijtaneum ^). From them, in fact. it
seems probable that the real clerical duties were taken by the ygaiiua-
tevg whom Aristotle defines as im rovg vöfiovg, and who is called upon
1) Kirchner, PÄ 12342. — 2) See above 271 n. 1. — 3) Paus.. I 18 3.
10
The Lairs of Demctriiis of Phalcrum ami flicir Gitardimifi. 275
in the speeclies of tlie Oratoi's to produce and read the vö^ioi in court.
From them, liowever, was not taken tbe care of the töavov of Athena
Pallas with wliicli they as officials of the prytaneum had to do, this being, as
the scholiast on Anstid., Vol. III p. 48 Dind. says, a hieran of Pallas (tö öe
nQVTavdov rönoi' elvai ßJyovai Tfjg IlaZÄciöog leQÖv). Hence, in the time
of Demetrius of Phalerum. as Photius (Philochorus) teils us '), the no)»o)>hi/-
laccs y.al rfj na/.?MÖi t)jv nofinijv ix6a/iovt\ öre xo/idt^ono tö ^öavov fni
%i]v ^ü?Maaav. This was probably their cliief work at the time of Aristotie,
and they are not mentioned by liim in bis ConstUntion of Athens because
he omits altogether a reference to the Phjnteria, as the festival was
called of which the pompe to Pallas was the centre. Of course, Demetrius
did not introduce the Pli/nter/a ^). uor do we see any reason wiiy he should
have given the management of the pompe to the noiHophylaces had this
board not possessed this function from of old '). And in fact it is impos-
sible to suppose that an Innovation of tliis sort was made by Ephialtes
in 462/1 B. C. Rather. the guai-diansliip of the pri/fmienm and its Con-
tents — the vöuoi and the cultus In particular • — was simply transfer-
red from the Areopagus to the seven nomophyJaces , who were then for
the first time clearly distinguished from it. Their connection with the
Areopagus was always one of intimacy; hence the insistence of Philo-
chorus and the scholiasts and lexicographers that they were not identical
witii the thesmofhetae ; hence their revival simultaneously with the re-
vival of the Areopagus in 317 — 307 B. B. : but whether they were Areo-
pagites and in a sense its executive committee, or simply the heirs of
some of the old Areopagite functions, or connected with the Areopagus
in some other way*), we cannot say.
From the inscriptions we learn that the anuyraplteiis. Iiitherto an ob-
scure officer and hence not mentioned in the Constitution of Athens, was
elevated in 321 B. C. to the post of registrar and custodian and publisher
of public documents. The reformers thus systematized the clrayQafi]
TÜv öijnoaiwv yQUi^ifiäiov^). the dfayQaq)ij TÖJr xrtjfidTcov xai avfißo-
A.aio)v, for which Theophrastus had argued, being left, as we have seen,
1) S. V. NofJO(piXaxfc; cf. Starker, 4.
2) A. Mommsen. Feste d. Stadt Athen, 491 ff.
.8) The maintenance of decorum during the procession beloiiged to the sphere
of duties of (pjmiecimomi rather than of nomophi/Jaces.
4) Starker {11 ff.) iiiterprets the passage of iea;. caiit. quoted above on p. 271 to
mean that the iimnophylaces. like the thesmotketae. ixvsficiivov ftg xbv " Aqbiov nayov.
That. however, could only .signify that ex-nomophylctees, like ex-archons, became Areo-
pagites. This, however, is improbable even for 317 — 307 B, C. What the lexico-
grapher says is clearly that the archojis. after having been comraended at the end
of their term {iazetpavwßfvoi), entered the Areopagus, while the nomophylaces, whose
insignia of Office were azitnipict Itvxä, both sat opposite the magistrates at the festi-
vals and conducted the pompe to Pallas.
•5) On this subject see Wilhelm, Op. dt., 271 ff'.
11
276 William Scott Fi:y(iiismi, The Laus of Demefrius of Plialenim.
for subsequent action. It is barely possible that they elevated the noitio-
phi/laccs at the same time^). But for tliis view no evidence exists,
whereas all the probabilities favor tlie attribution of this far reaching
reform to Demetrius of Phaleruni.
The erroneous statement of PoUux that the Eleven were renamed
noinophiilaces by Demetrius connects definitely the first appearaiice of the
name nomoplnjlaces with the person of the Phalerian. Tlie inauguration
of a board of conti-ol advocated first by Xenophon and Plato and lat-
terly by Aristotle (and Theophrastus) -). that is to say, a pet refonn of
the political seientists. who, according to Cicero , found for the first
time an executor of their ideas in Demetrius. is hardly to be disassocia-
ted from the government of the Peripatetic legislator. The cm-bing of
the ecclesia betveeen 317/6 and 307 B. C. which is obvious to us still in
the paucity of extant decrees and which is implied in the tyranny later
attributed to Demetrius, as well as the apparently almost complete ces-
sation of lawlessness on the part of the magistrates or — what amounts
to nearly the same thing — of accusations of lawlessness made against
magistrates before the Senate and ecclesia and tried by them or by the
heliaea (daayyeÄiai)^). presupposes the activity of some such magistracy
as that described by Philochorus in his seventh book — the one in
which the regime of Demetrius *) was treated.
One further bit of evidence leading to the same concliision must
finally be noticed. The Greek law-code of Ptolemy Soter was, we are
told on credible authority, the work of Demetrius of Phalerum^). The
tradition is. moreover. confirmed by the code itself. some sections of
which. recently discovered "), show unmistakeable indebtedness to the i'ö-
fioi of Athens '). Now Egypt had noitwjjJii/laces also *). Hence we are
led to infer their creation by Demetrius in both places. In Egypt they
have moreover Jurisdiction in the case of y.uy.ovQyoi — powers which
prior to 321 — 317/6 B. C. had belonged to the Eleven in Athens, which
apparently were transferred to the mmiophtjlaccs and the Areopagus by
Demetrius, and which remained with the Areopagus alone on the aboli-
tion of the coUaborating magistracy in 307 B. C.
Cambridge Mass. U. S. A.
1) Gaetano de Sanctis, Belocti's Studi. 11 4. — 2) See espeeially Starker. 32 tF.
3) This, however, may be sufficiently explained by the change made by Deme-
trius in the size of the jury competent to try fioctyyeh'at. Cf. Spangenberg, de
Athen, publ. institutis aet. Mac. comni. (Diss.) HaUe 1884 17 f.
4) Boeokh, Kleiiie Schriften, V 421 ff.
5) Aelian, Var. Hist., III 17: xal iv Alyvnno di, avixov zw nzo/.efiaUp, vo/io^t-
atag »;pe£ (Jtjfi/jZQios).
6) Paptjri grecs de Lille, I 2 124 ff.
7) Bouche-Leclercq, C. R Acad. Imcr., 1908 383; Perdrizet. Ibid.. 448 ff'.: Haus-
soullier, Eevue de Philologie, 1910 133. — 8) Papyri grees, Loc. cit.
12
277
11 doniinio egiziano nelle Cicladi sotto Tolomeo Filopatore.
Di A'inceiizü (Jostanzi.
Neil' ultimo decennio del regno di Tolomeo Filadelfo. Li sna flotta
fu sconfitta a Kos da Antigono Gonata, come ricaviamo da testimonianze
troppo scarse per una perfetta ricostruzione del periodo di cui la battaglia
menzionata fu l'epilogo o un episodio, ma sufficienti per congetturare il
posto che essa dovette avere nella serie degli avvenimenti, e stabilire una
cronologia approssimativa'). Una disfatta navale subita dalla flotta egi-
ziana avi-ebbe dovuto avere gravi conseguenze pel dominio o almeno pel
prestigio delP impero tolemaico nel mare Egeo ; tuttavia nell' iscrizione
adulitana tra i possedimenti che l'Evergete avrebbe ereditati dal padre
vengono enumerate anche le Cicladi. che apparirebbero come il frutto piü
desiderabile dun successo navale pel re di Macedonia '^). Senza dubbio
il linguaggio apologetieo del documento suscita giustamente la nostra
diffidenza; ma se possiamo ammettere in esso esagerazioni e travisamenti.
non e concepibile una menzogna che oltre all' essere impudente. sarebbe
stata anche ridicola. perche l'Evergete con l'affermazione della sovranitk
sopra un paese strappato alla propria dominazione non avrebbe f'atto altro
che commemorare un disastro. Pertanto corrisponde ai dettami d'una cri-
tica prudente l'ipotesi che l'impero tolemaico. se pote essere in quell' oc-
casione menomato nelle Cicladi, non per questo venisse del tutto abolito.
Le stesse considerazioni sulle conseguenze della battaglia di Kos val-
gono per quelle della battaglia d'Andro o. qualoi-a si nutra ancora qualche
1) Per la battaglia di Kos cfr. Athen, p. 209 E: Plut. 3Ioi: p. 545 B; 183 D ;
676 F (?) ; Diog. Laert. IV 6, 39. La connessione con la guerra cremonidea, supposta
dal Droysen (in 1, p. 240 sg.) e dal Niese (II p. 131 sg.), 6 inconciliabile col passo
di Diogene Laerzio teste citato, dal quäle risulta che Atene era in potere d'Anti-
gono. La cronologia (circa 256 a. Cr.) e le combinazioni piü probabili sono quelle
proposte dal Beloch (III 1 p. 618; III 2 p. 431 — 6); e se anche fossero giuste le con-
siderazioni di Giulio Augusto Levi {Ätti della B. Avcademia delle Scieme di Toriiio
XXXIX p. 629 — 632). si soenderebbe solo di qualche anno.
2) Dittenberger OGI 54 lin. 5 sg. nufjct/.aßwr Tifcpä zov natfidg rijv ßctaü.tkiv ....
xal X ü) V K V y. ).aS <■» >' v >](> v> r y.x'i..
1
278 Vincemo Coslanzi,
diibbio circa Tidentitä di questa con quella presupposta nel cenno di Trogo
{Prol. XXVIII), della battaglia che spianö ad Antigono Dosone la via
alla conqnista totale o parziale della Caria '). Certamente Amorgo -) Ni-
siro ^) e Kos *) ad Oriente. Siro "), forse anche Andro, Paro e Citno ") ad
Occidente erano sotto il patronato del re di Macedonia. Delo, in cui An-
tigono Dosone dedicö un monumento conimemorativo della battaglia di
Sellasia "), era certo sottratta all' infliienza tolemaica. Ma da ciö non con-
segne che le Cicladi fossero tutte perdute per i Tolomei e fosse suben-
trata all' egemonia tolemaica la macedonica. come si e recentemente sup-
posto (Delamarre ih. p. 323). Lo stes.so linguaggio di Livio nel nan-are
il ritomo dei Rodü in Asia renderebbe per se stesso molto discutibile
questa illazione, perche egli designa solo Andro. Paro e Citno come sta-
zioni di presidii macedonici (Liv. XXX 115. 8). D'altra parte, se anche
ci mancasse ogni indizio di dominio tolemaico nelle isole, si ricaverebbe
indirettamente dal fatto che nel Peloponneso **), a Greta''), nella lonia ^°).
1) Ho enumerate le varie opinioni in Birisia di Filohyia XXXVII p. .J18 — .319.
2) Delamarre. Kerue de Philologie XXVI [1902] p. 301 sg. specialmente p. 317 sg.
S' intende che. dovendo dimostrare la soprawivenza dell' impero tolemaico nelle ac-
que dell" Egeo, poco importa se alcune isole come Amorgo e Nisiro si possano a
rigore chiamare Cicladi. Cfr. Hiller von Gärtringen in IG XII 5 pars altera p. I — II.
3) Dittenberger I- 263, da cui si rileva che Nisiro era sotto il dominio di Fi-
lippo. Che Nisiro sia stata conquistata da Filippo durante il KQtjnxbi Tio'/.iuoQ, come
inclinano a credere il Dittenberger e l'Herzog {Klio II p. 328). e moltö improbabile,
quando sr riconosca il Dosone nell' Antigono nominato ripetutamente nelle iscrizioni
amorgine riportate dal Delamarre (cfr. n. prec). L'iscrizione (IG XII 3, p. 17) che
l'Herzog (1. c.) vorrebbe riferir alla guerra cretese del 204—201 e dall' Hiller von
Gärtringen {IG n. 103) posta anche per ragioni paleografiche nel 153 av. Cr.
4) Vedi Beloch HI 2 p. 463; Sammlung d. Dial. Iiii<chr. 3611 ; Delamarre ih. p. 314.
•5) Delamarre ib. p. 310.
6) La spiegazione del De Sanctis {Kliu IX p. 64. 2) che Y 'ASplas di Plutarco
{Ärat. 12) sia un' inesperta emendazione di 'Avdola:. corrotta da 'Avduov per l'in-
fluenza del seguente no/.ejuici:, mi sembra per ragioni geografiche e paleografiche plau-
sibilissima. Ma da ciö non consegue necessariamente che Andro abbia senza inter-
ruzione appartenuto alla Macedonia fin dalla battaglia di Kos o almeno sin dalla
liberazione di Sicione (r. sotto), e tanto Andro che Paro e Citno (Liv. XXXI 15) pos-
sono essere stati recuperate da Filippo al tempo della guerra rodio-cretese. Per
Paro saremmo certamente piü informati se I'epigrafe IG XII 5 parte prima n. 125
(p. 37) ei fosse conservata meno lacera.
7) Holleaux in BCE XXXT p. 94 sg. Quando Delo abbia cessato di appartenere
al xonöv delle Cicladi (dato pure che questo xoivöv continuasse ad esistere pure es-
sendo il dominio di esse frazionato), e superfluo ricercare, per la natura troppo cir-
coscritta della questione che ci occupa. Vedi in ogni modo Holleaux ih. p. 114 n. 2:
Graindor, Melaiiges Eurth p. 4: von Schotter in Pauly-Wissowa IV 2 p. 4283.
8) IG XII 3 n. 466—7.
9) Ib. e Strab. p. 472.
10) Beloch III 2 p. 277. Efeso, Samo, Lebedo erano certo tolemaiche alla fine
del terzo secolo. Intorno a Mileto si puö avanzare qualche dubbio.
// (h»iiinio eghi(tm) nellr Cickuli sottn Dj/oiimi Filopntnn-. 279
nollci Tracia M diiraviino possessi tok'maici alla niortc di 'I\ilomeo I''il()-
patore: onde sarebbe ben strano che propi-io nell' arcipelaj^o i Tolomei
non fossero riusciti a conseivare neanche un avamposto. Tera almeno era
tolemaica fino ai tempi del Filonietore'-), ed e appena credibile che il suo
acquisto datasse dai terapi di lui o dell' Epifane.
Contro questi dati positiv! hanno un valore molto problematico le
induzioni tratte dall' inerzia della flotta tolemaica contro le depredazioni
di Denietrio di Faro ^) e di Dicearco etolo ''). Noi non sappiamo se le
scorrerie fossero dirette contro tutte le Cicladi, ma il contegno di Tolomeo
e dei suoi luogotenenti e per lo meno tanto problematico quanto quello
di Filippo di Macedonia. che. pur- avendo dei possedimenti nelle Cicladi,
agi di concerto con questi predoni. Certo l'incuria di Tolomeo e di An-
tigono per la sorte di queste isole, fatte segno alle scorrerie dei predoni
sopra ricordati, renderebbe a prima vista accettabile l'ipotesi dell' HoUeaux,
il quäle suppone una prostasia dei Rodi nel Mare Egeo *). Se questa
prostasia ebbe luogo, non assunse perö il carattere d'una sovranita rico-
nosciuta : almeno non risulta ciö da alcuna attestazione esplicita ed e in
manifesta contraddizione con qualche dato delle fonti. Infatti i Rodii ri-
tornando nel 200 dal Pireo in Asia strinsero alleanza con tutte le isole
Cicladi, tranne Andro, Paro e Citno tenute dai presidii macedonici "). Ma
l'alleanza sarebbe un controsenso, qualora i Rodii esercitassero allora un
protettorato formale sulle Cicladi. Ne e supponibile che i Rodii pevdes-
sero i loro domini in seguito alla battaglia di Lade combattuta nel 200
contro Filippo (Pol. b. XVI 14 — 15) poiche lo stesso travisamento della
veritä storica compiuto da Zenone e Antistene, scrittori contemporanei,
che gabellarono la battaglia di Lade per una vittoria dei Rodii, mostra
che l'impero di Filippo non si ampllö per effetto di essa a danno dei
1) Polyl). V 37, 7 e(p>jd()evov (oi nQÖrf(>ni> zoO 'PO.oKc'noQOq ßuailtvaavrSQ) de zoZg
tv Tjj 0(>axij xf/l Totg iv zfj Maxeöovia TtQuyfiaai, xCov xat' Aivov xal MaQuivfiav xal
TioQ^wK^iov tzt -jxQÖxfQov xvQtfvovxiq. Liv. XXXI IG.
2) Hiller von Gärtringen , Festschrift zu Otto Hirschfeld's LX. Geburtstage p.
87—99, spec. 9.3—99; Thera I 167 sg. ; Beloch III 2 p. 282. 3; Graindor, Milanges
Kurth p. 12 D. 1.
3) Delamarre o. c. p. 328; Homolle BCH XXXI p. 112. — Polyb. V. 8.5. 11 xal
yä() rcä'q iv lotg xctzci Sciftov ijativ xönotg ovx u/.i'ycu xal aXQO.xituXiov n/Sj&oe tv xoTg
xux' "Eifsaov. Quest' accenno di Polibio e in connessione coi maneggi di Cleomene
alla Corte di Tolomeo Pilopatore, e alla politica dei suoi consiglieri. specialmente
Sosibio, che veiigono rappresentati {ib. 38. 8) xaxo.<fQOvovvzfq xü)v e§(u npay/xäxiuv diä
zö ßfZ)fAlayivai ' Ayziyovov xal vofxitftv ftäxaiov avzoTg iaeaSat zfjv sie zavxct äananjv.
4) Holleaux ib.; Polyb. XVllI ,54; Diod. XXVIII 1.
•5) Delamarre ib. 324; Holleaux ib. 114; Hiller von Gärtringen IG XII h p. 2 a
p. xvm.
6) Liv. XXXI 15. 8; Blioilii praeter Ciam ab Aegina, inde per insulas Rhodum
natigarunt otnnibus praeter Andrum Parumque et Ci/Hirium, quae praesidiis Macedomtm
teiiebantur, in societatem acceptis.
8
280 Vincenzo Costanzi,
Rodii. Inoltre se Filippo avesse iillora strap]mto ai Rodii le Cicladi. Po-
libio non si sarebbe limitato, per confutare i prelodati storici, solo a ricor-
dare romaggio di Mileto (Polyb. XV 15, 5 — 8) a Filippo. ma an-ebbe senz' al-
tro rilevato lo strappo d'una parte cosi cospicua di territoi-io dall' impero
Eodio. Invero senza supporre un' egemonia dei Rodii nelle Cicladi. si
compiTude come essi per proteggere i loro commerci intraprendessero la
difesa delle isole minacciate dalle incnrsioni. e tra queste quelle soggette
air Egitto si rivolgessero ai Rodii, visto che da Tolomeo non potevano
sperare soccorso ').
Le i-agioni di questa condotta passiva del re d'Egitto vanno cercate
nelle condizioni interne del paese. Non occorre ricordare che all' indo-
mani della battaglia di Rafia (217 a. Cr.) incominciö la reazione dell ele-
mento indigeno contro il greco (Pol. b. V 107, 1) e che queste discordie
intestine si prolungarono per nn buon tratto del regno di Tolomeo Epi-
fane ^). Altri stati hanno trovato l'energia di condurre imprese militari all' e-
stero menti-e comprimevano i niovimenti rivoluzionari all' interno. nia non
era l'Egitto sotto il Filopatore capace di questa forza di resistenza, anche
ammesso, anzi forse appunto per questo, che non fosse tutta colpa del
monarca la rinuncia ad ogni velleitä imperialistica (Polyb. V 34, 8 — 9).
Pertanto. non petendo difendere i domini insulari che gli erano ancora
rimasti, era costretto a tollerare ehe gli abitanti di questi provvedessero
ai casi propri, invocando l'intervento di uno stato interessato a difendere
i temtori marittimi dalle aggressioni di corsari.. Infatti per contrastare
con le armi ai Rodi il diritto di stringere trattati con .staterelli posti no-
minalmente sotto la sua sudditanza si sarebbe richiesta quella prepara-
zione e decisione alla guerra necessaria per propulsare le aggressioni pi-
ratesche. Ma se e naturale e spiegabile la connivenza dell' Egitto a quest' a-
zione dei Rodii, con i quali non aveva motivi di rivalitä. non sarebbe
stato in niun modo da aspettarsi che il sovrano d'Eaitto si potesse rasse-
gnare senza reagire ad un' usurpazione manifesta dei suoi territori da parte
1) Non si puö vedere rattestazione cVuna sovi-anitä dei Rodii nelle Cicladi in
queste parole di Polibio IV 47, 1 ndvziQ 6' tvfxc'ü.ovv oi n>.wiX6,u(voi loig 'Podi'oic öia
zb öoxeTv Tovroig Tiooiaravai tü>v xata S^d'/.aaaav. Per altra ria. cioe appoggiandosi
a un passo di Polibio (V 1Q5, 6 — 7) giunge a negare regemouia rodia sulle Cicladi
il Graindor {ibid. p. 11—12). Yedi anche Koussel BCH 5XXI p. 360, ed Herzog.
Klio II p. 333.
2) Dittenberger OGI I n. 90 lin. 2 p. 142: . . . avzmäliuv vntQteQov. L'opinione
del Mahaffy [The empire of tJie Ptolemies p. 273 =: History of Egypte p. 140). seguita
dal Niese (II p. 406), che connette con queste ribellioni la notizia diodorea (III 6)
suUa defezione d'Ergamene da Tolomeo Filadelfo non resiste per nuUa alla critica.
Poiche, se anche si ammette la possibilitä d'un ei-rore di Diodoro, che abbia scam-
biato il secondo col quarto Tolomeo, o meglio d'una corruttela nel testo di Diodoro
{Sevzt^oi; scritto per (T), e chiaro ehe la defezione d'Ergamene, principe etiope. non
ha nulla a vedere con la riscossa d'un popolo assoggettato. Cfr. Beloch (III 2 p. 286)
che tacitamente repudia quest' opinioue.
II dominio cr/isiaiio nellc Ciclufli soffo Tolonwo Filopntore. 281
ilel re di Miiocilünia. col quäle esisteva im tiailizionale antagonismo ; e
quinfli l'anessione ilelle Cicladi e delle coste rlcH' Kgeo doveano far parte
del programnia di conquista avniata per cui Filijipo si allen con Antioco.
Che Filippo dovesse impadronirsi delle isole e del litorale dell' Egeo
sottoposto a Tolomeo. e attestato espHcitaniente da PoHbio (III 2.8);
Oig i7ti(Tvrdil<0fiei> rag negi tijv ATyvmov lUQayJiz y.cü ih'a rqönov
IlToZefiaioi' rov ßaaiÄicog fieraXAtc^aPTog ihr ßiov (Tv/icpQovr'joavieg 'Av-
rioxog xa'i Qfihnnog im diaiQeaei t//c toi"' xaTCcAeAei/iftirov naiöög äg-
Z'/? i'iQcavTO y.ay.onQayfiovfji> xal rag x^'Q^^i fnißüZAfip. 0l2ijinog fiev
jolg xar' A lyvm ov xal Kagiar aal Säfiov. 'Arrioxog öe roig xarä
Koi?.)]v Svqiav xal 0oiviy.tjv (cfr. Niese. Gesciurhfe II Tp. r)78 n. 1) dove
all' assurdo Al'yvmov il Niebuhr .sostitui A'iyaiov^). Vero e che qiie.st'
etnendazione e stata ritcnuta falsa perche in disaccordo con la cronologia
delle guerre di Filippo in Asia negli anni 202 — 201 -). e giudicata duna
grecitä sospetta. Ma IHolleaux il quäle vede uelle imprese significate
col %oig .... y.aiu Kagiav non giä le .'ipedizioni di Filippo in Carla nel
201, bensi le ineursioni dei satelliti di Filippo contro Jaso compiute nel
202, quasi contemporaneaniente al colpo di mano su Cio, corregge YÄi-
yvnrov in Klov, pur facendo delle riserve su questa congettura ^). In tal
modo gli sembra d'avere eliminata l'unica testiraonianza autorevole per
l'esistenza d'un residuo di domiuio tolemaico nell' arcipelago. Senonehe
la correzione dell' Holleaiix non solo e incerta, ma secondo il mio avviso
inaccettabile. Egli primieramente esige da Polibio un ordine cronologico
che nessun scrittore si e mai imposto in un cenno antieipativo, dove for-
mula sommariamente il programma della materia da trattare '') ; in secondo
luogo la presa di Cio non poteva far parte d'un piano di spartizione dei
domini tolemaici tra Filippo e Antioco. poiciie Cio non ha mai apparte-
nuto all' Egitto. o aluieno non gli apparteneva nell' ultimo decennio del
terzo secolo, ma faceva parte della lega etolica''). Finalmente non sono
1) AhhundhDujen der Berliner Akademie 1820. 1 p. 10(5. Vedi le edizioui ilell'
Hultsch e del Büttner- Wobst.
2) Eerue den Ä'Htdes Grecquex Xl[ 1899 p. 20. 37. dove THolleaux illustra tre
iscrizioni rodie eontenenti la deliberazioiie di .soecorrere i .Tasii contro le ineursioni
di Olimpico e Podilo, satelliti di Filippo.
3) Ih. p. .37 n. 2 „Les nianuscrits donnent zar' Ai'yvmoi: que Niebuhr a rem-
place par zöt' Alyaiov. Cette conjecture a ete unanimement accepte par tous les
editeurs plus recents: mais l'expression xat' Ai'yaioi: ponr designer les lies de la
mer Egee, me semble tout ä fait insolite; et d'autre part. il serait bien etrange que
Polybe n'eüt pas rappele d'un mot les entreprises de Philippe contre les cites de la
Propontide : c'est pourquoi que je propose, d'ailleurs sous reserves, la correction ;<«t[«]
Klov ,(cioe KATAKION corotto in KATAITYnTON). Vedi ancora BCH ib. p. 111
n. 2" mais cette conjecture n'est guere acceptable. etant d'une grecite douteuse".
4) Cic. De imper. Cn. Pomp. 6, 14; Liv. IX 19, 14. In ambedue i luoghi la guerra
dei Romani con Antioco e nominata prima di quella con Filippo.
.5) Polyb. XV 21,3-8; XVIIl 3,12: Liv. XXXII .33,16; Niese II p. 582.
K ! i o , Beiträge zur alten Geschichte XI 3. jg
15
282 Vinccnso Costmizi.
giusti6cati i ilubbi contro la grecitä dell' espressione y.ai' A'i'yainr^). e.
riconoscinta la legittimitä di quest' uso. nou vi e ragione di rinunclare al
riscontro di Appiano. che pone räc KvyJAdaQ vi'iaovc. nella porzione di
preda spettante a Filippo nella divisione del regno tolemaico tra lui e
Antioco, solo perche il luogo d" Appiano rignrgita dVrrori "').
Non e adimque temerario siippoiTe che gli efFetti della l)attaglia
d'Andro venissero neutralizzati prima dalle complicazioni per cni Antigono
Dosone si dovette rassegnare a eedere agli Etoli l'Acaia Ftiotide. la Tes-
saliotide e TEstieotide ^). poscia dalla guerra cleomenica, della quäle pro-
iittava Tolomeo per ricuperai-e qualche perduto territorio nell" Egeo. La
guerra sociale sotto Filippo e forse la guerra successiva con gli Etoli
distrassero Tattenzione del giovane re da ogni mira a rignadagnare la po-
sizione che la vittoria navale d'Andro avea pel momento creato alla Ma-
cedonia*). I Rodii che avevano vitali interessi da tutelare profittarono
degli imbarazzi del re di Macedonia e dell' inerzia di Tolomeo Filopatore
e per assumere un patronato uel mare Egeo. ma a un protettorato for-
male non pervennero che dopo la seconda guerra macedonica.
1) Neil' espressione xut^ Aiyaiov veggo una luetoniraia iie inusitata ne inele-
gante, e la coordinazione di TOfc xax' Aiyaiov con gli altri due menibri indieanti
senz' altro i luoghi. meta delle ambizioni di Filippo. e tanto giustificata come la
seguente in Appiano (Milhrid. 95) : J^ixeh'av xul zbv '1 6 v i o v f(f>v).ccaaov aitw Wxo-
xidq TS OiäQOQ xal TfQSVTioq OvÜqqwv ti(y_Qi ' AxaQvaviaq.
2) App. Maced. 4, 1 : /.6yOi zs ijv ozi <Pi>.i7i7tog xal \ivzioyo: 6 —vqcuv ßaai/.fv:
vnöaxoivzo nXXtjloiQ, ' Avziöym fisv 6 <P!).i7i7ioi; azgazfveir im' zt ''A'i^'vnzov xal inl
Kimpov, üiv zÖTS ij^yiv ezi naXq tov Ilzo/.f/iaTos 6 zszapzog, w 4>t).07iazuip inijow/iov
ijv, <t>i).innu> d' 'Avzioyog inl KvQi'/vtjV xal zag KixXääag rtjoovc xal ^luiv'iav. Gli er-
rori che si notano in questo luogo provano solo Timperizia del compilatore : ma non
e questo un motivo per condannare in blocco la testimonianza. come fa l'Holleaux
{ih. p. 112 n.). Con questo criterio dovremmo rinunciare a valerci non solo di Ap-
piano, ma anche di Plutarco e di Diodoro. Appiano confonde il Filopatore con l'Epi-
fane, e si spiega: nella sua fönte trovava nominato soltanto Tolomeo, ed egli ba
supplito a memoria l'epiteto. Appiano inoltre ha, per equivoco o per guasta lezione
del suo testo, letto KvQtjvijv invece di KaQtav, come par sospetti anche l'Holleaux.
Ma zag Kvxi.äSag rffiovc non le ha poste di sua testa. Questo cenno deriva indiret-
tamente da Polibio.
3) Si poträ diseutere suUe modalitä, ma la tesi del Beloch (III 2 p. 340 sg.) che
queste province fossero incorporate alla lega etoUca nei primi anni del regno di
Antigono Dosone, e senza dubbio giusta. Inoltre la ribellione dei Tessali (Trog.
Prol. XXVIIl. lust. XSVIIl 3, 14) mostra come non fosse ancor molto salda l'ege-
monia della Macedonia nei paesi sottomessi o legati con qualche patto federale. Si
comprende pereiö che non fosse facile conservare i dominii marittimi.
4) La questione se Antigono Dosone o Filippo avesse trascurato l'incremento
della marina. e fino a un certo punto secondaria. Del resto dalla lettura dei luoghi
di Polibio (V 2. 4, 7. 11) nou si ricava punto che la flotta macedonica fosse stremata
del tutto. come ritiene l'Holleaux (ih. p. 107 n. 3). Si comprende come, dovendo lot-
tare con un popolo di pirati come gli Etoli si dovessero raddoppiare le eure e le
esercitazioni. Inoltre, dal momento che gli Achei erano alleati dei Macedoni. e chiaro
che si cercava di ottenere con la consociazione il massimo delle forze.
// (Idiiiiiiio cgiziano nrllc Cirladi sotto Tolonwo Filoixüorc. 283
A ]i |) (' n il i c e. — 11 niunoscritto ilcl pit'scntc liivoro er;i stato con-
segnato da circa un anno alla direzione del peiiodico Klio, quando venne
alla luce (o almeno venne a niia conoscenza) l'opuscolo Der Bund der
Nesioten del dottor Werner König. Anch' egli ritiene (p. 18 — 31;
specialmente p. 28—30) che il doniinio egiziano siasi conservato nelle Ci-
cladi durante il regno di Tolumeo Filopatoi-e. giiingendo spesso per altra
via alle niia conclusioni, e consente con nie anche nella difesa dell' emen-
dazione proposta dal Niebuhr a Polyb. III 2, 8. contro i dubl)i sollevaH
dair HoUeaux riguardo alla grecitä della locuzione y.cn' A'i'yaior. l'crii
a p. 30 n. 7 ha citato per svista. a confoito della congettura niebuhriana.
il in 2, 8 che e appunto il luogo controverso. e il XVI 34. 1 (h' Aiyaiov
noiijaüfievog jov tiIovv, la cni analogia col y-ar' A'iyaiov in discorso con-
siste solo nella mancanza dell' articolo. Ma non credo che per questa
IHolleaux abbia messe in dubbio la grecitä della locuzione. bensi per l'iiso
di Ai'ycuov invece di KvA^öag.
Pisa, febbraio 1911.
284
Vopiscus und die Biographie des Kaisers Tacitus.
Von Ernst Hohl.
II. Prüfung der vitn Tacifi des Yopiscus.
In cap. 1 und 2 bringt Vop. die Nachrirlit vom Interregnum nach
dem Tode des Aurelianus. üass es unmöglich ist, ein Interregnum in der
Ausdehnung von sechs Monaten anzunehmen, ist heute allgemein zuge-
gegeben'). Stein bei P.-W. III. Sp. 2878 nimmt im Anschluss an v. Sadee
(De imp. Rom. III. p. Chr. .«. tempnrihus ronsütnendis. Diss. Bonn (1891)
S. 50 f.) an, dass eine Verwechslung mit Tacitus' Regierungsdaner [Tac. 14, 5
sex niensibus-, vgl. auch Eutrop IX 16) vorliege, worauf auch der Aus-
druck interret/es für Tacitus und Florianus (Tac. 14. 5) hinweise. Sehen
wir uns nach den übrigen Zeugnissen für das InteiTCgnum um, so finden
wir ein solches ausser bei Vop. {A 40, 4 heisst es. dass das römische
Reich sechs Monate keinen Herrscher gehabt habe: der bezeichnende Aus-
druck mterrcgnum ist vermieden) nur noch bei Aur. Vict. Cues. 36, 1 und
in der Epitome 35, 9 erwähnt. Das führt uns also nach allem, was wir
bis jetzt gesehen haben, ohne weiteres auf die „ Kaisergeschichte " -).
Dass die Epitome das Interregnum sieben, die andern Quellen nur
sechs Monate dauern lassen, ist eine Abweichung, die natürlich nicht auf
eine andere Quelle schliessen lässt (sie ist entweder paläographisch zu er-
klären VII statt VI\ oder aus einer Umsetzung in die Ordinalzahl, etwa
dass die Quelle den Tacitus .^eptimo nicnse nach dem Interregnum auf-
kommen Hess).
Zu den Tendenzen der „ Kaisergeschichte " stimmt das Interregnum
vortrefflich. So entsteht eine grosse Zaesur zwischen dem gestrengen
Aurelian, dem Pädagogen des Senats'), und dem senatsfrommen Kaiser
Tacitus, der nur von Senatsgnaden auf dem Throne sass. Dass freilieh
auch eine Anerkennung der gewaltigen Persönlichkeit Aurelians in dieser
Konstruktion eines sechsmonatlichen Stillstands liegt, ist klar. So mächtig
war die Wirkung auch noch des toten Herrschers, dass alles in guter
Ordnung blieb. Nun i.st es interessant, dass schon Aur. Vict. Caes. 35, 12
1) Th. Bernhardt {Politische Gesch. d. röm. Kais. Berl. 1867, S. 214) hat den
»unerhörten Fall einer Zwischenregierung " noch ruhig hingenommen; vgl. jetzt
Groag bei P.-W. V. Sp. 1403 f. und Stein, ebd. 111, Sp. 2878.
2) So hat auch'Groag bei P.W. V, Sp. 1349 und 1404 geurteilt: ,Die Berichte
über das Interregnum sind aus der ,Kaiserchronik' geschöpft."
3) 4 37, 3; vgl. Jacob Bui-ckhardt, Die Zeit Comtmitins d. Gr. 1880», S. 27.
53
Knisf Hiilil. Vo/ßisiiis inid dir li/oi/rKpliic drs Kuisrrs TacMtts. 285
sagt: atque etiam soli. quasi Rotnulo intenegni species ohvenit, longe vero
gloriosior. Da auch die Epitome a. a. 0. die Worte intcrrefpii species
gebraucht, so stand dieser vorsichtigere Ausdruck gewiss schon in der
, Kaisergeschichte ". Der Vergleich mit Roniulus, nach dessen Tod das
erste Beispiel eines Interregnums eingetreten sein soll, gehört so eng
mit dem Begriff inierregnmn zusammen, dass auch hiefür die „ Kaiserge-
schichte" verantwortlich gemacht werden ilart'. Natürlich lässt sich Vop.
deren Anregung nicht entgehen und kramt nun in breiter Einleitung seine
staatsreclitlichen Kenntnisse aus*). Dass Vop. überhaupt solche Neigungen
zeigt, hat Brunner a. a. 0. S. 17 if. ^) zusammenfassend behandelt. Was
die Ausführungen des Vop. über das Interregnum nach Komulus' Tod be-
trifft, so berühren sie sich mit der livianischen Tradition (s. Mommsen,
Staatsrecht III, 2 (1888) S. 845 Anm. 3) 3). - Zu Vop. Top. 1.1 (hint
post bonitm principem honus alius (ptaeritiir vgl. 2, 2 dum homis qiiacritur.
Der bomis princeps im typischen Sinn ist allerdings Aurelian für die
,, Kaisergeschichte " nicht gewesen — genau genommen geht übrigens honus
princeps auf Romulus — , wie schon Enmann (S. 434) gezeigt hat. der
die Grausamkeit des Aurelian durch sie in gTelles Licht gesetzt werden
lässt. Aber als eine tüchtige, ja überragende Herrschergestalt hat sie
ihn zweifellos anerkannt. — In Kap. 2. 4 ist kurz noch einmal die Er-
mordung des Aui-elian berührt, die, schon superiore lihro beschrieben,
erfolgt sei cuUiditate servi nequissimi, crrorc milUmium. Dieser Hin-
weis auf die vorhergehende Biographie ist charakteristisch für Vop.. der
derartige „Verklammerungen" ausserordentlich liebt und stets den Ein-
druck einer sukzessiven Entstehung der Biographien erwecken will, wie
er ja am Schluss einer Vita auf die kommende hinzuweisen pflegt. Aus
dem servi nequissimi ergäbe sich natürlich ohne andere Zeugnisse gar-
nichts für die persönliche Stellung des notarius, durch dessen Intrigue
Aurelian umkam. Denn auch Felicissimus wird in dem gefälschten Brief
Aurelians (.4 38, 3) uHinms servorum genannt.
Vielleicht darf icli auf die Ermordung mit ein jjaar Worten eingehen,
1) Herr Prof. Kornemann verweist mich auf die sprachlichen Anzeichen später
Entstehung dieser Einleitung: Bonuinae iirbis (1, 1) re.fialis imperü (1, -5) tyrannus
(2, 2) .«»& iudicin senntiis et m i l i1 u m puijuliqiie Romani (die Soldaten zwischen Se-
nat u. Volk geschoben!) vgl. auch 2, 3 qui regna cupiunt.
2) Nach Enmann S. 492 ff. hätte von den S. h. A. besonders Vop. einen Teil seiner
übrigens recht dürftigen Kenntnisse über die alte Geschichte aus dem Buch De
viris illustribus geschöpft, das in umfangreicherer Gestalt, als es uns erhalten ist,
vorgelegen hätte und mit der , Kaisergeschichte " zu einem Kompendium der römi-
schen Geschichte verbunden gewesen wäre.
.3) Nach Enmann ,S. 492 hätte Aur. Vict. sich für die Notiz über das Interregnum
ebenfalls der viri illiistres (s. die vorhergehende Anmerkung) bedient. — Brunner
a. a. 0. S. 19 lässt die ganze Auslassung des Vop. über das Interregnum auf einer
nicht mehr ganz deutlichen Erinnerung an Livius fussen.
54
286 J<nist Hohl.
da sie immerhin zur Vorgescliichte des Tiieitiis sj-ehört'). Es ist ganz
deutlich, dass ^1 35, 5 bis 36 zwei Berichte nacheinander ausgeschrieben
sind. Das hat auch Gräbner a. a. 0. S. 106 f. richtig erkannt. Und
zwar ist der erste Bericht der der „Kaisergeschiclite". Für diesen ist
charakteristisch die genaue Ortsbezeiclmung und die Nennung des Mucapor
als des eigentlichen Attentäters. Dass diese Elemente in der „Kaiserge-
schichte" vorkommen, beweist der Vergleich mit Aur. Vict._ Cwes. 35,8
und Eutrop IX 15. 2 -j (die Epüomc 35.8 schreibt Eutrop wörtlich, aber
nicht ganz vollständig aus, da sie dessen Worte stratae veteris; locus
Gaenophrurium appellahir einfach weglässt). Nun sagt Eutrop -lerri si(>
fraudc ; Aur. Viet. mhüstri scelere ; danach seheint also doch in der
„ Kaisergeschichte " von einem sermia die Rede gewesen zu sein: denn
der Anklang der Worte Eutrops an des Vop. Tac. 2, 4 servi nequissimi
ist doch zu auffallend. Dass Aur. Vict. den servus in einen minister
umsetzt, ist bei ihm gewiss nicht zu verwundern. Höchst interessant ist
aber, dass Aur. Vict. und Vop. A 35. 5 darin zusammengehen, dass sie
beide den Mucapor als den eigentlichen Attentäter nennen : Aur. Vict.
allerdings erst Caes. 36. 2, wo er von der Bestrafung der Mörder Aure-
lians durch Tacitus spricht: cum tarnen prius auctores Aureliani necis
maximeque Mucaporeni (tncem, quod ipsius idit occiderat, excruciavisset. Da-
nach düi-fen wir auch den Mucapor auf das Konto der „Kaisergeschichte"
setzen, umsomehr als er bei Vop. nur noch einmjil ganz plötzlich auftritt
und zwar als Adressat eines natürlich gefälschten Briefs des Aurelian {A
26, 2 ; cfr. P. /. R. II S. 386 M Nr. 504).
Nun folgt bei Vop. A 36. 4 ff. ein zweiter Bericht, den wir auf die
griechische Quelle zurückführen müssen. Dort wird der intellektuelle Ur-
heber des Mordes, Mnesteus, genannt, ein Name, der nicht gerade grosses
Vertrauen verdient^). Zos. I 62,1 und Zon. XII 27 nennen den Geheim-
sekretär, das ist der scrrits. Eros. Ich halte die Vermutung von Groag.
auf die ich zufällig unabhängig von ihm gekommen wai\ für durchaus
plausibel, wonach der Name Mnesteus auf flüchtiger Lesung des Titels
1) Vgl. über die Ermordung Groag bei F.-W. V, Sp. 1402 f. und L. Homo. Ex-
sai sur le regne de l'empereur Äurelien (Paris 1904), Sp. 322 ft'.
2) A (35, .5) heisst es ,iiiter HeracUam et Byzatitiitm". bei Eutrop IX 1.5, 2 (dar-
aus ISpit. 35. 8) aber hinter Constnntinopulim et Heracleam' . Da die „Kaisergescliichte"
in ihrer ersten Fassung gewiss vor der Gründung Konstantinopels (326 bezw. 330)
geschrieben wurde, so uiuss auch sie Bijza^itiinn gesagt haben. Es geht also nicht
an mit Peter, Die S.h.A. S. 40 aus dem Vergleich von A 35. 5 mit Y.niro-p-Epitome
Schlüsse auf die Abfassung der v. A vor der Einführung des Namens Konstanti-
nopel zu ziehen. (Vgl. ausserdem die Bemerkung von Dessau, Hermes 27 [1892]
S. 586.)
3) Der Name ist uns z. H. als der eines vergilischen Helden bekannt. Aeii. IV.
288 etc., vgl. Mfi'fa»fvg, IL B 552 etc. — Freilich kommt z. B. Pap. Ortj. 1. 55. 5.
20 ein Avgrjhoi; Mevta&ivq vor (im J. 283 n. Chr.); cfr. 97, 7 aus dem Jahr 115/16.
55
Vojiiscits /nid dir li/af/ni/di/c deti Kiüsrr.s Turilus. 287
fii]vvjljQ beruhen könne, der sich in den griechischen Quellen findet').
Stein bei F.-W. VI, Sp. o-tS (Eros Nr. 10) meint, man brauche nicht zu
Groags Annahme von einer flüchtigen Lesung des griechischen fitiWTTjg
(oder vielmehr des Wortes minister. Vict. a. a. ().?) seine Zuflucht zu
nehmen, da es öfter vorkomme, dass Sklaven oder Freigelassene mehrere
Namen führen. Stein leitet jedoch alle Berichte, auch die griechischen,
aus einer gemeinsamen Quelle, der „ Kaiserchronik ', wie er sagt, ab, die
zuerst Enmann als Quelle der Epitomatoren nachgewiesen habe. Nun ist
aber doch erwiesen, dass bei Vop. zwei Berichte nebeneinander stehen.
Davon ist der erste der der , Kaisergeschich te". Der zweite aber weist
auf die griechische Quelle hin, die, wie wir oben vermutet haben, ja sehr
wohl direkt oder indirekt auf die .Kaisergeschichte" zum Teil zurück-
gehen kann. Wenn Stein mit der Annahme eines Doppelnamens recht
hätte, so müsste es eine Quelle gegeben haben, die beide Namen genannt
hätte -). Das Hegt aber ausserhalb jeder Wahrscheinlichkeit. Dazu kommt,
dass die „Kaisergeschichte " den Namen des notarius allem nach überhaupt
nicht gekannt hat. Ich schliesse das daraus, dass sie sich weit mehr für
den eigentlichen Attentäter, den Mucapor, interessiert, der von der grie-
chischen Quelle übergangen wurde. Dass aus dem minister des Aur.
Vict. ^) der Name Muesteus entstanden sein könnte, wie Stein — selbst
zweifelnd — andeutet, halte ich für ganz ausgeschlossen. Denn wie sollte
aus dem bekannten und geläufigen lateinischen Wort in einer lateinischen
Arbeit der auflallende Name entstanden sein? Zudem hat ja die „ Kaiser-
geschichte" nach dem übereinstimmenden Zeugnis des Eutrop und Vop.
von einem servits gesprochen.
Icli glaube, folgender Hergang liegt doch am nächsten; die „Kaiser-
geschichte" brachte überhaupt keinen Namen. Sie wii-d benutzt von Vop..
aber nicht allein. Es ist denkbar, dass in der griechischen Quelle, die
er ausserdem noch heranzog, auch noch kein Name stand ; aus dem Titel
fi'TjvvT'i^g oder ähnlich entstand daim bei Vop. der Name Muesteus ''). Der
1) Vgl. Eros in der P. I. R. II, S. 38 E Nr. (» ; ebda. S. 383 il/ Nr. 404. (Mne-
2) Vgl. übrigens für einen iUmlichen Fall Eduard Meyer. Untersuchungen zur
Geschichte der ßraeehen, Kleine Schriften (1910) S. 438: ,dass Einzelheiten, wie der
Name des Mannes, der den Kopf des Gr. einbrachte, nicht sieher stehen, ist nur na-
türlich."
3) Ganz unberechtigt ist die Konjektur von Olivarius. der .\ur. Vict. ('des. 3.5.8
statt ^ministri- ^Mnesthei" lesen wollte. Pichlmayr in seiner Ausijuhe der Caes. (1882)
nimmt sie mit Recht nicht in den Text auf.
4) Vgl. was Gräbner am a. a. 0. S. 126 11'. über ein ähnliches, eigentlich noch
viel tolleres Beispiel anführt: Aus /jiiSoßiipßapoi sind bei Capit. Max. 1. -5 die Namen
Mieca und Hababa entstanden ! (Vgl. auch noch S. 139). Man braucht also nicht
an das berühmte ^lazovTavda des Ptolemaeus (11 11. 27) oder an die '.4pTf«tt« de«
Stephanos von Byzanz zu erinnern, um ein solches Missverstilndnis wahrscheinlich
zu machen. Vgl. Ahdelo bei Solin. 11,26 aus ab Delo des Plin. N. U. 4, 67 oder
56
288 l'^nst Hohl.
Name Eros') kann in einer späteren griechischen Quelle, die wohl ihrer-
seits die „Kaisergeschichte' einsah, zugesetzt sein, eine Bereicherung, die
gewiss nichts auffälliges hat. Aus dieser griechischen Quelle hätten dann
Zosimos und Zonaras (direkt oder indirekt) den Namen Eros gezogen.
Natürlich ist dieser Gang der Entwicklung ziemlich problematisch: es
handelt sich auch nur darum, der Annahme Groags gegenüber dem Ein-
spruch von Stein wieder zu ihrem Recht zu verhelfen.
Auf alle Fälle scheint mir die Herkunft des zweiten Berichts bei
Vop. aus griechischer Quelle gesichert zu sein, wie das auch Gräbner an-
genommen hat^).
Vop. A 37,2 erzählt noch die Strafe des Mnesteus: posteu subrcj^tus
ad stipitem hestiis ohiedus est etc. , eine Bestrafimg , die zum servits
passen würde (vgl. Pollack bei P.-W. III. Sp. 360 s. v. hestiarii, wonach
das ad besfias dainnure. das hier bei Vop. in weiterer Ausschmückung
erscheint, in der späteren Kaiserzeit nur gegen Personen niederen Standes
vorkam). Da Eutrop IX 15. 2 vom Tod Aurelians sagt mors tarnen eins
imdta »on fu'd und Aur. Vict. den Tacitus den Mörder des Aurelian mit
excruciare bestrafen lässt. so wäre es denkbar, dass auch die „ Kaiser-
geschichte" die Bestrafung erwähnt hätte (s. r. Tac. 13. 1). nur natürlich
nicht die des Mnesteus. wenigstens nicht mit Namen, sondern die des
Mucapor. bezw. der Mörder überhaupt ^).
Dass Vop. A 36, 2 ebenfalls noch aus der „ Kaisergeschichte " stammt,
ist ganz deutlich. Denn die Charakteristik des Aurelian stimmt vorzüg-
lich zu Eutrop IX 14 (vgl. Epitome 35,9). Das Wort ^sanguhiariiis"*),
das in allen drei Stellen sich findet, stand natürlich schon in der „Kaiser-
geschichte". Es kommt sonst im Corpus der H. A. nur noch einmal vor
die Vorstadt Epidaphne des Tac. Ami. 2, 83, s. Mommsen, Söm. Gesch. Y^ (1886)
S. 457 Anm. 1. — L. C. Purser a. a. 0. S. 16 Anm. 2 weist darauf hin, dass bei
Apuleius de mundo 7 eine Insel Lose vorkommt, die aus dem raissverstandenen
Adjektiv P.o|/) (Ps. Arist. ne^l xoafiov 393, 14 — 18), entstanden sei.
1) Nach Tac. 2,4 ist Aur. getötet worden errore vnJitarium (cfr. A 41. l:perer-
rorem . . .). danach könnte error in der , Kaisergeschichte ' gestanden haben. Sollte
vielleicht aus error durch Missverständnis in einer griechischen Quelle der Name
Eros entstanden sein?
2) Wenn übrigens Gräbner S. 142 behiuiptet. dass Vop. die Berichte der, Kaiser-
geschichte- stets erst an zweiter Stelle gibt, so ist dies zum mindesten für Aurelians
Tod falsch. Hier tritt der umgekehrte Fall ein.
3) Niich der griechischen Quelle bestraft Probns die .Mörder des Aurelian und
Tacitus. Nach Pr. 13. 2 wären einige Mörder des Aur. schon von Tacitus, die üb-
rigen erst von Probus bestraft worden ; s. Dannhäuser, a. a. 0. S. 45 f.
4) Vgl. H. Dessau, Hermes 24, S. 368. Anm.: , Bemerkenswert ist auch, dass
Eutrop IX 14 sich zwar nicht scheut, zwei Worte, die ihm bei Sueton Claud. 34 ge-
fallen hatten {saeviis et sannuinariu.s) so verbunden zu wiederholen, aber dies doch
nicht bei Claud., sondern in Beziehung auf einen andern Kaiser, Aur., tut." — M.
E. stammt der Ausdruck aus der .Kaisergeschichte-, die ihn aus Sueton genommen
hatte (s. 0. S. 227).
57
Vtiji/srHs iiiid dir l>iiji/i(i])lür des Kii/.fcfs Tiic/tiis. 289
(0 M 12, 1). Freilicli bieten Eutrop und die Epitomc „ßlii soror/s hdrr-
fedor". Vop. aber sagt itt et filiani sororis occideret etc., dagegen heisst
es Ä 39, 9 : nddnnf nonnnlli fiUwn sororis, von ßHani, ah eodem inter-
fecfitm , pleriqnc aufein efiani filhim sororis (vgl. Groag bei P.- W. V,
Sp. 1374). An der zweiten Stelle werden also beide Angaben kombiniert.
Jedenfalls bereclitigt uns du' Diskrepanz zwiscbon Vop. und Eutropl-i^j/-
tome) an dieser Stelle nicht, die Benutzung der „Kaisorgeschiclite" durch
sie zu bezweifeln, da der ganze Zusammenhang die gemeinsame Quelle
deutlich macht. Man muss bei dem geringen paläographischen Unter-
schied zwischen beiden Lesarten mit der Möglichkeit rechnen, dass sich
schon früh ein Fehler eingeschlichen hat ; schon Eutrop könnte den Irr-
tum begangen haben. Aus ihm wäre er in die Epitome tibergegangen').
Kehren wir zur vita Tac/ti zurück ! In cap. 2, 5 wird auf die Briefe
des Heeres an den Senat verwiesen, in denen um einen Kaiser aus dem
Senat gebeten wurde; wieder heisst es de quibus priore Uhro iam dictum
est [A 41). Zu beachten ist der Versuch, durch die verschiedenen Ge-
sandtschaften zwischen Senat und Heer das Verstreichen von sechs Mo-
naten (das Interregnum) zu erklären (vgl. A 41, 15 attamen cum iterum
atque iterum mittereiur, ex scnafus consuUo, quod in Taciti vita dicenms,
Tacitus fadus est impvndor — mau beachte auch, dass hier der Bericht
über die Senatsverhandlung, der i\ Tue. 3 if. gegeben wird, bereits von
Vop. angekündigt wird).
Cap. 3 bringt die Senatsverhandlung. Der Bericht ist „unsagbar
läppisch" nach Otto Hirschfelds Urteil ^). Ueber das Datum die VII hal.
Od. hat Peter, Die S. h. A. S. 227 f., im Zusammenhang gehandelt. Er
verwirft die Angaben mit Recht ohne weiteres. Wir brauchen uns also
nicht zu wundern, wenn auch nach den Fasti Philocali (s. Mommsen CIL
l'^ S. 270) der Tag kein semitus tejjitinius ist. Auch die curia Pompiliann
verdankt ihre Entstehung sicherlich der Phantasie des Vop. Ist sie doch
sonst nirgends bezeugt, ausser noch bei demselben Vop. A 41, 3, wo der
Senat vor dem Interregnum in derselben curia sich versammelt. Die
beiden Berichte sind Dubletten. Z. B. ist beiden gemeinsam die Anspie-
lung auf die Weiberherrschaft (der Zenobia) im Osten (v. A 41. 9; v. Tac.
3,5). Nach Hülsen bei P.-W. IV. Sp. 1821 f. s. v. curia „kommt die
nur in der H. A. vorkommende Bezeichnung curia PompiUana, die auf
Numa deuten würde, nicht in Betracht" ; dagegen gibt es eine curia Ho-
stilia. Das „Schema" der S. h. A. für die Senatsverhandlungen hat schon
Peter, a. a. 0. S. 226 f. zusammenfassend gewürdigt: danach verliert.
1) Eine weitere Stufe der Entstellung; neigt Capito, tler Kiitropübcrsetzer = Jo-
hann. Antioch. F. H. G. IV. 5!)9 t'rgt. l-").") = Suidas s. v. Ai<p?i>.iav6q: tI/V tov um-
Abi yafii-rijv.
2) Die rimüsclic Staatsieituiifj und die Akklamationen im Senat, Sitzungsherichte der
Preussischen Akademie der Wixs. Berlin 190.5, S. 937.
58
290 f'-nisf Holil,
wenigstens für die l)ei(len letzten Scriptores. di r Kopf der Senatskon.sultii,
die An<fabe von Ort und Zeit an Wert: es fehle aijer nicht an weiteren
Verdaclitsgrimden.
Der Konsul Velins Cornifitins Gordianus') soll nach Peter (S. 178
zu Z. 8 seiner Ausg. Bd. II) vielleicht derselbe sein, wie der Konsul Au-
relius Gordianus (A 41,3). [VELTVS kann aus AVRELIVS verdorben
sein]. Aber bei der ganzen Schwindelhaftigkeit der Senatskonsuite kann
man sich hier jede Vermutung ersparen^). Wird doch A 41,4 Tacitus.
der spätere Kaiser, der M. Claudius T. hiess, Aurelius genannt^). Dass
die Rede des Konsuls eigenes rhetorisches Machwerk des Vop. ist, bedarf
keines Beweises. — In cap. 3, 3 mm exercitus sine principe rede clintius
stare non possif will Lecrivain a. a. 0. S. 393 Anm. 13 „une Imitation de
Tacite" erkennen: Tac. Hist. I 16: Si immcnsuiii imperii corpus stare ac
lihrari sine recfore possit etc. Näher kommt allerdings der Ausdruck Pa-
negi/r. VI, 10 S. 156 Z. 6 Baehrens: cum sine te stare non possif (sc. res
publica), sine principe consistere heisst es v. Tac. 3, 6 *).
In cap. 4 wird Tacitus als primae sententiae consularis {A 41, 4 primae
scntentiae Senator) bezeichnet. Dass Tacitus consularis war, ist richtig ;
sein erstes Konsulat wird zum Jahr 273 erwähnt (s. Klein, Fasti consu-
lares Lei)izig 1881. S. 110 und Willy Liebenam, Fasti consulares imperii
Romani, Bonn 1999 [in den Kl. Texten für theohxj. und philoJ. Vorles. und
Uebungen 41 — 43] S. 31; vgl. S. 116, wo es fälschlich consul 7 275 statt
273 heisst). — Es folgen die Akklamationen des Senats, die natürlich,
wie die ganze Verhandlung, erfunden sind^).
Die Tendenz des Vop. illustriert vorti-efflich die ..Akklamation" v.
Tac. 4, 3 : suscipe imperium ex senatiis anctoritutc .... princeps senatus
rectc Augustus creatiir. primae sententiae vir recte imperator crcatur. Das
1) Er ist gefälscht nacb Hirschfeld, a. a. 0. S. 937. — Ebenso hatte v. Sadee.
a. a. 0. S. -51 im Anschluss au Schiller die beiden Konsuln identifiziert.
2) Fälschung nimmt Hirschfeld a. a. 0. an.
3) Vgl. Homo, a. a. 0. S. 325 Anm. 9, S. 326. und Peter, Die S.h.A. S. VA.
4) Herr Prof. Kornemann weist mich darauf hin, dass es immerhin möglieb sei,
dass Vop. als Verf. der Tac- Vita Anleiben bei dem Historiker Tacitus mache. —
Dazu würden die Erwähnungen des Tacitus durch Vop. sehr gut passen. A 2, 1 ist
von Irrtümern des Tacitus die Rede, Pr. 2, 7 wird er mit andern Historikern als
disetiissimus aufgeführt im Gegensatz zu den Biographen, die Vop. nachahmen will.
— Vielleicht darf ich noch auf einen weiteren Zusammenhang aufmerksam machen : die
erwähnte Stelle, Tac. Hist. I, 16. stammt aus der Rede, die Galba bei der Adoption
des Piso hält. Nun wird dieser Piso (Tac. 17/.^^ 14. -5 ff. — Suet. Galha 17; Ofho .5,
1 ; 6, 3) ein einzigesmal in der H. A. genannt, und zwar PN 9. 2. also in einer Vita,
die schon Wölfflin zu Vop. in Beziehung gesetzt bat.
5) Hirscbfeld a. a. 0. S. 937 urteilt, dass es keinem Zweifel unterliegen könne,
dass die Senatsakten (bei PoUio Cl. 4 und Vop. Tac. 3—6) gefälscht sind. Cha-
rakteristisch sei die Einsetzung von deiis für das sonst stets übliche di {v. Tac. 4
2 deus ie servet).
59
V(>2i/sci(s 1(11(1 die liidfirKjiliic des Kaisers TaciUis. 291
klingt ganz progi-ammatisch im Sinn des Kaisertums von Senatsgnaden.
Dass solche Tendenzen freilich auch der Verfasser der „Kaisergeschichte"
geteilt hat, sahen wir oben anlässiich der Legende vom Opfertod des
Claudius. — Das eapiis melius (junm, das in g 4 zweimal steht, kehrt 5, 1
wieder. — In 4, 4 ist von littemfiis die Rede. Das ist herausgesponnen
aus der Mär von der Abstammung des Kaisers von dem grossen Histo-
riker (s. iK T((c. 11, 8) und geht natürlich nicht etwa auf tatsächliche
Kenntnis von literarischen Leistungen oder auch nur von besonderen In-
teressen in dieser Kiclitung zurück. — Zu dem Kaisonnement: seis, quem
ad modtdx debecis imperare, qiii alios principes pertulisii ; seis (p(em ad mo-
dum dehcas imperare, qui de aliis principtbus indicasti lässt sich Plin. pan.
44 vergleichen: Seis et expertus es qiKinfo opere detestenttir malos principes
cti((m qui malos faciunf. Meministi quae optare nobiscum, quae sis queri
solitus (vgl. V. Tac. 6, 3). Nam privato iudicio principem (jeris, meliorem
immo te praestas quam, tibi alium preeabare. vgl. auch Tac. Hist. I 16 (in
der Rede des (jalba an seinen Adoptivsohn Piso ^) : JJtilissimus idem ac
brcrissimus b(»iaruni malnri(m(ß(e rerum dikcfus est cofjifnre, quid aut vo-
lueris suh aUo principe aut nolueris). Auch die Anekdote von Traian bei
Eutrop VIII 5 lässt sich hieher ziehen: Liter aliu dicta hoc ipsius fertur
egregium. Amicis enim culpantibus, (piod nimiunt circa omnes communis
esset, respondit talem se imperatorem esse jM7(;a<?s, quales esse sihi inipera-
tores privatus optasset.
In der Erwiderung des Tacitus ist 4. 6 atiare änac, P-eyöfievov in
der H. A., ebenso 4. 8 das adv. unanimiter. — Cap. 5 bringt die eigent-
lichen Akklamationen mit Angabe der Zahl ihrer Wiederholungen ^). Dass
auch diese Akklamationen frei erfunden sind, wenn auch in Anlehnung
an irgend ein Original, ist offensichtlich.
In cap. 5. 1 steht ein Vergilvers {Aen. VI. 809). der auch v. H. 2, 8
vorkommt'^). — In 5.2 wird konstatiert: fhd/cs j)rudeidiam '^) et bnnum
1) Vgl. oben S. 290 Aum. -1.
2) Vgl. Peter. Die S. h. A. S. 221 f. und vor allem Otto Hirschfeld. a. a. 0.
S. 936 ff., der den Nachweis führt, dass die Sitte, die Zahl der Akklamation eu im
Senatsprotokoll zu verzeichnen, erst in nachkonstantinischer Zeit aufgekommen sei;
danach erklärt er die Senatsakten in Cl. und Tac. die diese Eigentümlichkeit zeigen,
für Einlagen aus dem Ende des 4. Jahrhunderts (S. 94-3). Bei unserem Ansatz für
Vop. und der Einheitlichkeit der Vita dürfen ■svir aber nicht an , Einlagen* denken;
vielmehr sind die Akten zusammen mit der Biographie des Tacitus verfasst. — Im
übrigen vgl. auch für die Akklamation im allg. Th. Reinach. Une crise motietaire au
nie siede, Bidl corr. hell. 1896 Bd. XX. S. .")23 ff.; B. Pick. Zur Epigraphik der
griechischen Kaisermimzen, Journal international d'nrcheoingie numismatique, Athenes
1898 I. S. 455; W. Henzen, Acta fratrum Arvalium Berlin 1874, S. 45 f ; Joh.
Schmidt bei P.-W. 1, Sp. 147 ff. und Ruggiero im Di:, epigr. I. S. 72 tf.
■i) S. hiezu Dessau. Hermes il, S. .583.
4) S. Frankfurter, Te.vtkritiKches .'« rlen S. h. A.. Wiener Studien Bei. XIII. (1891),
S. 245 ff. schreibt prudentem. Diese Konjektur ist überflüssig.
60
292 Juiist Hohl.
fratrcm, also offenbar auf die angebliche Verwandtsobaft mit Florianuss
hingedeutet : entsprechend hatte 4. 4 das liftcratus auf die fingierten Be-
ziehungen zum Historiker Tacitus verwiesen. — Dann wird der bekannte
Ausspruch des Severus zitiert: captit imperare non pedes (S 18. 11). —
Die Formel cli te servenf ist ganz gebräuchlich. — Dass statt Falconius
richtiger Faltonius zu schreiben ist. hat Waddington gezeigt, vgl. Dessau.
Hermes 24, S. 352 Anm. 3 (cf. A 40. 4). — Die seltsame Wendung in
haec rerha disseruit steht auch T(tr. 8. 3 und Q 10, 1. ist also dem Vo-
piscus eigentümlich.
In cap. 6 folgt die Rede des Senator consularis, qiii post Tacitum sc-
debat, Maeeius Falfoniiis Nicomachits ^). — Cap. 6. 1 in hoe sacrario ist
recht aufl'allend für das Senatslokal. — In 6, 3 steht das gleiche Räson-
nement. das uns schon 4. 4 begegnet war. in etwas anderer Form : seit
enim, qualem sihi principem semper optaverit nee potest aliud nohis exhi-
here (piam ipse desi^eravit et voluit. — 6, 4 prodigia steht in derselben
Bedeutung von menschlichen Ungeheuern auch A l.hx der Gebrauch lässt
.sich wohl auf Cicero zurückführen, der z. B. Clodius so nennt ^). — Das
geschmacklose Woi-tspiel Gommodos seit potius Ineommodos hat schon
Dessau Hermes 24 S. 384 *) gerügt \ind mit ähnlichen Verirrungen in der
HA zusammengestellt (vgl. z. B. ^ C 1, 6 Avidius Cassius avidus est). —
Im weiteren Verlauf der Rede fallen die ausserordentlich zahlreichen al-
literierenden Verbindiingen auf. — Die Ausführungen im allgemeinen ver-
dienen keine weitere Beachtung. — Erst 6. 8 Mit die flehentliche Bitte
des Senats an Tacitus auf, er möge nicht seine Kinder {parLHilil) zu
Erben des römischen Reiches machen. Vielmehr werden ihm (6, 9) Nerva,
1) Vgl. das vernichtende Urteil von Hirschfeld über diese Rede. a. a. 0. S. 937.
— Die Rede liegt auch in einer modernen Bearbeitung vor: s. G. Suster, De altera
quadam scriptura orationis qiiae a Maecio Fatcoiiio Niconuicho TacUo Augusto habita
est, Biv. di filol. e d'istru2. cJass. XVII. 1889, S. 247 ft".. vgl. Teuffel-Schwabe, Gesch.
der rwn. Lit.^ (1890) § 482 Anm. 6.
2) Vgl. über die Nachahmung Ciceros in der H. A. Klebs. Bhein. Mus. 47, S. 34 ff.
S. dazu Thiele a. a. 0. S. 36 f. (für r. AS: .minus late patet Ciceronis imitatio'). —
L. C. Purser a. a. 0. S. 47 ff. erhebt Einspruch gegen den Versuch, überall Cicero-
nianismen in der B. A.. besonders bei Vopiscus, feststellen zu wollen. Kenntnis des
Cicero und Anlehnung an ihn habe in jener Zeit nichts Befremdliches. — Dennoch
bleibt bestehen, dass der Rhetor Vopiscus ein ausgesprochener Ciceronianer ist. —
Das Nichteinhalten der chronologischen Folge (Helioyabalos vor Cmnmodos) erklärt
sich vielleicht aus rhythmischen Rücksichten. Vgl. Ed. Norden bei Mommsen, Ges.
Sehr. VII S. 32.5 Anm. 1 über ähnliche Fälle.
3) Die Liste bei Dessau a. a. 0. („törichtes Spielen mit den Namen der Kaiser")
ist trotz ihrer Reichhaltigkeit nicht ganz vollständig. (Vgl. auch Klebs. Bhein.
Mus. 47, S. 17 f.). Ich notiere noch § 4, 2: iiiente firmissimiis (von Firmus), ausser
dem Wortspiel Pr. 1-5, 6 ilUs sola relinquimus sola (vgl. Dannhäuser, a. a. 0. S. 54).
Hei. 3.5. 1 . . . vitam . . . me inritum . . . scribere; 3-5. 3 de quo vereor . . . vera di-
cere. Vielleicht auch V 10. 6 barba probe barbartce demissa und Dd. 7, 2 Commo-
dus . . ■ commode. — Ein Wunder ist, dass Tetricus ohne Wortspiel davon kommt.
61
Vopisctis lind die BiDi/niphir des Kaisers Tiieitiis. 29:^
Traian, Iladrian als glänzende Beispiele VAvr Nac-liachtiing eni]it'((lil('ii. als«
diejenigen Kaiser, die ihren Nachfolger durch Adoption l)estimmten 'j. Man
kennt die Bedeutung der Auffassung, dass die Adoption die einzig rich-
tige Art sei. dem Staat für einen tüchtigen Herrscher zu garantieren. Breit
ausgeführt hat diese Anschauung Plinius d. .1. in seinem Paneyi/ricns auf
Traian; ebenso steht sie bei Tacitus Hist. I 15 u. 16 in der schon er-
wähnten Rede des Galba (vgl. Ausonius, Caes. XIII 3 f. ; XV 4: Statius.
sih. II 1, 87 und dazu Vollmer in seinem Kommentar [Leipzig 1898 S. 327]).
Cap. 7,1 zu der Formel: Omnes, omnes vgl. Pr. 12,8 {Val. 5,8).
— Mommsen, Böm. St.-R II, 2^ S. 791 Anm. 4 urteilt: „Die Bekannt-
machung der Wahl des Tacitus auf dem Marsfeld durch den Stadtpräfekten
(Tac. 7) gehört wohl zu der Besonderheit derjenigen Imperien des dritten
Jahrhunderts, in denen versucht wurde, das Imperium des Senats zu rea-
lisieren, und der Imperator als dessen Geschäftsführer erscheint
Durch den — hier schon als Haupt des Senats fungierenden — Stadt-
präfekten konnte sich der neue Princeps nicht dem Volke vorstellen lassen,
wenn er an der Selbständigkeit des Imperium festhielt." H. SchiUer, Ge-
schichte der römischen Kaiserzeit I (1883) S. 873 f. sagt: „Auch bei der
Bekanntmachung der Wahl schlug man ein neues Verfahren ein, indem
dieselbe auf dem Markte durch den Stadtpräfekten erfolgte".
Danach sind wir gewiss berechtigt, die ganze Schilderung dieses
„neuen Verfahrens" als unhistorisch zu verwerfen^); denn sie scheint nur
ein Ausfluss der Tendenz zu sein, wonach der Imperator als „Geschäfts-
führer des Senats" betrachtet wird, wie das Tacitus in der Tat für Vop.
ist. Die Stadtpräfektur erscheint hier bereits in der Bedeutung, die sie erst
in theodosianischer Zeit gewonnen hat (vgl. P.-E. Vigneaux, Essai
sur rhistoire de Ja praefectura nrhis <i Ronie. Paris 1896, S. 78). — Die
Proklamation des Kaisers hatte eigentlich durch einen der fungierenden
Konsuln zu erfolgen (Mommsen, St.-E. II ^ S. 874* A. 3). — Der Stadt-
präfekt Aelius Cesettianus ist in unserer Liste der Stadtpräfekten im Chro-
nographen vom J. 354 nicht genannt^). — Sehr auffallend ist auch die
Anrede durch den Stadtpräfekten (7, 3) : Vos sanefissinii milifes et sarra-
tissimi vos Qiiirifes (8, 4 u. 5 : sanetissimi comwilifoncs vor dem Heer) *).
1) Vgl. Klebs. Hist. Zeitscin: Bd. (U (N. F. 2.5) S. 231 Anm. fi. wonach die ,Nicht-
erblichkeit der Herrschaft ein Lieblingsgedanke des V'op." ist.
2) S. auch Otto Hirschfeld, a. a. 0. S. 938 Anm. 2. der noch Lecrivain, a. a. 0.
S. 368 zitiert.
3) Nach Seeck. N. Jahrb. f. Phil. 60. Jahrg. 141. Bd. (1890) S. 620 ist er ebenso
erfunden, wie der Stadtpräfekt Ceionius Albinus {A 9. 2). — Vgl. Borghesi, Oeuvres
IX, Paris 1879, S. 392. — Corsini, Serien praefectonim urhis, Pisis 1763, S. 1-52 wollte
ihn als echt anerkennen.
4) Vgl. über den Gebrauch von s<fcei; r^niictti.i, .laiictissimiis, sacratissimu.'! zur
Bezeichnung des Kaisers und kaiserlicher Institutionen AV. Sickel. Oütt. Gel. Am.
1901 S. 387 ff.
62
294 Ernst Hohl
Zu 7.4 Felicissime Tacüe Auguste, dii te servenf (auch schon 5.2)
vgl. Ruggiero, Diz. epiyr. I. S. 74 und Lessing im Lexikon, S. 603 s. v. ser-
vare 1) adcL, wo zahlreiche Stellen der H. A. notiert sind.
7. 5 Hoc loco tacendum non eM etc. Vgl. z. B. Tae. 12, 1 (s. auch
Wölfflin, a. a. 0. S. 534). — Vop. polemisiert hier gegen die Auffassung,
dass Tacitus während seiner Abwesenheit in Kampanien zum Kaiser ge-
macht worden sei, wie das auch Zon. XII 28. also die Tradition der
gi-iechischen Quellen, berichtet (vgl. Stein bei P.-W. IE, Sp. 2874). Die
Stellungnahme des Vop. ist höchst eigentümlich: verum est nee disshnu-
lare possum sagt er über die Ernennung des Tacitus während seines Auf-
enthalts in Kampanien. Denn, fälu-t er fort, dieser habe sich auf das Ge-
rücht hin, dass seine Wahl bevorstehe, nach Baiae begeben und sei dort
zwei Monate geblieben. Von dort sei er (Tac. 7, 7) zurückgeführt worden
und habe der Senatssitzung beigewohnt quasi vere privatus et qui rere re-
cusaret iniperium. Vop. drückt sich also sehr unklar aus.
Ich halte es übrigens an sich für sehr wohl denkbar, dass der römi-
sche Senat den Tacitus in seiner Abwesenheit zum Kaiser bestimmte').
Denn dass die Lust. Kaiser zu werden, unter den Senatoren nicht sehr
gi'oss war, darf bei den heiTschenden Zuständen nicht wundernehmen. War
doch der Aspii-ant auf dem Thron eigentlich zugleich nichts anderes als
Todeskandidat. — Vop. braucht natürlich die Anwesenheit des Tacitus in
der entscheidenden Senatssitzung notwendig, um seine rhetorischen Künste
zu zeigen und die Senatstendenzen recht nachdrücklich hervorzukehren.
Später gesteht Vop. übrigens selbst bezeichnenderweise ein, das auf
die Wahl des Tacitus bezügliche Senatskons ult nicht
gefunden zu haben; Pr. 7.1: . . . quam vis feratur in senatu Ta-
citus dixisse, cum eidem offerretur imperium, dehere Probum principem ficri.
S ed ego s enat u s consultum ipsu m n o n i n r e n i ').
In cap. 8, 1 u. 2 kommt die tolle Behauptung des Vop. von dem
Senatskonsult auf Elfenbein, das im sechsten Schrank der Bibliotheca
Ulpia aufbewahrt wird und das er eingesehen haben will (s. o.) (vgl.
Peter, Die S. h. A. S. 232) ^). — Ganz im Stil des Vop. ist ja die „ge-
1) Vop. braucht allerdings seine Anwesenheit in Rom. um die entscheidende
Senatsverhandlung wirkungsvoller zu gestalten. Ist doch Vop. auf dieses sein Mach-
werk so stolz, dass er das Senatskonsult bereits v. A 41, 15 in Aussicht stellt!
2) Solchen Leistungen des Vop. gegenüber berührt der Versuch, ihn gegen die
Anklage der Fälschung in Schutz zu nehmen, besonders eigentümlich. Noch neuer-
dings hat das L. C. Purser a. a. 0. getan. Vop. sei kein bewusster Fälscher ge-
wesen, allerdings sei er oft selbst getäuscht worden und habe Dokumente für echt
gehalten, die es nicht waren oder zum mindesten Ueberarbeitung aufwiesen (S. -55).
Auch H. Peter {Berliner phüol. Wochenschrift 1910. Sp. 1013) hat sich gegen Pursers
seltsame Auffassung ausgesprochen.
3) Die bibliotheca Ulpia kommt in der H. A. nur bei Vop. vor (vgl. den In-
dex bei Peter in s. Ausg. Bd. IL). Besonders auffallend ist Pr. 2, 1 . . ex bibliotheca
68
Vop/srHS 1111(1 die /!/ii(ini/i/i/r (IcS Kn/scis 'J'iirifll.t. 295
ItOirtc" Bomerkuiig. dass lange Zeit die Senatskonsiilte. wenn sie die Kaiser
hetrat'en, i)i lihri.s clephmtinis aufgezeichnet wurden. Dass Elfenbein aller-
dings als Material für Bücher vorkam, zeigt Ulpian in den Bigesten. 32,
le<i. 52 : Librortim appeUaUone conthientur omnia volmnina, sive in rharfa
xire in memhrana sint sivc in quavis alia maferi«. sed et si in philyrn (tut
in filiii (td nonnidli conßcinnf) aut in quo alio corio, idcm erif dici)idHm.
(jKdd si in codicibits sint membraneis vel cJiartaceis vel etinm ctiorris rrl ulfc-
riiis mafcriae vel in eeratis codiciUis an debeantur, rideumus. Auch Blüinner.
s. V. Elfenbein bei P.- W. V, Sp. 2362 sagt, dass Elfenbein nicht minder
beliebt für Schreibtafeln, freilich nur für wertvollere Exemplare, wie Mar-
tial XIV 5. war oder für die in der späten Kaiserzeit immer üblicher
werdenden Diptvchen .... Er verweist auf unsere Stelle; aus Marl, gehe
hervor, dass man auf das weisse Elfenbein mit schwarzer Farbe oder Tinte
schrieb. In seiner Terhnolorpe und Tcnninolof/ic der Gewerbe und Künste
bei Griecli. und Mm. II. 1879 S. 364 versteht Blüraner unter den lihri
elephanfini die in der römischen Kaiserzeit ganz besonders beliebten Buch-
deckel und Diptychen. Dazu führt er unsere Stelle an und u. a. eine Inschrift
bei Orelli 3838 [= CIL X 1 Nr. 6, Z. 8 f.], wo pufiillares membrimacei
opercidis eboreis vorkommen. Aber die oben angeführte Digestenstelle
scheint vielmehr darauf hinzuweisen, dass man an einen codex zu denken
hat. dessen Blätter aus Elfenbein bestanden (vgl. Wünsch bei F.-W. IV,
Sp. 160 s. v. rode.r). Schon Du Gange Glossarium ad .<icriptores mediae
et infimae Latin itafis III (1844) s. v. elepliantus bringt Tac. 8,2 mit Ul-
pian (s. o.) zusammen'). Im Sinn des Vop. haben wir gewiss nicht an
den Einband, sondern an das Material der Blätter zu denken. Die Notiz
als solche ist höchst bedenklich, schon um des schwind elhaften Zusammen-
hangs willen und wir dürfen aus der Stelle keine Bereicherung unserer
„Altertümer" schöpfen, wie wir auch nicht an die archivalische Forschung
des Vop. glauben können'^).
Ulpia, aetate mea iherviis Diocletiams(\) — A. Gercke, bei Gercke-Norden, Ein-
leitung in die Alteiiumswissenschaft I (1910) S. 8 nennt die Ulpia Traians die Haupt-
bibliothek de.s 5. Jahrhunderts, zum Ressort des Stadtpräfekten gehörig. Vgl. auch
Kiepert-Hülsen, Formae urhis Romae antiquae, Berl. 1896 S. 1-5, u. H. Jordan, Topo-
grapJiie von Born 1 2 (1885) S. 463 f. — Zum Ausdruck habet etc. (= frz. il y a)
vgl. Smi in Bursians Jahresbericht Bd. XL. (1884), S. 338, wonach Krauss, De prae-
positionum iisu apud sex S. h. A. Diss. Wien 1882 S. 89 Anm. 127 geschlossen hat,
dass diesem Sprachgebrauch zufolge Vop. Gallier gewesen sei.
1) Dass wir allerdings bei dem hctioniirium elephnntu et auro parattim des Rat-
pertus (h casihus S. Galli cap. 10 {M. G., Script. II. S. 72 Z. 10 ed. Pertz) an einen
elfenbeinernen Buchdeckel zu denken haben, ist klar; Goldast (in den Seriptores rerum
Alamannicarum 3. ed. cura Senckenbery, Frankfurt-Leipzig 1730, 1., 1 S. 109) zieht ja un-
sere Stelle nur zum Beleg dafür bei, dass elephanlo für ebnre gebraucht werden könne.
2) Vgl Kubitschek bei P.-W. 1, Sp. 290: ,in der v. Tac. 8, 1 u. 2 gibt Vop. so-
gar eine detaillierte Darstellung dieses Quellenstudiums, erschüttert aber eben da-
durch unser Zutrauen. . . ."•
64
296 F.n»if Hohl.
Cap. 7.2 hatte be<fonnen: Inde itum ad ranipum Murtium. nbi co-
mUiale tribunal ascend/t: dieselbe Wendung trilninal ascendU kehrt auch
Tac. 8,3 wieder. Man beachte die inopia verboruni. 8, 3 heisst es: Inde
nd exercihis profecfiis. Un qiioque etc.. cf. 9, 1 po st hoc. Begegnen uns
derartige Verknüpfungen im ersten Teil der S. h. A., so haben wir ihnen
grosse Aufmerksamkeit zuzuwenden und uns die Frage vorzulegen, ob hier
nicht Spuren eines chronologisch-sachlichen Berichtes vorliegen. Für un-
sere Vita ergibt sich sofort, dass von solchen nicht die Kede sein kann ').
— Der pi'aef. praet. Moesius Gallicanus kommt nur hier vor (vgl. P.I.B.
II. S. 385. M Nr. 487) -). Wir köunen an seiner Geschichtlichkeit umso
mehr zweifeln, als nach den griechischen Berichten Tacitus den Florianus
zum Gardepräfekten machte. — Zu cap. 8,4 sanctissimicommiHUmes (ebenso
sagt der Kaiser cap. 8. 5) s. o. S. 293. Die Formel parere praeceptis ist
sehr beliebt: vgl. Vop. J. 1,9; Festus 1, Oros. adv. pag., proh 1. —
dignmüer in cap. 8, 4 ist äna^ eIq^^ievov. — Auffallend ist der Gebrauch
von castrenses für die Prätorianer; das Wort bezeichnet ursprünglich
das Hofgesinde, vgl. Hirsehfeld, Verwaltungshcamte'^ S. 313 ff. (Vgl. aber
den castrensis sacri palatii [Notiila dign. : siehe Schiller a. a. 0. II S. 107].
Offenbar handelt es sieh um einen hohen Beamten). — Dass Tacitus in
seiner Ansprache das verwendet, was schon in einer Akklamation des
Senats vorkam, ist wieder recht bezeichnend für die jämmerliche Arbeit
des Vop. ^). Tac 8.5 Et Traianus ad impcrmm senex*) venu = 5,1
jEf Traiamis ad imperium seiiex renif. dixermtt decies (an der früheren
Stelle, Tac. 5, 1. wird dasselbe auch noch von Hadrian und Antoninus ver-
sichert).
Cap. 9 bringt die prima oratio ad senatum (vgl. hiezu Mommsen.
Jiöm. St.-B. II. 2^ S. 791. wonach u. a. besondei-es Gewicht gelegt wurde
auf die erste Ansprache des anwesenden oder den ersten Erlass des ab-
wesenden Kaisers an den Senat). Es ist geradezu das Programm der
SenatsheiTschaft ^). das hier von Tacitus, oder vielmehr von Vop. aufge-
stellt wird. Tacitus will danach nur von Seuatsgnaden Kaiser sein. Er
ist dessen „Geschäftsführer". (Mommsen a. a. 0. S. 873). — Tac. 9,2:
3; 4 und 6 werden je mit In cadem oratione eine Anzahl kaiserlicher Er-
1) Man erfährt ja überhaupt nicht, wo Tacitus das Heer aufsucht. (Plur. : exer-
citus'. Nach Herrn Prof. Kornemanns Ansicht sind trotzdem in der Hauptsache wohl
nur die Prätorianer und die italische Legion gemeint, denn offenbar verlasse Tac.
die Hauptstadt gar nicht [vgl. 9. 1]).
2) Ein Prätorianerpräfekt Mulvius Gallicanus steht J'r. 4. :3 (unter Valerian) s.
Dannhäuser, a. a. 0. S. 17 Anm. 3.
3) Vgl. Peter. Die S. h A. S. 171 Anm. 1.
4) Traian kam im Anfang der vierziger Jahre zur Regierung s. Hirschfeld. S.-B.
a. a. 0. (1905) S. 937.
5) Vgl. Herzog, Geschichte utid System der römischeti Staat^veriraltuiifi Bd. II (1887)
S. 587,
65
VopiscHs und die Bioj/ni/iliic des Kaisers Tadtits. 297
hisse zu der Rede in Beziehung gesetzt, mit der sie gar nichts zu tun
haben. — Wenn cap. 9, 2 berichtet wird, dass für Aurelian eine goldene
und mehrere silberne Statuen bestimmt wurden, dass aber nur silberne
cjeweiht wurden, so ist die statiia aurea ponenda in Capitolio eine deut-
liche Dublette zu der ganz ausserordentlichen Ehre, die dem Gotensieger
Claudius II. zuerkannt wurde ')• Bei Claudius ging die Ehrung vom Senat
aus. — Tacitus soll durch diese Handlungen als der legitime Herrscher
hingestellt werden, der auch zu seinem Vorgänger noch nach dessen Tod
eine korrekte Haltung einnimmt. — Ob Tacitus die in cap. 9, 3 angege-
bene Bestimmung gegen die Metallverschlechterung erlassen hat, können
wir nicht entscheiden. Bezweifeln wird man es für die prima oratio dürfen.
Dagegen hat nach Stein bei F.-W. III. Sp. 2876 unter Tacitus der Senat
vorübergehend wieder das Recht der Münzprägung zurückerhalten, das
ihm Aurelian entzogen hatte. Denn auf den Münzen erscheint wieder das
Senatszeichen S C (vgl. H. Schiller, a. a. 0. I (1883) S. 873 und Mommsen,
Gesch. d. röm. Münzwesens (1860) S. 747, Anm. 9). — Cap. 9, -t bringt
das Verbot des Zeugnisses von Sklaven gegen den eigenen Herrn (Stein,
a. a. 0. Sp. 2877 vergleicht Tac. Ann. II 30 und III 67 : — vielleicht
ässt sich auch die Bestimmung der v. H. 18, 11 beiziehen). — Die Vei--
ordnung (cap. 9.5). dass jedermann^) ein Bild des Aurelian besitzen müsse,
ist schwerlich von Tacitus erlassen worden. Auch dieser Zug soll nur
seine Loyalität gegen den Vorgänger bekunden. — Die Einrichtung eines
gemeinsamen Kultes aller divinisierten Kaiser (vgl. Stein, a. a. 0. Sp.
2877, der Tcrsehentlich hiezu Mommsen, Rom. Miinztaesen zitiert — das
Zitat muss sich auf lac. 9, 3 beziehen — ) verdankt wohl ihre Entstehung
einer Reminiszenz an Severus Alesander (s. Lecrivain a. a. 0. S. 369 Anm. 1,
der .4. S. 28, 6 ^) zitiert, und Suet. Aue/. 31, 5). — In cap. 9, 6 folgt die Xacii-
riclit, dass Tac. für seinen „Bruder" (s. 5, 2) Florianus in eadem orafione
den Senat um das Konsulat gebeten habe, dass diese Bitte aber abge-
sclilagen worden sei. weil der Senat die Nundinen der consides snffedi
schon geschlossen hatte (vgl. Mommsen, Rom. Sf.-R. II, 2^ S. 928* Anm. 3.
der nicht entscheiden will, ob die spätere Sitte des i. .lahrhunderts, nach
der die coiisides snffedi von den Senaten beider Hauptstädte bestellt wurden,
irrig auf diese Epoche bezogen ist oder die Aenderung in der Tat auf
Aurelian zurückgeht). — Die Uebertragung der späteren Sitte auf die frü-
here Zeit ist wohl sicher ; ist doch auch sonst kein Mangel an Anachro-
1) Vgl. Treb. Pollio CL 3. 4 ii. 7. 6; Eutrop IX U. 2: Epitome 34, 4; Euseb.-
Hier. z. J. Ahr. 2286; Chroii. Oall. -511 (Momms<;ii. Chroii. viiii. I. S. 642) Nr. 426;
u. Rappaport a. a. 0. S. 93 Anm. 2.
2) Bezw. jeder Senator (s. Friedliiiider, SitteiH/erichichle III 1910" S. 249 Anm. .5)
— aber die Bestimmung ist wohl von Vop. allgemein gedacht, da ja auch die an-
deren Verfügungen nicht ausschliesslich den Senat betreffen. Lecrivain a. a. 0. S. 369
Anm. 2 erinnert an MA 18, 5 — 6.
3) S. Thiele a. a. 0. S. 24 f.
K 1 i o, lU'itr.iRe zur alten Geschichte XI 3. 20
66
298
Ernst HohL
nismen '). Die Pointe der Erzählung ist aufdrinjilicL genug : cap. 9, 6
Seit senutxs quem prindpem fcecrit. (Beachte auch dicitiir, fertnr als eine
Art Vorbehalt des Vop. !)
Für V. Tac. 10 und 11 (Privatleben des Kaisers) ergeben sich zahl-
reiche Beziehungen auf die v. AS [u. i/c/.] -), die ich zunächst zusammen-
stelle :
Tae. 10.1 Einfachheit in der Kleidung
Tae. 10,2
meritorki iiitra urhem stare vctuü etc.
Tae. 10,3
thermas omnes ante litcernam claudi
iussU. . . .
vgl. AS 40, 7 ff.
AS 24, 4 [cf. 39, 2] (Verbot der ex^o-
h'ti geplant) soll übertrumpft werden.
AS 24, 6
adcliclit et oJeiiin Iioninihns fheniiannii.
cum untea et ante nonam non paterent
et ante soUs occasnm clanderenttir vgl.
Thiele a. a. 0. S. 18.
AS 40, 1
[Ji^ihsericam [sc. vcstem^ niDiiqiirim
Inc. 10,4
Holosericam vestem viris omnibus in-
ierdixit [vgl. A 45, 4 Vestem holo- ■ indiiit.
sericam neqiie ipse in vestiario suo , Gegenbeispiel : HeJ. 26, 1 : Friinus
habuit neque alten tdendum dedit'\ 1 Romanorum holoserica veste usus fcr-
\ tur . . .
Tac. 10,4 j AS 25,3
Domum sitam destnii praecepit atqne nemits thermis suis de privatis aediius
in eo loco thermas xxuilicas fieri p r i-
vato Sil m}) tu (=: Suet. Caes. 24, 2)
hissit
Tac. 10,5
possessiones, qiias in Mauretania Jia-
siii.s, quas emerat, dirutis aedißciis fccit.
Gegenbeispiel : Hei. 30, 7 dicitnr et
halneas fccissc miiltis locis ac semel
lavisse otque statim destruxisse, ne ex
usu hahieas haberet
AS 24, 3
lenonum vedigal et meretriciim . . .
1) So haben wir oben (S. 291 Anm. 2) gehört, dass nach Hirschfeld a. a. 0.
S. 936 ff. die f^itte, die Zahl der Akklamationen im Senatsprotokoll zu verzeichnen,
erst in nachconstantinischer Zeit aufgekommen sei. — Die ausserordentliche Bedeu-
tung des Stadtpräfekten passt erst in theodosianische Zeit (s. o. S. 293). — Ebenso
verdächtig ist die Behauptung, dass die Appellationsgerichtsbarkeit dem Stadtprä-
fekten übertragen worden sei {Tac. 18, 3 u. .5; 19, 2). — Mommsen, S<.-Jf. IP S. 987
Anm. 3 bezeichnet zwar die Echtheit der betr. Dokumente als mehr denn zweifel-
haft ; aber der Sache nach sei die unter Constantin geschriebene Notiz wohl richtig.
Vgl. Vigneaux a. a. 0. S. 75 Anm. 4: ,oü les documents cites sont suspects, mais
le fait certain". Da aber m. E. Vopiscus nicht unter Constantin. sondern um die
Wende des 4. Jahrhunderts geschrieben hat, so verliert die Angabe jeden Wert.
2) Vg. K. Hönn, QueUenuiiierauchungen etc. S. 4* A. 9: ,Der Biograph, der eine
Vereinigung der Macrinsvita mit denen des Diadumenian. Elagabal und Alexander
herstellte, hat seine Hand auch weiterhin noch im Spiele gehabt, und vor allem die
Gordiansvita, ferner die des Aurelian, Tacitusund Probus sind voll von gegensei-
tigen Beziehungen." — Zu Heliogabal als „Gegenbeispiel" passt gut Tac. 6, 4.
67
Vopiscus und die Biographie des Kaisers Tacitus.
299
/<«//, sartis tectis Capitulii deputacit
Tue. 10,6
argentum menside, qiiod privatus ha-
buerat, iitirdstcriis conviviorum, quae
in templis fierent, dedicavit
Tac. 11,1
Ipse fuit vitae parcissimae , ifa ut
sextarium vini tota die numquam po-
taverit, saepe intra Jicniinam {änaü,
Aeyöfievov)
Tue. 11,2
convivmm vero imius gallina cei,
ita ut sinciput {an. Zey.) adderet et ova
Tac. 11,2
iucfucis inputienfer {an. /fy.) i n d u I-
s i f ').
Tue. 11,3
haineis raro usus est . . .
sunqjfihus pMieis ad instauratinnem
the.atri, cirei, aniphit]ieatri, stadii de-
p u t a V i t
llel 29,4
(Gegenbeispiel) donaoit et argentum
omnc convivis, quod huhuit in eamüeio,
et omneni apparatum poculorum, id-
que saepius
AS 37, 3
usus eonvioii diuriii (für die ganze
Tafel) hie fuit: riui ad totuin dient
sextarii triginta, etc. — 37, 11 ipse
. . . vino neque imrce neque copiose,
adfatim turnen (sc. referciehatur).
ÄS 37, 5
erant (sc. decreta) et g a 1 1 i u a c ei
dno
AS 37, 10
pomis vehementer i n d u J s it
Hei. 30,4
Gegenspiel: Hei. und seine Genossen
baden per singtda ferculu (I)
Tac. 11,4 'aS 34,1
nitoris eenatorii {scnatorii codd. ; In conrivio aurum nescit, pocula me-
coni. Mommsen [Hermes 2-5, S. 292 = j diocria sed n i t i d a semper hahuit
Ges. Sehr. VII S. 362]). — Der Ein- 37, 2 convivium . . . nitoris summi
Spruch, den L. C. Purser a. a. 0. fuit
S. 14 gegen Mommsens Konjektur
erhebt, erledigt sich durch die Pa-
rallele. Uebrigens ist eenatorii natür-
lich nicht als Subst. zu fassen, wie
Purser meint („dining-room", son- ;
dem als Adj. (vgl. Max. 30,5 cestis
cenatoria)
Tue. 11, 5 AS 37, 6
fa s ia II am avem nisi suo et suo- kalendis autem lanuariis et Hilariis
rum nutali et diehus festissi- matris deum et ludis ApoUinaribus
m i s non p o s u i t et lovis epulo et Saturnalibus et huius
\ modi festis d iebu s fasianus
1) Für diesen Gebrauch von uuhdgere (bei Genussmitteln) vgl. Aen. IX 165 indul-
gent vinö [s. Forcellini, Totius latiniUttis lexicon III (1S6.5) S. 470, iiidiilgere 2] und
a 3, 3 viiio.
20*
300
Ernst Hohl,
Tac. 11,6
itxorem (/ciinn/s uti iio» est passiis
Tac. 11. 6
(sc. (tdhibehatur). iht iii (iliiiwunla et
chto ponerentur additis (jaUiruieeis
duobiis. Gegenbeispiel IIcL (vgl. z.
B. 21,2 . . et psittucis atqtte fa s i a-
n i s lc(»ies pavit et alia animalia)
AS 51,1—3
(/cmmas sibi obJatas rendidit, niid/ebre
esse aestimans gemmas possidere, quae
neque militi dari possint neqite a viro
haberi. 2 cum quidam Jegatus uniones
duos ttxori eins per ipsian obtidisset
mcigni ponderis et inusitatac mensnrae,
vendi eos iiissit. 3 cum pretimn non
inveiiirent, ne excmplum malum a re-
gina nasceretur, si eo läeretur, quod
emi non posset, inmmbns Veneris eos
dicavit (vgl. auch AS 41, 1)
AS 34, 5
(iura clavatis vestibus /dem iuterdi.rit lunidain vestem minisfroridii rel in
— clavnre. Part. Pf. AS 37, 2 iihdi- p/diliro convirio iiidli(s lialiidt
telia cocco . . . clavcda ; Q 15, 8 fn-
nicam auro clavatam. Vgl. Thesaurus [
lingnae Latinae III, Sp. 1318 f. Da-,
nach kommt das Wort ausser un den
obigen Stellen der HA nur bei Kir-
chensehrift st ellern. Gram-
matikern und Glossatoren vor.
Tac. 16.2 Geo-enbeispiel: Hcl. 30.1
Tmago eins posita est in Qiiintiliorion, i Pinxit se vt coppedinarinm, ut se-
in una tabula quinquiplex, in qtia\j)lasiarium,idpopi)inrium,Httnherna-
srmel togatus, semel clamydatus, semel \ ritim, td lenonem, idcjuc toium domi
(irmafiis. semel judlintus, semel vcna- \ semper et exercuit. — Also der Kaiser
torio habitu Tacitus ist in fünf verscliiedenen, wür-
digen Kostümen dargestellt, während
Elagabal sich selbst ebenso oft in
höchst unwürdigem Aufzug gemalt
hatte').
Diese zahlreichen Beziehungen (vgl. auch unten S. 314) können nicht
zufälliger Natur sein. Denn wenn wir uns auch erinnern, wie unheilvoll
die imitatio Sueto7ii auf die biographischen Schilderungen eingewirkt hat
1) Ein grosses, selbstgemaltes Bild des Elagabal in einheimischer Priestertracht
erwähnt übrigens Herodian V .1,6 (vgl. Friedländer, Sittengeschichte Roms lll^ S. 238
[=r 1910« S. 248 f.]. wo aber die Herodianstelle falsch zitiert istl.
69
Vop/siiis und (J/e BiiKjrnphie des Kaisers Tacitus. -^01
uiiil wie niant-he Züge fast niil Nütweiuligkeit sich immer und immer
wieder aiitVhängen mussten, so liegt doch in unserem Fall allem Anschein
nach Absicht vor. War doch Severus Alexander ein ganz passender Vor-
gänger für den Senatskaiser Tacitus und die Fulie für diese senatsfreund-
licJien Liclitgestalten mnsste Elagabal abgeben. Entweder ist nun Vo-
piscus für die Darstellung des Privatlebens des Tacitus der r. AS gefolgt
— Fr. 2, 7 nennt er den Aelius Lampridius, den angeblichen Verfasser
von ^-l.S^. unter seinen Vorbildern ') — oder aber — und dieser Ansicht
möchte ich mich eher zuneigen — w'ir haben es beidemal mit einer und
derselben Person, dem sog. Vopiscus. zu tun ^).
Zu Gunsten der letzteren Ansicht, die ich zurzeit nur unter Vor-
behalt aussprechen darf, scheint noch folgendes zu sprechen:
^45' 37. 9 wird für weitere Einzelheiten über die Lebenshaltung des
Severus Alexander genau so auf einen Spezialschriftsteller verwiesen, wie
Tac. 11, 7 an der entsprechenden Stelle:
AS 37.9 I Tar. 11.7
. . He luiif/iüH Sit ODüiia üiserere, (juae , qttud sl qiiis omuia de hoc r/ro cupit
Gargilius eins temporis seriptor sin- scire , legat Suetonium Optatianiim,
giUatim persecutiis est, ... ' qui eins vifam adfatim scripsit
Gargilius wird nur hier und Vop. Pr. 2, 7 genannt; ebenso ist Suetonius
Optatianus (über ihn s. u. S. 306) nur an dieser Stelle erwähnt. Pr. 2. 7
werden als Vorbilder des Vopiscus u. a. Fabius Marcellinus und Gargilius
Martialis ^) genannt. Fabius Marcellinus, ein angeblicher Biograph des
Traian, kommt nun aber nur noch einmal in der H. A. vor und zwar, w-ie
Gargilius, in v. AS (48, 6). Diese Sachlage ist sehr bemerkenswert^). Wo-
1) Peter in seiner Ausiiahe hat Pr. 2, 7 luliiim Capäoliiitim, Aelium Lampridium
als interpoliert eingeklammert. Demgegenüber hat Mommsen völlig Recht [Hermes
25 S. 245 Anm. 1 ^ Ges. Sehr. VII S. 318 Anm. 1): ,Hier die an sich nicht verdäch-
tigen Namen wegen der zerrütteten Subskriptionen zu streichen, kann ich nicht
richtig finden''. Vgl. auch Giri a. a. 0. S. 37 ff.
2) Dass übrigens der biographische Bestand der v. AS , absolut wertlos- ist. hat
K. Hönn, QueJtenuntersuchimgen etc. S. 20 ausdrücklich betont.
3) Der Name Gargilius Martialis verdient ein Wort. Wie wir sahen, steht AS
37, 9 nur Gargilius. Nun wird aber AS 38, also unmittelbar nachher, der bekannte
Epigrammatiker Martial zitiert. Da nun Vop. Pr. 2, 7 lauter Doppelnamen gibt, so
genügte ihm Gargilius nicht. Er sagt also einfach Gargilius Martialis (so hiess be-
kanntlich ein landwirtschaftlicher Schriftsteller des 3. Jahrhunderts). Wie genau
muss er danach die r. AS gekannt haben, wenn sieh ihm sofort diese Assoziation
aufdrängt und wie unglaublich war die Frechheit im Erfinden eines neuen Biographen-
namens! — AS 40.6 ist ein Aureliiis Probiis bafiis praepositus erwähnt. Sollte das
nicht eine weitere Spur des Vop. bedeuten, der ein so grosser Verehrer des Kaisers
desselben Namens ist"?
4) Wie ich aus dem Korrekturbogen ersehe, sagt K. Hönn a. a. 0. , Gargilius
und Fabius Marcellinus erscheinen ausser in der Alexandervita bezeichnenderweise
nur noch Pr. 2, 7. Den Gargilius nennt zwar der Biograph 37, 9 eins temporis scrip-
tor u. Pr. 2, 7 sagt er gar, dass er Marium Maximum^ Suetonium Tranquilhim, Fa-
70
302 Ernst Hohl,
her kommt das aiiffalleiule Interesse, das Vopiscus gerade für zwei in AS
genannte Biographen zeigt? Die ganze Mache in AS 37. 9 und Tac. 11, 7
ist genau dieselbe.
Nach dieser Vergleichung kehren wir zu Tue. 10, 1 zurück. Mommsen,
EöniiscJie!! Sfantsrccht IL 2 ^ S. 999* Anm. 1 sagt: ,Wenn von Tacitus ge-
sagt wird {tdfa 10): patrimonmm siiinn puhJicavit . . . ') so wird hier schon
der Fiscus geradezu als Staatskasse gefasst"^). Aber es handelt sich an
unserer Stelle doch um das persönliche Erbe, das Patrimonium privatum.
Mit Recht verweist Le'crivain a. a. 0. S. 370 auf AF 7, 9 (Patrimonium
privatum in filiam contulit, sed fruetus rei puhlicae donarif; — vgl. auch
AP 12, 8). Dadurch dass Tacitus sein persönliches Erbe zu Staatseigen-
tum gemacht haben soll, werden Antoninus Pius. Pei-tinax (Cass. Dio 73, 7)
und Didius lulianus (DI 8, 9) übertrumpft ^). — Das Verbot der Freu-
denhäuser (meritoria) innerhalb der Stadt bedeutet — im Sinn des Bio-
graphen — eine üebertrumpfung des Philippus Arabs und des Severus
Alexander. Nach Aur. Vict. Caes. 28, 6 suchte der erstere wenigstens
der männlichen Prostitution zu steuern (vgl. auch ÄS 24. 4 [nach Thiele
a. a. 0. S. 17 würde die Stelle Vertrauen verdienen]; Hei. 32,6). Se-
verus Alexander dachte zwar daran (AS 24. 4 und 39. 2). das öffentliche
Unwesen der exsoleti zu verbieten, befürchtete aber durch ein Verbot die
Sache zu verschlimmern, da das Verbotene noch mehr reize ; die gleiche
Ueberlegung findet sich bei Aur. Vict. Caes. 28, 7. Dass Vopiscus, der
nicht einmal den vollen Namen des Kaisers Tacitus richtig anzugeben
weiss (s. Peter, Die S. h. A. S. 151, oben S. 290 Anm. 3). solche Einzel-
heiten ■wirklieh gewusst hätte, ist ausgeschlossen. Wölfflin a. a. 0. S. 519 f.
wollte übrigens „die Hand des Vopiscus in PN 3.10-*) haheiit pro cuhi-
cidis meritoria erkennen, da dieses seltene, auch aus Firmicus Matemus
math. 6, 31 bekannte Wort unter den S. h. A. nur von Vop. Tac. 10, 2
(meritoria intra iirhem stare vetuit [von Salmasius wegen des stare von den
meretrices gefasst]) gebraucht ist und beide Autoren Sizilianer waren".
Das Wort meriforium glaube ich übrigens auch bei Aur. Vict Caes. 28, 6
belegen zu können: tum quin forte praeteriens filii similem pro merüorio
ephehum conspexerat (sc. Philippus Arabs). Man hat an pro meritoria sc.
puero gedacht; ich fasse die Bezeichnung lokal (vgl. 28, 7 condicione loci
bium MarcelHnum, Garfiilii(m Mtniialem imitari, aber das wird man ihm natürlich
nicht glauben".
1) Zum Ausdruck vgl. PN 6, 1 Patrimonium piibUcatuni.
2) Vgl. dagegen Hirscbfeld. Die kaiserlichen Verwciltutigsbeamfen- S. 8 f.
3) Ich verdanke diese Erklärung der Güte des Herrn Prof. Kornemann.
4) Hierzu bemerkt Herr Prof. Kornemann: ,11. E. ist die epistidn PN 3, 9 f. ein
Einschiebsel des Sehlussredaktors, vgl. Gallias regentem. G«?/!as ist hier un-
sinnig und hervorgerufen durch Gallias 3, 4". Nach meiner Ansicht (s. u.) ist nun
aber Vopiscus identisch mit dem Schlussredaktor, wie das ja Wölfflin zuerst ange-
nommen hatte.
71
Vopiscils 1111(1 die Bioijnipliie des Kaisers Tncitns. 303
»Ditiilii) und übersetze „vor einem Bordell'. — Zur Bej^ründung des Ge-
bots, mit Einbruch der Dunkelheit die Thermen zu schliessen (ne quid
per noetem seditioiiis oriretiir), lässt sich eine freilich etwas abliegende Pa-
rallele ziehen: Im tnaQxiy.bv ßißXiov (aus dem 10. Jahrhundert) von Kon-
sfanfinopcl. ed. .1. Nieole, Genf 189:J findet sich der Wirtschaftsschluss
ähnlich motiviert (XIX 3) : t'va fiij . . . döeojg f/; /i(i/u^ y.ai ßiac xa'i <ha-
q>OQ(cg y.a raxQ r^ii riiwr rai .
P. von Winterfeld. SafzscJdusssfxdien zu den S. h. A., Hheiii. Mus. 57
(1902)8.556, will der Klausel zulieb Tue. 10,2 statt „seditionis orirrtur"
„sed. oreretur" schreiben. Nun mögen die Studien Winterfelds z. B. für die
V. H. von grosser Bedeutung sein (vgl. Kornemann, der in SeeVujers Hist.
Vierteljnlirssrlirift VIII (1900) S. 82 bei Schulz. LeJmi des Kaisers Ha-
drinn (1904) Stellungnahme zu Winterfelds Forschungen vermisst und
selbst in seinem Buch Kaiser Hudrian aus ihnen Nutzen zog; s. auch
Leo, Die griech.-röni. Bioc/r. S. 279: Satzschluss in einigen älteren Bio-
graphien der H. A., bes. P) •). Da sich nun aber Winterfeld für Vop.
leider mit einigen Stichproben begnügt hat, so ist das Postulat des Satz-
schlusses für den ganzen Umfang seiner schriftstellerischen Tätigkeit keines-
wegs gesichert, umso weniger, als Winterfeld sich zu Aenderungen ge-
nötigt sieht, um ihn in einigen Fällen erst herzustellen. Das ist aber
nach Ed. Norden, Antike Kunstprosu IF S. 953 auf unsicherer Grundlage
ganz unzulässig. Es ist auch ein grosser Unterschied, ob es sich um eine Hede
(vgl. oben S. 292 Anm. 2) oder ein Prooemium bezw. einen Epilog handelt,
oder aber um den eigentlichen Text. Ehe nicht einwandfrei nachgewiesen
ist, dass ein Autor die Prinzipien der rhythmischen Klausel durchweg,
nicht bloss an gehobenen Stellen befolgt, ist man dem Spiel des Zufalls
ausgesetzt, darf man doch nie vergessen, wie leicht auch einem ganz
kunstlos schreibenden Autor ein Satzschluss in die Feder fliessen kann^).
Cap. 10, 3 kommt die törichte Behauptung, der Kaiser stamme von
Cornelius Tacitus, scriptor historiae AnfiHst(i(\ ab und zwar nach seiner
eigenen Behauptung. Dass eine Verwandtschaft schon durch die verschie-
denen Gentilnamen ganz ausgeschlossen ist, hat man längst erkannt (s.
Stein bei P.- W. III, Sp. 2873). Zweifellos haben wir es mit einer höchst
törichten Erfindung des Vop. selbst zu tun. der ja den Historiker Ta-
citus in Ä 2, 1 und Fr. 2, 7 erwähnt (vgl. o. S. 290 Anm. 4)'). —
1) Vgl. übrigens K. Hönn. Beiitsche Literaturzeitimg 1910 Sp. 1195: .Die Verf.
(Ornia Fitch Butler) nimmt nicht einmal zu so verfehlten (von mir gesperrt)
Experimenten wie Winterfeldts (sie!) Satzschlussstudien Stellung. — Dass wir bei
dem rhetorischen Charakter der Schriftstellerei des Vop. an sich wohl Rücksicht
auf den Rhythmus erwarten dürfen, ist klar (s. o. S. 292 Anm. 2).
2) Man bedenke, dass Fr. Th. Vischer ein deutsches Regierungsschreiben unwill-
kürlich in fünt'füssigen Jamben las ; Hermann Kurz gar einen Verlegerbrief in Di-
stichen.
3) Vgl. Karl Nipperdey in s. erklärenden Auxri. des Tacitus, Bd. 1 (9. Auil. v. Gg.
72
304 Ernst Hohl,
Die Korruptel f e"""'W circhün suchte Moramseii, Hcniics 25. S. 291 f. =
Ges. Sehr. VII S. 362. durch a prncfectis archiis zu heilen. L. C. Parser
a. a. 0. S. 13 f. schlägt vor: ... a c n c {nee PB; neue Peter) lectorum
ineima dcperiret lihrum per aimos si»(/iiIos decies scrihi pubUcitus et in
consularihiis (oder consiiliim) archiis etc. ; danach wäre eiiicos archiis ent-
standen aus et in cos. archiis. Die Konjektur ist sehr scharfsinnig. Aber
was tun die Werke des Tacitus im Archiv der Konsuln? — Ueber die
angeordnete Vervielfältigung der Schriften des grossen Historikers hat
Th. Birt. Antikes Bitchiccsen (1882) S. 352 und neuerdings abermals in
der BiichroUe in der Kunst (1907) S. 2-1, Anm. 4 zu S. 23 gehandelt. An
der zweiten Stelle schlägt er statt libriim per annos singuJos vor: Jihros
per anninn sinr/nlos. Zu dem Bericlit lässt sich vielleicht Suet. Tih. 70. 2
heranziehen : qnihns p)octis (Euphorion, Rhianos, Parthenios) admo-
dum delectatus scripta omnitim et imagines ptthlicis hihliotheds infer vetercs
et praecipuos aiictores dedicavit. Man- sieht, dass es nur ein Schritt war.
den' Kaiser die Werke des Tacitus verbreiten zu lassen, nachdem einmal
auf Grund des Namens Beziehungen zwischen ihm und dem Geschichts-
schreiber hei-gestellt waren. Tac. 10, 5 scuiis tectis gebraucht Vop. auch
A 35. 3. Schiller a. a. 0. I S. 874 Anm. 5 sagt über die Stelle: „Welche
Bedeutung die v. Tac. 10. 5 berichtete Massregel hat . . .. ausser vielleicht
die Gründung eines Baufonds, ist nicht zu sehen ". Ich habe oben. S. 298 f..
V. AS 24. 3 beigezogen : vgl. A 35. 3 : s. auch Mommsen, Böm. St.-R.,
II ^ S. 1051 : , Daneben begegnen uns Spuren von Fundierung der Kosten" M-
— yiiDiidirne cohimnae (cap. 10. 5) kommen auch Gd. 32, 2 an dem präch-
tigen Palast der Gordiane vor und zwar nur 50 an der Zahl ; das Ge-
schenk von hundert solchen Säulen an Ostia durch Tacitus soll danach
wohl als besonders grossartig erscheinen. — Recht töricht ist der Satz
Tac. 10, 7 : servos urhanos o m n e s manu misit utriusque scxus, intra ccn-
tum tarnen ne Caniniam transire rideretur. Gemeint ist die lex Fufia
Caninia (s. Stein bei l'.-W. III. Sp. 2877: Lecrivain a. a. 0. S. 370 sagt:
,L'observation de la loi Fufia Caninia ä cette date est plus Cjue suspecte
Andresen. Berlin 1892) Einl. S. 5: , Später behaupteten M. Claudius Tacitus, Kaiser
276 n. Chr., und Polemius, praefeclus praetorio 476 n. Chr., mit ihm verwandt zu sein
oder von ihm abzustammen (Vop. Tac. 10; ApoUinaris Sidonius ep. IV 14).-
1) Auffallend ist der Gebrauch von deputare c. dat. im Sinn von .bestimmen".
Wie ich aus dem Material des Thes. lin(/. Lat.. das ich der Vermittlung von Herrn
Dr. Sigwart verdanke, ersehe, lässt sich das Verbum in dieser Bedeutung erst von
der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts ab belegen, abgesehen von den viel
trüberen Schriften Tertullians, der eine besondere Vorliebe für deputare hat. Vgl.
Fr. Oehler in s. Ausij. (Leipz. 185:3/4) I S. 70 Anm. b. zu de idolairia 4: „Verbum
hoc frequentissimum in scriptis Tertulliani, cum variis structuris". Von TertuUian
aus mag das Verbum in den Wortschatz der Kirchenschriftsteller (s. z. B. den Indes
zu Tj'rannius Rufinus [Ende 4. Jahrb.] ed. Eiigelhrecht im Corpus Script, ecd. Lat.
XXxkvi, I 1910. S. 306, Sp. 2) übergegangen sein.
73
Vop/srus mid d/c li/of/raplt/c des Kaisers 'J'iicitns. ;j()5
. . . . "). Wie kann man ilrmi allen .stiiiUischen Sklaven die Freiheit schen-
ken, und zwar in Geniässheit des Gesetzes nicht mehr als hundert? Ent-
weder gab es überhaupt nicht mehr als hundert solche Sklaven und dann
schenkte er eben allen die Freiheit ; in diesem Fall konnte er das Gesetz
überhaupt nicht überschreiten ; oder aber es gab mehr als hundert, dann
konnte er sich zwar an das Gesetz halten, aber unmöglich alle freigeben.
Wenn Lecrivain a. a. 0. S. 370 meint: nVop. parait avoir trouve
tout ce morceau dans sa source biographique. La valeur en est d'ailleurs
tres mediocre. Le biographe a la preoccupation visible de faire de Tacite
un modele de simplicite republieaine". so hat er. was die Tendenz be-
trifft, sicher Recht. Nur halte ich es für ganz überflüssig, alle diese Dinge
auf eine Quelle des Vop. zurückzuführen. Das Machwerk ist so erbärm-
lich, dass wir es diesem selbst zutrauen dürfen. Wozu also eine Quelle
verantwortlich machen? Gewiss war Vop. der erste, der eine eingehende
Biographie des Tacitus geben wollte, und eben der Umstand, dass er keine
Vorarbeiten hiefür hatte, zwang ihn. in dieser Weise zu fabulieren. Wer
sollte sich auch vor ihm für diese Einzelheiten, von denen zudem fast
keine einzige originell ist, interessiert haben? Die paar Daten der „Kaiser-
geschichte" gingen wohl ziemlich nahe zusammen.
In cap. 11 wird das Privatleben des Tacitus behandelt: er ist natür-
lich ein Muster von Schlichtheit und Einfachheit. — Schon Suet. Auf/. 77
berichtet über das Getränke des Augustus. — Auch auf Pertinax' Tafel
(P 12,2) spielte der Lattich eine grosse Rolle; ebenso kommt laditvidac
thyrsvs auch Suet. Awj. a. a. 0. vor. Es ist also nicht wunderbar, wenn
dem Tacitus hiefür eine gewisse Leidenschaft angedichtet wird '). — .. L'a-
mour du pain sec est dejä dans Pius {AP 13,2)" sagt Lecrivain a. a. 0.
S. 370 Anm. 1 (vgl. etwa auch das pcrfusum aqua frigida panem des Au-
gustus bei Suet. a. a. 0. und Ejnfo^ir 15, 5 defjusfans panis aVtquantuni
etc.). — Das seltene Bad passt sehr gut zu der spartanischen Lebenshal-
tung, da ja dessen üliermässiger Gebrauch verweichlichen sollte (vgl. V e-
getius, epif. rei mil. 1,3 ed. Lang (1885 -) S. 7 Z. IG f.: hahiearum nescia
vom unverbrauchten Landvolk, und Mau bei 1'.- W. II, Sp. 2747). Tac.
11.5 wurde bereits mit AS 37,6 verglichen. /' 12.6 heisst es faskmum
■niiniipiani privato convivio comcdit aut aJiciii misif-). Nach Tac. 11,6 soll
der Kaiser früher dem Aurelian nahegelegt haben, aiirinn a vest/bus et ca-
meris et peUlbiis siimtnovere. A 46. 1 heisst es von Aui-elian : habiiif in
1) Vgl. W. Teuffei bei Pauly, Eeiil-Enci/k!. IV (1846) S. 719. wonach die laciuca
für tfivwTixi'i. üotmio apta, galt. So erklärt sich das somnum mercari. — Auch der
Clenuss von Hasenfleisch soll nach Ansicht des Cato den Schlaf befördern : vgl. Plin.
JV. H. 28, 260 (Friedländer zu Martial V 29. Bd. I S. 404 s. Ausg.).
2) Schon Sueton erwähnt den Fasan auf der kaiserlichen Tafel; vgl. VitelUua
18.2 {phasianarum et pavonmn cereheJla, liuguas phoenicopterum etc., danach ist ganz
deutlich Hei 20,6 gearbeitet). — Hei 32,4 erinnert an Suet. Calig. 22,3;
74
306 Ernst Hold,
animo. ut anrum iieqite in Cameras nequc in funicas neqiie in pcUcs nei/iie
in arc/entuin mittereiur ....
EncUicli bricht Vop. mit dieser ermüdenden und völliff wertlosen Auf-
zählung ab. um Tue. 11. 7 den Interessenten für weitere Einzelheiten auf
Siietoiüiis Optafianus, qui eins vif am adfatim scripsif, zu verweisen. Lecri-
vain glaubt an diese Quelle (a. a. 0. S. 370), bemerkt aber, dass Sueto-
nius Optatianus seine Vorgänger kopiert habe. Dagegen sagt Stein bei
P- W. III, Sp. 2872 mit mehr Recht über diese bedenkliche Quelle, dass,
wenn sie überhaupt jemals existiert habe, ihr Verlust — schon nach dem
Wenigen, was aus ihr zitiert werde, zu schliessen — nicht zu beklagen sei ').
In der Tat haben wir allen Grund, den Suetonius Optatianus für eine
Erfindung des Vop. zu halten. Haben wir doch gesehen, dass überall
Anklänge an frühere Viten — des Sueton oder der H. Ä. — beobachtet
werden können, sind also gewiss berechtigt, die Arbeit dem Vop. selbst
zuzuschreiben. Diese Auffassung kann bei einem Mann, der mit Zitaten
aller Art so freigebig ist, durch die eine Erwähnung einer biographischen
Quelle nicht erschüttert werden. Aber der Name Suetonius erweckt noch
besonderen Verdacht. Es wurde schon oben (S. 226) versucht, im An-
schluss an Wölfflin gegen Enmann die Möglichkeit zu erweisen, dass Sue-
tonius als Gattungsbegriff für Kaiserschriftsteller vorkommen könne. Hier
scheint nun in der Tat ein weiterer Beleg für diesen Gebrauch vorzuliegen.
Ausserdem steht der Fall in der römischen Literatur nicht vereinzelt da, dass
der klassische Vertreter eines Faches zum Typus ge.stempelt wird. So
galt Livius als allgemeiner Ausdruck für einen Verfasser republikanischer
Geschichte (s. o. S. 227). Aehnlich wurde Afranius, der als -erster die
Knabenliebe in die Komödie einführte, typische Bezeichnung für einen sitten-
losen Autor, ebenso wurde Lucilius zum Gattungsbegriff der Satire (s. Ed.
Norden bei Cichorius, UnfersKcJiKnc/cn zu Liiciliiis 1908. S. 198 Anm. 1),
Apicius zum Prototyp des Schlemmers-). — Der Schluss von cap. 11 (§ 8)
scheint den Kaiser als littcrafus zeigen zu sollen (entsprechend der Akkla-
mation [Tdc. 4, 4] ccqiiis meÜKS quam littcrutus impercd ?), wie es sich für
den angeblichen Nachkommen des Historikers gehört. Wenn es heisst
nee umquam noctem intermisit, qua non aliquid vcl scriberet ille vel legcret
praeter posterum Icalendarum diem, so darf man vielleicht hiezu an Suet.
Aug. 92, 2 erinnern : observahat et dies quosdam, ne aut j)Ostridie nnndinas
quoquam profieisceretur mit Nonis quicquam rei seriae incoharet; nihil in
hoc quidem aliud devitans, ut ad Tiberium scribit, quam övaftjfiiav nominis.
Cap. 12 schildert die grosse Freude des Senats über die in seine Hand
1) H. Peter, Historicortim Romanorum fragmeiita, Leipzig 1883, S. 363 führt den
Suetonius Optatianus mit Tac. 11, 7 als einzigem testimonium auf.
2) Vgl. M. Schanz. Born. Lit.-Gesch. TI, 2= (1901), S. 393 f.. wo Friedländer, Sit-
tengesch IIP [jetzt in 8. Aufl. S. 19 Anm. IJ und F. I. B. II. S. 111 f.. G Nr. 53 zi-
tiert werden.
75
Vopianis nmJ d/r Jiioi/rtipliir drs lüii.sers Tac/tns. 307
gelegte Walil und dir Wiedorautiiiiliiue der Senatslierrschaf't. — Zu nee
tacemhim est vgl. Tac. 7, ö. — Ueber das Wort hitiniarc hat Vogel im
Ä)-ch. f. lat. Lex. III. S. 108 S. ') gehandelt. — Hekatomben begegnen
uns M B W, 4—5, wo die Sache erklärt wird (§§ 5, 6, 7) ; cf. Ma.r. 24, 7;
an diesen Stellen dient das ausserordentliche Opfer zum Ausdruck der leb-
haftesten Freude. (Dagegen scheint Gall. 9, 4 der Gebrauch des Wortes
bereits sehr abgeschwächt zu sein.) — Zu Tac. 12, 1 in antiquum statitm
redissc vgl. Tnc. 18,4 in a. st. rcdisse; 19,1 reversa in n. st.; 19,3 in
a. .'it. reivrtit; und ^ C 14, 6 . . . nt in antiquum statum /»ililira forma
irdddfiir. — Die in Aussicht gestellten Briefe von Senatoren über das
freudige Ereignis, dass der Senat den Kaiser zu bestimmen habe, werden
in der Tat am Schluss der V ita angefügt. Dort wird geschieden zwischen
epistidiw pnblicac uud epistidne privntne ; hier heisst es ungenau, dass ein-
zelne Senatoren an ihre Angehörigen, aber auch nach auswärts, geschrieben
hätten, dass ausserdem Briefe an die Provinzen geschickt worden seien;
das letztere sind also die epistulae puhlicae. — ipsum semduni principem
factum mehr konnte Vop. nicht sagen. — Tac. 12, 2 ne quid .... deesset
cognitioni stellt sich zu Gd. 34, 6 ne quid tiiae cognitioni deesset. — Die
Briefe sollen sich lesen lassen cum cupiditate et sine fastidin; die evitntio
fastidii ist auch A 22, 4 das Ziel des Yop.
Cap. 13, 1 bringt endlich eine historische Nachricht, nämlich, dass
es des Tacitus erste Sorge gewesen sei, alle Mörder des Aurelian, gute
und schlechte, zu töten. Nach Fr. 13, 2 wären unter Probus noch Mörder
des Aurelian übi-ig gewesen und erst von diesem bestraft worden; das ist
die griechische Version (vgl. Zos. I 65, 1). Wir haben schon oben (S. 288)
vermutet, dass die „ Kaisergeschichte " demgegenüber die Bestrafung der
Mörder Aurelians durch Tacitus berichtete (s. Leci'ivain a. a. 0. S. 370
Anm. 3). — • Nach Le'crivain S. 370 f. soll cap. 13, 2 — 3 (Niederlage der
Barbaren, die vom Gebiet des mäotischen Sees aus eingebrochen waren)
der wahrscheinlich teilweise missverstandenen Biographie (■') („source bio-
graphique") entstammen. Von Kämpfen in der Maeotis hören wir bei Zos.
I 63. Zon. XII 28 (vgl. Rappaport. GotcneinfdlJe S. 101 ff.). Höchst wahr-
scheinlich entstammt also diese Notiz der griechischen Quelle. Die Tat-
sache der Kämpfe sichert der Beiname Gothicus 3Ia.rimus (auf einer Münze,
angeblich mit VICTORIA FONTICA, die Eckhel. doctr. num. VII S. 498
notiert, hat J. von Kolb, Wiener numism. Zeitschr. IX, S. 123 ff., VIC-
TORIA FERFETVA entziffern können; vgl. Schiller a. a. 0. I S. 874
Anm. 12). Die Form Meotidae für ein Volk ist sehr auffallend {Amm.
Marc. 21,8, 31 sagt Maeotae); vgl. Brunner a. a. 0. S. 51 und Peter,
Die S. h. A. S. 152 Anm. 3. Allerdirgs kam Mentidas auch schon A
1) Vgl. Wölfflin. Archiv XIII. S. 177 (Stellen aus Festus, Apuleius, Tertulliaii und
Ammian).
76
308 i:nist Hohl,
16, 4 vor. An dieser Stelle hat Lecrivain. a. a. 0. S. 355 vei-mutet, dass
der Name des Volks aus Man'nig (sie !) missverständlicherweise entstanden
sei. Die Annahme einer griechischen Quelle bestätigt A 16,2: Hoc Joco
tanin est diversitas historkoriim et quidem Graecorum ... Es ist das Wahr-
scheinlichste, dass auch Tac. 13. 3 die eigentümliche Namensforni durch
Benutzung der griechischen Quelle zu erklären ist. — Tac. 13. 4 bringt
ein Cicerozitat ans in Pison. 3 '). Gerade Vop. (und schon Pollio) lieben es
besondei'S, Zitate aus Cicero einzuflechten (s. den Index von Peter in der ed.
II- S. 278). Es ist dies übrigens eine Eigentümlichkeit, die auch Ammian
aufweist (vgl. Seeck bei P.-W. I, Sp. 1850). — Der Satz Tac. 13.4:
f/cssit aidem propter hrevitatem temporiim nihil macpmm lässt sich verglei-
chen mit Pollio GJ. 12, 5 Qitintillus outem ob hrevitatem teinporis nihil
diiimtm imperio gererc potuit .... Eutrop IX 16 sagt von Tacitus : I^ihil
tarnen darum potuit ostendere intra sextum mcnsem iniperii morte praevmüiis :
von Florianus neque quicqnam digmim memoria egit. Danach könnten wir
eine Art Formel der , Kaisergeschichte " feststellen; denn, wie der Ver-
gleich mit Eutrop zeigt, befinden wir uns sowohl für Gl. 12, 5 (Quintillus'
Tod), als für Tac. 13, 4 auf ihi'em Boden. Schon Enmann a. a. 0. S. 465
Anm. 33 hat bemerkt, dass der Kaiserbiograph kurze Regierungen mit einer
ähnlichen Phrase erledigte, und Eutrop VIII 21 (nihil memorahile ex tem-
poruni hreritate gesscrunt von Macrinus und Diadumenos) mit IX 16 ver-
glichen. Allerdings ist diese Betrachtung ohnehin sehr naheliegend und
konnte sich jedem leicht aufdrängen. Die Uebereinstimmung zwischen
Tae. 13,4 und Eutrop IX 16 hat auch Gräbner a. a. 0. S. 107 notiert.
Ausserdem weist er (S. 96) darauf hin. dass die Stelle Gt. 12, 5 (von Quin-
tillus) wörtlich zu Zos. I 47 stimme {y.ai fii'i'jfir]g ovösv ä^iov ttetiqu-
XÖtoq). .Jedenfalls brauchen wir aus diesen Stellen nicht mit Gräbner auf
die griechische Zosimosquelle zu schliessen, da für Vop. imd Eutrop die
„Kaisergeschichte" denn doch näher liegt.
Tac. 13, 5 berichtet den Tod des Tacitus, nach der einen Darstellung
durch eine Militärrevolte, nach einer andern durch Krankheit. Auf alle
Fälle habe der Kaiser sehr unter dem Druck von Intriguen und Cliquen
zu leiden gehabt. Der Tod in einer Revolte ist die griechische Version
(vgl. Zos. I 63, 2 und 65, 1 und dazu Pr. 13, 3, wo es von Probus heisst :
deinde animadvertit in eos, qui Tacito insidias fecerant), wie das auch Dann-
häuser a. a. 0. S. 45 Anm. 4 richtig betont. Die lateinische Tradition
lässt den Tacitus eines natürlichen Todes sterben (Fr. 10, 1 absumpto fa-
taliter; Gar. 3, 7 ab.'inmptus). Also kein Wort darüber, wo Tacitus ger
sterben ist. Auch Eutrop IX 16 gibt keinen Ort an und drückt sich mit
morte iwaeventns sehr vorsichtig aus. Die Epitome 36,2 berichtet: apud
1) Vgl. oljen S. 292 Anm. 2 und L. C. Purser a. a. 0. S. 48. Marcus Tullüis ist
gesagt Tac. 13,4: Gall. 20.1; 2' 8, 2 (o Marco Tultio); Tullms alleinsteht .139.4 u.
67. 2,5; endlich Cicero wird gebraucht T 22,11 u. AS 42.4.
77
Fopiscils inid die liiof/idiifiie iIcs Knisers Tarifiis. 309
'J'iiisiiiii l'rhri iiKirifiir. Das fchr/ entspricht »1er Version bei Voi». Wir
haben nun schon oben (S. 2<J'<i) vermutet, dass (ijnul Tantum im Text der
Ep/tdiiic an die falsche Stelle geraten sei. Wie man sich auch entscheiden
niao'. soviel scheint festzustehen, dass Florian, nicht Tacitus bei Tarsus
starb'). Aiir. Vict. Cae.s. 36,2 sagt l'i/anae niortito; gewiss berichtete
die „Kaisergeschichte" den "natürlichen Tod (mo)iiio^) bei Aur. Vict.; worte
pvaerentus bei Entrop ; die eine Version morho hderiil bei Vop. und fehri
iiiordiir in der Epitonie), die griechischen Quellen den gevsraltsamen (vgl.
auch noch Zos. I 63, 2). Vop. gibt sowohl die griechische als die la-
teinische Version und zwar nehme ich an, dass die Nebeneinandersteliung
von ihm selbst heiTührt. Auf eine griechische Quelle des Vopiscus sind
wir ja auch anlässlich der Maeoten gestossen (o. S. 307).
Cap. 13, 6 Hie idem mensem Septemhrem Tacititm appeUari iiissif, id-
eireo quod eo mcnsc et nahts et factiis est imperator : Lecrivain a. a. 0.
S. 372 urteilt: „Cette notice n'est pas ä sa place (auch Peter in seiner
Ausg. bringt Zeichen an, nach denen der Passus aus einem anderen Autor
zur Bereicherung und Ergänzung der eigentlichen Erzählung zugesetzt
sein soll: s. praef. Bd. I S. XXXIV), mais est acceptable". Die Notiz
ist im Gegenteil sehr auffällig. Man müsste vor allem erwarten, dass der
Senat diese Ehrung für den Kaiser beschliesst, und möclite fast vermuten,
dass der Satz aus einem andern Zusammenbang versprengt wurde, in dem
vom Senat die Rede war, dass also dieser mit hie idem gemeint wäre (man
denkt etwa an cap. 12, das die Freude des Senats schildert). Doch ist
ein solcher Ausweg immer misslich. Es ist kaum verständlich, wie Vop.
einen Kaiser wie Tacitus, in dem er das Muster von Bescheidenheit dem
Senat gegenüber erblickt, selbst eine solche Bestimmung treffen lassen
kann. Zu diesen Umnennungen von Monaten zu Ehren fürstlicher Per-
sonen s. die Ausfühningen von .T. M. Heer. Der histor. Wert der v. C,
PhihJ. IX. Suppl.-Band (1904) S. 161 ff. Vielleicht hUft uns Macroh.
Snf. I 12.37: eaidio posfea principnm ceterorum, diri ominis infausta ri-
tniüittm. mensihus n Sepfemhri iisque ad Deeemhrem prisea twnnmi reser-
vavit. W^enn wir diesem Zeugnis trauen dürfen, dann ist eine Umnennung
des September in der Zeit des Tacitus ganz ausgeschlossen. In welchem
Monat übrigens Tacitus geboren wurde, wusste zu Vopiscus' Lebzeiten
gewiss kein Mensch mehr. Dass Tacitus im September auf den Thron
kam, wäre an sich chronologisch möglich ^), aber es ist eben die Lücken-
haftigkeit unserer Quellen, die ims so viel Spielraum lässt. Da ein sie-
1) Der Chronof/rapli vom J. 354 (Cliron. min. I S. 148 = Mommsen Ges. Sehr. VII
S. .577) lässt den Tacitus I'onto sterben. Von Florian sagt er occisus Tharso (sie).
2) Aur. Vict. Caes. 35, 2 neqiie e.ritu tohrahili fitit bezieht sich natürlich nicht
etwa auf ein besonders trauriges Ende des Tacitus, sondern auf den Untergang der
Senatsherrlichkeit durch die Usurpation des Florian. — 3) Nach Tue. 3, 2 fand die
entscheidende Senatssitzung am- 25. September statt. Doch ist das Datum wertlos.
78
310 Enisf Hohl,
bentes Regierungsjahr des Aurelian sicher bezeugt ist (vgl z. B. Dessau,
Hermes 27, S. 570 Anm. 1), so scheint Aurelian entweder ganz kurz vor
oder aber nach dem 29. August') ermordet worden zu sein (vgl. Groag
bei r.-W. V. Sp. 1358). Bei den Natales Caesarum {CIL V- S. 255)
werden natürlich Tacitus (und Florian) nicht erwähnt.
Mit cap. 13, 6 Schi, wendet sich Vop. dem Nachfolger des Tacitus,
dem fraier Florianus. zu. Cap. 14. 1 sagt: Hie frater Taciti germamts fuif.
Schon cap. 5, 2 weist eine Akklamation auf den lonus fhder hin. Cap. 9, 6
war die Rede von der durch den Senat abgeschlagenen Bitte um das Kon-
sulat für seinen Bruder Florianus, eine Erfindung, deren Tendenz deutlieh
genug ist. Cap. 17.4 heisst es dagegen von Tacitus und Florian: nam
^iversis pafrihus nafi ferelant/ir; danach wären sie also Stiefbrüder ge-
wesen, was nicht zu der ausdrücklichen Bezeichnung frater (jermnnus (Tue.
14,1) stimmen kann. Dass sie leibliche Brüder waren, ist durch die
Namen ganz ausgeschlossen : M. Claudiiis Tacitus hiess der eine. 31. Än-
niiis Florianus der andere. Sehr verdächtig ist die schwankende Haltung
des Vopiscus, der selbst das eine Mal von leiblichen Brüdern, sonst immer
von Brüdern, an einer andern Stelle aber — zweifelnd — von Stiefbrü-
dern spricht"). Nach P. von Rohden bei P.-W. I. Sp. 2266 ist Florianus
leiblicher Bruder; ebenso sagt E. A. Stückelberg. Die Ihroufolf/e von Auf/,
bis Co))sta)if., Wien 1897 (Ziiricher HabiUtafinnssrlirifi) S. 50: „Bruder'',
ebenso von Domaszewski, Geschichte der römischen Kaiser II (1909) S. 316 f. ;
dagegen entscheidet .sich Stein bei P.-W. III. Sp. 2873 für Stiefbruder,
ebenso Klebs, P. I. E. I (1897) S. 64 f. A Nr. 488 und E. Ferrero bei
Ruggiero, 7)/>. epigr. III. S. 170 f. („fratello uterino". von einer Mutter).
Eutrop gibt nichts derartiges an ; ebensowenig die Epitomc. die insofern
selbständigen Wert hat, als sie an dieser Stelle sich zwar an Eutrop an-
scliliesst. aber dann über ihn hinausgreift. Zos. und Zon. machen den
Florianus zum Gardepräfekten des Tacitus, aber von einer Verwandtschaft
wissen sie nichts '). Wohl aber sagt Aur. Vict. Cacs. 36, 2 Florianus,
eiiisdem frater-, dass Eutrop nichts angibt, muss umsomehr auffallen, als
er z. B. bei Quintillus (IX 12) ausdrücklich sagt Claudi frater*). Dass
1) Es gibt alexandrinische Münzen, die sein siebentes ägyptisches Herrscherjahr
nennen. Das ägyptische Jahr beginnt mit dem 29. August.
2) Tac. 14, .5 heisst es idki .... domo. — ijermaiuis ist, wer idem germcn hat. kann
also auch bloss Gemeinsamkeit des Vaters bezeichnen. Für Gemeinsamkeit der
Mutter steht ^P 1,5 uterinus.
3) Soweit ich sehe, sagt von den Neueren allein B. Niese. Gnnidriss der röm.
Gesell. München 1910* S. 374 überhaupt nichts von einer Verwandtschaft, sondern er-
wähnt nur den , Gardepräfekten M. Annius Florianus". Eine Begründung für diese
von der üblichen Autfassung abweichende Ansicht gibt er allerdings nicht.
4) Gerade umgekehrt ist das tatsächliche Verhältnis bei Polemius Silvius, later-
cuhis (Chro». min. I S. 521 f. = Mommsen, Ges. Sehr. VII S. 645 f.: 47 Quintillus
occisus, 50 Tacitus, 51 Florianus frater eius occisus).
79
VopiscHs Hiiil dir ]i/(i(/n(j)/i/r (hs Kaisers Tacifiis. 31 1
A n r. ^' i c t. ilcii K 1 n r i a ii iiül <i) ii i ii t i 1 1 ii s v i- r \v f c li seit c unil
ihn ileshiilb zum L5nuler seines \'ur.nüngers machte, wunk' schon oben
(S. 202 f.) bemerkt. Danach entbehrt das Zeu<fnis des Aur. Vict. der Be-
weiskraft für die Darstelhmg in der , Kaisergeschichte", während Eutrop-
EpUome entschieden gegen Erwähnung der Verwandtschaft in der „Kaiser-
geschichte" ins Gewicht fallen. — Es ist übrigens recht bezeichnend, dass
Vop. gerade die Nachricht, die wenigstens nicht in offenkundigem Wider-
spruch zu den Tatsachen steht, nämlich dass die beiden Stiefbrüder ge-
wesen seien, unsicher gibt, dagegen die andere, die durch die uns glück-
licherweise aus Insclirirten und Münzen, für Tacitus auch aus den Papyri,
bekannten verschiedenen Namen als unmöglich ausschaltet, mit grösster
Bestinmitheit. Ich zweifle nicht, dass Vop. die Nachricht von der Ver-
wandtschaft eben dem Aur. Vict. entnommen hat, wie er ihn z. B. für
Aurelian (s. Dessau, Hermes 24 S. 371) neben Eutrop und der „Kaiserge-
schichte" benutzte. — Eine weitere Stufe stellt übrigens Moses von Khoren
dar (Müller F. H. G. V S. 396) ')■ der gar Quintus (für Quintillus), Ta-
citus und Florianus alle drei zu Brüdern macht. Man sieht, wie sich die
Verwandtschaft noch weiter ausgebreitet hat.
Cap. 14, 1 berichtet, Florian habe non senatus andnritiüe, scd siio
■motu die Herrschaft an sich gerissen. Dazu tritt ergänzend Aur. Vict.
dies. 36, 2 (vgl. Enmann a. a. 0. S. 388) müh senatus seit militum consulto
Imperium invaserat. Unzweifelhaft hat Aur. Vict. hiefür die „Kaiserge-
schichte" benutzt; Vop. dagegen scheint wiederum aus Aur. Vict. ge-
schöpft zu haben. — Zum besonderen Vorwurf^) macht Vop. dem Florian,
dass er das Reich quasi heretVitarium esset usurpiert habe, obwohl Tacitus
im Senat beschworen worden sei, nicht seine Kinder, sondern den würdig-
sten zum Nachfolger zu bestimmen (s. Tar. 6, 8 u. 9) ; ganz in diesem
Sinn versichert Pollio, Gl. 12, 3, dass Quintillus, der Bruder des Claudius,
das Reich wirklich verdient, nicht ererbt {licreditaritim) habe und aucli ohne
die Verwandtschaft mit Claudius auf den Thron gekommen wäre (vgl. auch
Pr. 10, 8, wonach Florianus den Thron ebenfalls quasi hereditarium be-
steigt und ebenso 11,3 in der oratio prima des Probus an den Senat).
Tac. 14, 2 stimmt sehr gut zu Aur. Vict. Cacs. 37, 1. Man vergleiche:
1) = ('oUectioH des historiens ancien» et modenii'f: de l'Aniieiiie, pidil. en fruni;. par
Victor Langlois, t. II Paris 1869, Kap. 76, S. 119.
2) Herr Prof. Kornemann weist mich darauf hin. dass die Verwandtschaft otfen-
bar erfunden worden sei, um diesen Vorwurf erheben zu können. Vopiscus [bezw.
der ihm vorliegende Autor] sei ein fanatischer Anhänger der Theorie der Vererbung
durch Adoption (vgl. Tac. 6,8—9). Die Erörterung der Streitfrage, ob Erbfolge der
leiblichen Kinder oder des 02itimi(s im Reiche, passe vorzüglich in die Zeit Diokle-
tians; danach habe wohl schon die Quelle, also die .Kaisergeschichte' einiges darüber
gehabt. — Dabei ist jedoch zu bedenken, dass die Adoptionstheorie schon im 1. .Jahr-
hundert n. Chr. eine grosse Rolle spielte (s. o. S. 29.3) und seitdem zum Inventar der
Rhetoren gehört haben mag.
80
312 Ernst Ihihl.
V 0 p. denique vkc duohus mensihiis
imperium tenitit et occisiis est Tarsi
a milifihus, qui Prohiim mulierant im-
A u r. V i c t. Quo nno mense aut
nltero vix retenfata dominatione apud
Tarsinn ah suis interficitur. 2 post-
perare, quem omnis exercitus legeraf. j (piam Probum in lllyrico factum ac-
3 tantus antem Probus fuit in re nii- cepere, ingcnti belli scientia ....
Jitare,
Danach hat sich Voji. oifenbar damit be.crnügt. für die kurze Usur-
pation des Florian einfach den Aur. Vict. auszuschreiben. — In Tac. 14. 4
wird das Bestreben des Florianus. seinem „Bruder" nachzueifern zwar
anerkannt, aber doch seine imperandi cupiditas getadelt, die ihn von seinem
.Bruder" sehr unterschieden habe.
Tac. 14, .5 folgt eine Zusammenfassung, wobei die Regierungszahlen
zu den vorherigen Angaben stimmen. Taeitus und Florianus werden ge-
nannt quasi quidam interrefjes infer Äureliannm et l'rohum (zu quasi qui-
dam s. Wölfflin a. a. 0. S. 517). In dieser Angabe sah v. Sadee a. a. 0.
S. 51 f. den Schlüssel für die Entstehung der Tradition Tom Interregnum.
Das Interregnum nach Aurelians Tod und die Bezeichnung von Taeitus
und Florianus als interreges schliessen sicli ja keineswegs aus. Uebi-igens
werden begi-eiflicherweise beide auch von lulian in den Caes. übergangen.
: — Den Satzteil post Interregnum prinripes nuucupati wollte Winterfeld
a. a. 0. S. 558 gegen die Klammern Peters verteidigen, weil ohne ihn
kein rhythmischer Satzschluss vorhanden sei. Vielleicht muss man aber
hier mit der Möglichkeit einer Glosse rechnen, die von irgend einer Seite
beigesetzt wiu'de, die zu Anfang der Vita vom Interregnum gelesen hatte.
Die Möglichkeit solcher Zusätze von Lesern hat ja auch Wölfflin a. a. 0.
)S. 512 ff. hervorgehoben.
Cap. 15 bringt ein omen und dessen Deutung durch die liuruspices.
Wenn Statuen des angeblichen Brüderpaares in Interarana. in solo proprio,
erwähnt werden, so darf man aus dieser Stelle natürlich nichts für die
Heimat des Geschichtsschreibers folgern, wie man das tun wollte (dagegen
wendet sich mit Recht Schwabe bei 1\-W. IV, Sp. 1567). — In dem
Orakel der liaruspires [Tac. 15, 2 ff.) hat Mommsen ad Eonumam iitsuJam
in ad Monam msulam geändert'). Zu Taprobanis praesidem imponat
vgl. Plin. N. n. VI 81 : Taprobanen alter um orbem ferrarum esse diu exi-
stimatum est Antirhtlionum appellntione (vgl. über das Wunderland. Ceylon,
Erwin Rohde, Grierh. Roman 1876 ^ S. 223 Anm. 1 und S. 239 Anm. 2).
— Die Berührung mit dem Probusorakel Pr. 24. 2 (vgl. Dannhäuser a.
a. 0. S. 90) hat H. Peter, Die S. h. A. S. 48 besprochen : die Veranlas-
sung zu der Prophezeihung gäbe in beiden Fällen ein Blitzstrahl, welcher
1) L. C. Purser a. a. 0. S. 1-5 tf. schlägt leniam (oder Iitrernam). also Irland vor.
Aus lernam sei durch Wegfall der beiden ersten Buchstaben niam geworden, daraus
habe man lionuiiiam gemacht. Die Konjektur ist vortrefflich, ebenso die Begründung,
warum Irland gesagt sei.
81
V<)2)isciis Ulli) die Biof/rap/iie des Kaiffcrs Tacitus. 313
Statuen i» sohi proprio trifft'). An die Antwort der han(spicef< achliesse
sich die höhnische Kritik des Vop. Wo es Vop. mit dergleichen Ernst
nehme, da laute der Ton seiner Worte anders-). — Zum Alter von 120
Jahren v<>i. besonders H. Peter, Die S. h. A. S. 24 Anni. 1 (67. 2. 4 wird
dem Moses allein ein Alter von 125 .Jahren durch PoIIio zu<,'eschrie-
ben) und v. Gutschmid, Kleine Schriften III S. 286. Es soll damit das
höchste Alter bezeichnet werden '). — Zu cap. 15, 4 vgl. Winterfeld a. a.
0. S. 558, der eoriim streichen will und so die von Peter angenommene
Lücke entbehrlich macht. — Zu cap. 15, 5 er/o turnen haee idcirco inse-
renda volmnini credidi. ne qiiis nie legens legisse non crederet vgl. Capit.
Max. 28, 1 0 : qnod idcirco indidi, ne qitis qui Cordiim leyeret, nie praeter-
niisisse crederet uJiquid, quod ad patreni peiiineret.
Das Gemälde des Tacitus {Tac. 16. 2) wurde oben (S. 300) besprochen.
Nach C 4, 9 wurde das Geschlecht der Quintilier von Conimodus ausge-
rottet. Da nach Tae. 11, 4 der Kaiser rciiationtim stiidiosiis war. so er-
scheint er auch einmal in Jiigertracht abgebildet. — Dass zu dem wür-
digen Grei.s nur noch die Toga passe, war ein naheliegender Gedanke, zu
dem man keinen cpigraminatarius (das Wort auch Q 7, 4) gebraucht hätte.
In cap. 16,4 kommt noch einmal der Spott über die Antwort der liani-
spices'^) gegen die Nachkommen von Florianus und Tacitus. Dass die
beiden viele Kinder gehabt haben, steht nur hier (vgl. die parvidi. Tac. 6, 8).
Cap. 16, 5 scheint V^op. abschliessen zu wollen. Zu dem Satz Haec
sunt, quae de vita Taciti atque Floriani digna memoratu comperisse nie nie-
mini vgl. § 13, 6 Haec digna menioratn de Procnlo didicisse nie meniini
(die Wendung mit niemini ist sehr beliebt im Corpus, besonders bei Vop.,
s. Lessing, lex. und Lecrivain S. 353: „cette formule legisse nie me-
nini indique generalenient une invention"). — Cap. 16.6 wird der Ueb er-
gang zu Probus angekündigt, der nach Tacitus — Florian wird hier über-
gangen — auf das Urteil aller Guten hin Kaiser geworden sei. und dieser
gleich aufs höchste gefeiert. — Das naheliegende Wortspiel mit seinem
Namen (s. o. S. 292 Anm. 3) kehrt Pr. 4. 4 noch einmal wieder. — Cap.
16, 7 kommt die Entschuldigung des Vop.. dass er diese Dinge in uliorum
1) Derartige Statuenwunder werden oft erwähnt. Vgl. z. B. Suet. Galba 1 —
zur Antwort der haruspices lässt sich Sueton Auy. 94, 2 beiziehen.
2) Nach 2ac. 1-5, 3 f. soll sich das Orakel erst nach 1000 Jahren erfüllen. Darüber
spottet Vopiscus, obwohl z. B. Euphorion ^Xthäött, Orakel, die sich in 1000 Jahren
erfüllt oder erprobt", gedichtet hatte (vgl. Erich Bethe bei Gercke-Norden, Einl. in
die Altertiimswiss. I S. 322 f.).
3) Auf 100 Jahre hatten die Pythagoreer das Menschenalter festgesetzt, vgl. Ed.
Norden in s. Ausy. von Verg. Aen. B. VI (1903) S. 11, Anm. 1. — Dagegen heisst
es Tac. Dial. 17 : centum et viginii anni ah interiUi Ciceronia in hiinc diem coUirjutiiur,
unnis hominis aetas.
4) Der Aerger des Vopiscus auf die harus2>ices zeigt sich auch A 7. 8, wo Aure-
lian in einem Heereserlass gebietet: haruspicibiis nihil dent.
Klio, Beiträge zur alten Geschichte XI 3. 21
82
314 Emst Hohl,
rita vorwegnehmen müsse; aber er tue es nur. damit er für den Fall eines
jähen Todes nicht ohne Erwähnung des Probus sterbe. Das passt zu der
Art. wie Vop. auch sonst mit der Möglichkeit eines baldigen Absterbens
rechnet, so A 24, 9, wo er eine populäre Biographie des ApoUonios von
Tyana in Aussicht stellt, si lita suppetif : vgl. Fr. 1, 5 sl vita stippetet
omnes, qui supersunt, usque od Maximianum Diodetianum didurus und
24, 8 post inde si vita snppdit Carum indpiemits propagare cum liheris (s.
übiigens auch Lampr. ÄS 64. 2 de quihus (Aurelimium dico et deinceps),
.*/ rifa suhpedifarerit ea, qiiae comperta fiwrint, puhlicahimus) '). — In Tue.
16. 8 schreibt Klebs. a. a. 0. (u. Anm. 1) S. 48 Anm. 1 mit Obrecht : ntmc
<p(iescam interim in meo stadio -), da diese glückliche Yerbessening mit der
Gegenüberstellung von stadio und studio genau der Art des Vop. entspreche.
Man sieht auch aus diesen Worten wieder, wie eifrig sich Vop. bemüht,
die sukzessive Entsteh nng der Viten dem Leser recht glaublich zu machen.
Offenbar soll die Vorstellung entstehen, dass seinerzeit bei der ersten Heraus-
gabe die Biographien einzeln erschienen sind^l. Der Eindruck soll da-
durch unterstützt werden, dass die rita Aureliaiii vom Stadtpräfekten Ti-
berianus angeregt sein will, und das eine Mal Celsinus l'r. 1. 3, das an-
dere Mal Bassus Q 2. 1 angeredet wird.
Cap. 17. 1 — 3 bringt noch die omina imperii. Ich glaube nicht, dass
sie irgendwelche Beachtung verdienen. Auffallend ist der Ausdruck (17, 1)
otuini depntatum est (vgl. o. S. 304 Anm. 1 ). Die Purpurfarbe spielt die üb-
liche ausschlaggebende Rolle. — Cap. 17. 4 u. 5 folgen die omina mortis nach
bekannten Mustern. — Sed quousqnc ultra progredimur?*) sunt a quihus
ista dicanfur: für Tacitus und Florianus ist das nicht sehr wahrscheinlich.
— Das Kapitel schliesst A'^op. mit der Versicherung, sich Probus und
dessen herrlichen Taten zuwenden zu wollen.
1) Klebs, Bhein. 3Ius. 47 (J892) S. 40 Anm. 1 wollte die Formel si rita subpedi-
tarerit (AS 64, 2) auf Cicero zurückführen. Thiele aber, a. a. 0. S. 36 f. denkt an
Entlehnung aus Tacitus (Hist. I, 1: A)in. XIT 55: XV 11). — Auf Beziehungen zu Ta-
citus. dem Historiker, habe ich oben S. 290 Anm. 4 hingewiesen. Sollte es wirklieh
Zufall sein, dass die Formel in ihren verschiedenen Varianten nur bei Vop. und dem
Verf. der c. Hei. vorkommt? Die nahen Beziehungen zwischen Vop. und c. UeJ.
verdienen sehr, beachtet zu werden.
2) L. C. Purser, a. a. 0. S. 15 benutzt die scheinbar sinnlose Lesart von M (der
editio princeps von Mailand), quo claudium vohaneii. zu folgendem Vorschlag: Nunc
qttoniam intersum in eo studio (or perhaps interirem in eo studio) hoc claud^im volwnen
etc. — Ein rolumen nennt allerdings Vop. selbst (Tac. 15,5) die Biographie des
Tacitus. Aber so scharfsinnig die Konjektur ist. so ist doch als Grundlage für die
Emendation die Lesart der Hss., P und B. vorzuziehen.
3) So will ja auch Treb. Pollio 1' 31.7 tf. erst nachträglich auf eine abfällige
Kritik hin die Zahl von dreissig Tyrannen vollgemacht haben.
4) Vg!. über diese Phrase L. C. Purser a. a. 0. S. 48; derartigen rhetorischen
Schmuck habe man in der Schule gelernt ; in letzter Linie stamme er vielleicht aus
Cicero: aber eine besondere Vertrautheit mit Cicero sei daraus nicht zu folgern, wie
Klebs wollte.
83
Vopiscxs und die B'xHirnphk des Kaisers Tacitus. 315
Cap. 18 u. 19 bringen noch die Briefe, die Vop. Tac. 12. 2 in Aus-
sicht gestellt hatte. Er erinnert tiusdrücklich an .sein Verspreciien. Nach
Peter, Die S. h. A. S. 108 f. soll die Anreihiing der Briefe am Schluss der
Vita durch Vop. in Nachahmung des Urkundenbuchs, das Marius Maximus
an seine Biographien angehängt habe, erfolgt sein. Vgl. auch ebd. S. 166 f.,
S. 173.
Die Briefe selbst, zwei cpistidac pnhJicdc und zwei epistnlnc priratde,
sind selbstverständlich Erfindungen des Vop. '). — Die Rückkehr zum an-
fiqiius Status ist das Leitmotiv (s. o. S. 307). — Tac. 3,4 lasen wir: qiiod
honum faustiim salutareque sit; cap. 18,2 im Schreiben an die Kurie von
Karthago heisst es: Qnod honiim, faiistum, felix sahdarcque sit'') ......
Zu iudicihus (cap. 18,3; s. auch 15,2) vgl. Lecrivain a. a. 0. S. 34 mit
Anm. 3 über den späten Gebrauch von iudex für einen Zivilbeamten. —
Das zweite Schreiben ergeht an die Kurie von Trier. Dass man nicht
mit G. Bloch (liei Ernest Lavisse, Histoiie de France I S. 209 Anm. 1)
aus den Worten ut estis liheri et semper fuistis etc. auf Rückgabe der li-
liertas an die Treveri schliessen darf, hat Kornemann betont {Westd. Zeitsckr.
Bd. 22 [190.3] S. 183 Anm. 27), da der auch" von Peter als gefälscht an-
erkannte Brief eine zu trübe Quelle sei, die Worte semper fuistis aber auf
alle Fälle eine Unwahrheit enthalten.
Als die vier bedeutendsten Städte bildete der Chranixp-aph rniii J. 354
in allegorischen Frauengestalten Rom, Alexandreia, Konstantinopel und
Trier ab (s. Seeck bei l'.-W. III, Sp. 2477 f.).
Ein Schreiben nach Alexandreia wird cap. 18. 6 erwähnt, ausserdem
solche nach Antiocheia •''), Aquileia, Mailand, Thessalouike, Korinth und
Atiien. Danach scheint die Auswahl also ziemlich willkürlich getroffen
zu sein.
In cap. 19 folgen noch zwei Privatbriefe, die das gleiche Thema der
Senatsherrlichkeit variieren. — liedierimt ad praefectimi iirhi appelJationes
ormiium potestatum et oninium dignitatum eatsinicht 18,3 oninis provocatio
praefecfi urhis erit (vgl. 18, 5). — Auch im zweiten Brief steht die An-
rede pater sanefe, weil es sich um Senatoren als die Adressaten handelt.
— Die übereinstimmenden Ausdrücke hat sclion Peter, Die S. h. A., S. 166 f.,
zusammengestellt. — Im Schluss des zweiten Briefs : dictum sapienti sat
est erkannte Klebs. Illicin. Mus. 47 (1892) S. 234 das plautinische Sprich-
wort.
1) S. o. S. 298 Anm. 1.
2) Vgl. L. C. Purser a. a. 0. S. 50 f., der meint, die Hinzufügung von salutare
brauche wegen Pr. 20, 3 {his adäidit dictiiin ... salutare reip.) noch nicht auf das
Konto des Vop. gesetzt zu werden, da salutare schon zu der ursprünglichen Formel
gehört habe (Varro, /. /. VI 86).
3) Mommsen, Möm. Gesell. V^ (1886) S. 456 sagt über Antioeheia, sie sei die Haupt-
stadt Syriens und vor Konstantinopels Gründung des römischen Ostens überhaupt.
21*
84
316 Enisf Hohl,
In T(ir. 19, 6 versichert Vop., er könne nicht alle Briefe, die er ge-
funden und gelesen habe, mitteilen. Tatsächlich ist er des Erfindens müde.
Zum Abschluss schildert er noch einmal die grosse Freude und den Jubel
der Senatoren, wie er das schon cap. 12, 1 angedeutet hatte.
Wir haben schon oben (S. 186) drei Quellen für die v. Tac. des Vop.
unterschieden'). In erster Linie kommt für die geringen tatsächlichen
Angaben die „Kaisergeschichte" in Betracht. Ausserdem habe ich Be-
nutzung der Cacs. des Aur. Vict. vermutet und auch Spuren der griechi-
schen Quelle Hessen sich aufdecken. Dagegen mussten wir den angeb-
lichen Biographen des Kaisers Tacitus, Suetonins Optatianus, in das Reich
der Fabel verweisen.
Für den Tod des Tacitus folge ich der lateinischen Version, die m.
E. aus der „ Kaisergeschichte " stammt, nehme also an, dass Tacitus dem
Fieber — nicht einer Militärrevolte — zum Opfer fiel. Florian kann sehr
wohl durch Selbstmord geendet haben, wie die Epifome berichtet. Da-
gegen musste es sehr gut zu Vopiscus' Tendenzen passen, dass der un-
rechtmässige ü.surpator, der den Purpur, als wäre er ererbt, an sich reisst,
auf schmähliche Weise durch die eigenen Soldaten untergeht. Denn der
Selbstmord war in seiner Situation nach antiker Auffassung ohne Zweifel
ein ehrenvoller Tod (vgl. Rud. Hirzel. Arch. f. ReUg.-Wiss. XI. 1908,
S. 456 über den Tod des Kaisers Otlio, das fachnis cf/rer/iiini. Tac. Hisf.
II 50).
Stellen wir nun noch die Teile der r. Tac, zusammen, die auf die
„ Kaisergeschichte " oder auf Aur. Vict. zurückgehen , so ergibt sicli
folgendes :
Das Interregnum stand nach dem Zeugnis von Aur. Vict. uud der
Ep'dome in der „Kaisergeschichte". Die ganze Ausführung, besonders die
Anticjuitätenkrämerei. gehört aber dem Vop. Der kurze Bericht über den
Tod des Aurelian Tac. 2, 4 entspricht ebenfalls der Version der „ Kaiser-
geschichte" (cf. A 35, 5). Die Senats Verhandlungen im folgenden sind
eigenes Machwerk des Vop. mit ausgesprochener Senatstendenz und Ver-
herrlichung der Adoptionskaiser. Die eigentümliche Polemik Tac. 7. 5 ff.
gegen eine Tradition, wie sie auch Zon. bietet, richtet sich sehr wahr-
scheinlich gegen eine griechische Quelle. Das folgende ist wieder durch-
weg Erfindung des Vop., mitsamt dem Suetonius Optatianus [Tac. 11,7).
Erst in cap. 13, 1 — 3 kommt wieder eine historische Notiz: Kampf gegen
die Barbaren, die von der Maeotis her eingedrungen waren. Sie stammt
wohl aus der griechischen Quelle. Ebenso aus der griechischen Quelle
ist die Version herzuleiten, dass Tacitus einer Militärrevolte zum Opfer
1) Enmanu a. a. 0. S. 387 sagt : ,Für das Leben des Tacitus hat Vop. haupt-
sächlich Memoirenliteratur, Briefe und Akten benutzt". — Aber gerade in dieser
Hinsicht haben wir es mit den eigenen Erfindungen des Vop. zu tun.
85
VopiscHs und die Biographie des Kaisers Tnritits. 317
gefallen sei. Den Tod ilureli Krankheit (im bes. durcli l"iel)er| kennt Vop.
aus der „ liaisergeschichte".
Was cap. 14 von Florianus bericlitete, stellt in so enfj;em Zusammen-
hang mit Aur. Vict., dass ich das kurze Stück auf ihn zurückführen möchte,
besonders auch wegen der behaupteten Verwandtschaft '). Die Polemik
gegen Florian und dessen mangelhafte Charakteristik hat Vop. aus eigenem
hinzugetan. Das Folgende bis zu den Briefen am Schluss ist wieder freie
Erfindung des Vopiscus.
Man sieht, das Ergebnis der Prüfung des eigentlichen historischen
Gehalts der ('. Tac. ist ausserordentlich gering. Haben wir es doch hier
mit einem Fall zu tun, in dem die mangelhafte Ueberlieferung über eine
kurze und — abgesehen von ihrer prinzipiellen Bedeutung — tatsächlich
höchst unwichtige Regierung den Vop. nötigt, frei zu erfinden. Mommsen
sagt {Hermes 25 S. 229 = Ges. Sehr. VII S. 303): „man begreift es, dass,
wer erzählen soU imd nichts zu erzählen weiss, ins Lügen gerät". Umso
auffälliger ist es, dass Vop. in dieser Verlegenheit sich nur ganz nebenher
an die griechische Quelle um Hat gewandt hat. Denn die Tradition, wie
sie uns bei Zos., Zon. etc. vorliegt, hätte ihm doch manches bieten können,
(z. B. die Geschichte von Maximinus). Aber Vop. sah deshalb fast ganz
von der griechischen Tradition ab . weil diese nicht das geringste Ver-
ständnis für die dem Vop. so am Herzen liegende Senatsherrlichkeit unter
des Tacitus' Regierung zeigte fs. o. S. 190). In wieweit übrigens das,
was Gräbner die ,Zosimosquelle" nennt, damals schon ausgebildet wai%
wissen wir im einzelnen nicht. Wir haben eingangs (s. S. 189 f.) die
Möglichkeit wenigstens angedeutet, dass die griechische Quelle des Vop.
kein anderer als Eunap gewesen sei. Beweisen lässt sich diese Vermutung
allerdings nicht; im Grund genügt ja auch die Feststellung, dass Vop.
eine griechische Quelle benutzt hat. — Dass über die beiden Kaiser Tacitus
und Florianus, die so kurz regiert hatten, nicht viel zu erfahren war. darf
uns nicht wundernehmen. Sie waren in gewissem Sinn, wie es auch
('. Tac. 14, 5 heisst, interreges, erdrückt von den grossen Gestalten des Vor-
gängers und des Nachfolgers.
Werfen wir noch einen Blick auf den Aufbau der rita Taciti!
Cap. 1: Einleitung. Historische, bezw. antiquarische Reminiszenzen:
Hinweis auf das Interregnum nach Romulus' Tod als klassisches Vorbild
für das [angebliche] Interregnum von 6 Monaten nach Aurelians Tod. —
Unterschiede zwischen den beiden Interregnen.
Cap. 2: Weitere Betrachtungen über den denkwürdigen Zustand des
Interregnums. Vorgeschichte des Tacitus : Ermordung Aurelians.
1) Denn die Nachricht von der Verwandtschaft des Tacitus und Florianus der
„Kaisergeachichte" aufzubürden', halte ich mich nicht für berechtigt. Eine derartige
Dublette zu Claudius-Quintillus konnte überdies zu der Zeit, da ihr Verfasser schrieb
(Anfang des 4. Jahrhunderts), schwerlich schon entstanden sein.
86
818 Enisf Hohl,
Cap. 3 — 7, 1: Senatsverliandlung. Wahl des Tacitus (gefälschtes Senats-
konsult mit Angabe der Heden nnd Akklamationen).
Cap. 7, 2 — 4 : Ansprache des Stadtpräfekten an die Quirlten auf dem
Marsfeld, Proklamation des Tacitus. Aufnalune der Wahl durch das Volk.
Cap. 7,5: , Kritische " Bemerkung des Vopiscus über den Aufenthalt
des Tacitus zur Zeit der Wahl. — Nach unserem Geschmack würde das
in eine Anmerkung gehören').
Cap. 8. 1 — 2 : Angaben des Vopiscus über seine „ archivalischen Forsch-
ungen".
Cap. 8,3 S: Vorstellung beim Heer (entspr. 7,2 — 4) durch den
Prätorianerpräfekten.
Cap. 9: Prima oratio ad sciiafKin. In dieser Programmrede selt-
samerweise alle möglichen Bestimmungen angehäuft. — So vollzieht sich
unmerklich der Uebergang vom Regierungsantritt zu den Regierungs-
handlungen. — Triumph der Senatsidee.
Cap. 10: Schilderung des Kaisers. „Charakteristische" Züge. Seine
Freigebigkeit und Einfachheit. Tugenden des „Senatskaisers".
Cap. 11: Privatleben des Kaisers. Massigkeit. Eigentümlichkeiten,
Gewohnheiten. Liebhabereien.
Cap. 12: Das Echo der Wahl bei den Senatoren. .Jubel über die
„Senatsherrschaft". — 12.2 Ankündigung der Briefsammlung.
Cap. 13: Spärliche historische Notizen. Tod des Tacitus. Auf-
fallend ist die Notiz 13, 6, die nicht in den Zusammenhang passt. —
Uebergang zu Florianus.
Cap. 14: Spärliche historische Notizen über Florian.
Cap. 14,5: Zusammenfassende Bemerkung über die beiden inferreges.
Cap. \h: Wunder — Weissagung — Spott über die haruspices.
Cap. 16; Nachtrag zu Tacitus. — coiir/iariKin. — Bilder des Tacitus.
Ausfall gegen die harusjyices.
Cap. 16,5: Abschluss, Ankündigung der >;. Pr. — Lob des Probus.
Cap. 17: Omina bnperü et mortis. (Vgl. Suet. Aug. 92 ff., wo die
omina auch gegen den Schluss hin aufgeführt sind).
Cap. 18 u. 19: Anhang von „Urkunden" a) offiziellen, b) privaten
Charakters.
S c h 1 u s s.
Hat sich nun aus der Betrachtung der v. Tac. des Vopiscus. wie ich
hoffe, ergeben, dass wir es in ihr mit einem vorwiegend rhetorischen
Elaborat zu tun haben, dessen Verfasser ausserordentlich geringe tat-
sächliche Kenntnisse über die kurze Regierung der inferreges besass, so
fällt unser Blick unwillkürlich auf ein uanz ähnliches Machwerk in der
1) Vgl. über den Ersatz der Anmerkungen bei antiken Schriftstellern Ed. Norden.
Antike Kmistprosa P S. 90 Anm. 2.
87
Vop/scits iiiid dir liio(/r(iplik> des Kaisers Taeitus. '.\\%
II. A.. niimlieli auf den Aridius Cassius Vuleacü Gallicani v. r. I)urih
die Untersuchungen von Klebs, R/win. ^fHs. 43 (1888) S. 323 ff., ist der
rhetorische Charakter dieser Vita klargelegt worden.
Auch hat Klebs für die Behauptung, dass wir es in AC mit einem
einzigen Fälscher zu tun haben, mit Recht die Zu.stimmung von Otto
Th. Schulz [Das Kaiserhaus der Antoiüne, Leipzig 1907, S. 131) gefunden.
Schulz hat überdies in AC durchweg die Spuren des theodosianischen
Fälschers zu entdecken vermocht und vermutet schliesslich, dass uns in
Vidcaeiiis GaJIicaiuis r. c. der Name des zur Zeit Theodosius' des Grossen
kompilierenden Schlussredaktors erhalten ist (a. a. 0. S. 146).
Nun hat aber für den Nnmen GaUieanns gerade Vop. eine seltsame
Vorliebe. Der Prätorianerpräfekt des Taeitus — in Wahrheit bekleidete
Florianus dieses Amt — heisst nach Vop. Moesins Gallieaniis f'J'ar. 8.3:
s. o. S. 65); als Adressat eines Briefes des Valerian begegnet uns im
gleichen Amt ein MuJrius GaUieanus {Pr. 4, 3). Als Quelle für das Leben
des Probus [Pr. 2, 2) soll dem Vop. die Ephemeris, also das Tagebuch,
des Tnrduhts GaUieanus, vir honestissimus ac sineerissimiis, der noch ausser-
dem als amicus senex bezeichnet wird, gedient haben '). — Ausser diesen
drei Stellen des Vop. begegnet uns der Name GaUieanus abgesehen von
dem unverdächtigen Konsul (f. Gd. 22,8: Max. 20,6) nur noch einmal
in der H. A.. nämlich eben in der Ueberscbrift der r. AC : Vuleaeii Gal-
lieani r. e.
Bedenkt man, dass es sich bei den Erwähnungen des Namens Galli-
<'anus durch Vop. immer ganz sicher um fiktive Persönlichkeiten handelt,
so muss das Zusammentreffen der Erfindungen des Vop. mit dem Autor-
namen der y. AC als sehr merkwürdig erscheinen.
Man schloss bereits aus dem Ausdruck des Vop. Tac. 8, 1 (s. o. S. 294*,
Anm. 3), dass Vop. Gallier gewesen sei. Vielleicht darf ich noch auf
Tac. 10,2: meriforia intra iirhem sfare vetuit hinweisen. Hier ist stare
ganz ungewöhnlich einfach im Sinn von esse gebraucht ^). Nun gibt
Godefroy, Dictionnaire de l'ancienne langue frangaise III (1884) S. 608 für
altfrz. ester u. a. die Bedeutung exister, etre an, während Littre, Dict.
de Ja langue frang. II (1882) S. 1533 lat. stare unter den Stämmen für
etre aufführt und auf ester verweist. Freilich darf man nicht stare in der
Bedeutung von e*-.s-e ohne weiteres zu einem Gallizismus stempeln ^). Doch
1) Vgl. Dannhiiuser a. a. 0. S. 18.
2) Wenn Lessing, lex. s. v. xtare b) zu Tac. 10,2 auch P 2,3 stellt, so ist das
nicht richtig. Denn P 2, 3 heisst es von einem sepnlchrmn .ttare. Das ist etwas ganz
anderes: denn selbst Cic. gebraucht stare von statuae oder Signa. In P 2, 3 spielt
zudem der Begriff »fest, unerschütterlich stehen, dauern" herein, der auch im guten
Latein ohne weiteres in sfare liegen kann. — Davon kann aber Tac. 10. 2 nicht
die Rede sein.
3) Vorsicht ist sehr geboten. So kommt Hei. 31, 7 als ganz singulär btirbam fa-
cere vor (vgl. Thes. Ung. Lat. II (1900/6) Sp. 172-5 s. v. harba I 1 : Duh. noni. gramm.
88
320 Ernst lh>hl.
scheint der Fall verbniuleii mit dem eben erwähnten zum mindesten in
der Richtung auf gallischen Ursprung zu weisen.
Wii- konnten aber eben eine besondere Neigung des Vo]i. zu dem
Namen GaUicanus feststellen: wäre es da nicht eine Möglichkeit, dass
Vop. in der Tat Beziehungen zu Gallien") hat und sie auf diese Weise
andeutet -) ?
Sollte nicht doch Wöltflin im Recht gewesen sein, wenn er anfäng-
lich dem Vop. die Rolle des Schlussredaktors und Herausgebers der Samm-
lung zuwies *) ? Wölfiflin lässt den Vop. die Nebenviten des Aelius und
des Geta selbst zusammenstöppeln, im Pescennius Niger eine ältere Vita
überarbeiten und weist auch sonst noch .seine Hand nach (a. a. 0. S. 511 ff. ;
bes. S. 519)^). — Aber sein Ansatz des Vop. in den Anfang des 4. Jahr-
hunderts und vor CapitoHnus und Lampridius musste ihm ja hemmend
im Wege stehen.
Hat Vop. dagegen nicht vor dem Ende des 4. Jahrhunderts geschrieben,
so wird die Annahme Wölfflins. dass er der Schlussredaktor und Heraus-
geber der Sammlung sei, sehr wahrscheinlich; dazu kommt, dass die Viten
unter Vopiscus' Namen allem nach in jeder Hinsicht, nicht nur der Reihen-
folge, sondern auch der Zeit nach, die letzten im Corpus der h. A. dar-
stellen ').
Nun hat schon Schulz des öfteren, z. B. Lehen des Kaisers Hudrian
(1904) S. 4 f. darauf hingewiesen, dass die Zitate des Marius Maximus
höchst wahrscheinlich vom Schlussredaktor eingefügt seien (vgl. auch noch
Schulz, Das Kaiserhaus etc. S. 7).
Es ist also sehr zu beachten, dass gerade Vop. sich für Marius
Maximus besonders interessiert. Weist er doch darauf hin, dass MM
den Avidius, den Albinus und den Niger iion suis propriis lihris, sed
Y 572, 18: barlxim tundere dicendiim. iion facere sictit Varro, cf. Larnpr. Heliog. 31,7);
daraus ist allerdings franz. faire la barbe entstanden, aber ebenso ital. far la barba.
Wir haben danach keinen Gallizismus, sondern Vulgärlatein vor uns.
1) Auch Seeck, Ulm». Mus. 47, S. 224 denkt an die Möglichkeit, dass Gallier
die Verfasser der H. A. seien. — Wenn übrigens Seeck, N. Jahrbb. 141. Bd. S. 635
den gallischen Usurpator Flavius Claudius Constantinus III. seine Herkunft von der
untergegangenen flavischen Djuastie und deren fingiertem Vorfahr, dem Divus Clau-
dius, ableiten lässt, so darf man vielleicht an PoUio Cl. 3, 6 erinnern, wo es von
Claudius IL heisst: ille vehit futurorum memor. gextes Flavias. qiiae Vespasiani et Tili,
nolo autem dicere Doniitiani fiierant, propagavit. Tatsächlich hiess ja Claudius 11. M.
AureHus.
2) Auch K. Hönn, Qtiellemuttersmbungen nimmt als Heimat des Verf. der r. AS
Gallien an.
3) S. o. S. 186 und Giri a. a. 0. S. 9, der Wölfflin zustimmt, ohne freilich dessen
spätere Ansicht, wonach Capit. der Schlussredaktor war, zu kennen.
4) Allerdings schreibt Wölfflin aus Verseheu die r. Cl. A, statt der r. AC, dem
Vulcacius GaUicanus zu.
5) Vgl. U. Giri, a. a. 0. S. 9.
89
VopisCHs lind die Bioi/nipliic des Kaisers Tncitus. 321
ulinüs beliiimlelt liabc. und iiiinint demgegenüber für sich in Aiilelinung
an die Trii/inta Ti/niinii des Pollio die Neuerung der sog. Nebenviten
inAnsprucli: Q 1, 1 ff., vgl. VVölfflin, a. a. 0. S. 515')-
Nun wird aber in AC MM dreimal zitiert {AC 6,6 u. 7 ; 9,."); 9,9).
Danach ist es nicht unwahrsciieinlich, dass Vop. nicht von ungefähr in
Q 1,1 hervorhob, dass MM für Avidius Cassius keine Spezialbiographie
gegeben habe. M. E. ist nämlich Vop. selbst der Verfasser der r. AC
und erklärt sich aus diesem Umstand sein Interesse für MM und dessen
Zitate in der Vita.
Dazu kommt, dass ich in AC') folgende Spuren des Vop. entdecken
zu können glaube:
adde quod findet sich nur JC 2,3; Dd. 8,6; Vop. Pr. 23,3; Vop. Q
10, 3 (vgl. übrigens die Auffassung von Schulz , Das Kaiserhaus S. 133,
Anm. 295).
Zu AC 14, 6 ut in antiquiim staium .... reddatur vgl. Vop. Pr. 6, 1
in lt. st. . . . reddidcrit (s. auch o. S. 807).
enitere steht AC 3,6 tanttim enituit in philosoplna, ut (vgl. 7,8);
Vop. A 16, 1 Claudianis temporihus tantiis enituit, td (vgl. Ma.c. 1, 4 [Zitat!]
und Vop. Pr. 10, 1).
peccare von Vergehen der Soldaten steht AC 4, 2 ; Vop. Pr. 8, 1 ;
Vop. A 1,'i (Vop. A 49, 3 u. 5 von servi und minisfri) : (vgl. (id. 28. 4
von trihmii und duces).
Dabei ist zugleich die sachliche Koinzidenz, dass in AC ebenso die
1) Pr. 2, 7 nennt Vop. den MM unter seinen Vorbildern, was ihn nicht hindert,
ihn Q 1,2 zu beschimpfen.
2) Gewiss Hessen sieh die Beobachtungen auf andere Nebenviten ausdehnen, wo-
bei jedoch im allgemeinen nur Ueberarbeitung durch den Schlussredaktor Vop., nicht
eigene Arbeit, wie in AC anzunehmen ist (für Ael-, G und PN s. o. Wölfflin). —
Ich möchte die Gleichung „Vop. = theodosianischer Fälscher" wagen.
So passt z. B. die livianische Reminiszenz (0 M 7, 2) des scriba pontificius, die Kor-
nemann a. a. 0. S. 83 Anm. 2 auf den Theodosianer zurückgeführt hat, gut zu Vop.
(s. o. S. 28.5), vgl. über Livius u. Vopiscus auch Wachsmuth, JSiiil. in das Stiidiiim der
A.G. (189.5) S. 595 Anm. 1. — Vgl. OM \,h mythistoriis (bei lunius Cordus) mit
Vop. Q 1,2 mi/thistoricis bei MM., s. jetzt auch K. Hönn a. a. 0. S. 4* Anm. 9. —
Wir sahen oben, wie aus coniuratin bei Sueton in AC, also vom Schlussredaktor,
tyrannis gemacht wurde ; vgl. dazu Vop. A 39, 8, wo coniuratio und tyrannis ganz
synonym gebraucht sind; Dd. ist nach Kornemann a. a. 0. S. 83 spätes, schlechtes
Machwerk, meist von der Hand des Schlussredaktors; nun ist Dd. 1,1 tnliil habet
.... memorabUe zu vergleichen mit Ael. 2, 1 »iliil habet .... memorahile und Vop.
Car. 19, 1 memorabUe ma.cime .... hoc habuit imperium, quod. Wie die Formel in der
Kaisergeschichte lautet, sahen wir oben (S. 308). — Zu AC 4, 6 rapi eos iussit et in
crucem tolli servilique suppHcio adfici vgl. OM 12, 2 et in criicem milites tulit et servi-
libuK suppliciis semper adfecit: beides gewiss vom gleichen Verfasser, Vopiscus. —
buccellatum steht ^C 5, 3 : PN 10, 4; dazu kommt jetzt (s. L. C. Purser a. a. 0. S. 18)
Pr. 4, 7, wo für bobulaci der Thesaurus die Konjektur Imcellati bietet. — Also auch
hier stellt sich Vop. zu den Nebenviten. — Intexere steht nur Dd. 7,2; A. 3, 1.
90
322 Ernst Hohl,
sfrosse Grausamkeit, mit der Avidius Cassius militärische Vergehen be-
straft, hervorgehoben wird, wie bei Vop. A 7,3 von Aurelian.
Mit ÄC 6. 2 anna mUitum septima die semper respexit (perspexU oder
prospexit liest Kellerbauer) restimenta etiam et caldainenta et ocreas ist
sprachlich und sachlich zu vergleichen Vop. Pr. 8, 2 ... . vestes et caJcia-
menta perspexit. In beiden Fällen soll dieser Zug den tüchtigen Feldherrn
charakterisieren.
rescripfum als Substantiv steht AC 2, 1. OM 13, 1 (Plur.) und Vop.
A 41, 3 (wo allerdings auch an Ellipse von est und also an verbale Form
gedacht werden könnte).
AC 14, 8 Haec ejnsttda eins indicat, quam severus .... kehrt nur
noch Vop. A 8, 5 wieder : Haec epistula inclicat, quantne fiterit severitatis.
Dieses Zusammentreffen nicht nur des sprachlichen Ausdrucks, sondern
vor allem der schriftstellerischen Technik eines fahiihi docet verdient ganz
besondere Beachtung ^).
Diese Beispiele scheinen mir die Autorschaft des Vop. oder wie der Ver-
fasser der letzten Biographien und Herausgeber der Sammlung geheissen
haben mag, für v. AC zum mindesten sehr wahrscheinlich zu machen.
Wenn ich nun auf Schulzens Vermutung, dass die v. AC vom theodosia-
nischen Fälscher verfasst sei, zui-ückgreife, so ist die Kette geschlossen.
Vopiscus ist der sogen, t h e od o s i anis ch e Fälscher^).
1) Vgl. auch die Verweisungen auf Vorlagen (oben S. 306) und dazu r. AC 5, 1.
2) Vgl. auch des Vop. eigene Auffassung von seiner Schriftstellerei {Pr. % 8 sum
etiini uniis ex curiosis u. Car. 21, 2 — 3 habe, mi amice, nieum mti7Uis, qiiod ego, tit saepe
dixi, non eloquentiae causa, aed ciiriositatis iii himen edidi. Er legt also den Haupt-
nachdruck nicht auf Gesehichtschreibung, sondern auf Materialsammlung für künf-
tige Darsteller (Car. 21, 2 . . nt si quis eloquens veltet facta priiicipum reserare. mate-
riam non requireret, hahiturus meos Kbellos ministros eloquii). So erklären sich die
vielen gefälschten Dokumente gerade hier. — Ich verdanke diesen Hinweis der Güte
des Herrn Prof. Kornemann. Bei meiner Auffassung des Vopiscus, des Verfassers
der Schlussviten, Herausgebers und Redaktors der Sammlung, erklären sich die oben
(S. 298 ff.) erwähnten Beziehungen zu AS und Eel. sehr einfach, ob wir nun an
einigen Stellen eigene Arbeit des Vop. annehmen wollen oder nicht. Jedenfalls ver-
steht man sehr wohl, dass Vop. diese Viten so genau kennt.
Drj/ns steht 4S 60.6: ^44,4; 5: Car. 14.2; 3: \^, l ; h arcldsynagngxis : ^S 28, 7 ;
Q 8. 2 (im Brief des Hadrian über die Aegypter ; nach ^ 7, 6 stammt der Brief ex
Uhris Phlegontis liherti eins — Phleguniis lihri Eadriani werden H 16. 1 zitiert in
einem Zusammenhang, den Schulz, K. Hadrian, S. 88 längst dem Schlussredaktor
zugewiesen hat. — Sonst wird Phlegon nur noch genannt S 20, 1 Legisse me apud
Helium Maurum Phlegontis Hadriain Hbeiimn mennni (vgl. Schulz a. a. 0. S. 9) ;
schon Dessau Hermes 24 S. 848 f. hat darauf aufmerksam gemacht, dass der Betref-
fende das Jahr 211 kaum habe erleben können. Das legisse me . . . memini weist
deutlich auf Vopiscus hin (vgl. Lessing, lex. s. v., a)). — senaculum steht nur Uel. 4, 3
u. A 49.6; sngmarius (Subst.) : Hei. 4. 4 u. ^ 7, 7; inire (in obsz. Bedeutung) Hei.
b,l u. Q 12, 7. (Durch v. Winterfeld auch H 4, .5 saepe inis.te für sepelisse der Hss.
hergestellt an sehr später Stelle [.armseliger Klatsch" ; also Schlussredaktor, s. Korne-
mann a. a. 0. S. 1.5]: nuiritor Hei. 13,8: ,45 13,4; Tae. 6,6).
91
Vopiscus und die Biographie des Kaisers Tacitus. 323
S c h 1 u s s b e m e r k u n g.
Für ilcn Aul'hiui der Geschichte der beiden Kaiser, soweit von einem
solchen überhaupt geredet werden darf, genügt es, ausser den bekannten
Werken von Hermann Schiller, Gesehiehte der römischen Kaiserzeit I (1883)
u. Th. Bernhardt, Politische Geschichte Roms von Vukrian bis zu Dio-
Idetians Tode I, Berhn 1867, S. 215 ff., auf die Artikel von Stein bei
P.-W. III, Sp. 2872 ff. (M. Claudius Tacitus) und P. von Hohden,
P.-W. I, Sp. 2266 (M. Armins Florianus), von E. Ferrero bei Huggiero,
Diz. cpii/r. III 170 f. (für Florianus), ferner auf die ProsojMgrnphia impcrii
Romani I (1897), wo Klebs den Tacitus S. 461 C Nr. 822, den Florianus
S. 64 f. A Nr. 488 behandelt hat, hinzuweisen. Für die Chronologie
vgl. E. Herzog, Geschichte und Sj/stem der röin. Stardsverwaltunf/ II, 1887,
S. 588, Anm. 1.
Ich beschränke mich also darauf, hier noch einige Papyri nachzu-
tragen: P. Strasshurg Bd. I, 1 (1906) Nr. 8 Z. 17, in dem aber das Jahr
(a) ergänzt werden musste ; doch ist die Ergänzung durch die vorausgehen-
den Datierungen ziemlich gesichert: Z. 17 xal [a] (i'TOvg) rov xvqIov t)fi<öv
KAavöiov Tax'nov 2ießaaT0v, Ilavvi lö, also (nach S. 32) vom 8. Juni
276 (s. Niese a. a. 0. S. 374, Anm. 2). Nun ist Aurelian kurz vor, eher
aber nach dem 29. August 275 gestorben, da ein siebentes Regierungsjahr
bezeugt ist (s. o. S. 310. Anm. 1). Groag nimmt bei P.- TF. V, Sp. 1358;
1403, ein Interregnum von anderthalb Monaten an. Ob der Regierungs-
antritt des Tacitus gerade in den September des Jahres 275 gefallen sei,
bleibe bei den unzuverlässigen Daten des Vop. zweifelhaft, der so berichtet;
jedenfalls sei Tacitus im Herbst auf den Thron gelangt. — Wenn man
als Regierungsdauer acht Monate (und zwölf Tage) nach dem Zeugnis des
Chronographen annimmt, so stimmt das ungefähr dazu, dass am 8. Juni 276
noch nach Tacitus datiert werden kann; wobei jedoch immer zu bedenken
bleibt, dass es stets einige Zeit dauerte, bis die Nachricht vom Thron-
wechsel iruAegypten bekannt wurde, es also vorkommen kann, dass noch
längere Zeit nach einem Kaiser weiter datiert wird, der nicht mehr am
Leben war ').
Aus /'. 0.(7/. VI (1908) 907. 26 f. lässt sich ein weiterer Anhalt für
die Datiervmg gewinnen, da es dort heisst:
Z. 26 . . . « (erff) rov xvqiov fjfiwr [Mäoy.or K/.avälov Tay.iTOv]
Havvi f (= 1. Juni 276).
Z. 27: (hovc) a ÄvToy.QÜtOQog KaiaaQog JIÜQy.ov KZavöiov Taxiiov
Eiaeßovc Evtvxovq Seßaaiov ITavvi f.
Z. 28: £Zv9>] jov ainor a {f'tovc) 'EjiEicp.
Epeiph ist der auf den Pajni folgende Monat (vom 25. Juni bis
1) Vgl. für derartige Schwankungen U. Wilcken. Griecli. Ostraka 1 (1899) S. 800 ff.
92
324 Ernst Hohl, Vopisms und dk Biographie des Kaisers Tacitus.
24. Juli): wir würden damit also noch über die Datierung des Strassburger
Papyrus hinauskommen.
Wilcken, Arch. f. Pap>/n(sforsrhiimj V, 1909. S. 273 (cf. I, S. 389)
gibt den Anfang einer Berliner Urkunde wieder: "Eiovg a K?Mvöi(ov)
Tay.iTov 2 llw/wf ÜQi&{fiijaEOJc] <I>aQfioud-t etc.
S. 274: .Darauf ist in Kolumne IV ein neues Datum gegeben, indem
die Zahlungen als die des Payni auf Rechnung des (vorhergehenden)
Pachon bezeichnet werden . . .". — Wir kommen mit dieser Urkunde also
auch nicht weiter, als bis zum Payni.
Dass Sayce {Jeivish Qiiarfcrh/ Review II S. 401) Ostraka aus der Zeit
des Aurelian und IVI. Claudius Tacitus — wie es scheine Steuerquittungen
— kennt, notiert U. Wilcken, Griech. Ostrahi I, (1899) S. 13. Die be-
treffende Stelle in The Jewish Quarterly Review II (1890) S. 401 lautet:
,They (ostraka) form a connected series, which begins with the reign of
Ptolemy Physkön (or earlier) and comes down to the time of Aurelian
and Claudius Tacitus in A. D. 275". Danach scheint das Ostrakon den
Anfängen der Regierungszeit des Tacitus anzugehören. Es ist zu bedauern,
dass es offenbar nicht publiziert ist, da wir bei unserem lückenhaften
Material für jede Bereicherung dankbar sein müssen.
War das positive Ergebnis, das sich über Tacitus und Florianus ge-
winnen Hess, ausserordentlich gering, so konnten wir wenigstens einen
Blick in die Werkstatt des Vop. werfen.
Stuttgart.
93
325
Ueber die Lage von Kaisareia in Bithynien.
Von Joli. Solch.
Die durch Jiihrzelinte hindurch geführten Erörterungen über die Lage
von Hadriani, Hadrianeia, Hadrianopolis und Kaisareia hatten zwar eine
Fülle durchaus verschiedenartiger Anschauungen, aber kein völlig einwand-
freies Ergebnis gezeitigt. Erst die neueren Funde Mendels haben teil-
weise wenigstens Licht in das Chaos gebracht, docli harrt auch jetzt noch
eine ganze Reihe von Fragen der Lösung.
Ursprünglich hatte es sich vor allem darum gehandelt, ob die drei
zuerst angeführten Namen ein und denselben Ort bezeichnen oder nicht.
Ohne dass hier näher auf die Frage eingegangen werden soll, ob Hadriani und
Hadrianeia dasselbe bedeuten, sei nur kurz erwähnt, dass Hadrianopolis schon
frühzeitig von jenen beiden andern Namen unterschieden wurde. So hat
bereits Wesseling von Adrianopolis auf Grund der Nov. Just. (29) und
der Konzilsakten {Nicaen. II.) ausdrücklich hervorgehoben, dass es in
Honorias zu suchen sei; auch Eckhel (Dodr. mimm. vet. p. I. vol. IL,
p 413) hat eigens darauf aufmerksam gemacht, dass man die beiden Orte
Hadriani und Hadrianoj)olis nicht miteinander verwechseln dürfe. Ja
H. Kiepert liat für seine alte Karte von 1844 schon die Gegend von
Wiranschehr („Kuinenstadt") am Oberlauf des gleichnamigen Flusses, eines
Nebenflusses des Soghanly-su, für das alte Hadrianopolis in Anspruch ge-
nommen. Mendel hatnun kürzlich dafür durch glückliche Inschriftenfunde den
Beweis erbringen können ^). Gleichzeitig hat sich herausgestellt, dass Ha-
drianopolis. bevor es diesen Namen erhielt, den Namen Kaisareia getragen
hatte. Nicht dieses Kaisareia-Hadrianopolis aber ist es, über dessen Lage
hier gehandelt werden soU, sondern jenes andre Kaisareia, das, offenbar,
um von dem erstgenannten unterschieden zu werden, gewöhnlich mit dem
Zusatz Germanike bezeichnet wurde: eine Identifikation der beiden Kaisa-
reia ist, wie auch Mendel") nachdrücklich hervorhebt, völlig ausgeschlossen.
Trotz aller Vermutungen ist man über Kaisareias Lage bis auf den
heutigen Tag nicht ins reine gekommen. Wiederum schon Eckhel liat
sich darüber ausgelassen '). Nach ihm sind Münzen von Kaisareia bereits
aus der Zeit des Augustus vorhanden*) und er glaubt, der Ort habe den
1) Vgl. bes. Bull corresp. Hellen. XXV, 1901. id. 6 ff. — 2) Ebd.. S. 12.
3) Doctr. niimm. vet. pars I. vol. II. 1789, p. 409.
4) Doch wird man sich jetzt stets erst die Frage vorzulegen haben, auf welches
der beiden Kaisareia sich die eine oder andere Angabe des Altertums bezieht. So
möchte z. B. Mendel den Bericht des Eusebios zum Jahre 130/1: Nicopolis et Cae-
sarea terrae motu conciderimt auf Hadrianopolis beziehen, wie es uns scheint mit
326 Joh. Solch,
Namen Caesarea bekommen, weil daher jener Vedius PoUio gestammt habe,
der zu den Freunden des Augustus gehört und wahrscheinlich auch durch-
gesetzt habe, dass sich die Stadt nach dem Kaiser nennen durfte. Seither
ist die Frage nicht zur Ruhe gelangt.
Die Angaben, die uns das Altertum hierüber überliefert hat. fliessen
recht spärlich. Strabo kennt den Ort überhaupt nicht. Plinius wenig-
stens unter diesem Namen nicht. Doch spricht er von einem Ger-
mankopolis: in ora (seil. Bithyniae) DascyJos dein flumen Gelbes et inius
Uelgas oppidum quae Germanicopolis alio nomine Booscoete . . .'). Wahr-
scheinlich ist dieses Germanicopolis, das aber wiederum nicht mit jenem
andern bei Gangra verwechselt werden darf, mit Kaisareia Germanike zu
identifizieren. Das scheint schon Mannert getan zu haben ^) und auch
Ramsay ist dieser Meinung ^) : im folgenden werden wir darauf noch zu-
rückkommen.
Die genaueste Angabe bietet Ptolemäus: KaiaÜQeta i) y.ce'i —ui'Q-
ÄEapfj. Er zählt es unter den bithynischen Binnenstädten auf und weist
ihm eine Lage ungefähr in der Mitte zwischen Prusa und der Mündung
des Flusses Rhvndakos zu *), der dem See von Apollonias entströmt und
in seinem Unterlauf die Westgrenze Bithyniens bildete. An Stelle der
überlieferten Lesarten —iii^QPuavt'j, SfiVQÖiav)'] (die nach der Verwandt-
schaft der Codd. gleichwertig sind; ^l/ivQÜAea der ed. princeps ist nach
einer freundlichen Mitteilung von H. Prof. Cuntz in Graz wertlos) hat sich
Müller für die Konjektur 2f(VQ/.eav)'] ausgesprochen und eine ausserordent-
lich feinsinnige Bemerkung daran geknüpft. Er sagt nämlich "), Kaisa-
reia dürfte ev xfj 31vQÄ£dTiöi x^'-'Q? gelegen gewesen sein, einem Gebiet,
das Strabo nennt ^), zwischen Prusa und Apameia, das ja vordem Myilea
geheissen hatte. 2fivQ?.Eai'ij aber heisst es dann analog der Schreibung
oiir/.QÖc, statt fiixQÖc. afii'Qaiva statt (ivQaiva u. a.
Auch bei Dion Chrysostomus treffen wir auf den Namen, indem er von
den Einwohnern sagt: lohg KaiaaQfTg tovtovq evyeveig (tiv ävd-QÖJJiovg
y.ai aq^öÖQa "E/.Zt]i'aQ, nokv dk fiiy.QoreQav or/.ovviag nöXiv. Nach seinen
Ausführungen war Kaisareia eine kleine Stadt in der Nähe von Prusa'),
vollem Recht, hatte doch Hadriau die Stadt 123/4 auf der Reise von Amasia nach
Nikomedia berührt; wahrscheinlich hat sie der Kaiser neu aufbauen lassen und ihr
den neuen Namen gegeben. (Vgl. Mendel, a. a. 0.).
1) Nnt. hist. V. 142. (Ausg. d. geogr. Bücher der nat. hist. von Detlefsen in Sieg-
lins Quellen u. Forsch, z. alt. Geschichte ii. Geographie. 9. 1904).
2) Geographie der Griechen und Bömer. 10 Bände. Nürnberg u. Leipzig 1795 bis
1825. VI. 3, S. 559.
8) Tlie Histurical Geography of Asia Minor. B. Geogr. Soc. Suppl. R. vol. IV.
Lond. 1890, S. 180.
4) Claudii Ptolemaei geographia (Ed. C. Müller, vol. 1. pars II. Paris 19011, V. 1. 14.
5) Ebd.. S. 804.
6) Geographica SU. 6, 575. (Ausg. v. Müller. Paris 1858 oder von Kramer. Berl.
1844— .52). — 7) or. 47, p, 526,
2
Ucber die Lage von Kaisareia in B'dhynien. 327
und zwar, wie es Ramsay deuchte '), sogar dessen Hafenplatz am Golf
von Kios. Im Schrifttum erscheint es in der Folge ohne den Beinamen
Germanike. So wohnt ein Bischof von Kaisareia dem Konzil von
Nicäa bei'), elienso kennt es Hier. Synekd'). Stephanus von Byzanz
führt es unter KaioÜQeia zwar nicht ausdriicklicli an, sondern fügt nur,
nachdem er von dem bekannten Orte dieses Namens gesprochen, hinzu :
eiai öe xcti äZXai tovko kT) övofiaji nQoaayoQEim/isvat*). In den Nufitkie
episcopafiim erscheint es als Suffragandiözese des Metropoliten von Niko-
media ^). Nirgends aber ist seine Lage irgendwie genauer gekennzeichnet.
Immerhin muss Kaisareia schon in römischer Zeit ein wichtigerer Ort
gewesen sein, da es Münzen schlug. Doch Hessen auch diese bisher zu
keinem bestimmten Ergebnis kommen, so interessant sie .sind. Nach Eckhel
gehen sie wie vorhin erwähnt bis in die Zeit des Augustus zurück (s. o.).
Doch hat Head mit Recht darauf aufmerksam gemacht (in seiner Hist.
mtDUii.). dass die Münzen von Kaisareia Germanikeia in Kommagene von
denen unseres Kaisareia Germanike in Bithynien unterschieden werden
müssen. Die sicher nachgewiesenen Münzen von Kaisareia Germanike in
Bithynien nun gewähren einige sonderbare Aufschlüsse, weniger noch die
des Titus, die auf der Reversseite ein Stadttor zeigen ^), und später die der
Julia Mamaea mit einem Füliliorn'). als vor allem die des Septimius Se-
verus. Sie stellen ein Ruderschiff im Hafen dar, links davon einen Di-
stylos (dafür hält wenigstens Wroth die Darstellung; Muret dagegen sah
das Büd auf einer ähnlichen Münze der Julia Domna, der Gattin des Se-
verus, für einen Kübelbaum an. Uebrigens spielt speziell die Frage, ob
Distylos oder Kübelbaum, für unser Problem keine Rolle). Rechts steht
eine Statue (vielleicht eine Nike), unten liegt ein „Opferstier''. Aehnlich
zeigt auch eine Münze aus der Zeit Valerians ein Ruderschiff mit Segeln
und unten wieder den „Opferstier'". Bezüglich dieses verweist Wroth auf
eine andere derartige Darstellung eines Opferstiers auf einer sehr be-
kannten Medaille des Kommodus, die die Rückkehr der Getreideflotte aus
Afrika veranschaulicht. Allein hier hat man es mit einem einzelnen Falle
zu tun. dort liaben wir Münzen aus verschiedener Zeit aus einer Stadt,
die ihr Getreide wohl aus der Nähe bezog. Gerade dieser liegende , Opfer-
stier' aber wird uns in der Folge nochmals beschäftigen. Hier sei zu-
1) A. a. 0. S. 180.
2) Patrum Nieaeiiorum »omhia Graece, L/itine etc. Edd. H. Geizer, H. Hilgen-
feld. C. Cuntz.
3) Reo. A. Burckhardt. Bibl. Teubn. — 4) Ed. Meineke, Berl. 1849.
5) Vgl. neuestens H. Geizer, üiigedruckte und ungenügend reröß'entlühte Texte der
Not. episcop. in d. Ahh. I. Kl. k. hayr. Ak. Wiss. XXI. 3. 1901, und daneben die äl-
tere Ausgabe von Parthey. ferner die Uebersicht bei Ramsay, a. a. 0.
6) Wroth, (^atalogue o/ GreeJc Cuiiis in the British Museum. Pontus, PaplUagonia,
Bithynia and the Kingdom <if Bosporus. London 1889.
7) Katalog der Sammhing Protee. Wien 1904.
328 Joh. Solch.
nächst nui' das eine festgestellt, dass Kaisareia, wie seine Münzen scldiessen
lassen, wirklich entweder selbst Hafenstadt gewesen ist oder doch irgend-
wie mit der Schiffahi-t zu tun gehabt haben muss.
Nun hat sieh 1890 Imhoof-Blumer eingehend um die Erkundung der
Lage von Kaisareia bemüht '). Von der Tatsache ausgehend, dass es
Münzen von Kaisareia Gernianike gibt, welche die Schiff- und Hafentj'pen
der Münzen des bithynischen Kaisareia, zugleich aber doch auch einen
Berg mit der Beischrift Olympos aufweisen, schliesst er, der Ort müsse
eine Seestadt mit dem Ausblick auf den (Mysischen) Olymp gewesen sein,
„eine Folgerung, die indessen keineswegs bedingt, dass diese Stadt an
der Küste der Propontis gelegen war""), und er möchte nun. sich auf die
allerdings nicht imbedingb sichere Angabe des Ptolemäus stützend, Kaisa-
reia entweder am Daskylitissee suchen — doch hält er diese Annahme
für minder wahrscheinlich — oder an dem See von Apollonia
an der Stelle, wo der Rhyndakos seinen Aus flnss nimmt.
Hier bei Ulubad. wie es heute heisst. lag eine Stadt, welche die Byzan-
tiner Lopadion nannten und wo noch kürzlich französische Reisende einen
Inschriftstein fanden, der. ein Schiff im Relief zeigend, nach seinem guten
Schriftcharakter zu urteilen, auf die frühere Kaiserzeit zu weisen scheint ^).
Wie nun Apollonia, obwohl nicht am Meere, sondern an einem Binnensee
gelegen, gleichwohl Münzen schlug, die häufig Typen aufweisen (Anker,
Schiffe) , welche sonst nur Seestädten zukommen, so könnte ja das
gleiche auch bei Kaisareia der Fall gewesen sein. Denn diese Stelle wäre
die einzige Station auf dem Wege vom Meere nach Apollonia gewesen,
von hier fülu-ten Wege nach Kyzikos*) und Germe. Ein Kaisareia an
dieser Stelle wäre zugleich Binnenstadt und Seehafen gewesen und dem
Olymp gegenüber gelegen. Und gewissermassen zur Bekräftigung seiner
Vermutung kann Imhoof-Blumer noch jene Notiz von Sestini^) ins Treffen
führen, nach der noch vor gar nicht langer Zeit Schiffe aus dem Schwarzen
Meere und von Konstantinopel nach Ulubad gefahren sind. Allein trotz-
dem fühlt er sich selbst seiner Sache keineswegs ganz sicher: ja er meint,
es habe vielleicht in der Nähe von Pnisa zwei Kaisareia gegeben, die man
durch verschieden überlieferte Beinamen — er denkt dabei sichtlich an
Smyrleane einerseits, Germanike andrerseits — zu unterscheiden pflegte.
Allein eine derartige Annahme, es habe im Umkreise einer und der-
selben Stadt (Prusa) zwei Kaisareia gegeben, hat wohl von vornherein
wenig Anspruch auf Wahrscheinlichkeit für sich. Aber auch die Hypo-
1) Griechische Münzen. München 1890.
2) Ebd., S. 73. Vgl. hier auch zum folgenden.
3) S. Lechat und Radet im Bull, corresp. HeUen. XII. 1888. p. 188—192. wie Im-
hoof-Blumer selbst zitiert.
4) Cichorius hält übrigens jene Inschrift und auch die andern Altertümer von
Ulubad für kyzikenisch.
5) Viaggio etc. 1779, S. 83 und Lett. num. conti». Till. .56, 6.
Uehcr die Ldf/c roii Knisarcia in Bithynim. 329
the«e, es sei Ivaisarei;i mit Uluhail zu identiiizieren, stösst auf eine ganze
Reihe schwerwiegender Bedenken. Zunächst erlielit schon aus Dion, dass
es nahe bei Prusa war. bei Imhoof-BUmicrs Annaiime aber wäre es nicht
nur über 50 km in der Luftlinie von dieser Stadt entfernt, sondern ausser-
dem durcli das Gebiet von Apollonia von ihr getrennt gewesen. Dazu
kommt noch, dass Apollonia nach den übereinstimmenden Angaben der
Quellen ebensowenig zu Bithynien gehörte (in der damaligen Zeit) wie
das weiter westlich gelegene Miletopolis. Sollte wirklich gerade der Aus-
fluss des Bhyndakos aus dem See zum bithynischen Lande gehört haben?
Dem scheinen die geographischen Verhältnisse zu widersprechen, abge-
sehen davon, dass der See sicherlich durch das Delta des Rhyndakos an
Umfang verloren hat und hier die Frage auftaucht, ob nicht auch der
Lauf des Flusses oder seiner Arme natürlichen Veränderungen unterworfen
worden sind. Was feiner Lopadion anlangt, aus dem das heutige Ulubad, wie
schon der Name andeutet, hervorgegangen ist, so wissen wir genau, dass
es seine Gründung erst der byzantinischen Zeit verdankt. Denn Joh. Cin-
namus berichtet uns ausdrücklich, dass es vom Kaiser Johannes Komne-
nos in der Ebene am Rhyndakos angelegt wurde : (pQ0VQi6v ri ix y.aifi]c
ävcoxodouijd-i], ö Aondöiov oji'öfiaarai rotg noZ^oig '). Dass auch Anna
Comni'na bereits die Brücke von Lopadion n e n n t ^), bedeutet keinen Wi-
derspruch, vi'eil sie ihre Alexias ja erst zur Zeit der Regierung ihres
Bruders Johannes verfasste. Wurde aber wirklich dieses byzantinische
Lopadion an Stelle einer älteren Siedlung ins Leben gerufen, so war dies
doch sicher nicht Kaisareia. Denn dieses erscheint auch jetzt noch immer
neben Lopadion, und zwar am deutlichsten bei Niketas Choniates*), der
zuerst von Lopadion spricht und weiterhin eine Metzelei im Kampfe der
Lateiner gegen die Anhänger des Theodor Laskaris erwähnt „y.aiä tö nö-
hüjia rljV KainäQFiav''. Auch nach ihm ist das Städtchen unfern von Prusa
zu suchen. Dies ist meines Wissens das letztemal, dass uiiser Kaisareia
in der Literatur auftaucht. Offenbar ist es dann bald eine Beute der
Türken geworden.
Daher können wir dem Vorsehlage Imhoof-Blumers bezüglich der
Lage von Kaisareia nicht Folge leisten. Anders dagegen bezüglich des
Namens Germanike. Nach einer Münze des Pariser Kabinetts'') rührt
dieser Beiname von Germanikus her, der in der Aufschrift XTiaxijg ge-
nannt wird. Doch muss die Stadt schon früher den Namen Kaiadgeta
geführt haben, wie nach Imhoof-Blumers Angaben aus einer Münze deut-
lich erhellt'). Er meint daher, und wohl nicht mit LTnrecht. die Stadt
1) Bonner Ausg.. p. 38.
2) Bonner Ausg., II. p. 309. {Vgl. auch die Ausgabe v. A. Reirt'er.<clieid in d.
Bibl. Teubn.) — 3) Bonner Ausg., p. 796/7.
4) Muret, Ann. de Num. VI. 1882, p. 206, zit. bei Imhoof-Bl. a. a. 0.
5) Vgl. auch das oben über die Münzen Gesagte.
Klio. Heitriige zur .ilten Geschichte- XI 3. 22
5
330 Joh. Solch,
hätte vielleicht durch ein Naturereignis, z. B. ein Erdbeben, gelitten und
Gerraanikus habe sie wieder hergestellt.
Gegen jene Vermutung, dielmhoof-Blumer üher die Lage von Kaisareia
geäußert hat. könnte übrigens noch jene Stelle ins Treffen geführt wer-
den, die ßamsay aus den Ada Scuid. erwähnt (9. Mai, S. 386) ^), nach
welcher Codratus und andere unter Decius vom Prokonsul Perinius von
Nikomedia nach Nikaia, weiter nacli Apameia, Kaisareia, ApoUonia
und von da zum Rhundaca und nacli HermopoHs gebracht worden seien
(Rh. ist sicherlich der Rhyndakos ; Hermopolis = Miletopolis?). Darnach
lag also Kaisareia zwischen Apameia und Apollonia. Das hat nun. im
Verein mit den oben besprochenen Münzdarstellungen, Ramsay zu der
Annahme verleitet, es habe Kaisareia am Meere gelegen, vielleicht an der
Stelle des heutigen Mudania. Da man aber hierher gewöhnlich Apameia ver-
setzt, so wäre dies vielleicht näher zu Kios gelegen gewesen, zumal Strabo
die geringe Entfernung der beiden Orte ausdrücklich erwähne^). Allein
auch die Entfernung Mudania-Kios ist nicht gross (kaum 25 km) und
Ramsay selbst kommt eine solche Annahme nicht ganz unbedenklich vor.
denn ..die Wichtigkeit von Apamea entspricht der von Mudania". und so
äussert er sich schliesslich dahin, es sei Kaisareia wahrscheinlich an der
Küste zwischen Apameia und Daskylion zu suchen.
Allein an der ganzen Küste zwischen Apameia (wenn wir dieses mit
Mudania gleichsetzen) und Daskylion gibt es keine Oertlichkeit. die eine
wichtigere Hafenstadt hätte beherbergen können, umso weniger, als sie
östlich und westlicli Rivalen neben sich gehabt hätte, eben jene zwei
Städte; zumal mit Apameia hätte sie nimmermehr konkurrieren können.
Hier an dieser Küstenstrecke war keine Möglichkeit für das Emporkommen
einer Stadt gegeben. Es ist uns ferner zwar nicht bekannt, ob man von
jenem Teil des Gestades den Olymp sehen kann, doch müsste dazu der
Punkt eine ganz besonders günstige Situation gehabt haben, da gerade
von dort aus das Küstengebirge den stolzen Hochkamm im allgemeinen
verdeckt. Weiters widerspricht auch die erwähnte Notiz der Ad. SS.,
nach der Kaisareia ein Ort zwischen Apameia und Apollonia war, der
Vermutung, es sei vielleicht an einem Punkte westlich von Mudania an-
zusetzen. Denn abgesehen davon, dass eine solche Verbindung zwischen
Apameia und Apollonia einen grossen Umweg bedeutet hätte, wäre es
doch sonderbar gewesen, dass sie sich zur Ueberschreitung des Küsten-
gebirges gerade dessen höchste Erhebungen ausgesucht hätte (eben süd-
lich jener Küstenstrecke steigt es nach Kieperts Karte von Kleinasien bis
594 m an), während weiter östlich das Tal eines bei Apameia ausmünden-
den Flüsschens in fast direkter Richtung einem Sattel zuführt, der sich
noch östlich vom höheren Teile des KUstenzuges einsenkt und seine Fort-
1) A. a. 0., S. 180. — 2) XII. 563.
Ueher die Lage von Kaisarein hi Bitinjnien. 331
Setzung zum Odrvses hin tiiulet. Aucli die iieutigen Wegverhiiltnisse
stimmen damit überein (vgl. Kieperts Karte).
Die Annahme Ramsays kann uns folglich ebensowenig befriedigen
wie die Imhoof-Blumers. Wo aber sollen wir dann das alte Kaisareia
suchen? Fassen wir alle Angaben zusammen, die uns bekannt sind, so
kann unseres Erachtens bei genauester Ueberlegung nur eine Stelle in
Betracht kommen, und zwar die Landschaft am Ostende des
Daskylitissees, der ja einst viel grösser gewesen sein muss als
heute, so dass er von grossen Kähnen befahren werden konnte^).
Imhoof-Blömer hat also das aller \Vahrscheinlichkeit nach Richtige
gestreift, es jedoch zu Gunsten der Gleichung Kaisareia = Ulubad beiseite
geschoben. Wie sehr nun jene Gegend so ziemlich allen Bedingungen,
deren Erfüllung die Angaben der Alten fordern, gerecht wird, geht aus
folgendem hervor :
1. Die Stadt lag dort unfern von Prusa (Dion, Nicetas) und in der
Landschaft Myrleatis (Strabo) oder Myrleane (vgl. Ptolemäus, bezw. Müller).
2. Von hier aus (südlich vom Küstengebirge) konnte man den
Olymp erblicken und die Schiffe der Stadt befuhren offenbar zum minde-
sten den See. wenn sie nicht vielleicht gar, wie auch die von Apollonia
ins Meer hinausfahren konnten ^) ; so vermochte auch sie gleich Apameia
die Rolle eines Hafens von Prusa zu spielen (Münzen).
3. Sie lag ungefähr halbwegs zwischen Prusa und der Ausmündnng
des lihyndakos (Ptol., Raveniias) ^).
4. Sie lag auf dem Wege von Apameia nach Apolkmia (AA. SS.).
5. Eine solche Ansetzung erheischt auch nicht derartige Abnormi-
täten des Grenzverlaufs, wie sie eine Ansetzung bei ülubad mit sich
brächte*).
1) Dafür gedenkt der Verf. in seinen Untersuchungen zur Geographie des alten
Bithynien, die er erst zu einem späteren Zeitpunkt wird veröffentlichen können, den
Beweis zu erbringen.
2) Plutarch {LiiciiU. 9) berichtet, dass Lukull die Kähne, mit denen der Dasky-
litissee befahren wurde, mittels Wagen über die nur 140 m hohe Landenge ans Meer
hinüberschleppen Hess u. s. w. Daraus könnte mau schliessen, dass die Schiffe nicht
auf dem Wasserwege ins Meer gelangen konnten; doch besteht auch die Möglich-
keit, dass er es nur tat, um seine Operationspläne (vgl. das Nähere dort) rascher
durchführen zu können. Er brauchte die Schiffe auf dem Meere möglichst rasch —
eine Fahrt auf Odryses und Rhyndakos hätte jedenfalls wegen des ganz bedeutenden
Umwegs viel mehr Zeit gekostet. Vgl. über die Lage von Daskylion u. des D.-Sees
R. Kiepert, KUo V (1905), S. 241/3.
3) Der Rav. liest bei seiner Angabe wie auch sonst häufig (vgl. Kubitscbek in
d. Jahresh. Oest. arch. Inst. V. 1902. p. 59 ff.) von einer der tab. Praef. nahe ver-
wandten Karte ab.
4) Einer Ansetzung von Kaisareia am Ostende des Apolloniasees. die man allen-
falls noch erwägen könnte, widerspricht ausser den Lagenangaben des Ptol. und der
AA. SS. auch der Umstand, dass der See nicht zu Bithynien, sondern zu Mysien
22»
7
332 Juh. Solch,
Tatsächlich verlangte ja jene Gegend fast gebieterisch nacli einem
wichtigeren Ort. Hier unfern der Küste und von dieser sei es zu Wasser,
sei es zu Land nicht schwer erreichbar, im Besitz leichter Verbindungen
mit Apameia und Daskylion. mit Prusa und Apollonia, weil im Schnitt-
punkt der Wege Apameia- Apollonia und Prusa-Daskylion, endlich unfern
einem fischreichen See gelegen, musste sich ein Verkehrsknoten entwickeln.
Doch erwuchs er nicht im Treffpunkt von Hauptverkelirslinien, sondern
diente nur dem Naliverkehr. Und waren auch seine Bewohner wackere
Hellenen, das Städtchen blieb doch stets verhältnismässig klein. So er-
klärt sich uns auch das auffällige Schweigen, womit es von den Schrift-
stellern des Altertums übergangen wird, und das Fehlen einer Erwäh-
nung in den Itinerarien der Kaiserzeit: es lag eben abseits von den
grossen Heerstrassen des Weltverkehrs. Nur in bescheidenerem Kreise
konnte es seine Wirksamkeit entfalten. Das aber scheint es voll und
ganz getan zu haben, daher war es wohl befestigt'), daher durfte es
Münzen schlagen, daher auch kehrte es sicher zu den zwölf ciritafes von
Bithynien, von denen der ältere Plinius spricht -).
Der Name Kaisareia aber ist natürlich erst vei'hältnismässig späten
Ursprungs ; für die Frage, wie die Stadt vordem geheissen, kommt unseres
Erachtens in erster Linie die oben zitierte Stelle bei Plinius in Betracht.
Darnach hätte die Stadt früher Helgas geheissen, zu seiner Zeit aber Ger-
manikopolis. was offenbar richtig Germanike(polis) heissen soU. Damit
stimmt nicht nur die Angabe intus, „im Binnßnlande" überein, sondern
auch die Bemerkung des Plinius aVw nomine Booscoete — da fällt uns
sofort ein, dass einige der Münzen von Kaisareia Germanike wie bereits
erwähnt unterhalb des Schiffes einen liegenden „Opferstier"
zeigen : das ist offenbar eine Anspielung auf die Boög xohij. das Lager
eines Rindes, wahrscheinlich aber nicht eines Stieres, sondern einer Kuh.
Vermutlich hat da der Mythus von der .lo irgendwie eine Rolle gespielt.
Dagegen vermögen wir den Namen Helgas wenigstens zur Zeit noch nicht
z\i erklären — vermutlich war es der alte, einheimische Name des Ortes.
Wenn endlich Ptolemaios schreibt, /) xal 2fivQÄidrt], so ist das nicht als
früherer Name aufzufassen, wie seinerzeit Eckhel "eolaubt hat. sondern
(Asia) gehörte und die Grenze etwa in der Mitte zwischen ihm und Prusa lief.
Auch die Angabe in Hier. Sjnekd.. der die Reihenfolge Nikaia, Basilinopolis. Kios,
Apamea und Prusa, Kaisareia, Apollonia, Daskylion einhält, also sichtlich zwei von
Osten nach Westen geordnete Reihen angiht, bedeutet keinen Widerspruch und ist
nicht mit Schärfe so zu verstehen, dass K. zwischen Prusa und Apollonia lag (wie
Kiepert, Formae orbis ant. tab. IX. Text annimmt), sondern entspricht einfach dem
Fortschreiten von Osten nach Westen.
1) Da es nicht an der See lag. wird es natürlich auch von keiner der bekannton
Küstenbeschreibungen erwähnt — noch ein Argument mehr gegen Ramsays Annahme.
2) Vgl. die Münzen.
Ueher die Lage von Kaisareia in Bithijnien. 333
es bezeichnet dieser Zusatz einfacli eine nähere Bestimmung mit Hilfe der
Landschaft, wie Müller richtig erkannt hat.
Nur noch eines I Wenn auch Kiepert mit Recht behauptet '). dass
Kandi's Spezialbeschreibung von Prusa und Umgebung (/} Ugorau. äQ-
yaio?.. xai ysor/Q. neQiyQUfi'j: mit Karte) sehr viele moderne Ortsnamen
aufweist, die jedoch keinen Anhaltspunkt gewähren, und der Autor offen-
kundig in der Gleichsetzung von Kaisareia mit den berühmten nahe west-
lich von Prusa gelegenen Thennen von Tschekirie irrt, da diese im Alter-
tum und auch in der byzantinischen Zeit Basilica Therma hiessen-). so
enthält doch seine Karte von Kleinasien (Bl. Brussa) östlich vom Dasky-
litissee. etwas südlich von dem Wege Mudauia-ülubad, und zwar genauer,
südlich von dem Dorf Dere ein Tschekirge, etwas seitwärts vom rechten
Ufer eines rechten Seitenbaclis des Uelfei-flusses (Odrvses) gelegen. Man
kann sich da gevriss des Eindrucks nicht erwehren, dass in diesem Namen
Tschekirge. das übeniies möglicherweise richtig Tschekirie heisst, der
Name des alten Kaisareia fortlebt und dass in dieser Gegend auch die
Oertlichkeit unseres Städtchens gesucht werden muss. Gerade hier dürfte
der Weg nach Süden geführt haben, zunächst gegen Kaz-Ova hin.
Dafür scheint ein weiterer Umstand zu sprechen. Es findet sich nämlich
wiederum auf Kieperts Karte eine Ortschaft Kuvuklia eingetragen, deren
Name in ganz auffälliger Weise an das von Pachymeres erwähnte Kov-
ßovxÄeia erinnert und die aller Wahrscheinlichkeit nach wirklich diesem
Kastell entspricht. Allerdings verlegt es Pachymeres nach Mysien am
Olymp: q^QOVQiöv ti xarä Ti]v Mvaiav rrjv iv tq) 'Okifinoi^). Die
Türken belagern das Kastell, von Lopadion aus werden ihm sechzig Amo-
gabarer zu Hilfe geschickt: allein die machen gemeinsame Sache mit den
Feinden und spielen ihnen das Kastell in die Hände. Es wäre nun mög-
lich, dass die Angabe des Pachymeres über die Lage dieses sonst nirgends
bekannten Kastells in Mysien einfach ein Irrtum ist: doch kommen auch
sonst solche Ungenauigkeiten vor und selbst die eine Fassung der Notitia
des Basilius (bei Georg. Cypr., Ausg. v. H. Geizer in d. Bibl. Teubn.)
nennt beispielsweise sogar Nikaia eine mysisehe Stadt: jiöÄig ii> Tji y.arü
Bid-vi'iav Mvoia. Trifft also unsere Gleichung zu. dann wäre Kubu-
kleia ein befestigter Platz an dem Wege Kaisareia-ApoUonia und unfern
der wichtigen Strasse Prusa-Apollonia gewesen : und es wäre begreiflich,
dass diesem stratesjisch wertvollen Punkte von dem stark bewehrten und
1) Formae orb. ant. tab. IX. Text. p. 2. Kiepert hat Caesarea Smyrl. unfern
Prusa in der Nähe des Odryses angesetzt, ohne dass man aber genau erkennen kann,
wo. Das Fragezeichen, das er offenbar an die Stelle der von ihm vermuteten Oert-
lichkeit setzt, ist am linken Odrysesufer verzeichnet.
2) Ausserdem wäre es uns gewiss überliefert worden, dass der Ort der Thermen
Kaisareia Germanike war, bezw. umkehrt, dass es in K.6. Thermen gab.
3) Bonner Ausg., S. 580. — Daher sucht es Ramsay (a. a. O., S. 190) an der
Westseite des Olymp.
334 Joh. Solch, Ueher die Lage von Kaisarein in Bithynien.
nur etwa einen Tagmarsch entfernten Lopadion Hilfstruppen zur Unter-
stützung zugeschickt wurden. Jedenfalls deutet aber auch hier, selbst
wenn das von Pachymeres genannte Kubuldeia wirklich wo anders ge-
legen haben sollte, der Name auf eine Gründung aus der byzantinischen
Zeit und der Ort bezeichnet auch dann eine Station auf dem Wege Apa-
meia-Kaisareia-Apollonia. So kann auch dieser unser letzter Hinweis
noch zur Befestigung unserer Annahme beitragen, dass Kaisareia Germa-
nike in Bitliynien am Ostgestade des Daskylitissees gestanden war : mit
diesem ist es auch selbst dahingesiecht und zuletzt verschwimden. Nur
der Name beider lebt möglicherweise (in Tschekirge, bezw. türk. Jaskel.
gr. Diaskeli) noch fort.
Kaisareia Germanike und Germauicopolis — auch dies sei noch ver-
merkt — sind nicht dasselbe gewesen, aber wiederholt miteinander ver-
wechselt worden. Zuletzt noch ist sogar Brandis diesem In-tum ver-
fallen ^). Und doch hat schon Wesseling ^) mit seiner Vermutung, dass
Germauicopolis wegen der grossen Nähe ganz einfach zu Gangra ge-
rechnet 'n'ürde. das als Hauptstadt Papblagoniens selbstverständlich er-
wähnt werden musste, das Richtige getroffen. Deshalb heisst es auch,
wie gleichfalls schon Wesseling bemerkt hat. in den nov. Just: q)a/isv
ök reQfzai'iy.onöZ£0)g le T^g ngög rdy/Qar, tmd der Kaiser spricht bloss
von sechs Städten in Paphlagonien, während er sieben aufzuzählen scheint:
Germanicopolis . Gangra. Pompeiopolis. Dadybra, Sora, Amastris und Jo-
nopolis. Die zwei zuerst genannten waren jedenfalls als eine Siedlung ange-
sehen. Daher auch die Tatsache, dass weder Hieroeles noch die sonstigen
Notitiae und Konzilsakten Germanicopolis anführen. In der letzten Zeit
hat besonders Imhoof-Blumer das Verhältnis von Gangra-Germanicopolis
richtig erfasst und gewürdigt '), indem er einen neuen Beweis für die po-
litisclie Einheit der beiden Orte aus den Mttnzfunden erschloss: zeigt doch
die Vorderseite von Münzen aus Germanicopolis den gleichen Stempel wie
eine bekannte Gangramünze''). Müller hat sich dieser Ansicht ange-
schlossen^) und wir können ihr gleichfalls nur zustimmen.
Dass endlich Kaisareia und Neokaisareia in Bithynien nicht dasselbe
gewesen sind, erhellt schon aus dem Namen und bedarf keines weiteren
Beweises ; wo aber Neokaisareia vermutlich gelegen war, darauf kommen
wir vielleicht gelegentlich später zurück.
Graz.
1) Siehe Bithynien in Pauly-Wissowas BE III. 1898.
2) Zu Hier. Synekd. in d. Bonner Ausg., S. 496.
3) A. a. 0., S. 6.5.
4) Zur Münzl-unde von PonUis, von Paphlagonien u. s. w. Z. f. Niim. XX. 1897
S. 270/1.
5) In seiner Ausg. d. geograph. d. Ptol. vol. I. pars IL Paris 1901. S. 804.
10
335
Die Alliaschlacht und die ältesten Pontifikalannalen.
Von Ernst Koriieniaiiii.
Nachdem ich jüngst den Versuch gemacht habe, von der ältesten
Redaktion der Pontifikalannalen aus dem 3. Jahrh. v. Chr., die Enniiinn
zuerst erschlossen hatte, etwas konkretere Vorstellungen zu erzeugen^),
liegt die Frage nahe, ob wir nicht irgendwo eine Tradition in der Fas-
sung dieser ältesten Quelle nachweisen können. Vielleicht gelingt es ge-
rade bei einem der schwierigsten Probleme der altrömischen Geschichte,
hei der Erzählung von der gallischen Katii.strophe.
Schon M o m m s e n hat in der grundlegenden Abhandlung über dieses
Ereignis hervorgehoben^), dass die ältere Version der Tradition zwischen
den Tag der Schlacht an der Allia (18. Juli) und das Einrücken der Sieger
in die Stadt drei volle Tage ^) legt, welche in ganz unverständlicher Weise
unbenutzt vorübergehen''), während erst die jüngere Fassung die Gallier
noch am Abend des Schlachttages vor Rom ziehen (Liv. V 89, 2) und die
Einnahme der Stadt am 19. Juli vollziehen lässt (Liv. V 41, 4, Tae. Ann.
XV 41). Die Ansicht von dem höheren Alter der an erster Stelle ge-
nannten Tradition wird dadurch über allen Zweifel erhoben, dass sowohl
die beste annalistische Ueberlief'erung (Polybios II 18, 2 und Diodor XIV
11.5, 4 f.) als auch die oft auf die ältesten Quellen zurückgehende antiqua-
rische Tradition (Verrius Flaccus bei Gellius V 17,2; Servius zur ^e«. VII
717), endlich die oft Spreu und Weizen mischende Biographie (Plut. Cnm. 22)
die Nachricht haben. Eine Motivierung des rätselhaften Verhaltens der
Sieger versucht nur Diodor zu geben. Den ersten der drei Tage ver-
bringen die Gallier mit dem Abhauen der Köpfe der Gefallenen xarä tö
ndxQiov i'9'og, die beiden anderen lagern sie vor der Stadt und zögern
1) Oben S. 245 ff. — 21 Rom. Forsch. II S. 316.
3) So Diodor; die Parallelquellen, Polybios: rgial r;/? ftiiyjj? ij/uifiaig vaiegov,
Verrius Flaccus; post diem tertiton eins diei, Plutarch : Tp/rj/ änö rijg l-iaxii; t/ftsgee.
geben dieselbe Nachricht nur ungenauer wieder, Moinmsen a. a. O. S. 316 Anm. 40.
4) Die Vermutungen, mit denen Ed. Meyer (Apophoreton S. 155) die drei Tage
ausfüllt (vgl. das Richtige S. 150 Anm. 1), schweben vollständig in der Luft, vgl.
O. Richter, Beiträge zur röm. Topogr. III, Berlin 1907, S. 8 Anm. Die Niederlage der
Römer war nach der guten Tradition eine sehr schwere, vgl. Varro bei Nonius p.
498 M.. zitiert unten S. 340 Anm. 3.
1
336 Entst Kornemann,
mit dem Angriff aus Furclit vor einem Hinterhalt der Gegner. Diese
Motivierung ist höchst seltsam und besonders im zweiten Teil recht auf-
fallend, wenn wir daran denken, dass Diodor zu denen gehört, die den
grössten Teil der römischen Heerestrümmer sich nach Veji retten lassen
(115. 2). Wenn also seine Darlegung bezüglich des Hinterhaltes irgend
eine Unterlage hat, kann sie nur aus einer Quelle stammen, die die Ret-
tung des römisclien Heeres nach Veji noch nicht kannte. Und dass es
eine solche Stufe der Tradition gab, scheint mir aus Polybios hervorzu-
gelien, der ganz schlicht von den siegreichen Galliern sagt: ijiöiievoi TOtg
(pEvyovai TQial t/)c fjäyjJQ fjfiiQaig vareQov y.aiEaxot' ainijv Ttjv 'Püjfitjv^).
Noch deutlicher ergibt sich dies aus der antiquar-ischen üeb erlief erung,
die uns beim Epitomator des Festus erhalten ist {ep. p. 119): Lucaria
festa in Juco colebunt Bomani, qui pennagnus inter viam Salariam et Ti-
heritn fitU, [xro eo quod vidi a Gallis fugientes e proelio ihi sc occuUaverint.
Diese Version lässt die Römer ganz offenbar in der Richtung auf Rom
fliehen-), und die Notiz, dass sie sich in einem Haine verborgen gehalten
Mtten, gibt vielleicht einen Wink für das Entstehen der Nachricht von
dem Hinterhalt bei Diodor ^). Aber die Festus-Stelle gewährt uns die Mög-
lichkeit noch nach einer anderen Richtung die älteste Tradition verständ-
lich zu machen, nämlich bezüglich des dreitägigen Intervalls zwischen
Schlachttag und Stadteroberung, worauf, wenn ich nicht irre, zum ersten
Mal Pais aufmerksam gemacht hat^). Der dies Alliensis fällt bekannt-
licli auf den 18. Juli, dagegen das Fest der Lucaria auf den 19. — 21.^).
Wie die Festusstelle beweist, ist also das Hainfest frühzeitig mit der Gal-
lierkatastrophe in Verbindung gebracht worden'') und das erwähnte drei-
tägige Intervall aus der Dauer des Festes herausgesponnen worden. Wir
haben aber, wenn diese Annahme richtig ist, hier deutlich ein Stück der
ältesten pontitikalen l'raditiou vor uns.
1) Bei Diodor flieht das Gros des römischen Heeres nach Veji und nur wenige
{dllyoi) gehingen avoit).oi (pvyövzfc nach Rom. Die siegreichen Gallier mussten hier-
nach als inöuivoi zot: (f^siyovai, da doch nur das Gros des Gegners und nicht ein
paar Versprengte verfolgt zu werden pflegen, nach Veji gelangen.
2) Ueber die mutmassliche Lage des lucus permagnus stellt 0. Richter, Beiträge
zur rinn. Topogr. lU S. 1-5 Betrachtungen an, durch die er eine Lokalisierung des-
selben nördlich des Anio zu beweisen sucht. Ich suche den Hain in der Nähe von
Rom. Die Hauptschwierigkeit, die seinem Ansatz widerspricht, hat Richter schon
selbst am Schluss angedeutet : vgl. auch Hülsen-Lindner. Die Älliasclüacht S. 32 Anm. .3.
3) In diesem Falle muss der Hain, wie in der vorigen Anm. geschehen ist, nahe
bei Rom gesucht werden. — 4) Storia dt Eoma I 2 S. 82.
b) Genauer auf den 19. und 21. JuU. Th. Mommsen. CIL 1- p. 298 und 322,
G. Wissowa, Beligion und Kultus der Römer S. 19, mit dem bei mehrtägigen Festen
gebräuchlichen festfreien Zwischentag (20. Juli): Wissowa a. a. 0. S. 370.
6) Dass die Lucaria älter sind als die gallische Katastrophe, ist sicher, da sie
dem ältesten römischen Festkalender angehören, vgl. Hülsen-Lindner a. a. 0. S. 32,
0. Richter a. a. 0. S. 1-5.
Die AlliascJilacht und die ältesten F(/iitifikfilinni(ile)i. :{37
Wiweilen wir noch einen Augenblick bei der antiquarischen Ueber-
liefeiung. Vielleicht verhilt't sie uns auch zur Lösung eines anderen Pro-
blems aus der Geschichte der gallischen Katastrophe. Wer die Römer in
den Hain zwischen Tiber und via Salaria fliehen lässt, für den ist die
Schlacht auf dem linken Ufer des Flusses gesclilagen worden. Dazu
stimmt, wenn es bei Verrius Flaccus (a. a. 0.) heisst: Q. Sulpiciioii tri-
humim mUitum ad Ali am adverstt s G allos pngnatiirum rem divinam
dimicandi gratia postridie Idus fecisse^). So schreibt nur jemand, der eine
Schlacht an derÄllia und nicht gegenüber ihrer Mündung auf dem
rechten Tiberufer annimmt. Aber, wird man einwenden, das ist auch die
Tradition, der Livius folgt (V 37, 7), und sie wird dadurch nicht gerade
empfohlen. Solange die Sache auf die einfache Formel gebracht war,
Diodor hat die ältere und bessere Tradition oder, wie gar Momnisen glaubte,
die Tradition eines Fabius, Livius dagegen repräsentiert die jüngere mehr
verfälschte Annalistik, konnte dieser Einwand etwas bedeuten. Heute
steht die Sache anders. Einen grossen Fortschritt bi-achte die Erkenntnis,
dass nicht nur ein Gegensatz von Diodor und Livius in dieser Sache vor-
liegt, sondern dass Diodor gegen Diodor steht. Er oder wahr-
sclieinlicher seine unmittelbare Vorlage hat zwei den Verlauf der Schlacht
im wesentlichen gleich erzählende Quellen kontaminiert, von denen die eine
die Schlacht auf das rechte, die andere auf das linke Ufer verlegt").
Das zeigt sich am deutlichsten an der Stelle, wo das Durchschwimmen
des Tibers durch die geschlagenen Römer zweimal erzälilt wird (114,5
n. 6 = 114.7 u. 115. 1) ^). worauf als Ziel der Geretteten einmal, und zwar
für das Gros, Veji. und dann, für einige wenige*). Rom angegeben
1) Nebenbei bemerkt ist die tieschicbte von diesem Opfer am IG. Juli (auch bei
Livius VI 1, 12). wonach die dies pustriduani von den Pontifices zu dies reUgiosi ge-
macht worden sind (vgl. Mommsen, Böm. Chron. S. 26 Anni. 32, CIL I- p. 322, Wis-
sowa, a. a. 0. S. 376 f.). möglicherweise auch ein Bestandteil der alten Tradition,
weil wieder ein bestimmter Tag eine Rolle .spielt: anders Mommsen. Eüm. Forsch.
II S. 316.
2) Das hat schon Mommsen gesehen, a. a. 0. S. 310 ff.; vgl. bes. S. 313: „in der
Tat erzählt er so, dass die erste Hälfte seines Berichtes auf das rechte, die zweite
auf das linke Tiberufer führt und derselbe also sich selber aufhebt". Es ist charak-
teristisch für die durch Mommsens Fabiushypothese herbeigeführte Ueberschätzung
Diodors, dass auf einen solchen Bericht hin das Wagnis unternommen worden
ist die pugna Alliensis von der AUia hinweg auf das andere Tiberufer zu verlegen,
und dass es Forscher aus den verschiedensten Lagern gegeben hat, die diese Loka-
lisierung dann als die einzig mögliche erklärten. Selbst C. P. Burger, der nach
Mommsen den Diodor am schärfsten kritisiert hat und zu einer viel richtigeren An-
sicht über die Quellenfrage gekommen ist (vgl. Sechzig Jahre aus der älteren Gesch.
Roms S. 24 ff.), hielt am rechten Tiberufer als dem wirklichen Schauplatz der Schlacht
fest (vgl. S. 4.5 f.).
3) Vgl. die Nebeneinanderstellung der beiden Parallelberichte bei Richter a. a.
0. S. 11.
4) 114.6 tiphs 6i = 115, 2 öh'yot 6t. Nur das zweite Mal wird als Ziel dieser
338 Ernst Kornemann,
wird (115.2)'). Damit war der livianiscbe Schauplatz der Schlacht, der
früher immer als von der jüngeren Annalistik erst hereingebracht be-
zeichnet wurde, als der einen Diodorquelle schon bekannt erwiesen, und
es konnte nun die Frage aufgeworfen wei-den, welche der beiden Versionen
über die Oertlichkeit der Schlacht in Wirklichkeit die ältere sei.
Wir kommen also ganz auf die Ansicht Ed. Meyer s^) hinaus, „dass
keineswegs zwei verschiedene, von einander unabhängige Berichte vorliegen.
Die durchgehende Uebereinstimmung beweist vielmehr, dass unsere
gesamte üeberlieferung auf einen einzigen Urbericht zurückgeht .... Die
Sache liegt mithin nicht so. dass wir zwischen zwei von Anfang an ver-
schiedenen Ver.sionen .... frei nach allgemeinen Erwägungen zu wählen
hätten, sondern die eine der beiden Versionen muss notwendig eine Kor-
rektur oder Entstellung der anderen sein. Wir haben daher zu ermitteln,
welche von ihnen die ursprüngliche und kritiscli allein in Betracht kom-
mende ist. und dieser zu folgen".
Der -Ur b e r i c h t'" ist aber auch hier die Darstelluna; der Pontifikal-
wenigen Rom angegeben. Ebenso steht auch die Flucht nach Veji nur hinter der
zweiten Schwimmszene. Wenn man daher den zweiten Bericht als denjenigen des
Autors, der die Schlacht auf dem rechten Ufer ansetzt, bezeichnet, dann hat Ed.
Merer ganz recht, wenn er gegen Mommsen und Richter behauptet (Apophoreton
S. 148 f.): bei Diodor , steht kein Wort davon, dass diejenigen Römer, welche nach
Veji flüchteten, vorher den Fluss durchschwömmen hätten". Es kommt also hier
einfach darauf an. welchem Autor man den zweiten Bericht über die Schwimmszene
zuschreibt. Immerhin ist auch bei Meyers Auffassung, wie Richter gesehen hat (a.
a. 0. S. 10) die Bemerkung auf S. 1-51 : „Die Truppen, welche sich in Veji sammelten,
werden meist überhaupt nicht ins Flusstal gelangt sein, sondern von den Höhen,
auf denen sie aufgestellt waren, direkt nach Veji geflüchtet sein", durch Diodor nicht
gedeckt; richtiger Meyer S. 146 und S. 149. Richter weist sehr mit Recht darauf
hin: ,nach Diodor wird das ganze römische Heer ohne Ausnahme gegen den Tiber
gedrängt und nunmehr stehen die Gallier parallel dem Tiber, zwischen sieh und
dem Fluss das ganze römische Heer in völliger Auflösung". Wenn es Diodor auch
nicht direkt sagt, hat man an dieser Stelle doch den Eindruck: nach Veji geht der
Weg nur durch den Fluss ! Weit über das Ziel schiesst Ed. Meyer mit der Be-
hauptung (S. 149) : , Diodor ist also mit sich selbst durchweg in Harmonie und voll-
ständig klar". Das gerade Gegenteil sagt schon Mommsen a. a. 0. S. 313.
1) Aehnlich Livius V 38.9: maxima tarnen pars ineohimis Veios perfugit (auch
39, 4) und gleich nachher : ab dextro cornu ... Borna m omiies petiere ; hier ist aus
den u'/.lyoi des Diodor schon der ganze rechte Flügel (bei Flut. Cam. 18 am Ende
wenigstens oL nn'O.o!) geworden, offenbar aus dem Bestreben heraus, ,die Nieder-
lage der Römer möglichst abzuschwächen": 0. Richter a. a. 0. S. 9 f. Ein starker
Widerspruch bei Diodor ist darin zu sehen, dass, obwohl seine beiden Parallelbe-
richte eine grössere Anzahl von Geretteten nicht kennen, doch oi nÄHaxoi lOn' Siaato-
d-svTwv sich Vejis bemächtigen, Richter S. 12.
2) Äpophoreton, S. 147 f. : allerdings mit dem entgegengesetzten Endresultat. Die-
selbe Ansicht, dass beide Quellen auf einen Urbericht zurückgehen, hat übrigens
schon H. Nissen L. K. 11 2 S. 607 ausgesprochen, und dabei ist er. wie wir, der Mei-
nung, dass die Schlacht auf dem linken Ufer stattgefunden hat.
Die Alliascldacht und die ältesten Poiitifikalannalen. 339
Chronik, für die wir oben (S. 336) schon wahrscheinlich gemacht haben, dass
darin die Fluclit des römischen Heeres nach Veji «jefehlt hat. Man hat rän<f.st
gesehen: der grobe Unsinn in der livianischen üarstelhmg bestellt darin,
dass er mit der Schlacht auf dem linken Ufer die Flucht eines Teils
des römischen Heeres durch den Fluss hindurch nach Veji verbindet.
Was liegt näher bei dieser Sachlage, als die Vennutung. dass in der An-
nalistik die Flucht nach Veji die primäre Erfindung gewesen ist'), die
dann die Hinüberverlegung der Schlacht von der Allia hinweg auf das
rechte Ufer notgedrungen zur Folge hatte ^), wie das schon die eine bei
Diodor zu Grunde liegende Quelle^) folgerichtig getan hat.
Bereits Burger hat empfunden, das.s mit der Beseitigung alles dessen,
was sich auf Veji bezieht, in die Geschichte der Gallierkatastrophe eine
starke Lücke gerissen wird und dass dann nicht viel mehr übrig bleibt
(S. 23). Er hat Recht damit: ebenso Recht aber, wenn er hinzufügt. ,es sind
nicht flie sentimentalen Gründe, die in ähnlichen Fragen entscheiden". Wir
wissen heute, dass wir eine ganz kurze und trockene, chronikartige Er-
1) So schon Burger a. a. 0. S. 23 f. und Richter a. a. O. S. 12 ff., der dann im
Gegensatz zu Burger die richtige Konsequenz aus dieser Erkenntnis gezogen und
die Schlacht wieder auf das linke Ufer verlegt hat. Die entgegengesetzte Ansicht
vertreten Hülsen-Lindner a. a. 0. S. 9: ,Die Rettung eines sehr bedeutenden Teiles
des römischen Heeres nach Veji ist in dieser ganzen Kette von Ereignissen eines
der sichersten". Einen Beweis für diesen Satz vermisse ich.
2) Ich wage nicht zu entscheiden, ob dabei auch der Umstand mitgewirkt hat,
dass man damit in die Nähe des Schauplatzes einer anderen ünglüeksschlacht aus
der altrömischen Geschichte kam, nämlich des Untergangs der Fabier am Cremera
im Jahre 477 (darüber F. Münzer R. E. VI S. 1877). Hingewiesen muss immerhin
darauf werden, dass auch der Tag der Alliaschlacht und der Fabierkatastrophe gleich-
gesetzt worden ist. vgl. z. B. Liv. VI 1,11, Plut. Catn. 19,1, andere Stellen bei
Mommsen CIL 1- p. 322 und Münzer a. a. 0. S. 1879.
.3) Mein Schüler G. Sigwart bat versucht {Klio VI S. 34-3) diese Quelle bei Diodor
als eine lateinisch geschriebene und gleichzeitig als eine jüngere gegenüber der an-
deren, die griechisch abgefasst sei, zu erweisen. Er stützt sich dabei neben anderem
darauf, dass bei Diodor an der entscheidenden Stelle (XIV 114,2), durch welche die
Verlegung der Schlacht auf das rechte Ufer verlangt wird {diaßüvzfc rdv TlßiQiv], die
Gallier als Faf.nzai bezeichnet werden, während vorher und nachher immer von
KeXrol die Rede ist, und findet, dass dieselbe Bezeichnung rrO.äzcei erst XIV 117. .5
wiederkehrt, wo die späte Erzählung von der Rückgewinnung des an die Gallier
beim Abzug aus Rom gezahlten Goldes gegeben wird. Dieses Argument (/"ffP-äreu-
I{f?.zoi) hat Soltau gelegentlich auch bei Polybios (in dem Abschnitt II 18—21) zum
Zweck der Quellenscheidung angewendet, aber Lenze, Die riint. Jahrzählunii S. 144
Anm. 174 (vgl. auch S. 74 Anm. 101), hat mit Recht darauf hingewiesen, dass der
Soltausche Beweis bei Polybios nicht geglückt ist. Man könnte einwenden: non est
idem, si duo faciunt idem ; ich gebe aber zu, dass das Fundament, das diesen sprach-
lichen Beobachtungen entnommen ist, nicht hinreicht, um eine saubere Scheidung der
beiden bei Diodor verarbeiteten Quellen und eine Beantwortung der Frage, welche
die ältere gewesen ist, vorzunehmen. In den beiden Schwimmszenen, die doch ganz
sicher aus verschiedenen Quellen entnommen sind, werden die Feinde immer Ks/.zoi
genannt.
340 Ernst Korncmann,
zäHung als die Grundlage des später reicher ausgescliniUckteii Berichtes
voraussetzen müssen und können unsere Ausführungen dahin zusammen-
fassen, dass vielleicht in der fuhala apmJ pontiftccm iiuiximum nur das Fol-
gende gestanden hat:
am 16. .luli: Auszug der Römer aus der Stadt imd Opfer des Q. Sul-
picius '),
18. Juli: die Schlacht an der Allia, in der die Römer vollständig ge-
schlagen werden.
19. — 21. Juli: die geschlagenen Römer haben in einem Haine zwischen
dem Tiber und der via Salaria Zuflucht gesucht ; die Gallier wagen aus
Furcht vor einem Hinterhalt nicht den sofortigen Angriff auf Rom,
22. Juli: Einnahme der Stadt, abgesehen vom Kapitol.
Wie eine Probe aufs Exempel wirkt hiernach eine Lektüre von Po-
lybios n 18, 2 : [oi KsPaoi) fiäxf] viy.i]nav%EQ 'Pcofiaiovg y.ai rovg fiSTCi
toixoiv TiaQaia^afiivovg, enö/isvoi roig (fsvyovai TQial rTjg udyjjg fifie-
oaic vGTSoov xaTsaxov avTtjv Ttjv 'P(j)/ii]v nlijv tov Ka7i£TO)kiov. Hier
haben wir den schlichten Bericht des Fabius vor uns ^), der seinerseits
aus def eben rekonstruierten Chronik der Pontifices entnommen war. Das
Unmethodische an dem seitherigeia Verfahren bestand darin, dass man diesen
Bericht wahllos aus Diodor. bei dem eine ältere und eine jüngere Tradition
in höchst ungescliickter Weise kontaminiert ist . zu ergänzen gesucht
hat. anstatt nur die paar versprengten Notizen aus der antiquarischen
Ueberlieferung heranzuziehen.
Dass dies allein der richtige Weg ist, um die älteste Tradition heraus-
zuarbeiten, zeigt uns ein Blick in die Ueberlieferung vom Ende der Gal-
lierkatastrophe. Auch hier ist es, wie oben bei dem dreitägigen Intervall
zwischen Schlacht und Stadteinnahme, eine Zahl, die im Vordergrund un-
seres Interesses steht : nämlich die Zahl von sieben Monaten für die Dauer
der Belagerimg Roms. Diese Zahl haben wiederum nur Polybios (II 22, 5),
die Biographie (Plut. Cam. 28 und 30), sowie der Kalender des Polemius
Silvius {CIL Y'- p. 259), letzterer offenbar aus einer antiquarischen Quelle ^).
1) S. o. S. 337 Anm. 1.
2) Für die Abhängigkeit des Polybios von Fabius an dieser Stelle neuerdings
wieder 0. Leuze, Jahrzälilimg S. 142 ff.
3) Nicht Livius, wohl aber die Periochae des Livius (lih. V) haben die allge-
meinere Angabe i'osi sextum mensein. Sechs Monate dagegen bieten Varro bei Nonius
p. 498 M. {noster exercitus itast fiigahis, ut (Salli Homae praeter Capitoli sint potiti
neque inde ante sex menses cesserint), Florus I 7, 15, Orosius II 19, 1:3, acht Monate Ser-
vius zur Ae)i. VIII 6.52, was Mommsen {Rom. Forsch. II S. 328 Anm. 69) , durch die ver-
schiedene Zählung der nicht vollen Monate herbeigeführte Varianten' nennt; vgl. oben
(S. 335 Anm. 8) die ähnlicben Varianten gelegentlieh der Darstellung über das drei-
tägige Intervall. Wenn diese Ansicht richtig ist. dann dürfen wir auch diese Stellen noch
heranziehen und zwar ebenfalls als in letzter Linie alle zurückgehend auf die anti-
quarische Tradition (s. o. Varro !). Nur bei Servius mit seinen vollen acht Monaten
bin ich zweifelhaft. Dass es auch Traditionen gab. die die ursprüngliche Angabe
Dir Allidsclihiilif 1111(1 die ältrstcii Fonfiflkdlammloi. 341
F'olybios bietet auch hier nur die kurze Notiz: {oi KeAroi) t/}c nöAecog
arrTjg tmä fir]i'ag xv^ievaarieg, Plutarch (a. a. ü. 30) spi-icht von Rom
als fir^vag knTa rovg nävtag i)nb xolg ßaQßÜQOig yevofiivij (vgl. dazu
c. 28: i'ßdofiov yuQ t/.eivoi' oixovQovv fii'jva nohoQy.ov visg) und fügt dann
zur Erläuterung hinzu: naQe^^d-övieg yäg eig avTijV dZiyatg i)/ti(>aig vare-
Qov Twi' Kvl'i'TÜiov eiöwv tteqI tag (PeßQOVUQiag EiSovg i^fjieaov'). Der
erwähnte Kalender sagt zu den Iden des Februar (13. Febr.): purentatio
tnmnlorum incipit quo die Jioma Hheraht est de ol/fsidione Gallorum. Be-
achtenswert ist, dass wir auch hier von der polybianischen Zalilenangabe aus-
gehend auf einen bestimmten Kalendertag, den 13. Februar-), und auf ein mit
diesem Tag beginnendes Fest, die Farentalia. die neun Tage — vom 13.
bis 21. Februar — dauern, geführt werden. Zum 13. Februar bemerkt
aber der Kalender des Philocalus {CIL I- p. 258): F/»y/ö Vesta(lis) pa-
rentat. ,eine Notiz, welche Mommsen (CIL I- p. 309) mit grosser Wahr-
scheinlichkeit auf das anderweitig (von Piso bei Dionys II 40) erwähnte
Opfer am Grabe der Tarpeja bezogen hat" '^). Ob die Tarpeja oder
der Charakter der Parentalia als Totenfeier das Ende der obsidio Gcdlo-
yum hier anzusetzen der Anlass gewesen ist, vermag ich nicht zu sagen.
Hingewiesen sei nur noch darauf, dass der Schlusstag des Totenfestes, die
Feralia vom 21. Februar, die allein unter den dies parentales zu den feriae
piddicae gehörten *), das genaue Ende der sieben Monate seit dem Einzug
der Gallier in Rom (22. Juli) darstellen °). Die Rücksicht auf das Fest
liegt also bei diesem Zeitansatz des Polybios genau so klar zu Tage, wie
oben bei dem dreitägigen Intervall der Ausgang von den Lucaria.
Nach alledem dürfen wir wohl ein Zwiefaches behaupten: diese ge-
nauen Zeitangaben bis auf den Tag gehen auf die Fassung der Tradition
der Belagerungsdauer verlängert haben, geht aus Varro de h l. VI 18 hervoi-. der
über die Poplifugia (-5. Juli) folgende Version hat : «o« multo enim post hie dkg.
quam dece s s US G allor u m e .v u r b e.
1) Die beiden Angaben des Plutarch decken sich nur, wenn man das rrfpj sehr
■weit ausdehnt, d. b. nicht den Anfang der dies parentales, wie der Kalender des Po-
lemius Silvius tut (s. o. im Text), sondern das Ende derselben (21. Februar) annimmt.
Andererseits erklärt diese Unbestimmtheit die in der vorigen Anmerkung notierten
Varianten in der Angabe der Monatzahlen, soweit sie unter sieben sich bewegen.
2) Wir haben oben (S. 3:^9 Anm. 2) gesehen, dass der Tag der Katastrophe der Fabier
am Cremera mit dem dies AlKensis gleichgesetzt worden ist. Im Vorbeigehen sei hier
daran erinnert, dass von Ovid, fast. II 193, statt dessen der 13. Februar als Tag des
Fabieruntergangs gegeben wird. Man hat mancherlei Gründe für diese Abweichung
vorgebracht (vgl. F. Münzer, R. E. VI S. 1879 f.) ; ich möchte die Frage aufwerfen,
ob nicht wie beim 18. Juli die Callierkatastrophe das Datum geliefert hat?
:3) Wissowa a. a. 0. S. 187. — 4) Wissowa ebda.
5) S. o. Anm. 1. Am nächstfolgenden Tag. 22. Februar, wird das Familienfest
(feriae privatae) der Caristia oder Cara cognatio gefeiert, ,an dem die Angehörigen
der Verwandtschaft sich zu einem Festschmanse vereinigen'. Wissowa a. ;i O. : vgl.
auch Mommsen CIL 1- p. 310.
342 E. Kornenumn, Die AUiniuhlwld und die äUesten Fontifikalaunnlen.
in der ältesten Chronik der Pontifices zurück, die per singulos dies ihre
kurzen Aufzeichnungen eingetragen hatten. Bei den Ansätzen aber spielen
die feriae puhlicae des alten Festkalenders, den die Pontifices zu bewahren
hatten '), ebenso wie die Griindungstage und Gründungs jähre resp. die
Dedikationsjahre der stadtrömischen Tempel-) eine grosse Rolle. Dies
sind die fe.sten Punkte, von denen aus die Pontifices den Aufbau der alt-
römischen Geschichte unternommen haben. Die weitere Forschung wird
nicht umhin können auf diese Zusammenhänge zwischen dem Festkalender
und den ältesten Pontifikalannalen noch mehr zu achten als seither.
Und nun noch eins: K. J. Neumann hat jüngst noch geschrieben'):
vom Krieg gegen Veji ab, rund von 400 v. Chr. ab, „gab es eine gesi-
cherte, gleichzeitige Aufzeichnung wenigstens der Hauptereignisse römi-
scher Geschichte. Und dieser Krieg selber war ein solches Hauptereignis".
Ich frage dagegen, ist die römische Geschichte des 4. Jahrhunderts, vor
allem in der ersten Hälfte, wirklich qnellenmässig so fundiert, dass wir
diese Behauptung wagen dürfen *), wenn wir für das grösste Ereignis
dieses Jahrhunderts, die Gallierkatastrophe, nur den dies AUiensis noch
als gesicherte Uebeiliefevung betrachten können ^) ? Was ich in den vor-
stehenden Zeilen den Facligenossen zu unterbreiten mir erlaube, sollte
doch, wenn die Beweisführung als zwingend anerkannt wird, selir zur Vor-
sicht mahnen.
Tübingen.
1) Wissowa a. a. 0. S. 441.
2) Allbekannt ist die Ansetzung des Republikaiifangs in das Jahr der Dedikation
des kapitolinischen Juppiterteuipels. wovon die ältere Tradition ausgegangen ist,
vgl. O. Leuze, .lahrz. S. 326.
:3) Weltf/esf-hichte herausgeg. von J. v. Pflugk-Harttung I S. 382 ; ähnlich Enmann,
BItfin. Mus. 57 S. .521 f.
4) Vgl. die der wahren Sachlage viel mehr entsprechenden Bemerkungen von
Ed. Meyer, Apoph. S. 1.58. Auch hei Hülsen-Lindner a. a. 0. S. 6 heisst es: ,Die
Katastrophe des 18. Juli reicht in eine Epoche zurück, aus welcher keine gleich-
zeitige Aufzeichnung, kein Denkmal, keine Inschrift zur Controle der Berichte spä-
terer Geschichtsschreiber herangezogen werden kann".
5) Hierzu Ed. Meyer a. a. 0. S. 159 schon richtig: , Wollte aber jemand be-
haupten, dass alles, was wir über den Verlauf des Krieges lesen, auch in seiner äl-
testen Gestalt nichts sei als eine geschickt durchgeführte Erfindung dass wir
uns mithin bei einer Rekonstruktion der römischen Geschichte dieser Zeit auf die
allgemeinsten Umrisse zu beschränken hätten, so wüsste ich eine solche Ansicht nicht
mit zwingenden Gründen zu widerlegen". Trotzdem geht Meyer, wie er dann weiter
ausführt, den entgegengesetzten Weg und sucht aus Diodor den historischen Ver-
lauf zu rekonstruieren. Keiner der Neueren ist also hier über Moramseu hinausge-
kommen.
343
Wie hat Hannibal die Elefanten über die Rhone gesetzt?
Von Joli. Pliilipp.
Ueber die Art, wie Hannibal im Jalu-e 218 seine Elefanten über die
Klione gebracht hat, sind wir durch die bei Pohbius und Livius erhal-
tenen Schilderungen in allen Einzelheiten so genau unterrichtet vne selten
über einen technischen Vorgang im Altertume. Dieser Umstand, zu dem
noch die scheinbar völlige Uebereinstimmung beider Quellen hinzutritt,
hat es wohl hauptsächlich bewirkt, dass die Darstellung noch nie einer
sachlichen Kritik unterzogen worden ist. wiewohl diese eigentlich ge-
radezu herausgefordert wird.
Wie Polybius sich die Vorgänge vorgestellt hat, ist ja klar. Starke
Flösse werden als Anlande am Ufer fest verankert : davor werden freibe-
wegliche angebunden; alle Flösse werden mit Erde beworfen. Dann wer-
den die Tiere über die Anlande fort zur Fähre geführt, die Haltetaue
gekappt und mittels bereitliegender Barken das freie Floss hinüberge-
schleppt. Ein neues Floss wird vor die Anlande gelegt, und der Vorgang
von vorhin wiederholt sich.
Dem entspricht ganz die Schilderung des Livius. aber selbst wenn
ich bei allen Autoren nichts weiter als diese Darstellung fände, würde
ich sie vom praktischen Standpunkte unbedingt verwerfen. Wir befinden
uns jedoch in einer weit günstigeren Lage, und es genügt eigentlich, das
Problem aufzustellen, um seine Lösung sofort zu finden.
Nachdem Polybius den Bau der Anlande und der Fälire eingehend
besprochen hat, legt er dar, in welcher Weise die Fähre hinübergeschafft
werden soU. Man befestigt sie an Tauen, deren anderes Ende an Booten
angeknüpft ist. Die Fähre soll also nicht selbst gerudert oder gestakt
werden, vielmehr dienen die Boote dazu, sie gegen den Strom zu halten
und hinüberzuschaffen ^).
Von diesem Strome hat er einige Kapitel vorher (III. 43. 3 u. 7 — 8)
gesprochen. Er hat geschildert, wie Hannibal eigene Vorkehrungen hat
treffen müssen, um die kleinen Fahrzeuge, die Einbäume, gegen die Kraft
des Wassers zu schützen, indem er die grösseren Kähne obei-halb neben
den kleinen herfahren Hess. Einen wahren Kampf müssen sie gegen die
1) III. 46. 5.
344 -Joit. Phil/])/),
Gewalt dos Flusses ausstehen. An ein Querhinüberfahren ist garniiht zu
denken, sondern die Steuerleute müssen schräg gegen die Strömung halten.
Trotzdem werden sie etwas abgetrieben, sodass die Zurückgebliebenen am
Ufer angstvoll nebenherlaufen. Wir haben eine sehr bewegte Schilderung,
die uns über die Gewalt der Rhone nicht im Zweifel lassen kann.
Man lässt ja noch heute zum Schutze der kleinen Boote auf Flüssen
die grösseren weiter oberhalb nebenherfahren, um die Gewalt des Wassers
zu brechen, aber nur. wenn diese nicht allzuheftig ist. Bei gar zu grosser
Strorageschwindigkeit besteht die Gefahr, dass die grossen Boote infolge
ihres grösseren Gewichtes imd der grösseren Angriffsflächen auf die kleinen
geworfen werden. Man hat nun daraus, dass Hannibal die kleinen Boote
im Schutze der grossen rudern Hess, schliessen wollen, dass die Strömung
an jener Stelle nicht sehr reissend habe sein können. Dabei hat man aber
übersehen, dass es sich hier um Einbäume handelt, d. h. um unbehauene
Baumstä,mme, die eine grosse Reibung im Wasser haben \md, gerade not-
dürftig für den Ruderer ausgehöhlt, ein unverhältnismässig grosses Gewicht
haben, sodass sie mindestens ebenso schnell abgetrieben wurden wie die
Boote. Uebrigens ein staunenswertes Unternehmen, über diesen Strom im
Einbaum zu fahren.
Denn die Rhone ist in der Tat ein sehr reissender Strom M- Unterhalb
Avignons uoch nennt Hellwald sie „wütend wie ein Stier beim Anblick
des roten Tuches". Und mit Recht: noch bei Beaucaire. wo sie nach
Neumann-) ein gemächliches Tempo annimmt, isi> ihre Stromgeschwindig-
keit mehr als 2^/2 m pro Sekunde^). Was diese Zahl besagen will, mögen
einige Daten erläutern. Der Rhein hat hei Bingerloch 3.42 m, bei Mann-
heim 1,50 m Geschwindigkeit: die Donau bei Wien 1,66 — 1.94 m, der
Neckar bei Mannheim und der Unterlauf der Weichsel 0.90 m Geschwin-
digkeit in der Sekunde *) : die Norm ist 1 m. das Maximum 4 m etwa.
Die Uebergangsstelle ist sicherlich oberhalb Beaucaires etwa bei Avignon
oder Roquemaure anzunehmen, wenn auch der Ort nicht genau feststeht.
Jedenfalls ist dort die Stromgeschwindigkeit noch bedeutend grösser, be-
ti-ägt doch das Gefälle noch bei dem Ardeche-Einfluss 0.81 m auf den
Kilometer gegen 0.6 m der Donau imterhalb Ulms und ein noch etwas
geringeres des Rheines bei Strassburg.
Angesichts dieser Tatsachen erhebt sich nun die Frage, ob es mög-
1) Friedrieb v. Hellwald, Fraiitreich. Das Land und die Leute S. 572. „Bei
Ljoii beginnt die Rhone sich fast senkrecht hinunterzustürzen und reisst die Schilfe,
welche sich ihr anvertrauen, gewaltigen Laufes mit sich hinab. Bis Avignon be-
hauptet sie sich als ein stolzer, königlicher Renner im vollen Schmucke seiner Ge-
wässer".
2) C. Neumann, Zeitalter der punischen Kriege S. 276.
3) Ä. F. Drieu, Leitfaden für den praktischen Pontonnier. Deutsch von v. Echt.
S. .53.
4) Handbuch für Ingenieurswissenschaften III. Wasserbau.
Wie hilf llioni/hdl (l/c Elcfdutiti iihrr die lUionc i/cscfzt? 345
Hell ist, das Fliiss über den Strom /ii rudern. Miin denkt zuniiclist an
eine Zahl vor das Floss gelegter Boote, die, scliräg gegen den Strom an-
rudernd, das Floss hinter sicli her zum andern Ufer silileppen. Schon
die einzelnen Boote hatten Mühe gehabt, sich im Strome zu halten, und
nun hing hinter ihnen eine gewaltige Last, die infolge der Grösse der auf
dem Wasser liegenden Flüche mit ihren vielen Unebenheiten eine sehr
starke Reibung verursachte. Aber abgesehen davon : dieser Zug wirkt ja
wie ein Hebelwerk, dessen längerer Arm, das F^loss, den kürzeren, die
Boote, mit aller Gewalt in die Stromrichtung zieht. Es ist vielleicht mög-
lich, die Grösse der Last zu berechnen und nun, die Menschenkraft in den
Booten addierend, zu sagen : „ Hannibal brauchte nur so und soviel Boote
vorzulegen, dann rausste es gehn. " Das ist in der Theorie sehr schön,
aber es stimmt nicht zur praktischen Anwendung. Wenn das eine Boot
anzog, dann holten in anderen die Ruderer gerade zimi Schlage aus : das
hemmte, statt zu fördern. Wollte man wirklich durch die Zahl der Boote
einen Effekt haben, so hätten alle Boote im Takte rudern müssen. Es
sind mir Versuche aus Sportkreisen bekannt, unter etwa fünf gut ausge-
bildeten Mannschaften durch Uebungen Gleichtakt zu erzielen; aber bei
allen musste man die Versuche einstellen. Und hätte Hannibal mit seinen
Soldaten und etwa dem fünffachen jener Zahl von Booten da so etwas
improvisieren sollen? Es ist nicht möglieh, dass die Boote auf diese Ai't
die von Polybius geforderte Bedingung erfüllen: das Floss gegen die Ge-
walt des Stromes zu halten^). Es muss nach alledem als gänzlich aus-
geschlossen gelten, dass das Floss über diesen Strom geschleppt worden
ist. und Offiziere der technischen Waffe haben mir die Ver.sicherung ge-
geben, dass nicht einmal ein Dampfboot dies Unternehmen hätte zur Aus-
führung bringen können.
Wir stehen also vor der Frage: „Wie hat Hannibal das Floss in
Wahrheit hinübergeschafl't ■''' Nun ganz genau so, wie Polybius es be-
schreibt, wenn auch nicht so, wie er es aufgefasst hat. Wir erinnern uns,
dass er von den Booten verlangt, sie „ sollten dem Flosse einen Halt gegen
die Strömung geben." Wenn sie sich selbst bewegen, können sie das
nicht; folglich müssen sie verankert gewesen sein, und das Floss war
keine Fähre, sondern eine sogenannte fliegende Brücke, d, h, es wurde nicht
hinübergeschleppt, sondern von der Strömung hinübergetrieben.
Das muss in folgender Weise geschehen sein, Ueber den ganzen Strom
hin waren in bestimmten Abständen die Kähne (Ci, Co, C3 etc. s. Skizze auf
S. 346), vielleicht des besseren Haltes halber stets mehrere an einem Punkte,
1) Drieu, Leitfaden f. d. praM. Pontonnicr S. 97. , Diese schwimmenden Körper
(so. Flösse) können auf so schnellfiiessenden Gewässern (gemeint ist die Donau bei
Ebersdorf: Stromgeschwindigkeit 1,66 m in der Sekunde) nicht nach Gefallen bewegt
werden^. Es empfahl sich, für unsere Zwecke ein älteres Werk zugrunde zu legen,
da die moderne Technik ja meist mit ganz andern Mitteln arbeitet.
Klio, Beilrage zur aU;n Gescliichte XI 3. 93
3
346
Joli. Philipp,
fest verankert. Von dem der Anlande zunächst befindlichen (Ci) waren meh-
rere starke Taue, das sogenannte Giertau, zum beweglichen Flosse (B) hinge-
zogen und zwar in der Mitte der Breitseite etwa an zwei Punkten befestigt.
Da diese Taue (a) vielleicht nicht in genügender Länge vorhanden waren,
sicherlich aber nm die schweren Taue ') besser zu stützen, waren in Ab-
ständen Boote zwischengeschaltet (b). Sobald nun die Stricke, die Floss
Zeichen-ErkUiruug.
A. Anlande. B. Fliegende Brücke. C, C, C3 verankerte Boote. C, D Richtung der
Strömung. E. Wendepunkt, Auswechselung der Taue aj und a... F. Wendepunkt,
Auswechselung der Taue a, und a,. a, a, a^ Giertaue, b, \ \ Boote zu Unter-
stützung der Giertaue. c. Boote zur Unterstützung von C, C, C3. d. Schwertbalken
der fliegenden Brücke, e. Anker, f. Verankerung der Anlande, a. Neigungsmnkel
der Anlande zum Ufer.
und Anlande verbanden, gekappt waren, wurde natürlich das Floss in
einem Kreisbogen, dessen Radius das Giertau und dessen Mittelpunkt die
verankerten Kähne (Ci) waren, stromab getrieben, bis es in gleicher Strom-
1) Das Giertau muss erfahrungsgemäss l'/amal so lang sein als die Sehne des
beschriebenen Kreisbogens. Leiif. f. d. prakt. Pont. S. 88.
Wie lud llannibal die Elcfiuitcn iihrr die Jilione gesetzt? 347
riilitung mit dem Boote lag (D). Um nun die Brücke noch über diesen
I'unkt Linauszubewegen. bis sie mitten zwischen dem ersten und zweiten
Kahnpaare (Ci Co) steht, genügt ja für gewöhnlich, dass man die Brücke
mit Hilfe des Giertaiies schräg gegen die Strömung stellt: die Kraft des
Wassers wirkt nämlich auf die der Strömung zugekehrte Seite und treibt
mit einer der Resultanten die Brücke weiter. Da aber das Floss dem
Wasser zu wenig Angriffsfläche bot, so bediente sich Hannibal ohne Zweifel
einer Anzahl von Schwertbohlen oder Schwertbalken (d), die diagonal
unter dem Boden des Flosses befestigt waren. Nun trieb das Wasser die
Brücke über die Stromrichtung hinaus, indem es versuchte, die Schwert-
balken in die Stromriclitung zu stellen. Hier waren sich die Kräfte —
Druck des Wassers und Rückhalt des Giertaues — etwa im Gleichge-
wichte (E). d. li. die Brücke stand annähernd still. Nun wurde vom zweiten
Kahne (C2) ein neues Giertau (aa) zum Flosse gezogen und ebenso wie das
erste an ihm befestigt; das erste wurde losgeworfen, und die Brücke zog
ihren Kreis um das zweite Boot (C2). bis sie in der Mitte zwisclien ihm
und dem dritten (F) wiederum still stand. So umfuhr sie Boot um Boot,
bis sie endlich am andern Ufer landete. Dort Hess man sie liegen, wie
Polybius berichtet. Das hätte Hannibal gewiss an sich schon getan, weil
er Material genug hatte und die Mühe sparen konnte, die leere Brücke
zurückzubringen. In diesem Falle aber musste es unbedingt geschehen,
weil die Diagonalstellung der festen Schwertbalken die Beförderung der
Brücke nur nach einer Richtung gestattete.
Jetzt verstehen wir auch, warum Hannibal die Anlande (A) soweit in
den Strom hinausbauen Hess: 64 ra etwa. Für das einfache Floss. das
höchstens '/* — '/s m Tiefgang gehabt haben kann, hätten wenige Meter
Aufschüttung ausgereicht. Hier aber kam zu dem Tiefgange nocli die
Tiefe der Schwertbalken; damit die nicht aufsassen und das Abkommen
verhinderten. Hess er das Werk solang machen. Auch mag die Anlande
in einem Winkel (ß) zum Ufer geneigt gewesen sein, der Stromrichtung
entsprechend, damit die Kraft des Wassers weniger stark wirke ; das war
ferner für das Abgleiten der Brücke bequemer. Am andern Ufer erüb-
rigte sich etwas derartiges: man Hess hier das Floss auflaufen, dann wa-
teten die Elefanten durch das flache Wasser von selber ans Land, froh,
aus dieser unangenehmen Lage befreit zu sein. Ein Fachmann mag über-
haupt aus der Ueberlieferung noch manches erklärende Moment heraus-
holen können, das ich als Laie übersehen habe.
Im einzelnen Zahlen zu geben, etwa für die verankerten Boote, für
die Länge des Giertaues u. s. w. erübrigt sicli; die Ueberlieferung gibt
hierfür keinerlei Anhaltspunkte und aUe diese Zahlen müssten in bestimmten
Verhältnissen zu einander stehen, auch wechselt die Breite des Stromes
zwischen 800 und 1600 m.
Wir haben also das im Te.xte geforderte und wirklich anwendbare
23 •
348 •/"/'. I'hiliiip.
Verfalu'en erhalten, denn indem die Boote das Floss gegen die Strömung
halten, schaffen sie es hinüber^). Es kommen Boote zur Anwendung ; zu
diesen Booten sind eine Anzahl Taue gespannt, und dadurch, dass die
Boote mittels der Taue das Floss gegen die Strömung halten, schaffen
sie es hinüber. Es erhebt sich nun die Frage, ob wir nicht mit allzu-
grosser Willkür vorgegangen sind und ob wir in den Quellen weitere Be-
lege für unser Verfahren vorfinden.
Nach Polybius ^) war die fliegende Brücke öta(pEQÖVTO}g jventjyvla :
Schvveigbäussler ^) erklärt diesen Ausdruck durch pniecipua diligentia com-
pada. So gross darf der Unterschied in der Bauai't der Anlande — denn
mit dieser wird die Brücke verglichen — und der Brücke nicht gewesen
sein, dass man ihn besondei-s hervorhob : sie hatten beide viel auszulialten.
Viel besser passt die Erklärung: „verschieden von den andern in der Bau-
art" oder „ganz einzig in seiner Bauart". Was aber eigentlich damit ge-
meint sei, zeigt uns die entsprechende Livinsstelle*). Auch dieser Autor
vergleiciit beide Flösse und sagt von der Brücke, sie sei ad traiciendum
flumen apta gewesen. Wölflin verstand darunter die Schleppschiffe. Das
wäre doch sehr schief ausgedrückt, wenn Livius sagte: „Die Flösse unter-
schieden sich darin, dass vor das bewegliche Schlepper gelegt wurden".
Die konnte man ja vor die andern Flösse ebensogut legen. Nein! apta
ad traicicndnm flumen bedeutet: „Mit Vorrichtungen zum Uebersetzen des
Flusses versehen" und erklärt so das öiaqieQÖVTOjg des Polybius; beides
geht auf" die Schwertbalken am Boden des Flosses, die in der Tat einen
sehr wichtigen Unterschied beider Flösse bilden und das bewegliche über-
haupt erst zur Brücke machen.
Ferner liegen die Boote schon im Strome uud die Seile sind schon
gespannt, ehe noch die Erde auf die Flösse geschüttet ist ^). Stundenlang
vorher lässt Hannibal die Boote im Strome liegen, ehe er sie wirklich
verwendet? Man mag sagen, das sei eine Vorsichtsmassregel gewesen,
denn dadurch sei das bewegliche Floss besser gegen den Strom gehalten
worden, solange man die Erde aufschüttete. Unter allen Umständen mussten
diese Boote aber gut verankert sein, und ehe man nachher bei der Ab-
fahrt diese Anker löste, verging erhebliche Zeit, während es infolge der
Unruhe der Elefanten gerade rasch abgehen musste und auch nach den
Angaben der Quellen rasch abging. Hier liegt also in den Berichten ein
Widersprucli, der nicht gelöst werden kann.
Ferner liegt bei Polybius ein Widerspruch darin, dass die wasser-
scheuen Tiere plötzlich in den Fluss springen : die Angst vor dem Wasser
treibt sie ins Wasser? Dass die Tiere ängstlich hin und her rennen, ist
ja zu verstehen, aber dass sie dann zur Ruhe kommen, um mitten im
1) Pol. III. 46. 5. — 2) III. 46. 4.
.3) Lex. Pol. VIII 2 unter öia'ffoorzwg.
4) Livius XXI 28. 8. — h) Pol. "lll 46. .5-6.
Wie hat IIinnülHil dir KIcfmitrti iilicr dir Jl/iiiiir i/rsrfsf i' 34i)
Strome ins Wasser zu springen, bedarf der Erklärung. Und die finden
wir bei Livius '). Er sagt die Elefanten seien unruhig geworden, weil sie
nach Lösung des Flosses von der Anlande in die Mitte des Stromes->v(;>e-
rriifur — gerissen wurden. Man kann doch wirklich von den Kähnen,
wenn sie schon als Schlepper verwendet sein sollen, nicht verlangen, da.ss
sie das Floss reissend schnell über den Strom befördern! Und in diesem
Sinne hat der nachdenkliche Polybius^) auch diesen Ausdruck dahin ab-
geschwächt, dass er von einem schnellen Schleppen — rcr/JoK ünfnjraaav
— spricht. Auch das ist noch zu viel für das von beiden angenommene Ver-
fahren. Was liier den Tieren wirklich Angst gemacht hat. war nach
Kappen der Haltetaue die in der Tat reissende Bewegung, mit der die
Brücke im Kreise um das erste Boot (Ci) getrieben wurde, war vor allem
die wirbelnde Wendung, die sie (E) nach Anholen des zweiten Giertaues
und nach Abwerfen des ersten vollführte, um dann wieder in rasender
Fahrt um das zweite Boot zu drehen. Es ist wirklich ein höchst unan-
genehmes Gefühl, in schneller Strömung zu treiben : nun gar dieser Wirbel
beim Wechseln der Taue muss bei der Gewalt des Wassers schwindeler-
regend gewesen sein, muss den Tieren so unerträglich gewesen sein, dass
viele es vorzogen, ins Wasser zu springen und schwimmend das jensei-
tige Ufer zu erreichen.
Man hat mir sogar den Einwurf gemacht, der Kuck bei <liesem Aus-
wechseln sei so gross gewesen, dass die Taue ihn nicht hätten aushalten
können. Dagegen ist mir von Pionier-Offizieren versichert worden . dass
nur genügend Taue vereinigt gewesen zu sein brauchen, um das schon aus-
zuhalten. Dass sich Hannibal aber reichlich mit Tauen versehen hatte,
dürfen wir als selbstverständlich ansehen, hatte er doch, um alle Schwie-
rigkeiten des Weges kennen zu lernen, seine Offiziere lange vorher schon
in diese Gegenden bis über die Alpen geschickt. Ausserdem handelt es
sich hier um ein primitives Verfahren, das oft und noch heute bei schnell
fliessenden Flüssen angewendet wird und das ihm von Spanien her sicher-
lich wohl vertraut gewesen ist. Leicht möglieh, dass das aucli die Art
gewesen ist, auf die wandernde Völker mit Herden und Karren derartige
Ströme zu überschreiten pflegten.
Ich möchte endlich die Frage stellen, wie man das hier geschilderte
Verfahren wohl lateinisch ausdrücken kann. Kaum treö'ender als: im-
petii ipso fluminis in alteraiii ripam rapiiuiiiir (sc. elephanti). Und so hat
tatsächlich eine Tradition gelautet, — berichtet uns Livius^). Kein Wun-
der, dass sich an solche jedem unbefangenen Menschen märchenhafte Dar-
stellung das Märchen vom rasenden Elefanten, wie es uns Livius wider-
gibt, angesponnen hat, um so mehr, als ja wirklich Elefanten ins Wasser
gesprungen waren.
1) Liv. XXI 28. 10. — 2) III 46. 8. — 3) XXI 28. h.
350 J<^J<- Philipp,
Wir liaben hier also den seltsamen Fall, dass zwei Autoren einen
falsch verstandenen Vorgang so wiedergegeben haben, dass überall noch
die Spuren des wahren Sachverhaltes zu finden sind, selbst wenn sie zu
ilirer Auffassung nicht recht passen. Daraus folgt mit Notwendigkeit,
dass ihre Darstellung auf eine Quelle zurückgeht, die darüber genau unter-
richtet war: ein Autor, der als Urquelle dieselben Vorstellungen wie Po-
lybius und Livius hatte, hätte ja unmöglich solche unklaren und geradezu
falschen Ausdrücke anwenden können. Schon Bujak ') hatte sie auf Si-
lenus über Coelius zurückgeführt, ohne seine Ansicht recht erhärten zu
können. Ihm war daher Böttcher^) entgegengetreten, indem er für die
erste der Livianischen Traditionen^) wohl den Coelius, aber nicht den Si-
lenus gelten liess, weil Silenus als Augenzeuge nicht solch Märchen, son-
dern die Wahrheit hätte schreiben müssen. Wir wissen jetzt, dass dieser
Einwand hinfällig ist, weil wir hier kein Märchen, sondern die Wahrheit
vor uns haben.
Dagegen weist Böttcher sehr richtig auf „das gewissermassen ängst-
liche Bemühen, den Ursprung derselben (sc. Tradition) trotz ihrer inneren
Unwahrseheinlichkeit auf eine natürliclie Weise zu erklären", hin und.
dass er „es nicht wagt, die erste einfach zu streichen oder zu verwerfen".
Böttcher zieht daraus den Schluss, Livius habe beide Berichte in einer und
derselben Quelle nebeneinander gefunden. Wir können getrost noch weiter
gehen. Wir haben gesehen, dass die Bemerkung inipetu ipso fliimiiiis in
alteram ripani rapiente genau zu imserra Verfahren passt, also gleichfalls
auf den Augenzeugen zurückgeht, dass sie überhaupt nur scheinbar mär-
chenhaft ist. Ob nun Livius gewusst hat. woher diese Worte stammten?
Er sagt*): „Ich glaube sicher, die Vorschläge für die Art des Ueber-
setzens sind verschieden gewesen" d. li. : er führt uns gleichsam in den
Kriegsrat Hannibals, wo man erwägt, wie am besten die Elefanten hin-
über zu schaffen seien. Er führt also auch die von ihm abgelehnte Ueber-
lieferung auf die Umgebung Hannibals zurück d. h. wohl auf Silenus.
Daher die Vorsicht in der Wiedergabe, die, wie wir wissen, durchaus am
Platze war.
Was wollen wir nun mit beiden Traditionen anfangen ? Wir haben
gesehen, dass sie eigentlich garnicht zwei verschiedene Vorgänge schil-
dern, sondern dass die erste zur zweiten sehr gut j)asst und mit ihr eins
ist. Sollte sie vielleicht einmal in der zweiten gestanden haben V Die
erste spricht von einem schwer gereizten Elefanten: ferocissimuni e.f iis
inritatum, die zweite auch : saevientes (piidam ; bei beiden spielen bedrängte
Führer eine Rolle, bei beiden legen die Elefanten auf dem Grunde des
Flusses schreitend ihren Weg zurück, kurz die ganze erste Tradition ab-
1) Bujak: de Sileno scriptore Hannihalis. Diss. Regimonti. S. 16.
2) Jahrbücher f. Mass. Philologie. Suppl. 5. 1864—72. S. 383.
3) XXI. 28. 5. — i) XXI. 28. 5.
Wie hat Hannibal die Elefanten iiher die lUione gesetzt? 351
gesehen vom Schlüsse findet im Schlüsse der zweiten ihr Gegenstück,
beide sind identisch miteinander, soweit dies nur die eines tatsächlichen
Vorganges mit einem märchenhaft ansgeschmückten sein kann. Lassen
wir beide mit den gleichen Partien gewissennassen zusammenfallen, so
erhalten wir aus dem Schlüsse der ersten Tradition eine Bemerkung, die
den ganzen Vorgang vorzüglich zusammen fasst und abschliesst: „Und so
wurden die Elefanten durch die Strömung des Flusses selber hinüberge-
rissen", denn gerade hier wieder treffen wir das verräterische rapere an.
An dieser Stelle mag die Bemerkung wohl bei Coelius auch gestanden
haben, nur hat Livius sie vorangestellt, um sie erst ])olemisch abzulehnen
und dann das nach seiner Meinung Kichtige zu geben: violleicht bildete
sie bei Coelius sogar mit dem Berichte noch eine Einheit, und nur Li-
vius fasste sie als Sondertradition auf. Dass sie in der Urquelle mit dem
Berichte eins war, dürfte ein Blick in den Polybius erhärten. In seiner
Wiedergabe finden wir in L^ebereinstimmung mit der zweiten Livianischen
Tradition, die Elefanten hätten , unter Wasser meist aufrecht ihi-en Weg
zurückgelegt", aber niclit finden wir, wie sie den Rest des Weges, den
sie nicht aufrecht zurücklegten, genommen haben. Dass aber tatsächlich
einige den festen Boden verloren, das erwähnt ivieder die erste Tradition
bei Livius, die wir der zweiten anschliessen zu müssen glaubten. Beide,
Poh'bius und Livius mit seinen beiden Berichten, ergänzen sich also zu
einer abgeschlossenen Einheit, deren Sinn vs'ir allerdings zum Teil mehr
ahnen, als kennen. Der ganze Schluss des Silenus-Berichtes mag darge-
stellt haben: \. dass einige Elefanten ins Wasser sprangen und meist auf
dem Grunde des Flusses schreitend den Weg zurücklegten : 2. dass sie
jedoch dann bisweilen den festen Boden unter den Füssen verloren und
zwar von der Strömung abgetrieben, aber doch wohl behalten ans andere
Ufer kamen ; 3. dass überhaupt gerade die Strömung die Elefanten von
Ufer zu L'^fer befördert hat. Hieraus ist sofort ersichtlich, wie die bei-
den letzten Bemerkungen bei ihrer grossen Aehnlichkeit und der schein-
baren UnVerständlichkeit der letzten zu einer einzigen verschmolzen.
Uebrigens hat sie sich in diesem Sinne später zu einer ganz selb-
ständigen Tradition ausgebildet, indem sie alles scheinbar Märchenhafte
abstreifte und dafür das wirklich nur Erfundene als Tatsache hinstellte.
So tritt sie uns bei Frontin') entgegen. Gerade das, was Hannibal
vermeidet, dass die Elefanten ins Wasser gehen — die Tiere wären ja
viel zu weit abgetrieben worden und die wenigen, welche wirklich hinein-
sprangen, mögen Mühe genug gemacht haben, als man sie ans feste Ufer
rettete — lässt Frontin ihn anbefehlen. Die Angst der Tiere, die auch
hier bei Livius erwähnt wird, fehlt ganz. So haben sich die Verhältnisse
in der Uebernahme der Berichte umgekehrt.
1) Stratagemata I
352 Joh. FhiJipp,
Wie haben nun Polybius und Livius diesen Silenus-Bericht über-
nommen? Hat Livius ihn aus Polybius oder nicht?
Wir machten vorhin schon auf einige Widersprüche des Polybius und
auf Unklarheiten in seinem Berichte aufmerksam. Die Boote liegen schon
da, verankert : das entspricht gut unserem Verfahren, aber nicht dem des
Polybius. Die Kähne sollen mittels der Taue das Floss gegen den Strom
halten: auch das ist bei unserm Verfahren der Fall, nicht bei dem des
Polybius. der sich das übrigens bei unbefangener Ueberlegung und in
voller Kenntnis der Stärke der Strömung (er erwähnt sie ja selber) auch
sagen konnte. Dadurch gerade soU das Floss hinübergesehafft werden :
nach unserer Annahme ist dem so. nicht nach der des Polybius, denn
bei ihm werden sie durch Rudern transportiert. Was er also geschrieben
hat, ist so. wie es dasteht, richtig — und zwar so richtig, dass wir daraus
den wahren Sachverhalt rekonstnaieren konnten — ist so. wie er es auf-
fasst. falsch. Er hat also diese Worte nicht aus sich selber nieder-
geschrieben, sondera sie aus seiner Quelle ganz genau über-
nommen: endlich eine Stelle, an der nach meiner Meinung ganz ein-
wandfrei nachgewiesen werden kann, dass auch Polybius seine Quelle
wörtlich abschreibt. Andrerseits hat er. was er nicht verstand, fortge-
lassen z. B. die Bemerkung, die Strömung habe die Tiere hinübergeschafft,
hat er doch hier so scharf abgeschnitten, dass der letzte Gedanke — tö
.To/.i' — geradezu durchgerissen ist.
Livius weicht nun in mehreren Punkten von Polybius ab. Zunächst
gibt er für die Brücke ein Maß : etwa 16 m breit und 32 m lang. Poly-
bius sagt allgemein: ,sehr gross", rag ßsyiarag, das Naber'), wie wir
jetzt sagen dürfen, zu unrecht verworfen hat. Dass Livius die Zahl sich
ausgedacht haben soll, ist imdenkbar ; viel eher lässt sich annehmen, dass
Polybius an den Maßen Anstoss nahm, da sie für das Schleppverfahren
in der Tat bedenklich hoch sind: er ersetzte sie einfach durch ein allge-
meines ,sehr gross". Ferner hat Livius. wie schon erwähnt, eine tref-
fende Bemerkung über die Vorrichtung, mittels deren das Floss hinüber-
geht, während Polybius dafür nur wieder einen allgemeinen Vergleich zwi-
schen Brücke und Anlande anstellt. Es ist ja wohl zu erklären, dass der
Abschreiber ungenauer ist als seine Quelle, aber kaum, dass er genauer
ist als diese. Das rajwre, von dem Livius mit Vorliebe spricht, und das
doch durchaus in seine Darstellung nicht passen will, hat Polybius seiner
Anschauung gemäss in Tax£(og uTisajiaaav abgeschwächt : für die Quelle
zu wenig, für sich zuviel. Livius lässt die Fähre zurückkehren, und zwar
unterbricht diese Bemerkung die gemäss dem Polybius fortlaufende Er-
zählung; der vorsichtige Polybius hat gefunden, dass neue Flösse ver-
wendet wurden: ohne zu forschen, warum dies geschehen sei. übernimmt
1) Pölyhiana in Mnemosytie, 18-57. S. 120.
10
Wif li(d ll<(tniih(d die KIcfanfni Hhcr die Jt/iona f/csctzt'f' 353
er ('S. und zwar an anderer Stelle, als die Notiz des Livius über die Hikk-
kebr der Flösse stebt. Ueberbaupt gibt Livius unserer Interprotation
Fingerzeige, wo Polybius uns im Stiebe lässt.
Wir seben also, dass Livius gerade an den Stellen, an denen Poly-
bius eine Korrektur vornebnien zu müssen <,'laubt, um die Quelle mit seiner
Anscbauung zu vermitteln, dieser Quelle und somit der VVabrbeit wegen
der gutgläubigen Uebernabme weit näber stebt. Es ist demnacb ganz
ausgesc blossen, dass dieser Beriebt des Livius aus
Polybius geflossen ist. Nun besteben aber zwischen beiden par-
tienweise fast wörtliibe Uebereinstimmungen, von denen einige als Beispiel
gegeben seien.
Polybius Livius
TCQOTeivovreg eig töv nöfjQov . . . in (iiunem porre.rermit . . .
nQog TÖ (lij TiciQcoS-EJod-ai xaiü töv ne secundu aqua drfcrrdur . . .
Ttora^öv ....
fjyov ovo TtQo&e^iEvoi d'rjZsiag praegreäientihiis feniinis acfi . . .
öiay.6t}>avT£g Tovg öeafiovg olg resoinfis vincu/is quihus adnc.m erat
TTQoat'iQTqvxo TiQog rag äXXag
öiaraQax^iivra tu Cqia iirguentes intcr se trepidationis ali-
quuntuni edehant
nEtJisxofiEva navraxöd'EV iinb rov ; qiiietem ipse timor circimispectnntihus
^evftatog änEÖeiZia xal fiEvsiv t)vay- aquam fecisset.
y.d^ETO "tcarü x<^Q<^v.
Tivä öe äjiEQQixliEv avra sig töv e.rcidere efiaiii qiiiddin in /honen.
noTuuöi'.
Da wir nun vorbin gesehen haben, wie genau auch Polybius seiner
Quelle folgt, selbst wenn sie eigentlich nicht im Einklänge mit seiner
Auflassung stebt, da ferner Livius seinen Beriebt nicht aus Polybius
geschöpft haben kann, so bleibt, wenn man die ganze Uebereinstim-
mung beider Autoren, über den Bericht bin verteilt, erklären will, nur
der Scbluss übrig, dass Polybius sich genau so eng und fast
wörtlicban seine Quelle anzulehnen pflegt, wie Li-
vius es tut. Wir haben bier eine Stelle, an der diese Tatsache, die
soviel umstritten ist, endlicb einmal, wie ich meine, einwandfrei festge-
stellt werden kann, eben weil beide wiedergegeben haben, was sie eigent-
licb nicht recht verstanden, und das gilt vielleicht scbon für Coelius als
Quelle des Livius. Wir gewinnen aber auch gleichzeitig einen für beide
charakteristischen Maßstab dafür, wie sie sich gegen ihre Quellen verbalten:
Polybius vorsichtig, überlegend, alles mit seiner Ansicht möglichst in
Einklang setzend, lieber fortlassend, was er nicbt verstebt; Livius ober-
fläcblicb, ungenau, unbesorgt aus sich heraus Zusätze zur Darstellung
der Quelle machend.
Was uns eine Vergleichung der Uebereinstimmungen nie mit Sicher-
354 •/. Fhilipi), Wie hat Hannihal die EJefanien über die Rhone gesetzt?
heit lehren kann, hat uns hier ein verschiedener Grad der Fehlerhaftigkeit
und des aus Miss Verständnissen geflossenen Korrektur-Bedürfnisses gezeigt.
An sich ist ja garnicht so wunderbar, dass ein technischer Bericht
ohne beigelegte Zeichnung von Laien missverstanden wird und besonders,
wenn ähnliche Verfahi-en wie hier das Schleppen von Flössen sicherlich
eine ganz geläufige Vorstellung des Lesers ist. Aber gerade weil das
Schleppen der Flösse garnicht solche Seltenheit ist und sicherlich auch
damals nicht war, wäre ja ganz unauffindbar, warum ein Mann sich die
Zeit nimmt, in einem Geschichtsbuche mit solcher Ausführlichkeit darüber
zu handeln, wie Silenus es getan hat. üeber den Ebro-Üebergang bei-
spielsweise erfahren wir garnichts weiter als die Tatsache selber; der
Bau der Pobrücke nach der Schlacht am Ticinus wird gleichermaßen nur
erwähnt. Nrm erst verstehen vdv, dass das Unternehmen ein ganz ausser-
ordentliches und in diesem Kapitel der Kriegsgeschichte einzig dastehendes
ist, wohl wert, dass man seiner Ueberlieferung einen grösseren Raum zu-
gestand, und würdig, der Rhembrücke Caesars an die Seite gestellt zu
werden.
Berlin.
35.'
Untersuchungen zur Geschichte des Kaisers Marcus.
Von Auton v. Preiiiersteiii.
Vorbemerkung-.
Die nachstehenden Kapitel, welche durch die fortlaufende Beziehunir
auf Griechenland und den griechischen Osten zusammengehalten werden,
sollen eine Reihe von Studien über die Regierung des Kaisers Marcus
Aurelius Antoninus eröifnen, die ich in zwangloser Folge in dieser Zeit-
schrift zu veröffentlichen gedenke. Der trümmerhafte Charakter der üeber-
lieferung über diese so wichtige Epoche wird es rechtfertigen, wenn die
Einzelprüfung der Zeugnisse einen breiten Raum einnimmt.
I.
Zum Partherkrieg unter L. Verus.
1 . Der Legat S a t u r n i n u s.
Lukian nw£ öei lai. avyyq. 21 sagt von einem der Historiker des
Partherkrieges, die er verspottet: Tj^iojaev odxog xal tü övö/naia /.leia-
TtotTjoai rä 'Pwfiaicüv xal ftsrayQdil'ai ig %b 'EXh]viy.6v, 6)g Kqöviov
fiev 2a%ovQvivov leyeiv, 0q6i'iiv öe xbv (DqövKOva, Tizäviov de röv
Tntavbv y.al u?J.a noAloj ysP^iöre^a. Der hier genannte Satuminus,
offenbar ein höherer römischer Befehlshaber, wurde bisher vermutungs-
weise für identisch gehalten mit dem P. Furius Saturninus. Consul suf-
fectus im -J. 161'). Ich glaube eine andere, wahrscheinlichere Gleichung
vorschlagen zu können und gehe dabei von einer Ehreninschrift aus Troes-
mis (Moesia inferior) aus.
CIL III 775 (=6183; Dessau n. 1116): P. ViydUo Eaio Plario Sa-
ktrnino Atilio Braduano Auc'uVo TaialJo Icgftdo) Auy(iidi) ordo Troes-
men(sium) ex decrcto smo.
Der hier Geehrte, der wegen des Fehlens von pr(o) in-(((etore) im
Titel nicht Statthalter von Untermoesien, sondern Legionslegat gewesen
sein wird, ist schon in der Prosopographie -) mit Recht gleichgesetzt wor-
1) E. Napp, De rebus imp. M. Aurelio in Oriente gesiis (Boniiae 1879) 73 f., dem
J. Jung. Fasten der Fror. Dacien 1.5 zu n. 16; A. Stein, B. K III 1844 zustimmen:
vgl. auch Prosopoijr. 11 102 zu u. 407. — -2) III 4.93 f. n. 434.
1
356 Anton v. Prenierstein,
den dem Vigellius Saturninus procos. Africae im Juli 180 (also für das
J. 180/1). Das Konsulat dieses Mannes kaim unter Annahme des iib-
Hclien Intervalls frühestens 165/6 angesetzt werden: im Hinblick jedoch
darauf, dass in jenen Jahren der Pest und des Krieges von den Konsu-
laren viele vorzeitig starben ') und die Ueberlebenden rascher zur prokon-
sularischen Losung gelangten^), dürfen wir mit dem Suffektkonsulat etwa
bis ins J. 170. mit dem Legionskommando, auf welches vielleicht noch
ein anderes prätorisches Amt folgte, beiläufig in die Jahre 166 — 168 hin-
untergehen.
Ein Legionslegat, den die hier als Ordo bezeichnete Vertretung der
Canabae von Troesmis^) ehrt, kann wohl nur die Legio V Macedonica
befehligt haben, welche bis zum Ausmarsch in den Partherkrieg (J. 162)^)
dort ihr Hauptquartier hatte, und von der auch nach der Rückkehr aus
dem Osten, als sie nach Dacia Porolissensis verlegt wurde °). mindestens
starke Abteilangen in Troesmis sich aufhalten mussten. um das aufgege-
bene Lager abzubrechen und die Uebersiedlung zu bewerkstelligen. Beim
Ausmarsch nach dem Orient (J. 161/2) war P. Martins Verus Legat der
Legion und führte sie wahrscheinlich während des ganzen Krieges, bis zu
seinem Konsulat (März 166), in der letzten Zeit allerdings als selbstän-
diger Befehlshaber mit erweiterter Kompetenz {chix) (s. darüber unten Ab-
schnitt III). Nach dem oben angenommenen Zeitansatz (J. 165 — 168)
dürfte Vigellius Satuminus der unmittelbare Nachfolger des Martins Verus
gewesen sein; er wird die Legio V Macedonica iin J. 166 nach dem Westen
zurückgeführt und ihre Uebersiedlung aus Troesmis nach Dacien (Potaissa)
geleitet haben. Als Kommandanten der abziehenden, mit Troesmis bis-
her aufs engste verwachsenen Truppe wird ihn der dortige Ordo geehrt
haben *). Die Annahme, dass er schon vor der Uebernahme der Legions-
legation im Partherkriege tätig war und daher mit dem von Lukian ge-
1) Vita Marci 13.5: 22,7; Ammianus Marc. XXXI 5.14. Ueber die dadurch ver-
ursachten Lücken in den Priesterkollegien um J. 170: H. Dessau. J£ph. epifir. III p. 227;
R. Egger, Oesfcri: JnhresJiefte IX Beibl. 70 mit A. 14.
2) Q. Pompeius Senecio Sosius Priscus, cos. ord. 169, erhielt kurz vor seinem
Tode (180), also wohl Ende 179, durchs Los das Prokonsulat von Asia.
3) Municipium wurde die Lagerstadt erst unter Septimius Severus ; s. E. Korne-
mann. Klio VII (1907) 94,3; J. Jung, Oesterr. Jahreshefte XH (1909) Beibl. 143 f., 10.
4) Vgl. CIL III 6169: dazu E. Ritterling, lihem. Mus. LIX 193 f. ; meine Bem.
Wiener Eranos zur 50. Phil-Vers. (1909) 264.
5) Dazu Wiener Eranos S. 268. In den Anfängen des germanisch-sarmatischen
Krieges, im J. 168/9, wurde die Legion vielleicht zeitweilig wieder nach Moesia in-
ferior zurückgezogen : ebd. S. 269 Anm.
6) In entsprechender Weise hat Jung a. a. 0. Sp. 143 f. die Ehreninschrift CIL
III 776 = 6195 gedeutet, die einem Lagerpräfekten der Legio V Macedonica vom
ordo Troesmensium gesetzt ist. Bei diesem Denkmal ist allerdings genauere zeitliche
Bestimmung unmöglich, so dass es sehr wohl noch vor die Verlegung der Legion
fallen könnte.
UntersHcItioHicn zur Geschichte (Ics Kaisers Marcus. 357
nannten ^aTOV()i'troQ zu gleichen ist, ist nach dem Gesagten scliwer von
der Hand zu weisen.
2. K ;i m p f e am K a u k a s o s.
Eine Votivinschrift in Colonia Agrippinensium (Köln), CIL XIII 8213.
lautet : Matronis Aufanih(us) C. Iid(ius) Manstictus ni(iles) l{e(/ionis) I
M(inerviae) p(iae) f'(idelis) v(otum) s(oJvit) l(ihens) m(crito) ; fn[i]t ad AJu-
fiim fliimen secus moiit(em) Caiicasi.
Irrtümlich wollte man in dieser oft behandelten Inschrift den Fluss
Alutus oder Aluta (h. Alt) in Dacien erkennen und hielt demgemäss den
mons Cancasi für einen Teil der siebenbürgischen Karpaten, wohin die
Legio I Minervia in den Dakerkriegen Traians gekommen wäre '). Da-
gegen \erweist der Herau.sgeber im Corpus, A. v. Domaszewski, mit Hecht
auf Ptolemaeus in der Beschreibung des asiatischen Sarmatiens, yeogr. V
8,6 (12 p. 912,5 ed. C. Müller): 'Alövia nora^ov ixßoZai; der hier
genannte Fluss mündet nördlicli vom Kaukasos und von Albania ins Ka-
sjDische Meer ein -). Wegen der Widmung an nichtrömische Gottheiten ^).
der Namensform des Dedikanten, der seinen Vater nicht nennt, vor allem
aber wegen der Aveitgehenden Kürzungen und Ligaturen wird das Denk-
mal schwerlich vor Mitte des zweiten Jahrhunderts errichtet sein: keines-
falls ist es der traianischen Zeit zuzuweisen. Nim wissen wir. dass die
untergermanische Legio I Minervia seit dem ,1. 162 als Ganzes am Par-
therkriege unter Verus teilgenommen hat*). Die Kaiikasos-Gebiete ge-
hörten während des zweiten .JalirhunJerts in Friedenszeiten zum kappado-
kischen Militärsprengel ^). Man sieht sofort die Möglichkeit, dass eine Abtei-
lung der I Minervia damals über den Nordrand des Kaukasos kommen konnte.
Eine Expedition an die fälsciilich sogenannten Kaspischen Tore '). d. h.
die Kaukasos-Pässe oberhalb Tiflis hatte schon Nero in seinem letzten Jahr
1) So schon J. Dierauer, Beiträge zu einer krit. Gesch. Traians (Unters, zur röm.
Kaisergesch.. hrg. von Büdinger I) 100, 'i; M. Ihm, Bonner Jahrb. LXXXIU (1887) 145
n. 277 ; 0. Schilling. De leyimiibus Born. I Minervia et XXX Ulpia [Leipziger Studien
XY) 47; J. Jung. 3Iitt. des Instituts für österr. Geschichtsf. Erg.-Bd. IV S. 4, 5; der-
selbe, Fasten der Frm: Baden 154 f., 8: C. Cichorius, Die Beliefs der Traianssäule.
Text II 229; W. Tomaschek. B.E. I 1707; C. Patsch, ebd. III 1801.
2) Vgl. W. Tomaschek a. a. 0. I 1595. Man wäre versucht, auch bei Ptolemaeus
statt !4/.övTct, welches die besten Hss. bieten, IVoit« zu schreiben.
3) Ueber den Kult der Matronae Aufaniae durch Soldaten der Legio I Minervia
s. Schilling a. a. 0. S. 55 mit A. 5.
4) S. die Ehreninschrift des M. Claudius Fronto, CIL VI 1:377 (vgl. n. ;M(UO;
Dessau n. 1098) Z. 18 ff.: legiato) Aug(ustorum) legioni primae Minerviae in exspedi-
iionem PaHhicam deducendae ; dazu 0. Schilling a. a. 0. S. 61 ff. ; E. Ritterling, Ehein.
3Ius. LIX 191; 195; B. Filow, Klio Beiheft VI 75,6; 85,3. Mit Unrecht bezweifeln
dies J. Klein. Bonner Jahrb. LXXIII (1882) 68; A. Stein, B. E. III 1845.
5) M. Rostowzew, KUo II 86 (vgl. S. 82 f.); C. Patsch, ebd. IV Tu ff.
6) Plin. .Y. H. VI 30 und 40.
358 Antoll r. Freiiiersteiii,
lieplaiit; sie sollte sich in erster Reihe gegen die Armenien und Meilien beun-
ruhigenden Alanen richten '). Den gleichen Zweck wird der Aufenthalt
eines römischen Detachements in dem nämlichen Gebiete zur Zeit des Parther-
kriegs unter Verus gehabt haben, den wir aus der Kölner Inschrift er-
schliessen dürfen. Die häufigen Unruhen der Alanen, deren Hauptmasse
damals die Steppenregion nördlich vom Kaspischen Meere und vom Ivau-
kasos bis zum Tanais innehatte ^). sowohl unter Antoninus Pius') wie
unter Kaiser Marcus, als dessen Gegner sie im germanisch-sarmatischen
Kriege genannt werden (Vita 3Inrci 22, 1) *) mögen ihrerseits durch west-
liche Voi'stösse der Hunnen ^) hervorgerufen sein, welche spätestens seit
dem Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr. soweit nach Westen — bis
in die Gegend zwischen Kaspi- und Aralsee — vorgerückt waren, dass
sie Nachbarn, vielleicht auch Beherrscher der östlichen Alanen wurden
und gi'össere Schwärme bis in das europäische Sarmatien entsendeten °).
•Ja wenn man die allerdings in einem Nest von Missverständnissen steckende
Notiz eines wenig verlässlichen späten Gewährsmanns verwerten dürfte,
so hätte Kaiser Vems — offenbar im Verlauf des Partherkrieges — als
erster römischer Feldherr sogar mit einem Teile der Hunnen selbst zu
schaffen gehabt, Malalas chronogr. XI p. 282 ed. Bonn. : noZefirjoag xaicc
ivög i'&vovg Ovvvcov xal viy.fjaac, aiiTOvg noMä äMa ed-vf] öixcc noZsfiov
vuexa^Ev. So schlecht bezeugt diese Tatsache auch ist, so wird man sie
nach dem eben Durgelegten als immerhin möglich bezeichnen dürfen.
3. Das lakedaimonische Bundeskontingeiit.
1. Grabmal mit Relief, gef. in Sparta, jetzt im Athener National-
Museum : Dessau n. 8878: abgebildet und ausführlich besprochen von
P. AYolters. Athvn. Mitt. XXVIII (1903) 291 ff. (danach wiederholt von
Tli. Reinach, Corolla luiniisiiiutica in htmor of B. V. Head 271 und in
nebenstehender Abbildung) ') ; vgl. auch P. Kastriotis, r?.vmu tov 'Ed-iu-
1) Tacitus hist. I 6; Sueton i\'e)o 19; Cassius Dio LXIII 8. Dazu Mommsen, Rom.
Gesch. V 393 f., bes. S. 394, 1 ; F. Beuchel, De leg. Som. I Italica (Diss. Leipzig 1903)
11; 14; 23; Filow a. a. 0. S. 11; E. Täubler, Kür, IX (1909) 17 f.
2) W. Tomaschek, B. E. 1 1282.
3) Vita Pii 5,5: Alanos moUentis saepe refrenaint. Die Zeit dieser Unterneh-
mungen lässt sich nicht genauer bestimmen. S. P. v. Rohden, B. E. n 2507.
4) Vgl. über diese Kämpfe mit den Alanen Täubler a. a. 0. S. 26 mit A. 1 f.
5) Die Nachrichten über deren erstes Auftreten stellt Ludwig Schmidt, Gesch.
der deutsche» Stämme I 2 (Quellen und Forschuntjen zur alten Gesch. u. Geogr., hrg.
von Sieglin X) 103 tf. zusammen; s. auch Tomaschek a. a. 0.
6) Einen Stamm der A'oivoi fitya täto: führt Ptolemaeus ((jeoijr. III 5. 10: vgl.
auch Markianos peripl. II 39) in Sarmatia zwischen Bastarnen und Roxolanen an der
Beuge des Borysthenes auf. Zweifel daran äussert Tomaschek a. a. 0.
7) Der Direktion des Kais. Deutschen archäologischen Instituts in Athen fühle
ich mich für die Erlaubnis zur Benützung des Original-Zinkstocks zu besonderem
Danke verpflichtet.
UntersHchiDifien ^tir Geschichte des Kaisers Marcus.
359
xov Movashv I (Athen 1908) p. 223 f. n. 1290; V. StaTs, Gniik illusfre
du Mnsee national (Athen 1907) p. 169 f.
Mäqy.oc, AvQi'jPuog "AP^s^vg Ohovog ar()(CT8vac'cfi£i'og y.arü Hfciawr,
FTij ßitbaag Ä'.
Rechts von der Inschrift Relief: Krieger mit Pilos, Chiton, um die
Schultern gelegtem Mantel und Halbstiefeln bekleidet, mit Schienenpanzer,
nahezu ovalem Schild, Schwert in der Linken, gesenkter Keule in der
Rechten ausgerüstet.
2. Liste von Magistraten und Dienern (wohl der Gerusie) in Sparta.
GIG 1253, darin: Z. 9 (als yQauaccTEvg ßoeZi]g) 'lovhog Nty.di'öoov:
(unter den a:ioi'öocföi)Oi): Z. 12 —co'Cc'cg, Z. 13 'lovÄiog <l>iÄ[o]y.Qacida[g}-,
(unter den tvaiioi): Z. 14 Ilo]uni)rtog "AZy.aarog. 'Iov{Aiog) 0i/.[o~\y.QaTl6ag
(15) ['l7i]:i:odd{iov (pil6ao(fog, (16) NEiyoy.P.i]g dr^fioaiog, (17) Neiy.oy.Ziig
VEog, örjftöaiog, iai[Qa]TE[v]fiei'og ölg xarü 77f()a[ä)J»'.
3. Grabschrift in Sparta, CIG 1495.
Aioay.ÖQCi xcclqe. "Ert] ßio'jaag s'i'xoai y.ccl i':, dnE/.d'öiv öe sig xr^v ev-
Tir/^eoTÜTT]!' avrfiayjav ri^v y.axa 77f[^]act>i' y.al inavE\Q\y6^i£vog iv 'leQO-
nöh e%e?^evii]aEV.
4. Grabschrift in Sparta, Le Bas-Foucart n. 183b: M. N. Tod und
A. J. B. Wace, A catalogue of the Spaiia Museniii (Oxford 1906) p. 48
n. 245.
ArTinaTfj[og drifiöaiog ä\yo)yog unö S{£)lQani'o}i'? ], oiquiev-
ad{fi)[^EVog y.arü IIeqo<jJi>J.
Nach Tod (a. a. 0. p. 26) würde der Schriftcharakter auf den Par-
therkrieg unter M. Aurelius hinweisen. Die auch von ihm angenommene
Ergänzung Foucarts /ir<TTci]ycoyög dirö @{e)[Qanv(ör ist kaum haltbar.
360 Anton v. Fremerstein,
Vielmehr wird es sich hier um einen dlytoyög liandeln, d. h. einen Ge-
meindediener , dessen Beruf es war. Reisende bewaffnet zu begleiten ').
Die Vermutung Foucarts'). dass 'AvjinaTQog der Vater der Priestei-in
K?Mv{6ia) 'AyrjTa AvnnüiQOv {CTG 1476 = Collitz-Bechtel n. 4519) sein
könnte, kommt damit in Wegfall.
Vo)i vornherein wird man geneigt sein, alle diese Denkmäler derselben
Zeit zuzuweisen. Selbstverständlich sind die darin erwähnten Perserzüge
nicht erst nach dem Sturz der parthischen Arsakiden anzusetzen, seit wel-
chem man strenge genommen erst wieder von einem persischen Reieb
sprechen konnte ; vielmehr wurden mit dem so stolze national-hellenische
Erinnerungen weckenden Namen IleQaai schon die Parther belegt •'').
Im Gegensatz zu Böckh, Foucart und G. F. Hertzberg*) hat zuerst
Mommsen *) angenommen und neuerdings P. "Wolters, in der oben (bei
n. 1) angeführten sorgfältigen und scharfsinnigen Abhandlung nachzu-
weisen gesucht®), dass die ausgeschriebenen Zeugnisse sich sämtlich auf
eine Aushebung in Spai'ta unter Caracalla beziehen, der zum Zwecke seines
Partherkrieges, altberühmte Vorbilder nachäS'end. neben einer makedoni-
schen Phalanx auch einen lakonischen und einen pitanatischen Lochos
schuf; Herodian IV 8,3: änö re 2jiÜQii]g iieTUTiefitHifuroc, veaviag Aa-
y.ü)vty.bv y.ctl niTarÜTt]v Aöxov iy.dP-ei, und an anderer Stelle, IV 9, 4 : <pä-
Xayya . . . Maxeöoriy.ijv y.a'i 2naQTiuTiv').
Diese Annahme begegnet jedoch nicht unerheblichen Schwierigkeiten.
1) Vgl. Basilicu 56, 10: tCov '/.fyofih'iov nymyiy.ün' ijxoi Tia^ciTzo/Anixüii: woraut dann
noch rCov öiiuyuaixCov Erwähnung geschieht.
2) Neuerdings angenommen von A. M. Woodward, Ann. Brit. School XV (1908/9) 100.
3) So nennt Polyainos stratcfi. I praef. § 1 ; VI praef. den Partherkrieg des Marcus
und Verus einen Kampf xarä Jlfiiaütv y.m IJa^9val(uv (Wolters a. a. 0. S. 294); auch
Eutropius ¥111 12,2; Aur. Victor de Caes. 16; Sex. Rufus hrev. 20 sprechen bei dem
gleichen Anlasse von 'Persern'. Vita Marci 26, 1 (zum J. 17.5/6) : cunctis regibiis et
legatis Persarum. Eine Inschrift aus Bithynien (Dessau n. 8879 ; Inscr. Gr. ad res
Born, pei-t. III n. 1412; Bidl de corr. hell XXV 1901 p. 59 n. 20.5) erwähnt einen
nvvu)vaQ)^t'iact[Q] Uytä>ai a xtCi ß' SiööoiQ [^7J(] Ili^oug, was A. v. Domaszewski, Böni.
Mitt. XX (1905) 158 f., 1 auf den Orientzug Caracallas bezieht. Im allgemeinen han-
delt über diese Gleichsetzung der Parther und Perser V. Gardthausen, Orieiital. Stu-
dien Th. Noeldeke zum 70. Gehurtstaij gewidmet II (1906) 855 f. ; vgl. auch V. Chapot,
La frontiere de VEuphrate (Bill, des ecoles frang. IC 1907) 82, 1.
4) Gesch. Griechenlands unter den Biimern II 370. Neuerdings entscheidet sich
auch A. M. Woodward a. a. 0. p. 99 ff. auf Grund des prosopographischen Materials
bei n. 2 und 4 für den Partherkrieg des Verus.
.5) Bimi. Gesch. V 247, 1.
6) Ihm stimmen bei H. Dessau zu n. 8878; V. Chapot a. a. 0. p. 95. l'nent-
schieden lässt die Frage Tod a. a. O. p. 26; 49.
7) Zum J7trni-«T7/c Uy^oq vgl. jetzt auch Ann. XIII. 213 n. 1: üiTavcaCav oi viixu-
aavteq zag wßaq. Auf Angehörige der lakedaimonischen Lochoi Caracallas könnte
sich, wie der Herausgeber H. Gregoire gesehen hat, eine metrische Inschrift aus
Kaisareia in Kappadokien beziehen, Biül. de corr. hell. XXXIIl (1909) p. 63 n. 44.
VntersiichiDKjcii ^iir GescJiicIitc des Kaisers ilatriis. 361
Vor allem muss Wolters (a. a. 0. S. 294 ff.) die bereits von Boeekh vor-
geschlagene sehr glaubhafte Gleichsetzung ablehnen, wonach der in n. 2
genannte ITo]fi7röviog "A2.y.aaTog mit einem in mehreren anderen lakedai-
monisehen Inschriften erwähnten Würdenträger aus der Zeit des Pins
namens G. Pomponios Alkastos identisch ist, und erklärt ersteren für einen
gleichnamigen jüngeren Verwandten, etwa den Enkel des zweiten. Eine
genauere Untersuchung der Zeit von n. 2 {CIG 1253) spricht vielmehr
sehr zugunsten der Identität.
Für die Datierung dieser Liste kommt zunächst in Betracht der Um-
stand, dass die Beamten, wie schon Wolters (a. a. 0. S. 294) bemerkt
hat, nur zum Teil römische Familiennamen führen, was für die Zeit vor
Caracallas Constitutio Antoniniana (.J. 212) sprechen würde, „wenn diese",
wie Wolters einschränkend beifügt, .für eine civitas foedcrata, wie Sparta,
dieselbe Wirkung gehabt haben könnte oder müsste, wie für das eigent-
liche Imperium '". Letzteres anzuzweifeln liegt, soviel ich sehe, kein Grund
vor ').
Weitere zeitliche Anhaltspunkte geben die oben (S. 359 n. 2) ausge-
schriebenen Namen-). Nach den Inschriften scheint es im 2. Jahrhundert
in Sparta zwei Personen namens G. Pomponios Alkastos, wahr-
scheinlich Gi'ossvater und Enkel, gegeben zu haben. Ueber sie und ihre
Verwandtschaft haben P. Foucart zu Le Bas n. 174 (mit Stammbaum) und
neuerdings A. M. Woodward') gehandelt. Von ihren Ansätzen weicht
nachstehender Versuch einer Genealogie wesentlich ab :
(1) "A/.y.aaTo: Tiiioy.Qhov ^ F. TIou.TÖjviog "A/.y.aaTog (1)
(2) r. nouTttovio- W-'iz (3) r. Iloumoi'iog 'AoiOTiac
I-
(4) r. noHrcibnoz A/.y.uGTOz (11 1
Zu 1) Als "AP.y.uoxo: Tiuoxqi'tov ist er yeQcov tö ß' unter Hadrian.
Le Bas-Foucart n. 173 a. Z. 17 (= Tod-Wace a. a. 0. p. 38 f. n. 210);
jedenfalls identisch mit jenem 'AP.y.aarog , der nach Hadrians zweitem
Aufenthalt in Sparta (.J. 128 9)''). etwa um J. 135 eponvmer Patronom
war: CIG 1241 (Tod-Wace a. a. 0. p. 34 f. n. 204) Z. 15 im A/.y.ämov.
Nach Erlangung des römischen Bürgerrechtes erscheint er unter dem
Namen F. Uounöjviog 'Aß.y.aaTog (fi/.öy.aiGUQ y.cd (piP.öjxaiQig, vlbg 7iö?.£0}g
in drei Inschriften: a) Ann. XII (1905 '6) p. 463 n. 17 {Herne arch.W s.. XI
[1908 I] p. 317 n. 2) Z. 5 ff. als Gesandter seiner Vaterstadt Etg ITuwoviar
. . . TtQog Aovy.iov KuiauQci (L. Aelius Caesar. J. 137) : h) CIG 1247 Z. 8 ff.
1) Mommseii, Staatsrecht III 699 f., besonders S. 700, 2 : P. il. Meyer, Criessener
Papyri I 2 S. 30.
2) Vgl. zum Folgenden die prosopographische Erörterung von Woodward a. a. 0.
3) Ann. Brit. School XIII (1906/7) 201 ff.
4) Vgl. W. Weber, Unters, zur Gesch. Hadrians 188 f.; 211.
Klio, Beiträge zur alten Geschichte XI S. 24
362 Aiito); r. Firiiicrsfciii,
als Vorsitzender der vofiofvZay.fg im J. 137/8'); c) CIG 1242 Z. 2 ff. als
Ephoros und zugleich Inhaber der Ehre der äQiaiono/uTeia, welche in den
vorstehenden Inschriften noch nicht aufgeführt wird, etwa in den ersten
Regierungsjahren des Antoninus Pius (138 ff.) -). In h (J. 137/8) wird
Pomponios Alkastos als aQyje^QEvc, diu /3/ov?] bezeichnet, in c als dgxie-
Qevg dta ßiov TWf ^eß^OTÜv: dabei muss der Plural tw»' Seßaaicii' keines-
wegs, wie Wolters will, auf die Zeit einer Samtherrschaft (Marcus mit
Verus oder Commodus) hinweisen.
Zu 2) CIG 1239: 1240: 1249 (Pah-ononi): 1351.
Zu 3) Le Bas n. 174. frühestens aus der Zeit des Antoninus.
Zu 4) Ein r. üoiiTtüvioc "A/.y.aaTog erscheint als Enkel eines Al-
kastos und Xeffe des G. Pomponios Agis in CIG 1351. Wahrscheinlich
auf ihn. nicht auf den Alkastos n. 1 bezieht sich wegen der späten Schrift
Aun. XII p. 372 n. 32 eyii 'AZxäaTcj^); aiich er war also eponymer Pa-
tronom. Sein Vater war wohl entweder der unter 3 Genannte oder ein
anderer, unbekannter Sohn von 1.
Mit welchem der beiden G. Pomponios Alkastos ist nun der in CIG
1253 (oben S. 359 n. 2) zugleich mit dem Perserkrieger Neikokles ge-
nannte identisch? Wer mit Wolters die Symmachie der Lakedaimonier
geo'en die Perser in die Zeit Caracallas setzt, wird sich natürlich für den
jüngeren Alkastos (Stammbaum n. 4) entscheiden. Andererseits muss zu-
o-e^eben werden, dass für den älteren Namensgenossen (ebd. n. 1 1. den
CIG 1242 (oben zu 1. c) als ei/.t](pa)g Tccg Tr,g äQiaxoTio/.tTeiag Teiiiäg
y.UTU TÖv vöfiov bezeichnet, die in n. 1253 ihm zustehende Ehre der öffent-
lichen Speisung ganz besonders passend wäre. Dann würde n. 1253 das
•jüngste unter den bisher bekannten Zeugnissen für den älteren Alkastos,
die darin erwähnten Perserkämpfe jene unter Marcus und Verus (J. 162
bis 166: dann etwa 172: s. Abschnitt III) sein. Dass die in CIG 1247. 1242
(oben zu 1. h und r) angeführte lebenslängliche Priesterwürde in n. 1253
fehlt, obwohl letztere Inschrift dann später wäre, ist bei der knappen
Fassung dieser Liste, in der Alkastos ja nicht als Magisti-at, sondern ledig-
lich als evatrog erscheint, schwerlich mit Wolters (S. 295) als ernstliches
Hindernis der Gleichung zu betrachten. Xun haben aber CIG 1242 (zu 1, c),
1) In Z. 1 der oben gebrochenen Beamtenliste stellt , offenbar als eponymer
Patronom, lio? rxvzoxorhogoc 'AäQi[avnf, wobei der Nominativ zu beachten ist.
Wolters' (S. 29-5 mit A. 1) Ergänzung '.•Jrfi>i[«vof ' Airwif ivov. wobei er an einen der
späteren Kaiser Marcus oder Yerus denkt, wird durch den mangelnden Raum aus-
geschlossen. Gemeint ist vielmehr ein Adoptivsohn Hadrians selbst, also entweder
L. Aelius Caesar oder Antoninus (Pius). Die Inschrift h ist somit nach der Adoption
des L. Aelius und vor Hadrians Tod, d. h. zwischen Ende 1:^6 und 10. Juli 1-38 ge-
schrieben.
2) Die in Z. 19 ff. detailliert angeführte Aemterlaufbahn des Sosikrates umfasst
ungefähr die Zeit von 121 bis bald nach 136 ; vgl. Wolters a. a. 0. S. 294 f., 1 ; W.
Weber a. a. 0. S. 188, 671: Woodward, An». XIII 207; 208.
3) So Woodward, Ann. XIII 20S. 1.
UiifersKcJiiDillcn zur GcschiiMe des Kaisers Marcus. 363
wo der illtcre Alkastos <resichevt ist. und n. I"2ö3 iiocli einen zweiten
Namen gemeinsam: in erstever (Z. 29) begegnet unter den i'vanoi ein
[^^]oj[ty2c Mo/ojrog. in letzterer (Z. 12). unter den anovdofpÖQOi wieder
ein -Tw^cis, welche schon wegen der Seltenheit des Namens identisch sein
müssen. Ferner weist A. M. Woodward i) daraufhin, dass auch der [G.]
lulios Philokratidas in C1(t 1253 Z. 13 wahrscheinlich der Eponymos von
C'/(t 1248 Kol. II ist, welche Inschrift nach seinem Urteil sicher nicht
viel später ist als die Mitte des 2. .Jahrhunderts. Endlich finden wir in
einer Liste von vofioq:vZay.eg aus den späteren Kegierungsjahren des Pius
(Le Bas-Foucart n. IfiS g: Tod-Wace a. a. 0. p. 62 u. 411) in Z. 13 einen
['IovA(ioq) Niy.]avÖQog Xciy.oy.Qd[[Ovg ß]oayög: damit würde es gut stim-
men, wenn n. 1253, wo in Z. 9 ein 'loi'hog Niy.dvÖQOv, oifenbar sein
Sohn, in der Anfangsstellung eines 7pa,H/iaT£t'c ßoidr^g auftritt, in clie
Zeit des Marcus, etwa um 170. gehörte. Nach alledem ist es kaum mehr
zweifelhaft, dass der in CIG 1253 genannte Pomponios Alkastos mit dem
schon unter Hadrian in hohen Gemeindeämtern tätigen älteren Träger
dieses Namens identisch ist. imd dass wir — im Gegensatz zu Wolters
— mit der Datierung hier nicht über die Zeit des Marcus heruntergehen
dürfen.
Eine weitei'e chronologische Schwierigkeit ist darin gelegen, dass
Wolters (S. 296) bei dem iaT[Qa]Ts[v^iievog ölg y.aiä ÜEQaüv. was doch
nach seinen eigenen AVorten ,zwei rasch aufeinander folgende Parther-
kriege" voraussetzt, an die parthischen Feldzüge des Septimius Severus
(194—196; dann 197—199) und des Caracalla (214—217) denken muss,
die zeitlich mindestens fünfzehn .Jahre auseinanderliegen '-). Wer an dem
severischen Zuge teilnahm, gehörte zi;r Zeit Caracallas wohl kaum mehr
zu den vsaviai, welche nach Herodian in dem lakonischen und pitanati-
schen Lochos Aufnahme fanden, und zu den vioi, welchen CIG 1253 den
Neikokles zuzählt. In CIG 1495 (S. 359 n. 3) erregen die Worte ei-
T i'ye a TUT r^p fTi'j'Ha;^/ßj' Bedenken, wenigstens wenn dies auf den Schluss-
erfolg des parthisehen Krieges der .Jahre 214 — 218 gehen soll, der bekannt-
lich mit der Ermordung Caracallas und einem von Macrinus nach schwei-en
Niederlagen schimpflich ei-kauften Frieden endete.
So wenig wie die chronologischen, wollen auch die sachlichen Indi-
zien zu Wolters' Annahme stimmen. Dass Unfreie, noch dazu Staats-
s k 1 a V e n , die für den Sicherheitsdienst in der Heimat schwer entbehr-
lich waren, wie der öi]fi6aiog Neikokles oder, wenn die Ergänzung richtig
ist, der dyor/ög Antipatros. in jenen Lochoi Caracallas. die, ohne dringende
Not lediglich durch kaiserliche Laune ins Leben gerufen, schon durch ihre
pomphafte Benennung stolze Erinnerungen an Spartas alte Grösse erwecken
1) Ann. Brit. Schooh XV 100.
2) V. Chapot a. a. 0. p. 95, 4 möchte lieber an die Züge des Caracalla und des
Severus Alexander denken.
24*
9
364 Antan r. Premersfein,
sollten, Aufnabme fanden, ist wunderlich genug, mag aber immer noch
hingehen. Grössere Bedenken erregt, wie Wolters selbst zu erkennen
scheint, die Bewaffnung des M. Aurelios Alexys auf seinem Relief
(n. 1), so die auf die Brust beschränkte Panzerung und namentlich die
höchst absonderliche Keule, durch welche er als Leichtbewaffneter charak-
terisiert wird. Die Jünglinge des Aay.ojviy.ög y.ai niTavÜTi]g ^m'/oq waren
zweifelsohne schwergerüstete Hopliten, welche gleich der zur selben Zeit
aufgestellten makedonischen Truppe, die nach Dios Schilderung (LXXYII
7, 1 f.) in der Weise der Phalangiten Alexanders des Grossen ausgerüstet
war, in der Phalanx kämpften und in ihrer Bewaffnung das altlakonische
Vorbild getreu kopierten. Wolters ist sicher im Unrecht, wenn er Hero-
dians Ausdruck Ton der „spartanischen Phalanx'' (IV 9.4; oben S. 360)
als „offenbar ungenau" bezeichnet (S. 297. 1)').
Alle hier auseinandergesetzten Schwierigkeiten schwinden, wenn wir
die Erwähnungen der lakedaimonischen aTQUievaduevoi y.arä IliQawv.
vor allem in Dessaus n. 8878 (n. 1) und CIG 1253 (n. 2). auf den Partherkrieg
imter Marcus und Verus (161 — 166) und — zumal im Falle des f(7r[^a]-
Te[v\fiEvog die, — auf jenes wenig bekannte zweite Parthkiun bclhoii, wel-
ches nach Vifa Marci 22. 1 im J. 172 drohte (u. Abschn. III), beziehen.
Auch die öiojyiÜTai der Ideinasiatischen Städte wurden, wie wir sehen
werden, zweimal — zum Partherkrieg des Verus und zwischen 169/172 —
aufgeboten. In dem jungen Dioskoras, der auf der Heimkehr zu Hiera-
polis — zweifellos dem syrischen — starb (CIG 14:9b; oben S. 359 n. 3),
könnte man ein Opfer der furchtbaren Seuche erkennen, welche das zu-
rückkehrende Heer des Verus westwärts verschleppte -). Dazu stimmt,
dass das eim'xeorÜTi] in der nämlichen Inschrift auf einen durch nam-
haftere Siege ausgezeichneten Feldzug. also wohl auf jenen des Verus
(J. 161 ff.) schliessen lässt, während es bei dem zweiten Anlass, im J. 172.
wohl kaum zum Zuschlagen gekommen ist.
Die Konskription in der sonst von Truppenstelluug befreiten riiifas
foederafa Sparta, welche unter Caracalla einer archaisierenden Laune des
Herrschers entsprang, erfolgte unter Marcus im Drange der herrschenden
Truppennot. In ihrer Verlegenheit nützte die Regierung wohl gerne die
nationale Begeisterung aus, die sich bei den griechischen Bundesgenossen
1) Wolters' Behauptung (S. 298). .Hopliten würden . . . neben den Legionaren
schwerlich haben Verwendung finden können", wird schon durch Dios oben auge-
führte Beschreibung der Alexander-Phalanx Caracallas widerlegt. I'ebrigens kam
die Taktik der Phalanx seit Hadrian — theoretisch namentlich durch die Militär-
schriftstellerei des Flavius Arrianus — zu neuen Ehren und wurde im Orient selbst
bei den Legionen ^vieder praktisch angewendet. Tgl. Marquardt - v. Domaszewski,
Staatsverw. IV- 594 ff., bes. S. 596 f.
2) Tgl. bes. Dio LXXI 2,4 (zum J. 165): [Käoaiog) iv yi ßl,y r;/ vrioaTQoifi'i 7i/.ei-
<jTOig TÜJi' aTQcaiwzCov iviö hpiov acd voaov AnsßaÄei: rmiVÖaTifii d uiau^ f.- riiv _i-
()iav /Lierä xüiv i.oinäir axQttntuzOir; Vita Marn 8, 1.
10
Uiitcrsuchii)i(/cii si(r Geschichte des Kaisers Marcus. 365
für den Kannit' y.uiü Ihoaojv kuiuljrab '), zumal in Sparta, wo die Teil-
nahme daran in der Folge, wie die Denkmäler zeigen, als besonderer
Ruhmestitel geschätzt wurde und dem Staatssklaven Xeikokles sogar die
Ehre öffentlicher Speisung einbrachte. Dass schon zur Zeit des Parther-
krieges des Verus Aushebungen in Griechenland mindestens geplant, wohl
auch tatsächlich durchgeführt wurden, dafür spriclit Polyainos stratecj. I
pi-aef. J; 2, der den Kaisern anlässlich des üegatbi' y.cci TJao^vatcov jiöZe-
fiog (oben S. 360 A. 3) sein Buch widmet, gewissermassen als Ersatz
dafür, dass er nicht mehr selbst Kriegsdienste leisten kann : ei füv ijy.fiatE
fioi TÖ aüfia, xal arQaTiöjTtjQ jTQÖ&vfiog up iyevöfirjV May.eöovixi] ^(bftt]
XQMftsvog. Die damals nach CIG 1495 (n. 8) eig xijv eirvx£(JTdTr/v avv-
uayiuv berufenen Spai-tiaten bilden also ein Seitenstück zu dem avfiuaxog
öiioyfteirrjg. den ein städtischer Würdenträger des phrygischen Aizanoi
um das J. 165 dem Verus zur Verfügung stellte (Dittenberger. Or. f/r. II
n. 511 : u. Abschn. III). Noch gi-össer aber war der Mangel an Wehr-
fähigen seit dem J. 169, zur Zeit also, wo neben dem Bellum Germanicum
und zahlreichen anderen Verwicklungen in verschiedenen Teilen des Reiches
noch die Gefahr eines neuen Partherkriegs entstand. Nach Vita Marci
21. 6 — 8, einer Stelle, die dem vorzüglichen sachlich-historischen Bestand
angehört, verschmähte man damals neben Gladiatoren und Freibeutern
weder Sklaven noch Polizeidiener, wie es die speziell in Asien stehenden
Diogmiten waren: (6) servos, queniudmodum hello Pnnico factum ftterat-),
ad militiani paravit, quos voluntarios exemplo voloniim appeUavit ... (8)
armavit et dioemitas. Unter solchen Verhältnissen hat die jedenfalls von
der spartanischen Gemeinde verfügte Einstellung von Leuten, die — wie
der örifiöatog Neikokles oder der äycoyög Antipatros — zugleich Staats-
sklaven und Polizisten waren, weiter nichts befremdliches. Zu ihnen werden
sich noch andere Elemente gesellt haben : die Zahl der so an den Par-
therkämpfen beteiligten Spartaner wird, wie auch Wolters (S. 297) richtig
bemerkt, nach den erhaltenen Spuren nicht allzu gering anzuschlagen sein.
Die Stellung der aus der civitas foederata Konskribierten im Heere
war, wie CIG 1495 (n. 3) ausdrücklich bezeugt, die von Bttndnern (avfi-
fiaxoi, bei Hygin symmacharii) ^), die als irreguläre Leichtbewaffnete,
1) Der Parthersieg des Verus gab den athenischen Epheben Veranlassung, die Feier
des Tages von Plataiai zu erneuern, F. W. Ungar. Iwan v. Müllers Uandh. I- 761 f.
2) Aehnlich unter Augustus im J. 6 n. Chr.: V. Gardthausen, AugustuxW 776 f.,
2-5; unter Hadrian, Vita H. 18. 7. Vgl. im allg. Marquardt-v. Domaszewski. Staatsrenc.
n ä 433 mit A. 4—6.
3) Auch die Angehörigen der in Roms Klientel stehenden Stämme sowie der
unabhängigen Barbareureiehe dienen als aifiiacr/oi (seit dem 4. Jahrh. auch lateinisch
bezeugt : foederati) ; vgl. Mommsen, Hermes XXII 547 ff. (= Ges. Sehr. VI S. 145 (f.),
bes. S. 550, 4 (= S. 148. 3); XXIV 217 mit A. 3 (= Ges. Sehr. VI 226 m. A. 5); meine
Bern. Klio Beiheft VIII 63. 1. Zur Stellung der aiuttct/oi in der Marsch- und Lager-
ordnung s. V. Domaszewski in der Aitsr/abe des Hygiiuts 57 f. : Marcus-Sdule 110,2.
11
366 Ä. r. Premerstein, UntersKchiau/eii sur GescJiicIde des Kniscis JLimts.
deren einen das Belief des M. Aurelios Alexys (n. 1) zeigt, formiert und
verwendet wurden. Im Drange der Verhältnisse standen weder Zeit noch
Mittel zugebote. sie so sorgfältig auszurüsten und einzuexei-zieren, wie dies
Dio (LXXVII 7. 1 f. : 18, 1) von der makedonischen Phalanx des Cara-
calla berichtet. So wird es denn auch begreifiich. wenn Alexys auf seinem
Relief eine so eigentümliche Waffe führt, wie die Keule, welche nach
den von ^^'olters (S. 298 f.) zusammengestellten Zeugnissen auf griechi-
schem Boden in historischer Zeit sonst kaum jemals^) — jedenfalls aber nicht
bei den Spartiaten — zur ordentlichen Kriegsausrüstung gehörte und auch
im römischen Heeresverbande in aller Regel nur barbarischen Hilfstruppen
letzten Ranges zukam'-). Die Keule {y.oQvvij) war eben die Spezialwaife
der Polizisten, gleichviel ob diese Staatssklaven {örifiöaioi}^) waren, wie
jener Neikokles. oder Freigeborene, wie etwa M. Aurelios Alexys. der einen
Theon als Vater nennt: insbesondere waren auch die öicoytuTat in den
asiatischen Landschaften höchst wahrscheinlich damit ausgerüstet^). Bei
ihrer Einreihung als avfifiayoi war es nur praktisch, ihnen die schon im
Frieden vertraute Waffe zu belassen.
Athen.
1) lu der Form wesentlich verscliieden sind die von Eeinaeh a. a. 0. p. 271 beran-
crezocenen Knüttel, welclie auf thessalischen Münzbildern erscbeineu.
2) Wolters S. 299 mit A. -5: E. Saglio, Dict. des ant. I 1237 f. (Traianssäule). Nach
Zosimos I 53, 2 f. (angeführt von Chapot a. a. 0. p. 95. 3) hatten im Kampfe Aure-
lians o-ewen Palmp-a die Truppen aus Palästina ausser den anderen Waffen xoQiiui
xal Qoniü.K.
3) Ueber ihre polizeilichen Funktionen Thalheim. S.E. V 161 f.: W. Liebenam.
Städfeeerw. 296, 2; I. Levy, Beviie des et. gr. XII (1899) 287, 3; G. Cardinali, Eendi-
conti delV Acc. dei Lincei, sc. mor., serie V, XVII (1908) 1-57 ; 164. In Aegypten heissen
Stjfiöatoi die Dorfvorsteher und ihr Polizeipersoual : Mommsen, Strafrecht 307, 1 ; J. G.
Milne, A histonj of Eyypt tnider Eomaii rule (1898) 212; N. Hohlwein, Miisee helge
VI (1902) 161; 162 f.. 3; 166,4; IX (1905) 189 ff. ; 394; gegen diesen U. Wilcken,
Archiv für Papyrusf. IT 223 u. 87 und (nunmehr zustimmend) ebda. V 441. Vgl.
Pollux onom. III 83 ; ßfraSi- öi i/.evSt^wv xal 6ov'/.wv ol ■ ■ ■ Xtxvovliuv xoQvrijtfÖQot ;
zu diesen G. Busolt, Gnech. Gesch. 1- 211; 216, 2; Liebenam a. a. 0. S. 358. Keulen-
träger {xoQviTjifÖQOi) sollten auch die Leibgarde des Peisistratos bilden ; die Belege
bei 6. Busolt, Griech. Gesch. 11- Sil, 1. dazu St. Waszynski, De servis Athen, jiiihlicis
(Diss. Berlin 1898) 27.
4) Zur Bewaffnung der d., welche Ammianus Marc. XXYII 9, 6 semiermes nennt,
mit fxAycuQfu (Schwertern) und civ.« (offenbar Keulen) s. 0. Hirschfeld, Berliner Sit-
sungsber. 1891 II S. 873 mit A. 138 ö'. Wie R. Cagnat. T>e ninnicii). et jjrorinc. vii-
litiis (Paris 1880) 39 und Hirschfeld a. a. O. A. 142 bemerkten, werden die xo()vni-
(fÖQOi naQÜ Toi: f('()j;ro^i'/.c|n' bei Libanios orat. XLTIK 9 (ngög zi^v {iovh'iv) II p. 530
R. (III p. 433, 1 s. ed. Foerster) von den önuyfttrai. welche den Eirenarchen zurseite
standen, schwerlich verschieden sein.
12
367
Oll Rome's conquest of Sabiiiiim, Picenum and Etruria.
l^y Tciiiu'y Frank.
The generally accepted view of Rome's methoil of .subjuifating and
clisposing of tlie Sabines in the tbird Century B. C. is now. apparently,
the one given by Moniiusen in CIL IX, p. 396. To outline briefly. Mommsen
bolds that in 290 B. C. the Romans devastated the Sabine country, driv-
ing out most of the natives {pJurimos externünuriint) ; tbey then assigned
a part of the conquered territory to their own Citizens, without the for-
mality of colonization, sold sonie of it, but kept the greater part as public
land for the sake of revenue. A few natives were left in undisturbed
possessioD of their lands, and given Rouiau citizenshi]) : — half rights.
immediately, and füll rights in 268.
If one examines all the trustworthy evidence now available, however.
I think one must arrive at quite a different conclusion. naiuely, that the
native Sabines were left in the possession of most of their land, being
by degrees admitted into füll citizenship, and that. though a part of their
territory was taken as war indemnity, we are not justified in assuming
that Rome assigned any of the Sabine land to her own Citizens with or
without colonization, nor sold any part of it at that time.
\Ve need not trouble ourselves to prove that the inhabitants of Sa-
binum were Roman Citizens at least after 225 B. C. '). The fact is geu-
erally acknowledged. The question is whether or not those Citizens Avere
native Sabines. The documentaiy evidence is as follows: Velleius I, 14
says explicitly: 31.' Cnrio et llufino Cornelio consuUbus (290) Sabinis sine
suffragio data civitas, . . . Scmprciuo Sopho et Appio considihns (268). siif-
fragi ferencU ins Sabinis ilaf/mi. ("icero says on two different oceasions
(De Off'. I, 3.5. and Pro Balh. 31) that citizenship was early given to the
Sabines, and Livy (XL. 46, 12 and XLII. 34. 2) relates incidents that con-
tain tlie same Information by implication. This combined testimony of
independent sources not only makes it clear that at least some portions
of the Sabine people were early given Roman citizenship but it leaves a
1) Niese, E. G.* p. 71, on tlie strength of Pol. II, 24, assumes that the Sabines
were still allies in 22.5. Considering however that Polybius probably includes the
Picentes and Praetuttii under the term Sabini, and that at best their number is ex-
ceedinglv small. this one passage alone can hanlly bear the bürden he places upon it.
1
368 Touicy Franh.
strong presumption tbat in tlie lirst Century B. C. the belief was preva-
lent that the Sabines as a wbole were left in possession of tlieir country
and gi-anted Roman rights.
In Support of these explicit affimiations we may add a number of less
direct, nevertheless noteworthy considerations.
1) Strabo for instance has uo idea that the original inhabitants were
supplanted by the Romans, as is apparent from his words in Bk. V, 228
eoTi de y.cä aa/.aiÖTaTOi' yh'og ol ^aßh-oi y.al aVTÖ/ß-oreg .... uvTsay^op
fiiXQt TToög TOP Tianövia ynövov. He apparently includes as the cities
of this stock all the well-known municipalities of the Sabine region.
2) Livy XX^TII, 4.5. 19. by recording the otfers of vohmteers from
the JSursini, Beaiini et Aiiiifenihü Sabinusque ontnis ager among those of
the Umbrian and other SabeUic peoples. implies at least that these are
of non-Roman stock, otherwise the offer would hardly have seemed worthy
of special note.
3) Evidence of a different natnre may be gathered from Schulten's
studies of some Italic names as presented in Klio, II and III. From his
Hst, it is apparent that the percentage of peeuliarly Sabellic names in
(i)edii(S and kHug is nearly as large for inscriptions from Sabinum as for
those of the neighboring tribes wbose native stock unquestionably remain-
ed undistiu'bed. If the percentage is not quite as large. the explanation
lies in the fact that this district was so near Rome that it atti-acted a
considerable immigi-ation from the city. Conway's list of personal names
[If. DM. p. 367) will in convenient form furnish material for additional
linguistic proof.
4) The political Organization of Sabinum also leuds support to our
contention ^). Festus (il. 233) includes Reate and Nursia in a list of pre-
fectures, all of which, with one late exception. consisted of native Italic
peoples who had early been given half citizenship by Rome. Further-
more, inscriptions show that the Sabine towns of Amiternum. Xursia. Tre-
bula and Interamnia Praetuttiorum employed the peculiar niagistracy of
the octovirate -), a fact that is more easily explained ou the assumption
that it was a survival of a native form of sovernment in that region than
1) Since Niese has proved that the Campanian cities were foederata and not in-
corporated into the Roman domain before 210 B. C, it follows that we must also
bring down the date of the Campanian prefectures to 210. If we now esamine
Festus' lists from this point of view, we find that the distinetion between his two
classes may fundamentally have been a chronological one, since the second group,
with one peculiar exception, dates before 290, while the first class dates after 210.
If this difference actuaUy points to a historical change, there is further siguificance
in the presenee of the Sabine prefectures here.
2) Plestia in Umbria is so near the Sabine country that the presenee of octovin
there may point to a Sabine origin of the town.
On Eome's coiK/iicsf. of Sahiniini. Vinnum and Efniitn. 369
that it Wiis üf Roman invention, .since it does not seem to occiir in iiiiini-
cipalities organized by the Romans at this time.
5) Finally, I woiild point to the streng probability tliat Home did
not thus eai'ly so disi'egard her treaty obligations with her Italic allies
as to take land in Italy for her own use, whether for assignation to in-
dividual Citizens, for sale, or for the Roman public domain. This point
has not been made before, I think, and it cannot even be established ab-
sohitely, but a survey of Roman policy so far as it can be dctermined for
the Century following the Latin war will at least establish a probability
that during that period Rome fairly dividcd the fruits of war with her
allies, i'eserving for herseif — and doubtless by explicit stipulation — only
the special privilege of planting small maritime colonies of 300 trust-
worthy Citizens at critical coastal points.
The füll discussion of this statement miist rest at present, with only
an indication of the chief evidence. We know for instance that the al-
lies, at least during the third centuiy, shared not only as individual sol-
diers in the railitary donatives. but also as communities in the apportion-
ment of booty to the municipal treasuries (Beloch. It. Bund, 217 ; Mommsen
St. R. III 680). Now the most important material fruit of a war was a
portion of the land taken, according to an old Italic practice, by way of
war indemnity. Many ineidental references naturally lead to the conclu-
sion that the allies also shared fairly in the distribution of this form of
booty. The evidence *) is well known, and should, I think, satisfactorily
prove that the clause relating to the booty in the so-called foedm Cas-
sianiüu ^) was also incorporated in the new treaties signed with the Lat-
ins and Campanians about 340 — 38, and probably in most of the Italic
treaties made before the Pyrrhic war.
The reason why this apparently logical conclusion has not long ago
been accepted seems to be that the annals contained so much regarding
the distribution of Roman public lands to poor Citizens that the historian
seemed compelled to assume some source for the accpiisition of so much
land. Most of these references, however, can now be disregarded as an-
achronistic (Niese, Hermes 23 p.410). A brief examination of Rome's method
of disposing of captui-ed land during the Century following 340 will prove
that she must have been obeying some such regulation as we have as-
sumed. A few new hibus of Roman Citizens were, to be sure, formed,
but in such a way as to betray the fact that Rome had not a free band.
The Maecian and Scaptian tribes (332 B. C). whether settled by new as-
signments, or, as is more likely, simply organized for the reception of
1) See Serv. Aen. I. 12; Liv. 42,4: 84,42; 33.24, Lex a/jr. 1. 29 etc., also Momm-
sen St R. II 636.
2) Dating the treaty af'ter 390, but considering it otherwise in the main as an
authentic document.
370 Tenneij Frank.
newly ineorporated municipalities like Laimvium, came into esistence with,
and not subsequent to, the new alliances. The B'alerna and Oufentina,
though settled as late as 318, were also established on land tliat ac-
crued to the state prior to or with the settlement of 338. The Aniensi.s
and Teretina apparently grew out of a resettlement with the Hernici of
a foedus that antedated, and was therefore independent of, the new al-
liances of 338. Obviously 338 marks a change in Rome's method of creat-
ing tribes. The same date to be sure introdaces the citizen-colony for
coastal defence. bnt here too there is an arbitrary limit biuding the num-
ber of participauts down to 300 colonists, and only nine such colonies
were founded during the Century. Surely these limitations are due to
some clause by which Rome bound herseif not to take land for her own
use. This becoraes the more probable wheu we find that dui-ing the Cen-
tury twenty-one large Latin colonies covering an area of about three and
a half million iit(/era were opened for the common settlement of allies
and Romaus together. The bearing of this conclusion upon the Sabine
question is at once jjatent. If Rome bound herseif by the Italic treaties
foUowing the Latin war to shai'e lands as well as otlier booty with her
allies, and if she is found in general adhering to such a rule at least
well into the third Century, it is then not likely that the Sabine lands
were disposed of on a very different principle. This poiut having been
established. it follows that the people who, according to Yelleius, received
citizenship in 290 and 268 were no other than the native Sabines, who
had in fact been left in imdisturbed possession of most of their country.
The foregoing is. I think. a summary of the most reliable evidence
upon the main question of what Rome did with the native Sabines after
the conquest in 290; and it seems to me far to outweigh tlie contradict-
ory citations upon which the more prevaleut view is based, namely that
the native Sabines were largely driven out. These citations, all late and
from an inferior annalistic tradition center about several anecdotes regard-
ing M' Curius Dentatus. The substance is found in Orosius III. 22; Flo-
rus I, 10; Val. Max. IV, 3, 5; Vir. iU. 33, 14; Frontinus Sind. IV. 3, 12:
Plut. JRom. Äpoth. I; and Colum. praef. I, 14. According to the anecdotes
found here, Curius after the conc[uest of Sabinum — some add Samnium
and Pyi-rhus — in reporting bis victory to the Senate said that the terri-
tory captured was so great that he could not adequately express the ex-
tent of it. A part of this territory (Sabinum is s])ecifically mentioned by
some) he divided among the Citizens viritim (Frontinus says soldiers) giv-
ing seven jitgera to each man {V/r. iU. says fourteen) himself accepting
one share, upon which he later lived in all simplicity.
Xow it is evident that this material eomes from encomiastic biograph-
ical reworkings of confused annalistic sources which were quite oblivious
to the requirements of historical accuracy. In fact the setui-legendary
On Bomc's conqnrsf of Sahiniim, Pkeniim iivd Etrurin. :'.71
character oi' Curins Dentatiis was i)articiilai-ly inviting to the moralizin«;
bioffrapher as well as to the niiracle-monger (cf. Pauly-Wissowa IV 184).
The story does not bear critical scrutiny. When the biographer (e. g.
Plut. 1. c.) represents Curiiis as assigning a part of the lanrl to Roman
Citizens 1)ut fletermining tbat the main portion shall 1)6 left as public do-
main, he pictures bim in the role of a Caesar or at least a Sulla who
assunies both legislative and censorial functions, and he forgets tbe con-
stitutional impossibility of such an act in the third Century. Nor is the
story of Curius accurate in chronological details. Mommsen has already
remarked {Büiii. F. II ,372) that Livy and the Fasti ai-e so erroneous as
to place the conquest of the ac/er GalUcKS of 284 in the first consulship
of Curius, that is, in the sarae year as his ^^ictory over Sanmium and the
Sabines. It is probable in fact that it was this error of the annalists
which mislead the biographers, and that the vast territory said to have
been brought into the public domain — if indeed the story has a kernel
of truth — was that very a(/er GalUcxs. Or tbe story may in the begin-
ning even have referred to the conquest of Saninium in 290 and the col-
onization of Hadria in the Praetuttian territory in 289, for it is a well-
known fact that the annalists often confused the Samnites (who called
theniselves Safini, and who were also called SaheUi by the Romaus) with
the Sahini *) and further that Sabinum was often conceived of as extend-
ing to the Adriatie coast (ef. Florus I. 10. and Pliny N. H. III 11.5).
These stories therefore belong to late moralizing fiction and cannot safely
be used by the historian ; certainly they have little weight against the
firmer authorities which they eontradict.
As for the extent of the r/r/er puhlicus in Sabinum we have fairly
trustworthy evidence as follows. Siculus -) Flaccus (FeWw. 136 — 7) says
that in the region of Reate there was some public land called the wontcs
Hoiuani, the rental of which accrued to the public treasury, furthermore
that a part of the Sabine land was called «(/er ^) qucwstorius, being divid-
ed into fifty-jugera lots and leased by the qnaestor. Hyginus [ihirl. 114)
11 Cf. Belocli in Eii: Stör. Aiit. IX, p. 269; Sonnenschein in Conway, It. Dial.
p. 683; Niese, Hist. Zeit. 1888, p. 503.
2) This passage of Flaccus can safely be used only in so far as it indicates
conditions existing in his day. The main statement is raeant to be a general intro-
duetory summary and not necessarily accurate as to chronological sequence. Momm-
sen utterly ehanges the purport of the whole passage by his brackets in CIL. IX,
p. 396.
3) One cannot conclude from Flaccus that Rome immediately appropriated the
land and began to lease it. It niay have been uiidisposed of for a long period,
and later when Rome began to use such unassigned lands for the benefit of the
treasur\' she niay have converted it into ager quaestorius.
The portion here referred to cannot be assigned to the city of Cures on the
strength of Hb. col. 11 2-")3, as is done in CIL. IX p. 396. for that passage is proved
372 Tciuiet/ Franl;,
bears out the first part of tliis in a t'ragmentaiy line : nani d ra/ione
Bcatina sunt loca p. B. Frontinus (ihld. 21) may refer to the same re-
gion in the words Silvas qiias ad popuJum Bomanum jxrtinere, for he lo-
cates the woods e.r proximo in Sabinis in Monte Mutela. This is the
sum total ') of the evidence outside of the annalistic aneedotes, and it is
fairly uniform in pointing to a limited wooded district in the regioa of
Keate as belonging to the public doraain'^). How extensive the above-
mentioned «//fr quacsforixs was we cannot determine. but if either this or
the other public domain in Sabinum had been as extensive as Plutarch's
anecdote supposes, we should certainly have heard of it in the Century of
ci\'il wai-s when every factional leader was searching for state-lands with
which to reward his troops and partizans.
In so far as we have tried to revise the prevalent view, we ma}' sum
up the story of the Sabine conquest and settlement thus. M' Curius Den-
tatus after ending the Samnite war in 290, invaded the country of the
Sabines and Praetuttii for some offense not now known, forced them
quickly into Submission, taking by way of indemnity a strip of coast-land
from tbe latter and at least a strip near the western border from the for-
mer. The coastal strip was at once settled by the eombined allies as a
Latin colony in accordance with the regulär practice of the time. The
portion at the west end was. perhaps under stress of other business, left
unassigned for the time being. Later. when Rome became more negligent
of the Claims of the allies, she undertook to admüiister this tract as her
own public domain. perhaps compensating the allies in some measure by
the means indicated in the lex. Agr. 1. 29, and Cic. (h Bep. III, 41. A
part, epecially the timber land, was rented by the censor in the usual
manner, a part was administered as mjer rpiaestoriiis under long-terra
leases. The native Sabines as a whole were at first made Citizens without
right of suifrage, being for administrative purposes divided into^) pre-
fectures as were the Volsci and Hernici. Soon however, in 268 (consider-
false bj' the inscriptions of Cures. Mommseu has elsewhere said: Der myavinnte
lib. col. II. . . . ist so diirch und durch rjefahcht. dass es nicht der Miihe lohnt duhei
zu venveilen, Ges. Sehr. V. p. 21-").
1) Perhaps the famous bed of the lake Veliims near Reate should be included in
the list, since Curius is eredited as having drained it (Cic. ad Att. IV, 15, 5), but
there is no evidence on this point. Cicero's reference seems to prove that the
municipalitj' of Reate and not the Roman treasury-department was the responsible
administrator of the region in his day. See also Tac. Ann. I. 79.
2) This land may of course have been some subseciva dating from one of the
man)' imperial land distributions.
3) Besides Reate and Nursia, mentioned by Festus, we ean, on the evidence of
CIL. IX 9187 add Amiternum; and, since Livy 28, 4.5 mentions the ager Salnnus
together with these three as offering volunteers in 205, we may probably with Nis-
sen {It. Landesk. II, p. 479) include this as a fourth.
Oll Biotic'n amqia'st of Sahiintni. Piceiiiim (oiil Etritria. 373
ably soonor tliaii tliusp tril)esl, they were givon füll citizenslii]). Tlie na-
tives of the nearest i-cgions, about Cures anil Trebula, were probaljly
assigned at once to the old ward, the Sergia (Nissen, /. c. p. 479). while
a new ward, the Quirina, was later (241) created for the remainder, in
fact as soon as the end of the gruelling Punic war gave the Komans tinie
to eonsider qnestions of internal adniinistration. As for the remaining
history of tliis region Mommsen CIL. IX p. 396 may be followed.
II.
In suggesting some slight revision of Picentine history, I would bog
leave to refer as a basis for discussion to Beloch, //. Bund p. .55; Momm-
sen in CIL. IX p. 480 if., and Nissen It. LandesI,: II, 1, p. 410. My main
criticism is that. as in the case of Sabinum, a niavked tendeney prevails
to over-state the change that Roman occupation brought^). Strong em-
phasis is often laid upon the Import of the title of Flaminiiis' agrarian
law which was apparently called : de iKjro Piceno et GaUico viritim divi-
dendo, Cic. Brid. .57, and Ccdo 11. The implication of tliis title is gen-
erativ taken to be that Picenum had largely been eleared of its native -)
population in the same way as the old fujer GalUcits from which the Se-
nones had been driven in the year 290. That this inference is erroneous
is proved by the very explicit phraseology of Polybius, wbo writes that
the so-called Picentine territory which was allotted by the Flaminian law
w-as situated in the Gallic country: y.arEyJ.i]QOvxtjoai> ev ra/.aTi'a li^i-
niy.Ern'vTjV ngoaayoQEVofiinii' y/oQav. l^ f/g viy.tjaavTEg E^ißa/.ov Tobg
S/jrovac. II, 21, 7. The region for some reason, probably becaiise of
previous Picentine ownership. was called by the name of tliat tribe. but
as a matter of fact it lay between the Aesis and the Rubico. That Po-
lybius was not misnsing the word Picentine is proved by several other
occurrences of it in the same sense. Cicero e. g. {Cat. II 5, and 26)
refers to this same territory as the ar/er Fkenus et GaUicus during the
Catilinarian conspiracy, and by a curious coincidence, Sallust, in reporting
the very acts to which Cicero refers, repeatediy calls the region Picenum
(Sali. Cat. 27. 30. 42. 57). Yet it is clear that both are referring to the
region near Ariminum where the northern army corps was regularly sta-
tioned. and not to the couutry south of the Aesis. Even Livy, depending
upon old sources writes : Coloniue dcdiicfac Arimiiuim in Piceno, etc. {Ep.
XV.) Ifc is evident therefore that the agrarian law of Flaminius had re-
ference to the territory north of the Aesis, and that its title may not be
called upon for evidence regarding the disposition of Picenum proper.
1) Nissen, 1. c. says: Der erste (Krieg) endigte viit dem Verlust des halben Gebiets
und der Verpflanzung von dessen Einwohnern nn den Golf von Salerno.
2) Add Conway, It. Dial. p. 449, who says: The Roman occupation which spared
only Asculum was completed by the lex Flaminia of 232 B. C.
374 Ti'mu'ij Fmuh,
I would ncxt sugaest. thougli witli some hesitation. tliat Strabo lias
been accepted too trustingly wben be says (V, 251) that the Picentines wbo
(Iwelt near Salerno bad been traiisferred to that place by the Romans wben
tbey conquered Picenum on tbe Adriatie in 268. When the Romans near-
ly a Century later transferred a Ligurian tribe to certain public lands in
southern Samnium it was after fifty years of incessant struggle to subdue
them and under the pressing need of securing safety for a land-route to
Spain. Tbe work also proved to be very expensive (Livy 40, 38). In Pi-
cenum on the other band victory had come quickly, the people were of
Italic stock and had never caused much trouble, besides Rome had no
intention of Irailding roads there. Why should she have undertaken the
expense of so useless a piece of work? It must be admitted too tbat tbe
evidence is not very strong. Our sources for the conquest of Picenum
— lÄ^y Ep. XV; Flor. I, 14: Eutr. 11, 16. unfortunately very meager —
say notbing about this transfer; and Strabo, our only authority, is known
not to hesitate at times to insert his own hypotheses in order to explain
bis geography. Would it not be more reasonable to admit the conjecture
that the Picentines living near Salerno. if indeed they were related to the
Adriatie group, may have emigrated frora their homes in some vcr sacrum
as so many of the Sabellic tribes had doiie ?
If now the above-mentioned passages do not refer to tbe history of
Picenum, we have not a great deal of definite Information left. We ap-
parently know only that Picenum was conquered in 268 B. C, that the
city of Asculum became an independent ally (besides of course the Greek
city of Ancona) remaining so tili the Social war, and that some territory
was taken upon the coast and immediately assigned for use as the Latin
colony of Firmuni (Vell. I. 14). Tbis being the extent of our data, it is
apparent that there is no basis for the statement tliat „one-balf of the
Picentine territory was appropriated" at the victory. One-tenth would be
a far more i-easonable estimate. Nor bas any one tlie rigbt to assume
that „Rome took the richer portion for herseif." There is no shred of
proof that she took any portion whatsoever for herseif, whether for viri-
tary assignments to her Citizens or for unassigned public domain. Wbat
we Said in the early part of this discussion regarding Roman policy at
this time would rather indicate that notbing of either kind was even
tbought of. The colony of Firmum therefore probably Covers the extent
of appropriated territory in 268 M.
On the other hand the supposition frequently made that the native
Picentines who remained were, with the exception of Asculum, immedi-
ately made Roman half-citizens and soon fuU Citizens is probably cor-
rect. The fact tbat there were several prefectures in tbe region (Caes.
1) A Century later the two eitizen-colonies of Auximum and Potentia were estab-
lisbed bere, but tben of course the region was properly a part of the Roman state.
Oll Uniiw's coiiqiirsf of Sahiniiiii, P/cciiuin und Etnirin. 375
B.C. I. ")l. aiul that the tribe Velina, instituted together witli tlie Quirina
in 241, is a Picentine ward, later at least covering the whole region
wifcli the exception of Ascuhim and Ancona, makes the supposition rea-
sonable.
We have now gained :i point of view from whicli we shall be able
to Widerstand an apparent contradiction in Roman administrative metliods
diiring the third Century. It will be remembered that in Umbria Roma
made her alliances with the individiial cities and not with the tribes as a
whole, while on the other hand her treaties with the Vestini. Marrucini,
Paeligni. Marsi, and Frentani were signed with the governments of the
whole tribal league. The Sabines and Picentines were treated in neither
fashion. Their countries were subjected to a rapid raid, a strip of land
was taken npon which a Latin colon}" was planted, the whole tribe was
incorporated into the citizen-body of Rome, at first with half-rights during
which time prefectures were created, and later with füll rights. The
meaning of this diversity of procedure seems to lie in the difference of
social and political status in which these three classes of tribes appear at
the tirae when Rome first had to deal with tliem.
Umbria, for instance, was no longer a united people. The tribe had
once spread over the greater part of northem Italy during which time it
had disintegrated into diverse groups becanse of the wide geogi-aphical
distribution, sorae of these groups later merging into city-states with the
increase of wealth that had come with expansion. They were later driv-
en back into narrower bounds by the Etruscans. but they also gained a
strong impulse from the example of their enemy toward the fuvther de-
velopment of their separatistic iirban governments. How far the evolu-
tion had proeeeded by the fourth Century B. C. can be seen by a reference
to the stränge curse contained in the sacred tablets of Iguvium (VI B,
58) which anathemizes the neighboring Umbrian city of Tuder as heartily
as it does the Etruscans. Here was a condition most favorable to Roman
expansion. The individual cities of Umbria came quickly, one by one, into
the Roman alliance. apparently at very little cost and on excellent terms.
The tribes of the second class, the Marsi'). Vestini, etc., are in a
whollv different state of civilization. Even in Strabo's day they lived large-
ly in villages. When Rome met them during the early days of the
Samnite war, no cities seem to have emerged to claim preponderance in
the tribe or to create sepai-ate polities for themselves. They had kept
the pi-imitive tribal governments. which however were compact and thor-
oughlv capable of making agreements with a foreign power and of hold-
ing their individual members strictly to the observance of the tribal
agreements. Xow Rome may have preferred not to encourage such ra-
1) Strabo (V, 241) says of the Vestini, Marsi, Paeligni, Marrucini, and Frentani:
T« iihv oiv aU.a xwfttjduv twoiv, tyovaiv de xal nöltiq.
376 Tenney Fmulc.
cialunities: slie may have preferred to sipii her treaties with individual
cities as in Umln-ia, but tlie liistory ' ) of these Sabellic tribes shows that
if onlv there was a responsible government with which she could deal in
good faitb and wbicli could hold its members to the observance of the
obligations that a treaty involved. Ronie was satisfied and made no effort
to dissolve tbe tribal Organization.
Now Picenum, Sabinnm, aud we may include tbe Aeqiii. lay half-
way between the representatives of these two classes. Sabinum near the
Umbrian aud Romau border and Picenum along tbe coast seem to have be-
gun evolving respectable cities, but the process had probably gone just
far enough to weaken the former tribal coherence without creating ade-
quate Substitutes in the new urban forms. More or less political confu-
sion resulted. It is easv to understaud wbat must have oecurred duriug
the heavy strain of the Samuite war. The Sabines, Aequi, and Picentines
were offieialiy allied to Kome. but when their governments no longer
were respected by the members, individual adveuturers must constantly
have Yolunteered for the Samnite army. and wbenever a war was ovei-,
Rome invariably found a nuniber of Citizens of these supposedly friendly
ti-ibes among her eaptives. This is wby Rome took the shortest way to-
ward dissolving the native governments of these tbree tribes. It was not
land that was wanted — that charge proves to be anachronistic — , it
was a stähle and responsible government which could hold its individual
Citizens answerable to the promises of tbe state. Since these peoples would
not act together as did the eastern Sabellic peoples, and had not yet de-
veloped responsible city-states within the tribe, Rome simply swept away
their crumbling governments, incorj)orated them into her citizen-body and
divided them into prefectures through which to act in her administration
of Italian affairs. She found them. when thus orgauized, excellent indi-
viduals, and tberefore gave them füll citizenship early, and later, as their
cities grew, shifted tbe local government more and more upon their own
municipal organizations.
III.
In commenting upon the bistory of tbe Roman occupation of Etruria,
I would first suggest that our historians have gone too far in assuming
1) For the Roman treaties -with tliese tribes , see Diod. XX 101 and Liv}' IX
45 — X 3. For the tribal organizations, see the foUowiug: Yestini, Pol. II 24;
Liv. 44,40, tribal coins, Conway 249. Marrucini, Pol. IX 24; Liv. 44,40; tottii
■niaroucai Conway 243. Paeligni, Diod. XX 101. Possibly Rome later dealt
with the individual cities here. The evidence is late and unveliable. M a r s i, Pol.
II 24; Liv. 44,40; jj lo l e(gio)nibus Martses Comvay 267. Frentani. Pol
II 24; Kenssur Conway 190; tribal coins. Conway 196 (Larinum had a separate-
treaty. Coins, Conway 195).
10
Oi> lionir's cotujiicst of SahiniiDi. F/cciikih (ukI Efrurin. 377
tlie sfrant of Roman ^) citizenship to Etruscans. Tarquinii is freqiiently
credited with the privilege betöre the Hannibalic war, with. what seeias
to me, a misreading of the evidence. This evidence is not absolutely ex-
plicit, but, so far as it goes, it quite consistently beai's out the view that
the city was a Roman ally. Livy 28, 45, 14, has the foUowing under
date of 205 B. C. : Sci2)io — tenuit — qiiia impensae negaverat rei puhli-
cae fiduram dassem itt quae ab socüs darentur ad novas fahricandas naves
acciperet. Now the cities that are immediately enumerated as contributing
under this heading for naval supplies are eight cities of Etruria inchiding
Tarquinii. There cannot be any doubt that Livy believes them all to be
socü. I suppose that the reason why the passage has not been so taken
is because Caere also occurs in the list and that is now usually classed
as a civitas sine suff'mgio. This Classification may or may not be correct,
but that has less bearing upon the question than Livy's opinion upon
Caere's status '-).
Turning to Livy 7. 20, 8, the last previous raention of Caere's polity,
one finds the following: pnx popido Cacrifiiim data, induüasquc in centiim
annos fadas. That is. Livy at least, and perhaps rightly, seems to con-
sider Caere an alh'; and in the passage under discussion he evidently
raeans that all the eight cities are socü since he calls them so.
Turning next to the passage that is usually relied upon to prove
Tarquinii as a part of the Roman domain, we read {Livy 26, 3, 12) of
Fulvius who was about to be tried before the assembled people for cow-
ardice : postquatn dies comitiontm aderat, Cn. Fidvius exidatum Tarqui-
iiios ahiit. Id ei iustum exUium esse seifit jdebs. This is taken to mean
that exile to Tarquinii required a special dispensation, i. e. that the city
must have been within the Roman domain. However. the phrase id ei
iustum etc., has no reference to the status of Tarquinii. It simply ex-
l) See Beloch, It. Bund. p. 60; Bormaiin in CIL. X! 1, p. 465 and 516. and
Nissen It. Landesk. II 1. p. 364
•2) Gellius, 16. 13. 7 attempts to explain the origin of the phrase tubukte Caerifes
by saying that Caere was the first city that obtained half-citizenship. The event is
usually dated at 353 when. according to Livy 7. 20, the city attacked Rome. How-
ever, the Livian passage imiilies that some form of alliance was contiuued. Nest a
fragment of Bio dating from about 273 (Bois. 33) teils how Caere warded off war
by surrendering half of her territory. Some have eoncluded that this later event
led to the grant of citizenship. Even this Interpretation would not satisfy the require-
ments of Gellius, for there were other such grants before 273. As a matter of
fact the cited statement of Gellius proves on examination to be so erroneous in
other respects that it would be better to abandon it eutirely. Taking into consider-
ation the histor_v of censorial power, as well as the harshness of Rome's behavior
towards Etruscans in general, it is probable that tabidae Caerites became a mock
phrase somewhat later. and only because Caere was kept in half-citizenship later
than all other cities. The important point when one treats the Gellian passage as it
deserves is that we do not know when Caere was incorporated into the Roman state.
K 1 i o , Beiträge zur alten Geschichte XI 3. 25
12
378 Teniicy Fiaiil:
plains that the necessary legal action was taken by the properly qualified
body wlien the matter came iip in due process of law ' (as explained in
Mommsen, Strafrecht p. 73), and that in this case exile was pronounced
as the legal punishinent. In fact, if the passage proves anything it proves
that Tarquinii was an allied state, since Fulvius, who of course knew
the law. chose the city as a suitable place of exile before the day of
the trial.
The similar assiimption (cf Nissen, 1. c. p. 364) that Falerii was in-
corporated into the Roman domain with half-rights in 241 is without good
foundation. It probably was a federated city until the Social war. Her
care to build a strong wall ') about her new city after 241, and her re-
tention of her native hmguage for a long time after in official inscrip-
tions would naturally indicate that she was independent. The strengest
indication however lies in the fact that her municipal niagistrates in the
second Century were praetors (cf. CIL. XI 3081 and 3156 a) while later
they were those which usually occar in towns reorganized according to
the Julian law. If Falerii had had the civitas siiic siiffragh in 241 she
would doubtless have obtained füll citizenship before 90 as did apparently
all municipalities of this rank, and no reorganization would have resulted
in the year 90.
A further commentary upon the status of both of these cities is the
fact that in 210 the Campanian exiles, when ordered to settle in Etruria,
were commanded not to go beyond the territory of Veii, Sutrium, and
Nepet (Livy 26, 34, 10), an indication, it would seem, that this was the
limit of inland Romanized territory beyond the Tiber at that time.
If we have thus far read the evidence aright, it follows that we have
no reason for supposing that any Etruscans excepting the Caerites obtain-
ed Roman citizenship in any form before the social war.
The second Suggestion I would offer is that the disposal of territory
taken in Etruria after the treaties of 338 is, so far as we kuow. consist-
ent with the principle which we found Rome following elsewhere for
several decades after that date (p. 369). That is, Rome seems here also,
at least tili after the war with Pyrrhus, to consider the captured territory
as belonging to all tlie allies. and does not allow herseif the privilege of
wathholding any of it as her own public domain or of distributing it to
her own Citizens alone, except, as aforesaid, to a few small gronjis who
served as maritime garrisons.
Most of the Etruscan cities came into the Roman alliance soon after
284 B. C, if not before, ou rather favorable teims and at little cost in
ten-itory. This was not due to any good-will on the part of the Romans,
but rather to the fact that the Etruscans had been too disunited to raise
1) The wall cannot possibly be attributed to ßome's initiative since Rome's
frontier foits were already several hundred miles beyond.
13
Ou liomc's coiiquesf of Sithitium, Finnuin and Etnir/o. 379
such Opposition as cnlled for heavj' penalties, and furthermore that the
treaties were luade at a critical time when Etruscan frlendship was partic-
ulai-ly desirable as raising a barrier againsfc the incessant Gallic invasions.
When, therefore, we have no mention of public lands in the north-
ern parts of Etruria, it is safest to refrain froni assuming its existence
there M. In the southern part we know on good authority that several
cities gave up land. and we possess some evidence regarding its disposal.
Yolci seems to have been deprived of some possessions in 280 (cf. Fasti
Tniniiph.), for. a few years later (273) the Latin colony of Cosa was
settled upon Volcian territory (Pliny N. H. III 51. Vell. I, U). When
about 273 Caere was thi-eatened with war she bought peace, according
to Dio (fr. 33, Bois.), by the sunrender of half her territory. This seems
to have been used for maritime forts, which were nowhere planted so
thickly as in this region. Servius says of Pyrgi, one of these forts: hoc
msteUum nobUissinnoH fiiit eo tempore quo Tusci piratkam e.rercuenmt (on
Aen. X. 184). It was therefore against the Etruscan pirates and. if we
may take a hint from some of the dates. against possible Punic invasion
that this coastland was held and fortified by the sovereign state. The
next to sufFer is Tarquinii. In 308 this city had signed a treaty with
Rome for forty years (Diod. XX, 44). The resettlement therefore feil in
the eventful year of 268 when Rome was so active in organizing her in-
terests throughout Italy. It was appai'ently in that year that Tarquinii
surrendered ^) some coastlands to Rome and entered into a permanent alli-
ance. After this we have reports of revolts in Volsinii in 264 (Flor. I,
16. Zon. VIII, 7) and in Falerii in 241 (Pol. I. 65). In both cases, con-
sidering the severity of the punishment. we may assume that a substan-
tial land indemnity was required. The citizen-colony of Satumia (183)
and the nearby prefecture Statoniensis, (Vitruv. II, 9) seem to lie in
"what was foi'merly Volsinian domain. The Forum Subertanum, a pre-
fecture. may hav.e its origin in a viritary assignment to Citizens of a part
of Falerii's domain, made perhaps in the days of the Gracchi.
If we may judge from this data, it seems probable that in 273. when
the Latin colony of Cosa was planted, l'ome was still observing the rule
that the territory taken by booty was to be shared with the allies. The
beginning of the accumulation of unassigned domain in Etruria seems to
date from the Pyrrhic war and after, when the state secured extensive
tracts from Caere and Tarquinii, and apparently also from Volsinii and
Falerii. Doubtless Rome intended at first to share these tracts also, but
1) Throughout this discussion we have advisedly refraiiied froin drawing anj'
conclusions regarding the extant of Roman domain from the reports of prodigia.
They involve too many chances to deserve attention as fundamental evidence.
2) Livy 40, 29. Graviseae for instance was established in 181 in agriim de Tarqui-
lüis qiiondani captum.
25*
14
380 Tennen Franl-,
the extensive addition to the pubKc domain during the following Piinie
and Gallic wars. when at the same time the peasants were actually dimiu-
ishing in nuraber through the heavj' war-le\'ies, glutted for a time all
demand for land; and Rome. in place of the old strict practice, devised
rules by which the superfluous land could be occupied upon lenient terms
by anv one who could make use of it, whether Roman or ally ').
Finally with this data in view I would observe that Rome's treat-
ment of the Etruscans was so peculiar that one must always guard against
o-eneralizing regarding Rome's policy frora instances drawn from this re-
o-ion. The complete annihilation of Veii begins a history that must have
been tainted with racial prejudice. The Romans were always impatient
in their dealings with this people which was oiJTS ötiöyZioaaop ovte öfto-
dianov. Gracchus toucbed a deep vein of feeling when he shouted at
the Etruscan haruspices : vos Tusei ac harhari 1 It is due to this feeling
that the history of Etruria varies between tales of severity and of neglect.
On the one band Rome wasted Veii, took the half of Caere's territory,
and moved Yolsinii and Falerii-) out of their native cities when neither
could have been in the least dangerous. On the other band she appar-
ently kept aloof from central and northein Etruria. seeming not quite
readily to understand the needs of the land when it was going to waste
(Plut. Till. Graccli. 8). The road-building through Etruria progressed
very slowly. Though the Clanis Valley, the route of the Gallic and Car-
thaginian invaders. furnished a much shorter route to Liguria and Gaul,
the circuitous road via Ariminum was long adhered to, and Arretium was
reached by road from Bologna a half Century before it was placed in
direct communication with Rome. In hai-mony with this fact is the slow
progress of the Latin language in Etruria, of Citizen colonization, and,
above all, of the grant of Roman citizenship to the natives as we have
tried to show above. The Eastern SabeUic tribes had been taken into the
1) Cic. de Rep. EI 29, and hg. agr. 1. 29, 31, prove that the allies also had ,squat-
ter-rights'. Sorne cities were even given portions of captured territory to use for
municipal revenue. cf. Cic. ad Fam. XIII 1 and 7. I have assumed throughout on
the basis of Niese's discussion (Herrn, vol. 23) that there was little if any public
land before 290 B. C, and that the pre-Graechan law which detined 500 jugera as
the limit for the oceupation of public land, was passed long after the Liciuian laws.
However 1 would add that the law was not primarily a restrictive measure. and
that the limiting clause was only incidental. The main purpose of the law, I doubt
not, was to encourage the oceupation of lands that were in danger of going to
waste. It was not devised to check the evil of over- oceupation, as though that were
then serious. When one considers how the citizen-body diminished while the public
domain iucreased during the great wars, and furthermore how simple were the finan-
cial needs of Romans, even during Cato's day, one finds it necessary not only to
redate the law with Niese but also tbus to reinterpret its Import.
2) Falerii possessed a Tuscan civilization. acted with the Tuscans politically and
received the same treatment from Rome as the rest of the cities north of the Tiber.
15
On lidiHc's coiiqiicst of Sahhiitm, J'icoiiim (iml Kiruyia. 381
Konian alliaiue by wliole states witliout any loss of territory, so far as
we know. The Umbrian cities caiiie into the alliance singly and without
apparent loss after the early deprivation sustained in the south. Even
the Sabines and Picentes whose crumbling organizations had to be dissolv-
ed, could at least be trusted as members of the body politic, and ulti-
mately proved to be in their very intorporation tlie most fortunate of the
Italiaus. Bat the Etniscans, except for the cities tliat made overtures at
the most favorable tinie, suffered severe losses, virere treated with harsh
impatience when suspected of misdeeds, and in fact never came to be
loolved upon as agreeable candidates for citizenship. When tinaliy the
Social war brought them equality, several of their cities immediateiy feil
ander the ban of Sulla who contiscated their territory for the use of his
partizans.
16
Mitteilungen und Nachrichten.
Hekataios als mutmassliche geographische Quelle Herodots in seiner
Beschreibung des Xerxeszuges.
Von Martin Herrmaiin.
In der eigentlichen Geschichte der Perserkriege kann Herodot die Schriften seines
Vorgängers Hekataios nicht benutzt haben, da keine Spur darauf hinweist, dass der-
selbe in seinen Genealogien, die doch allein in Betracht kämen, bis auf diese Zeit
gekommen ist '). Gewiss hat Herodot hier auch schriftliche Quellen benutzt, wie
Charon von Lampsakos und Dionysios von Milet, Hekataios jedoch nicht. He-
rodot hat aber eine genaue Besehreibung des VTeges und der Gegend, durch die der
Zug führte, gegeben, und hier finden sich vielleicht Spuren einer Benutzung der Geo-
graphie des Hekataios. Da der Weg an der Küste entlang führte, konnte ihm die
Periegese gute Dienste leisten. Aus den erhaltenen Fragmenten des Hekataios
ersehen wir, dass derselbe eine genaue Küstenbeschreibung gegeben hat, wie er
auch diese ganze Gegend eingehend beschrieben hat -). Eine Probe der Art der Dar-
stellung ist in den Fragmenten 116 und 118 enthalten:
fr. 116: £!■ li' aliA ßipui/ n6?.ic 'EV.iinui' Ooijixcoy, sv 6h Xcilüator] nö'/.iq
fr. 118: /jfzä dh ^,ui/.a 7i6).is.
Sie scheint dem Charakter des Buches gemäss für diese Gegend, die dem Hel-
lenen näher lag und nicht so viel Merkwürdigkeiten bot als andere, wie z. B. Aeg^-p-
ten, kurz und sachgemäss gewesen zu sein.
In VII 59 finden wir, wie Herodot von der Stadt Doriskos erzählt: ii' tw
TeTyög ti iiäößtjto ßaaO.y'jiov Tovro zb 6!/ JoQiaxoi; xtahjtai, y.al Ilfoatwv ypoi'(>'/
iv cevtwxrxTfazr/xsE vjio Japelov i^ ixelvov tov ygövov insizs inl Suvf^ag eazpcczfiszo.
Dass Hekataios die Städte, in welchen persische Besatzungen lagen, erwähnt hat,
können wir aus Fragment 175 schliessen, wo er von der königlichen Burg redet, die
im Lande der Opier liegt.
Hec. fr. 175: St. B. ^(iniai. t'&vo? ' IvSixöv. 'Ex. ''Aatq. „^v 6' aizolc olxiovaiv
av&gojTcoi nagn. ^Iväbv noza/jdv 'iinlai, iv 6i ZHyoq ßaaih'jtov, /.ttyQt lovzov iinlai, reib
zoizov iptj/xia ßfygiQ 'IvSibv".
Man wird also wohl kaum fehlgehen, wenn man annimmt, dass Herodot zu seiner
Nachricht die Angaben einer älteren Quelle, jedenfalls des Hekataios, benutzt hat.
Einen andern Hinweis finden wir in demselben Kapitel. Her. VII. 59: t«; .«fr
6)/ ring zng naaag rmixoiiivag ig AoqIoxov ol vuiagyoi xti.ivanvzog Zf'{)|fcu it zbv cd-
■yta/.bv zbv UQoafyia AoQiaxv) ixöiiiaav, iv zw Sä>.7j za ^uuof^Qtjixh] -nindhazai 7ib?.is
xal Züivij, zO.ivzn 6i aizov StQQiiov axgrj ävouuazi'/- '0 ös yüjgo.; oi-zog zb na/.ciibv
ijv Kixbvwv.
Hekataios nennt in Fragment 1.32 Zone eine Stadt der Kikoner. Hec. fr. 132:
St. B. Züivtj, nb).ig luxuvwv. 'Ex. Eig
Herodot stützt sich auf seine Beschreibung, indem er sagt: '0 6t yyioog ovtog
zb na/.aibv tjv Ktxüvtov.
Als Stadt der Kikoner führt Stephanus von Bvzanz auch Maroneia an. St. B.
1) Vgl. Ed. Meyer, Forsch. -. alten Gesch. IL. S. 230: Lehmann-Haupt. Elio H
S. 337. — 2^ fr. IIG— 122.
Mitteilungen iiml Nachrichten. 383
s. V. MaQtoriia. nöh: Ktxovtaq xarä tov iv OqÜx^ ■/_f!ioöv>jaov. ['Exazaiog EvQÜiTiy]. ,^v
6i i.i.uvij "laftaQi:. iv 6i Ma/ywvei« Tiö'/.ig" '). Meineke vermutet, dass die unter Maro-
neia stehenden Worte auf Hekataios zurückgehen, da die Ausdruck-sweise der dieses
Autors entsprechend ist. Diese Ansicht wird dadurch bestätigt, dass auch hier die
Reihenfolge der Schilderung von Westen nach Osten geht, wie es in der Periegese
des Hekataios der Fall gewesen ist. Man kann daher mit einiger Sicherheit anneh-
men, dass die unter Maroneia stehenden Worte ein hekatäisches Fragment sind.
Diese Beschreibung stimmt auch mit Herodot VII. 109. Her. VII. 109: iiußäg
di xov Aiaov noxKixov tu pif&QOV AnfS>j(yaa/xti'ov no/.iac 'Ei.hjyidai tuaät naga/jelßfro
Magiuveiav JixaiKv "Aßiijpa. tuvtccc te äfj nttfjf^i'itf xai xazh xttixa<; 'Mfivaq drofiaaxäc
xaaöf, MaQ(ut'n':jg fihv ftsxa^i xat ^XQifO]<; xfifitfijv 'lofiagldu . . .
Namentlich nennt auch Herodot die Gegend kikonisch VII. 108: // äi zü»p'/ ttvxt/
TtäXai ßiv ixa/.ifxo raV.aixij, vi-v 6e BytKVXtxi). toxi ntvxoi xvj dixaioxäxo) xwv /.öywv
xal avxtj Ktxörwt:
Eine Menge Städte und Ortsnamen finden wir bei der Beschreibung des Zuges
von Akanthos nach Therme -). Es ist die thrakische Halbinsel mit ihren vielen Städten.
Aus den Resten des Hekataios, die wir vor allem bei Stephanus von Bvzauz finden,
sehen wir nun, dass sie so ziemlich alle bei Hekataios genannt sein müssen. Auch
wenn Hekataios' Name nicht genannt ist, so ist, wie auch Meineke ^) vermutet, wahr-
scheinlich, dass die meisten dieser Städtenamen, welche die Bezeichnung 7i6?.ig 6pti-
xtjg tragen*), auf Hekataios zurückgehen, da derselbe nach altem Brauch diese Gegend
anstatt zu Makedonien zu Thrakien rechnet. Das sehen wir aus den Fragmenten, in
denen er die Städte Galepsos (122), Mekyberna (121). Lipaxos (119) und Smila (118)
als thrakische Städte bezeichnet. Zu Herodots Zeiten ist der Begrift' Thrakes noch
derselbe ; zu anderen jüngeren Autoreu steht diese Bezeichnung in ausdrücklichem
Gegensatz. So nennen ApoUodoros (fr. 134) und Thukydides (I. 61) Therme und
Strabon Chalastra (VII. p. 330) eine makedonische Stadt. Wir können daher an-
nehmen, dass alle Städte, welche die Bezeichnung tiö/.i: OQfcxijs tragen, auf Heka-
taios zurückgehen. Es sind dies : Torone, Olynthos, Potidaia, Aphj'tis, Aigai, Skione,
Mende, Sane, Aisa, Gigonos. Aineia. Therme. Die anderen Städte, wie Piloros, Singos,
Sarte, Pella machen den Eindruck der Entnahme aus Herodot, da sie ähnliche Be-
zeichnungen tragen. (Vgl. Assa — Piloros, Singos, Sarte; Ichnai — Pella). Die Bezeich-
nung nö/.ic ßpnxijg, wie wir sie hier bei Hekataios finden, wendet Stephanus von
Byzanz bei Herodot nicht an.
Zum Vergleich gebe ich die Städtenamen, wie wir sie bei .Stephanus von Byzanz
mit (a) und ohne (b) Angabe eines Autors finden, wieder:
a)_ ^ , . , ^^
Wi.iuQO:. nu/.ig nf qI xöv " Af^ojt: 'Aaait, nöi.tq TiQoq xw ^A9ui. 'Hi>66oxo:
(ßiüiuj.
Syyog, nöhs nagä xü> "ABw.
Si'iQX>i, no/.ig TXiQi xov ^AStuv.
Topüivrj, Ttö/.ig 0()f'cxijg.
'O/.vv&og, Tiöhg Qgqxijg npöc r;} XtBcovi'rt
xijg Maxfäovlag.
^ilttuvia, /^iQOg QQ('exrig.
Tloxiöaia, noMg &Qtixijg.
ra).Tj\<.'og, nöhg &Qt'(xrjg xal [luiovun: 'Exa-
xatog Evpihn^.
Ss(iftv?.ia, Txö/.ig nuQn xöy "Altco, u>g 'Exa-
xalog.
Mtjxvßfnva, nüf.tg Jla'/.h'jyijg, xr^g ir 0pr.x>i
y_fQQOvi]aoi\
'Exuxalog EvgüjTirj.
1) Meineke, S. 434, 3. — 2) Her. VII. 122 ff. — 8) A. a. 0. S. .5-54, 17.
4) Vgl. aber auch, worauf mich Lehmann-Haupt hinweist, fr. 140 BöpiC«, nö/.j;
ntQOixr) und das Klio II 387 dazu Bemerkte.
384
2Hft(Uiiii(i(H und XuchricJdcn.
"A(pvztc, nohg rrpö? if/ TlaD.Tjvij rT/f Qgäxtjq.
Aiyui, 7iö}.ng :io?.?.al .... iMuxföoi'lci: tijg
6Qaxtjoitov yf^QOvtjaov.
&()ciftßoe, nxpwTt'/ptov Maxeäovtac.
^xtwvij, nahe OQiixtjg.
Mtvdij, nöhg Optixt/Q.
2r«v/;, nöhg QgAxrjg fX(xaSv"Aitw xul Da?.-
XijVijg.
Aioa, nöhz Ogäxrjg npoac/J/c rf/ TluXh'iVtj.
riyuivoc. nöhg 0qüxjjq nQoai/iji t)j Tlal-
h'jvtj.
Jiäxpa, nöhg XaXxtitxTjg yüjQug 7i(jög t(i
Iltd/.rjvj; ofiOQOvaa tiü Öepftauo x6).ixu>.
Aiifia, zÖTiog Qpüxijg.
./(Jiß^of, 7i6)jg 6()uxtjg. ' Exatulog-
Otpfitj, nö'/.ig &pc(xtji. ' A7io)./.ö6a>QOg de
Maxiöoviug (fijol xai ßovxvdiSijg.
ni/.).a, Tiöhg Maxeäoving.
—ftü.a, nö'f.ig QQÜxijg. 'Exatmog EvfjüiTtji
,,Hfrä dh ^ßü.a nöhg".
—iv&oc, nohg nagä zCo OeQßuUo. 'Hgödoxog
eßdo^t?j.
"I'/vai, nöhg MuxfAoviuq. ' HgöSozog iß6öi.i>j.
Xu'/.daxQCi, n6?.is 0qüx>jc nsgl zbv QtQ^uüov
x6?.nov. 'ExazuZog Eigürntj. .iv d' aviü>
0f'p,«?/ nöi-ig 'Ei.h'jVüiv QQtjlxwr, f'i 6h
Xa/.äazgtj, nö'/.ig Offtiixiot:" —zgaßtuv öe
iv cßööfitj Maxedoviag «rr;))' xu>.h.
Besonders auÖ'allend sieht die Aufzählung der Städte der Landschaft Sithonia
aus. Von den fünf Städten, die dort genannt werden. Torone, Galepsos, Mekyberna,
Sermyla und Olynthos, bezeichnet .Stephanus drei als aus Hekataios entnommen, und
die andern beiden, Torone und Olynthos, werden von ihm genau iu derselben Weise
als Städte Thrakiens bezeichnet, ohne dass ein Autor genannt wird. Infolgedessen
können wir mit Bestimmtheit annehmen, dass Stephanus seine Angaben über diese
beiden Städte derselben Quelle verdankt, also auch der Periegese des Hekataios.
Herodot hatte also in Hekataios einen Vorgänger, dessen Beschreibung er zu
einem solchen Berichte, wie er uns in VH. 122 if. geboten wird, aufs beste verwen-
den konnte.
Hasdrubals Marschziel im Metaurus-Feldzuge.
Von X. Ynlic.
Wie es mir scheint, hat K o n r a d L e h m a n n in seinem Aufsatze Zur Gc-
scliichte der Barkiden. H (Klio X, S. 363 ti'.) •) erwiesen, dass nach Livius Has-
drubal sich mit seinem Bruder in ümbrien westlich von Apenninen zu vereinigen
die Absicht hatte. Die Argumente, die gegen diese Ansicht seitens einiger Gelehrten
1) Vgl. noch darüber: E. Dehler, Der letzte Feldzttg des Barkiden Hasdrid>al
und die Schlacht am Metaurvs. Berlin 1897 (Besprechung dieser Studie durch H.
Nissen in Zeitschrift für das Gi/nuiasialivesen 1897, S. 534 ff.). K. Lehmann,
Die Angriffe der drei Barkiden auf Italien. Leipzig 1905 (Besprechungen des letzten
Werkes von: Siegler Schmidt in Liter. Beiblatt z. Militär- Wochenblatt 1905,
Sp. 831 f.. R. Dehler in Zeitschr. f d. Gi/mnusialwesen Jhg. LX (1906) : Jahres-
her. d. philol. Vereins S. 28 ft". und in Berliner philologische Wochenschrift 1906, Nr. 3,
Franz Luterbacher in Neue philologische Bundschau 1907, Nr. 16, .J. K r o-
mayer, Göttingische gelehrte Anzeigen 1907 S. 446 ff).
MiUcihimjcu ini<l Ndilirichtcn. 385
erhoben worden sind, fallen, filauben wir. weg, naehdem Lehmann uns gezeigt hat,
dass nach Livius der Küstenstreifen bei Sena nicht zu Umbrien sondern zu Galtia
gehörte (Liv. XXVII 44,2: cuiisuhm [Neronem] in Litcanos oMendisse itei; cum in Pi-
cemim et Galliam pctcret. 46,10: (jiti prolatundo .spatium hosti det. eum et itla castrri
prodere HitnnihaU et nperire in G a1 1 i it m Her, ut per ntiiiw, ulii reHt. Handrulmli
[bei Sena] voniumjatur. XXVIII 9, 12: ilhmi equitem [sc. Neronem] aieimnt . . . cum
Haitdruhule in Gallia signix coniatis pugimsse). Wenn es dem nicht so wäre, könnte
man Livius' Worte : (Nero) patres cotixcriptos . . . edocet. ut, cum in Umbria se occurisurum
Hasdruhal fratri scribat, . . . exercitum urbanum ad Narniam Jwsti npponant (XXVII
43,8 — 9) wohl auch so erklären, wie es Luterbacher mit den Worten tut: ,Nero . . .
meinte, wenn die Römer wider Erwarten gesehlagen würden und Hannibal .sich mit
Hasdrubal verbinden könnte, müsste man ihnen den Übergang über den Nar und
den Vormarsch gegen Koni verwehren" (S. 368). Livius' Worte für sich könnten
zwar auch diese Bedeutung haben, trotz Lehmanns Widerspruch': ,Aber das heisst
doch, die klare Quelle trüben. Denn als Grund für Neros Vorschlag, die Stadtle-
gionen bei Narnia aufzustellen, wird doch nicht die Möglichkeit einer Niederlage
der konsularischen Heere und einer Vereinigung der punischen Heere an der Ost-
küste Italiens hingestellt, sondern schlechthin die unmittelbare Absicht Hasdrubals,
in Umbrien mit seinem Bruder zusammenzutreften' (S. 369). Wenn aber nach Li-
vius die Küste bei Sena nicht zu Umbrien gehörte, so ist es unzweifelhaft, dass
der Plan Hasdrubals nach diesem Autor nicht der war, sich mit dem Bruder
in dieser Gegend, sondern westlich der Apenninen zu vereinigen.
In diesem Punkte müssen wir Lehmann durchaus beistimmen. Natürlich folgt
aber daraus nicht die historische Tatsache, dass Hasdrubal wirklich diese Absicht
hatte. Denn es ist entfernt nicht alles wahr, was uns Livius erzählt. Und einige
von den Argumenten gegen diese Version, die moderne Kritiker vorbrachten,
sind, wie es scheint, nicht zu entkräften. Dass Livius auch speziell in der Geschichte
vom Hasdrubalszuge nicht unbedingt zu folgen ist, zeigen uns vielleicht Polj'bios
Worte: 'PiofiuXoi 6i t;} i««/?/ xnxogxiwaavTfq nagavtlxa ftiv xbv ■/ Aqk xu Siri^nuüpv
Tüiv vnfvurtiiov, xal no?.?.ovi ftiv r&v Kf).xü>v tv xulq axißäat xoifttofthvnvq dta xijv fte-
&rjr xctxtxonxov (11. 3, 1). Dieselben sind schwer mit Livius' Darstellung vereinbar,
nach der Hasdrubal kaum dies Lager aufschlagen und die Gallier sich betrinken
konnten (obwohl es nicht gerade unmöglich ist). Gegen Livius' Version über das
Zusaramentretfen der Karthager in Umbrien könnte man auch die Tatsache anführen,
dass Hasdrubal den Metaurus überschreitet und an der Küste entlang bis nach Sena
vordringt. Denn wenn er nach Umbrien und nach Narnia marschieren wollte, wäre
es am natürlichsten gewesen, dass er die Via Flaminia benützte, die er aber über-
schreitet. Selbstverständlich aber wäre ein solcher Beweis nicht zwingend, da man
annehmen könnte, dass Hasdrubal den Metaurus in der Absicht passierte, um erst
den Salinator zu schlagen und dann zu seinem Bruder nach Umbrien zu eilen.
Wenn aber Lehmann bezüglich der Frage, wo sich Hasdrubal nach Livius
mit Hannibal vereinigen wollte, wie es uns scheint, unzweifelhaft Recht hat. so kann
man in der Frage, was Hasdrubal nach Livius für eine Absicht mit seinem Rück-
zug vor Salinator und Nero hatte, wohl mit ihm streiten. Lehmann meint, dass es
nach Livius dem karthagischen Feldherrn, als er von Neros Ankunft erfuhr, so
bange wurde, dass er seine feige Flucht zum Metaurus sogleich antrat und dass er so-
gar in die Poebene zurückgehen wollte (Zonaras). Das dem aber nicht so war, wie Li-
vius berichtet, meint Lehmann, ausser aus anderen Gründen, aucli daraus zu er-
schliessen, dass Appian über den Zweck von Hasdrubals Rückzug ganz anders sich
ausdrückt, nämlich sagt, dass der Karthager in der Absicht abzog, um •^i'-h mit
seinem Bruder zu vereinigen.
386 _JI/tfeiln)i(/c)i Kud Nachrichten.
Doch ist in dieser Argumentation mancherlei vielleicht nicht einwandfrei. So
ist es gar nicht unglaublich, sondern im Oegenteil ganz natürlich, dass Hasdrubal,
als er das Eintreffen Neros im feindlichen Lager feststellte, über das Schicksal seines
Bruders beunruhigt wurde. So zu sagen selbstverständlich musste er auf die Idee
kommen, dass Hannibal vielleicht eine nicht unbedeutende Niederlage erlitten, und
die Worte des Livius : 2ifofecto haud mediocri clade absterritum iuseqiii non ausum.
magno opere vereri, ne perditis rebus serum ipse auxilmm venisset, Eomanisque eadem
iam foiiuna in lialia gitae in Hispania esset, interdum litteras suas ad eum non per-
Denisse credere, interceptisque iis consiilem ad sese opprimendwn accelerasse können
keinen Anstoss erregen. Am wenigsten spricht gegen Livius' Schilderung des psy-
chischen Zustandes Hasdrubals der Umstand, dass dieser ein tüchtiger Feldherr war
(Polyb. 11,2,1 — 10: 'Aaöpoißng dh y.ul jov nQO tovtov -/qovov Kai xaxa tov ia/arov
xaiQov nviiQ nyaübt yfvöufvng. Liv. XXVII 44, 5 : mmc . . . dtios prope Hannibales in Ita-
lia esse, quippe et Hasdrubalem patre eodein Hamilcare genitum, aeque impigrum ducem.
Vgl. auch c. 49, 3 — 4). Er ist in Wahrheit ein tapferer und ausgezeichneter Soldat :
die Tatsache aber, dass Nero, der auf dem anderen Ende Italiens gegenüber seinem
Bruder sich befinden soll, plötzlich vor ihm erscheint, muss ihn in Sorge versetzen.
Von einem panischen Schrecken aber, der uns Hasdrubal als einen Feigling zeigen
würde, ist bei Livius keine Rede. Er sagt nämlich nur his an.rius curis. Wenn
man aber dies daraus entnehmen will, weil der Rückzug nicht ganz in Ordnung
ausgeführt wurde, so muss mau in Betracht ziehen, dass bei Livius die Hauptursache
die Flucht der Führer ist. Übrigens ist Appians Beschreibung dieses Rückzuges
der des Livius vielfach ähnlich, und so würde auch diese Quelle von einer feigen
Flucht reden, was Lehmann nicht gestattet. Denn nach Appian marschiert Hasdrubal
TtfQi e'hj y.ttl Ts?./naza y.ul noiußbv ovx fvixo^ov. was darauf hinweisen könnte, dass
er keine Führer hatte, und mit Livius' Worten fessiqiie aliquot somno ac rigiliis ster-
nunt Corpora passim könnte man das Appiansche o\ 'Pw^aloi xuTai.aßövzfq «rrorc
öifQgißfitrovg t5 xal xex.u>ix6Tag ivr' ny(>vjivi'a: xai xönov vergleichen. Was endlich
Zonaras betrifft, so ist zu bemerken, dass seine Worte vjionzevaas oiv fizir/at^at xbv
^Avvißnv xal nno>.sa9ai, nfQiövzog yaQ exfirov oix uv in uizov ÖQ/xr/aai zov iN'totui'a
iloyl'C.fZO, iyvw n q b q r ovq FaläraQ anavaywQTfaai (IX 9, 433 C) nicht unbedingt so
zu deuten sind, dass die Karthager bis in die Poebene fliehen wollen. Ja Lehmann
selbst hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass auch die Küste mit Ariminum, Fanum.
Sena bei Livius zu Gallia gehörten. Sollte uns auch das was Zonaras zufügt: xiil ixH
xa nfQi xbv u6i'/.(f:bv rixgißwauaftat xal ovxw xaza oyo'/.i^v ■jioXiuTiata nicht darauf hin-
weisen, dass er von diesen Galliern, nicht von denen der Poebene, spricht? Um
nämlich Auskunft vom Bruder zu erhalten, ist es nicht notwendig so weit zu gehen.
Ausserdem ist, wie Lehmann bemerkt, ,die Darstellung bei Zonaras wenig belang-
reich, denn sie bedeutet offenbar nur eine weitere Ausgestaltung und konsequente
Formulierung der durch die livianische Darstellung hervorgerufenen Auffassung von
Hasdrubals angeblichem fluchtähnlichen Rückzug" (p. 365).
Worauf es mir aber hier besonders ankommt, ist die Hervorhebung der Tat-
sache, dass man zwischen dem. was man aus Livius über den Zweck Hasdrubals
Rückzuges schliessen kann und dem was darüber Appian sagt, keine Diskrepanz
annehmen muss, und dass folglieh die Worte Appians ö <5' ovnio uäycoBat xfxQixwc,
a?.).a zä) n6s>.(fü) avvfi.SHi' inetyöftfvog, iiifyünjfi von keiner so grossen Bedeutung
sind, wie Lehmann annimmt. Aus Livius folgt gar nicht, dass Hasdrubal, als er
aus seinem Lager auflarach. den Gedanken, sich mit Hannibal zu vereinigen, aufge-
geben hatte. Es ist ganz natürlich, dass er weiter daran denkt. Denn er ist nicht
sicher und kann es auch nicht sein, dass sein Bruder vernichtet wurde, und so braucht
er nicht die Hoffnunsr zu verlieren, sich mit ihm zu vereinigen. Seine Absicht, als
M/ffc/liiiu/eii 1111(1 Ndchrirhtcn. 387
er zum Metaunis zieht, muss also auch nach Livius. ebenso wie bei Ai)|)iaii, dahin
gehen, sich mit dem Bruder zu vereinigen. Man könnte aber annehmen, dass doch
eine Diskrepanz zwischen diesen Quellen besteht. Man könnte denken, das.s nach
Livius Hasdrubal nicht direkt, nicht sofort zum Bruder eilen will, was nach Ap-
pian der Fall wäre. Dies ist aber nicht unbedingt nötig. Es ist wahr, man könnte
glauben, dass Livius ebenso wie Zonaras dachte, Hasdrubal werde sich zuerst zu den
Galliern zurückziehen, um hier Auskunft vom Bruder zu erhalten. Doch steht auch
nichts im Wege anzunehmen, dass er meinte, der Karthager gehe direkt zu Han-
nibal. Livius sagt über den Zweck gar nichts und so sind beide Interpretationen
zulässig. Was aber wichtiger ist, es sind vielleicht auch die Worte Applaus in dem
Sinne der Angabe des Zonaras zu erklären. Man verbindet nämlich innyouivoQ mit
T<ü ndfhpm avvfXSHv, also , eilte, sich mit Hannibal zu vereinigen". Könnte man
aber nicht das Wort mit dem folgenden inf/vinn verbinden, was eine andere Be-
deutung dem Satze geben würde: , Hasdrubal meinte, dass noch nicht die Zeit sei,
mit den Römern sich zu schlagen, sondern glaubte, er solle sich zuerst mit dem
Bruder vereinigen, und so eilte er davon"? (^wohin? das wäre nicht gesagt).
Wie man sieht, sind wir gar nicht berechtigt anzunehmen, dass nach Appian
Hasdrubal von Sena direkt zu Hannibal, also nach ümbrien, vorrücken wollte. Es
ist sogar nach dem, was vorher diese Quelle erzählt, unmöglich, dass der kartha-
gische Feldherr diesen Plan hatte. Denn er weiss nicht sicher, dass Hannibal seinen
Brief, in dem er ihm mitteilte ihm entgegenzukommen, erhalten hat. und die plötz-
liche Ankunft von Nero musste ihn in Zweifel versetzen, ob Hannibal kommen werde.
Wenn es aber nicht unzweifelhaft war, dass sein Bruder ihm entgegenkomme, so
wäre es natürlich eine grosse Torheit gewesen, in der Richtung nach Narnia zu
gehen; ein Feldherr seines Schlages würde nie so viel riskieren.
Wir sind natürlich nicht imstande zu sagen, was Hasdrubal nach Neros Er-
seheinen getan hat. Nach Polj'bius ist er vielleicht (s. oben) in seinem Lager ge-
blieben. Wenn er aber davon abging, war es das Natürlichste, dass er den Me-
taurus überschritt, hier unter dem Schutze des Flusses und im befreundeten Lande
daraufwartete, Nachricht über Hannibal zu erhalten, und erst dann sich über weitere
Schritte entschied, wie Zonaras sagt.
Belgrad.
Definitio und defensio.
In meinen Siitdiex zur Geschiclite dex rimischen Kolonates S. 383 ff. habe ich auf
Grund einiger afrikanischer Inschriften, der Agrimensoren, der Glossarien und einiger
mittelalterlicher Quellen die Bedeutung der Termini definitio und defenfio festzu-
stellen gesucht '). Es schien mir, dass beide Termini gleichbedeutend sind und ich
dachte mir .die defensiones und definitiones als grössere Komplexe von silvestria
und palustria, welche in den Neuländern, wie Mauretanien, als grössere Stücke ter-
miniert und als Einheiten, als ganze Territorien behandelt wurden" (S. 384).
Eine schöne Bestätigung dieser meiner Ansicht bringt jetzt eine vor kurzem
von Jalabert publizierte Felseninschrift aus dem Liban-). Die Inschrift gehört zu
einer grösseren Serie von Felseninschriften, welche von Renan (Missicm 278) zuerst
in grösserer Anzahl gesammelt und gründlich erörtert -worden sind. Sie enthalten
alle den Namen des Kaisers Hadrian, dann die meist abgekürzten Worte a(rborum)
1) Merkwürdigerweise finde ich im Thesaurus linguae latiiiae sub. v. definitio
keine Verweise auf unsere Inschriften, obwohl unter defensio dieselben zitiert wer-
den und dabei auf definitio verwiesen wird.
2) Melanges de la Faculte Orientale de l'ünirersite de Bci/routh IV, 1910, S. 209 ö'.
6
388 Mittiilutiihu kikJ Xacliricldcn.
g{enera) IV c{etera) pirirata) (bzw. eine bis jetzt unerledigte Abkürzung TIC oder
VIG). die Sigle DFS und eine Numraer entweder I bis XVII oder C bis DCCC. Nicht
alle Inschriften enthalten alle diese Elemente. Die Sigle DFS und die Bedeutung
der Nummer blieben bis jetzt unerklärt. Nun lautet die neue Inschrift im}}{eraforis)
H(id{riam) Äug{usti) defiiiitio silrariim. Man sieht also, dass einer der Zwecke der
Inschriften darin bestand, die Wälder der durch sie bezeichneten Region als kaiser-
liche definitio in Anspruch zu nehmen. Dasselbe bedeutet auch augenscheinlich die
Sigle DFS. Dies hat Jalabert zwar gesehen; er gibt aber eine nicht richtige Auf-
lösung der Sigle : er meint, es stände hier d{e)f(initio) s{iJvarum). Nach dem in meinem
Buche über definitio und defensio Gesagten erscheint es mir sicher, dass auch im
Liban die Worte definitio und defensio promiscue gebraucht wurden und dass es viel
einfacher ist die Sigle DFS zu d{e)f(en)s{i()) aufzulösen.
Doch waren die defensiones und definitioncs im Liban eigenartig. Es scheint,
dass Kaiser Hadrian nur vier Baumarten für den Fiskus reserviert (s. Veg. IV, 34),
die übrigen Bäume aber den Privaten zur Ausnutzung überlassen hat. Dass der
Akt Hadrians den Zweck verfolgte, die früher privaten Wälder dem Fiskus, wenig-
stens zum Teil, zuzuschlagen, scheint mir unmöglich. Es ist kaum daran zu zweifeln,
dass die grossen Wälder Libans seit undenklichen Zeiten Königs- resp. Staatseigen-
tum waren und es wäre unerhört eine so gewaltige Expropriation, falls die Wälder
Privaten gehörten, zustande zu bringen. Der Zweck kann also nur ein anderer
sein und zwar der entgegengesetzte. Wie anderswo — in Afrika, in Spanien, in
Griechenland — wollte Kaiser Hadrian den privaten Wohlstand, soweit es ging,
heben und der privaten Initiative die weiten Strecken des Staatsbesitzes öffnen.
Diesen Zweck verfolgten seine Agrar- sowohl wie seine Bergwerkgesetze, diesen
Zweck verfolgte er auch im Liban. Die grossen Wälder teilte er in verschiedene
Serien, je nach der Beschaffung der einen oder anderen Parzelle (dies bedeuten die
Nummern) ein. reservierte überall für sich vier Arten der Bäume, welche für den
Schiflljau nötig und besonders geeignet waren, überliess aber das übrige der pri-
vaten Okkupation und Ausnutzung. L'm die verschiedenen Parzellen als solche zu
bezeichnen . welche entweder okkupiert werden konnten oder unberührt bleiben
sollten, setzte er an verschiedenen Stellen seine Inschriften entweder mit der Sigle
AGR'CP oder ohne derselben ; was durch diese Inschriften nicht bezeichnet wurde,
wird wohl der freien Okkupation überlassen worden sein.
Die Einmeisselung der Inschriften geschah wohl auf Grund eines besonderen
Gesetzes, welches für die Wälder Libans dieselbe Bedeutung hatte wie die lex de
rudibus agris für Afrika und die hx metalUs dicta für die spanischen Bergwerke.
Natürlich geben uns die oben behandelten Inschriften nur ganz schwache Andeu-
tungen über den Inhalt dieses vorauszusetzenden Gesetzes.
Petersburg. M. R o s t o w z e w.
Zur Grabschrift des Bischofs Eugenios von Laodikeia Katakekaumene.
Von Adolf Wilhelm.
Auf einer Reise durch Lykaonien hat W. M. Calder in Ladik im Jahre 1908 die
Grabschrift des Bischofs Eugenios von Laodikeia Katakekaumene wieder entdeckt,
die bis dahin nur durch eine Abschrift aus Marinis Sammlung, von Sir W. M. Ramsay,
Cities and bishoprics of Phrygia I p. 543 herausgegeben, bekannt und irrig Laodikeia
am Lykos zugeteilt war (Expositor VII. ser., VI 38-5 ff.). Im nächsten Jahre hat
Calder bei einem neuerlichen Besuch des Ortes den Stein im Vereine mit Sir W. M.
Ramsay, der ihn alsbald in derselben Zeitschrift VII. ser.. VI 409. 546 besprochen
hatte, und Miss A. M. Ramsav genauer untersucht und nunmehr in der Klio X 232
Mitteilmific» kikI Xarhriclitoi. 389
in einem Bericlit über seine Reise .round the Proseilemmene" ein vortreffliches
Faksimile veröffentlicht. Eine ausführliche Behandlung der durch ihre geschicht-
lichen Angaben ungemein wertvollen Inschrift, die mittlerweile auch von E.
Preuschen in der zweiten Auflage seiner Anaketn. Kiirsere Texte zur Geschichte der
alten Kirche und deii Kanon 1 149 abgedruckt worden ist. wird für ein späteres Heft
der Klio versprochen i ich will daher nicht zögern einige Berichtigungen zu ihrer
Lesung vorzulegen. Mit Ausnahme der drei letzten Zeilen ist der Text durchweg
gesichert. In diesen stören einige Lücken, die mir bisher nicht richtig ergänzt scheinen.
Der Bischof sagt nach W. M. Calders und W. M. Ramsays sehr zuversichtlich vor-
tragener Lesung:
1 M{ÜQXog) 'Iov{}.tog) E^[J'^']^•(0? xi}..
11 xai ßovi.fjOti zov narioxiMTopos 9(ov inlaxono:
xaxnazaihi: xal fi'xoai nivif o/.ot: sxtotv tljv ^niaxoni/V
fiezä 7to?.).T/: iTtiTiiulac öioixiqaug xai Tiäaitv tj/T ixhioiuv
fii'Oixoöoftijoa: hnö QfftO.ituv xal oirnavxa zbv mgl atzi/v
15 xöauov toi't' ioztv azoCov zs xai ZfXQaaxöwv xal
i^tuyga(piü)v xai xfvxi'jofwv xai väpelov xal tiqotivXov xai nnoi xoTg
?.t&o§o'cxoTg iQ-yoiq xal :i[«it]«; (sie) anXib (sie) xaxaaxfvd[aag /.iU'0fte]v6g
Ze tOV XibV äv&OWTl (UV
ßiov inohjaa iuavxib ni\}.ja zi\ xai aopdv h- 5 zä [^]&o[ys-
/««,«,««•«] xaiza tnotrjaa iniyp{ä)<f{f)iy i-
ig zifjtßov i]uov xiig ze ix[/.oyrig r'in]d zov ytvovg ,uov.
Wie ich dem Entdecker der Inschrift nach dem Erscheinen des Heftes der Klio
mitteilte, ist am Ende der vorletzten Zeile €TTir P<t)|se nicht iniyi>(u)<f>{i)iv e-
(mit einer auch sehr auffälligen Abteilung) zu deuten, sondern e:tiy(){u)if.hs oder viel-
leicht iniy[a]p(fTff, da zwischen T und P die geschwungene Linie der Einfassung der
Inschrifttafel läuft, vermag ich nicht zu sagen, ob die beiden Buchstaben ihretwegen
in grösserer Entfernung stehen, wie P und 0) in der vorangehenden Zeile, und A fehlt
oder in dem Zwischenräume ein zerstörtes oder in der Abschrift nicht berücksichtigtes
A gestanden hat. Für die Umstellung des Rho in dem Worte bringen K. Dieterich.
Untersuchungen zur Geschichte der griechischen Sprache S. 110; W. Crönert, Memoria
graeca Eerculanensis p. 81 n. 2; Edw. Mayser, Grammatik der Papyri I 190 Beispiele.
Sicherlich ist iTiiyorufriicu gemeint ; ganz ebenso sagt flelladios in der von mir wie-
derentdeckten, früher nur durch Fourmonts Abschrift CIG 10.51 bekannten Inschrift
aus Megara IG YII .53. Oesterr. Jahresh. II 236: tö tniy^auua zu»' iv zij> UfitaixA
no'/.ifiv) (hioäavövxwv xs xfiutviov ivxavQa »ypcutuy äno/.dfifvov 6s xö> -/qövw ' EUAdiog 6
äp/ifQfi-g i7iiypa<fr/vai iTinitjaiv ig xii/xiiv zihv xfi/jiivwv xal zr^g Tiii/.fu/g. Statt f[(*; zvft-
ßov h\uiiv ist ferner [f /; xda]itov zu lesen : allerdings ^rird angegeben, dass zu An-
fang der letzten Zeile neun Buchstaben fehlen, doch ist es keineswegs sicher, dass
der Raum vollständig ausgenützt wurde und die Zeile genau unter der vorangehen-
den einsetzte. Auf seine Ergänzung der folgenden Lücke zr^g zf ix[?.oyr/g n:t]ö zov
yh-ovg fiov .to be the tomb of myself and of the Elect from my race' hat Ramsaj-
Expositor VI ser., IX .53 besonderen Wert gelegt: .This is an e.\tremel}- interesting
reading. The txJ.oyi] is the coUective noun indicating the whole bodj' of ixXfxzoi:
'all who are selected, all the Elect". ,He belonged to a family some of whose mem-
bers were still pagan ; and he restricted the right of sharing his sepulchre to those
members who were Christians'. Ich zweifle nicht, dass statt r/7; zc ix>\oyTig rjjr]»
zov yhovg uov zu lesen ist, etwas kürzer und wie die Zeichnung lehrt, der Lücke
besser entsprechend: zT/g zf ix/lrioiag xi] zov yerovg fxov, mit einem Kappa ist ix'/.riOla,
wie auch sonst so oft, in Z. 13 der Inschrift geschrieben und die Spuren des O. die
8
390 Mitteilungen und XacJirichten.
W. M. Ramsaj' vor rnv yeyovc fiov entdeckte, werden vielmehr die eines € sein. Füi"
die Redensart, die ich so gewinne: [iti; xöa]fiov rijc te ix/.[tiaias xi] tov ysvovg ftov,
vrird. wer sucht, unschwer Belege finden ; ich begnüge mich, aus der Jobakchenin-
schrift SyUoge 737 Z. 8 de xöafiov xcd äö^av zoi Bux/ilov und aus dem Beschlüsse
der Assier ntgl tov ui/ yM&iaraaäui TtQaxzoiitti; Inscr. gr. rom. IT 259 Z. 7 xoa/tCov xb
iuvTOv ytroi anzuführen.
Gegen die Lesung T.[ävx\aQ (sie) im).ia (sie) xazaaxfvdaa: — 'an engravors error
for Tiiivr« (i7i>.wc\ sagt W. M. Calder Expositor VII. ser., VI 390 — in der drittletzten
Zeile spricht nicht nur, dass Trai-rac keine Beziehung bat. sondern auch, dass in der
Abschrift TT/ AZATTAW Sigma, sonst stets rund, in ungewöhnlicher Gestalt erscheint.
Ich habe in dem Z ein E, also n[äv U7i\aian/.üic. vermutet und war erfreut nach-
träglich, als ich von Calders Veröffentlichung in der Klio auf Ramsays erste Mit-
teilung Cilies and bishoprics of Phrygia I 2 p. 543 zurückging, diese Lesung da-
durch bestätigt zu finden, dass die Abschrift in Marinis Sammlung christ-
licher Inschriften Cod. Vat. Lat. 9072 p. 391 uiiciSan/.öj: als vollständig erhalten ver-
zeichnet. Irrig ist allerdings in dieser Abschrift, in der die zwei letzten Zeilen
und das Ende der drittletzten fehlen. TtaaCov hnacaTt/Mc xaxaaiäaouv gelesen worden,
als schlösse noch ein Glied im Genetiv an den Dativ nüai zols ?.i&oSoixotg (pyoig und
die Reihe der vorangehenden Genetive, während nun sicher steht, dass diesen nur
der Dativ xal näat zoTs h&oSoixoti; e^yoic folgt. Für solche Ausweichungen,
die allerdings häufiger zu Gunsten des Genetivs erfolgen, bringen Dittenbergers
Indices zur Sylloge p. 238 und zu den OGI II p. 728 Beispiele. Ob die Aus-
lassung des schliessenden Sigma in (;;r«|K.T/.io wie in den von E. Nachmanson in seinen
Beiträgen sur Kenntnis der altgriechisehen Volkssprache (Skrifter utgifna af K. Hu-
manistika Vetenskaps-Samfundet i Uppsala XIII 4) 18 erörterten Fällen als dissimi-
latorischer Schwund zu erklären ist oder wie in oi'ro und anderen von W. Crönert,
Memoria graeca EeraiJanensis p. 142 und Edw. Mayser. Grammatik der Papyri 242 ff.
besprochenen Adverbien und Präpositionen, bleibe dahingestellt.
Wien.
Römische Kolonien ohne Autonomie.
Ulrich Wilcken bespricht im neuesten Hefte des Arch. f. Pap.-Forsch. (V, 3
S. 433f.) einen von B. Haussoullier im Flohlegiiim Melchior de Vogiie 1910
S. 183 ff. edierten Pariser Papyrus, aus dem sich ergibt, dass von den Kaisern Seve-
rus und Caracalla in Kerkesucha (Faijum) angesiedelte Veteranen diese ihre Siedlung
als xoXwvla bezeichneten. Er bemerkt dazu : „Dass hier in Kerkesucha eine wirk-
liche Kolonie mit dem Recht einer Kolonie begründet wäre, ist natürlich ausge-
schlossen. Aber auch so ist die Anwendung des Ausdrucks im Munde des Veteranen
von Interesse. Sehr zweifelhaft ist. ob daraus folgt, dass diese Veteranengüter einen
zusammenhängenden Komplex bildeten. Bis jetzt ist wohl angenommen worden,
dass in Ägypten ebenso wie die x/J/^oi der Ptolemäerzeit, so auch die Veteranen-
güter der Kaiserzeit mitten zwischen den andern Aeckern zerstreut gelegen haben.
So möge dieser Papyrus zu neuen Untersuchungen über die ägyptischen Veteranen-
ansiedlungen der Kaiserzeit anregen".
Ausser dem neuen Papyrus kennen wir solche xoi.vniai in Aegypten :
in BGU. II 587 aus dem Faijum. Anfang der Regierung des Pius
und P. Oxy. III 653 vom Ende derselben Regierung").
Dazu kommt noch ein Giessener Papyrus den P. M. Meyer in P. Giss. I 3 Nr. 60
veröffentlichen wird. Er stammt aus dem Dorfe ya/fowi im Gaue von Heptakomia
1) Wilcken a. a. 0. S. 434. 1.
Mittc/liDiinii itiid Nitilniihiiii. 391
und gehört dem Anfang der hadrianischen Regierung an. Unter den Kategorien des
Staatslandes dieses Dorfes findet sich auch (Kol. III 5) die Rubrik yn/.oin'ag.
Wir haben also bis jetzt Material aus drei Gauen (Arsinoites, Oxyrhynchites,
Apollonopolites Heptakomias) und zwar aus der Zeit von Hadrian bis Septimius Seve-
rus. Die .Kolonien" liegen in Dörfern der betreffenden Gaue. Der Pariser Papj-rus
bringt die Gewissheit, dass die , Kolonien" durch Veteranenansiedlungen entstanden
sind. Wilcken betont mit Recht, dass keine wirkliche Kolonie vorliegt; vielmehr
trägt eine Veteranenansiedlung in der Gemarkung von Kerkesucha nur den Namen
einer Kolonie. Das Ägypterdorf besteht daneben weiter und die „Kolonie" von
Kerkesucha untersteht der Gauverwaltung genau so wie die einheimische Dorf-
gemeinde.
Wenn wir im Römerreich nach Ähnlichem Umschau halten, gibt es nur eine
Parallele zu diesem Sachverhalt: die rolonifie. die innerhalb der gallo-römisehen
Civitilten nachweisbar sind '). .allerdings sind hier bis jetzt ausschliesslich Vororte
der Civitäten mit Kolonien bekannt. Dass aber auch diese gallischen im Civitas-
Verbände verbleibenden , Kolonien" wenigstens teilweise durch Veteranenansiedlungen
begründet worden sind, beweist der Zusatz emerita, den die Kolonie im Vorort
(Aventicum) der Helvetier-Civitas trägt-). Ein Unterschied liegt wieder darin, dass
in Gallien auch die Peregrinen des Vorortes in die Kolonie rezipiert sind, also
eine vicane Gemeinde mit dem Titel colonia als Caput civitatis fungiert, während
in den ägyptischen Dörfern die Veteranenkorporationen ähnlich wie die conventus
civium Romanorum neben den Eingeborenen-Dörfern bestanden. Unterschiede blei-
ben also immerhin genug, die zum Teil wohl durch die verschiedene Rechtsstellung
von Gallien und Ägypten im Reidisorganismus, zum Teil auch durch die mindere
Qualität der ägyptischen Legionen hervorgerufen sind. Diese Unterschiede überragt
aber an Bedeutung die eine grosse Übereinstimmung, dass wir allein in diesen beiden
nichtstädtisch organisierten Ländern Kolonien, und zwar römische Börgerkolonien '),
vor uns haben, die im Verband der einheimischen Verwaltungs-
körper, in Gallien der civitas, in Aegyptendesvo/zö?, verblieben
sind, denen also die städtische Autonomie nicht zukommt.
In Gallien begegnen solche Kolonien etwa seit Claudius, mit gleichzeitiger
Veteranendeduktion erst seit Vespasian; für Ägypten haben wir Belege seit dem
Beginn der hadrianischen Regierung. Beim jetzigen Stand unseres Wissens hat da-
her die Ansicht viel für sich, dass in Gallien mit dem neuen Kolonialsystem, das
auf das altrepublikanische Schema zurückgreift^), durch Claudius der Anfang gemacht
worden ist und dass bald darauf, wahrscheinlich schon durch die Klavier mit
ihrer auf Ausgleich zmschen Provinzialen und Römern gerichteten Politik, die Über-
tragung nach der ebenfalls nichtstädtisch organisierten Provinz des Ostens statt-
gefunden hat.
Um diese Auffassung zu stützen, wird es nicht unangebracht sein, darauf hinzu-
weisen, dass noch einmal Galliens Vorbild auf die Weiterentwicklung der ägyjitischen
1) 0. Hirschfeld, S. Btr. Berl. Ak. 1897 S. 1099 ff., Klio VIII S. 466 ff.. E. Kor-
nemann. Zur Stadtentstehunfi in den ehemal. kelt.- und german. Gebieten des Römer-
reichs 1898 S. 37—46; hier habe ich S. 43 ff. gegenüber Mommsen und Hirschfeld
darzutun versucht, dass diese , Kolonien' römisches und nicht latinisches Recht ge-
habt haben.
2) Hirschfeld zieht hier nicht die volle Konsequenz, wenn er sagt {Klio VIII
S. 466): ,Von einer wirklichen Deduktion von römischen Bürgern kann bei allen
diesen (,Kolonien') nicht die Rede sein, selbst nicht bei Aventicum, wenngleich der
Beiname emerita auf Ansiedelung einer Anzahl von Veteranen hindeutet".
3) S. oben Anm. 1. — 4) Kornemann, B. E. IV Sp. .512 f.
10
392 Mitteilungen nnd Nachrichfen.
Nomenverfassung gewirkt hat'). In der Zeit zwischen 307 und 310 -) ist zum Zweck
der Steuererhebung, die damals das ausschlaggebende Moment für alle Reformen ge-
worden war, eine Ordnung nach pngi, mit jiraepositi payorum an der Spitze, erfolgt,
die stark an die Pagusordnung der gallo-römischen Civitas erinnert.
Wir werden immer mehr zu der Erkenntis getührt : neben der griechisch-römi-
schen Stadt war diese ursprünglich stadtlose gallo-römische Civitas eine Grundform
der kaiserlichen Provinzialverwaltung, die genau wie jene von den Caesaren propa-
giert worden ist. In ihr zuerst ist nicht nur das Sj-stem der kommunalen Teilge-
meinden (pagi) innerhalb der Samtgemeinde, sondern auch die Schöpfung römischer
Kolonien ohne Autonomie im Rahmen pei-egriner Verwaltungskörper zu Tage getre-
ten. Nach diesem Vorbild hat die Annäherung der ägyptischen Gauverfassung an
das im Reiche herrschende Munizipal-Schema stattgefunden. Neues Material auf dem
Gebiete der ägyptischen Veteranenansiedlungen wird uns hoffentlich noch tiefer in
diese Zusammenhänge hineinblicken lassen. E. K o r n e m a n n.
1) Vgl. zum folgenden meine Ausführungen bei Gercke-Norden. Einleitung in die
Alterlumswiss. III in dem Abschnitt , Ägypten und das Reich-.
2) Über den Zeitpunkt der Neuerung vgl. M. Geizer, Stud. zur bi/z. Vertcalty.
Ägyptens = Lpzy. liiM. Ahh. Xlll 1909, S. 57.
Uns liegt vor: OrienUilisches Archiv, Illustrierte Zeitschrift für Kunst. Kulturge-
schichte und VöUerl'unde der Länder des Ostens, herausgegeben von Hugo Grothe, 4".
Jahrgang I, 191*0/11. Heft 1 (Okt. 1910), 2 (Januar 1911) und 3 (April 1911). Als die
alte Geschichte berührend seien folgende Beiträge genannt: C. Gurlitt. Die Bauten
Adrianopels. — J. Strzygowski, Kara-Amid. — H. Grothe. Die Bevullcerungselemente
Persiens. — E. Fischer, Sind die Eumänen ein Balkanvolk^ — Heiur. Winkler, Die
mongoloiden Völker Europas und die Basken. Ausserdem bringt jedes Heft , Kleine
Mitteilungen" (in Heft 3: Die Ausgrabungen zu Abi/dos und die Frage der prädyna-
iischen Gräber) und eine , Literaturtafel".
Personalien.
Am 9. März 1911 ist Otto Puchstein, Generalsekretär und Vorsitzender der
Zentraldirektion des deutschen archäologischen Instituts, im 55. Lebensjahr gestorben.
Der Tod dieses auf den Randgebieten griechisch-orientalischer Kunst und Kultur
bahnbrechenden Forschers trifft die Wisscnschft besonders schwer. Nachdem Ernst
Fabricius, ord. Professor der alten Geschichte in Freiburg i. Br., den Ruf ab-
gelehnt hat, ist Hans Dragendorff. Direktor der röm.-germ. Kommission zu
Frankfurt a. M., zum Nachfolger Puchsteins ernannt worden.
Am 12. März 1911 starb Dr. L e o p o 1 d M e s s e r s c h m i d t, Kustos der vorder-
asiatischen Abteilung der Kgl. Museen zu Berlin, der Herausgeber des Cor2nis in-
scriptionum liettiticarum.
K u n o Meyer, bisher ord. Professor des Deutschen und des Keltischen an der
Universität Liverpool, wurde als Heinrich Zimmer's Nachfolger als ord.
Professor für keltische Philologie an die Universität Berlin berufen und wird
dem Rufe im kommenden Winter-Semester Folge leisten.
John Linton Myres, ord. Professor der griechischen Sprache und Lite-
ratur au der Universität Liverpool und A'ertreter der alten Geographie an deren
archäologischem Institut, ist einem Rufe als Professor der alten Geschichte an der
Universität Oxford gefolgt. An seiner Stelle ist C. F. L e h m a n n - H a u p t, bis-
her a. o. Professor der alten Geschichte an der Universität Berlin, als ord. Pro-
fessor an die L'niversität Liverpool berufen worden.
11
393
Modrene, IWodroi und Galliis.
(Nebst Bemerkung-en über die Nordgrenze von Phryg-ia Epiktetos
und die Lage der bithynischen Bistümer.)
Von Joli. Solch.
Seit jeher geiiürte die Frage, wo die Orte Modrene und Modroi zu
suchen .seien, ob sie nieht überhaupt vielleiclit identisch waren und wel-
cher Fhis.s im Altertum den Namen des (bithynischen) Galhis *) führte,
zu den schwierigsten Problemen der historischen Geographie. Vor allem
handelte es sich dabei stets darum, ob man mit Gnllus einen rechtsseitigen
oder einen linksseitigen Nebentluss des Sangarius bezeichnet hat. Denn
unter den Nebenflüssen dieses Stromes, die vom Altertum am wenigsten eiii-
l'ach mit Stillschweigen übergangen worden sein dürften, kommen im bi-
tbynisclien Lande nur zwei in Betracht: der Mudurnu-tschai. der sich von
Südosten lier (rechts), und der Göktsohe-su. der sich von Südwesten her
(links) in jene Hauptentwässerungsader des nordwestlichen Kleinasien er-
gießt. Der Mudurnu-tschai mündet ungefähr östlich von Nikomedeia. der
Göktsche-su östlich von Nikaia ^). Diesen hat schon Leake 1824 dem
Gallus gleichgesetzt ^), ihm ist Ramsay auf Grund weitei'er Ausführungen,
mit denen wir uns daher eingehender werden zu beschäftigen haben, ge-
folgt *), und auch Kiepert hat sich, nach anfangs andrer Meinung, dieser
Ansicht angeschlossen ^), während Perrot ") und zuletzt Diest. dieser mit
einem besonders gewichtigen Argument, den alten Gallus im heutigen
Mudui'nuflusse erblickten ').
Die älteste Nachricht über den Gallus enthält Strabos Ei-dboschrei-
bung bei der Besprechung des Sangarius (XII 54:3). Dieser durchströmt
nach ihm „den grösseren Teil von Phrygia Epiktetos. aber
1) Dieser Gallus ist natürlich von anderen gleiclinamigen Flüssen, zumal jenem
von Pessinus, streng zu scheiden. Was Modroi anlangt, vgl. Kadoi, Azanoi u. a.
Forbiger dagegen in Langenscheidts Klassikerbibl. u. a. übersetzten Modra.
2) Vergl. hier und für die folg. Ausführungen überhaupt R. Kieperts Karte von
Kleimisien 1:400000. die Bl. Constantinopel. Brussa und Angora.
.3) Journal of a Tour in Aaia Minor. Lond. 1824.
4) The Historical Geograph;/ of Asia Minor. TiOnd. 1890.
5) Text zu den form, ocftis ant.. tab. IX.
6) Exploration archeolog. de la Galatie et de la Bithi/nie. Paris 1862 — 72.
7) Von Tilsit nach Angora. Peterm. Mitt. Ergh. 12.5.
K 1 i o , Beiträge zur alten Geschichte XI 4. 26
1
394 Joh. Solch,
auch einen Teil von B i t li y n i e n . so d a s s er von X i k o ni e-
d e i a wenig über dreihundert Stadien entfernt ist, in
der Gegend, wo der zu M o d r o i in P h r 3* g i e n am Helles-
pont entspringende Gallus mit ihm zusammenfällt"
[öie^eiai öi t»]s inixvrjTOv 0Qvyiag Tijv nXeiu), negog öe %i xal T/]g Bi-
d'vviac. cüGTS y.ai t;/c Niy.ofiiiÖEiac aTiixeiv fitXQÖr nXeiovg i] TQiaxoaioi'g
aradiorg, y.a^' S avfißd/J.ei noratiög cedTco FäZZog ix MöÖqmv rag ÖQ^üg
excjv rijg i(p' 'EZh]anövjct) 0Qvyiag), und er fährt dann fort: „Dieses
Phrygien aber ist einerlei mit Epiktetos und früher besassen es die Bi-
thyner. [So] aber vergrössert und schiffbar geworden, obgleich seinerzeit
unbescbifift. bildet der Sangarius an seiner Mündung die Grenze Bithyniens"
[avxi] ö' tarlv 1) avrij ti] iniy.Ti]TCo y.a) tr/ov amijv 01 Bi&vvoi ngöts-
Qov. av^t]^eig öe y.al yeröfisvog nloirög. y.aijreQ 7id?xu änXonog oh', xijv
Bi&vi'iav ÖQt^ei TiQÖg raig fy.ßo/.aig. Strabonis (Joiyrdplika. Kec. A. Mei-
neke. Bibl. Teubn. vol. II 1877). Diese Beschreibung des Sangarius dm'ch
Strabo ist weit genauer als die Angaben, die uns Plinius in seiner Nafxr-
gescJiiclite über den Sangarius und dessen Nebenflüsse bietet: oritur in
Phri/ffia, acdpH vastos anines inter quos Temhrogium et Galhtni, idem Sagi-
arius plerisque dictiis '). Hier also nichts von einer Andeutung über den
Lauf des Gallus. nichts von Modi-oi. .Ja wahrscheinlich meint Plinius mit
diesem Gallus den galatischen FIuss, den er schon V 147 erwähnt hat.
Ptolemäus kennt den Gallus überhaupt nicht, erwähnt aber dafür einen
Ort rd^hy.a und führt, landeinwärts gehend, drei Kniee {encazQoqjdg) des
Sangarius an ^). Erst Amraian enthält wieder eine, und zwar ungemein
wichtige Bemerkung über den Gallus und Sangarius. die wir uns noch
genauer ansehen werden (s. u. S. 403 ff).
I. Will man hier zu einem halbwegs zusagenden Resultat kommen,
so muss man naturgemäss vom Bekannten zum unbekannten fortschreiten
und dabei stets auf die Glaubwürdigkeit unserer alten Gewährsmänner im
allgemeinen sowie einzelner ihrer Angaben im besonderen prüfend Rück-
sicht nehmen. Von den verschiedenen geographischen Namen, die wir eben
kennen gelernt haben, sind unbedingt sichergestellt bloss drei : der Sanga-
rius. der Tembrogius — das ist der heutige Pursak (= tschai[Fluss]). im
Altertum auch Tymbres geheissen — und Nikomedeia. Im Vordergi'unde
des Streites dagegen stehen der Gallus und Modroi. auch Gallika ist noch
nicht fixiert. Aber auch über die Ausdehnung von Phrygia Epiktetos.
speziell über den ^ erlauf von dessen Nordgrenze, deren Kenntnis für die
Lösung unsres Problems ungemein wertvoll wäre, sind wir nicht hinrei-
chend unterrichtet. Immerhin gewährt uns gerade Strabo dafür einige
1) Nat. liist. (Ausg. d. geogr. Bücher v. Detlefsen) VI 1 (oder die Ausg. v. C. May-
hofF, Bibl. Teubu. vol. I. 1906).
2) Claud. Ptol. geoyr. Ed. C. Müller. (Pariser Ausgabe) vol. I pars II 1901, V. 1, 3.
MiithT)ic. M(iilri>> Hwl (idlhis. 39")
Aiili;iltsp\ml<to: \i)ii dieser Seite lier also soll die Untersiicliuii;; iliriii Aus-
gang nehnion.
Die Aiigal)cii. die uns Strabo dei' ifeiiie iiacii liietet. sind tolgenrie ') :
1. Bitbyiiieu begrenzen im Osten die Papblagonier und Maryan-
dyner. auch ein Teil ilev Epikteter usw., gegen Süden Mysien
und das sogenannte Pbrygia E ]) i k t o t o s. welches auch das llelles-
pontische Phrygien heisst (563).
2. Von Prusias. dem Neubegründer von Kios, sagt er: , Dies ist jener
Prusias, der den nach der Niederlage des Antiochus dortiiin flüchtenden
Hannibal aufnalini und den attali.schen Königen infolge eines Vergleichs
Phrygien am Hellespont einräumte, das früher Kleinphrygien
hiess, während es jene Epiktetos benannten" (563).
3. Prusa liegt am Mysischen Olymp, sowohl den l'iirygern als
auch den Mysern benachbart (564).
4. Wohl ist es schwer, die Grenzen der Bithyner, Myser. Phryger
usw. genau zu bestimmen, doch ist Mysien zwischen Bithynien und der
Mündung des Aesepus zu suchen, so dass es das Meer berührt und fast
bis zum ganzen Olympos reicht. „Ringsumher liegt im innern
Land Epiktetos. welches sich, ohne irgendwo das Meer zu berühren,
bis an die östlichen Teile des Sees und der Landschaft Askania er-
streckt" (564).
5. Südlich von den Bithynern sind die um den Olymp her wohnen-
den Myser (welche einige Olympener, andere aber Hellespontier nennen),
und Phrygien am Hellespont, südlich von den Paphlagonern aber
die Galater (566).
6. Die Tolistobogier (einer der drei Galaterstämme) grenzen an die
Bithyner und das sogenannte Phrygia Epiktetos (567).
[Hier also wird erst erwähnt, dass an Bithynien auch Galater an-
grenzten, während eine diesbezügliche Bemerkung bei der L^mgrenzung
Bithyuiens fehlt; s. sub 1].
7. Grenznachbarn der BithjTier gegen Süden sind, wie schon gesagt,
die Myser am sogenannten Mysischen Olymp und die Phryger'^). Jedes
dieser Völker aber ist zweifach: denn Phrygien heisst einesteils das Grosse,
welches Midas beherrschte und wovon die Galater ein Stück besetzten,
andernteils das Kleine, n ii in 1 i c ii das am Hellespont und das
am Olymp, das auch Epiktetos heisst^). Ebenso aber gibt
1) Die Uebersetzung im allgem. mit Forbiger a. a. 0.
2) So Forbiger. Doch könnte, weil der Artikel vor tppvyti nicht wiederholt
wird , auch übersetzt werden : die Myser und Phryger am sogenannten Mys. Ol.
Allein Strabo ist in der Anwendung des Artikels nicht zu achtsam (vgl. Bi&vvoZg
ohne Artikel bei G u. ähnl.). Hütte er sagen wollen : die Myser und Phryger am
Olymp, so hätte er wohl geschrieben : . . . . ötiogovat jiQdg vÖToi' nigt tdv 'OXvßnov
. . . OL MvaoL xt xai ^Ppvyeg.
3) So möchten wir, etwas abweichend von Forbiger, die Stelle übersetzen.
26*
3
396 Joh. Solch.
es auch ein Myisia Olyiujieue. welches an Bithvnien und Epiktetos an-
grenzt (571).
8. Den Olj-nip uniwohnen im Xurden Bithyner. Mygdonen und Do-
Honen; das übrige (Land) besitzen die M y s e r und Epikteten (575).
9. Städte in Phrygia Epiktetos sind Azanoi ( Aezani). Na-
kolia, Kotiaion. Midaion, Dorylaion und Kadoi : doch rechnen dieses einige
auch zu Mysien (dieses reicht nämlich im Binnenland von Olympene bis
Pergamene) (576).
Weiter dienen zur Ergänzung die Angaben.
10. dass 0 tr o i a. ein Städtchen wenig über dem See Askania, schon
an der Ostgrenze Bithyniens lag (566), (Forb. übersetzt hier
nicht ganz richtig: an den Grenzen des östlichen Bithvnien), und
11. dass der Sangarius, wie schon erwähnt, den grösseren Teil von
Phrygia Epiktetos durchströmte *).
Von allen diesen Mitteilungen Strabos nun erwecken zunächst die hier
unter 4 und 10 vermerkten unser besonderes Interesse: sie widersprechen
einander nämlich ganz augenfällig, wie ein Blick auf die Karte zeigt. Süd-
lich vom Askanischen See (heute Isnik-göl= See von Isnik [Nikaia]) zieht
sich ein wenig bekannter und gar nicht erforschter Gebirgszug entlang,
1) 1. Tijy äs Bi9vvi'av anb fthv t^; hv(no/.7J? ögii^ovai ntt(p?.ttyövec re xcü MaQiav-
Svvol xat Ttbr ^ Ejitxzrßuiv rtvic , ngoc vöiov ö' tj M Mvala xai // ^ Enixirjzoc xa-
/.ovftEV7] 4'QVyla, tj d' avt}/ xal 'ElXijanovxiax)) 4>Qvyia xa).ovuirij-
2. OvTOg ö' Uativ 6 Tlgovaiaq 6 xal 'Avvlßcti' öfSäfiiyog .... xai rv? fijp' 'Ei.hja-
■nöi'Tw <pQVYtas ayaazäc xarä avfißäosig rotg ^ AtTa/.txoTc, ^v ol fthv ngötfQOV ixäi.ovv
fiix(>nv 'pQvylav, ixilvoi ä' iixlxzijTov iivöuuaar.
3. ÖQOvaa Ss tjit zöj ^O'/.vunw IdQvzai zöj Mvalm . . . xolc ze <i'QvSlv 'öfioffoc xal
zoT: MiaoT:.
i. JtoQtaai äe zoig opov: /a).enöv zovg äh BiQ-vviov xal i>pvyw%' xal Mvaäu' ....
ztjv Mvai'ttv, anzofitrijv xTjC ^a)Äixijt; xal Stt'jxovaav fisyQi zov '0?.vfi7iov a/jööv
[zi] rrairöc " xvx).u> öi zijv ^ Eiilxztfxov xsifiei'ijv ip z^ ufaoyaia, &aXäzzijg ovöa^iov anzo-
/.liyijv ätuziiiovoav S's iii/oi rcoc iiöwv ucqüiv zijt 'Aaxavlag ?J,uv>jC ze xal yjMoaz.
5. JJpöc vöxov 6' eial xolg BiS^vvoTg ol nfpi xor " 0).Kfxnov Mvaol (orc ''O/.vfin/ji'oig
xa/.ovat, xivsg. oi S' ' EU.ijanovxiovg) xal f] i(p' ' E).Xr,anövxw <Pgvyia, xoTg Sk Uatpi.ayöai
FaiMxag.
6. ToXiaxoßvjytoi rff tluopoi Bi&vvoTg ilai xal x^ ^Ethxxi'jxw xa?.ovftsvtj <pQVyi'(i.
7. Tore äi Bi^vvoig df.iOQovai nQog röxov. ujc iftjv, ol negl xbv OXv^atiov xöv Mi:-
aiov -XQoaayoQtvöixfi'ov Mvaol ze xal <Ppvyfg ■ hxäxfpov äi xo sffroc ätxzöv iazi. ipQV-
yia zf yag tj ft'ev xaleXzai fteyähj, ijg 6 Mcäag ißaoi'/.evae xal ijs fiSQOg ol Faläzai xaz-
iaxov, }) äh .uixqk ij itp 'ED.tjanövzo) xal ij negl xbv "O^.vftnov Ij xal ' Enixxtjxot ).syo-
fth-ij. Mvairi xt ö/Ltohog ij xs '0}.vfimjvij awe/J/g oioa xjj BiS^vvlrc xal t;7 'EnixxijXV) . . ■ .
8. '0 fihv ä)/ 'O'/.vunog xoiögäe ntpwixfixat äh npbg uqxxov ,uhv inb xwv BiS^vvibv
xal yivyäovwv xal Ao'/jövtuv, xb äh '/.ombr iyovai Mvaol xal ^Eni'xxijxoi.
9. Tijc ä' iinxxißov <pQvylttg 'Atftvol xs slai xai Naxo'/.la xal Koxtnstov, xai Mi-
ääfiov xal doQvlanov nb'/.fig xal Knäoi ' xoi'g äs Kääovg sviot xyg Mvai'ag ipaaiv.
10. Mtxgbv ä' inhg xyg 'Aaxavlag Xi'fivijg 'OxQoia no).!yyrj, jipöc xolg öqoi: i'/ätj x!jg
BiBvv!ug xolg ngbg h'to .
11. Vgl. oben S. 39:3 f.
Modrene, Modroi inid (hdliis. 397
der Saryinescliedaufli (Kieperts) oder (ühlüda^li, „ein massiver Berj^lilotz",
wie ihn von der Goltz ciiarakterisiert '). Er bildet eine scharfe Scheide
zwischen dem See im Norden und dem Becken von Jenischehir im Süden —
Jenischehir aber ist das alte Otroia — und findet seine Fortsetzung im We-
sten gegen Gemlik (Kios) hin in einem Bergland, das mit 1268 m Maxi-
malerliebung mehr als 1000 m über den See emporsteigt imd gleich dem
Sarymeschedagh einen begrenzenden Wall bildet. In diesem ganzen Ge-
birge aber, das den See im Süden begleitet, öffnet sich nur ein einziger
Durchgang, und zwar südlich von der Mitte der Westhälfte des Sees, dort,
wo sich zwischen den Sai'vmeschedagh und das westlichere Gebirge eine
Lücke einschaltet: ihr führt das im Altertum Solois genannte FlUsschen
zu und auch die moderne Strasse Gemlik-.Ienischehir benützt sie. Ein zweiter
Uebergang aus dem Gebiet des Sees nach dem Becken von Jenischehir
bietet sieh erst <am Ostende des Sarymeschedagh, fast genau südlich von
Nikaia; aber nur mit vielen Windungen vermag der nicht fahrbare Weg^)
den fast 600 m hohen Passscheitel zu gewinnen. Ausser diesen zwei Ueber-
gängen gibt es .heute keinen irgendwie wichtigen und es ist völlig ausge-
schlossen, dass es vor 2000 .Jahren hier anders gewesen ist.
Diese geographische Betrachtung ist notwendig. Denn sie zeigt uns,
dass Bithynien, wenn es Nikaia. Kios, Prusa und Oti'oia besass, das
ganze Seegebiet sein eigen nennen musste. Denn wo sollte da phrygisches
Land bis an den See gereicht haben? Dass Otroia etwa eine bithynische
Enklave auf phrygischem Boden gewesen, eine solche Hypothese wäre viel
zu gesucht, widerspricht auch dem Wortlaut bei Strabo, dass es nahe der
Grenze Bithyniens lag. Nein. Otroia war bithynischer Boden. Hätte nun
Phrygia Epiktetos von Süden her an den See reichen sollen, so wäre
die einzige in Betracht kommende Gegend jene Lücke im Hintergrund des
Soloisflüsschens gewesen. Allein was für ein Grenzverlauf ergäbe sich
daV In Form eines ganz schmalen Streifens hätte sich dann phrygisches
Land zwischen bithynisches Gebiet im Westen und Osten eingezwängt und
zwischen Prusa und Otroia den See im Norden berührt. Abgesehen
davon, dass ein solcher Grenzverlauf an sich schon ein Unding wäre,
spricht auch die Konfiguration der Landschaft dagegen. Sollte die wich-
tige Verbindung der nur .^Ö km von einander entfernten bithynischen Städte
Prusa und Otroia, die sich hier über einen nur 350 m hohen Pass ver-
hältnismässig leicht bewerkstelligen lässt — über ihn führfauch die mo-
derne Strasse Brussa-Jenischehir — wirklieh durch fi-emden Besitz unter-
bunden gewesen sein? Sollten die bithynischen Könige wirklich solch eine
wichtige Gegend den pergamenischen Königen überlassen haben? Das
dünkt uns durchaus unwahrscheinlich. Auch Strabos eigene Angabe, dass
Epiktetos die östlichen Teile des Sees berührt habe, spricht dagegen.
1) AnatoliscJie Ausflüge. Berlin 189G, S. 404. — 2) Ebd., S. 406.
5
398 Joh. Solch,
Mithin kiinn Phrygia Epiktetos von Süden her gewäss nicht an den
askanischen See gereicht haben. Das niussten wir von Anfang an feststellen:
denn die Schwierigkeiten an der Ostseite sind trotz Strabos Bemerkung
womöglich noch grösser. Zwar das Land, an das Bithynien da bei Otroia
grenzte (vgl. unter 10 auf S. 396), kann nur Phrygia Epiktetos gewesen sein —
Myser, Galater, Paphlagoner bleiben weit ausser Betracht. Sollte sich aber
Phrygia Epiktetos wirklich von Osten oder Südosten her bis zum See
selbst erstreckt haben? Kaum! Denn wenn sich auch hier das Gebirge
bereits verflacht, so dass die Verbindung zwischen hüben und drüben
leichter möglich wird und jenes seine Rolle als Scheidewand verliert, so
ist es doch nicht glaubhaft, dass Phrygia Epiktetos so
hart vor den Toren von Niicaia, das Strabo noch als
Hauptstadt von Bithynien bezeichnet, an den See gereicht
habe. Das hätte überdies wiederum die Verbindung der beiden bithynischen
Städte Nikaia und Otroia in fremder Hand belassen, während im Gegen-
teil Strabos Bemerkung zu Otroia „wenig über dem See von Askania" auf
nahe Beziehungen zwisclien jenen, speziell auf eine schon damals bestehende
Verbindung hinzuweisen scheint.
Vermutlich hat Phrygia Epiktetos zu Strabos Zeit über-
haupt nicht mehr an den askanischen See gereicht und
Strabo ist hier in einen Irrtum verfallen, indem er sich, Homer, Eupho-
rion und den Aetoler Alexander zitierend, zu sehr in längst entschwundene
Zeiten verlor und Vergangenheit und Gegenwart untereinander brachte.
Uebrigens bemerkte er ja selbst ausdrücklich, dass es schwer sei, die
Grenzen der Bithyner, Myser. Phryger zu bestimmen (564) — sehr sicher
ist er also seiner Sache hier überhaupt nicht ■').
Wo aber haben wir nun die Grenze zwischen Bithynien und Phrygia
Epiktetos in Wirklichkeit zu suchen? Strabos Angabe, Otroia sei schon
an der Ostgrenze Bithyniens gelegen, gibt uns einen Fingerzeig, freilich
leider keine Gewissheit. Tatsächlich ist gerade die Landschaft östlich von
Otroia zu einem Grenzgebiet sehr geeignet : denn sie besteht aus einem von
tief eingerissenen, steilwandigen, schluchtartigen Tälern zerfurchten Berg-
land, das. stufenförmig ansteigend, bereits zu den Hochebenen des inneren
Kleinasien geleitet. Während sich in seinem westlichen Teile, soweit be-
reits bekannt, nur der Ahudagh ") über 1000 m erhebt und die Wasser-
scheide zwischen Sangarius und Göktsche-su bildet, schwillt es im Süd-
osten angesichts des Beckens von Eskischehir im Alindjadagh bereits auf
fast 1200 m an und dieser findet im sanft nach Süden geschwungenen
Bogen des Dumanitschgebirges eine nur wenig unter 2000 m bleibende
Fortsetzung gegen den Olymp zu. Beide. Olymp und Dumanitsch. bilden
1) Vgl. auch Plin. Nat. hist. V 144. nach dem die Gegend selbst von Kios früher
Ascania Phrygiae geheissen hatte.
2) So Kieperts Karte. Humann dagegen schrieb Aghadagh.
Moämw, Moch-oi itiid Oalhis. 399
so eine zusammenhängende Sclieidi'wand zwiscluni Xordpii und Süden —
fast noch keines Forschers Fuss hat sie übersehritten, — und erst am
Ostende des Dumanitschgebirges führt ein Sattel, der unter 1000 m bleibt
(860 m), unmittelbar aus dem Becken von Eskischehir in das von Inegöl,
wo sich die verschiedenen Quellflüsse des Göktsche-su sammeln; weitaus
ihr wichtigster ist der Kuladja-tschai, von der Bevölkerung schlechtweg
„ Tschai :=Fluss" genannt. So ist dieses Becken von Inegöl, das mit dem
von Jenischehir in innigem Zusammenhang steht und mit dem von Brussa
über den kaum 250— 280 m über der Beckentiefe gelegenen Pass von
Aksu Verbindung gewinnt, gegen Bithynien weit mehr aufgeschlossen als
gegen das Epiktetische Phrygien, umsomehr als die Höhenzüge jenes Berg-
landes ebenso wie die Steilböschungen der Talschluchten noch heute von
dichtem Wald imd Gestrüpp bedeckt sind, wie am Dumanitschgebirge und
Ahudagh. Namentlich aber in früherer Zeit gehörten wie bekannt Wald-
gebiete zu den besten natürlichen Grenzzonen ; und wenn auch heute zwei
Strassen, die von (Gemlik-).Tenischehir nach Biledjik-Eskischehir und die
sich mit ihr vereinigende von (Brussa-)Inegöl gleichfalls nach Eskischehir
die Hochfläche mit wiederholtem lästigen Auf und Ab queren, so haben
sie doch weder in römischer noch in byzantinischer Zeit Vorläufer gehabt
— wenigstens wissen wir nichts davon. Erst der gewaltige Aufschwung
Brussas und das Bedürfnis nach direkten Verbindungen von Eskischehir
eben mit Brussa und Gemlik hat die modernen Wege geschaffen. Da-
her glauben wir, dass zu der Zeit, die Strabo kannte, die Grenze zwischen
Bithynien und Phrygia Epiktetos über diese weltfremden, stillen Waldge-
birge verlief. In späterer Zeit freilich muss sie eine Verschiebung er-
fahren haben; denn gehörte einmal Agrilion, wie Ptolemäus berichtet, zu
Bithynien. dann konnte Strabos schon mehrmals zitierte Bemerkung, Otroia
sei an der Ostgrenze Bithyniens gelegen, nicht mehr zutreflen. Wir wer-
den weiter unten sehen, dass aber eine solche Grenzveränderung mög-
licherweise nicht bloss westlich, sondern auch östlich vom Sangariuslauf
vorgenommen wurde.
Auch diese geographische Auseinandersetzung konnte niclit erspart
bleiben: denn verlief die Grenze von Phrygia Epiktetos in der soeben
skizzierten Art, dann hat möglicherweise der Unterlauf des heuti-
gen Göktsche-su zu ihm gehört, nicht aber das Quellgebiet, während es
nach Strabos Angaben gerade umgekehrt war; und dann war der
Göktsche-su nicht d e i- F I n s s , der im Altertum G a 1 1 u s
h i e s s, und M o d r o i nicht die A h n i n von Inegöl. Wie son-
derbar aber und allen geograpliischen Verhältnissen hohnsprechend hätte
die Grenze verlaufen müssen, hätte das Becken von Inegöl noch zu dem
jenseits der Berge gelegeneu Phrygien gehört, während es gegen Prusa
und Otroia hin geöffnet war!
Allein noch steht Hypothese gegen Hypothese: während Ramsay und
400 Joh. Solch,
seine Vorläufer und Nachfolger sagen, der Gallus entspringt in Plirygia
Epiktetos und daher müsse er der heutige Göktsche-su gewesen sein, halten
wir deni umgekehrt entgegen : Phrygia Epiktetos dürfte überhaupt nicht
das Quellgebiet des 6öktsche-su umfasst haben und dann kann der Gök-
tsche-su nicht der Gallus von ehemals sein.
Ramsay und die andern Verfechter derselben Ansicht stützen sich
doch, so könnte man einwerfen, auf Strabos eigene Angaben, wie wir sie
unter 3. 4, 7 und 8 oben angeführt haben. Gleichwohl lässt sich auch
unsere Annahme sehr gut mit Strabos Bemerkungen in Einklang bringen.
Denn er sagt ausdrücklich, dass das Land vom Olymp nördlich von
den Bithynern, Mygdonen und Dolionen bewohnt werde; das übrige —
das aber muss, da der Olymp samt seiner in innigstem Zusammenhang
mit ihm stehenden Fortsetzung, dem Dumanitschgebirge. etwa ostsüdöst-
lich streicht, das Land südlich gewesen sein — bewolinen die Myser
und Epikteteu. Davon, dass Phryger und Myser auch am Nord abtall
des Gebirgszuges gewohnt hätten, ist nicht die Rede. Wie weit also reichte
nun am Südhang Mysien nach Osten und wo nahm Phrygia Epiktetos
seinen Anfang? Strabo scheint (unter 5) nur von den um den Olymp her
wohnenden Mysern und von Phrygern am Hellespont zu reden, nicht aber
von den „um den Olymp her wohnenden Mysern u n d Phrygern". von
diesen also keineswegs dasselbe auszusagen wie von jenen, von denen er
zweimal eigens betont, dass .sie am Olymp wohnen. (Ueber die unter 7
angeführte Bemerkung Strabos siehe S. 395 Anm. 2.) Heisst doch daher
auch die Landschaft am Südfluss des Olymp My si a Olympene *). Sub. 4
heisst es, dass Mysien fast bis zum ganzen Olympos reicht: auch damit
kann wieder nur die Südseite gemeint sein. Denn an der Nordseite reichte
ja Bithj'nien mit Prusa fast bis ans Westende heran. Aber heisst es nicht
unter 7 von Phrygien „um den Olymp her" und unter 4, Prusa sei den
Phrygern benachbart? Was jenen Einwurf anlangt, so darf nicht ver-
gessen werden, dass zwar der Keschischdagh bei Prusa die gewaltigste
Erhebung des nordwestlichen Kleinasien vorstellt und gewiss in ei-ster Linie
als Olympus mons gelten musste, dass aber zum Olympgebirge in weiterem
Sinne wohl auch das fast 2000 m hohe Dumanitschgebirge gezählt werden
muss und auch Strabo die beiden Gebirge nicht von einander gesondert
haben dürfte : südlich von diesem aber können wir Phrygia Epiktetos ge-
wiss mit aller Ruhe ansetzen, denn hier gravitiert die Landschaft bereits
nach Kutaliia. dem alten Kotiaion, und Kotiaion war nach Strabo eine
phrygische Stadt. So kann also dieser ganz reclit gehabt haben, wenn er
auch Phrygia Epiktetos an den Olymp grenzen lässt; deslialb brauclit es
aber nicht auch das Becken von Inegöl eingeschlossen zu haben. Dem
1) Dass die Olympener auch ^Hellespontier' genannt wurden, mag eine Er-
innerung an die Vergangenheit sein, wo das ganze Land his zum Hellespont hin
Phrygien am Hellespont geheissen hatte.
Modrene, Moclroi inirl GoIIiis. 401
zweiten Einwand. Strabo sage ausdrücklich. Prusa sei den Mysern und
Phrygorn benachhiiit, nniss entgegengestellt werden, dass es unser
Gewälirsmann mit solchen Angaben denn doch nicht so genau nimmt, we-
nigstens für unser Gebiet: als Beweis dafür diene, dass er (vgl. unter 8)
auch ausdrücklich sagt, dass den Olymp im Norden Bithyner. Doli o neu
und Mygdonen umwohnten, während er späterhin das VVolingebiet dieser
Stämme genauer tixiert: Dolionen heissen besonders die um Cvzikus. vom
Aesepus bis zum Rhnydakus und dem See Daskylitis hin Wohnenden. M\<r-
donen aber die zunächst folgenden bis zum Gebiet der Myrleaner. Wo
sind also zumal die Dolionen und wo der Olymp? Aber auch von den
Mygdonen kann man nicht sagen, dass sie. waren Strabos Angaben über ihr
Gebiet richtig, nördlich vom Olymp wohnten. Sich also gar zu genau,
womöglich wörtlich an Strabos Berichte zu halten, geht keineswegs immer an.
Damit glauben wir etwaigen Einwänden, dass Phrygia Epiktetos das
Becken von Inegöl umfasst halien m u s s. von vornherein jede Spitze ab-
gebrochen zu haben, und kehren nun zur weiteren Untersuchung über die
Gallusfrage zurück.
II. Niclit minder wichtig als die genaue Kenntnis des Verlaufs, den
die Grenze zwischen Bithynien und Phrygia Epiktetos westlich vom Sanga-
rius aufwies, wäre für die Lösung unseres Problems die sichere Erkun-
dung, wie sie östlich von jenem Strome zog. Leider können wir auch
hier nur zu Vermutungen, nicht aber zu unumstösslich feststehenden Er-
gebnissen gelangen.
Das Tembrogiusgebiet (Pursak-tschai) war unzweifelhaft phrygisch.
Denn Strabo zählt Dorylaion und Midaion. beide Orte am Tembrogius te-
legen, ausdrücklich unter den phrygischen Städten auf, wie es ja von
vornherein zu erwarten ist. Allein wie weit reichte das epiktetische Phrv-
gien hier gegen Norden?
Da ist nun jene Notiz bei Strabo ausserordentlich auifällig. dass der
Sangarius den grösseren Teil von Phrygia Epiktetos durchströmt
(s. S. 393 f.). Wieso das? Der wirkliche Hauptquellfluss des Sangarius ist der
Seid-su, der bei Seidi Ghazi. dem alten Nakolia, vorbeifliesst. Diesen jedoch
bezeichneten die Alten als Parthenius und sahen im heutigen Bardaktschi-su
den Quellfliiss des Sangarius. Strabo wenigstens tut dies ; denn er be-
merkt (543), dass der Sangarius bei dem Flecken Sangia. 150 Stadien von
Pessinus entfernt, seine Quelle habe. Traf diese Ansicht zu '). so ent-
sprang der Fluss hart an der Grenze von Galatien und trat alsbald in
dieses ein. Dann aber konnte natürlich von diesem obersten Quellstück
des Sangarius gewiss nicht behauptet werden, dass es den grösseren Teil
1) Hätte der Fluss von Nakolia Sangarius geheissen, so hätte Strabo diesen ge-
wiss nicht erst bei Sangia entspringen lassen, sondern wohl im Gegenteil gesagt,
der Sangarius habe seinen Ursprung bei Nakolia, bezw. Nakolia liege am Sangarius.
402 Joh. Solch,
von Phryoia Epiktetos durchmass. Zudem ist es fraglich, ob jene Land-
schaft überhaupt noch zu Phrygia Epiktetos gehörte. Denn das nahege-
legene Pessinus war nach Strabos eigener Bemerkung eine Stadt der ga-
latischen Tektosagen und diese wohnten neben Grossphrygien (567
und 576).
Tatsächlich durchströmt dann, wenn man die Grenzen von Phrygia
Epiktetos in der gewöhnlichen Weise zieht, der Tembrogius den
grössten Teil dieser Landschaft; er ist dann der Hauptfluss des Gebietes.
Sollte man Strabo solch eines gewaltigen Irrtums zeihen wollen, dass er
den Santrarius mit dem Tembrogius verwechselt hätte? Doch nein — denn
er sagt ja, der Sangarius entspringe bei Sangia in der Nähe von Pessinus.
Wo aber ist Pessinus und wo der Tembrogius ! .Ja was soll man dann
eigentlich mit Strabos obiger Bemerkung anfangen, dass der Sangarius
den Grösseren Teil von Epiktetos durchströmt habe? Da kann man doch
einzio' und allein nur den Ausweg finden — ausser man will Strabo über-
haupt eine falsche Bemerkung vorwerfen — ■ dass man folgert, das
o-anze Ostwest stück des Sangariuslaufes zwischen
G a 1 a t i e n und B i t h y n i e n habe zu Phrygia Epiktetos
<f e h ö r t und dieses habe ein gutes Stück über den San-
garius gereicht. Wie trefflich aber stimmt dies zum Verlauf der
Grenze im Westen des Sangarius! Hier sahen wir sie östlich von Otroia
crecfen Norden zu ausbiegert- und vermuten sie auf den Waldgebirgen der
Wasserscheide zwischen Göktsche-su imd Sangarius. Oestlich von diesem
mag dann die Grenze über die Karakajaberge und das Aksofugebirge zum
Dikmen- und Karmlydagh gezogen sein und den Oberlauf des Mudurnu-
flusses noch zu Phrygia Epiktetos geschlagen haben, um etwa von der
Wasserscheide zwischen Muduruu- und Bolifluss südwärts zu verlaufen
imd hier Phryger- und Galaterland zu trennen.
Dass der Grenzverlauf dieser Art war, mag vielleicht für den ersten
Auo-enblick etwas gewagt erscheinen, weil wir gewöhnlich jenen Umfang
von Bithynien vor unserem geistigen Auge haben, der etwa der Zeit der
beiden P 1 i n i u s und des Ptolemäus entspricht. Zu Strabos Zeit
muss er anders gewesen sein; das räumen auch diejenigen implicite ein.
welche die Gegend am Göktsche-su und um Biledjik zu Phrygia Epiktetos
rechnen wollen, denn auch dieses Gebiet gehörte zu Ptolemäus Zeiten, wie
seine Angabe über Agrilion zeigt, nicht mehr dazu. Ebenso war z. B.
auch .Juliopolis (Gordiukome) im Osten bereits zur Zeit der Flavier bithy-
nisch, während es voreinst zu Phrygien gehört haben musste. Verände-
rungen waren also bestimmt eingetreten und die Angabe Strabos. Otroia
liege schon an der Grenze des östlichen Bithynien, traf ebensowenig mehr
zu wie die , dass der Unterlauf des Sangarius die Grenze Bithyniens bilde.
Gerade bei diesen Veränderungen aber muss das oberste Gebiet des Gallus,
ob wir nun diesen Fluss im Göktsche-su oder im Mudumu-tschai erblicken,
10
Modrene, 3loäroi und Galhift. 403
jii doch Hitliynieii anf^cul ledert worden sein').
Lag Otroiii an der Ostgrenze Hithyniens. so nin s s hier Phrygien nach
Norden gereicht, niuss den Mittelhiuf des Sakaria, dieses iirächtige Knltnr-
hind. das sich nach Diest von Karaviran 70 km weit bis zur Mündimg
des Kysyldere aufwärts erstreckt ^). eingeschlossen haben und ebenso niuss
das Gebiet bei Gölbazar noch plirygischer Boden gewesen sein. Von hier
aber Hess sich leicht die Verbindung nach (röm.) Dablae (Tarakly) bewerk-
stelligen, dem nach Kamsays eigener Meinung ebensosehr ein phrygischer
Name zugrunde lag wie selbst dem noch nördlicheren, sogar jenseits der
von uns angenommenen Nordgrenze gelegenen Tataion. Modroi endlich
muss ein ausserordentlich wiclitiger Punkt dann gewesen sein, wenn wir
es mit Modrene gleichsetzen und bei dem heutigen Mudurnu suchen, ein
Verkehrsknoten von hoher Bedeutung: von Claudiopolis (Boli). Dusae
(Düsdsche), den Gallus herauf, von Dablae her im Tal des Gönüksu und
über einen leichten Bergpass, von Ankyra und von Cratia her mündeten
dort die Wege zusammen, deren Spuren besonders von Anton und Diest
verfolgt worden sind '). Nichts hindert uns anzimehmen. dass dieses Mo-
droi ehemals zum Epiktetischen Phrygien gehört hat und erst später in
der römischen Zeit endgültig zu Bithynien geschlagen wui-de.
III. Doch freilich, es muss nicht so gewesen sein und es können auch
diejenigen Forscher recht haben, die, wie Perrot, Strabo einfach eines Irr-
tums zeihen, wenn er Modroi zu Phrygia Epiktetos rechnet. Dass aber der
alte bithynische Gallus nur im heutigen Mudurnufluss und Modroi. gleich-
bedeutend mit dem späteren Modrene, in dem wichtigen Mudurnu von
jetzt zu erblicken sind . Beweis dafür ist uns die Stelle bei Ammian, aus
der schon Diest vollkommen richtige Schlüsse gezogen. Wenngleich seine
Ausführungen noch nach einigen Richtungen hin ergänzt werden können *),
hat doch Kiepert, der ursprünglich den Gallus richtig aufgefasst hatte,
dann diese frühere richtige Annahme wiederum fallen lassen zu Gunsten
der Annahme Ramsays. Es ist daher notwendig, die Stelle bei Ammian
in ihrem Zusammenhang mit dem übrigen Text genauer zu prüfen und
eine kurze Darlegung der von ihm geschilderten Verhältnisse zu geben.
Während Valens im Osten zu Kaisareia in Kappadokien weUt. trifft
iljn die Nachricht. Prokopius habe sich wider ihn erhoben. Schleunig kehrt
er durch Gallogräzien (Galatien) zurück und befiehlt, die Rebellen in
1) Warum uun soll es unmöglich sein, wie Ramsay sagt, dass Phrygia Epiktetos
hier östlich vom Sangarius so weit nach Norden gereicht habe? Jedenfalls wider-
sprechen dem weder die Angaben bei Strabo noch auch die geographischen Ver-
hältnisse mehr als der Annahme Ramsays.
2) In Pet. M. Krgh. 116, S. 12, 13. '
3) Diest in Pet. M. Ergh. 12-5, S. 46: Diest u. Anton in Pet. M. Erijh. 116. S. 20,
96/7, 109.
4) Diest in P. 31. Ergh. 12.j. S. 16 f.
11
404 Joh. Solch,
ihrem Lager anzugi-eifen. Da eilt Prokopiiis, der sieh inzwischen gegen
Nikaia gewendet hat. herbei nach der Stadt Mygdus am Sangarius und
liat den Triumph, dass ein grosser Teil der Truppen des Valens zu ihm
übero'eht. Besonders vorteilhaft ist es ferner für ihn. dass sich auch der
kriegstüchtige Tribim Rumitalka auf seine Seite stellt. Dieser begibt
sich zur See nach Helenopolis und bemächtigt sich durch einen kühnen
Handstreich plötzlich Nikaias. Jetzt betraut Valens den Alamannenkönig
Vadomar mit der Zurückgewinnung der Stadt, er selbst zielit über Niko-
medeia gegen Chalcedon. dessen Einwohner durch ihre Schmähreden seinen
Groll ganz besonders entfachen und hartnäckigen Widerstand leisten. Da
gestaltet sich seine Situation ungemein gefährlich. Rumitalka macht näm-
lich urplötzlich einen Ausfall aus dem belagerten Kikaia, erschlägt einen
oTOSsen Teil der Belagerer und bricht sofort nach Norden auf, um Valens
vom Rücken her zu fassen. Und beinahe hätte er seine Absicht eiTeicht,
ni . . . illc instantem restigiis hostcm per Sitnonensem laciiin et ßuminis GalJi
ainuasos anfractus propere discedendo friistra sequcutem lusisset i). Valens
wusste also dem auf dem Fuss folgenden Feinde über den sunouensischen
See und die Mäanderschlingen des Gallus zu entrinnen. Doch gerät durch
diesen Vorfall ganz Bithvnien unter die Herrschaft des Prokop imd Valens
ist froh, in Eilmärschen Ankvra gewinnen zu können.
Ein einziger Blick auf die Karte lehrt folgendes: Des Valens Zu-
fluchtsort ist Ankvra in Galatien: dorthin will er sich von Chalcedon her
über Nikomedeia. den sunonensischen See — das ist der heutige Saban-
dschasee — und über den Sangarius und Gallus retten. Wie hätte er sich
da vom sunonensischen See zum Göktsche-su begeben sollen, der
auf der von Ankvra ab gewandten Seite des Sangarius lag und dessen
Lauf ja direkt in die entgegengesetzte Richtung wies? Ausserdem war
dies Gebiet vollständig in den Händen der Feinde, die schon vor des Va-
lens fluchtartigem Rückzug mindestens das Gebiet von Nikaia bis Mygdns
hin und damit auch die Göktschesumündung beherrschten. Es ist ganz
ausgeschlossen, dass Valens, der, wie Ammian berichtet, mutloser Vei--
zweiflung nahe war, etwa gewagt hätte, sich mit Gewalt den Rückzug
mitten durch die feindlichen Hauptstellungen zu bahnen. Endlich scheint
die Schreibung Ammians per Sunonenscm Jaciim et (I. GalU siniiosos an-
fractus etwas anderes sagen zu wollen als tra ns . . . (iiifrac-tiis hiesse: nicht
ein ü e b e r q u e r e n, sondern ein der Längsrichtung Folgen. Das Tal des
unteren Göktsche-su führte aber gewiss keine Sti-asse entlang (nach An-
kvra natürlich sclion gar nicht), während im Tale des Mudumuflusses wohl
eine Verbindung, wenn auch bloss zweiten Ranges, nach Modrene aufwärts
geführt haben dürfte.
Aber noch mehr! Die Feinde beherrschten nicht bloss das Gebiet
1) Ammiani Marcell. rer. gest. rell. Rec. V. Gardthausen. (Bibl. Teubn. 18<4/5),
XXVI 8.
12
MIadiriH: Modmi iitul (iaihis. 405
wcstliili vom Siinjj'arius, sondern halten von Myjfflus aus ott'enliar aiicli
schon das naliegelcgene Tattaion besetzt, wo die Ilauptstrasse über Dablac
nach Ankyra das Sangariusfcal verlässt. Deshalb konnte Valens
nicht m e li r hier auf d i e s e ni W e g e, auf dem er in Bithynien ein-
gerückt war, den Rückzug bewerkstelligen'), sondern m u s s t e
die andere nördlichere und sonst weniger benützte Verbindung wählen:
eben das Tal des vielfach gekrümmten Mudurnu über Modrene, das ja
wie erwähnt über Lagania, das jetzige Beybazar, mit Ankyra in Kommuni-
kation stand. Somit m u s s der M n d u r n u f 1 u s s der 6 a 1 1 u s
(1 e r K ö m er g e \v (^ s e n sein. Eine andere M ö g I i c h k e i t
halten wir für völlig ausgeschlossen.
Auch was Ammian noch weiter erzählt, kann diese unsere Ansicht
nur bestätigen. Als Valens in Ankyra ankommt, vernimmt er die böse
Kunde, dass Truppen des Prokopius unter dem Befehle des Hyperechius
bereits im Anmarsch auf Ankyra selbst begriffen seien. Allein sein Mut
hebt sich wieder, als jetzt endlich für ihn Verstärkungen unter Lupicin
eintreffen. Da erteilt er seinem auserlesenen Feldherrn Arinthäus den
Befehl, den Feinden entgegenziirücken. Bei Dadastana droht die Schlacht
zu entbrennen, doch Arinthäus hat das Glück, dass ihm Prokops Soldaten
selbst ihren Feldherrn ausliefern.
Bis Dadastana also waren die Prokopianer bereits auf der Haupt-
strasse Nikaia-Ankyra vorgerückt, mit andern Worten, bis zur Grenze
zwischen Bithynien und Galatien. Offenbar fehlte nicht viel und sie wären
Valens in Ankyra zuvorgekommen. So endigte also der Wettlauf mit dem
Sieg des Valens und das war des Kaisers Glück. Immerhin waren die
Feinde trotz des für sie so unangenehmen Ereignisses bei Dadastana keines-
wegs entmutigt, sondern behaupteten sich in Bithynien nach wie vor. Das
wird von zwei Seiten her scharf beleuchtet : Prokopius fühlt sich so sicher,
dass er nun auch Hellespont erobern will und Cyzikus belagern lässt. Va-
lens hinwiederum getraut sich nicht, schon jetzt gegen Prokopius vorzu-
gehen, sondern begibt sich vorerst von Ankyra nach Pessinus und nach
Phrygien und zieht aus dem südlichen Kleinasien Truppen zusammen. Erst
als er sich stark genug glaubt, wendet er sich dann von Süden her
gegen Prokopius. der inzwischen bereits weit ins phrygische Land vorge-
drungen, wie die Lage des Ortes beweist, wo die Gegner zusammenstiessen:
bei Nakolia. Hier kommt es zum entscheidenden Kampf. Verrat bringt
Prokopius eine schwere Niederlage, er muss sich ins Waldgebirge flüchten.
Aber auch jetzt noch war Nikaia in den Händen des Marcellus, eines Ver-
wandten und Anhängers des Prokop. Die weiteren Schicksale dieses Man-
1) Aber selbst den irrealen Fall angenommen, er hätte die Hauptstrasse im
Süden benützen können, was hätte es für einen Witz gehabt, von ihr bei Tattaion,
wo sie den Sangarius verlässt, abzubiegen zum Göktsehesu, der erst ein gut Stück
oberhalb einmündet und dann diesem zu folgen oder ihn zu queren?
13
406 Jol>. Solch,
nes und die endgültige Niederwerfung des Aut'standes durch Valens interes-
sieren uns hier im übrigen nicht. ^Vas wir hier anführten, sollte nur den
unzweifelhaften Beweis erbiingen. dass das ganze Gebiet zwischen Nikaia
einerseits und der bithynisch-galatischen und bithvnisch-phrygischen Grenze
andrerseits in den Händen der Prokopianer war und dass folglich Valens
keinesfalls über den Göktsche-su (und am allerwenigsten in dem Zickzack
Sabandjasee-Göktschesu-Ankyra) gezogen sein kann. Mithin ist der
Göktsche-su nicht der G a 1 1 u s.
IV. Es erübrigt noch, den Rest der Berichte, die uns das Altertum
für unsre Frage bietet, zu überprüfen, und zwar namentlich nach der
Richtung hin, ob sie zu Gunsten der Mudurnu- oder der Göktsche-su-
hvpothese sprechen, bezw. ob sie der einen oder andern widersprechen.
a) Strabo schi-eibt, der Sangarius sei dort, wo er den Gallus auf-
nimmt, wenig über 300 Stadien von Nikomedeia entfernt. Dieses Argu-
ment will Ramsav zu seinen Gunsten deuten : jedoch mit Unrecht. Denn
300 Stadien entsprechen (je nach der Länge des Stadiums, das man zu-
grunde legt) ungefähr 50 — 55 km. Das entspricht nun fast genau der
Entfernung Nikomedeia — Mündung des Mudumu (in der Luftlinie), wäh-
rend die Mündung des Göktschesu bloss 40 km entfernt ist. Warum also
hier sagen, Strabo (bezw. seine Quelle) habe die Entfernung überschätzt.
wo sie doch tatsächlich sehr genau ist, wenn man an den richtigen Gal-
lus denkt? Ferner geht Ramsay Diest gegenüber entschieden zu weit,
wenn er feststellt. Strabo sage gar nicht, durch den Wasserzuwachs des
Gallus werde der Sangarius schiffbar, und daher Diest einen L-rtum vor-
wirft. Vielmehr macht die ganze Stelle bei Strabo gewiss den Eindruck,
als ob er gerade der Verstärkung des Sangarius durch den Gallus eine
solche Bedeutung zuschriebe. Denn wenn er eben vom Gallus gesprochen
und diesen allein von den Nebenflüssen des Sangarius erwähnt hat und
dann fortfährt: „verstärkt und schiffbar geworden usw.". worauf hätte er
denn das „verstärkt" bezogen? „Durch wen" oder „wodurch" verstärkt,
wäre sofort die nächstliegende Frage, auf die Strabo die Antwort schul-
dig bliebe. Hätte er da an einen andern Fluss als den [Göktsche-]Gal-
lus gedacht, so hätte er ihn sicher genannt. Aber eben nein ! Der Mu-
durnu ist der Gallus und dieser führt dem Sangarius wirklich auch in der
trockenen .Jahreszeit soviel Wasser zu. dass der Sangarius beschilft
werden konnte. Es stimmt also wiederum auch diese Angabe des Strabo
mit der Wii-klichkeit sehr wohl überein ').
Noch ein Einwurf könnte vielleicht gemacht werden. Es ist näm-
lich gewiss kein Zweifel, dass in der Laufrichtung des Sangarius
eines der auffälligsten Kniee gerade an der Stelle gelegen ist. wo er den
1) Ueber die Schiffbarkeit des Sangariusunterlaufes und du- Wichtigkeit des
Mudurnu für sie hat sich Diest geäussert a. a. 0., S. 68.
14
Modrenc. Modroi und (hülns. 407
Güktsclie-su auininimt. SuUtc nicht vielleicht Strabo, bezw. dessen Ge-
währsmunn dieser l)edeuts;mie Punkt vorj^escliwebt sein und der Autor
eben deshalb die Mündung des [Göktsche-] Galius gemeint haben? Allein
warum hat dann, so lautet unsere Gegenfrage, Strabo die Entfernung
dieses Punktes von Nikoniedeia und nicht von Nikaia aus angegeben?
Erstens war doch laut Strabos eigenem Bericht Nikaia die Hauptstadt
Bith3'niens, und es wäre doch am ehesten zu erwarten gewesen, dass
er die Entfernung des Hauptfiusses des Landes von der Hauptstadt ange-
geben hätte ; und dies zweitens umsomehr, als der Sangarius jenes scharfe
Knie gerade in der Hichtung auf Nikaia kehrt (wie das z. B. auch Ptole-
mäus richtig erkannt zu luiben scheint: s. u.). Drittens ist hier der San-
garius von Nikaia nur wenig über 100 Stadien entfernt, ist hier also einer
bekannten bithynischen Stadt viel näher als weiter in Norden, und end-
lich viertens kann Nikaia von dort aus leicht erreicht werden — in rö-
mischer Zeit lief ja in nächster Nähe die Strasse Nikaia- Ankyra hier vor-
über, während Nikomedeia nach Strabos Angabe über 300 (in Wirklich-
keit ungefähr 250) Stadien entfernt war und zu dem Punkte in gar keiner
unmittelbaren Verbindung stand.
Zuletzt könnte daher diesbezüglich noch die Frage aufgeworfen wer-
den: „Warum hat dann Strabo nicht auch die Entfernung Nikaia-San-
gariuskmie angeführt, sondern bloss die Nikomedeia-Gallusmündimg (=
Endpunkt der Schiffahrt)?" Hierauf ist die Antwort nur mit Vorbehalt
zu geben. Einerseits ist es am wahrscheinlichsten, dass Strabo eben nur
den (Mudurnu-)Gallus kannte, der an Wasserführung und Breite dem
Göktsche-su jedenfalls überlegen und als der bedeutendere der beiden
Flüsse anzusehen ist: andrerseits ist für jene Zeit auch die Möglichkeit
durchaus nicht ausgeschlossen, dass die Mündung des Göktscheflusses da-
mals überhaupt nicht auf bithvnischem Boden lag. sondern noch zu Phr}'-
gia Epiktetos gehörte. Da nun Strabo an der bewussten Stelle die Di-
stanz des bereits durch Bithynien fliessenden Sangarius von einer bithy-
nischen Stadt angeben wollte, hätte er dann natürlich die Angabe über
die Entfernvmg Nikaia-Sangariusknie hier überhaupt nicht anbringen dürfen.
Doch ist diese ganze Frage verhältnismässig nebensächlich und nicht mit
Sicherheit zu beantworten.
b) Ptolemäus überliefert uns den Namen eines Ortes FäXhy.a in Bi-
thynien. Gewiss müssen wir nicht unbedingt den Namen dieses Ortes
zu dem Namen des Flusses in Beziehung bringen, allein die Angaben, die
Ptolemäus über die Lage des Ortes macht, sind merkwürdig genug').
Nach ihm ist dieser nämlich einerseits genau nöi-dlich von ITaraomov^
das, wie bereits längst bekannt, richtig Taiaoviov zu schreiben ist und
dem heute Geiwe entspricht, wo die Strasse von Ankyra her das Sanga-
1) Claud. Ptol. geogr. Ed. C. Müller (Pariser Ausg.) vol. I. pars II 1901 V. 1, 3
p. 799.
15
408 Joh. SölcJi,
riustal erreiilit, andrerseits fast genau östlich von Nikoniedeia. Zeichnet
man ferner die Lage der Mündung und die des ersten (= untersten) Knies
des Sangarius nach den Bestimmungen des Ptolemäus in ein Gradnetz ein
und verbindet man diese beiden Punkte durch eine dem Sangarius ent-
sprechende gerade Linie, so zeigt sich, dass Gallika am Sangai'ius selbst
oder in dessen allernächster Nähe gelegen haben nmss. Das ist doch
auffällig: ein Ort am Unterlauf des Sangarius. unterlialb seines letzten
grossen Knies, nördlicli von Tataion. annähernd östlich von Nikoniedeia,
also gerade in der Gegend, wo wir an der Mündung des Gallus oder wenig
oberhalb derselben stehen. Nun zieht von Nikomedeia und dem Astaka-
nischeu Golf her am Sabandschasee vorbei eine Senke morgenwärts gegen
das alte Prusias am Hypius zu und quert die Furche des Sangarius gerade
in dem fraglichen Gebiet: eine weite fruchtbare Ebene dehnt sich hier
aus, nach der hin von mehreren Seiten Verkehrswege zusammenstreben.
Wie heute das erst in tüi'kischer Zeit emporgekommene Adabazar der
nicht unansehnliche Hauptort dieser Gefilde ist. so fordern die örtlichen
Verhältnisse auch für die Vergangenheit gebieterisch das Vorhandensein
einer Siedlung, sei es als Uebergangspunkt über den Sangarius. sei es als
Sammelpunlvt der ganzen aus dem östlichen Halbkreis zusammenstrahlen-
den Wege und Strassen. Die beherrschende Rolle aber in diesem Gebiet
spielt der Burgberg des Shira-tepe, d. i. der „auftauchenden Spitze", wie
ihn die Türken nennen'). In byzantinischer Zeit gewährt er einer Sied-
lung seinen Schutz, in der Ramsay den Ort Tarsia suchte, wie denn noch
heute das türkische Dorf in der Nachbarschaft ßöjuk Ters Jeri-köi in
seinem Namen den alten, wenn auch nur mit Unterstützung durch Volks-
etjTBologie (Tersi-jeri = Schneiderort; nach Diest a. eben a. 0.1 fort-
leben lässt. (Nach Steph. v. Byz. gab es übiigens in Bithj-nien zwei
TccQOog, ein x^Q^ov und eine nöÄic ; diese wurde aber auch Tagasia
genannt). Nur für die Römerzeit ist uns kein sicherer Name über-
liefert ausser der Schreibung der Tabula Peutiugeriana, nach welcher
hier irgendwo an der Strasse Nikomedeia-Dusae ein „Lateae" zu suchen
wäre. Auch Ramsay hatte dieses ursprünglicli mit Tarsia zusammen-
bringen wollen, doch hat er diese Hypothese dann zu Gunsten einer
noch weitaus unwahrscheinlicheren fallen lassen (a. a. 0.. S. 64). Es ist
Übrigens wirklich sehr die Frage, ob Lateae am Burgberg von Tarsia zu
suchen wäre ; nach der Tab. wenigstens müsste es weiter östlich, etwa in
der Gegend des heutigen Akjazy zu suchen sein. Audi in dessen un-
mittelbarer Nähe fliesst der Mudurnu vorbei. Was nun das Gallika des
Ptolemäus anlangt, so könnte es wohl entweder gleichfalls hier gesucht
werden und dann wäre „Lateae" möglicherweise wirklich nichts anderes
als eine arge Verballhornung von Gallika: oder man könnte es
1) Diest in Petm. Mitt. Erg. 125, S. 65.
16
Modrene. Mmlroi inid (üilhis. 409
als Ahniii ilcr spiitt'ien bvzantinisclit'ii SiciUtiti^f am Shira-tepe ansehen,
wo wir Latcae weniger gern annelimon möchten. Jedenfalls aber suchen
wir es am Unterlaufe des Gallus, wo er dem Sangarius schon nicht mehr
fern ist (vgl. darüber noch unten).
c) Hier spielt nun eine weitere wichtige Frage herein, die allerdings
erst der christlichen, und zwar hauptsächlich sogar erst der byzantinischen
Zeit angehört, jedoch für die Lö.sung unseres Problems nicht ohne Be-
deutung ist. nämlich die Frage der bithvnischen Bistümer. Mit ihr hat
sich wiederum namentlich Kamsay eingehend beschäftigt (a. a. 0.), aber
auch Geizer verdanken wir wichtige Bemerkungen, die Ramsay nicht bloss
ergänzen, sondern auch mannigfach berichtigen, indem jener die byzanti-
nischen Bistumslisten, die sogenannten Nutifiae epismpahmm neuerdings einer
kritischen Prüfung und Altersbestimmung unterzog'). Während uns nun
zur Zeit des Konzils von Nikaia (325) noch kein Bischof einer Diözese
Gallos begegnet^) und auch in Hier. SiineM.'*) noch keiner zu finden ist,
erwähnt die älteste NotUia, die EMliesis des heil. Epiplianios^) unter den
Suffraganbischöfen des Metropoliten von Nikomedeia auch rbv räÄAov
und ausserdem top KcoZaaiag IItoi Aöfow. Die der EMhesis zeitlich am
nächsten stehenden Notitiae Ylll. und IX. (Parth.) dagegen kenneu nur
ein Doppelbistum, dessen Bischof ö FdXXov i^roi Koöoaiag bezeichnet
wird. Daher muss — so schliesst Geizer — in der Zwischenzeit die Ver-
einigung zweier älterer Bistümer zu einem Doppelbistum vollzogen wor-
den sein, und zwar, wenn wir Geizers Ausführungen über die Abfassungs-
zeit folgen, zwischen der Regierung des Herakleios (610 — 641), wo sich
besonders der Patriarch Sergios von Konstantinopel die Ordnung der kirch-
lichen Verhältnisse sehr angelegen sein Hess, und dem Patriarchat des
Nikephoros (808 — 815). Allein der Zeitraum lässt sich noch enger be-
grenzen. Während nämlich im Leben des bis unter Herakleios blühenden
Theodoros Sikaiotes noch ein eigener Bischof von Kadosia vorkommt,
wird derselbe Georgios, der sich beim 6. ökumenischen Konzil (zu Kon-
stantinopel 680) als Bischof r/;g Kaöoaiojv jtö/.ecoq unterschreibt, im offi-
ziellen Protokoll in den Präsenzlisten als Bischof „Fü/.ov'^ angeführt.
Noch vor dem Jahre 680 muss daher die Vereinigung der beiden Bis-
tümer stattgefunden haben, von denen natürlich das zweite bei Epipha-
nios genannte statt KcoXaaiag richtig Koöoaiag heisst. Hier ist offenbar
eine Verschreibung anzunehmen.
1) Geizer H., Ungedruckte und ungenügend veröffentlichte Texte der Notitiae episco-
patuum, ein Beitrag zur hyzantinisclien Kirchen- und Verwaltungageschichte. Abt. I. Kl. k.
bair. Äk. Wsch. XXI. 3. 1901 ; vgl. dazu die bekannte ältere Ausgabe von Parthey.
2) Patrum Nicaenorum noniina . . . edid. H. Geizer, Henr. Hilgenfeld, 0. Cuntz.
Bibl. Teubn. Lpz. 1898.
3) Hieroclis syneedemus etc. Rec. A. Burekhardt. Bibl. Teubn. Lpz. 1893.
4) Vgl. dazu u. zum folg. Geizer, a. a. 0., S. 533 ff.
Klio, Beiträge zur alten Geschichte XI 4. 27
17
410 Jnh. Solch,
In den späteren Koiitiac verscliwindet dann der Name Kudoaiu und
der Biscliot' heisst sowohl in der von Geizer aufgefundenen aus den Jahren
zwischen 901 und 907 stammenden Notitia wie auch in der Neu Täx-
%ixa^) ö rd?JMv iJTOi Aö(fO)v und diesen Namen fülirt er auch in den No-
fitiac der späteren Zeit.
Dieses Bistum Gallos nun — so sei es in der Folge kurz bezeichnet —
unterstand dem Metropoliten von Nikomedeia. Für uns ist jetzt die Haupt-
frage : Wo lag es? Ramsay, der sich bisher allein genauer mit der
Ortsbestimmung hefasst hat, meinte*), Gallos. Lopboi und Kadosia seien
wahrscheinlich drei Plätze nahe beisammen an der Strasse Prusa-Niko-
medeia am oberen Gallos gewesen, den er wie erwähnt im heutigen
Göktsche-su wiederfindet. Später ^) wiederholte er diese Vermutung mit
dem Zusatz. , wenn es hier einen Arm des Flusses gab, der weit im Westen
entsprang". Diese Bemerkung ist von grösster Wichtigkeit. Denn nur
so glaubte sich Ramsay über die Schwierigkeit hinweghelfen .zu können,
dass er hier in unmittelbarer Nähe eben an seinem Gallos. dem Göktsche-su,
auch noch das Bistum Modrena-Modroi ansetzen musste. Das Gezwungene
dieser Erklärung fällt einem schon bei der blossen Lektüre auf und ein
Blick auf die Karte genügt, um sie einem ganz imwahrscheinlich zu machen.
Nun hat Ramsay allerdings noch im Anhang seine Annahme. Modrene sei
am Gökstche-su gelegen gewesen, infolge der Mitteilung Diests, dass die
Stadt am Oberlauf des Mudurlu (Mudurun)-Flusses nicht Mudurlu, sondern
richtig Muduruu heisst, zurückgezogen und uns damit der Diskussion über
den Grenzverlauf, den ein Bistum Modrene gegenüber einem Bistum Gallos
am Göktsche-su gehabt haben müsste, glücklich überhoben; allein der
Göktsche-su muss ihm doch der Gallus gewesen sein und so verzichtet er lieber
auf die Gleichsetzung Modrenes mit Modroi und räumt zwar die Identifi-
zierung Mudurnus mit Modrene ein, Modroi aber muss am Göktsche-su ge-
legen haben. Wieder beruft er sich dabei auf Strabo: erblicke man in Mu-
durnu nicht bloss Modrene, sondern auch Modroi. so musste Phrygia Epikte-
tos bis hieher gereicht haben, das aber sei unmöglich (vgl. dagegen oben),
und wenn Perrot Strabo eines Irrtums zeiht, so will Ramsay lieber Strabo
folgen*). Wie aber wir dargetan zu haben glauben, muss eben doch ge-
rade eine von diesen beiden Möglichkeiten, die Ramsay leugnet, ange-
nommen werden ; es ist möglich, dass Strabo irrt, es ist aber auch durch-
aus nicht ausgeschlossen, dass Phrygia Epiktetos seinerzeit tatsächlich
noch den Oberlauf des Mudurnu-GaUus und Modrene umfasst hat.
Dass Ramsay bei der Ansetzung der fraglichen Bistümer und Orte
überhaupt nicht konsecjuent und auch nicht genau gewesen ist, zeigt sich
1) Basilii notitia bei Georg. Cyprii descr. orhis Somani. Ed. H. Geizer. Bibl.
Teubn. 1890 und auch bei Geizer, Ungedruckte u. s. w. Teste, vgl. o.
2) A. a. 0., S. 182/3.
3) Ebd., S. 208. — 4) Ebd., S. 459/60.
18
Modrene, Modroi und Gfilliis. 411
aurtVilliii- darin, ilass er Modra auf dem seinem Werke ii. a. beigefijebenen
Kärtchen von Bithynien an den östlichen, also den wirklich eif^entlichen
Quellfluss des Göktsclie-su versetzt, obwohl er den Namen M o d r a mit
dem heutigen Bedre-tscbai zusammenbringt. Der Bedre-tschai aber
ist ein von Südwesten her kommender Nebenfluss des
Göktsche-su. der im Oberlauf Kuladja-tschai heisst, und Modra wäre dann
wenigstens an diesem anzusetzen gewesen : es wäre ja allenfalls möglich,
dass die Alten in diesem Nebenfluss den Hauptfluss erblickt haben —
doch scheint dieser überlegen genug zu sein, da er in der Gegend einfach
„tschai". also Fluss schlechtweg genannt wird'). So hat auch Kiepert
auf seiner Karte von Kleinasien Modra. das er allerdings mit einem Frage-
zeichen versieht, wenigstens an den Bedre-tschai versetzt. Im übrigen ist
die Gleichung Modra-Bedre Ramsays jedenfalls viel gewagter, als die Mo-
drene-Mudurlu gewesen wäre und die er. wie bemerkt, solange ablehnte,
bis er von der richtigeren Benennung Mudurnu Kunde erhielt, worauf er
mit Recht Mudurlu sehr einfach als volksetymologisch aus Mudurnu her-
vorgegangen erklärt hat.
Wie steht es nun überhaupt um unsere bithynischen Bistümer zur
Zeit, wo sie vollzählig geworden waren? Es teilen sich in sie die Metro-
politen von Nikomedeia und Nikaia. Nikomedeia gebot über die Suffra-
ganen von Daphnusia im Norden am Pontus Euxinus. von Prainetos und
Helenopolis am Astakenischen Meerbusen, von Basilinopolis westlich vom
Askanischen See, von Daskylion, Kaisareia, Apollonias. Prusa und Adrianoi
südlich vom Golf von Kios. Alle diese Diözesen sind ihrer Lage nach
bekannt. Nicht ganz bestimmt festgestellt ist die Oertlichkeit von Neo-
kaisareia, Ariste und eben von Gallos. Die zwei erstgenannten, von Ram-
say sogar als identisch, von Geizer dagegen als verschieden angesehen,
lagen südwestlich vom Mysischen Olymp an dessen Südseite. Wo aber
lag Gallos ? Sollte Nikomedeia, dessen Metropolit der erste der
bithynischen Metropoliten in der Rangordnung war. nach Osten zu
gar kein Suff rag anbist um gehabt haben? Und weiter ?
Dem Metropoliten von Nikaia unterstanden später sechs Bischöfe, näm-
lich die von Mela-Modrine, von Linoe und Gordoserba, von Numerika,
Maximiani und Taeion. Von diesen sechs sind mit Sicherheit zu fixieren
nur die von Mela-Modrine und Taeion. Ueber alle anderen Orte haben
wir nur Vermutungen. Auch hier hat wieder Ramsay seinerseit die Haupt-
arbeit geleistet und es ist seither eigentlich gar nichts zutage gefördei-t
worden, was seine Ansichten irgendwie berichtigen oder vervollständigen
könnte. Er vermutet Linoe und Gordoserba an den zwei wichtigen Strassen
von Nikaia nach Kotiaion und Dorylaion, und zwar das eine bei Biledjik
{südlich Mala), also an Stelle des römischen Agrilion, das andere bei Sö-
1) Vgl. oben S. 399, Z. 7.
27-
19
412 Joh. Solch,
gilt, denn der Distrikt Gordos lag am SangariusM. \Vir wissen nun nicht.
ob die Gegend von Sögut nicht schon zu Phrygien gehört hat. Mög-
licherweise gehören Gorduserba jene Ruinen zu. die Diest an der Mün-
dung des Deirmen-su in den Sangarius gefunden hat^). Diese drei Bis-
tümer Mela, Linoe, Gorduserba sind älter als die drei andern^) und offen-
bar war die Einteilung der Metropolis ursprünglich so, dass Nikaia selbst
den Nordwesten. Mela-Modrene den Nordosten. Gorduserba den Südosten
und Linoe den Südwesten umfasste (natürlich nur ganz annähernd). Als dann die
drei jüngeren Bistümer eingerichtet wurden, ward vor allem Tataion ins
Dasein gerufen*), vielleicht losgelöst von Mela-Modrine. das nach wie vor
trotz der grossen Ausdehnung des Gebiets dennocii fürderhin demselben Bi-
schof unterstand. Ebenso dürften von Linoe und von Gordoserba. deren
Sprengel ja im Vergleich zu dem des anderen bithynischen Bistümer be-
deutend weiter ausgriffen, neue Bistümer losgelöst worden und so Maximianai
und Numerika ins Leben getreten sein. Ob Numei'ika mit der alten re-
gio Doris und diese wiederum mit dem Dablae der Römerzeit gleichzu-
setzen ist, sind zwei Fragen, die für unser spezielles Problem belanglos
sind, von denen aber die zweite sehr wahrscheinlich zu bejahen, die erste
eher zu verneinen sein dürfte. Was dagegen Maximianai anlangt, so sucht
dies Ramsay in der Umgebung von Tarsia, d. h. in der Landschaft
Tarsia, also dort wo wir das Bistum Gallos vermuten.
LTnd wiederum leistet er sich dabei eine auffälhge Inkonsequenz. Er sagt
nämlich, als er von der regio Doris spricht, folgendes: ,die regio Doris
war wie die regio Tattaios ein Distrikt im östlichen Teile von Bithynieu
und offenbar auch Bischofsitz, wenngleich unter einem andern Namen.
Da es ausdrücklich von ihm heisst, dass es eine regio unter Nikaia bil-
dete, so muss es südlich von Tataion gelegen haben. Denn wäre es
nördlich gelegen, so wäre esnatürliciimitNikomedeia
verbunden worden und hätte kaum Nikaia haben unter-
stehen können.*^ LTnd doch soll jetztMaximianai = Tar-
sia oder im Gebiete um Tarsia, also nördlich Tataion,
ein Bistum unter Nikaia gewesen sein? Dieser Widerspruch
mit sich selbst ist Ramsay offenbar entgangen. Für uns aber ist es wich-
tig zu konstatieren, dass Ramsays eigenes Gefühl so weit nördlich kein
Bistum unter Nikaia zugeben wollte.
1) A. a. 0., S. 183.
2) P. Mitt. Eryh. 116, S. 10/11. Vgl. auch Kieperts Karte.
3) Vgl. Hier. Synekd. und die Not. e^jjsf.
4) Schon Hier. Synekd. kennt die zwei Bischöfe von 'PeysTaTMOi; und 'Pfysäwpii;
und es ist möglich, dass sie jenen zwei yw^eTriaxonoi entsprechen, die unter den
patres Nicaen. erscheinen. Auffällig ist dann, dass die ältesten Not. keine Suffra-
ganen von Tataion und Doris kennen und erst in den jüngeren zwar einer von Ta-
eion (= Tataion) wieder erscheint, von Doris aber überhaupt keiner iliehr. Darum
bestand jetzt die weit ausgreifende Diözese von Mela-Modrine.
20
Modretie, Mndfni uml GhIIks. 413
Sollte aber dort wirklicli überhaupt kein Biscliofsitz bestanden haben?
Hier in den wohl kultivierten , fruchtbaren und gut besiedelten Ge-
filden ') zwischen Nikomedeia und Prusias ? Sollte zudem liier tatsächlich
erst verhältnisniiissig so spät ein Bistum gegründet worden sein, wie es
der Fall wäre, wenn wir Maximianai dorthin versetzen? Das ist wohl
kaum anzunehmen. Und so glauben wir denn recht zu tun, wenn wir das
Bistum Gallos in diese Gegend versetzen an den Unterlauf des Gallos.
Gallos. Kadosia und Lophoi (auch Lophos) müssen in der regio Tarsia ge-
sucht werden. Wo diese Orte im einzelnen lagen, können wir zurzeit noch
nicht mit Sicherheit emiitteln. Der Name Lophoi. Hügel. Berg schlechtweg
hätte etwas ausserordentlich Verlockendes an sich, in ihm den Vorläufer
des heutigen Stiira-tepe. der „auftauchenden Spitze", zu erblicken. Ob Gal-
los dem Gallika des Ptolemäus und dies wieder dem Lateae der Tabula
Pentingeriana entspricht, ist ebenso schwer wie zu erweisen, so zu be-
streiten. Hoffentlich geben uns doch noch einmal glückliche Funde da-
rüber Aufschluss, wo diese Orte zu suchen waren. Besonders hilflos aber
stehen wir dem Namen Kadosia gegenüber — wir wollen uns diesbezüg-
lich nicht in allerlei luftige Hypothesen verlieren.
Wir sind am Schlüsse. Wir haben einerseits zwar nur einen un-
seres Erachtens vollgültigen Beweis für unsere Ansichten erbringen können
(unter III), andererseits aber glauben wir dai-getan zu haben, dass alle
die Angaben aus dem Altertum und dem Mittelalter, die uns für unser
Problem überhaupt zur Verfügung standen, weit besser zusammenstimmen
und auch den geogi-aphischen Verhältnissen und verwaltungstechnischen
Bedürfnissen weit besser entsprechen, wenn wir die Göktsche-su = Gallus-
Hvpothese verwerfen und die von Perrot und Diest vertretene Mudurnu =
Gallus-Gleichung festhalten. Viel ungezwungener, leichter klärt sich und
erklärt sich da alles und selbst des Strabo Angabe, die ja vielleicht wirk-
lich, wie Perrot gemeint hat. ein Irrtum ist. braucht dann nicht unbe-
dingt abgelehnt zu werden.
Mithin ist also das Ergebnis unserer Untersuchungen folgendes:
1. a) Der Gallus der Alten ist bestimmt niclit der heutige Göktsche-su.
sondern der Mudurnu-tschai gewesen : Beweis die Stelle bei Ammian.
b) Modroi und Modrene (Modrine) sind identisch ; es entspricht
dieser alten Siedlung das jetzige Mudurnu. Am Göktsche-su ist
ein altes Modroi daher nicht anzunehmen.
2. Was die Nordgrenze von Phrygia Epiktetos und Strabos Angabe
betrifft, dass der Gallus bei Modroi in diesem Lande entspringe, so
stellten wir fest:
a) Strabos Angabe, dass Phrygia Epiktetos zu seiner Zeit bis zum
Askanischen See gereicht habe, ist irrig.
1) Vgl. über den Reichtum der Landschaft Diest, a. a. 0., S. 66.
21
414 Joh. Solch, 3Iodrem', Modioi und GuIIhs.
b) Die Grenze zwischen Bithjmien und Phrygia Epiktetos dürfte
(vor den späteren Veränderungen der Römerzeit) dem Waldge-
birge des Dumanitsch und der Wasserscheide zwischen Gökt-
sche-su und Sangai-ius gefolgt sein und das Becken von Inegöl
Bithynien zugewendet haben.
c) Oestlich vom Sangai'ius reichte Phrygia Epiktetos jedenfalls über
das Längstal des Sangarius gegen Norden zu hinaus imd schloss
möglicherweise noch das oberste Mudurnutal ein (auch hier
wieder natürlich bevor die späteren Grenzverschiebungen ein-
traten). War dem so. dann hat Strabo mit seiner Angabe recht,
im andern Fall irrt er, wie dies Perrot annahm.
3. a) Alle übrigen Angaben des Altertums ülier den Galkis sowie auch
die byzantinischen Bistiimslisten entsprechen der Gleichung Mu-
durnu-tschai = Gallus weit besser als der Gleichung Göktsche-su
= Gallus.
b) Das Bistum Gallos (Lophoi, Kadosia) ist am Unterlauf des Gal-
lus (=Mudurnu) in der alten Landschaft Tarsia zu suchen; doch
bleibt es fraglieh, ob Gallos dem Gallika des PtoL und dies
dem Lateae der Tab. Peut. entspricht. Lophoi war vielleicht
am Shii-a-tepe und gehörte mit Tarsos zusammen. Kadosia ist
uns unbekannt.
c) Offen bleibt noch die Frage, welchen Namen der Göktsche-su
im Altertum trug') und was für einer Diözese sein Gebiet an-
gehörte: doch unterstand dieses jedenfalls der Meti'opolis Ni-
kaia^).
G r a z.
1) Diest, a. a. 0.. hält ihn für den Melas der Alten wie bereits seinerzeit Hammer.
2) Seit der Einsendung dieses Aufsatzes hat sich nur noch S. Rüge (Pauly-Wis-
sowas HealeiuyM. Klass. AUtciss. 13. Halbb.. 674) über den Gallus geäussert. Auch
er will im allgem. im Göktsche-su den Gallus der Alten wiedererkennen, kann aber
nicht umhin, wegen der Ammianstelle im Mudurnu-tschai einen zweiten zu erblicken,
indem er dafüi- A. Körte (5. Ergh. Arch. Jahrb. h. Anm. 17 : mir leider nicht zugäng-
lich gewesen) zitiert. Die obigen Ausführungen aber haben dargetan, dass eine der-
artige Annahme, soweit die Quellen dm-chscheinen lassen, unnötig ist. Der Gallus, von
dem sie und wir reden, ist der Mudurnu-tschai. Doch besteht kein Zweifel, dass auch
andere Flüsse den Namen Gallus führten : so der Fluss von Nikomedeia (Eudok. bei
Phot., 129; vgl. auch bereits Wesseling zu Zonaras, B. C. UI. S. 489). Wenn ferner
Rüge hinzufügt, welcher von den beiden Gallus, der Göktsche-su oder der Mudurnu-
tschai, mit den Galloi zusammenzubringen ist, sei nicht auszumachen, so dürfte er
geirrt haben. Die Antwort lautet nämlich : keiner von beiden, trotz der Angabe von
Mart. Kap. VI. 687. Vielmehr kann zu den Galloi nur jeuer Gallus in Beziehung
gesetzt werden, von dem Jul. Firm, Mat. (math. Ubri VIII) sagt: Phryges qiti Pes-
sintiiita incohtnt circa Gnlli fluminis ripas: denn in Pessinus war das Haupthei-
ligtum der Magna Mater.
22
415
Zum Ausbruche des dritten römisch-makedonischen Krieges.
Von Ulrich Kahrstedt.
Aus unserer Hau])tf|nelle für den Beginn des Krieges Roms gegen
Perseus. Livins Bucli XLII. hat Nissen. Kritische UnfersKchnngen 243 if., den
Bestand polybianischerUeberlieferung auszusondern unternommen. Den Rest,
römische Annalistik verschiedener Art und verschiedenen Wertes, haben
' Unger Philol. Suppl. Bd. III 181 ff. und Soltan Piniol. LIT. 664 ff. und
Lirius' Geschichtswerl; 27 ff. auf die einzelnen Namen römischer Histo-
riographie verteilt.
Als polybianisch betrachtet mau von den hier in Betracht kommenden
Kapiteln von 5 an folgende: 5. 1 — 6,3 (Perseus und die Hellenen. Ein
römischer Gesandter nach Tiiessalien. Perrhaibien und Aitolien, von dort
nach Achaia. Eumenes nach Rom)'): 11, 4 — 18, h (Eumenes und seine
Gegner in Rom, das Attentat von Delphoi, Versuch Philipps den Ram-
mius zu bestechen. Auftrag an den Praetor Sicinius. die römische Mobil-
machung zu beginnen); 29.1 — 30,7 (die politische Gesamtlage): von
36, 8 an (Landung des Sicinius, Gesandtentournee des Marcius und seiner
Begleiter, letzte Gesandtschaft des Perseus nach Rom. Land- und See-
krieg). -)
In dem annalistischen Restbestande 6.4—11,3: 18.6—28,13;
30, 8 — 36, 7 hat Unger zwei Quellen angenommen und zwar Claudius
und Antias, von denen Claudius 11,1—3: 20. 1— 21..t: 22—25; 28;
30.8—32,5; 3.5,3-36,7. Antias den Rest erhält.
Dagegen hat sich Soltau gewandt und drei Quellen postuliert; 7. 1 — o:
9.7—10,15; 18, 6-20. 6; 28; 35,3-7 vindiziert er dem Piso. 23— 24
und 32. 1 — 35, 2 dem Claudius, der Rest gehöre dem Antias an.
Zu diesen Einteilungsversuchen ist zu sagen : Absolut sicher polybia-
1) Soltau in seinen Tabellen Phil. LH, 698 f und Geschkhtswerk 45 zieht noch
den Rest von 6 zu Polybios : -5 römische Gesandte gehen nach Osten qui res in
Macedonia aspicereni und die Freundschaft mit Alexandria befestigen sollten. Freund-
schaftliche Verhandlungen mit Antiochos.
2) In Soltaus Tabellen steht 36 ganz unter der Rubrik „Polybios" (Perseus' Ge-
sandte vor den Mauern Roms empfangen und ausgewesen. Sicinius' Bericht über
makedonische Angriffe auf Thessalien).
416 Ulrich lüi/nsfcdt,
nisch ist der grosse Bericht über die Gesandtenreise und den Krieg selbst
von 37 an *) und alles was dem hier gegebenen widerspricht, ist nicht
polybianisch. Vor allem trägt die Betrachtung der Chancen des Persans,
die er durch die letzte Gesandtschaft nach Rom aus der Hand gab. deut-
lich den Stempel des Polybios (43.1—3). Nun heisst es hier, dass die
Römer damals zur Zeit der Konferenz des Mareius und Perseus nihil satis
paratuni ad helhim in praesentia linbcbant, non exercitum. non diicem. Dar-
aus folgt, dass Kap. 36,8 — 9. das man als Anfang des polybiani sehen
Berichtes betrachtet, annalistischen Ursprungs ist, denn dort steht ein
römisches Korps von 5300 Mann unter Sicinius in Epeiros. besetzt die
Sperrforts in Illyrien und im Dassaretiergebiete und verstärkt sich durch
einheimisches Aufgebot. Polybios aber sagt (47, 2) ausdrücklich, dass
ohne die Verzögerung durch den Waffenstillstand alle opportima loca
schutzlos der makedonischen Okkupation preisgegeben gewesen wären,
vor allem also die rastella in Dassaretien und Illyrien ^). "
Wir müssen also auch 18, 1 — 5 von Polybios trennen. Hier wird
der Befehl zur Aufstellung des Korps des Sicinius gegeben, und zwar bald
nach dem Attentat auf Eumenes, also ehe Mareius nach Osten geht, während
nach Polj'bios noch weit später, als Mareius schon geraume Zeit in Grie-
chenland weilte, kein dux, kein c.rercitus zur Verfügung stand. Die
Scheidegrenze der Quellen liegt also zwischen 17 und 18. nicht in der
Mitte von 18.
Wie nun aber Kap. 47. 10, wo Sicinius von seinem Korps 2000
Mann zur Sicherung der thessalischen Städte abgibt? (Die 300 für Theben
können eventuell von den 1000 Mann auf Korkyra, nicht von seinem
Korps abgezweigt sein.) Dass hier Polybios redet, wird niemand ernst-
lich bezweifeln wollen, also weiss er hier etwas von einem mehrei'e tausend
Mann starken Korps in Epeiros. Folglich fehlt die Landung dieser Divi-
sion in Apollonia zwischen 43, wo kein exercitiis auch nur parafus ist und
47, wo ein cxerciius bereits operiert. Warum, ist wohl deutlich; Livius
hatte die Landung schon 36, 8 nach einer anderen Quelle erzählt und Hess
sie hier unter den Tisch fallen, um sich nicht zu wiederholen. Ferner
halte ich die Zuweisung des ganzen Kapitels 6 an Polybios, wie sie sich
bei Soltau im Gegensatz zu Nissen findet, für richtig. Es werden dort
die Gesandten C. Valerius, Cn. Lutatius etc. ausgesandt, (pd res in Mace-
donia aspicerent. Kap. 17 aber, in sicher polybianischem Berichte, kehrt
Valerius heim ex Graecia (pio legatus ad rixendioti sfafiiDi regionis eins spe-
1) Die Fragmente des Polybios, Bucli 27. stimmen durchaus hierzu, die Abwei-
chungen sind geringfügig. Vgl. Nissen 249 ft'.
2) Auch 40, 1 kennt Polybios kein Korps des Sicinius. Der einzige derartige
Punkt, über den Perseus sich nach Ansicht des Mareius beschweren könnte, ist die
Mitführung von 1000 Mann durch die Gesandten, nicht von 6000 durch den Praetor, Das
widerspricht dem Kap. 43 nicht, 1000 Mann sind allerdings kein exereitus.
Zum Anslinulic <Iis diHlvn röiiiiscli-iinihcdoiuscliru Krieges. 417
iiilftmlaque coiisilia Ferset rci/is eraf. Nissen S. 244 zieht diese Heiiiikilir
des Valerius zu Bucli 41, 25, 5, wo C. Valerius Laevinus mit anderen
nach Griechenland geschickt wird; aber dort handelt es sich um eine
Inspicierung der aitolischen Verhältnisse, nicht um eine solche der ma-
kedonischen oder gesamt-griechischen. Diese Gesandtschaft ist von der
von 42, 17 zu trennen, die vielmehr mit 6, 5 zusammengehört. Damit
muss man aber 6, 5 ff. zu Folybios ziehen. Dass die Verhandlungen mit
Vertretern des Antiochos 6, 6 ft'. und 29, 6 identisch seien, wie Nissen
S. 244 annimmt und daher nur eine Stelle zu Polybios gestellt werden
könnte, finde ich nicht, es handelt sich bei beiden Verhandlungen um
verschiedene Fragen. 6. 6 ff. um die Zalilung der fälligen h'ate der Kriegs-
kostenentschädigung. 29, (i um Versicherung zum mindesten einer wohl-
wollenden Neutralität im beginnenden makedonischen Kriege.
Nun die annalistischen Quellen. Wir verfolgen sie am besten an der
Hand der Nachrichten über die römische Mobilmachung.
Kap. 18. 2 f. erhält der Praetor Sicinius Order, Truppen auszuheben,
die für Apollonia und die anderen illyrisch- epeirotischen Küstenplätze
bestimmt sind, um die Landung des konsularischen Heeres zu decken.
Ueber ihre Stärke erfahren wir nichts. Dagegen soll die administndio
belli den neuen Konsuln vorbehalten bleiben.
Kap. 27 aber heisst es. dass die Rüstungen nicht aufgeschoben wer-
den sollten, sondern sofort mobil zu machen sei. Der Praetor Licinius
soll in Rom 50 Schiffe bereit stellen, falls dies nicht möglich sein sollte,
soll der Rest aus Sicilien besorgt werden. Für die Besatzung werden
römische Bürger (Lihe)iini) und socii zu gleichen Teilen herangezogen.
Sicinius hebt 8000 Mann zu Fuss und 400 Reiter aus den Bundesgenossen aus.
Von dem in Ligurien kämpfenden Heere wird die Leg. II nebst 4000 + 200
socii abgezweigt. Dieses Korps soll an den Iden des Februar dem Sicinius
in Brnndisium zur Verfügung stehen, der unter Verlängenmg seines Amtes
das Kommando behalten soll, douec successor veniref. AUes wird eifrig
ausgeführt. 38 Schiffe werden in Rom. 12 in Sicilien fertig gestellt, die
Verpflegung von Heer und Flotte wird in Apulien und Calabrien geord-
net, Sicinius übernimmt in aller Form das Kommando.
Kap. 31 hören wir etwas ganz anderes. Vier neue Legionen werden
ausgehoben, zwei in der Stärke von 6000 Mann zu Fuss und 300 zu
Pferde, die beiden anderen normal 5200 -f 300 Mann. Aus den Reihen
der socii werden zwei Armeen gebildet, die eine für Makedonien: 16000
Mann zu Fuss, 800 zu Pferde ausser den 600 Reitern, die Si-
cinius schon hin übergeführt hatte, das zweite für Italien
12 000 -|- 600 Mann. Zugleich wird der Modus der Tribunenbestellung
geändert, ihre Ernennung geht vom Volk auf die kommandierenden Kon-
suln und Praetoren über. Die Flotte wird in Brundisium inspiziert, die
untauglichen Elemente aus der Besatzung ausgeschieden und ersetzt,
418 Ulrich KahrsfecJf,
dabei sind zu -'3 römiselie Bürger, zu V3 socii zu verwenden. Für die
Yerpflegimo: kommen Sicilien and Sardinien auf. Dieser Mobilmachungs-
befehl erfolgt, ehe die Einzelfunktionen der neuen Beamten bestimmt
sind (31, 6. 9). Dazu tritt 32. 5. wo die Verteilung der so gebildeten Le-
gionen erwähnt wird.
Kap. 35: Nach den vorzeitig am 1. Juni gefeierten feriae Latinae
erfolgt die Ausliebuug durch den Praetor urbanus. Zu den von den
Konsuln ausgehobenen Truppen kommen 4 legiones urhamie iusto numero
(d. h. 5200+300). deren Tribunen er. der Praetor, zum Teil ernennt. Die
Bundesgenossen stellen 15 000 Mann zu Fuss und 1200 zu Pferde. Dazu
kommen § 6 f. noch fremde Ausilia, die nicht in den Rahmen der römi-
mischen Mobilmachung fallen. Dann kommt die besprochene Stelle 36. 8 f..
die von Operationen des Korps des Sicinius (5300 Mann Römer') in Illy-
rien handelt. Wie sind nun die drei Mobilmachungskapitel 27. 31, 35
zu gruppieren? Ungar zieht 27 zu Antias, 31 und 35 zu Claudius. Soltau
nimmt in 27 und 31 Ueberlieferung des Antias, 35 solche des Piso an:
ausserdem trennt er 32 von 31 (Claudius).
Tatsächlich liegen die Dinge anders. In Kap. 27 werden ausge-
hoben : 8400 Mann socii, aus Oberitalien kommen 4200 Mann socii und
die Zweite Legion, die wir zu 5200-|-300 Mann rechnen wollen, wenn sie
auch als maxnme reierana (27. 5) diese Stärke nicht erreicht haben wird.
Zusammen 18 100 Mann.
Kap. 31 hören wir von 2 Legionen zu 6300, 2 weiteren zu 5500
Mann, d. h. 23 600 Römer. Die Bundesgenossen betragen 16 800 als
makedonisches. 12 600 als italisches Heer, dazu 6()() bundesgenössische
Reiter bei Sicinius, zusammen 53 600 Mann.
Kap. 35 dagegen werden vier normale Legionen ausgehoben = 22 000
Mann und 16 200 socii = 38 200 Mann.
Nimmt man nun mit Unger 31 und 35 als fortlaufenden Bericht
einer Quelle, so hätte Rom 91 800 Manu aufgestellt. Nun mag man
sagen, dass irgend ein Annalist sich die Rüstungen gegen Perseus
fälschlich so gross vorgestellt, also so starke Aushebungen berichtet ha-
ben kann, aber da auch nach dieser Quelle nur 2 Legionen nach Make-
donien gehen — was sollen 6 Legionen in Italien? Auch würde dann die
Aenderung der Ernennung der Kriegstribunen in einer Quelle zweimal er-
zählt, einmal als gesetzlicher Akt (31,5) und einmal als Order an den
die Aushebung leitenden Magistrat (35, 4).
Auch 27 und 31 zusammenzufassen, geht uicht an. Die Zahl von
71700 Mann wäre zwar auch noch mit annalistischer Uebertreibung zu
erklären: aber zwischen den beiden Kapiteln bestehen eklatante Wider-
sprüche : einmal wird die Flottenbemannung zur Hälfte, einmal zu zwei
Dritteln aus römischen Freigelassenen gebildet, einmal das nötige Ge-
1) Sie stehen unter tribuui militum.
Xi())i Aiifihnii/ic (Irs (Irilfi'i) n"'ni/s(li-iii(il,i<liin/sr/t(it Krinjcs. 419
treide iiu.s vVinilim iiml Ciiliiliiien, einiiuil aus Sicilien und Sardinien
geholt.
Es bleibt also nur nocli die N'crliindunj^ von 27 und i55. d. li. die Iso-
lierung von 31. Damit verlieren die Widersprüelie zwischen 27 und 31
ihren Stachel — die beiden Annalisten divergieren eben, wie in tausend
anderen Füllen — und die Zahlen werden rationell.
In Kap. 27 + 35 werden nämlich 18 100 -f 38200 Maun ^- 5« 300')
ausgeholieu. in Kap. 31 53600. Es handelt sich deutlich um zwei pa-
rallele Berichte über dieselbe Aushebung des Heeres von ca. 54 — 56 000
Mann, das Rom beim Beginne des Krieges unter die Waffen rief.
Dass Livius 35 sagt, die damals ausgehobenen 4 Legionen wären zu
den konsularischen Aushebungen hinzugekommen, beweist natürlich
nichts für eine Vereinigung von 35 und 31. Wenn Livius die Nachrichten
von 35 einmal von denen in 31 für verschieden ansah, musste er sie ir-
gendwie anfügen und da war es das einfachste, zu sagen: Ausserdem
werden ausgehoben usw. Niemand sagt uns, dass das .ausserdem" in
Livius' Quelle stand.
Man mag fragen, welcher von den beiden miteinander schlechthin
unvereinbaren Berichten über die Mobilmachung korrekt ist. Möglich ist
natürlich in erster Linie einmal, dass beide von ihren Verfassern gleich-
massig aus der Luft gegriffen sind, dass man nichts wusste, als die Ge-
samtstärke des römischen Heeres und es der tätigen Phantasie des An-
nalisten überlassen blieb, sich auszudenken, wie und in welchen Kontingenten
die überlieferten c. 55 000 Mann zusammengekommen sein mochten. Dann
müssen wir uns bescheiden und bekennen, dass wir aus der Annalistik
von der römischen Mobilisierung nichts lernen können. Will man aber
einen Bericht halten, so kommt nur der von 31 in Betracht. Jede
Ueberliefening, in die Kapitel 27 gehört, hier also 27/35 (bei einer Ver-
einigung von 27/31 ist es nichts anders) ist abzulehnen. Es kommt in
ihr allemal eine römische Armee von ungerader Legionenzahl heraus, da
angeblich zu den 4 ausgehobenen Legionen die Leg. II als 5. hinzukommt.
Ueberhaupt ist die auffällige Genauigkeit, mit der der Annalist von Kap. 27
zu sagen weiss, dass die Legion Nr. 2 nach Brundisium beordert wurde,
verdächtig. Ganz abgesehen von der Legionenziffer — wie waren denn
die vier neuen numeriert? Nach 32.5 doch I — IV! — ein solches De-
tail der Militärverwaltung stand gewiss in keiner älteren Quelle. Dasselbe
gilt von der verdächtigen Genauigkeit, mit der der Autor zu sagen weiss,
wie sich die Flotte zusammensetzte (38 aus Kom, 12 aus Sicilien 27,7)^).
Ganz unbedenklich ist allerdings auch 31 nicht. Die sorgfältige
1) Als Maximum, da Leg. II maxume veterana ist, wahrscheinlich denkt der Anna-
list sich die Zahl etwas niedriger — falls er sich etwas denkt.
2) Man muss bei dieser annalistischen Genauigkeit unwillkürlich an Pol. III.
33. 17 denken.
420 IJhich Kahrstedt,
Schonung der socii navales § 7 sieht etwas gemacht aus und dass der
Praetor § 6 zur Flotte nach Brundisiuni geht, kann eventuell (Nissen
249) als Widerspruch zu Polybios (Liv. 48, 5) gedeutet werden, nach
dem der Praetor mit 40 Schiiten ab urhc profedns est. Aber bei Polybios
kann sehr wohl gestanden haben : Der Praetor verliess Rom und kam mit
40 Schiffen nach Griechenland o. ä. Er mag das Kommando erst in
Brundisiuni übernommen haben und bis dahin zu Lande gereist sein, der
Ausdruck bleibt immer noch gerechtfertigt^ allzu wörtlich darf man auch
einen Polybios nicht ausschlachten.
Zu Kap. 35 gehört 36. d. h. die Nachricht von der Unternehmung
des Sicinius in lUyrien mit 5300 Römern, denn die andere Ueberlieferung
(31, 3) weiss nur von 600 socii equites bei Sicinius. Wohin mm mit der
Nachricht 18, 2 f.. dass dem Sicinius der Auftrag wurde. Truppen zur
Besetzung der epeirotisch-illyrischen Küste auszuheben? Sicher zu 31, denn
nach der anderen Quelle ist Sicinius Kap. 27 in ganz anderer W^eise bei
den Aushebungen beteiligt, bekommt ein starkes Korps . mit dem er
Kap. 36 im Osten operiert. Dagegen passt die kurze Angabe 18, die
nur von der Deckung der notwendigsten Uebergänge etwas weiss, recht wohl
zu den 600 S(x:// equites. die dem Praetor nach 31 zur Verfügung stehen.
üeber die Mobilmachung haben wir also zwei annalistische Berichte,
einerseits 18. 2f.+31, andererseits 27-|-35+36. Beide stimmen darin
überein, dass erst Sicinius mit einem Korps nach Illyrien geht'), dass er
schon dort ist, als die Hauptrüstung in Italien vor sich geht^) dass diese
Sendung vor dem republikanischen Neujahr erfolgt ') und dass damals die
Ti-ibunenernennung geändert wurde*).
Es bleiben noch die übrigen auf den beginnenden Krieg bezüglichen
Kapitel annalistischen Charakters zu verteilen.
An vielen Stellen des Livius tritt die Neigung hervoi-, genaue Tages-
und Monatsdaten zu geben, natürlich ist dies nicht ein ab und zu wieder-
holter Versuch des Livius, ein recht gleichgültiges Einzelereignis genau
festzulegen, sondern das Kennzeichen einer bestimmten Quelle, die sich
durch solche Datierungen auszeichnete. Auch hier begegnen wir ihr. Es ist
die Annalenschrift, die Kap. 27 und 35 zu Grunde liegt, 27, 5 haben wir
das Datum der Iden des Februar. 35, 3 das des 1. Juni. Demnach wer-
den wir Kap. 21 und 22 (vgl. 21, 5 ; 22, 3 und 7) hierzu ziehen dürfen.
Ebenso sicher aber gehört 19 zu der anderen Quelle (27/35), denn hier
wird vorausgesetzt (§ 6), dass der Praetor Sicinius noch nichts mit der
Mobilmachung zu tun hat, sondern sich friedlichen Geschäften widmen
kann. Also gehört dieses Kapitel in eine Quelle, deren Mobilmachungsbe-
richt erst nachher beginnt, also zu 27/35, nicht zu 18/31. Auch der Schluss
von 18 (§ 6 f.) gehört wohl schon hierher, nicht zur ersten Hälfte von 18.
1) 18, 2 f., bezw. 27. 6. — 2) 31, 3, bezw. 36 (hinter den Aushebungen 35).
3) 18, 1, bezw. 27, 5 f. und 36, 8. — 4) 31, 5 bezw. 35, 4.
Ziiiii Ai(shnirhe r/r.s driften römisrh-mohihnüsclmi Kr/rr/rs. 421
Zur woitevpn Fixierung der Quellen kann iiinu Kapitel 30 f. benutzen.
Xiichdem 3(1, 9 der sicher polybianisclie L'el)erblick über die Situation
<j;eschlossen hat. heisst es. dass unmittelbar nach dem Amtswechsel und
dem günstigen Bescheid der Haruspices ein Senatsbeschluss gefasst wurde,
der Antrag auf Krieg solle ans Volk gebracht werden vi.si [Perseus]
sKfisfrcifisef und diesell)e Klausel trägt der Mobilisierungsbefehl 31, 1.
Damit ist zunächst die Zusammengehörigkeit der Kapitel 30 und 31 ge-
sichert, da sie die gleiche Auffassung in der gleichen Situation voraus-
setzen, und es fällt ein Licht auf diese Situation selbst. ,Wenn nicht
I'erseus Genugtuung geleistet liabe" soll der Krieg als erklärt und der
im Folgenden gegebene Mobilmachungsbefehl als in Kraft getreten be-
trachtet werden. Noch ist also nicht alles entschieden, man gibt sich in
Uom noch den Anschein, an eine mögliche friedliche Lösung zu glauben
und trifft die militärischen Vorbereitungen unter der Voraussetzung, dass
nicht etwa doch noch Genugtuung geleistet worden sei (Plusquamperfect
beidemal!). Es ist offenbar, dass man noch einen Bescheid aus Makedonien
erwartet, allerdings kaum einen befriedigenden, denn die Vorbereitungen
zum Kriege beginnen, aber immerhin — man muss wenigstens in der
Oeöentlichkeit die Form wahren und die Hoffnung zeigen, dass die Vor-
bereitungen überflüssig sein werden.
Ist nun aus Makedonien einmal — nach der annalistischen Ueber-
liefenmg — ein Bescheid gekommen „ Persea regem populo Romano non snfis-
fecisse" ? Kap. 25 erfahren wir. dass römische Gesandte in Makedonien
rtd res repetemhts y?a,ren und abgewiesen wurden. 31. lOf. hör*n wir. dass
die erwartete Genugtuung sich auf den Bruch des mit ihm von Rom er-
neuerten Bündnisses. Angriffe auf römische Bundesgenossen und Rüstungen
gegen Rom selbst bezog und dasselbe wird Kap. 25 als die von den
letzten Gesandten vergeblich an Perseus gestellten Forderungen ange-
führt (§ 4 ff).
Deutlich zeigt sich hier, dass Livius in zwei Quellen an dieselbe Stelle
gekommen ist. von denen er der ersten die Rückkehr einer letzten rö-
mischen Gesandtschaft aus Makedonien entnahm. Als er in der zweiten
Beschlüsse fand, die die erwartete und noch nicht erfolgte Rückkehr
dieser Gesandtschaft voraussetzten, schrieb er auch sie ab, wodurch sie
hinter die Heimkehr der Gesandten gerieten. Diese letztere, die in der
2. Quelle natürlich den sie erwartenden Beschlüssen gefolgt ist, Hess er
aus, da er sie schon 25 erzählt hatte, und bemerkt nur kurz kaec rogaiio
(die im Falle des von satisfecisse gestellt werden sollte) ad popiditm lata
est, wurde auch wirklich ans Volk gebracht ').
1) Und natürlich angenommen ; das geht auf der nun folgenden Aushebung
klar hervor. Unger vermisst (S. 190 t"l die Erzählung von der Annahme der Rogatio
durch das Volk, sie brauchte aber nicht noch besonders betont zu werden. Seine
Korrektur pertata ist also nicht unbedingt nötig.
422 Ulrich Kahrsfrdt,
Also sind 25 und 30 zu trennen, da 30 zu 31 gehört (s. o.), fügt
sich 15 zu 27 — durchaus korrekt meldet erst die Gesandtschaft, dass
keine Hoffnung auf Frieden mehr ist. darauf wird die Mobilmachung aus-
geführt, genau wie in den Beschlüssen 30 f. '). die beiden Quellen laufen
parallel. Das Kapitel 26 scheidet sich durch nichts aus, wir können es
zu 25 und 27 stellen.
Von den noch übrigen Kapiteln bieten 20 und 28 nichts für die
äussere Politik, es bleibt sieh für uns gleichgültig, ob wir 20 (Prodigien)
zu 19 oder 21 f. stellen oder absondern, vermutlich gehört es zu 19 (so
auch Soltau). Kap. 28. das es sich nicht entgehen lässt. die Waiden auf
ri. d. XII Kai Mmi. zu fixieren, stellt sich zu 21. 22. 29 etc. 28 und 2-t
besprechen die Verhandinngen mit Karthago und Numidien. Soltau will
sie sowohl von der einen wie der anderen der beiden sonst beobachteten
Quellen trennen und mit der romanhaften Erzählung von 32 — 35 (die
Schwierigkeiten bei der Aushebung) zusammenstellen. Tatsächlich trägt
aber der rein historische Bericht über die afrikanische Frage einen ganz
anderen Charakter als jener mit direkten Reden und Einführung selbst
untei'geordneter handelnder Personen ausstaffierte Bericht. Er gehört
entweder zum' vorhergehenden (21 f.) oder zum folgenden (25 f.), eine
sichere Entscheidung möchte ich nicht treffen. Dagegen scheiden die
romanhaften Kapitel 32. 6 — 35. 2 eo ipso aus. Sie stehen für sich.
Den Anfang von Kapitel 36 stellt Soltau merkwürdigerweise zu P<j-
Ij'bios, trotzdem schon Nissen gesehen hat (S. 249), dass die hier ver-
handelnde Gesandtschaft des Perseus, die schliesslich aus Rom ausgewie-
sen wird, mit der Kap. 48 nach Polybios erzählten identisch ist, d. h. mit
der von Perseiis nach der Reise des Marcius geschickten, also sicher nicht
polybianisch ist. Auch die Meldung des Carvilius, dass Perseus Thesalien
invadiert habe, widerspricht Polybios (vgl. Nissen). Da wir sowohl 35.
8 — 7, wie 36, 8 — 9 zu 27 etc. gestellt haben, gehören die dazwischen
liegenden Zeilen 36.1 — 7 sicher auch hierhin.
So haben wir also Berichte aus drei verschiedenen Quellen. Polybios
und zwei Annalisten (die Quelle für 32 — 35 kann hier bei Seite bleiben.)
A. Polybios liegt vor :
Kap. 5 f. (Situation in Griechenland, römische Kommissare in Thes-
salien, Perrhaibien. Aitolien, Achaia. Valerius und 4 andere nach Make-
donien imd Aegypten. Verhandlungen mit Antiochos.)
Kap. 11 — 17 (Eumenes in Rom. Attentat von Delphoi. Heimkehr des
Valerius mit Rammius.)
Kap. 29—30, 7. (Die politische Gesamtlage.)
Kap. 37 ff. -) (Reise des Marcius, letzte Gesandtschaft des Perseus,
1) Natürlich alles nur in der annalistischen Darstellung, der tatsächliche Vor-
gang nachher. — 2) Davor fehlt der Uebergang des Sicinius nach lUyrien, da
schon nach den Aimalen berichtet.
Zitm Aiitihruclic des ilrittcti römisili-Dial.edoiiisr/icn Krieifcs. 423
Ausweisung der Makedonen, römische Gesandte zu den verbündeten
Staaten, Ausbruch des Krieges).
B. Der erste Annalist.
Kap. 18 [Im Anschluss an den Bericht der Hamniius nach Polvbios].
Befelil an Sicinius, mit einem ersten Korps nach lUyrien überzusetzen,
die Hauptvorbereitungen ei-st unter den neuen Konsuln zu treffen.
Kap. 30. 8 — 82. 5 Antritt der neuen Konsuln. Bescbluss, den Antrag
auf Krieg und Mobilmachung aus Volk zu bringen, wenn keine Genug-
tuung erfolgt.
[Es fehlt: die Genugtuung bleibt aus. ila schon nach dem 2. An-
nalisten erzählt.]
Antrag ans Volk. Aushebungen, währenil bisher nur Sicinius mit
600 Mann bereit war.
C. Der Zweite Annalist.
Kap. 11, 1 Attalos nach Rom (Rest durch polybianisches Gut verdrängt).
Kap. 25. Die Gesandten, die in Makedonien Genugtuung forderten,
kehren ohne Resultat zurück.
Kap. 26. Gesandte Roms an die verbündeten Staaten.
Kap. 27. Aushebung, erstes Korps unter Sicinius fertig bis zum
13. Februar.
Kap. 28. Wahlen am 18. Februar.
Kup. 35. 3 — 86. 9. Feriae Latinae am 1. Juni. Hauptheer ausgehoben.
Letzte Gesandtschaft des Perseus, Ausweisungsbeschluss. während Sicinius,
schon vor dem Neujahr abgegangen, in Dlyrien operiert.
Der Parallelismus tritt deutlich hervor, wie schon oben betont ; der
Gang der Ereignisse ist nun an der Hand des Polybios zu rekonstruieren,
wobei man versuchen muss, die Nachrichten, die die Annalen über Poly-
bios hinaus enthielten, zu seiner Vervollständigung zu verwerten.
Polybios sagt: Nachdem der Senat schon durch die Nachrichten des
Eumenes zum Kriegsbeschluss gebracht worden war. ohne diesen jedoch
zu publizieren, erfolgte die Denunziation des Rammius gegen Perseus.
Daher gingen Marcius und seine Begleiter nach Griechenland, hatten dort
eine Konferenz mit Perseus und besuchten die verschiedenen hellenischen
Staaten. Sie veranlassten einen letzten Versuch Perseus". Rom friedlich
zu stimmen, daher kam bald nach der Rückkehr des Marcius eine ma-
kedonische Gesandtschaft nach Rom. wurde aber abgewiesen : alle Make-
donen mussten Italien verlassen '). Die Operationen begannen. Von dieser
Kette von Ereignissen ist die Reise des Marcius chronologisch fixiert: sie
fällt nach Pol. XXVII, 2,12 xarä x^'f^üipa-).
1) Dies fehlt bei Livius 48 bekanntlich, es steht aber Pol. XXVII, 6. Daraus Appian
Maced. 11, 8, Diodor XXX. 1.
2) Bei Livius beginnt die Tournee ante hiemem (37, 3), endet principio hiemis
(44, 8). Das ist natürlich keine so starke Abweichung, dass man eine zweite Quelle
424 Ulrich Kahrstedi.
Wie stimmt dazu die unnalistische Ueberlieferung? Wir haben ge-
sehen, dass die Landung des Sicinius noch nicht erfolgt war, als Marcius
mit Perseus zusammentraf, dagegen seine Truppen schon zur VerfUginig
stehen, als der Senat die letzte makedonische Gesandtschaft vorliess (47. 10
— 48,1).
Nun sagt der Annalist II — wenn ich den Annalisten mit den vielen
Daten so nennen darf ') — dass die Truppen, aus denen sein Korps for-
miert wurde, zum 13. Februar nach Brundisium beordert wurden. Kann
das stimmen? Kann der 13. Februar republ. Aera zwischen die Reise des
Marcius und die durch sie veranlasste letzte Gesandtschaft des Perseus
fallen ?
Im Jahre 168 geht der römische Kalender nach Massgabe der Mond-
finsternis vor Pydna um fast 2V2 Monat vor, im Winter 172/1, um den
es sich hier handelt, um noch mehr, da die Schaltung von 170 allein die
Diiferenz um 23 Tage vermindert hatte ^). Der Abstand des bürgerlichen
vom jnlianischen .Jahre betrug damals also reichlich 3 Monate, die Iden
des Februar fallen in die erste Hälfte des November.
Man sieht, das Datum passt recht gut zu Polybios. Anie likmein war
Marcius abgereist (Sept./Oktob., das ist nach polybianischer Rechnung
schon y.aiä %eiu(hva). die Konferenz mit Perseus mag um den 1. No-
vember herum erfolgt sein, damals gab es noch kein Korps des Sici-
nius.
Ferner behauptet Annalist U, dass die Aushebung gleich nach dem 1. .luni
begann, d. h. Ende Februar. Unmittelbar danach (35, 3 — 36, 1) erzählt
er die Ankunft der durch Marcius veranlassten makedonischen Gesandt-
schaft, das führt ungefähr auf den 1. März julianisch. Sie wird abgewiesen,
die Operationen beginnen, sagt Polybios Kap. 48. Alles stimmt, als die
30 Tage um waren, innerhalb deren die Makedonen römischen Boden
verlassen mussten, d. h. Ende März, begann die gute Jahreszeit, der Praetor
geht zur Flotte ab. Als einige Wochen darauf der Konsul in Thessalien
einrückt, findet er (56. 8 u. ö.) das Getreide reif zum Gebrauch auf den
Feldern; es ist Mai. erste Hälfte.
Die Landung des Sicinius, die nach der Anordnung der Annalen vor
die Ankunft der letzten Gesandtschaft des Perseus in Rom fällt — sie
ist ihr auch bekannt und wird in ihren Instruktionen 36. 2 als Beschwer-
degrund aufgeführt ■ — und nach 27 und 36 auch in die letzte Zeit des alten
annehmen kann, sondern ungenaue Wiedergabe des Polybios. Auch braucht der
polybianische Text im Fragment keineswegs ungekürzt zu sein.
1) Ich vermeide Namen, da die Verteilung der Annalistik auf Persönlichkeiten
allzu problematisch ist. Die römischen Historiker sind dazu langst nicht greifbar
genug, um ihre Eigenart in livianischer Ueberarbeitung öfter als ganz gelegentlich
zu erkennen.
2) Liv. XLIII, 11, 13. Soltau, Römische Chronologie 59.
10
Zi(»i Aiitthnahr lies (Irilfoi nhiih('h-iti(ih:ihtn/sr}iri! Krieges. 425
Konsulatsjahres, (jeliört daher wahrsclieinlich Anfang Dezember jiil.. etwa
'/a Monat vor den Anitsweclisel und ebensoviel hinter die Versammlung
des Korps bei Brundisium. Man sieht, Kom hat sich Zeit gelassen, erst
etwa 1 Monat nach der Konferenz des Marcius mit Perseus landete Sici-
nius im Osten : Polybios hat ganz recht, wenn er sagt, damals (November
172) konnte Rom garnicht daran denken, einem kräftigen Stosse des
Perseus zu begegnen.
Wie passt nun die einzige chronologische Andeutung bei Annalist I
hierzu y Der Beschluss von Kap. 30, der sicher authentisch ist. wie auch
Nissen anerkennt, erwartet wenigstens der Form nach noch einen fried-
lichen Ausgleich. \ind zwar ist er gefas.st gleich nach dem 15. März,
d. h. Mitte Dezember. Worauf man in der Formulierung noch Rück-
sicht nahm, ist nun wohl klar: Die Gesandtschaft des Marcius war
noch nicht zurück und wenn man auch nicht erwartete und vor allem
nicht hoffte, sie würde Friedensgarantien bringen, so musste man doch in
der Formulierung der Akten auf diese noch schwebende Frage Rücksicht
nehmen. Bald darauf ist dann Marcius zurückgekehrt (Dezember/Januar)
und hat Bericht erstattet. Die Mobilmachung wurde angeordnet, sie war
nach der Reihenfolge der Dinge bei Annalist II schon vollendet, als die
letzte Gesandtschaft kam (35 die Mobilisierung = Januar — Februar, 36
die letzte Gesandtschaft = Februar — März). Nach Polybios (48, 4) ist
alles fertig, als man die letzte Gesandtschaft abweist, das Heer wird nur
noch vereinigt.
Nissen hat also S. 249 f. Unrecht mit der Annahme, dass die Chro-
nologie der Annalen zu der des Polybios nicht passte. wir haben gesehen,
dass sobald man die Verteilung der Kapitel auf die Ursprungsquellen
sorgfältig durchführt, die Chronologie durchaus stimmt, die römischen
Daten fügen sich ganz korrekt in die allgemeine Chronologie des Polybios
ein. Nissen hatte dies deshalb verkennen müssen, weil er nicht sah, dass
Polybios zur Zeit der Reise des Marcius von keinem Korps des Sicinius
etwas weiss, sondern erst nachher, dass daher die Kapitel, die von seiner
Entsendung reden, sämtlich annalistisch und hinter Polybios' Bericht
über Marcius einzuordnen sind.
Was nun die realen Abweichnungeii der Annalen angeht, so hat Nis-
sen recht darin, dass die (von beiden Annalisten vorausgesetzte)') rö-
mische Gesandtschaft, die bei Perseus schlechte Aufnahme findet, einfach
ei-funden ist, desgl. die Entschuldigungsgesandtschaft der lihodier 26, 8 f.
(Nach meiner Verteilung Annalist II, die Freude an der Datierung tritt
auch wieder hervor.) Sie widersprechen beide dem Gange der Dinge bei
Polybios. Entstanden sind beide Fabeln aus dem Bedürfnis heraus. Rom
zu entschuldigen, ausserdem liat vielleicht schon das pontitikale Stadtjour-
1) Kap. 25, bezw. 30 und 31.
K I i o , Beiträge zur alten Geschichte XI 4. 28
11
426 ülrkh luihrsftilt.
Hill (da beide Annalisten übereinstimmen) das authentische Senatuskon-
sult von Kap. 30 auf die erwartete Antwort bezogen, die diese Gesandt-
schaft bringen sollte.
Die Sendung des Sicinius habe ich fixiert. Der Umstand, dass er
einmal (bei Ann. I) 600 Reiter, das anderemal (bei Ann. II) über 5000
Mann bei sich hat, von denen nur 300 Heiter sind (36, 8), kann stutzig
machen. Sicher ist, dass Polybios seine Abteilung auf mehrere Tausend
Mann beziffei-t '). Will man die Nachrichten bei Ann. I und II doch
noch irgendwie verbinden, bleibt nichts übrig, als anzunehmen, dass er
erst mit 600 Mann übersetzte, während der Rest folgte, dann hätte An-
nalist II aber die genaue Zusammensetzung des Heeres aus 5000 Mann
z. F. und 300 Reitern sich aus den Fingern gezogen, da Sicinius schon
von vornherein 600 socii equites zur Verfügung hatte. Wahrscheinlicher
ist mir, dass man über die Stärke des Korps des Sicinius überhaupt nichts
rechtes v.nisste und nun jeder Annalist seine Phantasie frei spielen Hess,
um dann deren Produkt mit gewohnter Sicherheit als Tradition vorziitragen.
Einen weiteren, auf ganz anderem Gebiete gelegenen chronologischen
Anhalt, der das oben Gesagte für das Frühjahr 171 bestätigt, gibt Polyb.
XXVII, 3, 3 und 7, 2. An der ersten Stelle ist Agesilochos Prvtan von
Rhodos, an der zweiten Stratokies. Nun gehört 3. 3 nach Ausweis von
Livius Kap. 45 in die Zeit, als die Tournee des Marcius zu Ende ging
und Perseus sich anschickte, seine letzte Gesandtschaft zu entsenden, also
Dezember 172, dagegen 7. 2 in die Zeit, als die römische Flotte bei Kephal-
lenia liegt, also nach Livius Kap. 48 in den Beginn der Operationen
nach der Ausweisung der Makedoneu. d. h. April. Dazwischen liegt das
Ende der ersten und der Anfang der zweiten rhodischen Sechs-Monats-
Prytanie. Das passt sehr gut. der Wechsel der Beamten wird zur Zeit
der Frühlings-Tag- und -Nachtgleiche erfolgt sein, das rhodische Jahr
im Herbst begonnen haben, wie die meisten kleinasiatischen Jahre "^).
Einen gewissen Anhalt für die Datierung bietet auch Appian 3Iar.
11, 3, der sich gut zu dem bisher beobachteten fügt. Es heisst dort,
dass die Rhodier den Eumenes bei dem grossen rhodischen Sonnenfeste
demonstrativ ignorierten und seine Festgesandtschaft oi>x iöetavio. Dieses
Fest gehört nun nach Ausweis von IG XII 730 in den 2. Panamos des
rhodischen Jahres **). Dieser gehört nun in den Jahren, in denen er in-
1) 48,11. Das hätte Niese. Griech. u. mdked. Staaten III 111 Anm. abhalten sol-
len, die Sendung des S. für erfunden zu erklären. Dass wir nachher, als der Kon-
sul in Griechenland ist, nichts mehr von seiner Streitmacht hören, ist nicht wunder-
bar: S. hat dann natürlich das Kommando sofort abgegeben, seiner Order gemäss
(27, 6), und sein Heer wurde in die Reihen des konsularischen gestellt. Sicinius auch
bei Zonaras IX, 22. 5.
2) Vgl. Ideler. Mnthetnatische Chronologie I 414, 419 tf.
3) Vgl. Hiller v. CTärtringeu. Hermes XXIX, 16 ff. und Dittenberger De sacris Bhodio-
rum, Comm. I u. II Halle 1886 und 87. Die Inschrift gehört in das 1. Jahrhundert,
12
Zitiii Aia^hrKchc des driftin rönüsr/i-nin/.rilon/srjioi Krieges. 427
terkalievt winl, nicht liinter den 1. Monat dieses Namens, sondern an ilen
Schluss des Jalires, wie uns die grosse Kalendeiinschrii't Kr XII 4 ge-
sai^t hat. Das rhodische .lahr nun als Herbstjalir angenommen, kommen
wir für den 2. Panamos und das Staatsfest auf den September. Das
passt aufs beste zu den anderen Datierungen. Appian bringt die Nach-
riclit in Zusammenhang mit der von dem Attentat, sie wird also in seiner
Quelle auch wohl nicht allzuweit davon gestanden haben. Dem Attentat
auf Eumenes folgt die Denunziation des Kammius und dieser die Reise
des Marcius. Letztere auf Oktober datiert, kommen wir für die Ankunft
des Rammius auf etwa Mitte September, für das Attentat auf August.
Dazwischen muss der 2. Panamos begonnen haben ; man sieht, dass dies
sehr wohl möglich ist^).
Der Ausbruch des Krieges ist also wie folgt vor sieh gegangen :
Im Frühsommer 172 waren römische Kommissare in Aitolien, Thes-
salien und anderswo gewesen, hatten die Unruhen daselbst zu stillen ver-
sucht, zugleich aber den Verdacht verstärkt, dass Perseus Machinationen
gegen Rom betreibe. Im Hochsommer, etwa Juli, kam Eumenes nach
Rom, um gegen Perseus Klage zu führen. Die Majorität des Senates
nahm die Denunziation mit Freuden auf und wenn auch einige skeptisch
blieben und den angeblichen Vorbereitungen Perseus' keinen rechten
Glauben schenkten, zeigte doch die abweisende Haltung des Senates den
Vertretern Makedoniens und Rhodos' gegenüber, dass man entschieden
Partei ergriif. Dass der Senat in geheimer Sitzung den Krieg direkt be-
schloss und Eumenes davon in Kenntnis setzte, blieb freilich der Oeffent-
lichkeit noch unbekannt.
Die abgewiesenen Makedonier eilten nach ihrer Heimat zurück, bald
— August — reiste Eumenes ab. Da erfolgte, während der Pergamener
Delphoi besuchte, ein Attentat auf sein Leben, das die öffentliche Mei-
nung dem Perseus und seinen Ratgebern zur Last legte. Dass man bei
der kriegerischen Stimmung im Senat diesen Grund zum Abbruch der
Beziehungen aufgriif, ist begreiflich, um so mehr, als eine ähnliche De-
nunziation hinzi\kam. Einer der kurz vor Eumenes" Reise, also im Juni/
Juli, ausgesandten römischen Kommissare war in Chalkis von dem Brun-
disier Rammius aufgesucht worden, der aus Makedonien kam und die Be-
aber wir sehen, dass das Fest schon mindesten seit dem Ende des 2. im 2. Panamos
lag nnd dass das Hauptfest der Republik Rhodos sich verschiebt, wird niemand
annehmen. Dass es sich bei Appian um das grosse Staatsfest handelt, ist eben
durch die Beteiligung der fremden Mächte sicher.
1) Will man dies gelten lassen, verschiebt sich die Datierung, die Hiller v. Gär-
tringen den Priestern des Appollon Erithimios zuweist. Nach ihm gehören die gros-
sen penteterischen Sonnenfeste in die Jahre 102/1, 98/7 etc. Nun haben wir diese
Datierung des Festes auf 172 d. h. Ende 173/2, also kämen wir auf 105/4, 101/0, 97/6,
93/2, 89/8, 85/4, also gegen Hiller v. Gärtringen um 1 Jahr herunter. Danach fiele
die navdyvgt^ fittä xöv nölcßov 87/6 statt 88/7.
28*
13
428 Ulrich Kalirsfcflf.
luiiiptung mitbrachte. Persens habe ilin dafür gewinnen wollen, die zahl-
reichen vornehmen Römer, die in seinem Hanse ein- und ausgingen,
durch Gift ans dem Wege zu räumen. Der Kommissar — Valerius —
kehrte also mit dem Brundisier nach Uom zurück und nahm zugleich eine
gewisse Praxo aus Delphoi mit als Kronzeugin für die Attentatsgescliichte.
Die Mitteilungen dieser beiden Zeugen veranlassten den Senat zu weiteren
Schritten. Eine Kommission — Marcius Philippus an der Spitze — ging
Ende September nach Griechenland, um die Stimmung der Hellenen zu
prüfen und Roms Einfiuss in den eventuell schwankenden Staaten zu
stärken. Etwa tausend Mann bewaffneter Macht standen ihr zur Ver-
fücpun"'. Persens — von dem Kriegsbeschlusse im Sommer nicht unter-
richtet — hoffte noch auf Frieden und suchte eine Zusammenkunft mit
Marcius, die Ende Oktober zu Stande kam. Auf ihr spielte der römi-
sche Kommissar seine Rolle sehr gut. Mit seinem selbstbewussten Auf-
treten, das jeden von ihm gewährten Aufschub der Feindseligkeiten als
bescmdere Gnade des beleidigten Rom hinstellte, täuschte er den König
und verbarg geschickt die mangelhafte Vorbereitung Roms. Der König
Hess sich bereden, einen letzten Versuch zu machen, den Senat zu ver-
söhnen. Marcius versprach Waffenruhe für die Zeit dieser Gesandtschaft,
eine kostbare Zeit, die Rom dazu dienen sollte, seine Rüstungen zu vol-
lenden. Daheim hatte man indessen mit diesen begonnen, sobald die Aktion
des Marcius im Gange war. ein erstes Korps, das der Praetor Sicinius
führen sollte*), wurde für Mitte November nach Brundisium beschieden
und besetzte bald darauf die illyrisch-epeirotischen Küstenplätze. Das
Imperium des Praetors, das nur noch wenige Tage dauern sollte, wurde
in das neue Amtsjahr hinein verlängert. Im Dezember wurde dann den
neu eingetretenen Konsuln der Auftrag, für den Krieg und den Hatiptteil
der Aushebung die Genehmigung des souveränen Volkes einzuholen. Noch
konnte man freilich nicht den Krieg bedingungslos verkünden . man
musste auf die Verhandlungen, die Marcius erst schriftlich, dann münd-
lich mit Persens zugelassen hatte, wenigstens in der Formulierung Rück-
sicht nehmen und schrieb : Der Krieg sollte proklamiert sein, wenn keine
Genugtuung (bei der in ihren einzelnen Resultaten noch unbekannten Konfe-
renz des Marcius und Persens) erfolgt wäre. Bald darauf, etwa .lanuar/Fe-
bruar, erschien Marcius wieder in Rom und stellte die Ankunft einer make-
donischen Gesandtschaft in Aussicht. Mit besonderer Freude nahm man
die Nachricht im Senat natürlich nicht auf, man war mehr oder weniger
kompromittiert, wenn man nun nach Proklamation des Krieges „nur wenn
keine Genugtuung erfolgte" diese Genugtuung abwies. Denn daß man
1) Dessen Zusammensetzung wir nicht kennen. Wir haben gesehen, dass das
Datum stimmt, die aufgezählten Truppenteile aber wohl aus der Luft gegriffen sind.
Die Urquelle hatte vermutlich nur : Zu den Iden des Februar versammelte der Praetor
Sicinius ein Heer in Brundisium.
14
Xinii Aiisliriiihi- lies (Ir/flni niniisrh-niitkiddiiistlicii Ki/iiii:s. 429
dies tun wollte, war sicher: man inol)ilisierte irjeiili nach den Latiiiisciien
fcrhw (Februar, 2. Hälftej die konsularischen Meere und war ziemlich
damit fertig, als um den 1. März herum die makedonische Gesandtschaft
erschien. Abweisen konnte niiin sie nicht, denn erstens hatte man selbst
ausgesprochen, man fordere Genugtuung und diese wurde hier eben ge-
boten und zweitens hatte der Kommissar der Republik die Absendung der
Gesandten veranlasst. So liess man die Makedonen vor, erklärte aber,
ihre Versicherungen seien keine Genugtuung für die Angriffe auf Eumenes
und die Rüstungen gegen Hom, sie und alle ihre Landsleute, die in Ita-
lien weilten, hatten das römische Machtgebiet in 30 Tagen, bis Ende
März, zu verlassen. Zugleich versammelte sich das Heer zur Einschiffung
und die Flotte wurde fertig gestellt. Beim Beginn der guten .Jahreszeit
ging sie in See (Anfang April), einige Wochen darauf begann der Land-
krieg in Thessalien (Anfang Mai).
In diese Reihe von Ereignissen hinein hat die römische Tradition
die von Perseus beleidigte römische Gesandtschaft nach Makedonien und
die Gesandtschaft der Rhodier 26, 8 f. erfunden; dagegen spricht 29,11
(polyb.) dafür, dass an der Spannung Roms mit Gentios 26, 2 ff. (gegen
Nissen 247) doch etwas Wahres ist — wenn nicht etwa die Angabe 29, 11,
dass Gentios sich Rom bereits verdächtig gemacht hatte, von Livius eben
in Hinblick auf Kap. 26, 2 ff. in den polybianischen Bericht hineingesetzt
worden ist und dieser einfach von der Stellung des Königs als unsicher
sprach.
Bezeichnend ist die ängstliche und plumpe Entstellung der Annalisten,
um Roms Politik zu beschönigen. Tatsächlich ist sie äusserst gemein
und tückisch gewesen. Man kann es nun einmal nicht vertuschen, dass
Rom ohne eigentlichen Grund den Krieg vom Zaune gebrochen hat,
dass der Krieg beschlossen wurde, ehe ein Grund dazu vorlag und man
also vor sich selbst zugab, dass man einen Vorwand wünschte, um über
Makedonien herzufallen, dass Rom immer noch die Miene des nur die
nötige Genugtuung für erlittenes Unrecht Heischenden zur Schau trug,
der öffentlichen Meinung Sand in die Augen streute mit der Beteuerung,
man rüste nur für den Fall, dass diese ausbliebe, als man längst entschlos-
sen war, den Krieg auf jeden Fall — mochte an Genugtuung geboten
werden, was da wollte — zu eröffnen, dass Rom endlich den letzten Frie-
densversuch, der erfolgte als Sicinius' Landung schon den Krieg eröffnet
hatte, abwies und doch noch den Mut fand, durch zwecklose Härte den
privaten Makedonen gegenüber den Beleidigten zu spielen. Perseus hat
das Aeusserste getan, um den Frieden zu erhalten, Rom hat ihn skmpellos
gebrochen, und gerade die vornehmen und edlen Eigenschaften des Geg-
ners, sein Vertrauen und seine Vertragstreue, missbraucht, um ihn mit
Lügen hinzuhalten, bis man mit seinen Vorbereitungen weit genug war,
selbst Polybios konnte dies nicht leugnen.
15
430 Ulvich Kahrsfcdt, Zum Ansliruchv d. drittiii rom.-muki'don. Krieges.
Andererseits hat auch Perseiis durcli sein Zögern seine Chancen sehr
verschlechtert. Die von Antiken wie Neueren vorgetragene Ansicht, dass
Perseus sich von Marcius die kostbarste Zeit ablisten Hess und so den
rechten Augenblick zum Losschlagen verpasste, hat sich durchaus bestätigt,
ja ist durch die genaue Verwertung der chronologischen Handhaben, die
wir benutzen konnten, nur noch bestärkt worden. Perseus hat nämlich
nicht nur auf Veranlassung des Marcius den verfehlten Versuch einer
letzten Friedensverhandlung unternommen, sondern hat aucb diesen un-
begreiflich lange hinausgeschoben. Wir haben oben berechnet, dass die
Konferenz des' Königs mit dem Kommissar um den 1. November 172 her-
um anzusetzen ist, jedenfalls vor den 13. Febi-. republ. Kalenders, ebenso
hat sich aber ergeben, dass diese Gesandtschaft erst nach Abschluss der
Mobilmachung und Marcius' Heimkehr, die beide schon ins neue Amts-
jahr gehören, nach Rom gekommen ist und kaum viel vor dem 1. März
171 julianisch vor dem Senate erschien. Die Schuld liegt also nicht allein
in der List des Marcius, sondern auch in der Unentschlossenheit des Ma-
kedonen, der nicht einmal zum letzten Friedensangebot den raschen Ent-
schluss fand. Hätte er gleich nach der Zusammenkunft mit Marcius das
Nötige veranlasst, hätte er also seine Vertreter schon Mitte November
vor den Senat geschickt, so wäre er von der Aussichtslosigkeit des Ver-
suches immer noch rechtzeitig unterrichtet worden und hätte sich auch
noch im Dezember wenn auch nicht mehr nur den 1000 Mann des Mar-
cius, aber immerhin doch nur dem schwachen Korps des Sicinius gegen-
über gefunden. Dass Perseus über drei Monate gewartet hat, bis er
seine Vertreter nach Rom schickte, ist nur so zu erklären, dass er
warten wollte, bis Marcius Philippus. in dem er immer noch einen zu-
verlässigen väterlichen Gastfreund sah, wieder in Rom wäre und den
Makedonen event. beistehen könnte. Das wirft dann auch neues Licht auf
die Reise des Marcius durch den Peloponnes. Jeder Tag. den er länger
von Rom fern blieb, war ein Gewinn für die Rüstungen daheim.
Zum Schluss sei noch erwähnt, dass man aus App. Mac. 11,5 nicht
mit Niese III 111 Anni. zwei makedonische Gesandtschaften als historisch
herauskonstruieren kann. Die zweite ist nur der Hintergrund für die zu-
sammenfassende direkte Rede über das Verhalten und die Absichten Ma-
kedoniens und noch viel weniger historisch als die Volksversammlungen,
in denen Perikles bei Thukydides von des attischen Reiches Herrlichkeit
und den Tendenzen seiner Politik spricht.
Berlin.
16
431
Zur Karte von Griechenland.
\ on Karl Julius Belocb.
1. P s 3' 1 1 ale i a.
Kallenberg hat sich in dankenswerter Weise der Aufgabe unterzogen
für meinen Ansatz von Psyttaleia [Kl/o VIII, 1908, S. 477 ff.) den apa-
gogischen Beweis zu liefern (-Ber/. Phil. Wochenschr. 1909. Nr. 2 Sp 60 — 4).
Um die Gleichung Psyttaleia = Lipsokutala (dies, nicht Lipsokutali. ist
die richtige Namensform) zu halten, weiss er kein anderes Mittel, als bei
Strabon (IX 395) die Worte xal äXko vrjaiov ö/ioiov xfi WvrTaAei'a xal
rovTO zu athetieren. Ich sehe in diesem vtjaiov Lipsokutala, das Keos
Herodots. Kallenberg meinte das wäre „schon deshalb unwahrscheinlich,
weil dann Strabon das winzige Atalante mit Namen nennte, während er die
daneben als Riese erscheinende Insel imbenannt Hesse". (Nebenbei gesagt,
wie passt auf diesen „Riesen" das Epitheton ßaid, das Aeschylos Psytta-
leia gibt?) Aber schildert denn Strabon hier aus eigener Anschauung?
Wer ein geogi-aphisches Kompendium der ganzen oiy.ovfievi] schreibt, kann
überhaupt nur in den seltensten Fällen nach Autopsie schildern, und nichts
berechtigt zu der Annahme, dass hier eine solche Ausnahme vorliegt.
Diese unbewohnten Inselchen mussten Strabon von seinem Standpunkte
aus höchst gleichgültig sein : und da er weder die englische Admirali-
tätskarte, noch die „Karten von Attika" vor sich hatte, sondern nur einen
Periplus. so kann er von der relativen Grösse der beiden Inseln auch gar
keine Kenntnis gehabt haben ; und hätte er in seinem Periplus wirklich
gelesen, dass Lipsokutala etwa 10 Stadien lang und 2 — 3 Stadien breit
ist. was aber nach der Analogie der uns erhaltenen Schriften dieser Aj-t
zu schliessen gewiss nicht darin gestanden hat, so würde ihm das ohne
Zweifel sehr wenig imponiert haben. Also mit diesem Argument ist es
nichts. Aber auch sprachlich, meint Kallenberg, wären die Worte „nicht
ohne Anstoss". „Denn xal vor xovro habe gar keinen Sinn, da von einer
Aehnlichkeit von Atalante und Psyttaleia nirgends die Rede gewesen ist.
Sie können von einem Leser herrühren, der Strabons Darstellung für un-
vollständig hielt". Nun. das raüsste doch ein merkwürdiger Leser gewesen
sein, der eine Insel erfindet und nicht einmal ihren Namen anzugeben
weiss. Und ebenso merkwürdig, dass keiner der Herausgeber Strabons
— und es sind doch ganz tüchtige Leute darunter, die ihren Strabon gründ-
432 K(ui JhUks Bclddi,
Hell yvliannt hüben — Aiistos.s an den Worten geuommen Init. Oiler viel-
mehr, es ist gar nicht merkwürdig ; sie haben nur Strabon nicht vor-
schreiben wollen, wie er sich hätte ausdrücken sollen, und wussten auch,
dass er nicht der Pedant war. für den ihn Kallenberg hält.
Also Kallenbergs Äthetese ist rein willkürlich. Sie ist aber auch
o-Awi unzulässig. Denn Strabon zählt in der Strasse von Salamis vier
Inselo-ruppen oder Inseln auf, von W. nach 0. : die Pharmakussen, Psyt-
taleia, Atalante und das äk?M vr^aiov. Und ebenso viele sind wirklieh
vorhanden nämlich 1) Nera und die Kyrades. 2) Hagios Georgios. 3)
Talandonisi, 4) Lipsokutala. Wenn wir also bei Strabon eine Insel athe-
tieren, müssen wir annehmen, dass er in seiner Beschreibung eine Insel über-
gangen hat, gerade die, die er am wenigsten übergehen durfte, weil sie
unmittelbar vor der Stadt Salamis liegt, Hagios Georgios. Wir haben
nicht den geringsten Grund. Strabon eine solche Nachlässigkeit zu impu-
tieren, bloss der vorgefassten Meinung zu liebe, dass Psyttaleia = Lipso-
kutala ist. Wohin würden wir wohl kommen, wenn wir die Texte in solch
willkürlicher Weise zurechtschneidern wollten? Also von einer Äthetese
kann keine Rede sein, und damit ist die Sache erledigt: denn es gibt
zwischen Atalante und dem Peiraeeus keine andere Insel als Lipsokutala
und kann auch im Altertum, nach den Tiefenverhältnissen, keine andere
gegeben haben : folglich muss Lipsokutala das tt'/io vi]aiop sein, und
Psyttaleia ist Hagios Georgios. Dass Strabon das cüZo vrjaiov anonym
gelassen hat. ist seine Sache; er kann seinen sehr guten Grund dazu ge-
habt haben, z. B. den, dass der Name in seiner Vorlage unleserlich war.
Wer aber trotzdem Anstoss daran nimmt, dass der Name fehlt, wird,
falls er seinen Strabon kennt, nie auf den Ged'anken einer Äthetese ver-
fallen, sondern sich vielmehr erinnern, dass gerade im IX. Buch zahl-
reiche Lücken sind. Mein athenischer Freund Basilios Leonardos schlägt
mir vor, xal (^Keiög) äÄXo vr/aioi' zu lesen, was ja paläographisch sehr
leicht wäre; nur könnte man fragen, warum Strabon die Homonymie
von Atalante mit der Insel bei Lokris hervorgehoben hat. die von Keos
mit der Kykladeninsel nicht. Es können aber, hier wie so oft. mehr
Worte ausgefallen sein, und Strabon z. B. geschrieben haben : nlijaloi' Sä
y.al i) 'AtuMviij, öfttovvfiog t*] nsgl Evßoiav xal AoxQovg, xai ü/^ko vij-
aiov dfiotov rfi WmrakEia, xai jorro (bfiöiv^iov Keto rtj iv talg Kv-z-MaC)
oder etwas ähnliches, vgl. Strab. X 459 xal nöXic, 'Aaraxöc, dfiwrvftog
xf] nsQi Nixo/i t'/öeiar xal töv 'Aaiaxi]vbv xöXnov xal >) Kqi&cot?] ö' öfid)-
vvfioQ 7io?J-/j'i] T(öi> ii> ff] ßQcexia XEQQor/]ao). Doch ich lege auf diesen Vor-
schlag weiter keinen Wert, und meine vielmehr, dass gar nichts zu ändern ist.
Hier könnte ich schliessen; denn wenn wir das äZXo v>]aiov bei
Strabon nicht streichen, bleibt gar kein Zweifel, dass Psyttaleia = Hagios
Georgios ist. Und wer ohne zwingenden Grund athetieri. zeigt damit nur.
dass er mit seinem Latein zu Ende ist. Was Kallenberg sonst vorbringt.
'Am- Kiidi riiu (iricrliciildiiil. 43y
li:it ilcnn aucli nicht iliis geriiiffstc Gewiclit. So meint er, (h''noQUOQ. das
Beiwort, das Aeschylos von ['syttaleia braucht, bezeicline „eine Küste, an
der sicli schlecht landen lässt. an der man niclit leicht landen kann"
(hier wäre wegen der ganz überfliLssigen Wiederholung wolil eine Athe-
tese am Platze) ; das passe auf Lipsokutala, nicht auf Hagios Georgio.s.
Aber das öi'aoQfiog darf nicht gepresst werden; denn Aeschylos selbst
erzählt uns, dass die Hellenen, sobald die persische Flotte geschlagen war,
av9't]fie()öi' q^QÜ^ai'iFg F.vxdXxoic, öefiag
onkoiai. rawi' eH^Qiony.ov, d/iq)} dt
y.vxkovvio ndaav vt]aov {Fers. 4.54 ff.)
sie haben also ohne Schwierigkeit landen können, und zwar rings um
die Insel; das passt sehr gut auf Hagios Georgios. aber gar nicht auf
Lipsokutala, was ich übrigens schon Klio VHI 483 hervorgehoben hatte.
Ebenso falsch ist die Behauptung, dass die Worte des I)ichters
rPiaög rig iari jtQÖad-e SaXa^ivog rönojf
nicht auf Hagios Georgios bezogen werden könnten. Heute geht freilieh
jeden Morgen vom Peiraeeus ein Torpedoboot nach dem Arsenal von Salamis,
und wer kann, benützt diese Gelegenheit. Da kommt man denn freilich
zuerst bei Lipsokutala vorbei. Dass aber eine solche regelmässige Ver-
bindung zur See — es braucht ja gerade kein Torpedoboot gewesen zu
sein — schon zu Aeschylos' Zeit bestanden hat, wird wohl auch Kallen-
berg nicht behaupten wollen; wer also kein eigenes Schiff hatte, oder
kein Geld eins zu mieten — und das war natürlich die grosse Mehrzahl —
ging nach dem UfQa/ia und Hess sich dort übersetzen . weshalb denn
Strabon den f/'c ^aZa/uva TroQ&fiög ausdrücklich erwähnt (IX 395): hätte
Kallenbei"g sich dort übersetzen lassen, statt auf dem attischen Ufer zu
bleiben, würde er gesehen haben, dass man da ganz nahe an Hagios
Georgios vorbeikommt, ehe man Salamis erreicht, ent.sprechend den Wor-
ten des Dichters. Und wenn Strabon sagt, Psyttaleia sei von „einigen"
Zt'jfit] Tov ÜEiQaiwg genannt worden, so ist das verkehrt, ganz gleich,
welche Insel wir unter Psyttaleia verstehen wollen. Denn keine dieser
Inseln kann dem Peiraeeus je den geringsten Abbi-uch getan haben, nicht
einmal als Station einer feindlichen Blokadeflotte, am wenigsten Lipsoku-
tala, das wirklich im vollsten Sinne des Wortes övaoQfiog ist. Bekanntlich
hat Perikles den Ausdruck von Aegina gebraucht, auf das er trefflich
passt. und Strabon hat das Apophthegnia, das ihm noch von der Schule her
geläufig sein mochte, durch einen lapsKS tiwmoriae auf Psyttaleia bezogen.
Weiteres über die ganze Frage 'Ecpij/i. dgx liUl Sp. 383 f.
2. Dikte.
Wie fest einmal eingewurzelte Irrtümer in der Wissenschaft haften,
zeigt i'echt deutlich die Ansetzung des heiligen Berges Dikte auf Kreta auf
unseren Karten und in unseren geographischen Handbüchern. Weil nach
434 KrtrI Jidhis Beloch.
Staphylos bei Strab. X 475 Praesos im Süden der Insel lag. und zwar,
nach Strabons eigener Angabe S. 478 in der Nähe von Leben, 180 Sta-
dien von Gortyn. die Dikte aber bei Prae.sos. identifizierte man dieses
Gebirge mit den Bergen von Lassithi. (Hock, Kreta I 407) deren Kul-
minationspunkt, der Affendi Cliristos. zu 2155 m emporsteigt, also nach dem
Ida und den , Weissen Bergen" die höchste Spitze der Insel bildet. Frei-
lich steht diese Ansetzung im Widerspruch mit einer anderen Angabe,
die sich bei Strabon im unmittelbaren Anschluss an die eben erwähnte
Angabe findet, wonach die Dikte 100 Stadien vom salmonischen Vorge-
birge, 1000 Stadien vom Ida gelegen hätte. Ferner setzt Ptolemaeos
(III 15, 3 und 6) die Dikte auf 55» 30' Länge an, Hierapytna auf 55° 15'.
das Sabnonion auf 50" 50' ; sodass also auch nach ihm die Dikte östlich
vom Isthmos von Hierapytna gelegen hat. Dass man diese ganz präzisen
Angaben ignorierte, mochte hingehen, solange man zur Bestimmung der
Lage von Praesos ausschliesslich auf Strabon angewiesen war; jetzt aber
haben uns die Inschriften gelehrt, dass Praesos im östlichsten Teile der
Insel, im Herzen der Provinz Sitia gelegen hat, dass Zeus Diktaeos dort
Schwurgott war (DiaJ.-Lischy. 5058) und dass der Tempel des Gottes
bei Palaekastron an der Ostküste Kretas, unweit Itanos, sich erhob
(Bosanquet, Anniml Br. Srhool Athens XV, 1908/9). Demnach kann
nicht der geringste Zweifel sein, dass die Dikte im äussersten Osten der
Insel gelegen hat. und mit dem Bergmassiv identisch ist. das östlich von
Praesos im Dryses (830 m) gipfelt. Es ist W. Alys Verdienst, das zu-
erst energisch betont zu haben (Der hefische Äpollonhdt, Leipzig 1908,
S. 46). Denn obgleich die wahre Lage von Praesos schon längst bekannt
ist, werden noch auf H. Kieperts 1897 erschienener Spezialkarte von
Kreta und auf M. Kiesslings 1909 herausgekommenem Blatt 21are Aegaeum in
Sieglins Atlns Antiquus die Berge von Lassithi als Dikte bezeichnet: nicht
minder in Bürchners Art. BMe in Pauly- VVissowa V 1 (1903). Ja
Schoemann ist soweit gegangen, das bei Hesiod. Theoy. 482 überlieferte
AvxTov in AlxTTjv zu ändern, eine Konjektur, die Flach sich nicht ge-
scheut hat, in den Text seiner Ausgabe aufzunehmen. Ebenso gilt bei
Archäologen und Historikern die Höhle bei Psychro in Lassithi allgemein
als die diktaeische Grotte. Hock suchte sich dadurch zu helfen, dass er
nach bekanntem Rezept zwei Berge Namens Dikte annahm, was noch
ganz kürzlich von Bosanquet wiederholt worden ist [Anmial XV 351) ;
aber die Alten kennen eben nur einen Berg Dikte. und dass die ale-
xandrinischen Dichter über dessen Lage nicht genau orientiert waren, wie
schon Strabon hervorhebt (X 478 f.). tut nichts zur Sache. Und wenn
Bursian meint [Geoiiraphie II 533 A). Ptolemaeos (III 15, 6) nenne als öqti
tn:iai]fta auf Kreta nur die drei Gruppen Asv-y-ä öqi], "7(5>/ und Aiy.T7], die
also den drei höchsten Bergen der Insel entsprechen müssten. sodass die
Dikte nur der Afi'endi Christos sein könne, so legt er in die Stelle etwas
Änr Knriv nni (iricchcnhtiKl. 435
liini'iii was sie keineswegs besa.yt. denn firlaij/ia oqij siml „hei-iilinitc". niclit
„hohe" Berge. Und selbst wenn Ptolemaeos den Ansdruck im letzteren
Sinne gebrancht hätte, würde das garniclits beweisen: denn Polybios (I 55, 7)
nennt den Eryx ßeye&ei nagu noZv öiacptQov lüv xaiu cijv HixeAiav
ÖQwr 7Tli]i> Tijg AiJvr]Q. und doch ist der Eryx nur 751 m hocii und es
gibt in Sicilien unzählige höhere Berge. Den alten Geographen standen
eben nur sehr wenige Höhenquoten zu Gebote, und auch diese waren kei-
neswegs immer zuverlässig. Uebrigens ist es nicht richtig, was Bursian
sagt, dass die Berge von Lassithi „namenlos bleiben würden", wenn wir
ihnen den Namen Dikte entziehen. Denn unter dem AiyaTov ÖQog bei
Hesiod Theog. 484, das im Gebiete von Lyktos lag, können nur die Berge
von Lassithi verstanden werden; und wenn Ptolemaeos in der Beschreibung
der Südküste von Kreta zwischen Inatos und Hierapytna ein 'leqov öqoq
auftuhrt (III 15. o). so werden wir darin eben das AiyaTor OQog Hesiods
zu erkennen haben.
Die Insel 0 n y sia.
Da ich gerade beim Osten Kretas liin. noch eins, poiir la bonni;
hoHchc. Bei Plinius (IV 61) wird als conini Itainoii pronumtunum gelegen,
eine Insel Onysia aufgeführt, die sonst nirgends genannt wird. Dagegen
kennt der Stadiasmus Maris Magni (354. 355) in der Nähe des salmonischen
Vorgebirges die AiovvaiäÖEq, zwei kleine Inseln, die auch bei Diod. V
75, 7 erwähnt werden ; heute heissen sie Dragonara und Gianitsades. Mir
scheint demnach klar, dass bei Plinius Z)(onysia zu schreiben ist. Die
Emendation liegt so nahe, dass es mich wundern sollte, wenn sie nicht
schon einmal gemacht worden wäre : ich habe sie aber nicht unterdrücken
wollen, da Onysia noch in Detlefsens letzter Ausgabe (Berlin 1904) para-
diert und die Plinius-Stelle auch in Bürcbners Artikel Dionysiadcs hei
Pauly-Wissowa V 1, 881 nicht erwähnt wird.
Beiläufig will ich bemerken, dass der Name des Vorgebirges 2al-
fiönnov, im kretischen Dialekt später Ha^i/novioi' (vgl. AÜTTTTa, AvTTog,
mit Assimiliei-ung der Konsonanten aus Aüfiira, Avy.Tog). noch später
2a^icoi'iot> geschrieben (auch in Inschriften: 3Ion. Anf. XI, 536 n. 82
'Ai>at'a 2afioyvia eiyJiv), den Fick, Otisiianien S. 77, für lelegisch, Ass-
niann. I'/iiloJ. 67, 1908. S. 164. gar für semitisch hält, gut gi-iechisch ist;
er steht zu SaAfto)V£vg wie IToaeiöioi' zu JToaeiöwv. Salmoheus aber ist
der Gott der Salzflut, von der Wurzel sal, äZ, vgl. 2aXfio)via (Diod. IV
68, 4) oder ^aZfiwvt] (Strab. VIII 356, Steph. Byz.), älteste Form 2aJla-
fiibva {Inscr. c/r. nnt. 121) in Elis und daneben 'AZ/ioivia in Thessalien
(Steph. Byz. Mivva). Zu derselben Wurzel gehören AZßOjrl' (Sohn des
Poseidon, Steph. Byz. s. v. ) und AZfiojjiia, die also mit Spiritus asper zu
schreiben sind, HcUßog oder "AAfiog (Steph. Byz. unter den beiden Na-
men), richtiger "A^fiog in Boeotien, und wie die Form 2aZafitbva zeigt,
i:\Q Karl Julius Bdwli.
auch iSalamis. wüiaus .sich ilann weiter er<^iljt. dass dieser Name erst mit
den Griechen nach Cypem «fekonmien ist und mit den Phuenikern nicht
das geringste zu tun hat.
3. E 1 e u t h e r a e.
Eleutherae wird auf unseren Karten gleich unterhalb des Passes von
AQvbg KecfaZal angesetzt, da wo beim Chani von Kaza die imposanten
Ruinen von Gyphtokastro aufragen. ,Dass die Stadt hier gelegen hat, „ist
nur von wenigen verkannt worden", wie Milchhöfer sagt {Karten rnn
Affiht. Text IX 37). der es darum für überflüssig gehalten hat. einen
Beweis zu geben. Und doch ist klar, dass die Lage in dem einsamen
ßergtal für eine Stadt ebenso unpassend wäre, wie sie für ein Sperrfort
ausgezeichnet geeignet ist. Und dass es sich wirklich nur um ein Sperr-
fort handelt, zeigen die Ruinen aufs deutlichste. Im VI. Jahrhundert
stand hier auf dem Hügel von Gyphtokastro nur ein einfacher Wachtturm
in Polygonalbau : die später, im IV. Jahrhundert angelegten Befestigungen
haben eine Länge von etwa 300, eine Breite im Mittel von etwa 100 m,
die ummauerte Fläche entspricht also etwa der AJn-opolis von Athen
und umfasst ungefähr 3 ha. Spuren von Gebäuden innerhalb der Mauern
linden sich nicht, abgesehen von dem eben erwähnten alten Wachtturm.
Die .schwachen Spuren einer Unterstadt", die einzelne Reisende gesehen
haben wollen (Milchhöfer. Kaden von Attika a. a. 0.) beschränken sich
auf einige Mauerreste, die längs des Südostabhanges des Hügels herab-
laufen. Leake hat darum in diesen Ruinen die Grenzfestung Oenoe er-
kennen wollen, was freilich nicht richtig sein kann, da Oenoe als attischer
Demos östlich von Eleutlierae liegen musste. und westlich von Gyphto-
kastro für Eleutherae kein Raum ist. Das Wahre erkannte Otfried Müller,
der auf der Karte von Boeotien zu seinem Orchonitnos unsere Ruinen als
Panakton bezeichnet, ohne übrigens, soviel ich sehe, diese Ansicht näher
zu begründen. Das würde ibm damals auch schwer geworden sein; denn
aus den literarischen Quellen ergibt sich nur, dass Panakton an der boeo-
tischen Grenze gelegen hat (Thuk. V 3,5; 42. 1, Demosth. vdGes. 32(5.
Harpokr. ndrazTog), und erst zwei Inschriften, die ein halbes Jahrhundert
nach Otfried Müllers Tode gefunden sind, haben den Beweis für die Rich-
tigkeit seines Ansatzes gegeben. Es sind Ehrendekrete der in Eleusis
Panakton und Phyle stehenden athenischen Bürgertruppen für die aiga-
ir^yol in' 'EZevoTvog Aristophanes und Demaenetos, das eine CIA IV 2,
614 b aus der Zeit Demetrios' des Belagerers (Gr. Gesch. IH 2, 37), oder
wie Kolbe will (zuletzt Ati. ArcJi. S. 62) Demetrios' IH, das andere CIA
IV 2,619 b aus dem Ende des IH. Jahrhunderts, beide also aus einer
Zeit, als die heut erhaltenen Befestigungen von G^-phtokastro bereits stan-
den. Da nur drei Garnisonen erwähnt werden, hat es damals im Militär-
bezirk Eleusis eben nur di-ei befestigte Plätze gegeben, Eleutherae und
////• Kurte von Grkchenhnxl. 437
Oenoe wsireii also in dioser Zeit keine Fcstuiifrcn iiielir. l);inn üIht ruuss
Gyplitokastro mit Fanakton identisch sein. Man könnte sich diesem
Schlüsse nur durch die Annahme entzielien. Gyphtokastro habe während
des ganzen III. Jahrhunderts, oder doch während dessen zweiter Hälfte
zu Boeotien gehört, eine Annahme, die ganz in der Luft stehen, und auch
aus inneren Gründen sehr unwahrscheinlich sein würde. Dass Panakton
ein strategisch wichtiger Platz war. zeigt auch seine mehrfache Erwäh-
nung in der Kriegsgeschichte dieser Zeit, trotz unserer dürftigen Ueber-
lieferiing (Paus. I 25, 6, Plut. Demetr. 23); schon das würde beweisen,
dass die Festung an einer grossen Strasse gelegen hat, und nicht da. wo
Milchhöfer sie hinsetzt, bei Kavasala am Südrande der Ebene von Skurta.
AVenn aber Gyphtokastro = Panakton ist, dann muss Eleutherae da
gelegen haben, wo schon Leake es mit richtigem Blicke angesetzt hat, bei
Myupoiis, an der Stelle, wo unsere Karten Oenoe verzeichnen. Die er-
haltenen Reste zeigen, dass es sich hier um einen ziemlicli ansehnlichen,
befestigten Ort handelt; die Lage entspricht der Beschreibung des Pausa-
nias (I 38, 9) : 'E/^ev^eQÜv de fjv fiev fVt tov reiyovg, ^v ök xal oixiäv
igeiTiia " öi'jh] öe Toinoig imi nökig öXlyov {>7ieQ tov neöiov ngög tw Ki-
d-aigävi oixia&eTaa. Die Befestigungen müssen schon im III. Jahrhundert
verfallen gewesen sein, da. wie die angeführten Inschriften zeigen, da-
mals keine Garnison hier gelegen hat. Und es ist doch klar, dass die
Stadt, so klein sie auch sein mochte, ein Gebiet gehabt haben muss, das
kein anderes sein konnte, als die Ebene am oberen Kokkini; was denn
auch durch Pausanias (38, 8) ausdrücklich bezeugt wird, der hier, iv tovtco
TW Tteöi'o) den Tempel der Dionysos Eleuthereus erwähnt. Dass Eleutherae
unmittelbar an der Strasse von Eleusis nach Theben gelegen hat, sagen
unsere Quellen nicht, und wird durch die oben angeführte Stelle des
Pausanias geradezu «ausgeschlossen; wenn Xenophon diese Strasse als
öl' 'EXevd-egöii' öödg bezeichnet (Hell. V 4, 14). so heisst das nur, dass sie
durch das Gebiet von Eleutherae ging. Uebrigens wissen wir nicht, ob
sie dem Tale des Kokkini entlang lief, oder quer über die Berge wie
die heutige Fahrstrasse.
Und auch ganz abgesehen davon ist es evident, dass Oenoe nicht hier
oben gelegen haben kann. Archidamos begann 431 seinen Feldzug nach
Attika mit einer Belagerung dieser Festung, die, wde Thukydides aus-
drücklich sagt, an seinem Wege lag (II 18. 1 Ineg ('fie?.Zov kaßaXetv).
Es ist also ganz ausgeschlossen, dass er auf seinem Marsch Mnipolis be-
rührt haben könnte, mag er nun die Küstenstrasse gezogen sein, oder über
den Pass von Kandili. Dasselbe ergibt sich aus der Erzählung, dass eine
korinthische Abteilung, die von Dekeleia nach Hause zog, bei Oenoe von
der Besatzung der Festung aufgerieben wurde (Thuk. VIII 98, 2) ; wir
werden doch nicht annehmen wollen, dass sie den weiten Umweg über
Myupoiis gemacht hat. Vielmehr muss Oenoe . nach diesen Angaben,
438 Karl Julius BelocJi.
in der eleusinischen Ebene «feieren haben, oder auf einer der diese inn-
«^ebenden Höhen, und zwar, da es iv /is&OQioig rjjg 'ATnyS^g y.ai Bono-
Ti'ag lag (Thuk. II 18.2 = VIII 98,2. Herod. V 74), und an Eleutberae
grenzte (Euripid. Antiope fr. 179), in deren nördlichem Teile, an der
Strasse nach Theben (Diod. IV 60, 5). Das in der Nähe gelegene Pythion
(Liban. Declam. 16. in DemosfJi. Ajiol. I p. 451) bildete nach Philochoros
die Grenze des Reiches des Nisos (bei Strab. IX 392). Man könnte die
Reste eines Demos (nach Milchhöfer Oea). da wo der eleusinische Kephi-
sos aus den Bergen in die Ebene tritt, bei Savani Kalyvia, die von einem
Fort, dem Kastro Plakoto, überragt werden (Milchhöfer a. a. 0. VIl 18)
auf Oenoe beziehen: hier in der Nähe muss es jedenfalls gelegen haben.
Das Gebiet Ton Eleutberae hat sich also von der megarischen Grenze
l)is zum 3IeyüÄo Bovvb erstreckt und das ganze Tal des Kokkini umfasst.
bis nahe an dessen Zusammenfluss mit dem zweiten der Quellbäche des
eleusinischen Kephisos, dem Sarandapotamos. Und es kann sehr wohl
sein.; dass auch das Tal dieses letzteren noch dazu gehört hat. Wenn
freilich San-is mit seiner Vermutung recht haben sollte, dass die mega-
rische Kome Erineia (Paus. I 44, 5) bei Kondura am Oberlauf des Saran-
dapotamos gelegen hat {'Ecftjfi. ägx- 1910 Sp. 151). bliebe diese Mög-
lichkeit ausgeschlossen. Ich halte es aber schon aus geographischen
Gründen für sehr imwahrscheinlich. dass das megarische Gebiet so weit
über die Wasserscheide hinübergegriifen haben sollte, da die Berge, die
das Tal des Sarandapotamos von der megarischen. Ebene trennen, bis zu
1000 m und darüber aufsteigen und der Kandilipass die einzige bequeme
Verbindung mit Megara bildet, der wie die hier auf beiden Seiten befindlichen
Befestigungen zeigen (Milchhöfer a. a. 0. IX. 40). offenbar auf der Grenze
zwischen Athen und Megara lag, sodass diese Grenze also auch weiter-
hin der Wasserscheide gefolgt sein muss. Und noch unwahrscheinlicher
wä,re es, dass Pausanias, der nach seinem eigenen Zeugnis in Erineia
gewesen ist (a. a. 0.), nach dem von seiner Reiseroute so weit abliegen-
den Kondura gekommen sein sollte. Da sich indes auf den Höhen, die
das Tal des Kokkini von dem Tal des Sarandapotamos trennen, die Reste
einiger Türme finden, so wird die Grenze zwisclien Attika und Eleutberae
wahrscheinlich hier anzusetzen sein.
Jedenfalls hat das Gebiet von Eleutberae mindestens gegen 100 qkm
umfasst, die allerdings ohne Zweifel im Altertum wie noch heute, zum
weitaus grössten Teile mit Wald bedeckt waren, sodass die Bevölkerung
nur verhältnismässig gei'ing sein konnte.
Aus dem Gesagten ergeben sich einige Folgerungen für die Geschichte
von Eleutberae. die freilich nur bestätigen, was wir schon auf anderem
Wege erschliessen konnten. Bei den Verhandlungen über die Rückgabe
von Panakton nach dem Nikiasfrieden behaupteten die Boeoter wg fjoär
noiE 'A^iivaiog y.al BoicoioTg ix öia(f.OQäg negi ainov ögy.oi Tca/.aioi
Zur Kurte nm (irirc/iciiliiiHl. 439
fi)]öeTiQOvg oixsTr (Wilam. Kiiduthiu 117. :3(l n'r/.Fiovv) ih /(ooior. ukXu
xorvfi veftet}' (Thiik. V 42, 1). Du mm, wie wir gesehen hahen, l^aiiakton
= Gyphtokastvo ist. so muss dieser Vertrag in einer Zeit geschlossen
worden sein, als Plataeae und Hysiae noch politisch zu Rocotien ge-
hörten : also hat Eieutherae, in dessen Gebiete Panakton gelegen war,
sieh vor Plataeae. d. h. vor 519 (Thuk. III 55, vgl. Gr. Gesrii. I 1^0 A).
an Atlien angeschlossen. Dabei ist es ganz gleichgültig, ob die Behauptung
der Boeoter auf Wahrheit beruhte, denn sie setzt jedenfalls voraus, dass
Elentherae schon unter athenischer Herrschaft gestanden hat, als Plataeae
noch selbständig war. Der Anschluss Plataeaes machte den Vertrag
hinfällig und die Athener konnten nun Panakton befestigen ; als dann
Plataeae im peloponnesischen Kriege an Theben gekommen war, haben die
Boeoter den alten Vertrag wieder hervorgesucht. Eieutherae ist also
spätestens unter Peisistratos' Herrschaft athenisch geworden, worauf ja
auch die Uebertragung des Kultes des Dionysos Eleuthereiis nach Athen
führt. Bei den freundschaftlichen Beziehimgen aber, die zwischen Theben
und Peisistratos herrschten (Herod. I 61, Aristot. All 15. 2). werden wir
wahrscheinlich noch höher hinaufgehen müssen, bis an den Anfang des
VI. oder ins VII. Jahrhundert. Dass der homerische Schiffskatalog, dessen
Verfasser in Boeotien so genau Bescheid weiss. Eieutherae unter den
boeotischen Städten nicht nennt, könnte als weiteres Argument dafür an-
geführt werden. Ob freilich das Motiv, das Pausanias (I 38. 8) für den
Anschluss von Eleutlierae an Athen angibt (xöt' f'xS'og tö @r]ßai(üv) auf
üeberlieferung l)eruht, oder nur von Plataeae auf Eieutherae übertragen
ist. mag dahingestellt bleiben : wahrscheinlich ist das letztere, es ist aber
sehr wohl möglich, dass Pausanias oder vielmehr seine Quelle doch das
richtige getroffen hat und der Anschluss in die Zeit gehört, als Theben
seine Vorherrschaft in Boeotien begründete.
4. D a p h n u s.
Strabon erzählt, dass Daphnus „vor alters" (tö naZaiöi') zu Phokis
gehört habe, während es zu seiner Zeit (vuv) lokrisch sei (IX 416. 425).
Wann der Besitzwechsel erfolgt ist, wird nicht tiberliefert; Schaefer
{Deinosfli. II i 270) und Bursian {Geogr. I 156) lassen die Stadt den
Phokern am Ende des heiligen Krieges entrissen werden, was Philipp-
son (Art. DapJnuts in Pauly-Wissowa) wiederholt. Das ist aber höchst
unwahrscheinlich, denn wir hören nicht, dass den Phokern damals ein
Teil ihres alten Gebietes entzogen worden wäre, und Pausanias (X 3, 2)
führt die damals bestehenden phokischen Städte namentlich auf; Daph-
nus ist nicht darunter. Nun werden allerdings bei Pausanias nur 21
Städte aufgezählt, während es nach Demosthenes udGes. 123) 22 ge-
wesen sind, aber Demosthenes hat offenbar Delphi eingerechnet, das bei
Pausanias fehlt (Schaefer, Dcnwsth. II ^ 268 A). Sollte aber bei Pausanias
440 Karl Jid/iis Jlclach.
wirklich ein Name aiisgefiiUcn sein, was Ja an sitli möglich genug ist.
da er keine Gesamtsumme gibt, so ist doch die Wahrscheinlichkeit, dass
das gerade Daphnus gewesen sein sollte, verschwindend gering. Allerdings
haben die Phoker im heiligen Kriege den westlichen Teil des epikne-
midischen Lokris, die Gegend an den Thermopylen und Thronion (Diod.
XVI 33,3: 38.3, Aesch. vdGes. 132) erobert, und auch Daphnus mag da-
mals von den Phokern besetzt worden sein ; hier handelt es sich aber nur
um eine vorübergehende Okkupation.
Ursprünglich hat Daphnus jedenfalls den Lokrern gehört; denn der
Bergzug, der die Wasserscheide zwischen dem Tal des Kephisos und dem
Sund von Euboea bildet, bildet auch die natürliche Grenze zwischen Lo-
kris und Phokis. Demgemäss zeigt unsere älteste Quelle, der homerische
Schifi'skatalog. der freilich Daphnus nicht erwähnt, die ganze Küste von
Opus bis zu deu Thei'mopylen als einheitliches Gebiet im Besitze der Lo-
krer. Dass Schedios in Daphnus ein Heiligtum hatte (das ^xediEiov.
Strab. IX 425). ist kein Gegengrund, denn er 'war nicht nur ein phoki-
scher. sondern auch ein lokrischer Heros, wie daraus hervorgeht, dass er
in die Gründungssage von Temesa in Italien verflochten war (Lyko]ihr.
1067 mit den Scholl, und Tzetzes), wohin er doch nur vom epizephyrischen
Lokroi aus gekommen sein kann (vgl. Strab. VI 2.55), das eine Kolonie
der opuntischen Lokrer war. Aber es liegt in der Natur der Sache, dass
die Phoker danach strebten, das schmale lokrische Gebiet zu durchbre-
chen und die Küste zu gewinnen. Schon die Sage berichtet von Kämpfen
der Bewohner des phokischen Hyampolis mit den Lokrern um den Besitz
von Daphnus, in denen die ersteren Sieger geblieben sein sollen (Schol.
Eurip. Orest. 1094. I 205 Schwartz. vgl. Schol. B 517), ein Reflex der
Kämpfe, die in historischer Zeit ausgefochten worden sind. Weiterhin
wurde Lokris in die Kriege zwischen Phokis und Thessalien hineingezo-
gen: so sollen die Phoker zur Abwehr der Thessaler die Thermopylen
befestigt haben (Herod. VII 176), was, falls es richtig ist, zur Voraus-
setzung haben würde, dass der westliche Teil des epiknemidischen Lo-
kris von ihnen abhängig war. und andererseits sind die Thessaler diä
AoxQÖiv gegen Hyampolis voi'gegangen (Plut. Mtd. virt. S. 244). Offen-
bar haben die Lokrer in diesen Kämpfen auf thessalischer Seite gestan-
den, und da die Phoker nur mit Mühe ihre L'nabhängigkeit zu behaupten
vermochten, werden sie damals Daphnus verloren haben, falls sie es be-
reits in Besitz genommen hatten, ebenso wie sie von den Thermopylen
abgedrängt worden sind. Dagegen scheint Daphnus am Anfang des IV.
Jahrhunderts im Besitz der Phoker gewesen sein. Wenigstens spricht
Xenophon von einer ä,uq)iaßi]Trjaif4og yMQa, in welche die opuntischen Lokrer
auf Anstiften der Thebaner im Jahr 395 einen Einfall machten, die also
damals im Besitz der Phoker gewesen sein muss. ein Einfall, der den An-
lass zum Ausbruch des korinthischen Krieges gab (HeU. III 5, 3), und
10
Zur Kntic von Griechenland. 441
wenn auch niiliore Angaben fehlen, liegt es doch am nächsten, an Daph-
nus zu denken. Allerdings nennt Kratippos [Hell. Oxyrii. XIII 2 f.) hier
statt der opuntischen die westlichen Lokrer, und verlegt das streitige Ge-
biet an den Parnasos : ich glaube aber mit Ed. Meyer {Theopomps Helle-
niku S. 85 iF.). dass Xenoplion hier das richtige gibt. Wir werden dann
anzunehmen haben, dass die Plioker den Erwerb oder VViedererwerb von
Daplmus. wie den von Delphi, ihrem Anschluss an die Athener nach der
Schlacht bei Oenophyta zu verdanken hatten: nach der Schlacht bei Ko-
roneia wäre ihnen dann zwar Delphi entzogen, Daphnus aber gelassen worden.
Im korinthischen Kriege, nach dem Siege über die Phoker bei Naryx (Diod.
XIV 82. 8) und detinitiv nach der Schlacht bei Leuktra werden dann
die Boeoter den Lokrern den Besitz der Stadt wieder verschafft haben.
Doch das sind Vermutungen. Die erste Erwähnung von Daphnus
als phokischer Stadt findet sich in einem Fragment des Demetrios aus
Kallatis bei Strab. I 60, wo erzählt wird, dass bei einem Erdbeben eine
Anzahl von Städten im nördlichen Euboea und an der Küste des gegen-
überliegenden Festlandes zerstört wurden, y.v^iü ts i^UQi^ev TQixfi tö fih'
TtQÖg Tägcpr^v iveyßrjrai y.ai (iQuriov, tö de UQÖg Seoftoni'Xag, uXXo 61
elg TÖ Jieöiov fOJg to? 'Ihoy.iy.oü Aacfvovvrog. Man pflegt das Erdbeben
mit demjenigen zu identifizieren, das nach Thuk. III 87. 89 dieselbe Ge-
gend im Jahr 426 verwüstete (Bursian, Geofjr. I 188, 2, Neumann-Partscb,
Physische Geoyr. S. 321) ; mit unrecht, wie abgesehen von allem anderen
schon die Erwähnung von Herakleia bei Demeti'ios beweist, das zwar im
Jahr 426. aber erst einige Zeit nach dem Erdbeben gegründet worden ist
(Thuk. in 92). Wir wissen also nicht, wann das andere Erdbeben statt-
gefunden hat ; aber das tut nichts zur Sache, denn es ist klar, dass De-
metrios. wenn er von dem ^(oxiy.ög Aafvovg spricht, die Verhältnisse sei-
ner eigenen Zeit im Auge hat. Demetrios hat etwa um 200 v. Chr. ge-
lebt, da er den Tod Hierons von Syrakus erwähnte und von Demetrios
von Skepsis und Agatharchides zitiert wird (Schwartz in Pauly-Wissowa
IV 2,2807): damals also gehörte Daphnus wieder zu Phokis. Da die
Zahl der phokischen Stimmen im Amphiktyonenrat bald nach 270 von 2
auf 3 steigt, während zugleich die lokrische Stimme verschwindet, so ist
die Annahme kaum abzuweisen, dass Lokris damals ganz oder zum Teil
phokisch geworden ist (Gr. Gesch. III 2, 332). Allerdings nur für wenige
Jahre, denn bald darauf führen die Phoker wieder zwei, und etwas später
nur eine Stimme, bis dann nach der Schlacht bei Chaeroneia ganz Phokis
in den aetolischen Bund aufgenommen wurde, ((rr. Gesch. III 2, 332 — 337).
Bei der Befreiung des Landes durch Demetrios muss dann Daphnus wieder
an Phokis gekommen sein, währeml Opus selbständig wurde (Polyb. XI
•5 (6), 4) und der Strich von Thronion bis zu den Thermophylen bei
Aetolien blieb (Liv. 28, 7). Danach ist Karte V zum III Bde. der Griech.
Gesch. zu berichtigen.
Klio, Beiträge znr alten Heschirlitc XI \. 29
11
442 KarJ Julius BeJoch.
Infolge der Scblaclit bei Kynoskephalae kamen Pliokis und Lokris
noch einmal unter aetolisclie Herrschaft. Phokis wurde wenige Jahre
später, im aetolischen Kriege, wieder selbständig: dagegen das opuntische
Lokris blieb auch jetzt bei Aetolien. wie sich aus der Araphiktyonenliste
aus dem Jahre des delphischen Archonten Praxias (178/7) ergibt, in der
beide lokrische Stimmen von den Aetolern geführt werden {Bull. Corr.
Hell. VII 427, und dazu De Sanetis in meinen Sti(cli di Sforia antka II
131, 3). Damals haben die Römer, um den territorialen Zusammenhang
des aetolischen ßimdes nicht zu unterbrechen. Daphnus den Aetolern ge-
lassen, und so, was Phokis anlangt, den Zustand vor dem heiligen Kiiege
wieder hergestellt. Als dann nach der Schlacht bei Pydna auch die Lo-
krer vrieder selbständig wurden (Salvetti in meinen Studi di Sforia antica
II 135, und die Ampliiktyonenliste von 130/29 bei Pomtow in Pauly-Wis-
sowa IV 2, 2691), ist ihnen der Besitz von Daphnus geblieljen. wie sich
aus dem oben angeführten Zeugnisse Strabons (IX 425) ergibt. Wenig-
stens ist nicht abzusehen, bei welcher anderen Gelegenheit Daphnus an
die Lokrer zurückgekommen sein könnte. Später scheint sich in diesen
Verhältnissen nichts geändert zu haben, denn Ptolercaeos kennt kein pho-
kisches Gebiet am Smid von Euboea und lässt die opuntischen und epi-
knemidischen Lokrer, die er wie Strabon a. a. 0. als zwei verschiedene
Stämme betrachtet, unmittelbar aneinander grenzen. Auch die übrigen
Geographen aus römischer Zeit, von dem sog. Skymnos angefangen, nen-
nen an dieser Küste nur die Lokrer. Eine Ausnahme bildet allein Pli-
nius, bei dem Daphnus wieder als phokisch erscheint (IV 27). Da er
aber Eleutherae zu Boeotien , die Megaris zu Attika rechnet, und eine
Menge Orte als noch bestehend aufführt, die zu seiner Zeit längst ver-
lassen waren, so hat er offenbar neben dem Staatshandbuch eine Quelle
vor sich gehabt, die Griechenland nach antiquarischen Gesichtspunkten
beschrieb, und sein Zeugnis beweist also hier für das erste Jahrhundert
der Kaiserzeit gar nichts.
5. D e m e t r i a s.
Als Stätte von Demetrias gilt heute allgemein der Hügel von Goritza,
etwa eine Viertelstunde östlich von Volo. Fredrich hat in den Athenischen
Mitteilungen (30. 1905. S. 222 ff.) eine Beschreibung der Oertlichkeit und
der dort vorhandenen Reste gegeben, mit einem Plan, sodass es auch
dem, der nie dort war, jetzt möglich ist, sich von der Stadt, die hier oben
stand, ein Bild zu machen. Die Ringmauer hat 2480 m im Umfang, der
umschlossene Flächenraum mag etwa 25 km betragen, dabei ist der Bo-
den sehr abschüssig. Die Bevölkerung kann sich also nur auf wenige
tausende belaufen haben, Arvanitopullos schätzt 3—4000 {IlQay.Tixa 1908
S. 219). Ein Hafen ist nicht vorhanden, und der Hügel ist so steil,
dass ein Lastwagen nur mit grösster Mühe hinaufgelangen könnte. Die
12
Zin- Karte von Griechoilaud. 443
Ausgrabungen, die Arvanitopullos liier vorgenommen hat {IlQaxjixü 1907
S. 171 ff.) sind ohne Ergebnis geblieben, weder öH'entliche Bauten noch
Kunstwerke sind gefunden worden.
Es ist schwer verständlieb, wie nach dem allem noch jemand glauben
kann, hier oben habe Demetrias gestanden, die Stadt, die ihr Gründer zur
Hauptstadt seines makedonisch-griechischen IJeiches bestimmt hatte, die
mit Lysimacheia und Alexandreia wetteifern sollte, und die wirklich eine
der wichtigsten Städte Griechenlands geworden ist. Und doch ist niemand
ein Zweifel gekommen : nur Arvanitopullos meint, Demetrias möge wohl
nur das aiQaTuorty.bv y.iviQOV gewesen sein, während Handel und Verkehr
und überhaupt das städtische Leben ihren Sitz in Pagasae gehabt hätten
{IlQaxTty.ä iy08 S. 219). Der so nahe liegende Gedanke: Demetrias ist
nichts weiter als ein neuer Name für Pagasae, ist auch ihm nicht ge-
kommen, obgleich die Sache bei Plinius sogar ausdrücklich bezeugt ist;
oppidum Pagasd,- klein postm Demetrias dkta (IV 29). Und doch haben
uns die Funde der letzten Jahre gelehrt, dass Pagasae im HL und IL
Jahrhundert, also in der Zeit, während der es unter diesem Namen niemals
erwähnt wird, eine grosse und blühende Stadt gewesen ist; die gemalten
Stelen, die hier in so grosser Zahl zum Vorschein gekommen sind, würden
allein zum Beweise genügen. Weiteres bei Arvanitopullos a. a. 0.
S. 218 ff.
Das ganze Unheil hat Strabon angerichtet, oder vielmehr der blinde
Glaube an Strabons Unfehlbarkeit. Dessen Bericht lautet (IX 436) txTiae
öe ArififjjQiog ö jto?jOQy.riTfjg inwvvfiov iavrov Ti]v AijirjiQidSa fisra^v
NijZeiag xal Uayaawi' ini d'aZdni] rag 7ih]aiov no?.iyvac, eig amijv
avvoixiaag, NrjAeiär le y.al Ilayaaäg y.r?.. Dem gegenüber pflegt man
Plinius' entgegenstehendes Zeugnis unbeachtet bei Seite zu werfen, wie
ja überhaupt Plinius als Quelle früher sehr unterschätzt worden ist. Und
doch zeigt Strabon hier recht wenig Sachkenntnis, wenn er meint, dass
Pagasae eine noZixt'i] gewesen sei, während es doch im IV. Jahrhundert,
wie sein aus dieser Zeit stammender Mauerring zeigt, eine sehr bedeutende
Stadt gewesen ist. Wie er diesen Irrtum begangen hat. werden wir ihm
auch den weiteren Irrtum zutrauen dürfen, dass er als Neugründung an-
gesehen hat. was nichts weiter war. als eine Erteilung von Stadtrechten.
Denn Pagasae war bis auf Demetrios eine y.öjfir] von Pherae gewesen,
wie das Fehlen eigener Münzen unwiderleglich beweist, es stand zu die-
sem ungefähr in demselben Verhältnis, wie der Peiraeeus zu Athen. De-
meh-ios machte Pagasae zur selbständigen Gemeinde, und stattete es durch
Einverleibung der Kleinstädte im südlichen Magnesia mit einem ansehn-
lichen Gebiete aus. Die neue Gemeinde erhielt, wie recht und billig, den
Namen des Königs, dem sie die Selbständigkeit zu danken hatte, und der sie
jetzt zu seiner Residenz erhob. Dass die Stadt bei dieser Gelegenheit ver-
grössert worden ist, ist möglich und sogar wahrscheinlich : Arvanitopullos"
29*
13
444 Karl Julius Bclorh,
weitere Untersuchungen werden uns (l:irü})er hott'entlicli Aiit'schlnss geben.
Die Vergrösserung könnte in der Kiclitung nach Neleia hin vorgenommen
worden sein. Wo dieses gelegen hat, wissen wir allerdings nicht. Uebri-
gens hat Pagasae als einer der städtischen Demen von Demetrias politi.scli
weiter bestanden {Insn: TliessnJ. 1109, 4 = Ditt. St/U. ^ 790).
Allerdings sagt Strabon weiter, dass lolkos 20 Studien von Pagasae
entfernt war (IX 436). und nur 7 von Demetrias (IX 436, 438). Beide
Zahlen kehren bei Herakleides dem Kritiker (sog. Dikaearchos) wieder
(Descr. Gr. fr. B. 1, Geogr. Gr. Min. I S. 106) tov 6e ÖQOvg (des Pelion)
f] iieylaTi] xat ?.aaioiTärr] ^ita T/}g TiöÄeag y.aju fiev nkovv C änexei
ordöia. neCi] ös x'. Dazu bemerkt C. Müller: .sc. a Deniefriade nrhe, de
q/t(i in antefcdentihus sermonen fiiisse putet e fine fragmenti. Ceterum
qnomodo inteUigenda sinf rerha xarä fiti' nXovv xtK. fafeor me non asseqni.
Wenn Demetrias bei Goritza lag. sind die Worte in der Tat unverständlich.
Ist aber Demetrias ^ Pagasae, so wird alles klar: die Ueberfahrt über die
Bucht, die Pagasae von den äussersten Vorhöhen des Pelion trennt, ist
natürlich kürzer, als der Weg längs des Ufers. Wir haben also hier einen
neuen Bewei.*; dafür, das Demetrias an der W^estseite der Bucht von Volo
lag. folglich mit Pagasae identisch ist. Wer von Demetrias nach dem Pelion
wollte. Hess sich in der Regel nach lolkos (Volo) übersetzen, und be-
gann von dort die Besteigung. Da nun Strabon dieselben Zahlen bietet,
liegt die Vermutung nahe, dass sie in derselben Weise zu verstehen sind,
also das eine Mal die Distanz zu Lande, das andere Mal die Distanz zur
See. Das letztere könnte in den erwähnten Worten stecken (S. 436) rfjg
ÖS A7]fit]TQidöog imä aradiovg insQXEnai t/]c d-a/.mii]g 'IcoAxög. An
der andern Stelle (S. 438) wird freilich die Entfernung von Demetrias
nach Ormenion TTsCfj auf 27 Stadien angegeben, wovon 7 bis lolkos, 20
von dort nach Ormenion. Wir müssen also annehmen, dass Strabon sich
ungenau ausgedrückt, oder seine Quelle niissverstanden hat. und neCfj sich
nur auf die Strecke von lolkos nach Ormenion bezieht. Jedenfalls fallen diese
Distanzangaben gegenüber den zwingenden Beweisen iür die Identität
von Demetrias mit Pagasae nicht ins Gewicht, und ebensowenig die An-
gabe des Ptolemaeos. der Demetrias 20' westlich von Pagasae ansetzt.
C. Müller meint, dass hier eine Verwechslung mit Demetrion-Pvrasos vor-
liegt, vielleicht mit Recht.
Und nun zum Schluss einen weitereu Beweis für die Identität von
Demetrias und Pagasae. Die Mauern von Demetrias sind uacb der
Schlacht bei Pydna geschleift worden (Diod. 31, 8, 6): davon ist an den
Befestigungen auf dem Hügel Goritza nichts zu sehen, sagt Fredrich a. a. 0.
S. 242. Wohl aber sind die Mauern von „Pagasae" niedergerissen, und
dann, im IL oder im 1. Jahrhundert neu errichtet worden (Arvanitopullos
a. a. 0. S. 203) , in die Türme der neuen Mauer waren die gemalten
Grabstelen verbaut. Da diese Stelen meist nicht älter sind als das III.
14
y.iif Kititc roll (jr/crliciildi/il. 445
.liiliiliuiidcrt werden wir sie fortan als Stelen aus Uenietrias /.ii in-zeielinen
Ilaben. Die Hiiinen auf dem Hügel von Goritza dagegen müssen einer der
kleineren Städte von Magnesia angehören; Namen genug stehen ja zur
Auswahl.
6. 0 e n i a d a e.
Die politischen ürenzen auf Bl. XVI von Hichard Kieperts Faniinr
sind fast ganz nach Karte III, und auf der Nebenkarte nach Karte V
des III. Bandes meiner griechischen Geschichte gezeichnet. Das ist ge-
wiss sehr verständig, nur würde es nichts geschadet haben, wenn der
Verfasser es ausdrücklich gesagt hätte, statt mich nur gelegentlich zu
zitieren. Und vor allem, er hätte besser getan, mir in einigen Punkten zu
folgen, wo er von mir abgewichen ist. So zieht er das Gebiet von
Oeniadae im Jahre 270 zu Aetolien, „was in Belochs Karte wohl zu be-
richtigen wäre"; ich habe nämHch die Stadt zu Akarnanien gezogen.
Und ich hatte dazu natürlich meinen guten Grund, nämlich die Angabe
Diodors (XIX 67, 4), wonach Oeniadae im Jahr 314 zu Akarnanien ge-
hört hat; da es in Alexanders Zeit von den Aetolern erobert worden war,
und diese es noch 324 im Besitz hatten (Diod. XVIII 8. 6). muss es ihnen
in der Zwischenzeit entrissen worden sein, und da ist kein anderer An-
lass denkbar als der Feldzug des Antipatros und Krateros nach Aetolien
im Herbst 322. Da nun von einer Wiederei-oberung der Stadt durch die
Aetoler in unseren Quellen nichts steht, nahm ich an, dass sie erst zu-
gleich mit den übrigen akarnanischen Städten im Acheloostale an die
Aetoler zurückgekommen sei, also um die Mitte des III. Jahrhunderts. Die
Richtigkeit dieser Vermutung hat der Bundesvertrag zwischen Aetolien
und Akarnanien, aus der Zeit um 270, ergeben, den Soteriades in Ther-
mos gefunden und 'E(fi]fi. dgx- 1905 Sp. 55 ff. veröffentlicht hat ') ; einer der
akarnanischen Strategen, die daiün aufgeführt werden, ist aus Oeniadae.
R. Kiepert zitiert diese Urkunde zwar (Text S. 9). hat sie aber offenbar
nicht gelesen.
Wenn R. Kiepert dann weiter meint, ich hätte auf Karte III Phiga-
leia zum makedonischen Machtbereich gezogen, so ist das nicht richtig.
Der Maßstab der Karte ist so klein, dass Phigaleia darauf überhaupt
keinen Platz gefunden hat. Lepreon aber hat allerdings damals zum
makedonischen Machtbereich gehört, da es noch in der bekannten Urkunde
Ditt. Syll- 106, die in die Zeit um 250 zu setzen ist (Gi: Gesch. II 2, 441),
als arkadische Bundesstadt erscheint. Ja wahrscheinlich ist überhaupt
ganz Triphylien um 270 noch, im arkadischen Besitze gewesen, denn die
Eleier haben es mit aetolisclier Hilfe erobert (Paus. V (1. 1). und das kann
[1) Vgl. dazu auch H. Swoboda, KUo X S. 397 ff. Die Red.]
15
446 Karl Jiilhix BeJorh,
nicht wohl vor dem Sturze des Aristotimos geschehen sein (vgl. Niese II
259).
7. Die E u r y t a n e n.
Die Eurytauen sind zuerst von Salvetti (in meinen StmVt cli Sforia
antica II, 1893, S. 93 ff.), und in der Hauptsache auch von Woodhouse
{ÄetoUn S. 84 f. und Karte zu S. 52) richtig angesetzt worden. Sieglin
[SchuJatlas S. 10—15) und W. Kiessling (in Sieglins Atlas Antujims
Bl. XIV und XV) haben denn auch Salvettis Ansatz angenommen. Da-
gegen sieht R. Kiepert {Formac, Text zu Bl. XVI S. 8). ., durchaus keinen
Grund, den Hypothesen Salvettis (er hätte ruhig Beloch sagen können,
denn ich hatte Salvetti auf die Sache hingewiesen) und Woodhouses
zu Liebe die bisherige Ansetzung der Eurytanen nördlich vom Panaetolius
M. (Arabokephalon) und am Krikelopotamos zu ändern und sie nach Sü-
den zu verschieben". Vielleicht hätte er besser getan, sich zu fragen,
worauf denn diese bisherige Ansetzung beruht : er würde gefunden haben,
dass sie auch nur eine Hypothese ist, und zwar eine Hypothese, für die
es selbst an dem Schatten einer Begründung fehlt. Denn dass Neuere
Oechalia. die Stadt des Eurytos in Karpenisi am Fuss des Tymphrestos
angesetzt haben, ist reine Willkür, da an der einzigen Stelle, wo dieses
Oechalia erwähnt wird (Strab. IX 448). über die Lage nichts steht, als
dass es im Gebiete der Eurytanen gelegen hat. Wir vrissen über die
Wohnsitze der Eurytanen überhaupt nur. was bei Thukydides (III 94) an-
gegeben ist. Danach wohnten den ozolischen Lokrern zunächst, also im
Tale des Daphnus, die Apodoter. an diese grenzten die Ophioneer. die
also im Tale des Euenos gesessen haben müssen, aber mit einem ihrer
Zweige, den KaPJueTg (Thuk. III 96. 3). in das obere Tal des Daphnus
hinüberreichten. An die Ophioneer wieder grenzten die Eurytanen, önen
/lEyiaior fiegog iarl t€)v ÄinoZcor. W'enn wir nun mit Kiepert die
Eurytanen nördlich vom Panaetolikon ansetzen wollten, so bliebe die Gegend
am See Trichonis leer, also gerade das Herz Aetoliens. sein sakrales und
politisches Zentrum, die fruchtbarste Landschaft: wir vermöchten nicht zu
sagen, welcher Stamm dann dort gesessen haben sollte. Andererseits
wissen wir, dass nördlich vom Panaetolikon zwischen Stratos und den Do-
lopern die Aperanter gewohnt haben, so dass die Eurytanen hier jeden-
falls nicht bis an den Acheloos reichen konnten, und also bestenfalls auf
das Gebiet des Kampylos und seiner beiden Quellflüsse, des Karpenisi und
Krikelopotamos beschränkt gewesen wären. Das ist aber ein Gebiet von
höchstens 400 qkm, ein Gebirgsland, das unmöglich eine starke Bevöl-
kerung gehabt haben kann : es ist nicht abzusehen, wie hier das ^üyiarov
fiEQog Tü>v Aix(a?MV gesessen haben könnte. Dagegen kommt alles in
Ordnung, wenn wir die Eurytanen in das Becken am See Trichonis setzen,
zwischen dem Panaetolikon im Norden und dem Arakynthos im Süden,
16
7,\u- Kurtv, von (ir'mUvnhmd. 447
und vom Eiienus l)is zum Aclieloos. \Vir verstehen rlann. warum dit; Er-
oberung dieses Gebietes, das das Bundcsheiligtum in Thermos unif'asste.
Demostlienes. wie die Naupalvtier bei Thukydides sagen, zum Herrn von
ganz Aetolien machen musste. Wenn VVoodhouse, der das gleichfalls
gesehen hat. die Eurytanen sich von hier über das Panaetolikon hinüber,
in das Tal des Kampylos ausdehnen lässt. weil sie. wie schon ihr Name
zeige, ein weites Gebiet gehabt hätten, so ist das eine unnötige Konzes-
sion an die früher herrschende Ansicht, denn das Gebiet an der Tricho-
nis hat. wenn ich recht schätze, eine Ausdehnung von etwa 800 qkni, ist
also für giiechische Verhältnisse recht ansehnlich, und das Panaetolikon
hat doch offenbar in älterer Zeit, wie die natürliche, so auch die politische
Nordgrenze Aetoliens gebildet. Das alles aber hat für R. Kiepert keine
Beweiskraft, denn die Eurytanen sollen das Fleich roh gegessen haben,
und so etwas hält er wohl im Tale des Kampylos für möglich, aber 20 km
weiter südlich im Becken der Trichonis nicht mehr. Nun. Thukydides sagt
von den Eurytanen xat (bfiofäyoi, ojg Uyovicu . er hat also die Sache
nicht geglaubt, wie sie ja ganz offenbar absurd ist. und damit ist dieser
Punkt wohl erledigt.
Bleibt der „schwerverständliche Dialekt" {äyvoiruniaroi yZcoatjuv): auch
das soll auf die Gegend an der Trichonis nicht passen. Hier wird es gut
sein, sich der Beschreibung zu erinnern, die Polybios von diesem Teile
Aetoliens gibt: fitere noXifuov Tero/.ftrixf.vm fitjösva nünoxE e/g xovq
rönovg lovrovg ifißaZelv, slvat le t»] <pvaei xoioviovg &a%E vfig avfindarjg
AiiaXiag otov äxQonöZecog rd^iv i'xeiv (V 8, 6). Es ist doch klar, dass
in dieser vom Verkehr abgeschlossenen Gegend, im Herzen Aetoliens. der
Dialekt mehr Besonderheiten bewahrt haben musste, als z. B. bei den
Apodotern an der lokrinchen Grenze.
9. K a 1 i n d o e a.
Da ich gerade bei Blatt XVI der Formae bin. noch eins. K. Kiepert
setzt Kalindoea nach der ptolemaeischen Position, und der Namensähnlich-
keit, Chrysochoos folgend bei Kilindir, 7 km südlich vom Doiran-See an.
Aber dass auf die Längen- und Breitenangaben bei Ptolemaeos sehr wenig
Verlass ist, wissen wir alle, und bei der Verwendung von Namensähnlich-
keiten soll man gerade auf der Balkanhalbinsel, wo sich im ganzen so
wenige antike Ortsnamen erhalten haben, doppelt vorsichtig sein. Nun
haben wir über die Lage von Kalindoea eiu epigi-aphisches Zeugnis in
dem von LolUng AsPa. uqx- 1890 S. 38 (= Ditt. SijU. ^ 36) veröffentlichten
Bundesvertrage zwischen Athen und den Bottiaeern aus der Zeit um
420. Dort steht am Ende ein Verzeichnis der bottiaeischen Städte, für
die der Vertrag gelten sollte, darunter KaZiröota. Und bekanntlich sas-
sen die Bottiaeer in der Nähe von Olynthos, das ihnen bis 480 gehört
17
448 A'((/7 .liiliiis Bclocli,
hatte (Herod. V'III 127) ; das benachbarte Spai-tolus war noch zur Zeit des
pcloponnesisehen Krieges in ihrem Besitz (Thuk. II 79, 2). Kalindoeo
muss also in dieser Gegend gesucht werden.
Ueber die Topographie von Nieder-Makedonien hätte ich noch viel
zu sagen, doch das mag für ein andermal bleiben.
10. D e r Le th a e 0 s.
Zum Schluss noch eine Bemerkung zur Karte von Kreta, zugleich
als Beitrag zur Würdigung der Akribie Sti-abons. Die älteren Topo-
graphen sahen den Lethaeos in dem Hieropotamos, dem wohl grössten
Flusse der Insel, der die fruchtbare Ebene von Gortyn und Phaestos be-
wässert, die Mesara, wie sie heute genannt wird. Da es aber bei Stra-
bon von der Stadt Gortyn heisst (X 478) öiuqqsi ö' avTtjv öZrjv 6 At]-
d'atog noTUßög. sind manche von diesem Ansatz zurückgekommen; der
Lethaeos sei vielmehr der Bach, der die Ruinen von Gortyn durchÖiesst
und einige Kilometer unterhalb der Stadt in den Hieropotamos mündet;
dieser letztere sei der Elektras. So H. Kiepert auf Blatt XII seiner For-
niae. Aber Ptolemaeos verzeichnet, wenn auch an falscher Stelle, die
Aij&a!ov noTüftov iy.ßoZai (III 15). und der einzige Fluss in der Nähe
von Gortyn, der in das Meer mündet, ist der Hieropotamos. Bestätigt
wird das durch SoHn. XI 9 S. 81 Momm. : GoHynam amnis Lenaeus (1. Le-
thaens) jjracterfliät quo Europam tiiiiri clorso Gortynii feriint vedifatam ;
der Hieropotamos hat Wasser genug, dass der Stier allenfalls darin schwim-
men konnte, nicht aber der Gebirgsbach, der bei Kiepert Lethaeos heisst.
L^nd wir sehen ferner, dass der Lethaeos nicht duixb Gortyn floss, son-
dern bei Gortyn vorbei. Dazu kommt dann das Zeugnis der TJieognidea
(1215 f.) nöAtg yi /lir iari xai ))fiiv y.uh], Arj&aio) xey.Zifievi] neöuo.
Dass es sich hier um den Lethaeos bei Gortyn handelt, ist klar; denn der
Lethaeos bei Magnesia, der einzige Fluss dieses Namens, an den man
sonst denken könnte, strömte durch das Muiüvöqov neölov (Xen. Hell. III
2, 18), und niemand würde darauf verfallen sein, diese Ebene als A>]d^aioi'
nediov zu bezeichnen. Es ist denn auch mit grosser Wahrscheinlichkeit
vermutet worden, dass die angeführten Verse Thaies aus Gortyn zum Ver-
fasser haben. Hiess aber die Ebene, an deren Rande Gortyn liegt, also
die Mesara, Arßdiov nediov, so kann der Lethaeos nur der Hieropotamos
sein. Ich denke, diese Beweise sind zwingend.
Strabons Angabe ist also falsch, oder vielmehr, sie beruht auf einem
Missverständnisse ; er sagt von der Stadt, was in seiner Quelle von dem
Gebiete (ToQTvvia) gesagt war. Das zeigt schon der Ausdruck: öXriv
wäre überflüssig, wann es sich um die Stadt handelte, während es für
das Gebiet aufs beste passt. Und wirklich spricht Strabon iinmittelbar
vorher von den beiden t-Ttveiu von Gortyn, Leben und Matala.
18
'/,nf Kiirh: riitl liticrhriilditil. 449
Iler Elektras. dessen Mündimjj; Ptolfiiiiiios etwa lialbwegs zwischen
Matala und Psychion setzt, aber etwas nälu-r an letzteres, ist also eines
der Flüsschen, die westlich vom Hierojiotamos sich ins Meer ergiessen,
wahrscheinlich, wie schon Biirsian «gesehen hat (Gcof/r. II 532), der Fluss,
der von Sybrita herabkonunt. Kiepert nennt diesen Fluss Kedrios ; dieser
Name ist aber nur durch Konjektur (gewonnen, denn bei Dionys. Kalliph.
128 (Geogr. Gr. Min. I 242) stellt KetjQiaög, auch wissen wir nicht, in
welchem Teile der Insel wir ihn zu suchen haben. Es ist reine Willkür,
ihn in die Nähe des heut Kedros genannten Berges zu setzen, ganz eben-
solclie Willkür, wie die Aenderung des bei Theophr. F/hiDzoifitsrli. III ;:},4
überlieferten Kivdqtov ÖQog in KiÖQiov.
K o m.
19
450
Studien zu den griechischen Bünden.
Von Heinrich Swoboda.
1. Zur Urkunde I r M. 28.
Das Bruchstück des Beschlusses einer ätolischen Stadt, welches Kern
in den Inschriften von Magnesia am Mäander n. 28 (S. 20 if.) heraus-
gegeben hat, fordert in mancher Hinsicht die Aufmerksamkeit heraus.
Obwohl der Anfang und der grösste Teil der Inschrift verloren gegangen
sind, erscheint die Beziehung auf ein Glied des ätolischen Bundes, abge-
sehen von dem Dialekt, durch das am Schlüsse befindliche, unten zu be-
sprechende Verzeichnis von anderen Städten und durch die Klausel Z. 4 ff.,
durch welche dem Psephisma Gesetzeskraft verliehen wird '), als gesichert.
Kern hat die etwaige Vermutung, dass es aus Thermon stamme, abge-
wiesen, weil dieser Ort 206 von Philipp V zum zweiten Male verwüstet
wurde; mit mehr Recht wird man dagegen einwenden, dass. wie aus Po-
lybios' Schilderung ^) und den von Sotiriadis an Ort xmi Stelle unternom-
menen Ausgrabungen erhellt ^), Thermon niemals eine Stadt in rechtlichem
Sinne war *), sondern ein allerdings befestigter heiliger Bezirk ^). Wenn
1) Richtig hergestellt von A. Wilhelm, Wiener Archäol. Jahreshefte IV (Beiblatt).
Sp. 25 ff. Dazu Boeseh QfwQÖg S. 92 ff. und Francotte, Melanges de droit imblic
grec 33 ff. Es ist nicht zum ersten Male, dass das nomographische Verfahren für
einen ätolischen Gliedstaat bezeugt ist, cf. die Inschrift von Amphissa. Bull, de corr.
hell XXV 234 ff., besser in der 'E<p}i.u. apx- 1908. Sp. 1.59 ft".. (z. 10 [?!]o/toyQn(pojv xt?..),
aus der Zeit, da Amphissa ätolisch -n-ar (189 — 167): allerdings bandelt es sich hier
um ein Psephisma. das auf Antrag der Nomograpben gefasst -wurde. Für den Bund
war es bereits bekannt durch SGBI'lill (= Si/IL- 280), z. 16 ff., wozu das gleich-
lautende zweite Exemplar tritt, das in Delphi gefunden wurde, Bull, de corr. hell.
XXVI 281 ft'. n. 23, z. 23 ff; ähnlich SGDI 1413 (= St/ll.'' 295), z. 26 ff.
2) Polyb. V 7 ff., bes. 8, 4 ff., der Thermon wiederholt (7, 2. 8, 5) einen totio?
nennt. Die Bezeichnung no)Jiviov bei Stepb. Byz. s. u. ßepfioc soll, wenn überhaupt
auf sie etwas zu geben ist, wohl dasselbe bedeuten, umsomehr. da Poivbios Stepha-
nos' Quelle ist.
3) 'E(prj/j. apx 1900, 161 ff'., 166 ff., dazu dessen spätere Berichte in den rfgayrixa
von 1901, 1902, 1903 und 1906. Der ntQißo/.os des Heiligtums des Apollon war eine
mit Türmen versehene Festungsmauer.
4) Dieser Irrtum kehrt jüngstens wieder in der Dissertation von J. v. Keitz.
De Aetolontm et Aearnamtm sacris (Halle a. S. 1911) S. 19.
5) Schon Brandstäter, Die Geschichten des ätol. Landes, Volkes und Bundes (1844)
S. 132 wies darauf hin ; vgl. ferner Emil Kuhn, Ueber die Entstehung der Städte der
1
Heinrich Sirohmld . Sfiidioi -ii diu firirrliixchen Biimhn. 451
Kein es für \valirscli(>iiili<li lijilf. dass der liescliliiss von K;ily(loii her-
i-ülire. so wird man ihm. mit- lüicksicht darauf, dass dessen Aiifstellun«^
im Heiligtum der Artemis ljai)liria verordnet wird '), gerne beistimmen.
Kern hat nun unsere Urkunde zu datieren versucht und mit Hück-
sicht auf die Angabe Appians MiiciiJ. ;?, dass Ambrakia. da.s in der Sub-
skription (fol. II. z. 9) als ätolische Stadt erscheint, von den Aetolern im
Jahre 206 eingenommen, kurz darauf aber von Philipp V von Makedonien
erobert wurde, sie in das Jahr 20fi gesetzt. Allein es erscheint in hohem
Masse als zweifelhaft, ob Appians Angabe für eine solche Folgerung
tragfähig genug ist; wie wenig Glauben sie verdient, hat man schon längst
erkannt "). Vielmehr wird man annehmen müssen, dass Ambrakia. wel-
ches nach Demetrios' Tode zum Anschhiss an Aetolien verhalten wurde"),
und das für 219 ^) und 198/7 '*) als ätolisch bezeugt wird, die ganze Zeit
über bis 189. in welchem Jahre es sich den Römern ergab ^), bei Aeto-
lien geblieben ist. In welche Schwierigkeiten man sich verwickelt, wenn
man Appians Angabe bevorzugt, zeigt am besten, wie Obevhummer, der
dies ebenfalls tut, die Reihenfolge der Ereignisse rekonstruiert'): nach
ihm hätten die Epeiroten 219 Ambrakia zurückgewonnen, die Aetoler 206
die Stadt wiedererobert und sie unmittelbar darnach an Philipp verloren;
durch den Frieden von Phönike (205) erhielten sie die Epeiroten, worauf
die Aetoler, vielleicht vor Anfang des zweiten makedonischen Krieges*),
sie ihnen entrissen. Aber ganz abgesehen von der inneren Unwahrschein-
lichkeit solcher Annahmen besitzen wir auch urkundliche Zeugnisse, aus
welchen sich die enge Verbindung Ambrakias mit Aetolien in den zwei
letzten Jahrzehnten des dritten Jahrhunderts ergibt: in dem ohne Archori
überlieferten Hieromnemonendekret SGDI 2532 {CIG 1689) . welches
wahrscheinlich in das Jahr 214/3 zu setzen ist '), erscheint unter den äto-
lischen Hieromnemonen ein Ambrakiote (z. 3) '") und in einem anderen Be-
Alten 93 ff., Lolling in Iw. Müllers Haiidh. III 140. Woodhouse, AeioUa 281 tf. Ditten-
berger ad IG. IX 1, 411. Niese, Gesch. der griecli. und makedoii. Staaten II 2Ui. 44.5.
Beloch, Griech. Gesch. lU 1. 627.
1) Vgl. Pausan. IV 31. 7; dazu von Keitz a. a. 0. 29 tf.
2) Clementi in Beloelis Stiidi dt sturia antica I 77 und Salvetti ebenda II 11!1 ff.
3) Beloch GG. III 1, 660. 2. 321. — 4) Polyb. IV 61,6 ff.
5) Polyb. XVIII 10,9ff. — 6) Polyb. XXI 29, 14. Liv. XXXVIII 19. 9.
71 Akarnanien im Altertum 163 ff'., 171 ff'.
8) Nach S. 174 nicht vor 199 v. Chr.
9) Dazu Poratow. Jahrb. f. cl. Philol. 1897. 806 und in Pauly-Wis.sowas R. E.
IV 2629. 2689; Beloch a. a. O. III 2, 345.
lu) In Z. 3 derselben Inschrift möchte ich trotz Dittenberger (Syll. - 924. Anm. 4)
doch lieber [At\).ados lesen, wie Pomtow, Jahrb. f. d. Phil. 1894, .5-50 früher vor-
schlug, statt ^E]>.cufog, was er später bevorzugte (Jahrb. f. cl. Phil. 1897, 801, 30);
Lilaia ist wahrscheinlich zwischen 270 und 263 ätolisch geworden (Beloch a. a. O.
III 2, 334).
452 Hehirit/i Siiobodu,
scblusse der Ampliiktioneu. ilcr iiacli dem ätolischen Strategen Lattaiuos
datiert ist {BiiU. de con: hell. XXVI 273 ff. n. 20) — aus 209/8 ■) — ein
selbständiger Hieromnemon der Stadt (z. 10. 11) -). Man müsste also an-
nehmen, dass Ambrakia kurze Zeit, bevor es von den Aetolern angeblich
genommen ward, von ihnen abgefallen sei: am besten wird man aber von
Äppians Angabe ganz absehen, liesonders wenn man sich erinnert, wie
verdreht dessen ganze Darstellung in den May.eöoi'iy.ü ist ^).
Erscheint sonach Kerns Begründung als nicht baltbar, so ist trotz-
dem zuzugeben, dass unser Bruchstück im allgemeinen in die von ihm an-
genommene Zeit, in die Jahre 20ß oder 205. fällt. Dass sich die Urkunde
auf die Epangelie des Festes der Artemis Leukophryene durch die Ge-
sandten von Magnesia a. M. bezieht, ist durch ihren Standort und den
Vei-merk z. 5 ^eagodöxog aiQe\&i] - - sicher: und anderseits wissen wir
dm-ch die Stiftungsurkunde des Festes der Leukophryene, Ii\3I. 16
(= Si/U.^ 256), z. 14 ff., 24 ff., dass die magnetischen Gesandten, welche
die Einladung zur Beteiligung an dem Feste zu überbringen hatten. 207/6
ausgezogen sind *). Eine genauere Bestimmung, wann die Antwortsbe-
schlüsse gefasst wurden, ist nur bei den beiden Schreiben des Königs
Antiochos UI und seines Sohnes Iv3L 18. 19 imd dem Psephisma von
Antiochia in Persis ibid. 61 möglich und diese führt auf das Jahr 205 ^).
Die zeitliche Bestimmung unserer Urkunde ist nun nach einer anderen
Hinsicht von Bedeutung, mit Rücksicht auf die dem Beschlüsse beigefügte
Subskription (z. 8 ff.). Es wird gut sein, dieselbe hier wiederzugeben:
1) Pomtow, B. E. IV 2677/8. 2689. Beloch 1. 1. lU 2, 346.
2) Die Schwierigkeit, die daraas entsteht, dass der Vertreter von Ambrakia in
dem ersten Dekrete unter den Aetolern auftritt, in dem zweiten selbständig, ist nicht
leicht zu lösen. Da Ambrakia jedesfalls durch Sjmpolitie mit dem Aetolerbunde
verbunden, also in ihn aufgegangen war, müsste nach dem bekannten, von Pomtow
(Jahrb. f. cl Phil 1897, 743 ff. . 747) und Dittenberger (Hermes XXXH 161 ff., 168 ff)
erwiesenen Grundsatze, dass die Aetoler die Stimmen der mit ihnen vereinigten
Landschaften in der Amphiktionie für sieh in Anspruch nahmen, auch in dem zweiten
Falle der Ambrakiote unter den ätolischen Hieromnemonen auftreten. Entweder
haben die Aetoler in Abweichung von diesem Grundsatz Ambrakia eine Konzession
gemacht, was zu ihrer Politik bei ähnlichen Gelegenheiten stimmen würde (darüber
Beloch, GG. 1112,344); oder, was allerdings weniger wahrscheinlich ist, liegt ein
Fehler des Steinschreibers vor, der statt den Ambrakioten Damokritos unmittelbar
hinter die ätolischen Hieromnemonen zu stellen (dass z. 10 Auf. das unmögliche
dfandot zu Bfa[x\iios zu verbessern ist, hat Pomtow BE. IT 2689/90 erkannt), ihm
irrtümlich den Platz hinter dem Athener Eudamos anwies, und es . ist darnach die
Reihenfolge von Eudamos und Damokritos zu vertauschen.
3) Darüber Eduard Schwartz in Pauly-Wissowas BE. H 219 ff.
4) Dazu Kern, Herrn. XXXVI 494. 1.
b) Kern zu den erwähnten Inschriften und Herrn. XXXVI 500; Holleaux. Bull,
de corr. hell. XXXII 269. Dass die Reisen der Epangeliegesandten sich öfter in die
Länge zogen, hat Boesch 1. 1. 84 ff. erwiesen.
Studien zu den (friechischen Bünden. 453
Kafä lü ai'iä (U htnicfioitrin ■
llkextQMVioi 'A/iß()axio)rai —y.<i\ ocfFig]
10 T()txönoi WQyfioi o! ' AiKfi/jv/oi /\'«/|/'./f''cf':')] ')
'ÄQOii'oeli Stqüiioi (I>vri\xüg\
'y\fi(piaaFic Navndziioi 'Tna\'[aToi\
I/oAteig 'IfQCtxZeütai ('')qö\ rtoi']
0VTaifig Aafiieig 'A\riiy.vQ8Tg ?]
Kern äussert sieb darüber: „Der aitolische Bund umfasste nacb der
Subskription dieser Inscbrift also einen Teil von Akarnanien , Arges
Anipbiiocbikon. Lokris. Oitaia. Malis. Ainis". Dies ist der Hauptsache
nacb gewiss richtig, wenn wir aucb nicht vergessen dürfen, dass für die
Nennung der hier angeführten Städte der Umstand massgebend war, dass
sie von der Epangeliegesandtsebaft der Magneten aufgesucht wurden *).
Daraus folgt, dass das Verzeichnis der damals zu Aetolien gehörenden
Städte nicht von absoluter Vollständigkeit sein niuss. wie denn auch alt-
ätolische, bes. in den delphischen Inschriften aufgeführte Orte hier nicht
vertreten sind. Vorauszusetzen ist aber, dass die Tbeoven die wichtigsten
Städte der dem ursprünglichen Aetolien angegliederten Landschaften be-
suchten und diese in dem Verzeichnis nicht fehlen dürfen. In dieser Be-
ziehung lehrt die Inschrift zunächst nichts Neues: es ist ja liekannt, dass
damals — wenn wir von Ambrakia absehen, von dem schon früher ge-
sprochen wurde — Amphilochien, das westliche Lokris (davon werden
genannt Aniphissa, Physkos, die IToheig ^), die Malis (Lamia), ein Teil des
östlichen Lokris (hier Skarpheia, Thronion), die Oetaea mit Herakleia ''),
die Aenianen (Hypata) zu dem ätolischen Bunde gehörten; Lamia blieb
bis zum Jahre 189, die übrigen Landschaften bis 167 bei Aetolien ^).
Wenn aber Kern von einem „Teil von Akarnanien" spricht, so meint er da-
mit wohl Stratos und dessen Gebiet, das die Aetoler auch nach dem Bundes-
genossenkriege, durch welchen sie die übrigen akarnanischen Besitzungen
verloren, behaupteten^); die WvTatng col. I z. 14 sind natürlich die äto-
1) Dazu Nachmanson, Ath. MM. XXXII M.
2) Dazu Boescb a. a. 0. 40 ff.
■i) Dazu Dittenberger, Sylt. = 927. Note 9.
4) Die Ergänzung col. III, z. 14 ist unsicher und, wenn sie das Richtige trifft,
ungewiss, ob hier Antikvra im Oetäerlande (dazu Kin. Tliesritil. Stuelien 3-5) ge-
meint ist.
b) Für Lamia vgl. IG. IX 2, 64, dazu Niese a. a. 0. ÜI 19. Kip 1. 1. 48 ff. ; für
Amphilochien Diod. XXXI 8, 6, das ozoli.sche Lokris besonders Dittenberger, Herrn.
XXXII 177 ff.. 181. das östliche Lokris Salvetti 1. 1. 135; über die Oetaea cf. Pom-
tow. Julnb. f. cl. Piniol. 1897, 762 und Beloch, Hermes XXXII 668 gegen Ditten-
berger ebenda XXXII 187, 2 (trotz dessen Entgegnung Herrn. XXXIII 324 ff. und
Syll. - 293, Anm. 12, vgl. auch Kip 1. 1. 40 ft'.) ; für die Aenianen Dittenberger. Herrn.
XXXll 188, 1, Pomtow ebenda XXXIII 331.
6) Polyb. V 96. 3, vgl. Oberhummer a. a. O. 166.
454 Heinrich Sicoboda,
lische Stadt dieses Namens '). nicht das an Stratos angrenzende 0otTiai '').
Dass Oinadai weder hier, nocli aucli in der Subskription des Beschlusses
der Akarnanen IvM. 31 genannt wird ^). ist nur damit zu erklären, dass
die magnetischen Gesandten aus irgend einem, uns unbekannten (trunde
diese Stadt nicht besuchten *).
Nicht in dem. was das Verzeichnis bringt, sondern darin, was in ihm
fehlt, liegt, wie ich glaube, seine Bedeutung: dies blossem Zufall oder
der Willkür des Schreibers von Magnesia beizumessen, ist unmöglich ^).
Dass unsere Subskription für den Umfang des ätolischen Bundes zu da-
maliger Zeit herangezogen werden darf, ergibt sich schon daraus, dass es
sonst unbegreiflich wäre, warum der Schreiber die ausserhalb des eigent-
lichen Aetoliens gelegenen Städte in sie einbezog; man muss die Gegen-
frage stellen : von welchem anderen Gesichtspunkt soll er bei der Grup-
pierung des Verzeichnisses geleitet worden sein ? Er war über ihr Verhält-
nis zu dem Aetolerbunde oifenbar gut unterrichtet. Zunächst kommt in
der Subski'iption kein phokischer Ort vor; und dies ist ganz passend,
denn Phokis wurde den Aetolern — die nordwestlichen Bezirke abgerech-
net, welche sie von früher her behaupteten — wahrscheinlich erst durch
den Frieden von Phönike (205) zugespi-ochen "). Damit ist in Einklang,
dass ein Beschluss des xoivöv ribv 0(oxe(ov in gleicher Angelegenheit
vorliegt (/eil/. 34), der also nicht lange vor dem Veiduste der Selbstän-
digkeit dieser Landschaft gefasst wurde. Dieser Umstand ist geeignet, der
oben vorgeschlagenen Datierung unseres Fragments auf die Jahre 206 und
205 zur Stütze zu dienen; es fällt vor die durch diesen Frieden vorge-
genommene Besitzregulierung'). Noch bedeutsamer ist aber, dass. während
1) Polyb. V 7, 7. XI 7, -5; das Ethnikon ' E(p)ifi. äp/. 190-5, Sp. .55 ff., n. 1. z. 18.
SGDI 1854. 25:^0 (= Bull, de corr. hell. XXVI 284). Biili. de corr. hell. XXVI 284, z. 31.
2) Bei Thuc. III 106. 2 <}>vti'a; 'I-oiziai bei Polyb. IV 63, 7. 10. SGDI 2580, col.
IV, z. 58 ; das Ethnikon <PoiTiav, ^E<p. np/. 1905, Sp. 55 ff., z. 21. Bull, de corr. hell.
XXVI 266 ff', n. 17 b, z. 7. 267 fl'. n. 18,' z. 5. Dazu Oberhummer 1. 1. 38. Kern zu
IvM. 31.
.3) Oiniadai wurde im Jahre 211 durch Laevinus erobert (Liv. XXVI 24, 15. 2.5,
10. Polyb. IX 39, 2) und den Aetolern zugeteilt.
4) Ob, wie Kern (Anm. zu IvM. 31) vermutet, n. 30 ein Rest des Beschlusses
von Oiniadai ist, steht dahin.
5) Kern {Hermes XXXVI .50.5) bemerkt zwar, dass es verkehrt sei, aus den Sub-
skriptionen irgend welche Schlüsse auf die politische Gliederung Griechenlands ziehen
zu wollen, da sie von dem magnetischen Schreiber herrührten; er wird dies aber
kaum im Widerspruch zu seiner in den IrM. geäusserten Ansieht auf unsere Ur-
kunde anwenden wollen, wenn auch Nieses Widerspruch {Herrn. XXXIV 549 ff.) be-
züglich der Inschrift IvM. 38 gewiss berechtigt ist. Auf die lokale Umgrenzung in
der Gruppierung der Städte weist Boesch a. a. 0. 31 mit Recht hin.
6) Wie Pomtow {Jahrb. /'. clusf:. Philol. 1897. 801) mit grosser Wahrscheinlichkeit
annimmt.
7) Der Frieden von Phönike wurde gegen Ende des .Jahres 205 abgeschlossen
(Clementi a. a. 0. T7|.
Studien zu (Jen (/riecJiisrhen Bümlen. 455
alle übrigen im Norden gelegenen Besitzungen der Aetoler aufgezählt sind,
keine einzige thessalische Stadt genannt wird. Damit ist. wie ich meine,
ein Beitrag zur Entscheidung über die schwebende Streitfrage geliefert,
wann der ätolische Bund einen Teil Thessaliens — von der Landschaft
in weiterem Umfang (d. i. mit den Nebenländern) gesprochen — an sich
brachte und zu welchem Zeitpunkt er ihn wieder verlor. Bekanntlich
haben Joh. Gust. Droysen'). Pomtow -) und Beloch ^) die Ansicht auf-
gestellt, dass die Aetoler bei dem Aufstand, der in Thessalien nach De-
metrios' Tode ausbrach, einfielen und schliesslicli von Antigonos Doson
vertragsmässig die südlichen und westlichen Grenzstädte und damit zugleich
die beiden amphiktionischen Stimmen der Thessaler erhielten; diese Ge-
biete sind dann nach Beloch im hannibalischen Kriege verloren gegangen.
Dagegen sprach sich Niese dafür au.s, dass die Aetoler die Phthiotis und
Pharsalos im hannibalischen Kriege gewannen und ihnen diese Landstriche
von Philipp V erst kurz vor Ausbruch des zweiten makedonischen Krieges
abgenommen wurden *]. Diese Ansicht hat dann sein Schüler Edmund
Bauer ausführlich zu rechtfertigen versucht und für den Beitritt von
Pharsalos (ob andere Städte sich anschlössen, sei unsicher) das Jahr 212
vermutet *). Es ist klar, dass unser Verzeichnis gegen letztere Ansicht
spricht, vorausgesetzt natürlich, dass noch andere Gründe vorhanden sind,
welche für Pomtows und Belochs Anschauung ins Gewicht fallen ''). Wir
besitzen aber dafür, dass den Aetolern ihre thessalischen Besitzungen im
letzten .Jahrzehnt des dritten .lahrhunderts verloi'en gingen, Zeugnisse an
den delphischen Ampjiiktionendekreten ; während in den .Jahren ca. 209/8
und 208/7 unter den ätolischen Hieromnemonen noch Thessaler auftreten '),
1) Gesch. des HeUenism. -lll 2, 68.
2) Juhrh. f. d. PhiM. 1897, 806 ff., 839 ff. — 3) GG. III 1, 661. 2, 339 ff.
4) Gexh. der griech. und makedon. Staaten II 273. .5. 287, 5. .503, 1. .588. 589, 4.
h) Untersuchungen zur Geographie und Geschichte der nordwestlichen Landschaften
Griechenlands nach den delphischen Inschriften (Dissertation von Halle a.S. 1907) .">9ff. 64ff.
6) Ich kann natürlich an dieser Stelle nicht die ganze Kontroverse behandeln,
da dies über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen würde, und bemerke nur kurz,
dass für die Annexion eines Teiles von Thessalien in den zwanziger .lahren des
dritten Jahrhunderts sowohl die 14 Stimmen im Hieromnemonenrate während der
(iruppe E der Amphiktionendekrete — deren Erklärung E. Bauer (S. 70) ganz miss-
glückt ist — , als das Vorkommen eines <I>ctffaähog und eines [K]ti(^x^Qiev(; (dazu
Pomtow, Herrn. XXXIII 334) unter den zwölf ätolischen Vertretern im Jahre des
Archen Polykleitos {SGDI 2.527, z. 3. 6/7) sprechen. Polykleitos fällt nach Pom-
tow, Jahrb. f. cl. Philol. 1897, 807 zwischen 21.5 und 212 (in B. E. IV 2360. 2689
setzt er ihn in das Jahr 213/2), nach Beloch (a. a. 0. IH 2, 345. 3.50) in die Zeit
zwischen 217 und 212; E. Bauers Datierung (S. 74) nach 212/1 ist nicht haltbar, da
die Boeoter, welche im hannibalischen Kriege Verbündete Philipps waren, unter
Polykleitos noch im Amphiktionenrate vertreten sind.
7) Unter den 12 Aetolern in dem Archontate des Babylos {SGDI 2528) sind ein
.tli]fi[vaioc,] z. 4, ein [ro/j]<f.evc z. 5 und ein '.4[()]/<fv/fi;; z. 3 (zu letzterem Pom-
tow, .Tahrb f. cl. Philol. 1897, 807), in dem nach dem ätolischen Strategen Lattamos
456 Heinrich S'icohorJa,
fehlen in den Dekreten ans dem Ende des dritten Jahrhunderts, in welchen
die Hieromnemonen ebenfalls mit ihren Ethnika aufgeführt werden, Ver-
treter aus dem eigentlichen Thessalien M. Man sieht, wie dies zu unserem
Verzeichnis stimmt: Thessalien ist also wahrscheinlich den Aetolern zwi-
schen 208/7 und 206 oder 205 von Philipp V entrissen worden.
2. Zur ä t o 1 i s c h e n B u n d e s v e r f a s s u n g.
Die Stelle des Livius über die ätolischen Bundesversammlungen XXXI
32, 3 ist öfter diskutiei't worden: der Strateg Damokritos beantragt bei
den Verhandlungen in den Ilavainohy.ä des Jahres 199 über das römische
Bündnis und den Krieg gegen Philipp V, cum hf/ihits cnntiim esset, ne
de pace belloqne nisi in Panaetolico et PifJaico concilio ageretur. clccerncrent
extemplo, tit praetor sine framle, cum de hello et pace agere velit, adrocct
concilium, et qxod tum referattir decernaturqite ttt perinde ins ratnmcpic sif,
nc si in Panaetolico aut Pylaico concilio actum esset , welcher Antrag
auch angenommen ■ wird ^). Es ist bekannt, dass Holleaux gegenüber den
früheren unrichtigen Annahmen von nur einer ätolischen Bundesversamm-
lung, die im Herbste abgehalten wurde, entscheidend nachgewiesen hat.
dass die ätolische Bundesversammlung ordentlicher Weise zweimal im
Jahre zusammentrat, im Herbste in Thermen (SeQfiixd) und im Frühjahr
zu den ITavaiTcoAixd, die sich bald in der einen, bald in der anderen
Bundesstadt versammelten '). Livius hat dabei, wie bereits Nissen er-
kannte *), die Versammlung in Thernion durch ein Missverständnis an die
datierten Dekret (Bull, de corr. hell. XXVI 273 ft'. n. 20) von 11 oder 12 Aetolern ein
Pharsalier (z. 8). Babylos gehört nach Pomtow (Jahrb. f. d. Philol. 1897, 807. E. E.
IV 2630. 2689) in das Jahr 208/7, nach Beloch (1. 1. III 2, 345. 350) in die Zeit von 217 bis
212. Allein für Belochs Ansatz ist eben seine Ansicht massgebend, dass Gomphoi und
Limnaia im hannibalischen Kriege an Philipp V verloren gingen; in dieser Datie-
rung verdient Pomtow den Vorzug, da für ihn das Vorkommen eines Hieromnemo-
nen der Athamanen in diesem Jahre (1. 1. z. 8) spricht (E. Bauers Aeusserung 74, 2
über Limnaia und Gomphoi ist ganz verkehrt). Ueber das Jahr das Lattamos vgl.
oben S. 452.
1) Es sind dies die Dekrete aus den Jahren der Archouten Megartas (Bull, de curr.
hell. XXVI 284, jetzt Fouilles de Delphes III [tpigraphie\ F. 3, n. 134 b, nach Pom-
tow, R. E. IV 2631. 2690 aus 203/2, nach Beloch GG. III 2, 347 ff. im allgemeinen
aus den letzten Jahren des dritten Jhd.). Philaitolos (SGI)J 2.529, nach Pomtow 1. 1.
aus 202/1, nach Beloch III 2, 347 ungefähr dieselbe Zeit, nach E. Bauer a. a O. 79
aus 203 oder 202) und Damokrates (Bun. de corr. hell. XXVI 269 ff. n. 19, dazu Be-
loch III 2, 346. 350).
2) Zum Verständnis der Stelle vgl. Weisseuborns Erklärung.
3) Bicll de corr. hell. XXIX 362 ff. Die von Sokolotf (Klw VII 71 ff.) dagegen
erhobeneu unklaren Einwendungen wurden von Holleaux (ebenda 294 ff'.) ebenso
kurz als richtig zurückgewiesen.
4) Krit. Untersuchungen über die Quellen der vierten und fiinften Dekade rff.« Li-
vius 29. 127: cf dazu Holleaux 1.1. 364 ff.
Studien za de» <irinhi^<hen Bünden. 457
Thermopyleii versetzt und ilir dalier die Bezeichnnn<j Pi/Iniriini ronciliuni
gegeben *).
Allein in der zitierten Steile des Livius steckt noch ein Fehler, den
ebenfalls Nissen zuerst aufdeckte "). Die Angabe, dass es den ordent-
lichen Bundesversammlungen der Aetoler vorbehalten gewesen sei, über
Krieg und Frieden zu beschliessen, ist ganz unmöglich. Ich würde auf
diesen Punkt nicht zurückkommen, wenn nicht merkwürdiger Weise Nis-
sens Beobachtung von denjenigen, welche sich nach ihm mit diesen Dingen
beschäftigten, übersehen worden wäre '). Sowohl vor als nach dem .Jahre
199 sehen wir, was ebenfalls Nissen bereits andeutete, dass nicht bloss die
ordentlichen, sondern auch ausserordentliche Bundesversammlungen über
Krieg und Frieden entschieden, und letztere nicht bloss dann, wenn ihre
Einberufung von einer ordentlichen Synode verordnet wurde imd sie da-
mit die Vollmacht erhielten, über die erwähnte Frage zu beschliessen^),
sondern auch wenn der Strateg und die Apokleten spontan ihre Zusammen-
kunft veranlassten *).
1) Vgl. auch XXXIII 35,8ft'. und dazu Polyb. XVni 48, '>S.
2) A. a. 0. 127 ff.
3) Weder Bury in der Neuausgabe von Freemans Historij of Federal Govern-
ment in Greece and Italy (Freeman äussert sich über die Sache S. 476, 7), noch
Busolt, Griech. Staats- und BecMsaltertiimer- 371 und Francotte, La polü grecque
159 nehmen Rücksicht auf Nissen und ^viederholen die alte Lehre; woher Busolts
Annahme stammt, dass die bei Livius erwähnte gesetzliche Bestimmung etwa seit
dem Jahre 205 galt, -weiss ich nicht. Ganz unklar ist Dubois, Leg Ligues etolienne
et acheenne 191.
4) Wie in dem oben erwähnten Falle, et". Liv. XXXI 40, 9.
5) Bei der Versammlung von Naupaktos. welche im Jahre 212 (zur Chronologie
Niese, Gesch. der griech. und makedon. Staaten 11 476. 4) den Bündnisvertrag Aetoliens
mit Rom ratificierte (Liv. XXVI 24). in dem ausdrücklich bestimmt war (§ 10) Mluvi
tit extemplo AetoU cum Philippo terra gererent, bemerkt Livius (^ 1) ad ind i et um ante
id ipsum concilium Aetolorum classe expedita renit (M. Valerius Laevinus).
Ebenso heisst es von der 192 in Lamia abgehaltenen Versammlung, auf der Antio-
chos erschien und der Krieg mit Rom beschlossen wurde (Liv. XXXV 43, 7 ff. 44. 4-5)
Aetoli, postquam Deinetriadem renisse Anliochum adlatum est, concilio indicto
decretum, quo accerserent eum, fecerunt (c. 43,7). Dass in diesen Fällen die .Ansage'
der Versammlungen durch die Bundesbehörden erfolgte, ist klar (cf. XXXV 12. 3) ;
ganz den gleichen Terminus gebraucht Livius für die von den Damiurgen einberu-
fenen achäischen Bundesversammlungen (XXX'STII 82. 1. XXXIX 35 und bes. XXXIX
33,7). Im Jahre 191 erklärt Phaineas, als M.' Acilius ihm die Friedensbedingungen
kundgibt, die Gesandten und die Apokleten bedürften der Zustimmung der Bundes-
versammlung (Polyb. XX 10, 11 = Liv. XXXVI 28. 7) und erwirkt daher einen zehn-
tägigen Stillstand; die Gesandtschaft berichtet nach ihrer Rückkehr den Apokleten,
worauf diese die Einberufung einer ausserordentlichen Bundesversammlung beschlies-
sen (Polyb. XX 10, 13 ff. = Liv. XXXVI 28, 8 ff.); auf dieser kommt es in Folge der
Stimmung der Menge gar nicht zur Diskussion der römischen Bedingungen. Jedes-
falls wurde auch die Bundesversammlung, welche im Jahre 189 den Frieden mit
Rom genehmigte (Polyb. XXI 30. 13. Liv. XXX Vin 10, 2), zu diesem Zwecke einbe-
rufen (cf. Niese a. a. 0. 11 767).
Klio, Beiträge zur alten Geschichte XI 4. 30
458 Heinrich Swohoda,
Aber nicht bloss die gesehichtliclieii Zeugnisse sprechen für diese
Ordnung, ■sondern auch praktische Erwägungen führen zu dem gleichen
Ergebnis. Bedenkt man. dass zwischen den beiden ordentlichen Bundes-
versammlungen der Aetoler ungefähr ein halbes Jahr in der Mitte lag
und vielleicht während dieser Zeit Umstände eintreten konnten, die einen
raschen Entschluss darüber ob ein Krieg zu beginnen sei oder nicht un-
abweisbar machten, so würde es in hohem Masse unvernünftig gewesen
sein, wenn die Aetoler in ihre Verfassung eine Bestimmung aufgenommen
hätten, welche ihrem freien Vorgehen eine Fessel anlegte. Wie Livius zu
der merkwürdigen Angabe kam und welche Wendung seiner griechischen
Vorlage damit wiedergegeben sein mag *), lässt sich leider nicht fest-
stellen : vielleicht ist der begründende Satz {(um bis af/eretur) nur eine will-
kürliche Erweiterung, die er selbst einfügte und zu welcher er durch die
der ausserordentlichen Versammlung erteilte Ermächtigung, in diesem
Falle an Stelle der üavaiTto/.iy.ü die Entscheidung zu fällen, verleitet
wurde '').
Was für die Kenntnis der ätolischen Einrichtungen aus unserer
Stelle, wenn sie richtig verstanden wird, übrig bleibt, ist. kombiniert mit
den übrigen Angaben, dass sowohl die ordentlichen als die ausserordent-
lichen Versammlungen über Krieg und Frieden entscheiden konnten. Es
ist dies interessant, weil in diesem Punkte die achäische Bundesverfas-
sung von derjenigen des ätolischen Bundes, die mit ihr sonst manche Be-
rührungen aufweist, abweichend gestaltet war: über Krieg. Frieden. Bünd-
nisse und Zuzug durfte nicht die Synodos. sondern nur eine ausserordent-
liche Versammlung (avyy.Ärjoc) beschliessen ^. Der Grund für die ver-
schiedene Ordnung in beiden Staaten dürfte klar sein: während die äto-
lischen Bundesversammlungen, sowohl die ordentlichen als die ausser-
ordentlichen. Primärversammlungen waren, setzte sich die achäische Syn-
ode aus gewählten Vertretern zusammen *) und nur zur Synkletos hatten
sämtliche Bundesbürger, die über dreissig Jahre alt waren, Zutritt; es er-
schien daher als angemessen, letzterer die Entscheidung über die wichtig-
sten Fragen der Bundespolitik vorzubehalten.
Auch für eine andere, nicht unwichtige Einzelheit der ätolischen Ver-
fassung, nämlich das Antragsrecht des Strategen, kommt eine Stelle des
1) Der Ansicht Nissans (a. a. 0. 128), dass mit dem concilium in § 4 [advocet
conciliiim) und c. 40, 9 die Apokleten gemeint seien und ihnen die Vollmacht erteilt
wurde, über den Krieg schlüssig zu werden, kann ich nicht beipflichten; die von
ihm dazu angeführten Stellen liefern nicht den Beweis für eine so weitgehende Kom-
petenz dieser Behörde.
2) Nach Nissens Untersuchungen darf wohl als feststehend gelten, dass mit einer
solchen Vermutung Livius nicht zu nahe getreten wird.
3) Die Hauptstelle dafür ist Polyb. XXIX 24,5. 6; dazu XXII 12, 6.
4) Ich stelle mich in dieser Frage auf die Seite der zuletzt von Beloeh, GG. lU
2, 183 IF. vertretenen Anschauung.
Studien za den (/ricchisvhen Bünden. 459
Liviiis in Betracht. Er berichtet (XXXV 25, 3 ff.), dass im Jahre 192
eine achiiische Bundesversanimhing nach Siiiyon einberufen ward, um über
den Krieg mit Nabis von Sparta scbh'issig zu werden : Acliael non unten
inifii (apessere bellum, unmn id/ Roma revertisscnt leyutj, nt, quid senafiä
ji/uceret, sciretd, post irditmn lrf/(dontm et Sieijoneni concilium edixerunt et
legatos ad T. Qiiinctiian niiserunf, qni consilium ab eo peferent. in concilio
onmimn ad bellum extemplo capessendmn incUnatae sententiae erant ; litterae
T. Quindi cimdationem iniecerunt, quibus auctor erat praetorem classem-
qiie Romatiam, expedandi. cum pincipum alü in sententia permanerent, alii
utendum eitis, quem ipsi canstduissent, consilio censerent, multiludo Philo-
poemenis senfentiam expeduhat. praetor is tum erat et omnia eo tempore et
prudentia et auctor itate anteibat. is praefntus bene comparatum apud
Actolos esse, ne pr a eto r, c u m de hello co n s u luis se t, ip s e
s e nt e n t i a m d icer et, statuere quam primum ipsos, quid vellent, iussit:
prndorem decreta eorum cum flde exsecuturum, ut, quantum in consilio hu-
mano positum esset, nee pacis eos paeniteret nee belli, plus ea orcdio momenti
ad incitandos ad bellum habuit, quam si aperte suadendo cupiditatem res
l/erendi ostendisset. itaque inyenti consensu bellum decrdum est etc. Ge-
wöhnlich wird diese Meklung dahin aufgefasst, dass es dem ätolischen
Strategen, wenn in der Bundesversammlung über Krieg oder Frieden de-
battiert wurde, nicht gestattet war. das Wort zu ergreifen und seine An-
sicht kundzugeben ^) ; nur Brandstäter ^) und Wilcken *) interpretieren Li-
vius in dem Sinne, dass der Strateg nicht von der Diskussion, wohl aber
von der Abstimmung ausgeschlossen gewesen sei.
Die Zwiespältigkeit in dem Urteil der Neueren und die Schwierig-
keit, Livius' Aeusserung riclitig zu deuten*), rührt offenbar daher, dass man
darüber unsicher ist, für welchen Terminus des griechischen Staatsrechts Li-
vius das römische sententium dicere gesetzt hat, das in seiner Besonderheit *)
in der uns bekannten Prozedur der griechischen Staatsversammlungen
nichts Entsprechendes findet. Allerdings es mit „abstimmen" wiederzu-
geben, wie Brandstäter und Wilcken wollen, wird am wenigsten ange-
1) So Merleker, Achaicorum lihri ires 79; Freeman 1. 1. 264 {Jie was expressly for-
hidden to give any ojnnion on questions of peace and war); Dubois 1.1. 196; Gilbert,
Hundt, der griech. Staatsaltertümer II 27; Busolt 1.1.- 369; Breen, Mnemnsyne N. S.
XXIX 401 ; Schoemann-Lipsius. Griech. Altert. II 122 {.wenn es sich darum handelte,
ob ein Krieg zu unternehmen sei oder nicht, so musste er nach dem Gesetz sich be-
gnügen, bloss die Frage zu stellen, ohne selbst seine Meinung auszusprechen . . .
In anderen Sachen fand eine solche Beschränkung nicht statt').
2) Die Geschichten des ätolischen Landes. Volkes und Bundes 310, Anm. 241 .
3) In Pauly-Wissowa's B. E. I 1119.
4) Tittmann {Darstellung der griechischen Staalscerfassioigcn 726) erklärte daher
nicht zu wissen, wie die Behauptung gemeint sei, dass der Strateg selbst nicht seine
Meinung sagen durfte.
5) Darüber Mommsen. Rom. Staatsrecht III 977 ft'.. der es mit ,Beschluss- Vorschlag'
wiedergibt.
30*
10
460 Ilcimich Sicohochi,
bracht sein, da scutenf/aiH dircre dies eben nicht bedentet ') : auch könnte
man einen jiraktischen Zweck dafür, dass der Strateg seine Stiniine niclit
abgab, schwerlich ausfindig machen ^ bei den Tai^seuden von Stimmen-
den in der ätolischen VersammUmg fiel doch seine einzige Stimme nicht
ins Gewicht. Man könnte bei einer solchen Auffassung nur an die Ver-
wirklichung eines rein theoretischen Postulates denken, was aber bei der
ganzen Art der realdenkenden Aetoler wenig wahrscheinlich ist. Aber
auch die gangbare Ansicht verträgt sich nicht mit geschichtlichen Bei-
spielen 2), die zeigen, dass der Strateg an der Diskussion über Krieg und
Frieden teilnahm. Wenn auch Livius' Erzählung XXXI 32 dafür keinen
durchschlagenden Beweis abgibt — Damokritos stellte auf den Panaeto-
lika des Jahres 199 bei der Verhandlung über den Anschluss an Rom
und den Krieg mit Philipp den oben (S. 456) besprochenen aufschieben-
den Antrag — . so ist doch in seiner Ausdrucksweise (§ 1) nihil auf Jniir
(den Freunden Philipps) ai(f Uli parfi (der römerfreundlichen Partei) arl-
sensus enthalten, dass der Strateg sich in dem einen oder anderen Sinne
aussprechen konnte. AVohl aber fällt ins Gewicht, dass von demselben
Damokritos sjiäter gesagt wird (XXXI 40. 9) Aetolos Damocritus praetor,
qui iHOrae ad decernenclum beihon ad Naiqmchim [attdor] fuerat, idem
proximo concilio ad arma condverat, und besonders, dass auf der Bundes-
versammlung in Lamia 192, auf welcher Antiochos erschien, nachdem der
König sich entfernt hatte, eine erregte Diskussion zwischen Thoas, dem
Führer der Kriegspartei, und dem Strategen Phaineas entstand, der für
(He Aufrechterhaltung des Friedens und gegen die Wahl des Antiochos zum
Oberbefehlshaber des Bundes eintrat (Liv. XXXV 45. 2 ff.).
Mau wird vielleicht dem. was Livius gemeint hat — oder besser ge-
sagt, seine griechische Vorlage (Polybios), denn es ist mehr als zweifel-
haft, ob Livius selbst über diese Dinge eine klare Vorstellung hatte —
näher kommen, wenn man die Stellung des achäischen Strategen gegen-
über der Bundesversammlung ins Auge fasst: denn gerade ihr wird ja an
unserer Stelle diejenige des ätolischen Strategen entgegengesetzt. Das
ständige Referat über die Angelegenheiten, welche sowohl in der Synode
als in der Synkletos zur Vorlage kamen, führten bei den Achäern die
Damiurgen ^). Der Strateg scheint an dem Probuleuma der Damiurgen
nicht Teil genommen zu haben, sondern gab sein Votum gesondert und
nach ihnen ab. Dies ersieht man aus Livius' Erzählung über den Zwie-
spalt unter den Damiurgen im Jahre 198 (XXXII 22, 2 S.) ; da die Hälfte
derselben für das Bündnis mit Rom war, die andere dagegen, so würde
der Strateg, wenn er bei dem Vorschlag mitgestimmt hätte, den Au.sschlag
1) Mommsen a. a. O. 980.
2) Auf welcbe bereits Tittmann aufmerksam machte : cf. auch Wilcken 1. 1.
3) Polyb. XXVIII 12. 2. Liv. XXXII 22. 2. 3. 5. 8.
11
Studien zu (Ich fjr/crlii.srlii'ii liiiixlcti. 461
«fegeheii haben '). (ii'rado ilaniit f;e\vaiin er eine freiere Stellim«^ luiil
konnte durch die von ihm selbst gestellten Antrage wirksam in den (iang
der Verhandlungen eingreifen ^). Von besonderem Hewichte war natürlich
sein Votum, wenn die Meinungen in der Versammlung geteilt waren und
speziell wenn die Damiurgen sich nicht über ein Probuleuma einigen konn-
ten, sondern mit Vorschlägen, die nicht mit einander übereinstimmten,
auftraten — wie es gerade in unserem Falle geschah ^). Auch hier wird
erwartet, dass Philopoemen einen Antrag einbringe, welcher die Sache der
Entscheidung zuführt, aus Gründen parlamentarischer Taktik tut er es aber
nicht.
Wenn wir uns nun der Stellung des ätolischen Strategen zuwenden,
so muss hervorgehoben werden, dass das Material in dieser Beziehung
im Vergleich zu unserer Kenntnis der achäischen Einrichtungen recht düi'f-
tig ist. Zunächst ist die Frage zu beantworten, wie im ätolischen Bunde
das probuleumatische Verfahren überhaupt geordnet war. Es kann dies
kaum anders gewesen sein, als dass die Vorlagen für die beiden ordent-
lichen Synoden von dem Rate (avvEÖQiov) vorbereitet wurden, diejenigen
für die ausserordentlichen Versammlungen, deren Einberufung oft rasch
erfolgte, sodass der' Rat in der Zwischenzeit bis zu ihrem Zusammentritt
nicht in Tätigkeit treten konnte, von den Apokleten ^). Auch bei der
Vorberatung im Synedrion wird ihnen die Hauptaufgabe zugefallen sein ').
Wenn nun der Strateg als Referent in der Bundesversammlung auftritt ''),
1) Die Zweifel, welche Sehorn, Gesch. Griechenlands von der Etitstehnng des äto-
lischen und achäischen Bundes bis auf die Zerstörung Korinths und W. Vischer,
Kleine Schriften I 572 ff. gegen Livius' durchaus folgerichtige Erzählung äusserten,
sind sicherlich unbegründet. Dafür, dass der Strateg gewöhnlich erst, nachdem die
Damiurgen ihr Referat erstattet hatten, das Wort ergriff, kommt ausser unserer
Stelle (S. 459) noch Polyb. SXVIII 7, 6 ff. in Betracht; auch Liv. XXXII 20. 21 ist
dies der Fall, Aristainos bemerkt selbst, dass das Probuleuma bereits erstattet sei
(c. 20, 4 cum referant magistratus).
2) Der Strateg als hervorragender Redner in der Debatte an der uns beschäf-
tigenden Stelle des Livius, ferner Polyb. XXIII 17, 9 ff. XXVIII 7, 6 ff. Liv. XXXII
20, 3 ff. 21. XXXVni 31,2. XXXIX 36. 37. Plut. Arat. 35; als Antragsteller Polyb.
XXm 17, 9 ff., XXVni 7, 6 ff'. Liv. XXXVIII 31,2. Plut Arat. 45.
3) Die Wendung bei Livius multitudo Philopoemenis sententiam expectabat ent-
spricht ganz der von Polyb. XXVIII 7, 6 gebrauchten ixälfi yÜQ ra ngay/nuta t?/v
TOü atQartjyov yvtoftrjv. In unserem Falle scheint zuerst das Damiurgencolleg den
Vorschlag gemacht zu haben, den Krieg sogleich zu eröffnen, ein Teil seiner Mit-
glieder wurde aber auf den Brief des Flamiuinus hin schwankend und trat dafür
ein, zuerst die Ankunft des Atilius mit der Flotte zu erwarten.
4) Cf. Polyb. XX 10, 11. 14 {= Liv. XXXVI 28. 7 ff'.). Die Apokleten hatten die
ausserordentlichen Versammlungen zusamraenzuberufeii, vgl. meine (Iriech. Volksl>e-
Schlüsse 173.
5) Ich halte die Apokleten für eine von dem Rate aus seiner Mitte gewählte
permanente Kommission; dass ihre Zahl nicht gering war, ergibt sich aus Polyb.
XX 1 (= Liv. XXXV 45, 9).
6) So Thoas bei Liv. XXXV 12, 4 ff'. ; ebenso Skopas ibid, XXVI 24, 7.
12
462 Heinrich Sicohoda.
so liegt die Annahme nahe, ilass er ilies für das Kollegium der Apokleten
tat, dessen Obmann er war ') und mit dem vereint er die Bundespoiitik
leitete ^), d. h. er war der ständige Referent der Regierung in der Bundes-
versammlung. TriiTt diese an sich wahrscheinliche Ansicht das Richtige,
so wird damit eine weitere Verschiedenheit der ätolischen Bnndesordnung
von derjenigen der Achäer aufgedeckt : dass der achäische Strateg an
dem Referat der Damiurgen nicht beteiligt war, sahen wir eben (S. 460).
Wie fügt .sich nun die Stelle des Livius in diesen Sachverhalt ein? Es
ist kaum anderes aus ihr zu folgern , als dass der ätolische Strateg
von dem Referat über den Vorschlag der Apokleten, das er sonst inne
hatte, ausgeschlossen war, wenn die Frage sich um die Entscheidung ob
Krieg oder Frieden dr-ehte — also in dieser Hinsicht eine Einschränkung
seiner Tätigkeit als Berichterstatter erfuhr. Dafür mag noch folgende
Erwägung sprechen, mit der ich auf früher Bemerktes (S. 459ff.) zurück-
komme. Man muss doch die Frage stellen, welchen Ausdruck des grie-
chischen Originals Livius mit seinem sententiam dicerc wiedergegeben —
besser gesagt, übersetzt — hat; meines Erachtens kann dies nichts an-
deres gewesen sein, als y v (b fi i] v £ i n elv (oder, wenn man will, yi>ä)fii]v
TTQO&eTvai. eigEveyy.eiv) ^). Dann aber, besonders wenn man das früher über
die Redefreiheit des Strategen Bemerkte (S. 460) hinzunimmt, darf yvcifir^
nur in der technischen Bedeutung gefasst werden, welche diesem Wort in
dem griechischen Urkundenstil zukam, nämlich als .Autrag' *), sententiam
dicerc als ,Antragstenen'. Die oben angenommene Vorschrift wird dahin
zu erweitern sein, dass der Strateg zu diesem Funkte der Tagesordnung
nicht bloss nicht als Referent fungierte, sondern es ihm auch nicht er-
1) Liv. XXXVIII 8, 2, cf. XXXV 3-5. .5.
2) Polyb. XX 9, 1. XXI 28. 18 (= Liv. XXXVIII 8, 1). SO, fi. Liv. XXXVI 3.5, 3tf.
Am besten erhält man darin Einblick durch Polybios' und Livius" Erzählung über die
Verhandlungen der Apokleten mit M.' Aeilius und P. Cornelius Scipio in den Jahren
191 und 190.
3) Allerdings ist yvä>fnjv dncTv im griechischen Amtsstil bis jetzt nicht nachzu-
weisen, wie mir Otto Schulthess brieflich bestätigt; aber gerade im SC. für Oropos
(IG. Vn 413 = Syll. - 384) wird z. 48 das lateinische sententiam dixisse griechisch
mit yvüjfirjv (IgijxevaL wiedergegeben.
4) So wird es auch bei Polyb. XXVIII 7, 6 (vgl. S. 461. Anm. 3 d. A.) zu ver-
stehen sein. Ueber yvüifit} , Antrag' vgl. jetzt Scliulthess in Pauly-Krolls H. E. VII
Sp- 1482 ff. Die Verba, mit welchen yvu>fi>i zum Begrifl' , Antragstellen' verknüpft
wird, sind gewöhnlich ayoQiveiv (Anaphe, IG. XII 8, 247 = SGDI 3432, z. 2, cf.
Schulthess 1. 1. Sp. 1487), AnotfalveoS^ui (in den Dekreten von Olymos Grievh. Volksh.
202 ff., das Act. ano<fmvciv IG. III 10, z. 16 ff., cf. Schulthess Sp. 149-5). (igiiyfZa9ai
(Alabanda OJG 21521' = Lebas lies n. 1609, reviAiert ÄrcMol. Am. 1890, 141), zu
letzterem Gr. Volksh. 204. Auch Schulthess ist der Ansicht (briefl.), dass trotz des
Fehlens von Belegen angenommen werden darf, yv(jo/A>]v dnelv könne , Antrag-
stellen' heissen, da das («5 iura) elnev der Psephismen im Grunde nichts anderes
als eine Kürzung von yvüifiijv tintv ist.
18
SfiirlieH. zu den (/riechisrlint liiitnlrti. 463
laubt war. im liiiiite iler Debiitte i'iiU'ii Antrat^ dazu /.ii stellen '), oder
doch nur dann, wenn sich dieser auf die tornielle Heliandhin<:f des Gegen-
standes bezog '■*).
Zunächst ist wohl die Besorgnis, dass der Strateg ilurcii das Streben
nach Auszeichnung in einem Feldzuge und ki-iegerischem Ruhm nicht un-
parteiisch auftreten und seinen Bericht nicht nach olijektiven Erwägungen
vorbringen werde, für diese Einschränkung massgebend geworden ^) ; nicht
minder, dass ihn die Aussicht auf seinen Anteil an der Beute ^) in seinem
Verhalten beeinflussen werde. Im ganzen wird man nun sagen müssen,
dass auch da der Satz gegolten hat, dass Persönlichkeiten stärker sind
als Gesetzesparagraphen, und es ist trotz dieser Vorsichtsmassregel man-
chem Strategen, wie gerade Damokritos °) gelungen, seine Landsleute zum
kriegerischen Eingi'eifen zu bestimmen, zumal da man ihm das Kederecht
nicht nehmen konnte. Auch wird der Einfluss des Strategen im Kolle-
gium der Apokleten sicherlich oft so stark gewesen sein, um es auf seine
Seite herüberzuziehen. Praktisch genommen war der Unterschied in der
parlamentarischen Stellung (wenn man so sagen darf) zwischen dem achäi-
schen und dem ätolischen Strategen nicht so tiefgreifend, wie Philopoemen
es, seinem Zwecke gemäss, hinstellte : und dazu hat Livius gewiss den
Bericht seiner Vorlasre rhetorisch gesteigert, um ihn wirksamer zu machen.
1) Dass er sonst dieses Recht besass, ist klar, cf. dazu auch Polyb. II 2. 8 fl".
2) Wie Liv. XXXI 32.
3) Vgl. Freeman 1. 1. 264. Schoemann-Lipsius a. a. 0.
4) Polyb. II 2, 8 ff. — .5) Liv. XXXI 40, 9 (vgl. S. 460).
Prag. (Wird fortgesetzt).
14
464
Zu den karischen Inschriften und den darin vorkommenden
Namen.
Von Joh. Smidwall.
Karisch ist in der Forschung ein Schlagwort geworden, das in sich
die Lösung der Rätsel der kretisch-mykenischen Kultur zu verbergen
scheint. Sowohl in der Tradition wie in der neuesten Forschung ist den
Karern eine wichtige Rolle in der Vorgeschichte der Insel des Aegäischen
Meeres und Griechenlands zugewiesen (vgl. Fick. Vorgriechische Ortsnamen u.
Hattiden inxl Danuhier in GriechenhuuT). Von dem lebhaften Interesse,
das den vorgeschichtlichen Fragen entgegengebracht wird, dürfen die Ka-
rer, wie die Kleinasiaten übei-haupt. einen bedeutenden Teil in Anspruch
nehmen, denn alles, was zur Aufhellung dieser Stämme dient, kommt auch
den vorgeschichtlichen Problemen zugute ^). Die epichorischen Denkmäler
der Karer haben jedoch bis jetzt keine grössere Beachtung gefunden ; sie
sind vor den lykischen in den Schatten getreten, schon weil sie an Zahl
und Umfang nicht so reich sind. Auch bieten die Ivkischen Inschriften
für die Lesung der Schrift und das Verständnis von Wörtern und Formen
ungleich mehr Anhaltspunkte dar. So ist es wohl gekommen, dass eigent-
lich nur ein einziger Gelehrter sich mit den karischen Inschriften näher
abgegeben hat. nämlich Sayce. der sie auch gi-össtenteils veröffentlicht
hat. Leider fehlt die Möglichkeit, seine Abschriften nachzuprüfen, was
sehr zu bedauern ist, da ja mehrere Paar Augen immer besser und sicherer
sehen als ein Paar, wie jeder Epigraphiker zur Genüge hat erfahren müs-
sen. Indessen entbehren die karischen Inschriften gerade wegen ihrer
Dürftigkeit nicht der Anhaltspunkte für die Forschung; denn die Kritze-
leien, die den Hauptbestandteil derselben bilden, bestehen, wie schon
Sayce sah, aus Namen und Patronymika der karischen Söldner der Phara-
onen. Wir haben hier ein einheimisches Xamenmaterial. das zum Vergleich
1) Daher ist mit Lehmann-Haupt {Sitsinigahfr. Beil. archäoL Ges. 1907. S. 58)
nachdrücklich daran zu erinnern, dass der Ausdruck .Karer, , karisch' — in Aus-
fuhrungszeichen, wie er und Andere ihn brauchen — lediglich die nichtindoger-
manische und nichtsemitische vorgriechische Bewohnerschaft beider Küsten des ägäi-
schen Meeres (Kretschnier : .Kleinasiaten') nach dem historisch -«richtigsten und greif-
barsten Volke der ganzen Gruppe bezeichnet, dagegen in keiner Weise deren Her-
kunft aus Karien oder selbst aus Kleinasien andeuten oder überhaupt der Frage nach
der Urheimat dieses Volks- und Sprachstammes präjudizieren will. Vgl. Ans und
uvi Kreta, Klio IV. bes. S. 389 ff.
Juli. Siniilwiill. Zu (Im ktnsr/ini liisrln-iftcii rfr. 4K5
mit den in L;ri(Hhisiliei' 'rriicht ühcrliclerteii kari.sclion Xiiiiicii aiitt'orilcrt.
Wenn man aber die Umsclireilmnijiii von Sayce ansiebt, kommt der Ueber-
Huss an Vokalen nicht unbedenklicli vor. In der Gestalt- wie Sayce jene
Namen wiedei-gibt, haben sie mit den griechisch überlieferten ziemlich
wenig Aehnlichkeit. Es soll deshalb hier zuerst der Versuch gemacht
werden, den Lautwert einiger Zeichen dieser Iiischritti'n festzustellen, um
dann das Namenraaterial näher zu untersuchen.
Die karischen einheimischen Lischriften sind publiziert: von Sayce
in Transad. of the Soc. of Bibl. Archcul. IX, 116 f.: Proreed. of the Soc.
of Bibl. Arrh. XVII (1895), S. 39—43 und S. 207: XXVII (1905), 123 f.;
XXVIII (1906). 172 f.; XXX (1908). 28 f.: Kretschmer, Ehil in die
Gesch. d. griech. Sprache S. 379 f. (auch bei Sayce XXVII, 125); Babe-
lon, Leu Fers. AeJiem. S. CII; Sitz.-Ber. d. Wiener Ah. Bd. 132 (1894),
S. 10 (auch bei Sayce XXVII, 125); Bec. d. trav. rrl. ä la phil. Egupt.
XII, 214; XVII, 120 (auch bei Sayce XXVII, 124); Kontoleon, Athen.
Mitt. XV, 337 (auch bei Sayce XXVII, 126) ; TiMi Adac Minoris I (Tit.
Lyc.) Nr. 151 (auch bei Sayce IX). Da Sayce alle in anderen Publika-
tionen veröffentlichten Inschriften in seine Abhandlungen aufgenommen
hat, verweise ich nur auf diese mit Angabe der Bändezahlen der Trnns-
act. oder Procecd.
In Bezug auf das Zeichen 9 l^at Sayce ohne Zweifel (IX, 130 f.) den
Wert dieses Zeichens richtig angegeben, wenn er es als einen Vokal be-
zeichnet, der sich a und e näherte. Folgende verschiedene Schreibungen
desselben Namens beweisen es:
j 9ku9WB
I Dku9>^
r(a)rav[o]ss[y]B
I (a)ravoss[y] 9
i ^waw(a)se}£
I 9waw(a)ssa}«
I aw(a)nokhe
I 9 w(a)nose
I mak| ^ss(i)
lm9k[n]ss(i)
Es tritt also 9 sowohl für 9 sils für a ein und es ist wohl mit Sayce
anzunehmen, dass 9 einen oflfenen E-Laut bezeichnete. Ich gebe es, wie
Sayce. mit ä wieder. Dass ^ auch ein E-Laut war, hat nämlich Kretsch-
mer (Einl. S. 381) nach Sayce als sicher anerkannt, und zwar ist es wohl
ein mehr geschlossener, weshalb ich es mit e bezeichne. Eine seltene
Variante dieses Zeichens ist wohl B , das auch mit a wechseln kann, wie
in niawaQin(e) u. mawBnin(e) (vgl. auch Sayce IX). Die Bedeutung von
466 -/"//. S/in(hrall,
E ist dagegen meiner Ansicht nach nicht e. wie Sayce meint (IX), sondern i.
Es wäi-e ja auffallend, wenn wir kein Zeichen für diesen Vokal hätten ;
ausserdem hat dieser Buchstabe auch im Lykischen denselben Lautwert.
Am nächsten steht ihm ^ (e). mit dem es mal auch wechseln kann, wie
in folgenden Fällen:
j m(e)ssEwe
I mes ^ we
I [m]Es(a)näK[av]a
jmBs(a)[n]a4y]
Damit ist zu vergleichen die Schreibung EÖQtevg-IÖQievg, Eövfiog-Iöv-
fiog auf karischen Münzen (Babelon, Traifc P. II. 998).
Ein wichtiges Zeichen ist o, denn die meisten Patronymika gehen dar-
auf aus, bisweilen mit he verlängert, wie Kretschmer hervorhebt (Ehil.
S. 382). Mit schwachen Gründen hat Sayce demselben die Bedeutung ü
(w) beigelegt (IX, 131 f. : vgl. dazu Kretschmer, E/nl. S. 381 f.). Die
Richtigkeit dieser Annahme hat Kretschmer in Zweifel gezogen, oline etwas
anderes als ein unbestimmtes ö (0) dafür zu setzen, also auch einen Vokal
(a. 0.). Ich glaube aber, dass dieses Zeichen einen gänzlich anderen Laut
bezeichnet hat. Folgende Ausnahmen von dem allgemeinen Genetivaus-
gang verdienen Beachtung:
k© (wo[s](e)ka))
k (aweth(e)k)
khe (aw(a)nokhe)
g ( aw(e)[th]eg
I uakäw(e)m(e)g
Ist es schon an und für sich weniger wahrscheinlich, dass cD einen
Vokal bezeichnete, da es schon deren genug gab. so deuten die oben an-
geführten Varianten auf einen Konsonanten, und zwar auf einen Guttural-
laut. Auch andere Umstände sprechen dafür. Zu demselben Stamme,
wie m(i)gula, m(e)gäovex, ra(e)gk[3ss(i) . mäku — . gehört wohl auch
m(e)cDU — . Anders liegt die Sache bei m(e)s(a)nab[[^] und m(e)s(a)na(Dy.
da wir hier zwei verschiedene Suffixe haben (vgl. näher unten). Es kom-
men ferner auch in den lykischen Inschriften einige Genetiv-Endungen vor.
die auf einen Gutturallaut ausgehen . nämlich <^. welches Arkwright
{Oest. Jahresh. II, 68) als ein nicht spezifisch lykisches. dem lykischen K
verwandtes Zeichen erklärt hat. Dieses Zeichen entspricht wohl dem kari-
schen (D- Ich schreibe es hier mit demselben Buchstaben, mit dem Tfifuli)
Afsiae) M(inoris) I das lykische <3> wiedergibt, nämlich x. um. Die Gene-
tiv-Endungen ahx. ehx. ax, ex in den lykischen Inschriften TAM. I, 54.
69. 149: muräzah/J . kudali[je]h;<, terssiklehx. ahn . . . w[ete]hx. armpajc,
tuburex. ipresidax entsprechen somit den karischen. Die echt-lykische
Genetiv-Endung ist indessen ah. eh und vokalisch auslautend ahe, ehe
Zu ih'H li((r/sclicii Iiisr/iriflni und drn diirni riithoinnirmhn Xonicii. 4R7
(vgl. TAM. I S. 8). weleliP k'tzti re Formen in den kmisclien azbc axxht'.
oKhe okhe ein Gegenstück liaben. Namen karischer Öertlichkeiten wie Ko-
dovcoy.a (Le Bas. Nr. 327. 338\ ÄQiioy.oöoyy.a (BCH. V. 108). Oq^ov-
öov(oy.a {BCH. V. 108), Ovioycrz (Demot. BGH. XII. 27 f.) lassen
sich als Personaladjektiva erklären, die den lykischen analog mit dem
(jenetivsaffix gebildet sind (vgl. TAH. T, S. 8 XII). Koöovojxa würde
also lykisch etwa *kudawaha oder *kutawaha heissen (vgl. über den
Wechsel zwischen t und d im Lykischen Kluge. Sfud. z. vergleich. Sprach-
iciss. d. iauJc. Sprache», die Li/I:. Litichr.. Miff. d. vorderasiat. Ges. 1910.
1. S. 116 f.; über den Wechsel zwischen a- u. u-Laiit in Namen
Arkwi-ight. Oest. Jahrcsh. II. 59 f. : über den häufigen o-Laut im Karischen
auch im Genetiv-SufFi.x gegen a-laut im Lykischen weiter unten). Die
letztere Form '' kutawaha begegnet als das zweite Glied des zu-
sammengesetzten Namens [erjmakut [a] w[a] {TA 31. I. 6-\. 1). Eine
kürzere Form desselben Namens ist EQuay.orag. das in griechischen
Inschriften aus Lykien mehrfach belegt ist {CIG III. 4255, add. 4240s
4278. add. 4300°). Demselben Namen mit Genetiv-Suffix, lykisch also
*ermakutaha (*ermakudaha). entspricht das karische Afjfioxoöcoy.a (vgl.
über den Stamm e r ra a lykisch ermmeneni und Aquaig, Agfiag, EQfiag.
Agfiaöamiiig, Eo^adaitmig, AQuaniac, Egfcaniag usw. bei Kretschmer,
EinJ. S. 361; über den Stamm kuta, k uda lyk. eudala. kudali, kudara, und
KoTtjg, KoTTOvt]g, Koivaig, KotvXcov, Maaaay.vjog. KoToga/^r^uig usw.).
ÖQd-oröovioy.a wieder wäre lykisch etwa *urttätuwehe (vgl. über das
erstere Glied urtta lykisch urtaqija. urto. urtto, und Ogitjaig, Ogd'coaia.
On^or^g. Saronroc. Kt/JMQiag: über den Stamm tu we weiter unten: über
die häufige Nasalierung von dem letzten Vokale des ersten Gliedes in zu-
sammengesetzten Namen, wenn das zweite Glied mit t. p oder k anfängt,
Arkwright. Oesi. Jahnsh. II. 61). Schliesslicii ist Ovcoy.Evg (Demot) das
lykische uwehi (vgl. TAM. I 22, 29. 92 und weiter unten). Die oben an-
geführten karischen Öertlichkeiten haben wohl ihre Namen nach irgend
einer Person erhalten, einem ehemaligen Besitzer oder dergl., weshalb sie
als Personaladjektiva gebildet sind. So wird auch das Suffix (a)za. (e)zi.
(a)sa, (e)se. das im „ Milvischen " das Genetivsuftix vertritt (vgl. z. B. kerigasa
TAM. I 44 d 8 gegen kerigahe a. 0. 44 a 10 usw. ) und eine ähnliche
Bedeutung, wie das ahe-Suffix. gehabt haben wird (beide werden zur Bil-
dung von Demotika verwendet), zur Bildung einer gi'ossen Gruppe von
kleinasiatischen Ortsnamen verwendet (vgl. Meyer. Die Kurier, Beszenh.
Beitr. X. 173).
Den Lautwert von H hat Sayce (IX. 116 f.) so ziemlich richtig ange-
geben. Es ist mit dem Ivkisch-milyischen M/* und pamphylisehen H iden-
tisch ; das letztere ist ein W-Laut {Joiirn. of Hell. Sind. 1, 247), das erstere
wird mit ß transkribiert und ist wohl ein schwaches b (vgl. Arkwright.
Oest. Jahresh. 11, 70). Ich gebe es hier mit v wieder, zum Unterschied
468 Juli- SiDidiidll.
von F. (las mit W Ijezeiilniet wird. Die beiden Laute standen offenbar
einander sehr nahe, sie wechsein z. B. in (a)ravoss(y)e und (a)raw(a)ssy
(über den syllabaren Charaliter der Zeichen siebe weiter unten).
Besondere Schwierigkeit bereiten die Buchstaben Q und p. Sayce
fasst sie als „ vowel-sounds " auf, weil sie zwischen Konsonanten oder am
Ende eines Wortes nach einem Konsonanten stehen (IX. 131). Völlig
unhaltbar ist die Annahme, dass Q mit cd wechseln könnte (vgl. darüber
schon oben). Indessen ist auch Sayce der Richtigkeit seiner Bestimmung
Q = ä, Cj] = ai nicht ganz sicher imd er hat sie in den späteren Auf-
sätzen in ö bezw. & modifiziert. Es würde nahe liegen v als eine Vari-
ante von Q, Y von !^ zu betrachten, aber das Vorkommen von Y und
P in derselben Inschrift (z. B. XXVII. III) zeigt, dass es sich um ver-
schiedene Zeichen handelt, andererseits sind auch Q. ^. V verschieden
(vgl. XXVIII, Vni). Ich halte nun \'. Y- X- f"^" Varianten desselben
Zeichens, das einen verschärften TJ-Laut bezeichnet, das ich mit y umschreibe
(denselben Wert gibt auch Sayce in seinen letzten Aufsätzen diesem Zei-
chen). Nach (a)raw(a)ssv (XXVIII, VIII) ist wohl auch in IX, IV, 24—
25 (a)ravoss ve. (a)ravoss VA zu lesen, obwohl Sayce hier A gibt, was ja
eine leicht zii erkläi-ende Fehlschreibung sein kann. Augenscheinlich ist
nämlich aravossve mit dem lykischen arawazija identisch und da schon
der I-laut ein besonderes Zeichen hat (vgl. oben), liegt es sehr nahe an-
zunehmen, dass es ein ähnlicher Laut war. etwa y, weil es wohl im An-
fang von Namen, (va, vo) mit Yf , Ya übereinstimmt (vgl. näheres unten).
Die Frage von Q und P ist damit noch nicht entschieden. Unzweifel-
haft sind beide vokalischer Natur. Auf Q endigen wenigstens drei Na-
men und in einigen Fällen scheint P mit einem einfachen Vokal wechseln
zu können :
j ätCpwexhe
j ath(e)w(e)}«
iyassäPvrez
yoss(e)wek
j lere;£dQn(a)sa
jigrnn (IX, 1,7)
Ganz sicher lassen sich diese Zeichen nicht bestimmen. Ich glaube in-
dessen, dass Q ein Diphtong. etwa eu, sein könnte, was z. B. in der
Xanthos-Stele vorkommen kann (vgl. ijaeusas = /«ctoc ? T^M I, 44 a 52),
offenbar eine dialektische Unregelmässigkeit (vgl. noch weiter unten). Für
I I würde ich wieder einen nasalierten Vokal, ähnlich den lykischen ä,
e, annehmen (vgl. weiter unten).
Die Dentallaute repräsentiert ©. das ich mit t transkribiere (vgl.
Sayce IX) : einmal kommt auch T vor. Ferner ist A=(l, und )( offenbar
dem lykischen Zeichen entsprechend, etwa mit ^ wiederzugeben (vgl. TAMl).
7ai (Ich karisc/icn Inschriften nnd dm darin vorkommenden Nnmcn. 469
Kiiieii iihnlictiiii Laut bezeichnet auch 6. worüber Sajces Meinung
schwankt, aber Nanienähnlichkeiten wie ätpwe;«he nnd aS(e)w(e)z schei-
nen mir entscheidend zu sein. Ich gebe es hier mit tli wieder.
Schliesslich will ich noch auf einen Umstand hinweisen, den Sayce
nicht genügend berücksichtigt hat, nämlich auf den sylla bischen Charakter
mehrerer Konsonanten. Für M erkennt er ihn wohl an und gewisser-
massen auch für r. 1. n (IX. 137): „a comparison of the inscripfions, mo-
reoiver, will show that the other lahiah also r, l, hesidcs n, can he Sionnded
irith an hilierent short vowel". Aber auch andere konsonantische Zeichen
sind syllabisch verwendet worden , so w (z. B. ewaw(a)sex — ew(a)w(a)-
sox. (a)raw(a)ssy — (a)ravoss(y]ä), s (mes(a)nab[Q]] — MaaavtOQaöa und wei-
ter unten), z, tli, v (vgl. den Genetivausgang ex, ox, der mehrfach be-
legt, z. B. thu[gu]zex, auch für z. B. kuoz(e)xhe, aweth(e)k, [u]wov(e)x
zu entnehmen ist). Wir haben keinen Grund anzunehmen, dass nicht
gleichfalls t syllabisch sein könnte. Der angegliederte Vokal ist wohl
meistenteils a, e, auch bei M und M, nicht wie Sayce meint i bez. u
(mi. vu). Aus Identifizierungen zwischen epichorischen und griechisch
überlieferten Namen geht hervor, dass das Zeichen für r im Anfang eines
Wortes für (a)r steht (vgl. unten).
Ich will nun meine zweite Aufgabe erledigen, nämlich die Namen
untersuchen, und zwar gebe ich sie in Transkription mit Ausnahme von
den Zeichen Q und Q: die Vokale in Parentese gehören den syllabisch
verwendeten Zeichen an ; (N) bezeichnet den Nominativ, (G) den Genetiv;
wo Wort-Anfang und -Ende deutlich festzustellen sind, bezeichne ich sie
durch Striche; die Namen mit vokalischen Anfangsbuchstaben werden zu-
erst aufgezählt :
akserea{N?) | gänemaux(G ?) | magsath | ?
(XXVII. VIII) (Lokal-Alphab).
I uKoz(e) (N) I uehxtLU-e(?)sex (G) | (IX, IV, 37)
J I ukowe (N) I uakäw(e)m(e)g (G) | (IX, IV. 11)
\ I uk[o]we (N) I uakäw(e)m[ah]x (G) | (IX. IV. 20)
I I ekuäx (G) | Vgl. äw(e)nose e. und ma e.
[ äkuä[x]e (G) Vgl. äw(e)nos[u] ä.
I I hekuä (N) I äw(e)nosex (G) | (IX. IV. 18)
akyw[y]e Vgl. m(e)gäov(e)x
äx(e)v(e)? Vgl. (a)raw(a)ssy
alw(e)th(e) (N?) | (IX, IV," 12)
I emvh(e) (N?) | (XXVIII, V)
I umQ (N) 1 kuoz(e)xhe (G) | (IX, II. 2)
ana[go]re (N?) (IX, I, 2)
I (a)ral^ge[t]e5£ (G) | Vgl. lerexdnn(a)sa
470
Jiih. Sidiilicall,
(a)raw(e)raäx(Gy) | iiHejzulyJ (NV) | (IX. IV. 35: Patronym.
vor dem Namen)
(a)rav[o].ssry]e (N) awet.h(e)k (G) (IX, IV. 24)
(a)ravoss[y]ä (N) awe— (G) (IX. IV, 25)
(a)raw(a)ssy (N) | ssa äx(e)v(e) (N?) skowex (G) | (XXVIII, VIII)
erw(a)xoz(e) (N) g w(a)s(a)in (N ?) ' m(i)guleH(6) | (IX. IV. 5 )
esow(e)xlie (G) | Vgl. to\v(e)l(e) e.
ätgiweKhe (G) | \^gl. m(e)gknss(i) ä.
ath(e)w(e)x (G?) Vgl. mad(a)month(e) a.
ewaw(a)sex (G) Vgl. mäk[[2]lss(i) e.
äwaw(a)ssaJ« (G) Vgl. mak[^ss(i) ä.
ew(a)w(a)sex (G) Vgl. m(a)s(a)naK(a)v(e) e.
awaw[e]so[>«] | ? (G?) (XXX, 28-29)
ewasja] (N?) | (XVII. II. 2)
awetli(e)k (G) Vgl. ai-aY[o]ss[y]e a.
awe — (G) Vgl. (a)ravoss[y]ä a.
aw(e)[thjeg (G) Vgl. [b]un[a]lkas(i)m(i) a.
äweto (NV) I maw(a)naKxhe (G) | (IX, II. 1)
aw(a)nokbe (G y) | V'gl. mawa[^ine a.
I awaä[?] nok[?] (G?) | (XXVII, IX)
äw(e)nose (N) | ekuäx (G) | (IX, IV. 16)
äw(e)nos[u] (N) äkuä[z]e (G) | (IX. IV. 17. 19)
ä\v(e)noseK (G) | Vgl. liekuä ä.
I ow(e)z (G) 1 Vgl. meunP9'(i) o.
[u]wov(e)K (Gy) I Vgl. m(e)gäov(e)x
1
! Vijl. ukowe
uakäw(e)m(e')g (G) ]
uakäw(e)m[ali]x (G) | |
yassägweK(G) Vgl. ääula5-e y.
yoss(e)wek[k] (Gy) | (XVII. II," 1 und S. 207; wohl: N (n) |
ssa I m(e)s(a)a/«yx(e) (N?) \ ? — y.)
ääula5-e(N?) yassägwe;« (G) (IX, IV. 26)
[ä]äla&e[K] (G y) | (XXVIII, VII)
[;]w(a)s(a)in i Vgl. erw(a);<oz(e) p.
[by]im[ay]lkas(i)m(i) (N) | aw(e)[th]eg(G?) j m(e)gäov|e)x (G)
i usw. (XVII. I. 1)
gänemauz (G ?) \ Vgl. akserea g.
— mau>: — (XXVII, IX)
ha[w]n(Ny) ; (IX. IV, 33: Sayce wohl unrichtig: haE^
statt haFn)
haw(e)x (G y) I (IX. IV. 34)
Zu ilcti harischcH Insdiriften mid (Jeu lUtrin rorkommenden Nimeii. 471
k(a)m(i) (N) I y wü[s|(e)kx (G) | (IX. IV, 14)
I kiioz(e)zhe (U) I Vjil. umn k.
I IL'^Jj^Lolzli)'" t Vgl. lerezdnii(a)sii usw. und über die Le-
.-«ung hier IX, IV. 32 und XVII. 207. Die.ser Name bleibt
unsicher.
lerezdnn(si)sa (X) ? | (:i)ra | 1| a|>floJz(i) | (a)raggeth(e)x(G?) |
— ad(a)za | Ises | (IX, IV, 32)
ma(N) I y ek[u]äK (G) | (IX, IV, 15)
I mad(a)month(e) (N?) | ath(e)w(e)x (GV) | — k[k]he
(XVII, L 2)
I mad(a)s(a)>c (G) | Vgl. m(i)z:iii ni.
magsath(e) | ? Vgl. akserea
I maknss(i) (N) | äwaw(a)ssaH (G) | \IX, IV, 2)
I mäkLD]ss(i) (N) i evvaw(a)seK (G) | (IX, IV, 3)
I m(e)gkass(i) (N) | ät^we^he (G) | (XXVII, IV)
I m(e);£uf ?] (N ?) Vgl. (a)raw(e)mäx m.
— m(e)we (N) | mäku[?]r(e) > (IX, IV. 27)
I m(i)gulte)z (G) | Vgl. erw(a)Koz(i)
I m(i)gula (N) I (XXVII, VI)
m(e)gäov(e)x (G?) | [u]wov(e);« (G?) | akyw[y]e (XVII, I, 1
vorher [b]un[a]lkas(i)m(i) u.sw. ; vgl.)
I maw(a)na;«xhe (G) | Vgl. äweto m.
I mawanm(e) (N) | aw(a)nokhe (G?) | (IX. II. 3)
I maweDin(e) (N) j (IX, II, 3)
I meung&(i) (N) | tuw(e)lox (G) | (IX, IV, 7)
meung*(i) (N) ow(e)z (G) | (IX. IV, 13)
I mes(a)nab[nj (N ?) | (IX, I, 1)
I ni(e)s(a)nab[n] (N?) — Jw (G) | (IX, II, 4)
i m[e]s(a)na[— J (IX, I, 4)
[m]is(a)näK[y]a (N ?) (IX, IV, 28)
I ra(e)s(a)ua;«(a)v(e) (N) | ? ew(a)w(a)se;< (G) | (XVII, I, 4)
I m(e)s(a)nax(a)v(e) (N) i (XVII, I, 5)
m(e)s(a)naxy)£(e) (N ?) | ? Vgl. yoss(e)wek[k]
I m(e)s(a)naKy (N) | (XXVIll, II)'
I mes(a)[n]a;«[y] (N?) | (IX, I. 7)
I m(e)ssiwe (N?) (IX, I, 3)
I mesewe (N) | (IX, IV, 1)
m(i)zaä[?] (N) I srag;«he (G) | (IX, I, 5)
m(i)zaä (N) I mad(a)s(a);< (G) | (IX, IV, 6. 9. 10)
nehzture(?)se>« (G) | Vgl. uxoz(e) n.
p(a)nubl[o?]s(i)(N) I (XXVIll, VI, lydisch?)
472 Joli- SiimhcüU,
? I skowe>« (G) I Vgl. (a)raw(a)ssy
I sraÜKhe (G) | Vgl. ni(i)zaä[y] s.
I tii[gu]zex (G) I Vgl. tow(e)l(e); vgl. auch IX, II, 4
I Lt]osinv(e)^(i) (N) \ swäok — ugo (G?) (IX, IV. 29)
I tow(e)l(e) (N) I esow(e)xhe (G) | tufgulzeH (G) | (IX. III)
I tuw(e)loz (G) I Vgl. meung»(i) t.
? I wo[s](e)k5« (6) I Vgl. k(a)m(i) w.
Einen Stamm iik(e) zeigen uns die Namen ukowe und u;«oz(e). Der-
selbe Stamm kommt im Lykischen in der Dialektinschrift TAM. I, 55 vor
(uki Z. 3. 5). In der Xanthos-Stele im milyischen Text (44 d. 10) findet
sich ein Wort uguwämn, das eine verlängerte Form von unserem ukowe
ist (ukowe-uguwämä analog mit lyk. icuwe-ic[u]wem[i], 29, 1 und 32, 1,
uwe-uwemi, 29 und 109). In Tyaaaoc. (karische Stadt nach Steph. Byz.)
kehrt uzoz(e) wieder (siehe über den o-Laut im Karischen weiter unten).
Ohne Zweifel ist ukowe im zweiten Teil des Namens Oaoycoa (karische
Gottheit, vgl. bei Röscher, Lexik. ; die Lesung bei Sayce IX, VI scheint
unsicher zu sein) enthalten, dessen erster Bestandteil Oa{e) in einer Menge
von Namen belegt ist, wie lyk. uzebe (33, 1), kar. Taatg {BCH. IV,
296 f.), pis. Oaaag (J. of Hell. Stucl 15. 129), Oaaetg. Oaaig (CIG 4366",
4367) usw. Der Grundstamm uke steht wahrscheinlich in OyorSa |kari-
scher Ort, BCH. XII, 22,30, etwa lykisch *ukäta), OßQciovyeQig (kil..
CIG 4406—7, lykisch etwa *upre+uke-ri), Oxag (isaur-kil., Sterrett.
The Wolfe E.xpecl. S. 90), Anov/Mg (karisch, BCH. IV. 296 f.. etwa *ap(a)-
uke). Unsere zwei Namen sind mit den Suffixen (a)wa, (alza abgeleitet,
die auch in den lykischen Namen zur Namenbildung sehr häufig ver-
wendet werden.
Den Stamm ek(e) (ak(e)) gibt ekuä (gen. ekuäz). Auf Grund von
unten näher auszuführenden Erwägungen bin ich geneigt in ua. uä, ue,
ye, yo ein Suffix zu sehen, das dem lykischen Suffix ija, ije entspricht.
Dann wäre ekuä lykisch etwa * ekija (* akija). Diese Form liegt in der
Tat einigen kleinasiatischen Namen zu Grunde, die mit anderen Suffixen
noch erweitert sind, wie Axia^iog (1yd. König, Steph. Byz., *akija-ma)
Ay.ieQovg (lyk., Heberdey-Kalinka, Reisen im südwestl. Kleinas. S. 54,
* akije-re). Ohne ija-Suffix kommt der Stamm aka, eke häufig vor (vgl.
Kretschmer, Einleit. S. 351), z. B. in der Xanthosstele (44 a. 34. 35 c. 15:
aka, akä), weiter in Axavöa (lykischer Ortsname, vgl. Kretschmer, EinJ.
308, lykisch *akä-ta, vgl. akätaza TAM. I, 149, akäti, 30, 92, 128), Ax-
xa (lydisch und phryg, vgl. Kretschmer a. a. 0. 351), Axaxig (Smyrna,
Ath. Mitt. XIV, 93f.), Axxiatg (isaur. Sterrett, Wolfe Expedition 165),
A%a?.i]aaog (lyk. Ortsname, Steph. Byz. etwa *aka-la-za lykisch), Axa-
qaaoog (lykische Stadt, Steph. Byz., etwa * aka-ra-za), AxaQCixa (kar. -1yd.
Burg. BCH. XIV, 233, lykisch etwa * aka-ra-he). Interessant ist der
Spii-itus in einer Form, hekuä. denn auch hkische Wörter und Namen
9
Zu den harischen Inschriften und den darin rorkonwienden Namen. 473
können in dieser Beziehung wechseln, und sowohl mit als ohne Spiritus
geschrieben werden (vgl. uwedri — huwedri, unirggazn — humrkka, die Belege
in TÄM. I, Index). Von diesem Stamme scheinen auch akyw[y]e und
ilx(e)v(e) gebildet zu sein, mit dem w-Suffix. Die Lesungen dieser Namen
stehen jedoch nicht ganz fest.
Gleichfalls unsicher sind alw(e)th(e) und emvh(e). Diese als Ge-
netiva zu betrachten (also etwa alw(e)t(e)h, emv(e)h zu lesen) verbietet
ihre Stellung, da sie ganz allein, ohne Vornamen, vorkommen. Vielleicht
dient h hier zur Venstärkung des vorhergehenden Konsonanten, ähnlich
wie bisweilen im Genetiv (ax-a^he). Es wäre nicht ausgeschlossen, dass
der erstere Name alw(e)th(e) mit dem lykischen elpeti {TA3J. I, 23) iden-
tifiziert werden könnte. Der Stamm * elpe auch elbbe. alba, ali3a, 55, 6.
■44 c 60. d 42). der wohl im Karischen *alwa heissen könnte (vgl. über
die Schwächung der Labiale näheres unten), ist sonst auch in Namen be-
legt z. B. Eß.ßo}. Helbo (lykische Insel, Plin. 5, 35, 131). O^aZßio: (Kiby-
ratis, BCH. 24. 342). In unserem Namen wie im lykischen elpeti wäre
der Stamm mit t-Suffix erweitert.
Für umD ist der entsprechende Name in Hymos (karische Insel, Plin.
5, 133) überliefert. Der Stamm u m e (hume) kommt auch in folgenden
Namen vor: lykisch humelije (85, 2), Homana (pis. Stadt, Plin. 5, 94),
Ovfiavaöa (pisid. Phyle, An. of the Brii. School IX. 268. Plin. a. a. 0.),
EÖQit] rfn]aai] (kar. Ort, IG I, 37).
Zu den gewöhnlichsten Stämmen in den kleinasiatischen Xamen ge-
hört ara, das auch in mehreren von unseren Namen vorkommt. Schon
Sayce hat vermutet, dass (a)ravoss[y]ä, (a)raw(a)ssy dem karischen AQvaa-
aig entspreche, obwohl in seiner Lesung diese Namen. Ravuüsh(y), Rawssy
ganz ft-emdartig vorkommen. In der Tat entspricht die längere Form
(a)ravoss[y]ä dem lykischen Worte arawazija, erawazija, das eine mit ija-
Suffix erweiterte Form von einem *arawaza, *arawazi ist. Dieser kürze-
ren Form entspricht das karische (a)raw(a)ssy, AQvaaaig (*arawazi, (a)ra-
w(a)ssy — A^vaaaiQ. dem kadawäti — Kaövavöa analog; vgl. übrigens Ärk-
wright, Oesf. Jahresheffe II, 52 f.). Dem lykischen Worte arawazija kommt
wohl die Bedeutung fiQOJov zu (vgl. Kluge. Studien. Die hjk. Insehr.
S. 54 f.), und da das Suffix ja die Bedeutung nicht erheblich zu modifizieren
scheint (vgh Modifikationen desselben Namens wie kudali-kudalije. sbicaza-
sbicezijei, TA3I. I. Index), wird *arawazi dieselbe Bedeutung haben. Dass
solche Namen Personen gegeben worden sind, braucht uns nicht weiter zu
befremden, wenn wir folgendes in Erwägung ziehen. Die Formen arawazija,
*arawazi sind nämlich mit dem (a)za, (a)sa-Suffixe von *arawa gebildet, das
im epichorischen Text belegt ist (TAM. I, 135, 2, wo arawä sich ganz
deutlich auf arawazija bezieht) und auch in dem lykischen Ortsnamen Egeva
sich wiederfindet. Stefanos Byz. hat Egeva ij y.ai 'EZevS-ega, was wohl
keine wörtliche Uebersetzung des Namens ist. aber sicher denselben Sinn
Klio, Beitiäge zur alten Geschichte XI 4. 31
10
474 'T'>^>- Sioultrall.
hat. Also würde arawa einen freien Platz bedeuten, oder etwas derglei-
chen und *arawazi somit etwas, das zu einem freien Platz gehört, was
sowohl ein fjQc^ov, als ein Name sein kann (über die Bedeutung des
Suffixes (a)za vgl. Kretschmer, EhiJ. S. 313). Wir würden jetzt auch die
Erklärung haben, warum die Wurzel *ara so allgemein in den kleinasia-
tischen Namen auftritt: weil sie nämlich mit der Bedeutung frei ver-
knüpft ist (vgl. z. B. AQig, Idlik. J. of. H. Stiul XH, 249; Agiog. kil.
a. 0. 228; äqiwv, kU. a. 0. 2ib : Agiavoc, kar. BCH. IV, 29ßf.;AQiaa-
aog, pamphyl. Stadt. Hierokles Synekd. ; Agafioag. lykaon. Sterrett, Wolfe
Exped. S. 284; AQUcpsia, karische Insel, Stepb. Byz. ; AQajieiag. lykisch,
Reisen in Li/liien U, 167 usw.). Von dem Stamme *arawa haben wir
einen mit dem auch im Lykischen so häufigen m(i)-Suffixe abgeleiteten
Namen in (a)raw(e)mäx (g) (lykisch etwa *arawemi. (G) *arawemeh; vgl.
uwemi TAM. I, 109). Der zweite Teil von (a)ra[;]ge[t]ex (G) ist nicht
sicher zu ermitteln, wenn wir nicht etwa hier dasselbe Wort haben wie in
Z>iviy.eTijg. kil. Strabo 14. 671. Moaysrtjg. Tyrann vonKibyra. Strabo 13, 631.
In erw(a)xoz(e) möchte ich einen Stamm erbbe erkennen, der in dem
lykischen erbbina (^4^,.3n'«'ac. vgl. TAM. I. Index: über den Stamm erbbe
ebenda 29, 3; 44 d. 1:3. b. 3-5: .55. 6; über die Schwächung der Labiale
weiter unten), und auch in folgenden Namen steht: AQßtjaaig (kar.. BCH.
IV, 296 f.). TQoy.oaQßaaig (kil. J. of. H. Stud. XII, 247). PoaQßaaig (k-il.
a. 0. 271). Ko/MQßaaig (kil.. Heberdey- Wilhelm, Beisen in Kilik. 13),
TaQßeavjai (karische Phvle, Aih. Miü. XV. 269). AQßv/.i,g (kar., BCH.
XV, 186. 189). Das zweite Kompositionsglied xoz(e) wäre in folgenden
Namen wiederzufinden : lyk. telekuzi {TA3I. I. 4. 2), Koaeig (lykaon..-
Sterrett, Wolfe E.rped. 24). Kovaearog (lykaon. Demot.. Sterrett, a. 0. 271),
Kovaiwv (pisid. Lanckoronski. Städte PcmphyJ. und Pisid. II. 216), Kv-
ai]Qsvg (kar. Demot. Le Bas No. 512). Der Anklang an arppakus (lyldsche
Schreibung für Agnayog vgl. TAJI. I, Index) ist wohl nur zufällig, weil
der persische Name erst später aufgekommen sein kann (vgl. üljer die
Zeitbestimmung der karischen Inschriften Sayce IX, 116 f.).
Für esow(e)Khe(G) liegt ein Stamm a s a , e s e zu Grunde, der hier mit
wa-Suffix erweitert ist (also *esowe (N)) ; dieselbe Form finden wir in dem
lykaonischen Ortsnamen Eaova (Eaova-y.o)ft>'iTijg, Sterrett, Wolfe Exped.
S. 271 f.). Von demselben Stamme haben wir ferner lyk. esete (TAM.
I. 105. 2) und Aaaa (pisid., Lanckoronski. Städte Pamphyl. und Pisid.
II Nr. 244), Aaiig (kilik. CIG UI, 4402), Aaaog (Stadt und Wiese in Ly-
dien, Steph. Byz.), Atav (kar. -lyk. Fluss, vgl. Pape-Benseler. Wörtvrl. d.
griech. Eigenn.). ACiog (lykaon. BCH. X. 501 f.). Aaai]aog (kaiisehe Stadt,
vgL Pape-Benseler) usw. Ob dieser Stamm mit der lykischen Präpo-
sition ese. der die Bedeixtung avv zukommt, zusammenhängt, (vgl. Thom-
sen. £fudes li/cie>i>ies. Orcrsigt over dct Dansle Vid. Selsl: Forh. 1899,
S. 58). kann ich nicht beurteilen.
11
7,i( äai kdrhclim Lisclnifliii inid <Jin darin rorhimmcndcn Namen. 475
Die Leiden Namen ilt[PweJ«l)e (G) und atli(e)w(e);< (G) — im Noni. also
*ät!ipwe und *atli(e)w{e) — sind mit dem wa-SufKx aus dem Stamme ata
(e t e) gebildet, der in kleinasiatisclien Namen liiiufig vorkommt (vgl. über
Ant]g, A'tvg und damit zusamniMiiiängcnde Namenbildungen Kretsclimer.
Einl. 349 f.).
Höchst wichtig ist ewaw(a)se>£ (G) mit Varianten (Nom. etwa *ewa-
w(a)s(s)i), weil wir diesen Namen mit Sicherheit mit lyk. apuwazahi (G.
TA3L I, 28, 5), kar. A(pvaaig (Newton, A Just, of disc. at Halik. p. 671).
pisid. Anoaaig (Ditt. Or. inscr. Graer. 86), und wohl auch kilik. Eniov-
aaig {CIG III 4410; Heberdey- Wilhelm, Beiden in Kilik. 138 f.) identifi-
zieren können. Dieselbe Lauterscheinung, nämlich die Schwächung der
Labiale in w-Laut, die aus der Schreibung A(p(fa. Aqxpt}, Aq)(pia. Aoa-
cpeia, Avaq>ij hervorgeht, sehen wir hier auch bezeugt. Diese Eigentüm-
lichkeit scheint jedoch nicht regelmässig, oder auf das karische Gebiet allein
beschränkt zu sein; denn wir haben in kar. Auovxiog (BCH. IV. 296 f.) die-
sen selben Stamm apa mit beibehaltenem Labiale. Ausserdem kommen
die Formen Acpcpa, Aqxpia nicht nur in Karien vor (vgl. die Belege bei
Kretschmer, EinJ. S. 346 f. ; zu beachten auch lyk. 0eMog, 0£Qvig). Der
Stamm a p a, ab a, von dem alle diese Namen abgeleitet sind und der zu
den beliebtesten Stämmen der kleinasiatischen Namengebung gehört (vgl.
Kretschmer, Einl. S. 386. 346 f. über diese), scheint auch in ha[w]e
vorzuliegen, das wohl mit Aßa, Aßag gleichzusetzen ist, welche für Ka-
rien mehrmals bezeugt sind (vgl. Kretsclimer a. 0. ; kar. BCH. XXII, 385,
XXVIIl, 30 ; kar. Ortsn. bei Steph. Byz. ; eine aspirierte Form auch lyk.
habudah, TAM. I, 8, 2). Mit (a)sa-Suffix ist wieder ewas[a] abgeleitet,
das Aßaaig (lyk. CIG. 4315 ä, kilik.. Heberdey-Wilhelm, Bei.sen in KU.
S. 123). Habesos Qyk. Stadt, Plin. 5, 100), ATtnijaiavr] (phryg. CIG III,
add 3846°) entspricht; mit t-Suffix äweto, *aweth(e) (g. aweth(e)k). die
eine ähnliche Bildung vielleicht in lyk. Annaöig aufweisen (Eeisen in Li/k.
II, 22). Auch in aw(a)nokhe (G?) (N. *aw(a)n(e)) und äw(e)nose(N) ist
derselbe Stamm zu finden; dem letzteren entspricht isaur. Ajtivi]aig (Ram-
say, Sfudies in fhe Easteni Boman pror. S. 170), die erstere, die sonst
nicht sicher belegt ist (vgl. vom Stamme upa Ocpai'vag, lyk., Heberdey-
Kalinka, Beiscn S. 16). scheint mit na-Suffix abgeleitet zu sein (vgl. über
dieses Suffix Kretschmer a. 0. S. 329).
Entweder mit upa oder u w a gehören unsere ow(e)x (G) (N. *owe)
und uwov(e)K (G) (N. *uwove) zusammen. Beide Stämme sind häufig im
Lykischen belegt (vgl. TAM. I, Index) und uwa besonders in den klein-
asiatischen Namen (vgl. Kretschmer a. 0. S. 365). Der letztere Name
*uwov(e) ist durch Reduplikation des Stammes gebildet, ähnlich wie Aßt]-
ßag (west.-kilik.. ./. of Hell. Stud. XII. 268).
Ganz besondei'es Interesse beanspruchen auch uakäw(e)m(e)g (6) (N.
*uakäw(e)m(i)) und yassäC^ wex (G), yoss(e)wek[k] (G), weil wir hier die Vor-
31"
12
476 Joh. SundiraU.
silbe iia. ya finden, die auch in kaiisch-griecliisclien Namen bezeugt ist.
(Ya/.öei^iii. Rcr. Et. Gr. 1904, 211: laQßeavmi, Athen. Mitt. XV, 269;
IsaxvQeßog, BCH. IV. 296 f. und 522, 2 ; leTovaaa, kar. Insel, Plin. 5.
133: Tsjic, ion. Quelle, Tlieocr. 7. 115 schol). Diese Silbe uai _ya findet
sich sowobl im Anfang als am Ende unserer Namen (vgl. oben) und hat
einen ausgeprägt suffixalen Charakter, so dass wir sie mit grosser Wahr-
scheinlichkeit mit lyk. ija gleichsetzen können, das ebenfalls in Namen
dieselbe Stellung einnehmen kann (vgl. über ija als Vorsilbe lyk, ijama-
ra, TÄ3L I. 149: lorgaatg. lykaon., Sterrett. Wolfe E.rp. 137, u. a, vgl.
Kretschmer, Eiiil. 369). Der letztere Teil von *uakäw(e)m(i) (lyk. etwa
*ijakawemi) ist der Stamm k a w a (vgl. das lykische Wort kawä TAM. I,
149. 10) mit mi-Suffix. der auch in folgenden Namen belegt ist: Kevaqog (kar.
Ortsname, BCH. IV, 296 f.); Aa?My.aov (vgl. Kretschmer. Einl S. 352).
Der zweite Teil von *yoss(e)we ist *ssewe. das augenscheinlich mit dem lyk.
sse%va, ssewe identisch ist (vgl. TAM. I, 32, 34).
Wenn Sayce uns die Namen ääula^e und [ä]äla^e[;c] (G) richtig wie-
dergegeben hat, hätten wir hier zwei verschiedene Schreibungen desselben
Namens, also äu = ä. Es ist vielleicht nicht ausgeschlossen, dass ein ähn-
licher Diphtong dialektisch vorkommen könnte, darauf deuten Namen wie
kar. EvfioUov {BCH. XI, 12): lyk. AvZavic {Reisen in Lyl: II, 190);
Evvai. kar. Ort. (Steph. Byz.); Eunias nemus, lyk. Ort. (Plin. 5, 101),
Ev&)]vai,, Eutane, kar. Ort. (Steph. Byz. und Plin. 5. 107) ; ijaeusas
{TA 31. 1, 44, a 52 = /aaoc ?). An unseren Namen erinnert kar. OZerag
{BCH. VI, 192).
In gänemaux (G ?) haben wir den Stamm k a n a, der auch sonst viel-
fach belegt ist, vgl. Canas (lyk. Stadt, Plin. 5, 101): Kava, Karva (lykaon.
Stadt, Sfitdies hi the eastern Boman prov. S. 162) ; Karovg (pisid. IG. XII,
1,685) ; Kaveig (kil. CIG III, 440-5); Kevixog (\ar. Fluss, Ath. Mitl. XIV,
370 f.): KEverötü/.aßa (kar. Stadt. Afli. Jlitf. XI. 327): Kaviißiov (kar. Ortsn.
St. Byz.): Kavvor/.og (Beiname des Zeus in kar. Stratonikeia. BCH. XII,
261 f.). Da wohl a u dialektisch für a, e stehen kann, wäre gänemauz also
eine Erweiterung des soeben erwähnten Stammes mit mi-Suffix (lyk. etwa
*känamah (G)). Ziemlich häufig kommt ein Stamm k a m i in Eigennamen
vor (vgl. Kretschmer, Ehü. 344. 365), unserem k(a)m(i) entspricht lykaon.
Kafifia {Ath. Mitt. XIII, 244 f, vgl. auch das 1yd. Demot. Kafttjvog,
Keil-Premerstein, Reisen in Lydien S. 48 und lyk. cmmi, TAM. I Index).
Ob mit *kuoz(i) lyk. cijeze zu vergleichen. TAM. 1 44b 22, ist, kann ich
nicht entscheiden : jedenfalls ist es ja denkbar, dass ein Demotikon auch
als Name verwendet werden könnte.
Die Lesung l[a];ioz(i) ist zwar sehr unsicher, aber die Vergleichung mit
Aoiyaaig (pamphyl. Lauckoronski, Die Städte Bamph. und Bis. I, Nr. 100). .1«-
yovaaa (lyk. Insel. Pape-Benseler, Griech. Eigenn.) ist ansprechend. W'enn
lere/{dnn(a)sa ein Name ist, haben wir hier erstens den Stamm lara, lere,
13
Zu (Ich Icanschcu I lisch ri ff eii und den (Jarin vorl'otiimcruleu Ndiiien. 477
iler in folgeiulen Namen hezfiigt ist: Arooc (rhod. Koine, /fr XII 1, 701.
12): AeQtog (Milet. Demot, Her. ,1. Phil. 22,45); AaQccvöa (lykaon. Ort.,
vgl. Pape-Bens.) ; AaQaato(^ (kar. Beiname des Zeus, vgl. Rosclier, Lr.ril;.).
Der zweite Teil -xdnn(a)sa hätten wir in Oimydartatc, (kil. -isaur.,
Sterret, Wolfe E.cp. S. 69), dessen erster Teil Ova mit lyk. uwa identisch
ist (vgl. über diesen Stamm oben).
Identisch mit Mag ist ma (vgl. Kretschmer, Einl. S. :<38; vgl. auch
Hel)erdey-Kalinka, Bciscii in siidircstl. Klrinns. S. 37). Den Stamm ma-
da (mede) haben wir in mad(a)sa und mad(a)month(e). Dieser Stamm, den
wir in dem lykischen Namen mede (TAM. I, 29, 7) vorfinden, kommt auch
in dem zusammengesetzten lykischen Namen medemudi vor {TAM. I,
110, 1). Nim erinnert das lyk. medemudi stark an kar. mad(a)month(e).
Es wäre wohl nicht undenkbar, dass der letztere Name eine Variante des lyki-
schen wäre und dass der zweite Teil -moGthfe) mit einem Stamme*munte
identisch wäre, der in folgenden Namen bezeugt ist: Mvvdoc, (kar. Ortsn.,
vgl. Pape-Benseler; lyk. Name, CIG III, 4302); Movvöio)v (pisid. GIG III,
4366"), Aemyndus (kar. Insel. Plin. 5. 134), Kaiivvöoc, (rhod. Ortsn.).
Der karische Name würde dann griechisch etwa *Msöefivvöig wiederzu-
geben sein (vgl. Mevs/ivöig, phryg. CIG III, add. 3827', das wohl das
lykische medemudi wiedergeben soll) und der nasalische Charakter des
Zeichens D hätte sich damit ergeben. Wie Sayce bemerkt, erinnert mag-
sath(e) an lyk. makzza, kar. Mo^og, ohne dass wir jedoch etwas bestimmtes
hierüber sagen könnten, weil wir nicht einmal sicher wissen, ob wir in
dem karischen Text mit Namen zu tun haben. Einen Stamm m a k a
geben maknss(i), m(e)Ku-. mäku-. Derselbe steckt im lyk. makah (G)
{TA3I. I, 78) : Mayag (lyk. Heberdey- Kaiinka. Reisen im siidwestl. Kleinas.
S. 39; aus der Kibyratis. Beisen in Lijk. II, 192) ; Ma^a (lyk. CIG III,
add 4300''): MsyeaaaQog (kilik. König, Äpollodoros III, 14.3); Meya-
avatoQ (lyk. BCH. XIV, 171) ; MayuQaog, MsyaQOOQ (kil. Ortsn.. Heber-
dey-Kalinka, Beisen in Kil. 9). Diesen Stamm mit s- Suffix haben wir
also in maknss(i) imd wenn D wirklich einen nasalierten Vokal bezeich-
net, wäre hier eine Nasalierung vor dem s-Suffix eingetreten, was selten
bezeugt ist, aber jedoch vorkommen kann, vgl. z. B. lyk. ahamäsi {TAM.
1, 14), telezi (Stamm tele. vgl. TAM. I, Index), SuQavaog, ^Qavaog (kar.
Ort, BCH. IV. 196 f.) u. a. Mit anderer Vokalisation scheint dieser Stamm
in m(i)gula vorzuliegen, das an lykaon. Mf/.ikog erinnert {Ath. Mitt. XIII,
244 f. : vgl. ferner Mr/.Mi. Mr/.xog, lykaon. Ath. Miü. XIII, 244 f. ; Mixv-
Qog. kil., Heberdey-Wilhelm, Brisen in Kil. S. 76 ; Mr/ufvoK, kar., BCH.
IV, 304; MiyMvianjg, lykaon. Dem, Sterret, Wolfe Exp. S. 271 f.; Mixv-
d-og, kar. BCH. IV, 304). Schliesslich ist *m(e)gäove ein Kompositum
mit ove (vgl. über diesen Stamm oben).
Zwei verschiedene Schreibungen desselben Namens sind vielleicht ma-
w(a)na>cxhe und mawanin(e), der mit na-Suffix vom Stamme m a w a ge-
14
478 Joh. SttmhvaU,
bildet ist und sich in dem karischen Demos-namen Mavi'va wiederfindet
(Demot. MavvviTijg, Muivwit^jq BCH. V, 108; Ath. Mitt. XV, 261). Per-
sonen und Ortsnamen sind bei den Kleinasiaten bisweilen identisch. Vielleicht
ist ma\v(a)na/£Hhe Demotikon. nicht Patronymikon, in Analogie mit z. B.
lyk. arfmahe (vgl. kerei arnnahe, Brit. Mus. Caf. Lycia), also würde ma-
w(a)naxxhe etwa lykischem *niawännahe entsprechen. Der Stamm mawa
(mewe), der in mehreren lykischen Wörtern belegt ist (vgl. TAM. I, In-
dex), kommt auch in folgenden Namen vor: lyk. merimawa (TA3I. I. 27);
MeQiuavaaa (lyk. CIG III add. 4216) ; Mava (Inschr. von Telos, IG
Xin, 3). Der "karische Name Mor,vro<; (BCH. IV, 296 f.) ist von dem
entsprechenden u-Stamme m u w a abgeleitet, der in der kleinasiatischen
Namengebung eine so wichtige Kolle spielt (vgl. Kretsehmer, EM.
S. 332 f). Dem griechisch überlieferten ^lavirag (kar., Le Bas -Wad-
dington Nr. 879; 1yd. Ditt. Si/IL'- 95) entspricht wohl meunC]9-(i). mit
t-Suffix vom Stamme m a n a (mene) gebildet (vgl. Mai'oaoc lykaon. Ath.
Mitt. XIII, 244 ; Marova. pis. Ortsn.. vgl. Kretsehmer, Eiiil. 399. 1: über eu
für a, e vgl. oben). Den häufig bezeugten Stamm m a s a (vgl. lyk. masasi,
masasa = Maaa, TAM. I. 99. 118. 134; 3JaaaQig, karische Gottheit, Steph.
Byz. bei MaaravQa; TeQße/iaaig, kil., J. ofHell. Sfud. XII, 266 ; Maaoay.v-
TOg, MaaixvTog, lyk. Vorgeb., vgl. Pape-Bens.) haben wir in mesewe, das
sich ofl'enbar mit isaur. Macova deckt {BCH. 1902, 225 f.) und mit dem
wa- Suffix abgeleitet ist. Von einem mit na-Suffix erweiterten Stamme m a-
sana (lyk. masänna) sind mes(a)nab[n], m(e)s(,a)na;£y gebildet. Dieser
Stamm liegt bei dem kar. Demot. Maaacövevg vor (Le Bas, Nr. 415) und
mit demselben ist auch der kai-ische Stadtnarae MaaaroiQadu (Steph. Byz.)
zusammengesetzt (etwa masana und arada). Mit b-Suffix ist nun nies(a)-
nabn davon abgeleitet, analog dem Meaaaßa (kar. Stadt, Steph. Byz.)
vom unerweiterten masa-Stamme: mit Guttural-Suffix wieder mes(a)nxay,
analog dem 3Ieao)yic. Meaawyig (1yd. Gebirge) vom unerweiterten Stamme.
In m(e)s(a)nax(a)v(e) könnte der zweite Teil der oben erwähnte Stamm
kawa sein (vgl. AaZay.aot'), in m(e)s(a)naxy;«(e), wenn hier ein Nomina-
tiv vorliegt, ein Stamm k u k a. der vielfach belegt ist (z. B. Idayvyog, kar.
BCH. IV, 296 f.). Was schliesslich m(i)zaä betrifft, so ist dessen Äehnlich-
keit mit lyk. miza {Menog) unverkennbar. Dem Nominativ-Ausgang ist
hier ein zweiter Vokal zugefügt, wie bisweilen auch in den lykischen Na-
men, z. B. uhacee,. tewinezei (vgl. TAM. I. Index), wo dann der erstere
Vokal nasaliert wird. Die Stammform m i s a ist auch in kil. Miaig (He-
berdey- Wilhelm. Be.isen in KU. S. 77) und lykaon. Dem. Mi[^a']v?.iaTi]g
(Ramsay, Stuä. in the eastcrn Born. prov. Xenoi Tel-nior.) bezeugt.
Die Lesung von tu[gu]zex (G) ud [t]osuw(e)5-i ist sehr unsicher. Im
ersteren Namen ist der Wert von X noch nicht sicher festgestellt, im
letzteren nicht der Anfangsbuchstabe. Jedenfalls endigt dieser Name auf
w e t i , welcher Namenausgang auch bei lykischen Namen vorkommt (vgl.
15
Zu den hari.fdien IttxrlnijhH iiiiil ilrii iliiihi rnrlcitmiiictulcti Natiwu. 479
huittuweti). Identisch mit tuw{e)l(e), tüw(e)l(e) ist kibyrat. ToaXXic, (He-
bordcy-Kalinka. fxcisen im siUlwesfl. Klelnas. S. 10) und mit ija-Suffix
kibyrat. ToaZioc {BGH. X, 234). Der Stamm t u w a, von welchem diese
abgeleitet sind, ist auch sonst bezeugt, z. B. lyk. tuwada {TAM. I, 42;
vgl. Index). Und schlie.'islich ist wo[s](e)kK (G) (N. *wos(i)) mit Ovaaig
(kil.. .7. of Hell. Stml. XII, 238). Ovaaaog (lyk. Oesfi: Jhr/i. V, 200; kar.
Ortsn. BGH. IV, 296 f.) identisch, das auch im lykischen vorkommt (vgl.
wasala und übei-haupt TAM. I, Index). In mehreren Namen ist indessen
w a z i kein selbständiges Wort, sondern suffixal (vgl. oben).
Es erübrigt uns noch einige allgemeine Bemerkungen zu machen.
Nach der Bildung der Namen und deren Flexion zu urteilen, ist die
nahe Verwandtschaft der karisehen und lykischen
Sprache unleugbar. Ich glaube die Verwandtschaft über Kret-
schmers Darlegungen hinaus {Eiiil. S. 382 f.) begründet zu haben. Der
Nomin. sing, geht bei den karischen Namen auf Vokale aus (e, ä, a, Di
y, o), wie bei den lykischen (a, e. i), der Genet. sing, auf ax, ex, äx, ox,
eg, exhe. okhe, aux, axxhe, a^xhe bei den karischen, auf ah, eh, ahe,
ehe bei den lykischen Namen, also eine augenscheinliche Uebereinstim-
mung, nur das dem h-Laut ein Gutturallaut im karischen entspricht. So-
dann haben wir ausser übereinstimmenden Namen und Namenstämmen auch
dieselben Ableitungsendungen ; das lykische Suffix ija ist karisch ya; fer-
ner kommen in beiden Sprachen (a)sa-. b-, we-, t-, na-, 1-Suffixe sowie
-wemi-, -weti-, -waza- Ausgänge vor. Dieselbe Schwankung zwischen a-
und e-Laut, die für das Lykische eigentümlich ist (vgl. Kluge a. 0.
S. 116 f), finden wir im Karischen wieder. Schliesslich glaube ich im
Karischen dasselbe Wort für und wie im Lykischen (s e = und, vgl.
TAM. I. S. 8) zu finden, nämlich s s a : XX\^II (a)raw(a)ssy | ssa äx(e)v(e)
skovex, wohl = a. und ä. Söhne d. s. ; XVII. 11. 1 N | ssa | m(e)s(a)na-
xyx(e) — = N. und m.
Andererseits können wir auch gewisse Eigentümlichkeiten des Kari-
schen beobachten, z. B. einen häufigen LTebergang des a- und e-Lautes
in o-Laut. Schon aus den griechisch überlieferten karischen Namen kann
eine gewisse Vorliebe für a>, o erschlossen werden. So haben wir z. B.
neben kar. AxTCtvaaaig auch Axzcoaaaig {BGH. IV, .523); kil.-isaur. Av-
tanoag (Sterrett. WoJfe Exp. S. 65) — kar. Qrtioaavaaaog (Ditt. SijU. -
11); kil. KaaiaßaZa (vgl. Pape-Bens). — kar. EcoaroßccÄnv (Kontoleon,
'Ai'Exö. inty. S. 22) ; lyk. pikedere ( TAM. I. 4.5, 1 ) — kar. ni^ioöo}(jog
(vgl. Pape-Benseler) ; Ij'k. ecatamla {TAM. l, 22") — kar. F.y.uioiiviog
(Fape-Benseler) ; kil. -isaur. ila,MOS (Pape-Benseler) — kar. ^Iw/terc (^1//'.
Mitt. XI. 203 f.). kil. Kaaiaha (Steph. Byz.) und lyk. KaaroiUog (Steph.
Byz.) — kar. KoaraUiog (BGH. XIL 23 f.) ; pamphyl. Keaßeöiov (Polyb.
5. 75) — kar. KaaßaUig (Newton, A. hist. of cliscov. at Halil: p. 671,
1. 12, vgL Xaaßco — kar. Ortsn. Le Bas. 425); lyk. kbada {TAM. I, In-
16
480 Joh. Siimhrall. Zu den karischeji Inschriften etr.
dex), pisid. Kßt]öaaig (Lanckoronski. Die Städte Pdinph. tind Pis. II, 203),
k-il. Kßeöiaaig [J. of Hell. Stiid. XII. 247) — kar. Kßwötjg {BQM. IV,
296 f.) und Kßovöiaaaig (BGH. IV, 296 f.) us-sv. Was diese Beispiele
uns zeigen, bestätigen die einheimischen Denkmäler. Neben lyk. arawa-
zija steht kar. (a)ravossyä, das Genetiv-Suffix geht bisweilen auf ox, okhe
aus statt auf &'/.. er., lyk. ah, eh. der Nominativ bisweilen auf o statt a,
e, das Suffix ya, yä wechselt mit yo. Es geht auch hervoi", dass die
o-VokaHsation nicht regelmässig ist, aber durchaus häufiger als im Lyki-
schen. in welchem z. B. nur einmal u h als Genetivsuf'fix sicher belegt ist.
Ueberhaupt ist die karische Sprache reicher an Vokalen als die lykische
(zwei e- und u-Laute und wohl ein Diphtong). Eine Eigentümlichkeit
ist auch die Schwächung eines Labiallautes in w. v, ein Vorgang, wovon
schon oben die Rede war, und der weder regelmässig im Karischen, noch
auf das karische Gebiet beschränkt ist. Schliesslich will ich noch auf
eine für die karischen Namen eigentümliche Erscheinung hinweisen, ob-
wohl ich mich allerdings nur auf das giüechisch überlieferte Namenmate-
rial berufen kann. Es ist dies eine Parallele 11: Id, die schon Kretsch-
mer erkannt hatte [Einl. 327) und die folgende Beispiele zeigen : Taaoik-
dog (BCH. IV, 296 f.), naqavaawkdog, nuQvaaoyUog {BGH. IV. 296 f. ;
Reisen in LyMen I, 11), TooeZöo/iog, TaaaÄöcouog (Herod. VII. 98),
IfißaQf]Mog {BGH. IV, 296 f), KoZcoZöog {BGH. iV. 296 f). neZöefwg
Ditt. Si/tl.^ 95), AyMQfWfiEZöwv {Reisen in Li/Men I, 11) usw. Weil wir
sonst keine Namenstämme kennen, die mit einer derartigen Lautverbindung
Id stimmen, dagegen ähnliche Namen mit nur 1-Laut, wie laaio/J.og {BGH.
IV. 296 f.), nuQavaaco/J.og {BGH. IV, 296 f.). HeUemg (lyk. BGH. X,
41) vorkommen sowie das 1-Suftix (-o/iog, -a/.og). halte ich mit Kretsch-
mer Id für eine sekundäre Lauterscheinung, die für das Karische spezifisch
ist, ohne indessen eine Regel zu sein.
Helsinsffors.
17
481
Der Ursprung der Zahleiisymbole
<(W (15) = imnu ,rechts' und p^ (150) = sumelu ,links-
in pythagoreischer Beleuchtung.
Von F. X. Klistier.
Die Zahlensymbolik war bekanntlich ein Lieblingsthema vieler füliren-
den Geister der antiken Welt. Während A u g u s t i n u s . der grosse Bi-
schof von Hippo, mit scharfen Waffen gegen jede Art von Aberglaube,
insbesondere gegen die Astrologen (die malhemalici) zu Felde zieht^)
ist ihm die Deutung der Zahlen etwas höchst Würdiges. Denn die Ger
setze der Zahlen sind nicht — wie so vieles andere — dem Schwanken
und Wechsel menschlicher Meinung unterworfen, sondern in sich fest be-
gründet und unwandelbar -). Sie fühi-en sich demnach auf Gott, die Quelle
jeglicher Wahrheit zurück, und die Offenbarungen Gottes im Reiche der
Gnade ebensowohl wie in der natürlichen Ordnung erscheinen im Gewände
der Zahl'). Augustinus tritt hier bis zu einem gewissen Grade in die
FulJstapfen eines Plato und Pythagoras. welch letzteren man ge-
wöhnlich als eigentlichen Vater der Zahlensymbolik ansieht. Aber auch
er ist nur der Erbe einer Lehre, deren Wurzeln bis in das III. Jahrtau-
send zui'ückgehen : ihre eigentliche Heimat ist S ti d b a by 1 o n i en , das
als eine der ältesten Pflegestätten der Mathematik bezeichnet werden darf^).
Die praktischen Bedürfnisse eines ausgedehnten Landhaus und der
damit verbundenen Verwaltungsgeschäfte gaben den Hauptanstoss zur
1) Sancti Äureli Augustini opera omnia, ed. Migne (1841), tom. III col. .51.
2) Jamvero numeri di.sciplina cuilibet tardissimo darum est quod non sit ab
hominibus instituta, sed potius indagata atque inventa Non enim sicut primam
syllabam Italiae, quam brevem pronuntiaverunt veteres, voluit Virgilius, et longa
facta est ; ita quisquam potest efficere cum voluerit, ut ter terna non sit noveni, aut
non possint efficere quadratem flguram Sive ergo in seipsis considerentur,
sivc ad flgurarum aut ad sonorum aliarum motionum leges numeri adhibeantur, im-
mutabiles regulas habent, neque ullo modo ab hominibus institutas, sed ingeniosorum
sagacitate compertas.
3) Siehe besonders das weiter unten p. 488. erwähnte klassische Beispiel.
4) Mehr lässt sich hierüber zurzeit nicht sagen. Denn das Rechenbuch des Ahmes,
dessen Abfassung zwischen 2000 und 1700 v. Ch. fällt und nach älteren Vorlagen
abgefasst ist, bezeugt sowohl das hohe Alter als auch eine vom babylonischen Geiste
unabhängige Entwicklung der ägyptischen Rechenkunst.
482 F. X. Kufjlci\
Entwicklung der sumerisclion Arithmetik und Geometrie. Das Bau- und
Kunstgewerbe, besonders im Dienste der Religion, führte notwendig zu
einer genaueren Kenntnis stereometrischer Massverhältnisse und Raumbe-
rechnungen. Endlicli entdeckte man — wenn auch wohl viel später — .
dass auch die Akustik von Zahlengesetzen beherrscht ist, indem man ge-
wahrte, dass die Harmonie der Töne an ein bestimmtes Verhältnis der
Saitenlängen gebunden ist'). Schon erheblieh früher, weil unmittelbarer,
drängte sich der sinnigen Naturbeobachtung der Sumerer und der babyloni-
schen Semiten die Wahrnehmung auf. dass auch die Gottheit selbst auf
mannigfache Weise durch Mass und Zahl sich offenbart. Die gesetzmässi-
gen Formen der mineralischen Kristalle, die Eci. der göttliche Künstler, im
Schosse der Erde bildet, die Harmonie im Bau des tierischen und mensch-
lichen Körpers, vor allem aber die räumlich oder zeitlich konstanten Er-
scheinungen am gestirnten Himmel führten gewiss schon früh zu der
Ueberzeugung, dass die Zahl der prägnanteste Ausdruck des göttlichen
Wesens und Wirkens ist ^). Nur so erklärt es sich, warum man jedem
der grossen Götter seine eigene Zahl beilegte, warum im Kult gewisse
Zahlen eine wesentliche Rolle spielen, warum Heil und Unheil in Ver-
bindung mit gewissen Zahlen erscheint.
So klar indes die Tatsache einer ausgedehnten Zahlensymbolik der
Babylonier und der von ihnen abhängigen Assyrer vor uns liegt, so schwie-
rig ist es. den Zusammenhang im Einzelnen nachzuweisen. Manche sind
sogar sehr geneigt, jeden derartigen Versuch als ein müssiges Spiel der
Phantasie a limine abzuweisen. Aus diesem Verhalten spricht aber nur
die Scheu vor der Mühe, sich in eine uns ganz fremde und chimärisch
anmutende Geisteswelt zu versenken. Freilich liegt die Gefahr nahe, dass
man bei ihrer Erforschung eigene Phantasien in das antike Zahlenspiel
hineinträgt. Lässt man indes nur die Tatsachen sprechen und beschränkt
man sich auf Schlussfolgerungen, die sich mit Notwendigkeit aus jenen
ergeben, so- bleibt auch hier der wissenschaftliche Charakter der Unter-
1) Nach Jamblichus (T/fpi t//? Nixo/xri/oi> aQt&ftt]Xtxr/g etanywyiji; = In Nicomachi
nrithmeticam introdudionem über, ed. Pistelli. Bibl. Teubn.. p. 118, 20 sq.) ist die
.musikalische Proportion', die sich aus zwei Zahlen (a und b), deren arith-
metischem ('- „ ) und harmonischem Mittel ( — ~-A bildet, also die Form
■ 2 -' 'a -|- b
a -I- b 2 a b ,
2 a -|- b
hat, von den Babyloniern erfunden und von Pythagoras aus Babylon zu den Hel-
lenen gebracht worden. — Die Musik stand bekanntlich in Babylonien in hoher
Blüte, wie die verschiedensten Blas-, Saiten- und Schlaginstrumente beweisen, die
teils in den Texten erwähnt, teils auch bildlich dargestellt sind (vgl. die Zusammen-
stellung bei Frank. Studien z. Bah. Bei. p. 229 ff.).
2) Vgl. bes. meine Abhandlung Die Symbolik der Neunsahl in Sternkunde II, 192 ff.
Der UrsiHUDij huh;//. /uMiDsf/nilxjIc in /ii/t/iKtfinrisrlirr H,lr„rl,/,i,i;/. 483
suchiing und deren kulturliisturisilier Wert gesichert. Wenn der l'svehiii-
ter die krankhalten Aeusserungen eines umnac-hteten Geistes in ihrem ur-
sächlichen Zusammenhang mit organischen Störungen erforscht, so wird
kein Vierstündiger darüber läclieln. Nicht minder würdig ist aber die
Aufgabe, den verschhmgenen Irrpfaden nachzuspüren, auf denen einst die
Besten ihrer Zeit nach dem Lichte einer höheren Erkenntnis strebten.
Und so paradox es klingen mag: je fremdartiger und bizarrer die Ideen
der Vorzeit sind, um so wiclitiger sind sie oft für die Kulturgeschichte.
Denn dieser liegt es vor allem ol), den geistigen Zusammenhang verschie-
dener Völker und Zeiten nachzuweisen. Dieser Zusammenhang tritt aber
nirgends mit solcher Evidenz hervor wie in der Gemeinsamkeit von ab-
sonderlichen Anschauungen. Damit ist zugleich das Hauptziel dieser Unter-
suchung angedeutet: sie soll — soweit dies heute möglich ist — den Be-
weis erbringen, dass die pythagoreische Schule ihre Zahlensymbolik im
wesentlichen aus babylonischer (bzw. assyrischer) Quelle geschöpft und als
anscheinend kostbares Erbe den kommenden Jahrhunderten und selbst dem
christlichen Altertum hinterlassen hat.
Das nächste Ziel dieser Arbeit hat anscheinend mit jener Abhängig-
keitsfrage nichts zu tun: es gilt nämlich zuerst, das Rätsel zu lösen,
warum die Assyrer den Begrifl' .rechts' durch <<pp (1.5)
und den Begriff .links' durch J^<^ (150) ausgedrückt
haben'). Die Beweismomente, die hierbei zur Geltung kommen, sind
1) Daran dass auch ]T<lJ8C fi"« Zahl tlaistelU. ist nicht zu zweifeln. Hatten
die Babylonier .rechts- und .links' astronomisch ausdrücken wollen, so hätte
dies auf Grund der Gleichungen rechts = westlich, links = östlich geschehen
können. Viel näher lag jedoch die Verwendung der symmetrischen Bilder der
rechten und linken Hand — oder was noch sicherer war — die der beiden Arme
einschliesslich eines Teiles des Oberschenkels. In der Tat stellt bekanntlich
die archäische Form ^ "^ von ijiih = sumeli( = .links' einen linken Arm dar.
Hiernach sollte man erwarten, dass da, dessen ursprüngliche Form ^ ,^ einen
rechten Arm darstellt, als Ideogramm für , rechts' verwendet worden wäre; aber statt
dessen hat man qß^* , arch. /\ ^ (zid) und ßM, arch. ^3 (^ag) gewählt, ob-
wohl keines der beiden Zeichen den Begritt .rechts' direkt zum Ausdruck bringt.
Allem Anschein nach ist die Bedeutung lul = .rechts' die ältere; aber auch sie ist
erst aus zid = kenn ,recht, normal, günstig' hervorgegangen. Im Bewusstsein des
übertragenen Sinnes hat man es auch — so viel ich sehe — in der ältesten Zeit ver-
mieden, zid für sich allein zur Bezeichnung von ,rechts' zu verwenden; vielmehr
484 F. X. Kugler,
aber unseres Erachtens auch für die Hauptfrage von entscheidender Be-
deutung.
Zunächst muss festgestellt werden, dass an eine irgendwie lokale
Bedeutung dieser Symbole nicht zu denken ist. Denn es gibt keine
zwei auffallende Naturerscheinungen, von welchen die eine rechts (bzw.
westlich)'), die andere links (bzw. östlich) auftritt und die zugleich zeit-
kommt die lokale Bedeutung entweder durch vorangestelltes g^jljT • iirrli. ^ "^'fflJS^^ (»)■
, Seite' oder durch die Yerbinduug mit dem entgegesetzteu giih (liuks) zum Ausdruck
(vgl. Thureau-Dangin 8^^92,3, 16; 94, -5, 10; 100,11,2 (d-zifd)-da). 92,4.19; 94,5,16
(^id-da güh-na). Freilich hätte d allein schon zur Bezeichnung von .rechts' genügt;
denn gleich da stellt es ursprünglich einen rechten Arm dar. ( Die geknickten oder
auch sich kreuzenden Linien auf dem Vorderarm von d sind meines Erachtens weder
eine Gunierung (Delitzch) noch eine Tättowierung (Hilprecht), sondern eine B e-
wehrung Daher d = .Kraft', vor allem im physischen, aber auch im intellek-
tuellen und ethischen Sinne.) Merkwürdig ist die Gleichung sag = rechts. Das ur-
sprüngliche Zeichen {REC 176) drückt irgendwie eine feste Umschliessung aus; dar-
aus ergeben sieh die Bedeutungen Band. Grenze, Seite, Kraft. Die Bedeutung ,rechts'
aber kommt daher, dass die rechte Seite die bevorzugte, kräftigste ist (vgl. dazu die
ideogr. Bezeichnung 5 7. BI von ütänu, Norden als die Richtung, d. h. die Haupt-
oder Normalrichtung). Es scheint rair indes sehr zweifelhaft, ob zag schon in den
ältesten Texten speziell die rechte Seite bezeichnet; denn die Stelle SAK 92,3 11
za^-mu mu-us muss nicht unbedingt : ,zu meiner Rechten habe ich hingestellt' über-
setzt werden.
1) Vgl. m. Sternkunde H, 1 p. 60 und Eet: d'Ass. Till, p. 111 n. 1. Auch bei Pli-
nius (so in Eist. nat. II, 8 (6)) ist laeva pars, laevum latus = Osten. Es ist aber
doch schwerlich richtig, wenn Grünbaum (ZDGM XXI, 604) meint; .Der Osten, die
glückverheissende Lichtseite, war durch die Auguren die linke Seite geworden". Viel-
mehr war gerade diese Identifizierung ganz natürlich. Denn von den geographischen
Breiten aus. die hier in Betracht kommen (30" und mehr), erscheint die östliche Seite
von Mond und Sonne links, die westliche rechts ; ebenso vollzieht sich die scheinbare
ost-westliche Bewegung derselben sowie die der Planeten von links nach rechts.
Darauf beruhen auch die Gleichungen ina päni ,auf der Vorderseite' = westlich und
ina arki ,auf der Rückseite' = östlich (so in den astronomischen Tafeln der Spät-
zeit). Bei der Becherwahrsagung war die Orientierung eine andere. Der barü (Wahr-
sagepriester), der den Becher vor sich hatte, schaute nach Osten, der aufgehenden
Sonne. Der Sonnengott Samas war eben die oberste Instanz und er fällte sein Ur-
teil bei seinem Aufgang. Diese Anschauung tritt auch bei andern Wahrsageriten
der Babylonier hervor (vgl. Zimmern, Beitr. z. Kenntn. d. Bah. Bei 89 f. u. 83 ; Hunger,
liecherwahrsagimg bei den Bahyloniern, 10). Damit sind auch die Gleichungen hinten
= westlich, links = nördlich, rechts = südlich gegeben (vgl. Hunger, 1. c. Text Ä,
4-5 und B. 1-5 — 18). Die gleiche Orientierung, wenn auch aus anderem Grunde, findet
sich auch im Hebräischen: hier ist die linke Seite, bsa™ = Norden, die rechte
pa^ = Süden, weil die Vorderseite n~p = Osten, die Rückseite i'-HK = Westen ist.
Bei den Griechen ist der Osten = rechte Seite. Nach Aristoteles {de caelo
n, 2) kommt dies daher, dass der Anfang der Bewegung im Osten liegt. Wahr-
scheinlicher ist es jedoch, dass man sich — besonders auf dem Meere des Nachts —
nach dem Nordpol bzw. Polargestirn richtete, wodurch natürlich der Osten zur rech-
ten, der Westen zur linken Seite wurde.
Der Urspnnit/ Imhi/I. Ziililrusi/iiihnlr in /ii/l/iiiiiiirrisr/nr Bchiif/if/nif/. 485
lieh oder räumlich an die Zahlengrüssen 15 und 150 <?ebunden sind. Wohl
ist 15 das Symbol der Istar- Venus; dies hängt aber mit den Bewegungs-
verhältnissen des Venus-Planeten gewiss in keiner Weise zusammen. Ebenso-
wenig steht 150 mit astronomischen Vorgängen in irgend welcher Ver-
bindung. Das Studium des menscblichen (bzw. tierischen) Organismus
konnte erst recht keine Veranlassung zu den l)eidon Zahlensymbolen werden.
Deshalb muss es als ausgemacht gelten, dass iliese Syml)ole die Begriffe
.rechts' und .links' nicht unmittelbar zum Ausdruck bringen k ö n-
11 e u. Wir haben demnach für diese beiden Begriffe solche zu substi-
tuieren, die nacli allgemein semitischer und speziell babylonisch-assy-
rischer Auffassung mit den ersteren synonym sind und die zugleich eine
zahleusymbolische Darstellung gestatten. Bekanntlich sind nun .rechts, recht,
bevorzugt, günstig' im Semitischen Synonyma, ebenso , links, verkeiirt. min-
derwertig, ungünstig '). Dies tritt auch insbesondere im Babylonischen
hervor. Sowolil in der Astrologie als auch in der Leberschau repräsen-
tiert die rechte Seite den König des Landes, die linke dagegen den Feind ^).
Ferner ist die rechte Seite die wahre, bevorzugte Seite'). Endlich ist die
linke Seite durch die Gleichung .<i(iiielu = niii-r/iii-ga ausdrücklich als die
, widrige, unheilvolle' bezeugt*).
1) Vgl. Grünbaum, ZDMG XXI, 601 fi'.
2) Nach Thomps. Bep. Text XXX, b S. und XLI, ö tf. wird dev König durch das
rechte Hörn des Mondes, der Feind durch das linlie Hern symbolisiert. Ebenso ist
die rechte (und obere) Seite der Leber die des Herrschers, die linke (und untere) die
des Feindes (A. Boissier, Choix de Textes relatifs ä la Divination ttssyro-hahßonienne
p. 39 SS.; Jastrow Bei. Bah. Ass. p. 354).
3) Delitzsch, Assyrisches Handwörterbuch [BW] p. 307, 6; vgl. oben .S. 483 Anm. 1.
4) Lotz. Die Inschriften Ti/f/uthpilcsers I, p. 87 Anm. 2; Zimmern. Bah. Busspsal-
men p. 40; Del. HW 668, a. An der Tatsache, dass rechts := günstig, links = un-
günstig, vermögen gewisse Wetter-, Leber- und Oelomina, die man dagegen ins
Feld führen könnte, nichts zu ändern. Dahin gehört z. B. die günstige Vorbedeutung
des Blitzes im Osten (bzw. zur Linken), der wir sowohl in babylonischen Texten als
auch bei Plinius begegnen (Hi.^t. mit. U, .54 (55). Es kommt nämlich nicht nur die
Seite, sondern auch der Charakter der Erscheinung in Betracht. Bezeichnet die linke
Seite den Feind, so ist ein daselbst auftretendes ungünstiges, drohendes Zeichen für
diesen ungünstig, also günstig für den Inhaber der rechten Seite. Dies tritt
insbesondere bei der Leber schau klar zutage, wo das ungünstige Zeichen in der
Regel in einem Defekt besteht, der übrigens durch gewisse Begleitumstände zu einem
Glüokszeichen werden kann. Gleicherweise kann ein an sich günstiges Zeichen zu
einem ungünstigen werden. Ein derartiger Wechsel tritt auch bei der Schalen-
(Becher-) Wahrsagung hervor. Hier nur einige Belege. Giesst man Wasser
auf Oel und geht dieses, ohne Blase zu bilden, nach rechts weg (ana imittim ipdur),
so ist das ein günstiges Vorzeichen (Genesung). Es wird aber ein ungün-
stiges (Bosheit des Herzens), wenn zugleich eine Blase auftritt. Bleibt endlich die
letztere am Rande des Oeles stehen, so haben wir wieder ein günstiges Omen
(guter Genius). So nach Text B 25. 43, 49 bei Hunger 1. c. Dass aber an sich auch
hier die rechte Seite als die günstige, die linke als die ungünstige galt, scheint be-
sonders aus B 16, 17 hervorzugehen: Wenn der Rand des Oeles nach rechts er-
486 F. X. KiKßer,
Da ausser diesen Synonyma keine anderen in Frage kommen, so sind
wir jetzt vollständig zu der Annahme berechtigt, dass die 1 5 zunächst
.recht, günstig', die 150 dagegen .verkehrt, ungünstig" bedeutet.
Wie kam man aber gerade zu diesen Zahlen? Gewiss nicht durch
willküi-liche Festsetzung, sondern atif dem Wege einer irgendwie logischen
Deduktion.
Ein Volk, dessen Sinn durch die klimatischen Verhältnisse und vor
allem durch seine Religion auf Zustände und Vorgänge nicht nur der ir-
dischen, sondern auch der kosmischen Natur gerichtet ist. wird auch die
Elemente seiner Zahlensymbolik grösstenteils der Katur entlehnen. Dabei
kommen zwei Momente zur Geltung: das häufige Auftreten einer bestimmten
Zahl bei verschiedenen Erscheinungen und das konstante Auftreten hei
Phänomenen von besonderer Wichtigkeit. In dem uns beschäftigenden
Fall reichen aber die natiü-lichen Elemente nicht aus. Denn weder 1.5
noch 150 steht mit Xatui-ereignissen in greifbarem Zusammenhang und
noch weniger lässt sich ihr Gegensatz: .günstig-ungünstig' auf jene zu-
rückführen. Wir haben es daher hier mit einem Produkt der den Alten
so geläufigen Zahlenspekulation zu tun, die zwar auch natürliche
Elemente benützt, aber wesentlich auf zahlentheoretischen Er-
wägungen beruht. Von der Zahlentheorie der Babylonier und Assyrer
wissen wir indes bis jetzt so wenig, dass jeder Versuch, das vorliegende
Problem auf sie allein gestützt zu lösen, als rein hypothetisch bezeich-
net werden müsste. Glücklicherweise kommt uns jedoch eine merkwürdige
Tatsache zu Hilfe. Die Zahlensymbolik der P y t h a g o r e e r veiTät in
mehreren Punkten eine so auffallende Aehnlichkeit mit jener der Baby-
lonier (bez. Assyrer), dass wir an der Annahme einer Entlehnung nicht
vorbeikommen. Dies um so weniger, als auch zahlreiche antike Zeug-
nissefür eine babylonische Beeinflussung der pythagoreischen Schule sprechen.
Unter solchen Umständen liegt aber die Vermutung nahe, daß auch die
Zahlenspekulation der Pythagoreer wenigstens in ihren Grund-
linien auf die der Babylonier zurückgeht. Diese Annahme muss natürlich
auch ihre Probe bestehen, d. h. es muss der Nachweis erbracht werden,
dass die Anwendimg der pythagoreischen Zahlentheorie und Zahlenmystik
zu Ergebnissen führt, die sich mit inschriftlich bezeugten zahlensymbo-
lischen Auffassungen der Babylonier (bzw. Assyrer) decken.
Unsere nächste Aufgabe ist es daher, auf diejenigen Tatsachen der
pythagoreischen Lehre hinzuweisen, die unserem Zwecke dienlich sind.
Für Pvthagoras bestand das Wesen der Dinge und zwar der gött-
lichen und himmlischen ebenso wie der menschlichen und irdischen in der
glänzt, der gute Genius; der Kranke wird gesund. Wenn er nach links erglänzt,
der böse Genius; der Kranke stirbt. AehnlicK lauten die Deutungen für das Ent-
zweigehen des Oeles nach der rechten und der linken Seite (B 20, 21).
Der ürspnoifi hnhi/l. Zdlilriisi/iiihitlc iii jit/tlitii/orrischcr Beleuchtiiu</. 487
Z a h 1. Die Gesetze der Arithmetik waren dalier für ihn der Scliliissel zum
Verständnis aller irdischen und iiimralischen Erscheinunjfen.
Besonders wichtig erschienen ihm die Reihen der natUrliclien, der
geraden und der ungeraden Zahlen nebst den aus ihnen hervorgehenden
Summen. Von geradezu fundamentaler Bedeutung aber war die Reihe der
ersten vier natürlichen Zahlen, durch deren Addition die vollkommene
Zahl 10 entsteht (1 -(-2 -)- 3 + 4 = 10). Sehr bemerkenswert ist hierbei, dass
man die V i e r z a h 1 {reTQaxzvg) als dv va/iig der Z e ii n z a h 1 {ösxdg)
ansah. Drastisch lehrt dies eine Stelle bei Lucian'). P^'thagoras lässt
einen Schüler zählen: „ 1, 2. 3, 4". Da fährt der Meister dazwischen : „Siehst
du? Was du für 4 hältst das ist 10, ein vollständiges Dreieck^), und
unser Eidschwur". Dieser lautet: „Ich schwöre es bei dem, der unserer
Seele die Vier zahl einpflanzte, welche die Quelle der ewig rinnenden
Natur >md ihre Wurzel enthält"^). Die Zeh n zahl galt ilinen als „gross,
allvollbringend, allwirkend und Anfang und Leiterin des göttlichen, himm-
lischen und menschlichen Lebens" *). Die Bedeutung der V' i e r zahl be-
steht aber nicht nur darin, dass sie potentiell die Zehnzahl darstellt, son-
dern auch darin, dass sie K ö r p e r z a h 1 , also das Prinzip aller körper-
lichen Gestaltung ist (1 = Punkt, 2 = Linie, 3 = Fläche, 4 = Körper).
Die Fünf zahl dagegen bezeichnet die physikalische Bescliafi'enheit
der irdischen Körper'^). Ebenso ist 5 die Zahl der kosmischen bzw. ele-
mentaren Körper (Kubus ^ Erde, Tetraeder ^= Feuer , Oktaeder = Luft,
Ikosaeder = Wasser, während das Pentagondodekaeder alle übrigen um-
fasst) *). Ferner oö'enbart sich die Bedeutung der 5 im Sternfünfeck,
dem Erkennungszeichen des pythagoreischen Bundes, das auch .Heil, Ge-
sundheit' darstellt '). Endlich ist nach einer*) Lehrmeinung die 5 als
Summe von 3 (= männlich) + 2 {= weiblich) die Ehe- oder Zeugungszahl.
Nächst der 4 und der 10 spielte somit die 5 die bedeutendste Rolle
in der pythagoreischen Kosmologie.
Auch die einzelnen Götter hatten ihre besonderen heiligen Zahlen, so
ApoUon 1, Artemis 2, Aphrodite 6. Athene 7, Poseidon 8 u. s. f. ^). Wie
sich alle diese Zahlen in das ganze System fügen, ist mehrfach unklar.
Ebenso ist es sehr gut möglich, ja wahrscheinlich, dass den nämlichen
1) Bicuv ngäaiq, 4r; vgl. AUman, Greeh Geometry from Thaies to Euclid p. 28.
2) Man dachte sieh die aufeinanderfolgenden Zahlen durch gleich weit von ein-
ander getrennte Einheitspunkte dargestellt und unter einander geschrieben, wodurch
ein .Dreieck' entsteht :
1
_ 2
. ~ 3
. • . . 4
3) Zeller, Die Phitoaophie der Griechen '" I, a p. 398 Anm. 5.
•1) Zeller, 1. c. p. :M5 Anm. 1. — 5) Zeller, 1. c. p. 443. — 6) Ders., 1. c. p. 406 f.
7) Cantor, VorJes. über Gesch. der Mathematik^ I, 178.
8) Zeller, 1. c. p. 390. — 9) Willmann, Geschichte des Idealismus'' I, 276 f.
488 F. X. Kuffler,
Göttei-n auch andere Zahlen als die obigen zukamen. So ist z. B. nicht
einzusehen, warum Aphrodite statt durch 6 nicht auch durch 5 bezeichnet
worden sein konnte. Denn die Zahl der Liebesgöttin ist identisch mit der
ydfiog-, der Ehe-Zahl. Als solche gilt aber nicht nur die 6 (= 2 X 3). son-
dern auch die 5 (=2 + 3) und sogar die 3 (=2 + 1)*).
Mutatis mutandis haben derartige Zahlenspekulationen selbst noch im
christlichen Altertum eine hervorragende Rolle gespielt, wie besonders die
Schriften des Ambrosius und des A ugustinus beweisen. Das
interessanteste Beispiel dieser Art bietet letzterer in seiner Erklärung von
Joh. XXI, 1 — 11 {Sandi Aureli Angnstinl opera omnia, ed. Migne, tom.
III Col. 1950 sqq., besonders 1963 sq.). Es handelt sich um den reichen
Fischfang, bei dem 158 grosse Fische erbeutet werden.
Für Augustinus ist diese Zahl nicht ein zufälliges Ergebnis: sie hat
vielmehr eine gesetzmässige Entstehung und einen tiefen Sinn. Die Sache
verhält sieh nach ihm folgendermassen :
Zum , Gesetz', das für sich allein ein tötender Buchstabe wäre (II Cor.
III, 6), muss die .Gnade', der lebendigmachende Geist, hinzukommen, da-
mit die Menschen zum Heil gelangen. Nun wird das Gesetz, der Deka-
log, durch die 10, der Geist durch die 7 dargestellt. Also ist 10 + 7 = 17
der numerische Ausdruck für das Prinzip der Heiligung. Aus ihm gehen
die Heiligen hervor, deren Sinnbild die 153 Fische sind. Dieser Prozess
vollzieht sich, indem alle Zahlen von 1 bis 17 zu einer Summe vereinigt
werden. In der Tat Ist 1+2+3+4 + 14 + 15 + 16 + 17=153.
Die 17, das Heiligungsprinzip, erscheint also hier als övrafug der Zahl 153,
welche die Auserwählten vorstellt^).
Dieses Beispiel habe ich nicht nur eruditionis gratia hierhergesetzt:
es soll vielmehr zeigen, 1. dass der Begriff der öv}'af.iig in der Sphäre des
pythagoreischen Einflusses eine weitgehende symbolische Verwendung fand
1) Zeller, 1. c. p. 395, Anm. 2.
2) Welches Gewicht Augustinus dieser Berechnung beilegte, lehren am besten
seine eigenen Worte (1. c. Sp. 1963 f.): Cum itaque Legis denario Spiritus sanc-
tus per sep tenenarium numerum aocedit, fiunt Septem et decem: qui
numerus ab uno usqueadseipsum, computatisomnibuscres-
cens, ad centum quinquaginta tres pervenit. Ad unum si adiicias
duo, fiunt utique tres: bis si adiicias tres et quatuor, fiunt omnes decem; deinde si
adiicias omnes numeros qui sequuntur usque ad decem et Septem, ad supradictum
nuraerum summa perducitur ; id est, si ad decem, quo ab uno usque ad quatuor per-
veneras, addas quinque, fiunt quindecim: his addas sex, et fiunt viginti unum; his
addas Septem, et fiunt viginti oeto ; his addas octo et novem et decem, et fiunt
quinquaginta quinque ; his addas undecim et duodecim et tredecim, et fiunt nonaginta
unum; his rursum quatordecim et quindecim et sexdecim. et fiunt centum triginta
sex: huic numero adde illum qui restat de quo agitur, id est decem et septem, et
piscium numerus ille complebitur Omnes ergo ad istam gratiam perti-
nentes, hoc numero figurantur, hoc est figurata significantur. Augustinus erweist
sich hierin als getreuer Schüler des Pythagoras.
Di:r IJrapruiiii Ixibi/t. Xit/ileiisipithulc in p//tli(((joiTisi/iir Bckxrhtumj. 489
(also nicht etwa auf die 4 als (h'Tauig der 10 beschränkt hlieh) und 2. dass
die öi'ra/iig als \\'irkungsiiriiizi|i und s{)e7,iell als heillirinirendes Pinnzip
aiit'gel'asst wurde.
Wenden wir uns nun zu den B a b y 1 o n i e r n.
Merkwürdigerweise legen auch sie der lO-Zahl eine grosse Bedeutung
bei. Sie kommt nicht nur im Zahlensystem (vgl. die sumerischen Zahl-
zeichen für 10, 600 (— 60X10), 36 000 (60 X 60 X 10) und die besonderen
semitisch-babylonischen Zeichen für 100 und 1000) zur Geltung, sondern
auch in der Symbolik. 4^ (10) mit dem Lautwert u bedeutet: .iakn ,hoch',
le'li , stark", idlu ,Herr. Mann', kabru , gross', l-i.isatu , Totalität'. Ferner ist
M^<^das gemeinsame Symbol der grossen Götter jhiii, Bei, Belif, Utät\
iMar k((kkabe, Shi, Sinnci.i, Adad, Girru, NusJai ; ja <C bedeutet sogar ilu
,Gott' einfachhin. Endlich wird in K 170 die 10-Zahl speziell dem Licht-
und Feuergott Niisku zugeschrieben, und die Zahlen der oberen Götter
SamaS (20). Sin (30), Ea (40). Bei (50), Auk (60) sind wenigstens aus der
10 hervorgegangen. Zweifellos hat daher die 10 im Babj'lonischen eine
ganz ähnliche Bedeutung wie bei den Pythagoräern. Schon dieser Um-
stand beruht schwerlich auf einem Zufall, wie es auch gewiss kein Zu-
fall ist, dass die Pythagoreer ihren Göttern gleichfalls Zahlen beilegen,
wenn schon diese von den babylonischen sich unterscheiden.
Eine weitere Verwandtschaft offenbart sich in der Auffassung der
Fünf zahl. t^cz (5) ist Ideogramm für nädii^) , erheben, verherrlichen',
nä'idu^) , erhaben, hehr', faiii'aff/i ^) .Erhabenheit. Majestät'. Die 5 ist in
erster Linie das Symbol der überirdischen, göttlichen Würde und Voll-
kommenheit, der gloria divina; erst an zweiter Stelle bezeichnet sie die
königliche Majestät*). Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Bedeutung
der 5 sich von den 5 Planeten ableitet, zumal dieselben nach babylo-
nischer Ansicht über der Fixsternsphäre ihre Bahnen gehen und die vor-
züglichsten Verkündiger des göttlichen Willens sind *). Wie 5, so bedeutet
auch das Ideogramm ÜB : na'ädu, fanattu, drückt also gleichfalls den Be-
griff , Erhabenheit' aus. Und merkwürdigerweise ist die archaische Form
von ÜB : Öl^ dem pythagoreischen Pentagramm ganz ähnlich. Ausser-
1) Brünnow, Classified List [CL] 3980.
2) Vgl. z. B. die häufige Schreibung Nabu — P^ (Nabü-na'id).
3) Meissner, Seltene assyrische Ideogramme [SAI] 2680.
4) Der König ist irdischer Stellvertreter der Gottheit.
b) Diodor, II, 30. Seine Angaben werden durch die keilinschriftliche Astrologie
im wesentlichen bestätigt.
Klio, Beitrage 2ur alten Geschichte XI 4. 32
9
490 F. X. Kugler,
dem bezeichnet ÜB auch tupkn. kibratu, ursprünglich = kosmischer Raum
(vgl. ub-(la tab-tab-ba ,vier Himmelsgegenden"). Dies alles legt den Ge-
danken nahe, dass die kosmische Zahl 5 des Pythagoräer mit der baby-
lonischen Auffassung der "> nahe verwandt ist.
Gehen wir nun über zur <f Kft^ (15) ! Sie ist das Symbol der Göttin
Istär. der brdit ile .Götterherrin' und bänat iläni .Erschafferin der Götter',
die zugleich auch bänat teniseti , Schöpferin der Menschen" und musteserat
gimir nabnitu , Lenkerin jeglicher Geburt" — ^) also die Quelle des ge-
samten Lebens ist. Man kann daher im vollen Umfang von der baby-
lonischen 15 sagen, was von der pythagoreischen 10 gilt: sie ist „gross,
allvollbringend, allwirkend, Anfang und Leiterin des göttlichen, himm-
lischen und menschlichen Lebens". Ist es angesichts dieser Tatsache nicht
höchst wahrscheinlich, dass die Pythagoreer, mittelbar oder unmittelbar
aus babylonischer Quelle schöpfend, die 10 im Sinne der babylonischen
15 auffassten und zwar um so mehr, als auch die babylonische 10 — wie
wir oben sahen — das göttliche Wesen und Wirken offenbart V
Wie aber haben wir uns die Entstehung der 15 als Symbol der Istär
zu denken? Es bieten sich uns zwei Möglichkeiten dar: entweder ist 15
als 3X5 oder als Summe von 1+2 + 3-1-4 + 5 = 15 zu fassen. Im
ersteren Fall hätten wir die Vollendung, das Höchstmass der Entfaltung
(3) der göttlichen Würde (5) ; im letzteren dagegen würde 15 aus der 5
als övrafitQ im pythagoreischen Sinn liervorgehen. Da im babylonischen
Kult gerade die di'eimalige Wiederholung besonders beliebt und wirkungs-
voll ist, so hat wohl die erstere Auslegung am meisten für sich. Wie
dem aber auch sei, jedenfalls stellt die aus der 5 hervorgehende 15 pas-
send Istär als Prinzip alles göttlichen Seins und Werdens und damit zu-
gleich des gottgewollten menschlichen Heiles dar. Dass die 15 als Symbol
des göttlichen Segens und damit des G 1 ü c k e s galt, ist demnach leicht
begreiflich.
Wie aber soll 150 das Gegenteil hievon, die göttliche Ungunst,
das Unglück ausdrücken 'r* 150 enthält ja nicht etwa — im Gegensatz
zu 15 — Faktoren, deren ungünstiger Charakter schon anderswoher be-
kannt wäre. Die Zerlegung in Faktoren ist deshalb aussichtslos. Eben-
sowenig lässt .sich durch Darstellung der 150 in einer der folgenden Formen
3(2 + 6+10 + 14 + 18), 3(4-^7 + 10 + 13 + 16), 3(6 + 8 + 10 +
12 + 14), 3 (8 + 9 + 10 + 11 + 12) oder 5 (1 + 10 + 19), 3 (2 + 10 + 18)
etc. ein solcher Gegensatz zu 15 als 3 (1 + 1 + 1 + 1 + 1) oder 5 (1 +1 + 1)
erreichen, bei dem die Zahlensymbolik — sei es die der Babylonier oder
der Pythagoreer — zur Geltung käme.
Hiernach und mit Rücksicht auf die grosse numerische Kluft der
1) Vgl. Zimmern. Die Keiliii Schriften und das Alte Testament^ [KAT^], 428 f.
10
Der Urspndii/ /i,ih//l. Zn/ilnisi/mbole in piithagoreisclicr BelcitrJituufj. 491
beiden Zahlen kann icli mir ihren syniholischen Gegensatz nur so erklären:
150 ist das Ergebnis einer symbolisch fassbaren Störung einer an
die 15 geknüpften gesetzmässigen Zahlenoperation.
Diese letztere ist aber keine andere als diejenige, welche mit dem
Begriff der pythagoreischen ötn'auig gegeben ist. Kommt die 15 als
övvafug ungestört zur Entfaltung, so entsteht die Summe 1 + 2 +
3 -t-. . . + 13 + 144- 15 = 120. . Bildet man nun abermals eine Reihe
von 15 Gliedern, aber so, dass durch Ueberspringen aller V i e r zahlen
(4,8,12,16) die natürliche Folge gestört ist. so hat man
14-2 4-3 I +5 + 6 + 7 I +9 + 10 + 11 I +1:^ + 14 + 15 I +17-+-
18 + 19 = 150.
Die Zahlen allein liefern natürlich noch keine befriedigende Erklä-
rung; wir haben auch noch zu beweisen, dass unsere Operationen mit den
babylonischen Anschauungen im Einklang stehen. Dies soll jetzt ge-
schehen.
1. Wir nahmen an, dass ein ordnungs- und gesetzmässiger Vorgang
und sein Ergebnis als günstig, dagegen die Störung als ungünstig
zu gelten hat. Das ist naturgemäss und daher stets und überall gültig;
das kommt auch im Besonderen in der babylonischen Astrologie zum Aus-
druck. Sie lehrt, dass im allgemeinen jede zeitlich oder räumlich ord-
nungs gemässe Himmelserscheinung glückverheissend, jede
Störung der Ordnung u n g 1 ü c k b r i n g e n d ist. So entsprach es
der „Ordnung", dass das Neulicht des Mondes am 1. Tag des Kalender-
monats erschien und dass Sonne und Mond am 14. Tag einander am Hori-
zont gegenüberstanden; in diesen Fällen waren daher die Omina für das
Heimatland günstig. Erschien dagegen das Xeulieht am 30. oder am
2. Tag oder fand die Opposition am 12. 13. oder am LJ. 16. Tag statt,
so war das Vorzeichen ungünstig.
2. Was die numerische övvccfiiQ betrifft, so stützen wir uns aller-
dings zunächst auf deren Gebrauch bei den Pythagoreern. Aber unsere
Annahme, dass sie auch bereits den Babyloniern bekannt war, beruht nicht
nur auf der sonstigen Verwandschaft der beiderseitigen Zahlensymbolik und
der anscheinenden gänzlichen Aussichtlosigkeit einer anderen Lösung des Pro-
blems ; es liegen auch direkte Anzeichen vor, dass die Babylonier ihre heilige
15 als dvvafiig von 120 angesehen haben. Dies ergibt sich aus Folgendem.
|f (höchstwahrscheinlich = 120) ist das Ideagramni für ilcini ,die Göt-
ter' '). An sich freilich könnte || auch der Plural von | sein, so dass
1) Hierauf wies mich U n g n a d unter Berufung auf Vurderasiat. Schriftdenkmäler
der kgh Museen zu Berlin [ VS] I 37 Col II, 2 : |r E-saggil = iläni Esaggil) bei einer
andern Gelegenheit hin. — Meissner SAI 11414 muss demnach Bäb-iläni (statt
Babilu) gelesen werden ; vgl. z. B. KA. ANp' in Sternkunde I, 263 f.
32*
11
492 F. X. Kngler,
7 = //)/ .Gott" einfacbhin wäre (vgl. oben <C = ''")• F"'" diese Gleichung
fehlt jedoch jeder inscliriftliche Beleg: wir kennen nur T = ähh und
r-+^[ =: E-a'). wo im ersteren Fall f ^= 60. im letzteren J höchstwahr-
scheinlich ^ A'/ = ?7.7.77/« ist^). Dafür, dass auch W ein Zahlzeiclien ist.
spricht der Umstand, dass das Gottesdeterminativ (-t-f fehlt: denn vor der
eine Gottheit darstellenden heiligen Zahl fehlt t^ in der HegeP) — im Ge-
gensatz zu den andern Götterideogrammen. Der Annahme, dass der senk-
rechte Keil in unsei'em Fall = 1 bzw. .der Eine' sei, würde zwar zu einer
weiteren Parallele mit der pythagoreischen Lehre *) führen : damit stände
aber gerade die Schreibung \\ im Widerspruch. Weitaus am wahrschein-
lichsten ist es daher, dass man — wie man Ämi, dem höchsten Gott, die
Zahl 60 beilegte — die Gesamtheit der Götter mit 120 bezeichnete.
Der symbolische Zusammenhang ist nun meines Erachtens dieser:
Die Gottesmutter Istär bringt — natürlich auf die vollkommenste W^eise
— die Götter hervor und in analoger Weise ist die heilige Zahl 15 der
ersteren die gesetzmässige dvvafitg der die Götter darstellenden Zahl 120.
Hat aber die 15 wirklich diese symbolische Rolle, so muss man erwarten,
dass auch in Bezug auf das menschliche Dasein die Leben und Heil spen-
dende Ki-aft der Istär sich in ähnlicher Weise äaissert. Nun wissen wir
freilich nichts von einem Ideogramm Jf für ,Heil. Glück' : aber daraus folgt
nichts gegen unsere Auffassung: denn auch die mit Notwendigkeit vor-
auszusetzende Gleichung 4W = , günstig, glückbringend' lässt sich nur in-
direkt erschliessen. Ausserdem ist es unwahrscheinlich, dass man TT im
obigen Sinne je verwandt hat: denn man bedurfte dieses Ideogramms zu
häufig für andere Zwecke, insbesondere als Repititionszeichen. Schon dar-
aus erklärt sich auch die sehr seltene Anwendung des Zeichens für iläni.
Der praktische Nutzen, die Vermeidung unnötiger Vieldeutigkeit fallen
eben mehr ins Gewicht als das Bedürfnis nach einer konsequenten Aus-
di-ucksweise.
Wir haben 15 als övvafiig von 120 betrachtet. Es wäre nun aber
in Anbetracht der noch bestehenden Unsicherheit sehr wünschenswert, dass
1) Brünnow, CL 10067 f. — 2) Vgl. mein ,Im BamiTcreis Babels' p. 85.
3) Man ersieht daraus, welch inniger Zusammenhang nach babylonischer An-
schauung zwischen der ,Zahl' und dem Wesen der Gottheit besteht.
4) Vgl. die Bedeutung der .Eins' (bzw. der Monas) als Wesen der Gottheit im
Gegensatz zur ,Zwei', welche die Materie bezeichnet, und Eins (bzw. Monas) als Zentral-
feuer (= erster Weltkörper, Göttermutter, Thron des Zeus) bei Zeller, 1. c. p. 360 ff.
und 412.
12
Urspnoi;/ hahi/l. Zahlensymbole in pythagoreischer Beleitchfioif/. 493
auch noch in anderen Fällen eine symbolische Zahl als potentiell gleich-
wertig nachgewiesen werden könnte. Ein solcher Fall scheint in der Tat
in dem Ideogramm -^ (20) für .König' vorzuliegen. In VR 30 werden
für hii/(t/ {sarn() ?,1 Ideogramme aufgeführt. Darunter befindet sich aber
<^ nicht. Dies mag daher rühren, dass dieses Ideogramm zu bekannt
war. Es konnte aber auch sein, dass das Zeichen T|^^ (210 1. welclies
Z. 5 mit der Glosse is-si'-h/pn^) steht, das Zeichen"^ vertritt. Wie dem
auch sei — auffallend ist, dass die Summe der ersten 20 Zahlen wirklich
210 beträgt, dass also 20 die övvafitg von 210 ist.
3. Das üeberspringen der Vierer zahlen. Das schöpferische und
segensreiche Wirken der Göttermutter Istär kommt in der ungestörten dy-
namischen Entfaltiing der 15 zum Ausdruck. Eine Störung dieser Ent-
faltung weist demnach auf die göttliche Ungnade und das Unheil als ihre
notwendige Folge. Um dies recht zu würdigen, muss man sich vor Augen
halten, dass nach babylonischer Anschauung das Unheil nicht nur von an
sich bösai'tigen Gewalten, dem Reiche der Dämonen und ihrem Beherrscher
Nergal herrührt, sondern auch von Gottheiten, die an sich gütig sind. Dies
zeigt sich am deutlichsten in den bekannten Fluchformeln, wo die gütigen
Gottheiten aufgefordeii werden, ihre besondere Heilspendung in das gerade
Gegenteil zu verkehren. Mit den Dämonenzahlen 7. 14. 21, 23 hängt ausser-
dem unsere 150 in keiner Weise zusammen und wir sind daher genötigt,
die 150 als die Wirkung einer arithmetischen Störung der durch die 15
imj)licite gegebenen Zahlenordnung anzusehen.
1) Was bedeutet is-se-b/pu? Hommel, OLZ 1907 Sp. 381, deutet es als 3 (X 60)
-|-30, d. i. is aus gus drei und sehtt aus issib 30. Dies ist mir jedoch nicht recht
verständlich, da ich nur sumer. ei = S und usü [es-u) = 30 kenne. Möglicherweise
ist is-se-h/pu nicht einmal ein Zahlwort, sondern ein Berufsname, dem .das Symbol
210 zukommt. Lautlich erinnert es an den eisepü und den isippu, zwei Priester-
klassen, die einander sehr nahezustehen scheinen. Dazu würde auch die Tatsache
stimmen, dass gei'ade die Könige die Würde eines isippu innehatten. So schon alt-
babylonische Herrscher (vgl. Sternkunde II. 140) und später Tiglathpileser I. Assar-
hadon, Asurbanipal u. a. (vgl. die Zusammenstellung bei Frank, Sind. --. Bab. Rel.
S. 9). Wahrscheinlich weist auch die Zahl 210 auf eine priesterliche Funktion hin,
sei es als 7 X30 (wodurch eine alltägliche 7malige Reinigung angedeutet sein könnte)
oder als Summe der heiligen Zahlen 10 -1- 20 -|- 30 -f- 40 -|- 50 -f 60 (insofern das prie-
sterliche Amt mit den göttlichen Inhabern derselben in Beziehung steht). — Mög-
licherweise ist das ganz ähnliche Ideogramm |p^ . welches in den assj'rischen Omina-
texten für sarru steht, durch Wegfall eines Winkelhakens aus fPoJ^ entstanden. Ueber
Vermutungen kommen wir bei allen derartigen Fragen freilich nicht hinaus ; immer-
hin können erstere gelegentlich nützlich werden.
13
494 F. X. Kuglet;
Wir haben diese Störung darin gesucht, dass alle Vier e r zahlen der
natürlichen Zahlenreihe ausfallen. Das ist aber keineswegs eine willkür-
liche Wahl; im Gegenteil erweist sich — wovon man sich leicht durch
wiederholte Experimente überzeugen kann — jedes andere Mittel als völlig
unzureichend, weil höchst gekünstelt und im Widerspruch mit der baby-
lonischen Zahlensymbolik. Andererseits hat gerade die Rücksicht auf letz-
tere die von mir getroffene Wahl bestimmt. Die nächste ^'eranlassung
bot die 4 als Prinzip aller körperlicher Gestaltung im pythagoreischen
System. Nun ist die wichtigste Gestaltung, die des Menschenleibes,
das Werk der Istär. Sie ist die .Töpferin", die den ersten Menschen ge-
foiTut, das Kind im Mutterschoss bildet, Kraft und Gesundheit verleiht.
Wandelt sie also ihren Segen in Fluch, so versagt sie ihre gestaltende
Kraft: die Zeugung wird vereitelt, die Körperkräfte schwinden; es tritt
Zerfall, Tod ein. Das wäre nun ganz hübsch, wenn sich die in An.spruch
genommene Bedeutung der 4 auch im Babylonischen nachweisen Hesse;
dies ist aber bislang nicht möglich gewesen. Es ist daher ratsam, auf 4
als Körperzahl keine weiteren Schlüsse zu bauen und lieber die Baby-
lonier selbst zu ßate zu ziehen. Die 4 drückt als Zahl der natürlichen
Himmelsrichtungen und damit zugleich der Himmelsgegenden die allseitige
Ausdehnung der Erdoberfläche und folglich auch die Gesamtheit aller Länder
aus. Die Herrschaft über die 4 kibräti .Weltteüe'. die 4 kippäti .Enden'
bezeichnet daher die Universalherrschaft '). Zur Zeit Sargons und seines
Nachfolgers Naräm-Sin umfasste dieselben die 4 Grossstaaten Akkad. Eiam.
Subartu uudAmurru. eine politische Gruppierung, die sich auch in der astro-
logischen Literatur aufs Deutlichste wiederspiegelt. So besonders in der
Einteilung der Mondscheibe in Quadranten, von welchen ein jeder eines
der genannten Länder repräsentierte -). Eine Verfinsterung der linken
Seite betraf Elam usw.. während eine Verfinsterung aller 4 Quadranten
eine Finsternis der Länder (atal matäti) d. h. aller Länder war. Die
4 kommt auch bei der DarsteUnng eines allseitigen göttlichen Schutzes
zur Verwendung. So in der 3. Tafel des Werkes ,Die böseti Geister'
(CT XYl pl. 4, 143 ff.): ,Samas vor mir. Sin hinter mir, Nergal zu meiner
Rechten, Ninib zu meiner Linken " '). EndKch geht von der Gottheit und
insbesondere von Istär ein vier facher Segen in Gestalt von vier guten
Genien aus, die dem Menschen beigesellt werden und sein Heil bedingen.
Besonders bemerkenswert ist es, dass zwei dieser Genien geradezu Per-
sonifikationen des menschlichen Glückes sind*). Das Fehlen oder
1) Vgl. Hehn. Sielx-iizuhl und Sabbat 13 ff. und 76 f.
2) Ausführlich hierüber handelt m. Sternhunde II, 1, 60: dazu Taf. I.
3) Näheres in m. Im Bannkreis Babels, 68 ff.
4) Zimmern, KAI ^ iö6, 1 (Erklärung zu King, Bab. Magic and Sorcerij, Text
Nr. 8, 12—13).
14
Der Ursprim;/ lidhi/l. Zdlilciisi/iiilinlc in i)i/thatforeisrJier Beknchlinif). 495
Entweichen derselben weist somit auf göttliche U n g n a d e und Ije-
wirkt ü n g 1 ü c k.
Wenn aber die 4 die Zahl iler göttlichen Segnungen ist, so werden
auch diejenigen Multipla von 4, die keinen , bösen" Faktor (71) enthalten,
der gleichen Natur sein. Dass dies ganz der babylonisclien Anschauung
entspräche, beweist allein schon die Tatsache, dass nicht nur der 7., son-
dern auch der 14., 21. und 28. Tag des Monats als „böse" galt (siehe
unten). Demnach müsste das Ausscheiden der Zahlen 4, 8, 12, 16
aus der natürlichen Zahlenreihe verhängnisvoll sein.
4. Das Endglied 19 der gestörten Reihe. Ist unsere Auffassung we-
nigstens im wesentlichen richtig, so nmss — wie 15. das Endglied der
normalen Reihe Gnade und Heil — das Endglied der gestörten Reihe im-
plicite oder explicito Ungnade. Unheil bedeuten. Dem ist nun wirklich so.
In der bekannten Hemerologie (IV R 22 f. und 33*) werden nicht nur
die Siebentage (7.. 14., 21.. 28.). sondern auch der 19. Tag als amii Umnu
, böser Tag' bezeichnet. Obendrein wird der 19. noch als ih-hu-u Sa Gu-la,
d. h. als „Zornestag der Göttin Gula" angesehen. Diese ist bekannt-
lich die azugaUain , grosse Aerztin', welche „die Toten lebendig macht",
d. h. die tödlichen Krankheiten heilt. Man hat versucht, den bösen Cha-
rakter des 19. Tages auf den der 7-Tage zurückzuführen, indem man die
30 Tage des vorausgehenden Monats dazu zählte und so 49=7^ erhielt.
Das scheint mir jedoch sehr gekünstelt. Denn jeder Monat ist ein für
sich abgeschlossenes Ganzes und ein anderer terminus a quo der Zählung
als der 1. Tag des gleichen Monats ist danim unstatthaft. Der Zorn der
Heilgöttin am 19. Tag kann daher nur darauf beruhen, dass 19 symbolisch
eine Störung jener segensreichen Ordnung ausdrückt, die durch 15 darge-
stellt wird. Die Beweiskraft unserer Darlegung wird durch die Einführung
einer neuen Gottheit (Gula) nicht beeinträchtigt. Denn es kommt hier
nicht auf den Namen, sondern das Wesen der vergöttlichten Naturkräfte
an. Ist Gula die spezielle Heilgöttin, so ist es Istär in den babylonischen
Zaubertexten im eminenten Sinn ; denn an sie vor allem wendet sich der
Kranke. Und beide Gottheiten verstehen nicht nur zu heilen, sondern auch
mit verheerender Krankheit zu schlagen. Dazu kommt, dass Istär (die
Ninnl z. Z. Gudeas) im Laufe der Zeit bedeutende Wandlungen durcii-
machte. indem, besonders in der späteren assjTischen Zeit, mehr und mehr
ihr kriegerischer Charakter in den Vordergrund trat.
Dass die obige Charakteristik des 19. Tages nicht auf einer willkür-
lichen Annahme beruht, zeigt die ganze wohldurchdachte Anlage der He-
merologie. Wie zu erwarten, kommt Istär — sie wird hier Xin e-an-na
genannt — der 15. Tag zu.
Man könnte nun aber den naheliegenden Einwand erheben, dass die
Babylonier — die Richtigkeit unserer Auffassung vorausgesetzt — den
Gegensatz von Heil und Unheil doch naturgemässer durch: 15 ?=' 19
15
496 F. X. KugJcr. Urspriou/ Ixihi/l. Zahleiisipiihole.
statt durch 15 ?=» 150 ausgedrückt hätten. Das ist jedoch nicht zu-
treffend. 15 hat die Bedeutung ,Heil' als övrafiig einer höheren Zahl.
19 dagegen ist in unserem Falle keine dt'i'a/<«g; sie ist vielmehr die nächste
Wirkung einer Störung, die sich im Zorn der sonst heilspendendeu Gott-
heit offenbai-t. Die Yolhvirkung der Störung kommt erst in 150 zum Aus-
druck. An sich hätte es nahegelegen. 120 in Gegensatz zur 150 zu setzen;
dadurch wäre aber ihr zahlensjniibolischer Zusammenhang völlig ver-
schleiert worden. Ausserdem bedurfte man — wie schon oben bemerkt
— das Ideogramm TT für andere Zwecke.
Damit beschliesse ich meinen Versuch, die merkwürdigen Zahlensymbole
für -Rechts, Glück" und „Links, Unglück" zu erklären. Trotz mehrerer gün-
stiger Anzeichen und der anscheinenden Aussichtslosigkeit jeder andern
Lösung sehe ich selbst dai'in nichts weiter als eine wohlbegründete Hypo-
these. Bestätigt sie sich, so ist der babylonische ürspnmg der pytha-
goreischen Zahlenspekulation und damit ein bedeutsamer Zusammenhang
griechischer und babylonisclier „Weisheit" völlig sicher gestellt. Ihn als
sehr wahrscheinlich dargetau zu iiaben. darf die voi-liegende Arbeit wohl
beanspruchen und selbst dann, wenn sie zuweüen in die Irre geht. An
den von den griechischen Schriftstellern uns überlieferten Beziehungen des
Pythagoras zu Babylon M mag ja die Sage einen guten Anteilhaben: aber
ohne festen historischen Kern sind sie gewiss nicht. In zahlreichen Fäl-
len haben die antiken Berichte über babylonische Verhältnisse — aller
Skepsis zum Trotz — durch die Keilschriftforschung eine glänzende Be-
stätigung erfahren. Und die Zeugnisse mehren sich noch immer'-). Diese
Tatsachen sollten endlich auch den übereinstimmenden Angaben der Alten
über die Abhängigkeit des Altmeisters der Mathematik von der Schul-
weisheit der babylonischen Priester ein grösseres Gewicht verleihen.
Valkenburg i. Holland.
1) Die Literatur hierüber bei Zeller, 1. c. p. 300, 4.
2) So erweisen sich auch die Angaben Diodors von Sizilien über die Astronomie
und Astrologie der Chaldäer als völlig zutreffend. Vgl. meinen Artikel Some new
liljhis on Sdbyloninn Astronom^/ in Zeitsch. f. Assi/r. XXV. 310 ff.
16
497
Mitteilungen und Nachrichten.
Zu den Germani corpore custodes.
Auf dem Boden des niauretaiiisnhen Caesarea, des heutigen Scherschel in der
französiscben Provinz Oran. sind zu verschiedenen Zeiten, oü'enVjar aber an derselben
Stelle, in der alten Nekropole von El-Kantara, zwei Inschriftfragmente zu Tage ge-
kommen, deren Zusammengehörigkeit alsbald nach der Auffindung des zweiten er-
kannt worden ist'). Sie ergeben zusammen folgenden Text 2):
(Yh)resius decurio cnrpor. c.
Aide uxor pos(it)it oh
meeritis (so) eins.
Der hier genannte decurio CORPOR • C • ist von Mowat') mit Beziehung auf die
bekannten Leibwächter der ersten römischen Kaiser als decurio corpor(e) c/ustodum)
gedeutet und diese Deutung auch von dem letzten Herausgeber akzeptiert worden.
Es ist ohne weiteres zuzugeben, dass diese Auflösung der Abkürzungen möglich, ja
naheliegend ist^). Aber sie hat doch andererseits auch ihre Bedenken*), so nament-
lich das, dass ein kaiserlicher Leibwächter auf afrikanischem Boden eine höchst
merkwürdige, wenn nicht unmögliche Erscheinung bildet. Diese Haustruppe der
julisch-claudischen Dvnastie ist an die Person des Herrschers gebunden und kann
daher das kaiserliche Hauptquartier nicht verlassen'). Mit besserem Rechte Hesse
sich, wenn man schon an der Mowatschen Interpretation festhält, an einen Leib-
wächter eines der letzten mauretanischen Könige, des Juba (11) oder des Ptolemäus,
denken, aus deren Zeit eine ganze Anzahl inschriftlicher Denkmäler, zumeist Freige-
lassene und Sklaven von ihnen betreffend, sich in Caesarea erhalten haben '). Dass
es an den Höfen der Klientelkönige von Kaisers Gnaden, wo die in Rom am kaiser-
1) Schmitter Bxdl. epigr. de In Gaule IV (1884) S. 65 n. 142.
2) CIL VIII 21068 (der linke, die Zeilenanfänge enthaltende Teil schon von
Wilmanns im Scherscheler Museum gesehen : CIL VIII 9459).
3) Bei Schmitter a. a. 0.
4) Ihr Urheber ist augenscheinlich durch die Lektüre von Jullians unmittelbar
vorher (in derselben Zeitschrift IH, 61 ff.) erschienener Abhandlung über die germa-
nischen Leibwächter darauf geführt worden.
5) Anstössig oder zum mindesten ungewöhnlich ist das Fehlen der Bezeichnung
des kaiserlichen Dienstes, ferner die Dienstbezeichnung decurio corpor(e) austodum),
wo doch sonst dieser Chargierte sich decurio Germanorum nennt (CIL VI 4345.
8811) und überhaupt die kaiserlichen Leibwächter in ihrer Gesamtheit auf den In-
schriften immer Germani, nie corpore custodes heissen (vgl. CIL VI 43Ü5. 20216 m.
Add. 34 128 ». 8802—8805. 8807—8809) ; doch möchte ich darauf weiter kein Gewicht
legen.
6) Ein tatsächlich vorgekommener Ausnahmefall (Tac. aiiii. I 24) rechtfertigt sich
durch die besonderen Umstände.
7) CIL Vni 9342—9351. 20 977. 21 085—21 096. 21 439.
498 Mitteilungen timl Nachrichten.
liehen Hoflager herrschenden Sitten und Einrichtungen vorbildÜL-h und tonangebend
waren, Leibwachen nach Art der corpore custodes gegeben hat, darf als sicher gelten '),
und es hindert nichts anzunehmen, dass für manche von ihnen, wie vielleicht eben
die der Maurenkönige, die germanische Leibwächtertruppe der Cäsaren geradezu als
Muster gedient hat. Nach den dürftigen Angaben, die über den Stein vorliegen,
könnte er aus so früher Zeit herrühren') und damit die Annahme, dass er einem
königlich mauretanischen Leibwächter gehöre, zutreffen.
Es ist aber trotzdem zu erwägen, ob die fraglichen Worte CORPOR • C • nicht
etwa noch eine andere Auslegung zulassen. Wenn man sich ei'innert. dass in einer
am gleichen Orte gefundenen Inschrift^) ein conlegium Caesariensium cre^cenUium)
erscheint, so könnte man versucht sein, den Decurio unseres Steines auf dieses Col-
legium zu beziehen und demgemäss zu lesen decurio corporfis) Cfaesariensitiml*). —
Mag man sich nun aber für die eine oder für die andere Möglichkeit entscheiden,
sovier erscheint sicher, dass dieser mauretanische Decurio mit den kaiserlichen
Germani corpore custodes in Rom nichts zu tun hat, der von ihm hinterlassene Stein
also aus dem Denkmälerbestande dieser Truppe auszuscheiden ist.
II.
Anders steht es mit einer unlängst in Rom gefundenen Grabschrift, deren Be-
deutung freilich, da sie arg verstümmelt, in der ersten Publikation ■'^) nicht erkannt
ist. Sie entstammt dem Gelände der Villa Abameiek an der Via Aurelia, also genau
derselben Gegend, wo zu Beginn des 17. und wiederum um die Mitte des 19. Jahr-
hunderts eine ganze Reihe von Grabeippen kaiserlicher corpore custodes zum Vor-
schein gekommen ist*). Mit ihnen stimmt auch in Material (Travertin), Form (Cip-
pus) und Schriftanordnung unser Stein aufs genaueste überein, sodass die Ergänzung
der Inschrift — der untere Teil ist weggebrochen — auf der Hand liegt:
SILVA
NERON • CLAVDI
CAESARIS • AVG
corpor. CH STOS
dee. (illius)
tmt
rix. ann
h. s. e. postiit (iUe)
dec. (iJUvs) her. eius
ex colhg. German.
1) Ich erinnere an die 400 von dem siegreichen Octavian dem Herodes von
Judaea npö? cpvXaxljV rov awftuToq geschenkten Gallier (Joseph, bell. Ind. I 397) und
die neben diesen (und thrakischen und germanischen Abteilungen) erwähnten be-
sonderen öoQvcpÖQOt desselben Fürsten (ebd. I 672 = ani. lud. XVII 198).
2) Die geringe Buchstabenhöhe (1 — IV2 cm) und ebenso die Punkte am Ende
der Zeilen, beides sonst Indizien nicht gerade sehr früher Entstehung, finden sich
auch auf sicher datierten Steinen dieser Epoche und Umgebung (CIL VIII 934.3.
9345. 9350. 9351. 2108.5. 21086), würden also keinen Hinderungsgrund für eine solche
Ansetzung bilden. Doch lässt sich natürlich ein einigermassen sicheres Urteil ohne
Kenntnis des Originales nicht fallen.
3) CIL Vin 21 106.
4) Der Stadtname in dieser Abkürzung CIL VIII 9400. 21073.
5) Vaglieri, Notigie degli scavi 1908 S. 386 n. 1.
6) CIL VI 8802-8805. 8806—8809.
Mi(teilitn()Ln und Narluklitcn. 499
Von den von früher her inschriftlich bekannten Leibwächtern dienten vier ') eben-
fiiUs dem Nero, nach dessen Tode die Truppe bekanntlich definitiv aufgelöst vi-orden
ist. Bei dem lebhaften Interesse, das die Forschung dieser in mehr als einer Hin-
sicht merkwürdigen Institution von Henzens erster grundlegender Behandlung (1856)
an bis in die neueste Zeit ') entgegengebracht hat, schien es nicht unangebracht, ein
weiteres Denkmal der Art hier zur Sprache zu bringen. M. Bang.
Neue Beiträge zur Inschriftenkunde Dakiens.
Von Gabriel Tegliis.
Zweiter Teil.*)
X J. M i h II 1 y f a 1 V a im G r o s s k o k e 1 1 e r C o m i t a t beim A 1 e x i u s F i 1 e p
pens. Comitatsbeamten aus Torda.
Retrograd V Ml
XII. B r a s s ü (Kronstadt) beim ev. Obergymnasium auf einem runden Ziegel
eingepresst. Allerdings aus Potaissa.
LEGVM
XIII. Sepsiszentgqörgy im .Szeklermu.-ieu m.
1. Aus Apulum : Geschenk des Herrn Julius v. Zaturecky
a) LEGXIIIG b) Ebenda LEGXIIIG
c) Schönes Exemplar. Ebenda Geschenk des Herrn Ober-Baurats Victor von
Gyärfäs
LEGXIIIGC
2. Bereczek Harömszeker Comitat am Ojtozer Pass.
a) COHIIIIHIS = Coh{ors) IUI Hisfpanonim equitata), welche zu Enlaka
(üdvarhelyer Comitat) stationiert war. Im J. 1.58 diente sie, nach dem Diplom von
Maroskeresztur in Daeia superior. siib Sialio Prisco legato. Aus Bereck besitzt das
Szeklermuseum noch COHHIS (Goos, Archiv für Laudeskimde Siebenbürgens 43 p. 266,
Arch. epiijr. MM. I p. 113, CIL HI 8074 17. Ephem. IV n. 207). COHBRAC und
COH ■ I ■ BRAC = Coh{ors) I Br(n(ai(gu!(tfin(>rum). Orbän Bulars Szekelyföld leirdsa
Häromszek. Goos, Arch. epigr. Mitt. I p. 33 und 113. CIL III 8074 a. h.
b) Ebenda auf einem grossen Dachziegel LEG IUI iVrf. ilfjt^. XIX. p. 38 n. 94.
Dieser Stempel steht in Beziehung zu dem Markomanenkriege, während dessen aus
Moesia inferior gegen die dakischen Gebirgspässe, wie es Tocilescu bei Drasna nörd-
lich von Ploesti bewies, Vexillationen vormarschierten. Er fand nämlich dort Ziegel
vom: LEG ITAL, LEG IV MAC, LEGXICL, LEG XI CL P F. und COH CoM. (Tocilescu.
Arch. epigr. Mitt. XIV p. 15. CIL HI n. 12530).
XIV. Baläzsfalva (Unteralbenser Comitat) in der Sammlung des
erzbischöflichen gr. -kath. Gymnasiums.
Aus Apulum.
1. LEGX"iGE 2. AVRDIONISI
AELIO LEG XIII GEM
3. LEG XIII G 4. LEG XIII G
AEL(io)
1) CIL VI 8802. 8803. 8806. 8808.
2) Ich erwähne Paribenis fördernden Aufsatz in den Rom. Mitt. 20 S. 321 ff.
*) Siehe ersten Teil Band X Heft 4 1910, S. 495—505.
500 Miüeilmuien und Nachridden.
5. LEGXIIIGEM 6. LEG XIII
LVCRET AgVILA FLAVITA
7. LE XIII GEM
AVR GODES
8. Der bekannte Stempel in verwischtem Zustande {CIL III 8065. •2-2 = 1629. 17 cf.)
3GIIIXGEL
NEM
ED
9. Unbeschädigt Retrograd
G 1 1 1 X G E L lefl. XIII Ge(mina)
NEMRVA Amielius) Meii-
6 R E D N A (Inder. Vgl. unten XXIII b 1.
10. LEGXIIIGE
IVLMARCIANV
S
Aus Apulum. Torma Arch. epigr. Mitt. VI p. 112 n. 6, und Tegläs XXIII p. 55
n. 11 Micia Tegläs IX p. 224 n. 15, Erd. Muzeum V 1888 p. 245. CIL III p. 1431
n. 8065. 30 a, b, e.
11. Fingerstriche auf dem Dachziegel u. 8. auf welchem auch vier Quadrate
grundrissartig sichtbar sind
M I
Der im CIL III 7685 nach Torma Arch. epigr. Mitt. III, p. 100 n. 34 aus Szind,
bei Torda publizierte Mithrasaltar jetzt in Baläzsfalva.
XV. Nagyvärad im Biharer Museum.
1. Potaissa. Als Geschenk im Biharer Museum: Fragment einer schönen
Marmorplatte
.... ITVS HI
FN Tegläs Erd. 3Im. XIX 1902 n. 38.
2. Wahrscheinlich Apulum.
1. Ziegelstempel P S I N I = Pivdite») Siii(gulares). Erd. Miiz. p. 26 n. 34. Den-
selben Stempel fand Dr. Cerni in Apulum. Alsöfejermegyei tört rcgeseeti termeszettu
doimmdnyi Tärsulat III JS^vköm/ve p. 39 und IV p. 22. = Jahrbuch des arch. Vereins
III u. IV. Jung, Arch. epigr. Mitt. XIV p. 99 CIL III n. 12631 a— h.
2. DVAPC 3. VINI Fragment: Vielleicht [(FJ(?K»(a)]...OTm
4. Mit schönen Buchstaben gepresst : D N R H Erd. Muz. p. 26 n. 38.
5. Dasselbe in einfacherer Form ausgeführt :
Vielleicht retrograd und N(umerus) B{aetorum) N(umeriis)
3 NRN. Qi^ggsatorum?) Erd. Muz. p. 26 n. 39.
6. Fragment: PA Erd. Mus. p. 27 n. 4.
7. Vorderer Teil abgebrochen: AI Erd. Muz. XIX 1902, Sond.-Abdr. p. 27 n. 41.
8. LS CIL III 1629.26 8075c aus dem Bruckental Museum. Im Devaer Mu-
seum aus Micia.
9. Schönes Exemplar :
LEG XIIIGEM
AVR GODES
10. Dasselbe fragmentiert in anderer Ausführung und mit schönerer Einrahmung.
Die Zeilen auch durch Rahmen getrennt.
XIIIGEM
«^ODES
Mitfeil tnujcn und Nncli richten. 501
11. rOXIIIG 12. LEXIIIG
13. LGXIII 14. Fragment mit runder Einralimmi»: XIIIG
15. Nach einer anderen Variante: LEG
Ifi. LEGXIIIGEM
17. LEGXIIIG
AXNEISAT
RNINI
18. LEGXIIIGEM
AVREL ACAiys Erd. Mu^. XIX 1902, Sond.-Abdr. p. 28 n. 52.
Stempelvarianten der legio V Macedonica retrograd aus Potaissa.
a) M V J d) V M V
b) W A L e) Z A W
c) V M L Vom a— e Erd. Muz. XIX n. 74—78.
XVI. In der Sammlung des p e n s. S e h u 1 i n .« p e k t o r s S t e f a n T e g 1 ä s
Tor da.
1. T 0 r d a = Potaissa.
A. I n s c h r i f t e n.
Stefan Tegläs Schulinspektor a. D. in Torda. der im letzten Dezennium aus Po-
taissa eine hübsche Sammlung zusammenstellte, fand im J. 1909 nordöstlich vom
Castrum am „Szindi völgytetö" (= Szinder-Hügel) genannten Weinberge ein Stadt-
viertel mit gepflasterten Gassen, Wasserleitungsresten etc.
a) In der Nähe von diesen Häusern traf er ein grobes Grabmonument aus Kalk-
mergel 1.35 h.. 0.95 br. und 0.68 dick. Auf einer Seite sieht man zwischen Wein-
rebeguirlanden eine Amphora, auf der anderen eine stehende Frau, und im 1.04 h.,
0.7 br. Schriftfelde mit primitiven Buchstaben ist zu lesen :
D ^ M
V.1.ER(I)A MAAAX,M(I)L
LA YiX ■ AN XXiX M • VI
V^ALMAXiMVSVeT
L PATER(E)TVALeR(I)A
MARCeLL{I)NA MATER
EIL PIENTISSiM/E ET
P^L ■ TERT(I) VS VET EX DeC
COXIVCiüPTIMAE
etpientissimae
etterf:nt(I)YS tvaler{I)a
MAXiMIANVS EIL
MATRi CARISSIMAe
FEC
Ein -svirkliches Familienmonument. D{is) 31( anibiia) | Valer(i)a Mamaxim(i)Uu
rix(it) an(ms) XXIX m(ensis) VI | Val(erms) Maximus vet(eramis) | l(egioms) [ V]
pater (e)t Vakria | Marcell(i)na mater | fil(iae) pientissinme \ et \ P. Ael(ius) Tert(i)us
vet(eranus) ex dee(urio) | conixigi optimae \ et pientissimae | et Terent(i)us T(ertius) Va-
ler(i)a(nus) | Maximianus film) matri carii^simae fec(erunt). Die Weinrebe, die heute
so beliebt ist. scheint auch damals mit grosser Freude kultiviert zu sein.
b) Beim Bau des neuen Comitatshauses sind verschiedene römische Denare, Ziegel
und zwar auch Inschriftenfragmente, zu Tage gekommen. Leider war nur ein ein-
ziges lesbar mit O.Ol m hohen Buchstaben aus Grobkalk :
502 Mitteilungen und Nac/irirhten.
AVRE(Uus)
CRESicens)
c) Ära aus Kalkmergel neben dem Castrura h. 0.92 br. 0.24. Stliriftfeld 0.14 br.
Die Buchstaben sind stark verwischt und nur sporadisch lesbar
A / / /
N///
/ / / /
EX VOT ex voi{o)
P SILVA/ p(osuit) Silvan-
NO LIBER no Uber(o) (patri)
d) Auf einem anderen Bruchstück : I ' O ' M I(ovi) Oiptimo) Mlaximo)
e) Auf einem anderen: [1. n. m. h](imim(mii?) A MM
[et diis deohusque] omn(ibus ?) O M N
f ) Auf einem Randstücke : IT yEL
g) Au dem unteren Rande : Vi P L Sämtliche Stücke sind von Stefan Tegläs,
Archaeol trtesitö 1904. V. Heft S. 910—912 publiziert.
Marraorfragment.
B. Ziegelstempel.
a) Aus dem Castrum ')
VEX ■ D • P
Vex{illatio) D{aeoruvi) P(arthica). Wie ich im Hermes XLIV Bd. p. 153 unlängst
erklärte, musste die Vexillation unter den Torbereitungsübuugen und der Ausrüstung
in Potaissa auch Bauunternehmungen beiwohnen. Nach CIL III 1193 war Corin-
thianus Befehlshaber dieses gegen die Parther detachierten Truppenkorps ; nach dem
Abmärsche von Potaissa vereinigte es sich mit der niedermoesischen Vexillation,
vgl. Dessau I 2723 praef. i-e.villafia)i(is) eq(uitatae) Moesiae iiifer(ioris) et Daciae euiiti
(sie) in expeditione Paiihic{a). Corinthianus kehrte im J. 191 mit grosser Auszeich-
nung (Corona miiralis hista pur» et rex[H]lum argent(o) insigite) laut seinem Grab-
denkmal in Micia [CIL III 1193) zurück und starb als 39jähriger Mann und 2"de(7ec-
tus) der ebendort stationierenden nlue ( Hispanorum) Campagoinim (miliariae) auch
in Micia. Den vollen Titel dieser Ala liest man im CIL III 1342 aus Micia. Die
Ala stand laut Dipl. LXVI und LXVI in den Jahren 1-57 und 158 in Daeia sup..
laut CIL III 1343 unter Severus et Antoninus et Geta immer in Micia.
b) Vom neuen Comitatshause L ' V ' M
c) Aus dem Castrum LVMP l{egio) V M(acedonica) p(ia) CIL III 8066 h. eine
halbe Stunde von Torda. und in der ref. Kirche: Torma Anh. epigr. Mitt. III p. 113
n. 10.
d) LVMP FI l(egioJ V M(acedonica) p(ia) n{deUs) C7Z III 8066 h. iu der Nach-
bargemeinde Koppand amFussboden der ref. Kirche: Torma ^4)c7i. epigr. Mitt. III p.
113 n. 10.
2 Mikes, Torda-aranyoscher Comitat nordwestlich von Torda.
Auf der Wasserscheide zwischen der Aranyos und Kleinsramos an einem Kloster
:= Monastire) genannten Ruine, wo ein Wachturm existierte, fand Stefan Tegläs
mit vielen Quadern Scherben und Dachziegeln auch gestempelte Ziegeln mit LVM.
Wegen der vielen Ziegeln heisst das Volk diesen Fundort auch Ziegelei (La Caramid).
3. Puszta Csän (Torda aranyoscher Comitat) in der griech.-kath. Kirche im
Fussboden eingelassen fand Stefan Tegläs die folgenden Stempel :
1) G. Tegläs, ÜJabb adalekok Dada felirattandhoz. Erdelys Museum 1902 n. 34—52.
6
Mitteilungen und Nachrir/ifeti. 503
a) L V M k E l(e(jio) V M{acedmica) le{gio) ?
h) Noch eigentümlicher und retrograd: -IHMV J L{egii)) V M(ace(lonictt) p(ia) f\i(idix)
c) Die normale Form : I^ V M
Die Stempel können aus Potaissa herkommen.
4. Szekely kocsärd bei Salinao. An d(M bekannten Bahnstation, wo die römische
Strasse nebst der Bahn gegen Napoed (Kolozsvar) und nach Marosväsärkely ab-
zweigt, soll ein Wachturm liegen.
a) Aus diesen Ruinen sammelte Stefan Tegläs mehrere Ziegel mit; LVM
b) Fragment : L E
5. S 0 o s s z e n t ui a r t o n Tordaaranyoser Comitat.
Bei der Aranyosmündung, wo die Römerstrasse über die Aranyos hinüber-
führt, vom Brückenkopfe oder einem Wachturm : W V L. L(egio) V M(acedonica).
Stefan Tegläs, Archaeologiai Aiesitö 1898 p. 432.
XVII. Im Hausmuseum des Grafen Dominik 'l'eleky in lieruyeszeg
bei Marosvusärkely (Marostordaer Comitat.)
Graf Teleky Dominik stellte in seinem Castell in den letzten Jahren ein hüb-
sches Museum zusammen, wo ich im J. 1907 mehrere neue Inschriften und Skulp-
turen als Resultate seiner Ausgrabungen und Forschungsreisen vorfand. Sein Haupt-
arbeitsfeld bildet eben Maroskeresztur südlich von Marosvärhely.
1. Maroskeresztur (Marostordaer Comitat.)
A. I ns chrif t e n.
Ära aus grauem Trachyt, eingemauert.
MART 'E V Marti et V(wtoriae)
O CAECI Q(iii>itns) Caeci
VS CAE ug Cae-
LIANVS Uanus
P R A E F A praef{ectus) a(Ue]
POS VIT posHit
Diese Ala kann entweder die al[a) Bos(poranorum) sein, deren Ziegel CII^ III
8074= schon a) Torma Arch. epigr. Mitt. VI p. 141 n. 15. b) Tegläs XI p. 239 n. 20
Eid. Muz. 1888 p. 242 n. 8 bekannt sind, oder die ala Batarorum. die. wie sich im
folgenden zeigt, auch in diesem durch das Dipl. LXVII a 158 berühmten Castell
gestanden hat.
B. Z i e g e 1 s t e m p e 1.
1. Neu mit schönen grossen Buchstaben
]\ /
ALEBoSPo /\0 Ale (sie!) Bospo(ranorum) miliaria
/ \
Die Ala konstatierte ich zum ersten Male in Szekelyföldvär (Salinae) in dem
Hausmuseum des Grafen Stephan Zichy. Arch. epigr. Mitt. XI p. 213 n. 17. Erd.
Mus. V 188 p. 246.
2. Untere Hälfte verwischt A T F R o S P o Ale (sie !) Bospo{r(inorum) CIL III
80743 a (Torma Arch. epigr. Mitt. VI p. 141 n. 15) G. Tegläs, Archaeol. epigr. Mitt. XI
p. 239 n. 20, Erd. Mus. 1888 V p. 242).
3. Fragment mit klei
Bospo{ranorum) milia ria.
4. An einem Dachziegelfragment : P O
o /
/ \
(«)/«
[ale Bos]po(ranorum) (miliaria).
504 Mittcihtmicn loid Nachrichten.
5. Hier zum erstenmal. Auf einem Dachziegel reliefartig gepresst: A LI B = tiha)
I. B{atavoruin).
6. Von hier schon bekannt nach Torma {Ärch. epigr. Mitt. VI p. 141 n. 15) und
meinem Berichte {Arch. M. IX p. 239 n. 20). Der jetzige Fund ist aber ganz anders
ausgeführt.
[0 AL B O S Li! <il(n) ]ios{poraiionim) miUai-ia
7. Neu. An einem mit Fingerzeichen gezierten Dachziegel reliefartig:
( )OIATA
8. Auch neu in zwei gleichen Exemplaren : A P A E = -4 (lae) P(annoniae) v(e-
a'illatio))iuin E{Jectorum). Laut CIL III 1464 aus Sarmizegetusa war Ulpius im Anfang
des III. Jahrhunderts praepositus re.rin(at)o>iibus) auxiliariorum Patm(oniae) infe-
(rioris).
9. Mit Reliefdruck, zweiter Teil abgebrochen: COS\ co(lMr)s ? S(a(iittcirinr»m?)
(müiaria ?)
Dass eine coh. I. Sag. unter Gordian in Drobetae stand, geht aus der Weihinschrift
CIL ni 6279 hervor, die sie dem Mars Gradiriiit dort errichtet hat. Siehe Ziegel
CIL III Suppl. 8074. 23 und den imaginifer der Cohorte CIL Hl 1583 = Suppl. 8018
ebendort.
2. P o t a i s s a (T o r d a).
a) Auf einem Dachziegel: LEGvD
b) Auf einem Dachziegel mit schlechtem Druck und primitiv gepresst:
LEGvQ
Die beiden Stempel lassen sich vielleicht auch leg(io) V D{acica) lesen. Hermes
LXIV p. 1.52. Nach Ausweis des Altars aus KudikOi CIL III 14433: NEPT • AVG .
SAG ; VEXIL ■ LEG . I • ITAL 1 M ET V ■ M • D ■ TROP A(e)L behauptet Tocileseu ') ganz
richtig, dass die Legio quiuta kurz nach ihrer Versetzung nach Dakien im Jahre
167/8') sich doppelt: V M{acedomca) D(ae(ca) titulierte.
3. Mezö Szäbed (Marostordaer Comitat) im sogenannten Mezöseg (Die Flur).
Fragment eines Türsturzes aus Kalkmergel mit grossen Buchstaben:
HERMEROS ' LAI
4. Särd bei Apulum. L'nteralbenser Oomitat.
a) Fragment aus Kalkmergel, oben Kranzteil und Reste eines Brustbildes
[diisl] M (anibus)
SELI V (ixit) A(nins ? .. .)
A(/myi)NDER pro [f(«rafoi-) Aug.\
I
b) Marmorfragment mit schönen Buchstaben
iBi
[V]iCTO»-(««e
N ■ IUI {a,))n{is) IUI
E ■ FIL ■ PI fi(Uae) pi{entissimae)
P ATFR = pater
5. Sarmizegetusa (Värhely Hunyader Comitat.)
Grosse Platte aus Bukovaer Marmor h. 0.05 m, br. 1.8 m, dick 0.18 ni. Schrift-
fliiche h. 0.4, 1. 1.06 m. Die Buchstaben in den zwei ersten Zeilen 0.055 m vom drit-
ten angefangen 0.045 m. Die rechte abgebrochene Ecke Hess Graf D. Telekj' mit
Cement ausfüllen.
1) Stefan Tegläs, Archaeol. EHesitö 1904 V p. 412.
2) Tocileseu, Fouilles et recherclies archeologiques en lioumanie 1900 p. 202.
Mitfcihou/cu und Nuchrkhtm. 505
PRO SAi^VTEIMP • M • AVR
lll/lll/ll PH AVG-
M ■ POMPON SEVERVS • DEC • COL • QVEST • FAT • COLL • FABJi
ET M ■ VRBIVS VALERIANVS PATR • COLL • EIVSD
AEDEM PECVNIA SVA FECERVNT
Pro sahite iinp{eratnris) M{arci) Aur{elii) \ Antonini Pii Aiig{iisl{) | M. I'ompon(ius)
üererus deciiirio) col(oniae) qu{a)est(or) pat(roiius) coll(egii) fabr{tim) | et M. ürbius Va-
lerianus patr{07iu!i) coU(eyii) eiusd(em) \ uedem pecunia mia fecerunt.
Diese Aedes stand vielleicht in der Nähe jenes Nemesistempels, welchen wir
im Jahre 1890 und 1892 in Varhely am östlichen Tor des Amphitheaters ausgegraben
haben {CIL TU n. 13775—13791). Der Bau ist nach dem Text (laut Analogien CIL
ITI 8243, 1070) im Jahre 216 oder {CIL 111 7Ö20. 10306) im J. 217 entstanden.
X V 1 1 1. S z a m 0 s u j v ä r (S ?, o 1 n o k - d o b o k a c r (' o m i t a t ).
Im Besitze des Staatsgymnasiums sah ich im J. 1903 ein (irabdenkmalt'ragment
aus groben Dacittnf
(inniS XLV
NIV
XIX. Magyar E g r e g y S z i 1 a g y e r C o m i t a t, b e i m p e n s i o n i e rte n P r ä-
p a r a n d e n s c h u 1 d i r e k t o r Samuel B o r b e 1 y in S z e k e 1 y k e r e s z t u r.
Fragment.
^p B T p r B c
Allerdings identisch mit CIHISP BTPriBc CIL III 8074 18 = 6283. Torma
Arch. epigr. Mitt. 111 p. 114 n. 14 C(oliors) I Hisp((tnoncm (luingenariu). Ritterling
(Jahresh. des öster. arch. Instituts 1895 Heft 1) rectifiziert das g auf niiliaria. Der
Ziegel lautet also folgenderweise: Cfohors) I His\p. milario. Am Ende C = C(ohor-
tis): aber die vier Buchstaben FPT B lassen sich nicht erklären: denn weder trih-
(itnus) c(ohortis), noch primipilus passt hier hinein.
X X. M e z ö t u r (S z o 1 n o k e r C o m i t a t) in d e r S a m ra 1 u n g d e s r c f o r-
m i e r t e n Gymnasiums aus T o r d a (P o t a i s s a.)
Obwohl der Fundort dieser Stempel im Inventar der Sammlung nicht bemerkt
war, konnte ich im J. 1904 gleich Potaissa als solchen bestimmen.
a) An einem Dachziegel: L V M
b) Dasselbe nur primitiver ausgeführt: I.VM
c) In grösserer lapidarer Form : L V RI
d) Retrograd: MVJ
XXI. Csanäd (Csanäder Comitat) CIL III p. 1418 XXXIV (XXVlIIa).
Herr Güterverwalter Ludwig Nagy de Kislegh am Budowilla puszta bei Nagy-
szentmiklos (Torontaler Comitat) sandte mir noch im J. 1902 einen grossen Bauziegel
mit diesem schönen Stempel:
LEGXIIIGEM
AVR CODES
Romer vom Kirchhof aus Csanäd Arch. Ködk. Vll 1866 p. 191 ein Fragment
I E C X • • • C E N . CIL III 6271 a' = 8064i b' und c". Desjardins aus dem Nat.
Museum in Budapest n. 273 aber SO DES: Ephem. epigr. II n. 454 was Romer
Eph. II 447 c rectifizierte, CIL Hl 8065 20 e. In Csanäd auch LEGXIIIG:
Tegläs, Arch. epigr. Mitt. XIII p. 198. Erd. Mm. 1890 p. 396. CIL 111 Suppl. 12608
f ad u. 8064i b. c.
Klio, Beiträge zur alten Geschichte XI 4 33
9
506 Mitteilungen und Naehrirlden.
XXII. Berzovia = Zsidovin Krasso-szörenyer Comitat.
Das Dorf Zsidoviu steht auf dem römischen Castell und erhielt seinen eigent-
lich Zidova (=: Mauerreste) lautenden Namen von den erhaltenen römischen Sub-
struktionen. Zigismund Borlea Hess durch den ehemaligen Architekten Adrian Dia-
conovich dort für die Akademie der Wiss. in Bukarest Ausgrabungen vornehmen.
Unter den Resultaten dieser Grabung notierte ich im J. 1894 folgenden Ziegelstenipel :
1. LEGIIIIJJ
2. Kin Fragment derselben Form aber ohne Epitethon :
GIIII [le[ff{io) IUI
X LEGIIIIFF
4. Im Temesvarer Museum dieselbe Form, aber rahmenlos
LEGIIIIFF
CIL III 8070 = 1631 ef. p. 1019 et Eph. II n. 463. b. Hoffinger, Neiicf ung. Ma-
gazin 2 (1792) p. 104. 107. e. Torma vielleicht eben von diesem Exemplar ArchaeoL
epigr. Mitt. VI p. 138 n. 1. Tegläs G. A Tuh. Peiding. Lederata- ti biscinni iitora-
naln. (Die Linie Lederata- Tibisum der Tab. Peuting.) Arcli. Mitt. Arch. Kbzlk XX
1899, Sonderabdruck p. 21—22 a— d und Erd. Miiz. XIX 1902, Sonderabdruck 43—44
n. 100 a-d.
XXII I. Aus den Notizbüchern Dr. Florian Romers.
a. A p u 1 u m im Nr. XXV betitelten Notizbuch im Archiv der C. C. für Bau-
und Denkmäler in Ungarn.
1. Das Original sah er bei Prof. Carl P. Szathmäry in Nag3euyed:
LEGXIIIGEM
AVR CODES Erd. Muz. p. 32 n. 68.
2. L SIN Es kann nur P{edites) Sin{gidares) bedeuten, laut Jung. Arch. epigr.
Mitt. XIV p. 99 und Adalb. Cserni, Jahrb. des arch. Vereins III p. 39 in IV p. 22 CIL
m 12 633 ad = 8075 ss c.
b. Ompolyicza, westlich von Apulum in dem Ompoly {Ampelum)-Tal gegen
Zalatna.
1. Retrograd GXIIIGEL Jeg(io) XIII G(emi)ia)
NEMRVA Aiir{eUtt.<) Meii-
RED NA ander Erd. Muz. p. 33 u. 70. Vgl. oben XIV, 9.
2. LEGXIIIGEM
AVR ENTHIM
A Erd. Muz. p. 33 n. 71.
3. LE IIIGE
AVR CALLISTR Erd. Muz. p. 33 n. 72.
XXIV. S z e r b P o s e s e n a (K r a s s o s z ö r e n y e r Comitat. Moldauer Be-
zirk) CIL III 6275, 8006—8008.
1. Aus Chloritschiefer sehr roh gearbeitetes Grabdenkmal, h. 0.9, br. 0.95. d. 03.
Die eingekratzten Buchstaben sind unregelmässig und in verschiedener (0.05—0.07 m)
Grösse gesehrieben :
D M
GLAVICIDA
AA/ XXX \A
VELL A
VIA CON
A/ BE MER
10
MitteilntH/ot inuJ Nachrichten. 507
B(is) M(amhus) \ Glaiicida \ (rixit) «»»(is) XXX Va(leri(t) \ Vella'via coniu{gi) be{ne)
mer(enti).
2. Fragment einer Mithrastafel ans Bukovaer Marmor sah ich im .T. 1903 bei dem
dortigen gr.-orientalischen serhisohen Dortl'ahrer. Teghis Arch. Et. 1904.
X X ^^ F e h e r t e m p 1 o ni b e i ni ji e n s. Bürgermeister L e n a r t B ö h ni.
Der pens. Bürgermeister Lenart Bölmi in Feh('rtemidom (Ungarisch- Wei.sskirchen)
sammelt seit Jahrzehnten und besitzt eine hübsche Kollektion, in welcher durch
jMUnzen, Ziegelsterapel und prähistorische Gegenstande die Kultur der Gegend ziem-
lieh gut repräsentiert wird. Zuletzt sah ich im .1. 1903 diese Sammlung, und machte
folgende Notizen:
1. O. Palänka (Temeser Comitat) gegenüber von Räma (Lederatii).
Aus den Donauuferruinen an einem Dachziegel in schönem Druck:
COH • I ■ CRT: Coh(ürs) I Cret(um)
Die Lesung ist durch das neue Diplom von Obermoesien (Jahresh. d. öster. archäol.
Itist. I 170), nach dem sie 93 n. Chr. in dieser Provinz gestanden hat, gesichert. Da-
durch sind auch die verwischten Ziegel (co)HICRK CIL III 1703», die Aschbach
{Mitt. der Zentr. Komm. III 1858 p. 215 n. 20), dann Ackner-Müller Die rdin. In-
schriften aus Dacien n. 13), zuletzt Tocilescu {Arch. epigr. Mitt. XIX 219) aus Traians
steinerner Brücke zwischen Turnu Severin und Kladova publizierten, erklärbar. Die
Ziegel wurden bisher coh. I cinmn Bomanorum equitata gelesen und auf Germania sup.
(116 D. XL 134 D. L) bezogen. Cichorius hat die Frage in seinem Artikel Cohors
Paulv-Wissowa IV p. 276 glücklich gelöst, und die richtige Beziehung der Inschrift
aus Apulum CII^ III 1163 erkannt, wo im Cursus bonorum eines trib. leg. XIII
P R[rte/' coh] I ■ C R E T V (m) vorkommt. Diese Cohors konnte auch auf der Donau-
seite gegenüber von Lederata wie bei der Drobetaer Brücke tätig gewesen sein.
2. Räma (Lederata) am rechten Donauufer schon Moesia superior.
a) Auf einem Dachziegel sehr schön ausgeführt:
LEGVIICPF = leg{io) VII ü(lai(dia) p{ia) {{idelis)
Die beiden dalmatinischen Legionen VII und XI erhielten im J. 42 (Dio LV 28, 4;
LX 15, 4) vom Kaiser Claudius den Ehrenbeinamen Claudia pia fidelis, weil sie bei
Erbebung des Statthalters M. Purins Camillus Scribonianus, zwar anfangs für diesen
gewesen, schliesslich aber zu ihren Fahnen zurückkehrend, ihre Verführer getötet
hatten. Als die Leg. V Maced. nach Syrien marschierte, trat, wie Filow') dartut,
im J. 62 die leg. VII Ol. an ihre Stelle in Moesien ein. Da von 55 moesischen
Inschriften 40 die Bezeichnung leg. VII Claud. und nur 15 leg. VII Claud. p. f. auf-
weisen, so ergibt sich daraus, dass die Bezeichnung leg. VII Claudia p. f. die ältere
ist. Unser Ziegelstempel in Opalänka gehört also der älteren Epoche an.
Aus den späteren Zeiten stammen die folgenden Stempel, die nach Typ und Ein-
rahmung sämtlich verschieden sind.
b) Fragment an einem Dachziegel oVIICL = [le]g(io) VII Cl(audia)
c)LEGVII d)LEGVIIC= lcg(io) VII C{laudia)
e) Einfacher ECVIIC = [l]eg(io) VII Cijaudia)
f) In lapidarer Form lEGVuLl
g) /ILEG VIICI. = /. ?e(7. VII Cl{nudia)
h) LEGIVIICLc = legi(o) VII Cl(audia) C(mistans?), wie es bei der leg. V:
Mac. p(ia) C(onstans) laut CIL III 8781, 4811. 7699, 7764 und der leg. III Fl(avia)
p(ia) C(onstaits) laut CIL III 1U664"? auch vorkommt.
1) Bogdan Filow, Die Legionen der Proi-inz Moesia, Klio, 6. Beüieft S. 81 u. 89
88*
11
508 3Iitfe/hiiic/en und Naciniciden.
XXVI. 0 r s 0 V a im Besitze des B ü r g e r s e h ii 1 e , <1 ii r o li Herrn Direk-
tor Alexander M i h a 1 i k gesammelt.
Orsova (Dierna).
A. Inschriften.
Grabdenkmal aus grobem Kalkkonglomerat mit grossen Quarzkörnchen h. 0.84 m.
hv. 0.44 m, dick 0.11 m. Nur die rechte Seite unbeschädigt. Die Buchstaben O.OG m
hoch. Im J. 1906 in der Baziaser Hauptgasse beim Graben eines Brunnens zu Tage
gekommen :
vIXIT
NNXVETIV
I.E PROV
NC VIX/VXX
ROVIN
rixit I [ä]n>i(is) XV et Iii [l]iae Prov [i\nc[iae) vix(it) an(iiis) XX | [P]ran'>i [da miitei-y]
B. Z i e g e I s t e m p e 1.
1. Orsova.
a) Auf 1.J Bauziegeln (0.2.3 X 0.23 m), scheinen mir aber verdächtig zu sein:
XIII
2. Tekia gegenüber von Ürsova auf dem serbischen Ufer:
a) Als Geschenk des Herrn Paul Novakovic pens. k. u. k. Obrist auf einem
0.29 X 013..5 X 0.07 m Bauziegel in 0.105 X 0.02.5 m Druck:
DARDIANA
D{e) A{rpii>i) r{epnhlica) Diana; nach Tocilescus Bestimmung aus Pravo = Acjuis
Anh. epigr. Mut. XIX p. 220 n. 83 u. 84, CIL III p. 2316^° w. 14215" in diesen
Varianten: a) A • R ■ P • AQVIS. b) D ■ R • P • AQVIS und 14215 >2: wie hier D • A •
R • DIANA. Aquae lag an der Strasse Vimriiacium-Eotiaria laut Tab. Peut. als
Station und war auch Heilquelle.
b) Auf einem Dachziegel fand ich selbst
DRP DIERNA
D{e) r{e)p(uhlica) Dierna CIL III 8277 2 a. im Belgrader Museum. Aus Negotin CIL
IH 8277 2 b und westlich von Tekia oberhalb der Kazanenge bei Mala Golubinje
CIL HI 8277» a.
c) Am linken Donauufer Veteranihöhle, zwischen den Gemeinden OGradina und
Dubova, im Kazanpass von Herrn Landesmuseumsinspektor Josef Mihalik gefunden.
Muzeumi es l-öiigoiäri Ertesitu II 1908 p. 18 Fig. 40.
XXVII. In meinem Privatbesitze.
Tekia. Nach meiner Beobachtung lag Dierna an beiden Ufern der Donau. Als
ich im August des Jahres 1895 die Substruktionen beim serbischen Grenzdorf Tekia
gegenüber von Orsova mit dem ehemaligen Bezirksarzt H. Joseph v. Homoki unter-
suchte, sammelte ich eigenhändig die folgenden Ziegelstempel, die sich jetzt in mei-
nem Besitze befinden:
1. dIERNA
2. Auf einem 0.09 m dicken Bauziegel D I E R H A
3. rflERNA
4. COH H.{ispanonim) in meinem Besitze. Eine Coli. I Hispanoruvi veterana
stand laut Dipl. XXXI im J. 99 in Moesia inf., laut D. XLVI im J. 129 in Dacia
inf., Coli. Hispanorum pia fidelis im J. 110 in Dacia {D. XXXVII) und Coh. I Fla-
via Ulpia Hispanorum miliarium civium Momanorum arbeitete im J. 110 zwischen Po-
12
MiUeiliinfjen mid Nnrhrichten. 509
taissa und Napoca an der Militärstrasse CIL III 1627 und gehörte zu dem exercilus
Dacicux D. XXXVII. Auch im J. 145/6 stand sie hiut D. LXX in Dakien.
XX V II [. Deva (Hunqad er Conii t at) i m V e r e i n sm u s e u m aus Ge r nii zara.
1, Das auf der Grenze zwischen Algyogy und Csigmo liegende römisclie Castell
Gerniizara (Törökvär = Turjakvär) lieferte aus den Ausgrabungen von 19U1 meines
verewigten Freundes königl. Tafelrichters Julius v. Konez, zu dem Singularienstempel
noch eine sorgfältig eingerahmte Variante:
I -S • N
Die retrograd angeordneten Buchstaben sind zu lesen : Nfumerusj Si(ngularium).
Jetzt im Devaer Museum. Tegläs Eid. Muz. XIX 1902 Sond.-Abdr. p.'^r, n. 31.
2. Noch ein Exemplar des früher durch H. Ludwig v. Sändor de Kenos und
Lud. Burduzaz erworbenen Typus: S ' P N N(umerus) P(editum) S(ingulanum): Klio
X 4 p. 503 n. 5.
Bis heute sind also die Singulares von Germizara durch die folgenden Stempel re-
präsentiert: a) N ■ S ■ B Ackner-MüUer und Alfr. v. Domaszewski CIL III 8075 s2 a. c.
b) SB-B- Ackner-Müller CIL III 8 075 3. b. c) S • P B ■ Torma aus dem Erdelgi
Muzain Kolowias, Arch. epigr. Mitt. III p. 116 n. 24. Fragment S • P und f S • P • B
S(ingulare,<!) pfeditum) Biritannicorum ':'). — d) N • S • B =: N(uinenis) Sßtu/idarium) B(ri-
tannorum). — e) S • P • N Siinguhtrium) Pfeditum) N(umcrus). — f) N ■ S • P N(umerus)
S(ingularium) P(editum), und mit dem jetzigen: g) 1-S' fi = K(u'merus) Si(ngi(lariiim).
XXIX. Lampenstempel in verschiedenen Museen befindlich.
1. Aus Apulum in Nagyszeben im Staatsgymnasium:
OPTATI Erd. Mus. XIX p. 45 n. 1.
2. In Balazsfalva im erzbischöflichen Gymnasium :
V lAN r(alerius) lan-
V A RI uari{ns) Erd. Muz. p. 46 n. 4.
a) C ASSI Erd. M,i-. p. 45 n. 2 und b) F ORTIS Erd. Muz. p. 46 n. 3.
3. Nyiregyhäza im Comitatsmuseum als Geschenk des Herrn Comitatsarztes und
wegen seiner Völkerwanderungssammlung sehr verdienten Museumsdirektors Andreas
V. Jözsa : offenbar aus Apulum :
CRESCE
S Erd. Muz. p. 46 n. 5.
4. Szamosujvär beim Herrn Professor Dr. Johann Tömösvary wieder aus Apulum :
FÜRTIS
5. Ebenso iu Segesvär (Schäsburg) im ev. Obergymnasium aus Szekelyadnar-
hcly, wo wir 1894 das Limeskastell und das Militärbad am Viehmarkt entdeckten.
Diese Lampe stammt aus dem Bade.
6. Temesvar im südungarischen Museum unbekannten Fundortes :
CRESCE Erd. Muz. p. 48 n. 12.
7. Zalatna (Ampeluiii) beim ehemaligen Dr. Adolf v. Szontag, Montagnephysikus :
FORT IS Erd. Muz. p. 47 n. 7.
8. Nugyalmäs bei Zalatna (Hunyader Comitat) aus einer römischen Grube am Czu-
czuman-Berg beim ehemaligen Bergverwalter v. Hesky:
OCTAVI Erd. Muz. p. 47 n. 8.
9. Verespatak (Älburnus maior) am Gauriberg beim Herrn Präparandenschuldi-
rektor a. D. Samuel Borbely in Szekelykeresztur
CODES Erd. Muz. p. 48 n. 9.
13
510 Mitteilungen um! Nachrichten.
10. Aus Zsidoviu (Berzovia) im Krassoszören3'er Comitat, beim ehemaligen Ar-
chitekten Adrian Diaconovich in Bogsän im Jahre 1895 gesehen :
FORT IS Erd. Mm. p. 48 n. 10.
11. Aus Orsova {= Dierna) im Temesvarer Museum:
IE Gl DI Erd. Muz. p. 48 n. 11.
12. Aus dem Mala-Tal bei Orsova eine stempellose Lampe ebenfalls im Temes-
varer Museum; offenbar Lokal-Fabrikat.
13. Bei Bogsän (Krassoszörenyer Comitat) am Berge Cracu cu Aur (Goldberg)
aus einem römischen Stollen eine mit Strahlbiinderu verzierte Grubenlampe ohne
Stempel ; ebenfalls im Temesvarer Museum.
14. Szekelyföldvär (Torda aran3-oser Comitat) = Salinae:
Auf einem Lampenfragment in Nagyenyed im ref. Bethlenkollegium. Die Buch-
staben verwischt; nur aus der Stelle des P können wir die Ergänzung versuchen.
[o]?{tati)
XXX. Stampiglie.
Apulum im Besitze des üntergymuasiums in Szäszsebes (Mühlbach), aus Ton ge-
brannt und an jeder Ecke mit einem Loche:
Avers: C Revers: ebenso.
Budapest.
i8iyuaroaorai.
P. Oxy. I, 63 Z. 8 — 9 enthält eine nicht ganz klare Verfügung über Beamte, die
das Abwägen einer Kornladung vorzunehmen haben. Diese Beamten werden hier
als (Jf(j',«f;ToapTf«') bezeichnet. Die Yergleichung dieses T«xtes mit P. Oxy. IV. 708
(zwei Verordnungen enthaltend) gibt die Möglichkeit, uns eine gewisse Ansicht
darüber zu bilden, wer diese öfiyfinToagxni waren und worin ihre wesentlichen Funk-
tionen bestanden. Ant. Aelianus (Epistratege) schreibt dem Strategen des diospoliti-
schen Gaues : [rov] xazaySh'xO!; yofiov ix zov inö aoi roftov \ . . . . iv (nvpov) («prä-
ßaic) '5 I [iv Tf] t[0>]v öiiyfidxtuv aQGfi oh xuBagov (pavivzo? | [ix]e>.evatt tjfiiagzdßiot'
XQiSo'/.oyriüTjvru \ \xai\ ß(u?.o'/.oy>jSr/i'ai, xal i§ißij i'/.aaaov \ [;f(»]Äi/c so und so viel. Weiter
folgt die Verfügung, dass der Stratege das fehlende Quantum Weizen von den Sito-
logen nachliefern lassen solle. Der folgende Brief (von demselben Mann an densel-
ben Adressaten) enthält eine ähnliche Verfügung in ähnlicher Form. Es handelt sich
ottenbar um die Erhebung einer Probe des Weizens, welche sowohl bei der Absen-
dung, wie bei der Empfangnahme des Korntransports stattzufinden hatte. Die 6fiy-
fjunongzai waren folglich die Beamten, denen es oblag diese Probe vorzunehmen,
d. h. die Qualität des zu transportierenden Korns fe.stzustellen. Das Öely/ia bestimmte
also, genau so, wie zu unseren Zeiten die sogenannte Probe der Getreidearten (engl.
Standard) das relative Gewicht'), damit auch die Qualität des Getreides, da das rela-
tiv schwerere Getreide für besser gilt, als das relativ leichtere. Die auf diese Weise
festgestellte Probe des Getreides pflegte verschlossen zum Bestimmungsort des Trans-
ports geschickt zu werden ^).
1) P. Land III, 112—114 Sfiyuazocigz>i<;.
2) Deshalb P. O.ry. I. 63 Z. 9 ti^o? L,vyoazci[a]!cn:
3) P. Hibeh I, 39. 15 [x]ai Seiy.ua a(pQftyiaäa [B](v. xal '(«['"]'' drutyxazf- P- Loiid.
II, 256 S. 97 r'(xo/.ov9ws zote .... ineazaXfievoig xal infaifQCiyiaßbvoiq ä!y,uaai (Wikkeu,
Arch. III, 236 ßöyfiaat) vgl. P. Land n, 98, 99. P. Oxy. VII, 1024.
14
MUieiiungen und Ndchrichtc». 511
P. Hibeh T. 39 und 98 liefern den Beweis, dass ein derartiges Vorgehen in der
Getreidewirtscliaft Aegyptens bereits seit der Zeit der Ptolemäer üblich war. Doch be-
zeichnete das Wort ÖHyfttt, wie bekannt, in Athen und auf Rhodos die öft'entlichen
Stapelplätze, wo die Kaufleute ihre Ware zur Schau zu stellen pflegten '). In dem
technischen Sinne aber einer offiziellen Festlegung der Qualität und der Sorte des
Korns, wie es in den obengenannten Texten der Fall ist, wird das äflytia, unseres
Wissens, in anderen Urkunden nicht erwähnt '■'). S. P r o t a s s o w a.
St. Petersburg.
1) A. Boeckh. Die Staatshaush. d. Athener FS. 75.
2) [Zu demselben Thema vgl. jetzt auch U. Wilcken, Chresiom. Kinl. zu Nr. 432
= P. Oxy. IV 708). Die Red.].
Personalien.
A. T. 0 1 m s t e a d , Leiter der Cornell-Expedition nach Kleinasien und Verfas-
ser des auf sie gegründeten Werkes Travels an Sliidies in Ute Nearer East, ist zum
Assistent Professor der alten Geschichte an der University of Missouri (Columbia Mo.)
ernannt worden.
Pierre Jouguet ist zum ordentlichen Professor für alte Geschichte und
Papyrologie an der Universität Lille ernannt worden.
Wilhelm Weber hat sich an der Universität Heidelberg als Privat-
dozent für alte Geschichte niedergelassen.
Anton von Premerstein, seither 1. Sekretär des österreichischen archäo-
log. Instituts zu Athen, wird einem Rufe an die Deutsche L'niversität zu Prag als
Nachfolger von Julius .Jung (f 21. VI. 1910; s. Klio X S. 396) zum Frühjahr
1912 Folge leisten.
U. Wilcken in Leipzig hat einen Ruf nach Bonn als Nachfolger H. N i s -
s e n s angenommen.
M. L. Strack in 6 i e s s e n ist als Nachfolger Chr. V o 1 <! u a r d s e n s nach
Kiel berufen worden und wird dem Rufe Folge leisten.
E. Ritterling, Direktor des Landesmuseums nassauischer Altertümer zu
Wiesbaden, wurde als H. D r a g e n d o r f f s Nachfolger (s. o. S. 392) zum Direk-
tor der röm.-germ. Kommission in Frankfurt a. M. ernannt.
F. M ü n z e r in Basel wurde, nachdem W. J u d e i c h in .Jena den Ruf ab-
gelehnt hat, als Nachfolger F. R ü h 1 s nach Königsberg berufen.
Der englische Numismatiker W. Wroth vom British Museum ist -53
Jahre alt gestorben.
Ernst von Herzog, o. Prof. a. D. an der Universität Tübingen, ist am
16. November, 76 Jahre alt, in Degerloch bei Stuttgart gestorben. Ein Schüler
Albert Schweglers vertrat er seit A. von Gutschmids Tod (1887) neben seinem Haupt-
fach, der klassischen Philologie, bis 1901 auch alte Geschichte. Sein zweibändiges
Hauptwerk Geschichte und System der Bömischen Staatsverfassting (Leipzig 1884 — 188Tj
ist neben Th. Mommsens Meisterschöpfung im Böin. Staatsrecht durch die Verbin-
dung historischer und systematischer Darstellung von Bedeutung geworden. Durch
seine epigraphischen Studien und sein Interesse für die Provinzialgeschiehte [Gallin
Narbonnensis, Leipzig 1864, preisgekrönt von der Ak. des inscr. 1866) ist er früh-
zeitig zu fruchtbringender Mitarbeit an der römisch-germanischen Forschung geführt
worden und hat der Reichslimeskommission seit ihrer Begründung angehört.
Johannes Vahlen in Berlin ist am 30. November, 81 Jahre alt, gestorben.
15
512
Namen- und Sachverzeichnis.
Nicht aufgenommen sind Gegenstande, die nur gestreift, nicht neu behandelt wurden. — Die
hochgestellten Zahlen bezeichnen die Anmerkungen. Das lateinische Alphabet ist auch für gnechische
usw. Namen massgebend gewesen. Inschriften, Älllnzen, Papjri s. unter diesen Stichwörtern.
Seite
" AßayrfQ-'4,ucirT8<; 34
Abusir. deutsche Ausgrabungen 1910 264
Achaeer mykenische. Nichtgriecheu ? 13
Achaeischer Bund, Beschlüsse über Krieg
u. Frieden 458; Stellung der Strategen
460
Ackerbau bei den Germanen 52/61. 77. 80f.
Ackergesetze vorgraccbische, ihr Zweck
380'
Adoptionstheorie . . . 293. 293». 31P
Aegypten. Herrschaft im ägiüsch. Meere
277; dieselbe unter Ptolemaeus Philopa-
tor 278/83; Verhältnisse nach d. Schlacht
V. Raphia 280; Veterauenansiedlungen
390/1: Pagusordnung i. 4. Jhrh. 392;
araerik. Ausgrabungen 124/6; deutsche
Ausgrabungen 1909/10 . . . 258/64
Aegypter, Gepflogenheit Dinge nach ihr.
Herrschern zu benennen . . . 142-
Aelius Cesettianus. Stadtpräfekt? 293. 293^
Aemilianus, Quellen über s. Tod . 223
Aetolischer Bund. s. Umfang 453/6; Auf-
nahme von Phokis 454 ; Aufnahme u. Ver-
lust V. Thessalien 455. 455*: Verfassung
456/63 ; Bundesversammlungen 456/8 ;
Beschlüsse über Krieg u. Frieden 457.
457°. 458; Antragsrecht d. Strategen
458/63; Apokleten 461. 461*. 461^ 462:
probuleumatisches Verfahren . 461/62
ager Galliens, Eroberung durch d. Römer
371
ager quaestorms in Sabinum . . 371/2
ager Sabimis 372'
kj'za/as-Ancus-Anquirinnius .... 35
ayuiyöf, Gemeiudediener . . . 359/60
Ahmes, s. Rechenbuch 481*
Ahudagh 398/9
AiyaTov opo? = Berge v. Lassithi . 435
x4(ö/frc-esxuna-Escionia 41
Aizanoi in Phrygien. Stellung einer Hilfs-
truppe zu Verus' Partherzug . . 365
Akklamationen in Senatsprotokollen 291.
29P
Akten, Aufzeichnung auf Holztafeln u. Auf-
bewahrung im Archiv 251/3. 253'. 254'
Alanen. Unruhen im Kaukasus . . 358
I-l/.ßööK-vala-Alasinius 42
albton = '/.iixwtui. s. das 254
IV.djia auf Korsika, Gründung der Kreter 35
Alexander d. Grosse, in d. Schlacht b. Is-
sus 237 ; am Granikos 234/5. 287/8. 239.
242/3
Alexandria. Einführung d. Sarapiskults
127/8; Tempel d. M. Antonius 138. 141/2.
142'; Augustus am Grabe .-Vlexanders
143. 143'; Einweihung d. Tempels d.
Augustus 161
'AV.uoia-ji).SQta-k\?LxiMS 35
Allia" Schlacht. Topographie 337/40; In-
tervall bis zur Einnahme Roms 336;
Quellenuntersuchungen . . . 335/42
Alutus. Fluss 357
.^/<«öf(ß-Amasenus 34
Ambrakia. ätol. Stadt . . . 451/2. 452-
Ambrosius, s. Zahlenspekulation . . 488
Ammianus Marcellinus u. d. Epit. de Caes.
227/9
Amatius. Altar für Cäsar auf d. Forum
133/4; s Ermordung 134'
amnis, etruskisches Lehnwort ... 34
.4«)'(ööc-amni-amnei ....... 34
.\morgos 278. 278-
Amyntas i. d. Schlacht am Granikos 242
Anachronismen in Münzbenennungen 184-
nvayQcift) s. u. Demetrios v. Phaleron
aiuyQa<pfvq, s. Tätigkeit 275
Anathyrosis 98. 107. 108
Anazarbus. umgetauft in Caesarea . 156
Andros ........ 277/8. 278«
Annales maximi, Zeit ihrer Abfassung 247.
247'. 253/4; ihr Verhältnis zu den Pon-
tifikalannalen 248. 255
Anonymus Argentinensis .... 271
Apokleten d. ätol. Bundes 461. 461'' ^ 462
Apollo; -Actius 145'; -Delphinios s. u.
Delphinios: delphischer 11. ll*. 12; -Eri-
thimios. Sonnenfest 427'; -Tvpßipd: 46;
-Tempel auf d. Marsfelde . . . 87/8
Apollonopolites Heptakomias, Veteranen-
ansiedlung 391
Appian, Quelle für Hasdrubals Metaurus-
feldzug 385/7
".47rr«()a-Aptronii 27
Ai-a pacis Augustae 160. 160': Einweihung
164. 164'
Arb. -Stamm einer etrusk. u. vorgr. Namen-
gruppe 33
Arpinum, etruskischer Ursprung . 33. 34
Arrianus. Auifassungen s Berichts über d.
Schlacht am Granikos 230/5; d. Bericht
im Vergleich mit d. anderen Quellen
235/9. 241. 243/4
'AgalciQ-Arsemus 45
Arsinoites, Veteranenansiedlung . 390/1
Artemis Leukophryne. Fest in Magnesia
452
Asculum 374
Asia, röm. Prov . Kalenderrefonn 164. 164*
Askanischer See 396/7
Asklepiosheiligtümer, Anlage im Freien 7'
.4aoc-asna-Asis 44
Assyrer, Zahlensymbolik . 482/6. 489/96
Zahlenspekulation 486
Atalante 431/2
Namen- und Sdchverzck-Iinis.
513
Athen, Dclphinion 8. 24; Siedelungsschich-
ten 17: Lage Uiathens 19.24: Unithen
= Kvdiithen 19: Lokalisierung der De-
men 20/23: Anschlusa v. Eleuthenie 438/9
Athena, ungriech. Herkunft 6'. 15: Kampf
mit Poseidon 17,18: Verhältnis zu He-
phästos 17-: Meeresgöttin? 18'; Schütze-
riii des Oelbaums 18/19; Verlobung mit
M. Antonius 138: -Itonia ... 19-
Augustin, Zahlenspekulation 481. 488. 488»
Augustus Soter, Knlt in Aegypten 142''
u. s. Octavianus Augustus.
Aurelianus, Mauerbau 214/6. 215-; s. Bon-
mot über Tetricus 221 ; Quellenberichte
über s. Charakteristik 288/9 ; über s. Tod
285/8. 307 ; gold. Statue a. d. Kapitol 297
Aurelius Victor. Verhältnis zur Kaiserge-
schichte 193/206; zur Epit. de Caes. 210/2 :
s. Arbeitsweise .... 209. 219. 22b
Ausgrabungen in Aegypten.. amerikanische
124/6; deutsche 19Ö9/10 . . . 2-58/64
.4ir/(ui-autaauS^ual-Antius-Antonius . 41
Avidius Cassius. Spielerei mit s. Namen
292 : s. Biographie d. Vulcacius Gallica-
nus 319; deren Autor Vopiscus 320/1
(i^oris 2.52
Babylonien, Heimat d.Zahlensymbolik 481/2.
49\i;2: Zahlenspekulation "486. 489 ff.;
musikalische Proportion . . . 482'
Biibylos, s. -Archontatsjahr . . . 455'
Baxius-/«ioc 38
Beamtenwechsel in Rhodos . . . 426
Becherwahrsagung .... 484' 485*
Begräbniskosten, ihre Verminderung 269
JS»>;/-Benus-pen9^e 32. 43
Bestattungsverbot innerhalb Roms 116/7.
120
Bethramphtha im Ostjordanland . 175
Bewirtung, öffentliche 145'^
hihlioüteca riina 294. 294^
Bistümer, bithynische .... 409/13
Bithynien, Grenzen gegen Phrygia Epik-
tetos 397/401 ; Bistümer 409/13 : Lage v.
Kaisareia , 32,5/34
Bleigeschosse mit Aufschrift Divom Julium
137
Bonosus, gallischer Gegenkaiser 204/5. 204^
Booskoete. alter Name v. Kaisareia Ger-
manike 326. 332
Brunnenhaus auf d. Cermalus , . 86/87
Bryaxis, Kultbild d, Sarapis , . . 128
Buccheroscherben 121. 122
Buchformen, älteste in Rom . . 251/3
Budalia, Geburtsort d. Kaisers Decius 204
Bürgerrecht römisches, Verleihung an un-
terworf Völkerschaften 369/70. 372. 375/6.
378
Burgenbau d. Griechen 6. 7
Caere, civitas sine sufragio . . 377. 379
Caesar, Abfassung des Bellum Gallicum
48/50, bes. IV u. VI 58/59. 61/62. 63. 64'.
65. 74. 75. 76 ; Benutzung griech. geo-
graph.AVerke7.5. 76; S.Kult 129/1.37. 176/7
Callaecia, Einführung des Kaiserkults 158'
Canopus, Stern umgetauft in h'((loa(tog &p6-
voc 142! 142-
Caracalla, Aushebung spart. Hilfstruppen
360. 363. 364
Carinus, Quellen über s. Tod 210. 218/9
lastreiiges ,Praetorianer' bei Vopiscus 296
cera .Seite' im Buch .... 2-52. 252'
Chaf-re, Torbau s. Totentempels . 261/3
Chi, Formveränderungen auf ital. Boden
113/4
Chronica d. De.tippos .... 189. 191
Chronograph vom Jahre 354 195.223.315
Claudius II, Opfertod 202'^ 210. 228; gol-
dene Statue auf d. Kapitol 297; fälsch-
lich für Quintillus 202-
Clementia, Tempel m. Cäsar . 133. 133"
Cn. Fulvius. Verbannung nach Tarquinii
377/8
codex, Wortbedeutung 249'. 251 ; Beschaf-
fenheit U.Vorkommen 251 : — ansatiis 2Ö2:
— i. d. Regia 253. 2-54
Coelius. Quelle für Hannibals Uebergang
über die Rhone ...... 350/1
colerc, Bedeutung bei Caesar 54-. 54/55
lohmiae, ohne Autonomie. Veteranenan-
siedlungen in Aegypten 390/1 ; innerhalb
der gallo-röm. Civitäten . , . 391/2
Commentarii de Bello Gallico, Abfassung
48/50, bes. IV u. VI 58/59. 61/62. 63. 64.
64'. 74. 75. 76
Concordia, Tempel zu Ehren Cäsars 132;
z. E. d. Augustus Statue u. Altar in Rom
163 ; Tempel d. Conc. Augusta 173. 173'
Conlegium Caesariensium crescentium 498
consuUs svffecii, ihre Bestellung . . 297
Constantin, Bonmot über Traianus 228/9
Corinthianus. Befehlshab. d. Vexillatio Da-
corum Parthica 502
Cumae. Tempel d. Augustus . . 171
Curia Pompiliana 289
Cykladen unter ptolemäischer Herrschaft
277/83
Cypern, röm. Prov.. Kalender 164*; Reform
desselben 170. 170'
Damokritos, ätol. Stratege . . 460. 463
Daphnus im Besitz d, Phoker u. Lokrer
439/42
Daskylitissee . . . 328. 331. 331'^. 334
Decius, Geburtsort 204
defensio s. definitio.
definitio = defensio 387/8; im Liban 388
Selyutt, Bedeutung 510/11
SiiyuazoÜQZut 510/11
Jf('r(/o;-Detelius 41
Delos 278. 278'
delph, tilph, gleicher Wortstamm . 17
Delphinios, Name 16'; Hafengott 1. 2;
Gott der Delphine 1. 2. 4'. 16; Heilig-
tum in Milet 2 ff.; in Athen 8; Kult 8.
10/11. 14. 16: Deutung 12. 14/1-5. 16. 24'.
24/25
Delphinion, in Athen 8. 24 ; in Milet, Lage
2. 4. 7. 8. 24/25 ; ohne Tempel 2 ; kreis-
514
Namen- itml Sachverzeichnis.
Seite
ruudes Fundanient 2. 3. -t. 25: Altar 4;
Gründungszeit 5. 10
Delphinsgott 1. 2. 16
Delphussa, delphische Quelle . . 16/17
(ft'/.Toc, Wortbedeutung u. Verwendung 250.
251/2
Demen athenische, ihre Lokalisierung 20 22
öijuöaioi, Verwendung zum Kriegsdienst
363. 365. 366'
Demetrias = Pagasae 442/5 ; Stadtrecht 443
Demetrios v. Kallatis 441
Demetrios v. Phaleron, s. Gesetzgebung
265/76 ; Zeit derselb. 265/6 ; Gesetz über
Datierung d. Grenzsteine 265/6; Benen-
nung eines Gewährsmannes auf ihnen
266/7 : Ausdehnung der Bestimmungen
auf Testamente u. Schenkungen 267/0:
ävayQCHf^tj twv xi>/urlz(oi' xcil ovußoi.altov
270. 27.5/6: Einfluss Theoprasts 268/70
Dental, doppelter einer fremd. Sprache im
Griech 32
deputfire cum dat., bestimmen bei Vop.
304. 304'. 314
Depotfunde in Deutschland . . 69. 69-
äsa/ico(pv>.a!!Sc 272
Desippos, Chronica 189. 191
J((7Öc-Disius-Tisenius 30
Dikte, Berg auf Kreta = Dryses 433/35
Dirne, deutsch. Ausgrabungen 2.58/9: Pa-
pyrusfunde 258/9 : Hausbau . . . 259
Dinarchus. Reden gegen Pvtheas . 273/4
Diodor. Quelle für Alliaschiacht 337. 337-*.
337*. 338. 338' ; Scheidung in griech. u.
lat. Quelle 339'; Bericht über d. Schlacht
am Granikos 239/44
Dionysios v. Halikarnass. s. Quellen 246*.
249; Monographie nfol yoövwv ■ 246*
6m?S/ <pä/MYi . ■ . .\'. . 232. 232^
Dolionen, ihre Wohnsitze .... 401
Donauprovinzen, Einführung des Kaiser-
kults 168. 168'
JopSörißc-Durdius 44
Joijooc-Trerus 40
Dryses, Berg auf Kreta = Dikte . 433'5
Dubletten in d. Gesch. d. röm. Kaiser, Ende
d. Carinus u. Victorinus 218/9: Verbot
Traians u. Maximinus Daja üb. Ausfüh-
rung V. Befehlen 219; omina 219; Aus-
spruch Domitians 219/20
Duenosvase. Datierung .... 11.5/6
Dumanitsch, Gebirge . . . 398/9. 400
dvvauig bei Zahlenreihen 487. 488/9. 490.
491/3. 496
Eidesleistung von Gangra auf Zeus u. Au-
gustus 167. 167*
Einhundertundfünfzig, Zahlensymbol.490/1.
495/6
Elbe. Kaiseraltar des Ahenobarbus 170. 170*
Elefanten, ihr Uebersetzen über die Rhone
durch Hannibal 343/54
Elektras, Fluss in Kreta ... 448. 449
Eleusa in CiL, Sebaste getauft 156; Be-
ginn der Aera der Stadt . . . 156-
Eleusis, Telesterion 10''; Plutoheiligtum 11;
kretischer Einfluss 14
Eleutherae, Lage 436/8 ; Anschluss an Athen
438/9
Elfenbein. Material für Bücher . . 295
'iT/././Ji'-Velina 42
"E/rpoc-Velurius 28
"Erösxa, oi. athenisches Beamtenkollegium
272. 272'
Epangeliegesandtschaften . . 452. 452"
Ephesos unter ptol. Herrschaft . 278'°
Epitorae de Caesaribus 186/7: Verhältnis
zur . Kaisergeschichte " 193/206. 206/10:
zu Eutrop 193/206: zu Aur. Victor 210/2:
zu Ammianus Marcellinus 227/9 : Sprache
207/8; Arbeitsweise des Epitomators 203.
223
Eponymenliste, Verwendung durch d. Pon-
tifices 255 ; = legol ze xcu äjidS^sroi ßißXoi
= libri lintei ad Monetae . . . 255
i'jjßötui'-Erasenus 31
'EQfxf^fic, Namenerklärung . . 18. 18'
Erineia, megarisches Dorf .... 438
"£()cui'(Oi-Verona-veru 44/45
Eros, Geheimsekretär des Aurelianus 286.
288. 288'
Eskisehehir 399
Etrurien. L'nterwerfung durch Rom 376/81
Etrusker. Herkunft 26: ägäische u. kreti-
sche Namen bei ihnen 26/47; Aufnahme
des solonischeu Fusses 86; Einführung
des Quaderbaus 106
Eunap V. Sardes 189/90. 191. 227: riUte
sophistarum 190
Eurytanen, ihre Wohnsitze . . . 446/7
Eutrop, Verhältnis zur , Kaisergeschichte'
u. d. Epitome 193/206; Arbeitsweise 209;
Quelle für Festus .209
exempla, ihr Gebrauch in d. .Kaiserge-
schichte" 221/2
Fabier, Untergang am Cremera 339'. 341-
Fabius, Benutzung der Pontifikalannalen
2.5.5/6. 255=
Fabius Marcellinus . . . 301. 301«. 302
Falerii 380. 380- ; civitas foederata 378; Fo-
rum Subertanum 379
Familiengruppe aus d. Torbau des Toten-
tempels des Men-ken-re . . . 125/6
Feralia. zu d. feriae piihlicae . . . 341
Festkalender, Zusammenhang mit ältesten
Pontifikalannalen 342
Festus benützt Eutrop 209
Firmum, Kolonie in Picenum . . . 374
Flavius Claudius Constantinus III, galli-
scher Usurpator 320'
Florianus. Bruder u. Nachfolger d. Tacitus
310/1. 311-; Antritt der Herrschaft 31 1 :
Orakel der Haruspices 312/3; Quellen
über s. Tod 200
foediis Cassianum 369. 369*
Fortuna Augusta. Tempel in Pompei 157.
157": ministri Fort. Aug 171
Fortuna redux, Altar in Rom 156. 156°;
Xioxcii- und SaclifcrzKivlnÜK.
515
Seile
in Aiiiitfiiimu l.")7; Weihinsclirit't in
Praeneste 157
Frauenpesetze 269
Künfzahl bei Pytliagoreern 487/8; bei Ba-
byloniern .' 489/90
Fünfzehn, Zahlensymbolbei d.Babyl.-Assyr.
490. 495/0
Furius Placidius, röm. Konsul . . 182/3
Puss. oskisclier 84; s. Verwendung
86/87. 90. 94. 95. 96. 98. 99. 102. 103.
104. 106: römischer 84t s. Verwen-
dung 88. 91. 95. 96. 98. 99. 102. 104;
solo nischer 84/85 ; Flinführung in
Rom 84/85. 86. 88: bei den Ktruskern 86
G., Buchstabe des Uit. Alphabets, s. Auf-
kommen 114
Galatien. Einführung d. Kai.serkults 1.54'.
167*; Umtaufuag d. Hauptstädte 154;
Gallica 394. 407/9
Galliea in Galatien .... 394. 407/9
Gallicanus, Name bei Vopisc. 296. 319. 320
Gallien. Einführung des Kaiserkults 1.58'
Gallier. Einnahme Roms 10-5. 335; Quellen-
Untersuchungen darüber 335 ff. ; Dauer
der Belagerung Roms ... . 340/2
Gallos, Bistum in Bithynien, s. Lage 410/14;
Vereinigung mit Kadosia . . . 409
Gallus. Fluss in Galatien .... 394
Gallus, Fluss in Bithynien 393. 394. 399/400;
Identifizierung mit Göktsche-su 400.
406; mit Mudurnutschai . 403. 405 ff.
Gangra in Paphlag., Eidesleistung auf Zeus
u. Augustus 167. 167*
Gangra-Germanicopolis, polit. Einheit 334
Gargilius (Martialis) . . 301. 30P. 301*
Geburtstag des Augustus, öffentlicher Fest-
tag 132. 145. 145=, monatliche Feier 146
Genius A u g u s t i , Aufnahme i. d. Staats-
kult 160. 160'-; Einrichtung d. 1. stadt-
röm. Distrikts 163; Einführung des Kults
in vicus Honoris et Virtutis 164: Tem-
pel in Pompei 167 ; Einführung im pagus
Augustus felix suburbanus 167. 167=;
Caesaris 132'°
Geographische Bestimmung: v. Modroi
405 ff. ; Gallica 407/9; des antiken Gal-
lus 405 ff.; V. Psyttaleia 431/33; des Ber-
ges Dikte 43.3/5; des AiyaTov oqoq 435:
der Insel Onysia 435 : v. Eleutherae '436/8 ;
V. Panakton 436/7: v. Oenoe 436/8; v.
Demetrias 442/5 ; der Eurytanen 446/7 ;
V. Oechalia 446; v. Kalindoea 447/8; des
Lethaeos 448; v. Kaisareia in Bithyn.
325/34
Germanen zur Zeit Caesars, Quellstel-
len 49/50. 51 ; ethnische Verschiedenheit
von Kelten 50. 60'61. 74. 75; wirtschaft-
liche Verhältnisse 52/53. 54. 55. 56/.58.
61. 66 ff. 76; jährl. Flur- u. Wohnungs-
wechsel 54/55. 62. 62'. 63. 64. 66. 78. 78'.
81 ; Privatbesitz 54. 61. 69. 70/71 ; Gleich-
heit 66/67. 70: , Mächtigere u. Geringere"
66. 70/71. 78; politische Verhältnisse 66.
67. 68. 69. 71. 72. 78 ff".; Handel 69/70;
Seile
Sicdelungsform 79. 79'; keine Tempel
u. Göttei-bilder 9; zur Zeit des Taci-
t u 8 : wirtschaftliche Verhältnisse . 66
Germanicopolis-Gangra, polit. Einheit 334
Germani corpore custodef! . . . 497/99
Germanicus in Germanien .... 73'
Gise, deutsche Ausgrabungen 201/4; Toten-
tempel des Chaf-re 261/3; s. Frau 263;
Mastaba des Seschem-nefer 263 : Frag-
ment kleiner Königsstatue . . . 263
Gleichheit, allgemeine b. Germanen 66/67
yvüjfoj. Antrag 462. 462*
Göktsche-sü, Nebenfluss des Sangarius
393. 399. 400. 407; Identifizierung mit
d. Gallus 400. 406
Götterbilder, Voraussetzung für Tempel 8. 9
Göttei'kampf zw. Athene u. Poseidon 17/18
Gordiane, 2 oder 3? 194/6: Herleitung
ihres Geschlechts 195'
Goritza, Hügel 442. 444/5
PöpTVc-curtun-Cortona 30
Gothicus Maximus, Beiname d. Tacitus 307
Gräber in Rom innerhalb d. Serv. Mauer
116/120
yjiH^/iiazfvi; inl toi'C vöftovg ■ . ■ 274/5
Granikos. Schlacht: Arrians Bericht u. des-
sen Auffassungen 230/5, Wertung des-
selben 2-35/9.241. 243/4; Bericht Diodors
239/44; Notiz Polyäns . . . 242. 244
Grenzsteine attische, Gesetz über ihre Da-
tierung 265/6 ; Benennung eines Gewährs-
mannes auf ihnen . . . . . 266/7
Griechenland : vorgriechische Bevölkerung
17. 19. 25; ihre Mythen . . . 23/24
Gyijhtokastro. das alte Panakton . 436/7
Hadrian, s. Agrargesetz im Liban . 388
Hadrianopolis. Lage 325; früherer Name
Kaisareia . . ' 325. 325*
Hagia Triada, Sarkophag von . 10. 13
Hagios Georgios = Psyttaleia . 431/3
Handel bei d. Germanen .... 69/70
Hannibal vor Rom 106; Hinübersetzen der
Elefanten über d. Rhone 343/.54; Quel-
lenuntersuchung darüber . . 348/54
Hasdrubal, Marschziel imMetaurusfeldzuge
384/7
Häuserbau in Dime 2-59
Heiligtum, altsemitisches 10
Hekahiios, genaue Küstenbeschreibung 382:
Quelle für Herodots geograph. Angaben
382/4; für Stephanus v. Byzanz 382/4
Hekate, Göttin des Fischfangs . . 4. 4'
Helgas, alter Name für Kaisareia-Germa-
nike 332
Hephaestos, s. Verhältnis zu Athene 17'
Heraklea, Gründung 441
Herodot, s. geographischen Angaben stam-
men aus Hekataios 382/4
Hilarien 181
Himeraeus, Bruder des Demetrios v. Pha-
leron 271. 273
Höhlenkulte 10
Holztafcln, griechische .... 249/50
Hostilianus Perpenna .... 196. 196*
516
Namen- und Sacliverzdchnis.
Seite
Hunneu, Vorstösse auf Alanen . . 358
Hyampolis. phok. Stadt 440
.lenisehehir 399 u. s. Otroia
imnn s. rechts
"/varoc-Venatius 43
inäe, Verknüpfung bei d. Script, bist. Aug.
296
Indogermanen. asiatischer Ursprung 76':
Kulturzustand 77
Inegöl mit d. Quellflüssen d. Göktsche-su
399. 400/1
Inscbriften. k arische: 464/80 ; grie-
chische: CIG 12.53 359 ff. : 1495 3.59 ff. :
1689 451'»: 4443 1.56': IG H. .584 265:
III, 939 14': XII, 2. n. 25 15P; Xn, 3.
n. 466/7 278 : Ditteuberger SIG- 36 447/
48; I 334 251/2: OGI -54 lin. 5 277: I.
V. Magnesia a. M. n. 28 450/6: BCH
XXVI, 273 n. 20 452. 452^ : JHSt XVI.
178. n. 2 18'; ZKo X, 232 388/90: Orab-
relief aus Spai-ta (Dessau n. 8878) 358 ff.:
Tod and Wace. Cat. of tlie Sparta Mus.
p.'48 n. 245 (Le Bas-Foucart n. 183 b')
379 ff. : lateinische: CIL III. 775
3.55/7: VI, 872 136«; Vin. 21068 497/8:
21106 498: IX, 5136 136"; XIII, 8213
357/8 : I. aus Dakien 499/510 ; aus Rom
Notizie 1908 S. 386 n. 1 498/9; aus dem
Liban Melanges d. !. Faciilti- Orient, de
rUnivers de Bei/routhlY mQS.209 387/8
Interregnum nach AureUansTode 284/5. 312
ioci, Vorkommen i. d. , Kaisergeschichte ■*
220/1
Isis, Kolossalrelief mit Horus aus Medinet
Madi 260
is-se-b/pu (babyl.), Bedeutung . . 493'
Issus. Schlacht' 237
Istar 490. 494. 495
Italiker, keine Götterbilder u. Tempel 9
Italogriechische Vasen . . 117/18. 123
Julia, ihr Kult 176
Juliopolis in Bithvnien 402
Juuius Tiberianus'. Stadtpräfekt 181. 183
Jupitertempel, kapitolinischer . 87. 103
Kadosia. Bistum in Bithynien . . . 409
A'ßdfi'v, Lapithenkönig, Namenerklärung 45
7fc«io;-Caunius-Gaunia 45
/r«/p«ro?-Cereatae-Caere ... 34 35/6
Kaisareia, alter Name für Hadrianopolis 325
Kaisareia-Germanike in Bithynien. Lage
325/34: Nachrichten aus d. Altertum
326/7: letztes Auftauchen in d. Literatur
329 ; — Ulubad 328/9 : Name Germauike
329. 832: Lage am Daskylitissee 331/34:
am Apolloniasee 331^: Name Kaisareia
332: s. Münzen 325. 325». 327/8. .329. 332:
== dem mod. Tschekirge?. . 333. 334
Kaiser römische, Dubletten in ihr. Ge-
schichte s. Dubletten.
Kaisergeschichte, verlorene 186. 187/8. 191.
192. 211: Zeit der Abfassung 286« : Ver-
hältnis zu Sueton 188. 201. 22.5/7: zu
Eutrop 193/206; zu Lactanz. Aur. Viktor
u. Gros. 198/206; zur Epitome de Caes.
Seile
193/206. 206/10; Versuch einer Restitu-
ierung 212/7 : [Münzeraufstand 212/4.
Vergrösserung der röm. Mauer 214/6 :
Tod des Numerianus 216/7. Tod des Ca-
rinus 218/9]; Vorliebe für ioei 220/21:
e.rempla 221/2; historisches Detail in d.
Epitome 222/5: Tendenzen des Verf. 225 ;
biographischer Charakter 22.5/7: Formel
der .K." 308: Quelle für Vop. v. Taciti
284/324
Kaiserkult römischer, Begründung 129/177:
Einführung in Callaecia 1-58' ; in Donau-
provinzen 168. 168' ; in Galatien 154'.
167*; in Gallien 158'; in Spanien 157/8.
158'
Kalabaktepe mit d. AkropoHs v. Milet 4. 6
Ä«/.K/?(;-calapi-Calpenius 31
Kalender d. Prov. Cypern 164*; s. Reform
170. 170': der Prov. Asia . 164. 164*
Kaliudoea. Lage 447/48
Kalirrhoe. athenische Quelle 23. 24. 24'
Kalos = kret. Talos 23
Kalvdon, Bruchstück eines Beschlusses ders.
451/6
ifä/.i'.uiß-caluma-Calumeius .... 37
/la^uäpa-Camars-Cameria .... 40/41
Kanon von Halbgöttern .... 155-
KarruroQ-KnrTca'la ...... 28
Kappadokien, Hauptstadt in Caesarea um-
getauft 155
/ifäpavoc-Caranius 30
Karisch, Schlagwort 404; Inschriften 464/
80 ; Literatur 465 ; Lautwert der Zeichen
46.5/9: Namen 469/79; Sprachverwandt-
schaft mit der Ivkischen 479: Eigentüm-
lichkeiten . ." 479/80
Karneios 11
/i«f)iv;ö(;Ö7ro//c-carna 40
ÄccpTtui-Cardenus 30
Ä^äarpioc-Castrius 31
Kastortempel auf d. Forum in Rom . 87
A'ßifioc-Aarfoc-Caudius-Gaudienus 42/43
Kaukasus, Kämpfe gegen Alanen u. Hunnen
367/8
Kedrios. Fluss in Kreta 449
/l;/z//>-Cecanias-Gigennius . . . 45/46
Kelten. Unterscheidung v. Germanen 60/61.
74. 75; keine Götterbilder u. Tempel 9
Keos ^ Lipsokutala 431/2
KtjGxijoQa-Ktaxog-CAsca 42
Keule, als Bewaffnung . . . 364. 366
Kios a. d. Propontis .... 281. 28P
Kleinasiatische Städte, Aufgebot zum Par-
therzuge des Marcus u. Verus . . 364
Kleopatra. Tempel für M. Antonius in Ale-
sandria 138. 141/2. 142'
Kodros. nicbtgriech. Gott .... 23
Köln. Kaiseraltar 172. 172'
Äopior-curial-Curius 32/33
Kornprobe in Aegypten .... 510/11
Kogwrlöfi bei Ovid 33
Koijvnio.;-lioiH'or>i-I{oowi'i<; .... 33
K6(j9^v;. nicht Spitzname 30
/fopi'ivj-curuna-Corona 33
Abdulen- 11)1(1 Sachvcrseicimis.
517
Heito
KoQvnTct. nicht Spitziiiimo . . . 29/30
Kos 278. 278*; Niederlage d. Ptolema.
Philadelphus 277
Kovßoixlfta = Kuvuklia 333 ; s. Lage 333/4
Kreta 278. 278* ; Heimat der Etnisker 20 fl'.;
Versuch eine.s Gotteshauses . . . 0
Kreter, Kultformeii ihrer Götter . . 10
Kretische Städte ohne Befestigung 4/.") ;
-Kolonien 5; -Namen bei Ltruskern
26/47; -Zeus 11
Kronos, nicht griech. Gott . . . 23/24
Kuladja-tschai, Grenzfluss d. Göktsche-su
399. 411
Kult, des Caesar 129/137. 176/7; des Au-
gustus 139/175; der Julia 176; der Livia
175/6; des M. Antonius 137/8; des S.
Pompeius 138; des M. Agrippa 176; des
C. u. L. Caesar 176/7; des T. Clau-
dius Nero 177; des Delphinios 8. 10/11.
14. 16; der Lares .... 166. 166'
Kultur griechische, autochthone . . 12
Kydathen, Ableitung des Namens 19/20;
= Urathen 19. 24; Lage des Demos 20.
22. 23
K3-dathener-.Scheltathener . . . 20/21
Kydonen, Ursprung 38
KvlXoQ, nicht Spitzname .... 30/31
Kv(ißa-cuTve 44
Äi'ra-Ä'iSrcaoi'-Cotinua-cutus . . . 38/39
Kythnos 278. 278»
Äi'T(v«-Cutina 39
livTlviov-Cotinins 39
Lactanz de mort. persecut 199
Lade, Niederlage der Rhodier gegen Phi-
lipp 279
Läufer-Bindersystem .... 103. 107
Lakedaemonier, Svmmachie im Partherzuge
d. Marcus u. Verus 362. 364/6; im P.
des Caracalla 360. 363. 364 : Bewaffnung
364. 365/6
Aäfxiuv 42
Laodikeia, Inschrift des Bischofs Eugenius
. '"^89/90
Aanxa, urkretisch -lamy e-Lamponius . 32
Larenkult, Reorganisation durch Augustus
166. 1663
Larisa-lar 29
Lassithi Berge =r AlyaXov ('!()og 435 ; nicht
= Dikte 433/4
Lateae 408/9
Latein. Schrift, Rechts- u. LinksUiufigkeit
110/11; auf Münzen .... 111/112
.läiioi V. Kreta, Kolonisatoren auf ital.
Boden 40/41
.l«T<y;-/l«r(0(-Latini 40/41
Lattamos, ätol. Stratege . . 452. 455'
Aißa bei Hesych 29. 29'
Afßi'/vtj-Atßeäog-hepta, 29
Lebedos unter ptol. Herrschaft . . 278'"
Leberschau 485* u. s. Wahrsagung.
Legio, I Minervia, Teilnahme am Parther-
kriege 357/8; V Macedonica, ihre Stand-
quartiere 356. 356^
Leibwachen an von Hom abliängigen Höfen
497/8. 498'
Lepreon 445
Lethaeos. Fluss in Kreta = Hieropotamos
448
i.tjl^aioy ntdiov 448
Lex Flaminia, ihr Titel 373: -Rufrena 136.
).iixu)i.ia. geweisste Holztafel. Verwendung
250/1. 253; verwandte Ausdrücke 250;
= album, Einzeltafel 254
Liban, Felsinschrift 387/88 ; defeyinones u.
definUiones 388
lihri lintei ad Monetae, Vorgänger der /i7>n'
via(ßistratuum 255; ^= ifpo/ Tf xri) r'aö-
,9fro( ßlßlot 255
Lichtgötter 11
Lilaia, ätol. Stadt 451'"
links, Ausdruck durch sumelu bei Assyrern
483. 490/6
Linksläufigkeit d. lat. Schrift . 110/111
Lipsokutala ". 431/3
Literatur, moderne über Scriptores bist.
Aug 178/80. 183/4
Livia, 1. Priesterin d. Divus Augustus 174 ;
ihr Kult 175/6
Livius, als Quelle für Gallierkatastrophe
335 tf. ; für Hannibals Uebergang über
d. Rhone 343/4. 348/54; für Hasdrubals
Metaurusfeldzug 385/7 ; für Ausbruch des
3. mak. Krieges 415/30; seine Art der
Quellenbenutzung 353/4
Löwenbucht von Milet 2. 7
.lo;f(«'c(üi--luy_re-Locrius 45
Lokris, Kämpfe mit Phokern 440, Gebiets-
veränderungen 440/2
Lopadion = Ulubad 328; Gründung 329.
333/4
Lophoi, bithvnisches Bistum . 409. 414
;.o§;; zäiig '. 231/2
L. Caesar, s. Kult 176/7
L. Ragonius Urinatius, Etrusker . . 39
Lucaria, Fest 336. 336^ 336"
hicus permagnus h. Rom, s. Lage 336. 336-.
336'
bidi s. Spiele.
Lukuli am Daskylitissee .... 331-
Luperci Juliaui, Gründung . 132. 132"
Lykaion in Arkadien . . . 10. 11. 13
lykische Sprache, Verwandtschaft mit der
karischen 479
Avnaoftivijg-hnsem 41/42
Märtyierakte, heidnische. Papyrusfund in
Dirne 289
magistratus u. principes in Germanien
64/65. 71. 81/82
M«j'(«s-macunia 36
Makedonien, 3. Krieg gegen Rom s. Römer:
Herrschaft über Cykladen s. Cykladen.
;1/äAA«-maalnas etc 44
M'. Curius Dentatus . . . 370/71. 372
Marcus, röm. Kais. Aushebungen in Sparta
zum Partherbriege 364/6
M. Antonius, s. Kult 187/8; s. Todestag
Staatsfesttag 143
518
Namen- und Sackmrzekhnis.
Seite
M. Agrippa, s. Kult 176
M. Aurelius Alexys, Grabrelief 359. 3G4. 366
M. Tiillius Cicero, Etrusker .... 39
MariiisMaximus 320/1; Spezialist für ioci'2'20
Mai's u. Venus. Doppelstatue . . 169'
Massalia kolonisiert durch Kreter . 34
.iy«öö«//«s-Massalia 34. 35
Massstab von Ushak 84
iWöTß/.fcMatellianus-ma&l 35
Mfirn/i'Oi-Matienus 35
il/«T/ovMatinius-Matius 35
Maximiauai, bithyn. Bistum . . . 412
Medinet Madi, deutsche Ausgrabungen
260/1
/V7t'A«vos-melueal-meluta 41
Men-kew-re, Totentempel, Torbau 124/6
Menschenalter 313. 313'
Meotidae, Namenerklärung . . . 307/8
Meeresgott, Name, bildlicheDarstellung 15
meritorifi u. Prostitution .... 302/3
Metaurirs, Fluss 384/7
iV//.ßroc-Milasius 40
Milet, Topographie 2 ff . 7 ; Altmilet 4. 6/7 ;
kretische Siedelung 4. 5. 17 ; grie-
chische 4. 6; Anlegung der Burg 6/7;
Vorstadt an d. Löwenbucht 7 ; Askle-
pieion 7/8. 8'; Delphinioskult 14. 15;
Name 14
Mivwt;- Mivaaadg-mma,te 36
/tva . Endung in kleinasiat. u. etrusk.
Namen 36. 37
Mnesteus, intellektueller Urheber am
Morde Aurelians 286/7
Modrene s. Modroi.
Modroi 393. 394. 399. 411; = Modrene
= Mudurnu 403. 405 ff.
Moesius Gallicanus, praef. praet. . 296
MöAAoi-Molo 44
Mons Massicus, etruskisch .... 34
Mucapor, Mörder Aurelians . . . 286
Mucius Scaevola. Zeit des Erscheinens
der Annales maximi . . . 247. 247'
Mudurnu -tschai = Gallus 393. 403. 404
Münzen d. Julius Caesar mit Venus 129.
129*; mit s. eigenen Bilde 132; d.
Sepullius Macer m. Tempel d. dementia
133^; d. M. Antonius 138; d. Augustus
mit eigenem Bilde 139. 139"; mit Aeneas
u. Auchises 139. 139*; d. C. Antistius
Vetus 145' ; Jubas II. v. Mauretanien 154'.
154^ 155'; der august . claud., neroni-
scben Zeit m. Arae Augustae in Lyon
162'-; von Kaisareia i. Bithynien 325.
325*. 327. 329. 332; von Gangra 334;
von Germanikopolis 334
Münzbenennungen, Anachronismen 184-
Münzeraufstand, s. Quellen . . . 212 4
Münzlegenden, altrömische u. römisili-
kampanische 111/2. 11:'.
Musikalische Proportion .... 482'
Mygdonen, Wohnsitze 401
Mykenisches Griechentum , Mischkultur
12/13
it/öptva-morinail-murina 31
Mysien, Grenzen 400
Mysterienvi'esen in Griechenland . . 14
N. Buchstabe d. lat. Alphabets, Formvei--
änderungen 111/12
Namen, karische 469/79: kretische in
Italien 26/47
Namenspielereien . . . 292. 292^. 313
Nebenpyramiden m. eig. Totentempel 126
Neugrihidungen v. Städten nach ihrer Zer-
störung, Athen 7; Milet .... 7.
Neunzehn , Zahlensymbol b. d. Babylon.
495
Nikaia, Geltungsbereich d. Metropoliten
411/12
Nikomedia, Geltungsbereich d Metropo-
liten 411/12; Tempel der Roma u. d.
Augustus 147/8
Nisyros 278. 278^
vo/jio(fv>.u>cHor ........ 273'
voiJiO(fvXaxfc , athen. Beamtenkollegium
171/6. 272'. 275*; priesterliche Tätigkeit
275; in Aegypten 276
Numerianus, s. Tod 216/7
Numerika, bithynisches Bistum . . 412
Nursia 368. 372'
Obstbau in Europa 78. 78'
Octavianus Augustus. KaiauQ 142'; s. Kult
139/175
Oechalia, Lage 446
Oeniadae , Zugehörigkeit zu Akarnanien
i. J. 270. 445; Fehlen in d. Subskrip-
tionen d. ätol. Bundes .... 454
Oenoe, Lage 436. 437/8
'JQ/f^os-Oculnius-Ogulnius . . . 46/47
Oktovirat in sabinischen Städten . 368/9
'OAoüc- Volutilius-velud 45
Olymp (mysischer) 328. 330. 333. 398/9
400
Omina, ihre Deutung . . 484'. 485*. 491
Onysia, Insel b. Kreta ^ Dionysia . 435
opes, Bedeutung bei Cäsar, 6f ff. (/((//. 67'. 70
Opferstier auf Münzen v. Kaisareia i. Bithyn.
327/28. 332.
Oratio Constantini ad sanctum coetum 199'
Orosius adv. paff., s. Quellen . . . 199
Orientierung bei Wahrsagungen . 484'
Oskischer, altitalischer Fuss s. Fuss.
Osogo 15
Ostraka, aus der Zeit d. Kaisers Tacitus
324; spätptolemäische aus Dime 259;
deraotische des 2. Jahrb. 259 ; griechische
aus Dime 259
Otroia ^ Jenischehir 397
Oxyrhynchites, Veteranenansiedlung 390/1
P. Buchstabe des lat. Alphabets, Formver-
änderungen 113
l'.iü-asae = Demetrias 443/5
jhi^iiK . Kiuführung in Aegypten . . 392
l'aiiakton = Gyphtokastro . . . 486/7
Pandionis, athenisch. Phyle .... 20
Piqn/rus Oxij. I, 63 Z. 8-9 . . 510/11
Papyrusfunde in Dime 258,9 ; in Medinet
Madi 260
Parentalia, Fest 341
Namen- und Sucliirr^eiclinis.
519
Panncnion, in d. Sclilacht. am üi-anikos
237. 239. 243
Faros 278. 278"
Piirther, Bezeichnung als Perser 3r,0. 300'
Pentagramm d. Pythagoreer . 4x7. \-<'.i
Pergamum, Tempel d. Roma u. d. .\ii_Mi-in-
147. 147\ Spirlr 1I7'
Perser, Aufstellung in d. Schlacht am
Granikos 241/2
Perseus s. Römer, Ausbruch d. 3. mak.
Krieges.
ifä/.ayi 6in).Ti 232, 232*; -afttpiaTO/itog 232-;
Wiederaufkommen in hadrianischer Zeit
364'
Pharsalus. Anschluss an ätol, Bund 4.55.
4.55«
Phigalia 44.5
Philippos V. Makedonien, Zug gegen d.
Besitzungen d. Ptolemäer , . . 281
Phoenike, Frieden 4.")-t. 454'
Phokis, Kämpfe mit Lokrern 440 ; Herr-
schafts- u. Gebietsveränderungen 440/2;
im ätol, Bunde 454
Phrygia Epiktetos, 393/4; Vorkommen bei
Strabo 39.5/6; Lage u. Grenzen gegen
Bithynien 397/402; Modroi ... 403
Phrygien, Grenzen . . . 400. 401. 403
Phylen, athenische, ihre Lage . . 20/22
Picenum, Unterwerfg durch d. Römer 373
niva§, Verwendung u. Wortbedeutung 250 ;
— 6 na^ix Totg aQ/iepivat xfi/xevoc
245 Ö'. ; ^ tabula apud pontificem ma.ri-
mum 246. 254. 254'^; Holzcodex, älteste
Redaktion derPontifikalannalen 249, 254
Piso, Quelle für Dionys. v. Hai, 246*, 246
247 ; Erscheinungszeit d, Pisoniscben
Annalen 247'; Benutzung der Ponti-
fikalannalen 255, 255''
Placentia, Schlacht eine Niederlage 207'
Plutarch , Quelle für ßallierkatastrophe
335 ft'.
Plutoheiligtum in Eleusis . . . . 11
Plynteria, athen. Fest 275
Polybius , Quelle für Gallierkatastrophe
336 ft',; für Hannibals Uebergaug über
d, Rhone 343 ff,; für Hasdrubals Me-
taurusfeldzug 38-5/87; für d, Ausbruch
d. 3, mak. Krieges 415/30; s. Art der
Quellenbenützung 352/54
Pomerium d. Servianischen Stadt . 120
Pompei, Tempel d, Fortuna Augusta 157
157=: Tempel d. Genius Augusti . 167
Pomponios Alkastos u. s. Verwandtschaft
in Sparta 359. 361/3
Pontificalannalen. Zeit ihrer Rückführung
bis zur Stadtgründung 248 ; Redaktion
d. 3. Jahrh. 254; ihre Abfassung 258.
253'. 2.54; Zeit der ältesten Redaktion
256/7; Verhältnis zu Annales maximi
248. 255; Zusammenhänge mit d. Fest-
kalender 342; Benutzung durch d. Privat-
annalistik 25-5/6; Quelle für Gallierkata-
strophe 335/42
Porsena, Einnahme Roms .... 105
Seite
Poseidon, Kampf mit Athene 17/18; Erd-
erschütterer 18. 18'; Meergott . 18/19
Präf'ekturen 368/9
Praesos auf Kreta, Lage .... 434
//(/'(/öog-presu-Praesentius .... 44
//;(/(aoc-Pri 43
l'iiiicipes bei d. Germanen 72. 73/74. 81/82
Privatbesitz bei d. Germanen .54. 61. 69
Proculus, gallischer Gegenkaiser 204, 204-,
205
Psychro, Höhlenkult 10; Lage , . 434
Psyttaleia = Hagios Georgios . 431/33
Ptolemaeus Philopator u. s. Herrschaft im
äg, Meer 278/83
Ptolemaeus Philadelphus, Niederlage b.
Kos 277
Ptolemais, Kult des deös Suizr/p . 142*
P. Furius Saturninus, cons, suffectus 355
P. Martins Verus, Legat d. V. Legion 356
/fci'o^-pucna 28
77i;((fa'9oc-pure 43
Pythagoras, Vater d. Zahlensymbolik 481 ;
Beziehungen s. Zahlenlehre zu d. Babj'-
loniern 496
Pythagoreer, Zahlensymbolik 481/83; Zah-
lenspekulation 486/9. 490
Pytheas 273/74
Quaderbau in Etrurien 106; in Latium
106; and. Serviani.sche Mauer 106/7. 108
Quellenuntersuchuugen : Zur Gallierkata-
strophe 335/42 ; zu Hannibals Ueber-
gang über d. Rhone 348/54; zu Herodots
geographischen Angaben 382/4: zu Has-
drubals Metaurusfeldzug 384/7; zur
Schlacht am Granikos 230 iF. ; zu Dionys.
V. Hai. 246^ 249; zum Ausbruch des 3.
mak. Krieges 415/30; zu Pontifikal-
annalen 248 ff,; zur Lage von Kaisareia
Germanike 325/34; zu den Scriptores
Histor. August 178/229
Quintilis, umgetauft in .Tunius , , 133
Quintillus, s. Tod 200; Claudius geschrie-
ben für Q 202*
Q. Pompeius Senecius Sosius Priscus,
cons 356*.
Q, Sulpicius, s, Opfer vor d. AUiaschlacht
337, 337'
'Päxwg-'PavxOQ, kret, Wahrsager 29, 39
Raubritterwesen, Ursprung . . 73. 73*
Reate 368. 372*
rechts, Ausdruck durch imnu bei Babyl.-
Assyr. 483/6. 490/6; — u. links bei Bab.-
Assyr 483'. 485. 485*
Rechtsläufigkeit d. lat. Schrift . 110/11
Rhodier, Vorherrschaft im ägäisch, Meer
279/80. 280'; Niederlage bei Lade 279
Rhodos, Sonnenfest 426. 426». 427; Be-
amtenwechsel 426
Rhone, ihre Ueberquerung durch Hannibal
u. s. Elefanten 343/54
Rhotazismus 115
Rhyndakos, Fluss 326. 328
Viavög-'Petttvög-Reia.nus 32
'PiTrjJi'-ritnei-Ridanius 36/37
520
Namen- und Sachverzciclmis.
'Wru/oft-'P/ai/oK-ritumenas .... 36
Kümer: ihr. Fluchtort nach der Allia-
schlacht 336. 336'; 3 Krieg gegen Make-
ifonien 415/30 [Quelleimntersuchuugen
über Gesandtschaft d. C. Valerius 416/17;
Mobilmachung 417/20; Antrag auf Krieg
421/2; Gesandtschaft des Marcius 424/5.
480] Rekonstruktion der Vorgänge beim
Ausbruch d. Krieges 427/30; Methode
bei d. Unterwerfung einer Völkerschaft
369/70. 375/6; Unterwerfung der Sabiner
367/73 ; von Picenum 373/6 ; von Etrurien
376/81; Vertrag mit Umbrien . . 375
Römischer Fuss s. u. Fuss.
Rom, Einnahme durch d. Gallier s. u.
Gallier: Servianische Mauer s. u. Serv.
Mauer: Brunnenhaus auf d. Cermalus
86/87; kapitolinischer Jupitertempel 87.
103 ; Kastortempel auf d. Forum 87 ;
Apollotempel auf d. Marsfelde 87/88;
Einführung des solonischen Fusses 84/85.
86. 88; Eroberungen der Stadt 105;
Hannibal vor Rom ] 06 ; Einführung des
Quaderbaus 106; Poraerium derserviani-
schen Stadt 120: Bestattuugsverbot
innerhalb des Stadtinnern 116/17. 120;
Gräber innerhalb des Mauerringes 116/20
Roma, Kult u. Tempel; inPergamum 147.
147^; in Nikomedia 148; in Nikaia u.
Ephesus 137; in Epidaurus 152; in Cä-
sarea 155. 164; in Lyon 162. 162- ; in
Mylasa i. Karlen 163; in Pola 170; in
Ankyra 172; in anderen Städten 148'
Rufrena, lex 136. 136^
Rumitalka, Kriegstribnn 404
Rundbauten, Deutung 3
'Pi'T/o)'-'Pi'r(ßöööcrutia .... 43
Sabiner, Unterwerfung durch d. Römer
367/73; polit. Organisation 368/9. 372;
ager quaestoriux 371/2
Sängergilde, milesische 3
Saliarisches Lied, Aufnahme des Namens
des Augustus 149. 149'
.^«AiMtbvtov , Vorgebirge in Kreta, Name
griechisch 435/6
Samaria, nach Augustus Sebaste getauft 1-52
Samos unter ptolem. Herrschaft . 278'°
Sangarius, Pluss in Bithynien 393. 394, 401
aavig . 252. 253
Sarapis, Herkunft 127; Einführung in
Alexandria 127. 128 ; Ableitung des
Namens von sar apsil27; Kritik d. Ueber-
lieferung 127/8 ; künstliche Neuschöpfung
128; S.-Isis 128; Kultbilder . . . 128
Sarkophag v. Hagia Triada . . 10. 13
Sarymeschedagh od. Gürlügdagh . 397
.Särpa-Satra-satrial 37/38
Saturninus, röm. Befehlshaber im Parther-
krieg = Vigellius Saturninus . 355/7
Satzschluss bei Vopiscus . . . 303. 312
ixf'rffo;, lokrischer u. phokiseher Heros 440
Sehwanken zwischen Media. Tennis u.
Aspirata bei Kretern u. Etruskern 38
42/43
Scriptores historiae Augustae, Besprechung
moderner Literatur über sie 178/80
183/4; Quellenuntersuchungen 178/229
Seid-su, Hauptquellfluss d. Sangarius 401 ;
alter Name Parthenius .... 401
Semiten, altsemitisches Heiligtum . 10
Sempronius Asellio, Historien unter Ein-
fluss d. Polybios geschrieben . . 256
Senat, römischer, Einfluss auf Provinzial-
kulte 147^; Münzprägung unter Kaiser
Tacitus "..... 297
senientiam dicere d. Liv. =: yiw/ur/v clntlv
d. Griechen 459. 462
Septimius, Gegenkaiser des Aurelian 204
Servianische Mauer in Rom, Masse u.
Messungen 83/84. 88/92. 93/94: Material
92. 93. 98. 101. 108; Verwendung v.
Bindemitteln 92; Zeitstufen d. Baus 93.
95. 96. 97. 98. 99. 100/1. 104. 10.5. 106.
108. 116/7 ff.: Steinmetzzeichen 93. 95.
98. 109/16; Befestigungsgraben 94;
Bruchstück auf Piazza Fanti 94/95; am
Zentralbahnhof 95 ; an d. Porta Viminalis
95/96; an d. Nordgrenze der Dogana
96/97; in d. Via Volturno 97/98; Bö-
schungsmauer 98/99; beim Bau des
Museo agrario 100/1; b. Palazzo Anto-
nelli 101/3; im Gärtchen auf Piazza
Magnanapoli 103 ; im Garten Colonna
103/7 ; römische üeberlieferung 104/5.
123; Läufer-Bindersystem 103. 107;
Quaderbau 106/7. 108; Gräber innerhalb
des Mauerringes 116/20: Funde im Wall
120/23
Seschem-nefer, Ausgrabung s. Mastaba 263
3;Tß;/Setia 44
Sextilis. umgetauft in Augustus . . 166
S. Pompeius, s. Kult 138. 138»; Abstam-
mung von Neptun 138
Shira-tepe 408/9
Sicinius, beim Ausbruch d. 3. mak. Kriegs
415/29 bes. 426
Silenus, Quelle für Hannibals Uebergang
über d. Rhone 350/2
Skylla 15
Skyllies, Taucher 15
Sf.ivQ).favr, = ,>yi'p;.£«vr/ 326. 332/3; 328. 331
sodales Augustales 174. 174'
Sögut = Gordoserba? .... 411/12
Soknopaios, Gebete an ihn .... 259
.^oD>l/«-Sulenius 42
Spanien. Einführung d. Kaiserkults 157/8.
Spiele: zu Ehren d. Venus Genetrix in
Rom 130. 130^ 130*. 134^: d. Critonius
134. 134^; ludi qitinquemiales 144'; pro
reditn 145': zu Ehren d. Augustus 145^^;
'Pwfirüa ^fßttOTa in Pergamum 147^:
zu Ehren d. Victoria d. Augustus 149";
4jährige zu Ehren d. Augustus in Myti-
lene 151^; Augustus Spiele in Epidaurus
152'; in Mauretanien 154'-'; „Augustalia"
157^; Kaiser- Spiele in Cäsarea 164. 164'-:
an d. Festtagen d. Larenkults 166^;
hidi Martiaks 169' ; in Neapel zu Ehren
Ntoiicn- und Surhve.rzeicinih
521
des Augiistus 170. 170^; 4jiihrige in
Ankyra 172. 172-; zu Ehren d. verstorb.
Augustus auf d. Palatin 175; zu Kliren
d. M. Agrippa in Kos 176; zu Ehren d.
C. Cäsar in Kos 177
Sprache der v o r g r i e c b i s <■ h e n Be-
völkerung Griechenhinds 17; kariscbe
4G9/80; lykische, Verwandtschaft
mit der karischen 479
Stadtbild, mykenisches 8/9; griechisches
8/9
Stadtpräfektur, Bedeutung um d. Wende
d. 4. Jahrh 293
Stare = esse in Gallien 319
Steinmetzzeichen an d. Servianischen Mauer
bei d. Wahl 293/4; Senatskonsult auf
Elfenbein in d. Bibliotheca L'lpia 294,'.'j;
prima oratio ad neiiatiim 296/8; Abstam-
mung d. Kaisers 303. 306; Korrupte!
eiiicos arcliiis in c. 10. 304; Sklaven-
verkauf 304/5; Privatleben 298/300.
SO-VO; Senatsherrschaft u. Senatoren-
briefe 306/7. 3IÖ/6; Bestrafung d. Mör-
der Aurelians 307 ; Kämpfe in d. Maeotis
307/8; Tod 308; Umnennung des Sep-
tember in Tacitus 309/llJ: Klorianus
Nachfolger 310/11. 31 1'^: Orakel d. Ha-
ruspice8312/3; Gemälde d. Tacitus 3U0. 313
Tagebücher. Benützung für antike Historio-
graphie ■ . . . 189'
in Rom 93. 95. 98. 109/16 Tarpeja. Opfer an ihr. Grabe ... 341
Stephanus v. Byzanz, Benutzung d. Heka- Tarquinii 377/8. 379
taios 383/84 7«{)pa-tarna 28/29
Strabo; Kritik d. riuiyyuifixd . . . 50' Tarraco. Altar d. Augustus . 153. 158'
Strategen, im ätol. Bunde: ihr Antrags- Telesterion in Eleiisis 10"
recht 458/63; Lattamos 452. 455'; Damo- Tembrogius, Nebentluss d. Sangarius 394;
kritos 460. 463; im achäischen s. Gebiet phrvgisch 401/2
Bunde, ihre Stellung . . 460/1. 461- Tempel, Entstehungsgeschichte 8. 9. 9'.
Subskriptionen, des ätol. Bundes 4.53 ff. ;' 10. 11
ihre Wertung für d. polit. Gliederung | Tetricus, Aurelians Bonmot über ihn 221
Griechenlands 454' i ©faraZ-Tenetius-Tenatius 40
Sueton, Quelle der „Kaisergeschichte" 188. i Theoprast, Einfluss auf Uemetrios Gesetz-
201. 225/7; Gattungsbegritl' ,Kaiser-
scbriftsteller' 226. 306; S. auctus 188.
226; — spezifische Ausdrücke: venas
incichre 201/2; taxare = sticheln 205;
nota im Sinne von Gepräge 213; am-
pliare 216; ioculariter 221'
gebung 268/70; Verminderung der Be-
gräbniskosten 269; Fragmente s. Buches
nfQi lö.uiur 268/70
6föc —ujn'iy, Kult in Ptolemais . . 142^
©j/ojjy-iferas-Terius 34
Thermon, ätol. Stadt 4.50
Suetonius Optatianus . . . 301/2. 306 I Thessalien, iia ätol. Bunde 455. 4.55'. 456
sumelu s. links ; = nin-gig-ga . . 485/0 1 P. Claudius Nero, s. Kult .... 177
2'f«yi«c-Sua vithusSuavettius . . . 42 | tilph-delph 17
S'/JpfTK-zupre-supri 31 | Tilphosa. böotisch-arkadische Quelle 16/17
S'fööK-Suessa 28 tocharische Sprache in Ost-Turkestan 76'
Zt'/ß-Soius-Suius-suie 28 7'o/rö/«-Tueca 30/31
aiußtt/oi. d. "Römer, Kriegsdienst als Totenopfer, Vertrag auf Denkstein . 263
Leichtbewaffnete .... 365/6 365' | Trebellius Pollio .... 202. 211. 3J4'
Äpiröoj-Sora 34 ; Surentum ... 36 : Triphylien in arkad. Besitz . . . 445/6
.Tiviiw-^ri'äjroj-surna 36 | Trittyen, athenische, ihre Lage . 20/22
Syi-os . 278. 278^ i Troesmis, Standquartier d. Legio V Mace-
donica 356
tabula, Wortbedeutung 251/2; = corfe.r | Tschekirge, das alte Kaisareia . 333. 334
254; — apud pontiiicem maximum 254; i Turpenus pater = 'Anö'/J.oiv Tv^ßr/vög 46
= mvaS o nuQä xoig ntjyi((>fi<ji xflfiiroc i riycuf'i'j/c-tucmenas 45
246 ; Holzeodex, älteste Redaktion der i Tv/«(;(o?-Ducenius 45
Pontifikalannalen 249. 2.54 j TuÄioö^-tule 39
tabulae Caeiites 377- j Tvp/Jaöoti-Turpilinus 46
tabidarium. Staatsarchiv 252 , Tvpßtj, Fest 46
Tacitus, Vervielfältigung s. Schrift 304; ! Üb, babylon. Ideogramm. Bedeutung 489/90
s. Germania Sittenspiegel . . . 73'. Umbrien, Bund mit Rom .... 375
Tacitus. röm. Kaiser; s. vita d. Vopiscus; Valens in Kappadokien .... 403/6
ihre Quellen: lat. 186/8, griech. 189/92; Valerianus. Ueberl. über s. Ende 196/200
Aufbau d. Tita 317/18; Wertung der- Veidius Pollio, Tempel für Augustus in
selben 318: Datierung d. Regierungs- Benevent 159. 159'
zeit 323/4: rita selbst mit Kommentar ! Veii 380
Quellenkritik 284/324 [Interregnum 1 Velius Cornificius Gordianus, röm. Kons.
nach Aurelians Tode 284/5. 312; Aure-
lians Tod 28-5/88: Senatsverhandlung
289/91; T. consul 290; Rede d. Maecius
Fallonius Nicomachus 292/3; Verfahren
Klio, Beiträge zur alten Geschiebte XI 4.
290
Venus, — Genetrix, Tempel in Rom 130.
130«; jährliche Spiele zu ihren Ehren
130. 130«. 134^; Weihinschrift in Prae-
34
10
Xdiiirii- II ml S(ii]irfr,:rirli)iis.
neste 157: — Victrix, Feldgeschrei 129.
129=; Bild auf Münzen Cäsärs 129; Bild
als Siegel Cäsars 129. 129^ u. Mars
169'
Vergil, 1. Ekloge 140. 140'; Octavians
Apotheose iu d. Georgica . 141. 141'
Verus, Aushebungen in Sparta zum Parther-
kriege 364. 365
Veteranenansiedlungen in Aegypten 390/91;
Aehnlichkeit mit coloniae innerhalb der
gallo-römisch. Civitäten .... 391
Victorinus, s. Ende 218/9
Viehzucht bei d. Germanen 66/67. 70/71. 80
Vierzahl bei Pythagoreern 487; bei Baby-
loniern 494/5: ihr Ueberspringen in
Zalilenreihen .... 491. 493/4. 495
Vigellius Saturninus, Legat der Legio V
355/7
Vokalisation, etruskische 39
Volsci 379
Volsinii 379
Vopiscus, Zeit s. schriftstellerischen Tätig-
keit 180/5. 192. 209. 320; Art der Ab-
fassung 185. 209/10. 285. 314; Redaktor
des Corpus d. Script, bist. Aug. 186;
i-ita Tucilt s. u. Tacitus; Tendenz 290/1;
Anklänge u. Zitate des Schriftstellers
Tacitus 290. 290* 314'; als Rhetor
Ciceronianer 292. 292-; s. angeblichen
Vorbilder .301/2; Nationalität 319/20;
V. Tac. im Vergleich mit i\ Ser. Alex.
u. r. Hei. 298/302. 322-; Satzschluss bei
Vop. 303. 312; mutmasslich. Autor der
Biographie d. Avidius Cassius 320/2;
= theodosianischer Fälscher 321-. 322
rata in Rom: pro solide principis, Tag
ihrer Abhaltung 143^; pi-o imperatore
Ciiesaris 143/4. 144' ; pro valetudine,
pro reditu 145'
Vulcacius Gallicanus, Autor der vita d.
Avidius Cassius 319
Wagen als Ackerbaugerät .... 77=
Wahrsagungen. Orientierung dabei 484'
Wanderungen, kretische 5 ; griechische 5/6
Wirtschaftsverhältnisse bei Germanen s.
Germauen.
Wohnungswechsel, jährl. bei d. Germanen
s. Germanen.
Y., Aussprache 32
zag (babyl.) = rechts 483'
Zablenlehre der Pythagoreer 486/9; der
Babylonier 489
Zahlenspekulation bei Babylonier- Assyrern
486. 489; bei Pythagoreern . . 486/9
Zahlensymbole imnu u. sumelu 483/6.
490/6
Zahlensymbolik , geschichtlicher Uebei'-
Sfite
blick 481/3; u. Naturereignisse 486; s.
Babylonier; s. Pythagoreer.
Zehnzahl bei Pythagoreern . . . 487
Zeno-Poseidon 15
Zeta, Buchstabe des altlateinischen Alpha-
bets 114/5
Zeus, idäischer, Kultus 12 ; — Kataibates
18=; — Morios 18°; — Skyllios . 15
Zwblfgötteraltar 21
zid (babyl.) — rechts 483'
Ziegel, ägj'ptiscbe aus weisslichgrauer
toniger Erde 259
Ziegelstempel aus Dakien . . . 499/510
Zitate: Aeschylos, Perser 4-54 fl'. 433;
Aristophanes. We.ip. 195 u. 902 19 f.;
Diodor c. 19 u. 20 239 «. ; Dionys. v. Hai.
1, 73. 1 249; 1, 74,3 245 ff. 246*; Heraclei-
des d. Krit. {Gcoqr. Gr. Min. 1 S. 106
444/5; Herodian IV, 8. 3. 9, 4 360. 863.
364: Luk. nüis äft iar. avyyo. 21 355/7;
Paus. 1. 19, l' 21 f. : Plutarch, Garn. c.
22 ff. 335/42; Pollux VIII, 102. 272. 276;
Polvän IV, 3, 8 242; Polyb. U, 21, 7
373'; III, 2, 8 281. 281'. 282. 283; 111, 46
343/4. 348/54; V, 33 256. 256'; 35, 11
279.. 280; 37, 7 279; Strabo V, 228 368;
V, 251 874; VH, 1 851/52; IX, 395
431/33; IX, 436 443/5; X, 478 448;
Demetrios v. Kaliatis bei Strabo I, 60
441: Thukyd. II, 15 23/24; V, 42. 1
438/9; Zon. XII, 26, 1 201; Aur. Vict.
Caes. 31, 1 223/5; 32, 5 198/200; 34, 8
200/1; 3.5. 6 212/4; 35, 7 214/6; 88, 6
216/7; Caesar, Ml. Gull. YV, 1, 3 ff.
58 fl'.; IV; 10 75; VI. 11, 1 21, 3, 22,
1—3, 23. 1—8. 24, 2 56 ff.; Catofragm.
aus Origines IV bei Gellius N. A. II,
28. 6 = Fragm. 77 bei Peter Bell. I
S. 73 246 ff'. ; Chronograph v. CCCLIV
S. 148 Z. 3 223; Cicero, de orat. II, 52
248 ff'.; Epitome de Caes. 31, 1 223/5;
31, 2 223; 82. 5—6 197/200; 84, 8 210/1;
3.5,4 212/4; 36,2 200: 38.4 216/7;
Eutrop IX, 5 223/5; IX, 7 197/200; IX.
14 212/4; IX, 15 214/6; IX, 18,2 216/7;
Festus ep. p. 119 336: Lact, dt mar.
perseciit. 5, 2 198/200: Livius XXI, 28
842/4. 348/54; XXVI, 3, 12 377/8;
XXVin, 45. 14 377; 45, 19 368; XXXI,
32. 3 4.56/8; XXXU, 22, 2 460/1. 461';
XXXV, 25, 3 459/63; Gros. adv. pag. VII,
22, 4. 198/200; Vop. A. 38, 2 212/4;
39, 2 214/0; Gar. 12. 216/7; Velleius I, 14
367
Zosimos, historianova 1%; s. Quellen 191.
227; lat. Epitome d. Zosimosquelle
192 f. 197.
11
D
51
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